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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 06.11.1990
Aktenzeichen: C-86/89
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 822/87/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 92 Abs. 1
EWGV Art. 92 Abs. 3 Buchst. c
EWGV Art. 173
EWGV Art. 93
VO Nr. 822/87/EWG Art. 45
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Sobald die Gemeinschaft eine gemeinsame Marktorganisation für einen bestimmten Sektor errichtet hat, ist es Sache der Gemeinschaft, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Lösungen für die Probleme zu finden, die in diesem Sektor zum Beispiel aufgrund einer Überschusserzeugung auftreten können. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sich aller einseitigen Maßnahmen zu enthalten, selbst wenn diese geeignet sind, der Unterstützung der gemeinsamen Politik der Gemeinschaft zu dienen; sie können sich daher nicht unter Berufung auf eine solche Unterstützung von der Einhaltung des Verbots des Artikels 92 EWG-Vertrag im Bereich staatlicher Beihilfen befreien.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 6. NOVEMBER 1990. - ITALIENISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - WEINSEKTOR - BEIHILFE FUER DIE VERWENDUNG VON REKTIFIZIERTEM TRAUBENMOSTKONZENTRAT. - RECHTSSACHE C-86/89.

Entscheidungsgründe:

1 Die Italienische Republik hat mit Klageschrift, die am 16. März 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag die Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 30. November 1988 über das Decreto-legge Nr. 370/87 der italienischen Regierung vom 7. September 1987, am 4. November 1987 zum Gesetz Nr. 460 umgewandelt, mit neuen Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von Erzeugnissen des Weinbaus beantragt. Diese Entscheidung wurde der italienischen Regierung mit Schreiben vom 6. Januar 1989 mitgeteilt und am 7. April 1989 im Amtsblatt veröffentlicht ( ABl. L 94, S. 38 ).

2 Artikel 45 der Verordnung ( EWG ) Nr. 822/87 des Rates vom 16. März 1987 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein ( ABl. L 84, S. 1 ) hat eine Beihilferegelung eingeführt für in der Gemeinschaft erzeugten konzentrierten Traubenmost und in der Gemeinschaft erzeugtes rektifiziertes Traubenmostkonzentrat, wenn diese Erzeugnisse gemäß Artikel 18 der Verordnung zur Erhöhung des natürlichen Alkoholgehalts der frischen Weintrauben, des frischen Traubenmostes und einiger Weinarten verwendet werden. Artikel 18 der Verordnung bestimmt die Voraussetzungen und Modalitäten dieser Erhöhung. Nach Artikel 45 Absatz 3 wird die Höhe der Beihilfe entsprechend dem Unterschied zwischen den Kosten der durch Saccharosezusatz und denen der durch Zusatz von konzentriertem Traubenmost oder rektifiziertem Traubenmostkonzentrat erzielten Erhöhung des Alkoholgehalts festgesetzt.

3 Mit der Verordnung ( EWG ) Nr. 2287/87 vom 30. Juli 1987 ( ABl. L 209, S. 26 ) setzte die Kommission die Höhe der Beihilfe für die Verwendung von konzentriertem Traubenmost und rektifiziertem konzentrierten Traubenmost für die Weinbereitung im Weinwirtschaftsjahr 1987/88 fest.

4 Die italienische Regierung hielt die Gemeinschaftsbeihilfe für unzureichend. Nachdem sie vergeblich versucht hatte, von der Kommission eine Ergänzungsbeihilfe zu erlangen, führte sie deshalb ein nationales Zusatzbeihilfesystem ein.

5 Zu diesem Zweck sieht das italienische Decreto-legge Nr. 370/87 vom 7. September 1987 ( GURI Nr. 211 vom 10. 9. 1987 ), am 4. November 1987 zum Gesetz Nr. 460 umgewandelt ( GURI Nr. 262 vom 9. 11. 1987 ), vor, daß in den Weinwirtschaftsjahren, für die die Erhöhung des Alkoholgehalts gemäß Artikel 18 der Verordnung Nr. 822/87 zugelassen ist, die Erzeuger von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat eine Beihilfe erhalten können, die durch Dekret des Ministers für Landwirtschaft und Forsten festgesetzt wird. Für das Weinwirtschaftsjahr 1987/88 sieht das Decreto-legge jedoch vor, daß die Beihilfe den Weinerzeugern nach Erbringung des Nachweises der Verwendung des rektifizierten Mostkonzentrats zur Erhöhung des Alkoholgehalts unmittelbar gewährt wird. Die Höhe der Beihilfe für dieses Wirtschaftsjahr wurde durch Dekret des Ministers für Landwirtschaft vom 21. November 1987 festgesetzt.

6 Mit Schreiben vom 14. September 1987 übermittelte die italienische Regierung der Kommission das Decreto-legge Nr. 370/87. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1987 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung über ihre Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einzuleiten. Dieses führte zu der Entscheidung, gegen die sich die vorliegende Klage richtet.

7 In den Begründungserwägungen dieser Entscheidung heisst es, daß die italienische Zusatzbeihilfe den Erzeugern von Traubenmost dadurch, daß sie auf künstliche Weise dessen Verwendung für die Herstellung von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat fördere, sowie den Weinerzeugern, die den Traubenmost zur Erhöhung des Alkoholgehalts verwendeten, einen besonderen Vorteil gewähre. Die Beihilfe begünstige auf diese Weise unmittelbar und mittelbar die italienische Traubenmost - und Weinerzeugung und verfälsche den Wettbewerb zwischen den italienischen Erzeugern und den anderen Erzeugern derselben Erzeugnisse in der übrigen Gemeinschaft. Wie die Zahlenangaben über die Aus - und Einfuhr von Traubenmost und Wein aus und nach Italien zeigten, beeinträchtige diese Beihilfe auch den innergemeinschaftlichen Handel mit diesen Erzeugnissen.

