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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.1997
Aktenzeichen: C-83/97
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 189 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Blosse Verwaltungspraktiken, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt sind, können nicht als eine wirksame Erfuellung der Verpflichtungen angesehen werden, die den Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet ist, aus Artikel 189 des Vertrages erwachsen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 11. Dezember 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland. - Vertragsverletzung - Nichtumsetzung der Richtlinie 92/43/EWG. - Rechtssache C-83/97.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 24. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7; im folgenden: Richtlinie) nachzukommen.

2 Gemäß Artikel 23 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um der Richtlinie binnen zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis zu setzen. Die Richtlinie wurde der Bundesrepublik Deutschland am 5. Juni 1992 bekanntgegeben, so daß die ihr zur Umsetzung gesetzte Frist am 5. Juni 1994 abgelaufen ist.

3 Nachdem die Kommission keine Mitteilung oder anderweitige Information über Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie in die deutsche Rechtsordnung erhalten hatte, gab sie der Bundesregierung gemäß dem Verfahren des Artikels 169 EG-Vertrag mit Schreiben vom 9. August 1994 Gelegenheit, sich binnen zwei Monaten zu äussern.

4 Die Bundesregierung antwortete der Kommission mit Schreiben vom 25. Oktober 1994, daß die deutschen Behörden mit der Vorbereitung der zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen Maßnahmen befasst seien und daß die Richtlinie bis zum Erlaß der Vorschriften im Rahmen des geltenden Rechts anzuwenden sei. Die Bundesregierung machte jedoch geltend, daß die Vorschriften der Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume bisher für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung noch nicht relevant und die Vorschriften über den Artenschutz im wesentlichen bereits durch das geltende Bundesnaturschutzgesetz umgesetzt seien und daß die Richtlinie ganz allgemein Unklarheiten enthalte, die ihre Umsetzung erschwerten.

5 Nachdem die Kommission keine Mitteilung über Umsetzungsmaßnahmen erhalten hatte, übermittelte sie der Bundesregierung am 28. November 1995 eine mit Gründen versehene Stellungnahme mit der Aufforderung, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Die Stellungnahme blieb unbeantwortet.

6 Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

7 Die Bundesregierung bestreitet nicht, daß sie nicht alle zur Umsetzung der Richtlinie notwendigen Maßnahmen erlassen habe. Sie weist jedoch darauf hin, daß die Richtlinie seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist von den zuständigen Behörden unmittelbar angewandt werde und daß die geltenden nationalen Vorschriften gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt würden. Ausserdem verweist sie auf ein laufendes Verfahren zur Annahme eines Gesetzentwurfs, der insbesondere die Umsetzung der Richtlinie zum Ziel habe.

8 Da die Richtlinie von der Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt wurde, ist festzustellen, daß die von der Kommission erhobene Klage begründet ist.

9 Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich blosse Verwaltungspraktiken, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt sind, nicht als eine wirksame Erfuellung der Verpflichtungen angesehen werden, die den Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet ist, aus Artikel 189 EG-Vertrag erwachsen (vgl. insbesondere Urteil vom 12. Oktober 1995 in der Rechtssache C-242/94, Kommission/Spanien, Slg. 1995, I-3031, Randnr. 6).

10 Folglich ist festzustellen, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 23 der Richtlinie verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

11 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Die Kommission hat die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der Kosten beantragt. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 23 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstossen, daß sie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um der Richtlinie nachzukommen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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