8 Die Entscheidung erklärt die in Artikel 92 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmen vom Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag für nicht anwendbar. Insbesondere könne für die fragliche Beihilfe als Betriebsbeihilfe keine der Ausnahmeregelungen des Absatzes 3 in Anspruch genommen werden, der die Gewährung der Beihilfen von besonderen Bedingungen abhängig mache.

9 Schließlich wurde den Begründungserwägungen der angefochtenen Enscheidung zufolge die italienische Beihilfe vor dem Abschluß des in Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens durchgeführt.

10 Aufgrund dieser Erwägungen stellt die Kommission fest, daß die italienische Beihilfe unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag eingeführt worden sei und daß sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei und aufgehoben werden müsse.

11 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, der Vorgeschichte des Rechtsstreits sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

12 Die italienische Regierung wendet sich mit zwei Klagegründen gegen die Begründung der streitigen Entscheidung. Zum einen habe die Kommission Artikel 92 falsch angewendet, und zum anderen sei der von der Kommission behauptete Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 weder nachgewiesen noch hinreichend begründet worden.

13 Zum ersten Klagegrund macht die italienische Regierung erstens geltend, daß die Kommission zu Unrecht von der Anwendbarkeit des Artikels 92 Absatz 1 ausgegangen sei. Die fragliche Beihilfe begünstige nicht die italienischen Erzeuger und beeinträchtige nicht den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Zweck dieser Beihilfe sei der Ausgleich der sich aus der unzureichenden Höhe der Gemeinschaftsbeihilfe ergebenden Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Regionen, in denen die Erhöhung des Alkoholgehalts durch den Zusatz von Saccharose erreicht werde, und jenen, in denen diese Erhöhung durch die Verwendung von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat erfolge. Zudem sei die Höhe dieser Zusatzbeihilfe gering und habe keine grossen Schwankungen der Weinpreise auf dem italienischen Markt verursacht.

14 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß nach der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Analyse die streitige Beihilfe vor allem den italienischen Traubenmosterzeugern einen besonderen Vorteil gewährt. Soweit die Beihilfe den Verwendern von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat unmittelbar gewährt wird, verschafft sie den Weinerzeugern einen unmittelbaren finanziellen Vorteil. Ausserdem stellt sie einen künstlichen Anreiz für die Erzeugung von Traubenmost in Italien dar. Diese Maßnahme ist daher geeignet, den Wettbewerb zwischen den italienischen Erzeugern und den Erzeugern in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich und Griechenland, in denen manche Weinerzeuger den Alkoholgehalt der fraglichen Erzeugnisse ebenfalls durch die Verwendung von Traubenmostkonzentrat erhöhen, zu verfälschen.

15 Aus den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Zahlenangaben über die Weinerzeugung in Italien, die Ausfuhren italienischen Weins in die anderen Mitgliedstaaten, die Einfuhren von Wein aus den anderen Mitgliedstaaten nach Italien sowie die Ausfuhren von Traubenmost aus Italien und die Einfuhren von Traubenmost aus anderen Mitgliedstaaten nach Italien ergibt sich sodann, daß die streitige Beihilfe geeignet ist, den Handel mit Traubenmost und Wein zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Die italienische Regierung hat keine dieser Angaben der Kommission bestritten.

16 Folglich hat die Kommission die italienische Zusatzbeihilfe zu Recht als eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag betrachtet.

17 Die italienische Regierung macht zweitens geltend, daß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c anwendbar gewesen sei, da die fragliche Beihilfe als eine Maßnahme angesehen werden müsse, die die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung des Weinsektors der Gebiete mit einem hohen Weinüberschuß, fördere.

18 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Die Kommission hat nämlich dargetan, daß die streitige Beihilfe, die ohne besondere Bedingung und nur entsprechend der verwendeten Mengen gewährt wird, als eine Betriebsbeihilfe für die betroffenen Unternehmen anzusehen sei und daß sie als solche die Handelsbedingungen in einer Weise verändere, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe. Der Vortrag der italienischen Regierung enthält nichts, was diese Auffassung entkräftet.

19 Nach ständiger Rechtsprechung ( siehe unter anderem das Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 90/86, Zoni, Slg. 1988, 4285 ) ist es, sobald die Gemeinschaft eine gemeinsame Marktorganisation für einen bestimmten Sektor errichtet hat, Sache der Gemeinschaft, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Lösungen für die auftretenden Probleme wie die der Weinüberschüsse zu finden. Deshalb sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich aller einseitigen Maßnahmen zu enthalten, selbst wenn diese geeignet sind, der Unterstützung der gemeinsamen Politik der Gemeinschaft zu dienen.

20 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die für die streitige Entscheidung angeführte Begründung, die Beihilfe sei mit Artikel 92 EWG-Vertrag unvereinbar, stichhaltig ist. Diese wesentliche Begründung allein genügt für eine Rechtfertigung der Entscheidung der Kommission. Unter diesen Umständen hätten die Mängel, mit denen die für die Entscheidung angeführte weitere Begründung, nämlich der Verstoß der italienischen Regierung gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag, behaftet sein könnte, jedenfalls keinen Einfluß auf die Rechtmässigkeit dieser Entscheidung. Der Klagegrund der italienischen Regierung, den sie dieser weiteren Begründung entgegenhält, greift folglich nicht durch und ist deshalb zurückzuweisen.

21 Demnach ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

22 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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