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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.1992
Aktenzeichen: C-86/90
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 857/84/EWG, VO Nr. 764/89/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 857/84/EWG Art. 3
VO Nr. 857/84/EWG Art. 3a
VO Nr. 764/89/EWG Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 ist dahin auszulegen, daß für die Zwecke der endgültigen Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge an einen Erzeuger, der seine Milchlieferungen im Rahmen der Regelung über Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämien ausgesetzt hat, auch Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden können, die von Produktionseinheiten stammt, um die der in Rede stehende Betrieb zwischen dem Zeitpunkt des Ablaufs des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums und dem Zeitpunkt der vorläufigen Zuteilung der spezifischen Referenzmenge erweitert wurde, sofern der betroffene Erzeuger den von ihm zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 3. DEZEMBER 1992. - THOMAS ANTHONY O'BRIEN GEGEN IRLAND, ATTORNEY GENERAL UND MINISTER FOR AGRICULTURE AND FOOD. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SUPREME COURT - IRLAND. - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - RECHTSSACHE C-86/90.

Entscheidungsgründe:

1 Der Supreme Court of Ireland hat mit Beschluß vom 2. März 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 22. März 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 (ABl. L 84, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Thomas Anthony O' Brien einerseits und Irland, dem irischen Attorney General und dem irischen Minister für Landwirtschaft und Ernährung andererseits über die Bedingungen, an die diese Stellen die Zuteilung einer Referenzmenge nach den Vorschriften über die zusätzliche Abgabe auf Milch geknüpft haben.

3 Der Kläger, ein in Irland ansässiger Landwirt, ging nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1) eine für den Zeitraum vom 28. Oktober 1979 bis zum 27. Oktober 1984 geltende Verpflichtung zur Nichtvermarktung ein. Am 24. Juni 1989 traf er mit seinem Bruder Vereinbarungen über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, kraft deren ihm 60 Acres Land, die seinem Bruder gehörten und an seinen eigenen Betrieb angrenzten, zur Nutzung überlassen und ein Pachtrecht über 40 Kühe eingeräumt wurde. Am selben Tag schloß er mit seinem Bruder einen Gesellschaftsvertrag (Partnership agreement), aufgrund dessen er als Beitrag zum Gesellschaftskapital die Kühe und die Flächen zu bewirtschaften hatte.

4 Ebenfalls am 24. Juni 1989 stellte der Kläger bei den zuständigen irischen Behörden einen Antrag auf Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge gemäß Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 in dessen geänderter Fassung. Am 28. August 1989 wurde ihm eine vorläufige spezifische Referenzmenge von 39 803 Gallonen zugeteilt. In dem Schreiben, mit dem die Zuteilung erfolgte, wurde jedoch ausgeführt, daß er, um die Voraussetzungen für die endgültige Zuteilung dieser Menge zu erfuellen, nachweisen müsse, daß er von den Flächen, die er am Ende des Nichtvermarktungszeitraums bewirtschaftet habe, Milch in der geforderten Menge geliefert habe.

5 Da der Kläger der Auffassung war, diese Bedingung stehe in Widerspruch zu den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, erhob er Klage auf Feststellung, daß er für alle von ihm in der Gemeinschaft bewirtschafteten Produktionseinheiten einen Anspruch auf Gewährung einer spezifischen Referenzmenge habe. Der mit diesem Rechtsstreit in letzter Instanz befasste Supreme Court of Ireland hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Voraussetzungen des Artikels 3a Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates, eingefügt mit Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates, nur erfuellt, wenn die Milch, die Gegenstand der Direktverkäufe und/oder Lieferungen ist, um die es geht, ausschließlich auf demjenigen Teil der Flächen, deren Ertrag der Berechnung der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie zugrunde lag, erzeugt wird, der von dem betreffenden Erzeuger am Ende des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums noch bewirtschaftet wurde?

6 Wegen weiterer Einzelheiten des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts, der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Die Vorlagefrage geht dahin, ob Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 in seiner geänderten Fassung für die endgültige Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge in dem Sinne auszulegen ist, daß nur Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden können, die aus dem Betrieb stammt, so wie dieser zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem er den Gegenstand der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung bildete, oder ob auch Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden können, die von Produktionseinheiten stammt, um die der Betrieb zwischen dem Zeitpunkt des Ablaufs des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums und dem Zeitpunkt der vorläufigen Zuteilung der spezifischen Referenzmenge erweitert wurde.

8 Nach Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 können Erzeuger, deren Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraum gemäß der im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung, nach dem 31. Dezember 1983 bzw. dem 30. September 1983 abläuft, nach Maßgabe der Buchstaben a, b und c vorläufig eine spezifische Referenzmenge erhalten. Nach Buchstabe a dieses Absatzes ist die vorläufige Gewährung einer spezifischen Referenzmenge an die Voraussetzung geknüpft, daß die Erzeuger "nicht... ihren Milchbetrieb vor Ablauf des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums vollständig abgetreten haben"; Buchstabe b dieses Absatzes fügt als weitere Voraussetzung hinzu, daß die Erzeuger "zur Stützung des Antrags nachweisen, daß sie in vollem Umfang die beantragte Referenzmenge in ihrem Betrieb erzeugen können".

9 Artikel 3a Absatz 3 lautet:

"Kann der Erzeuger der zuständigen Behörde innerhalb von zwei Jahren nach dem 29. März 1989 nachweisen, daß er die Direktverkäufe und/oder die Lieferungen tatsächlich wiederaufgenommen hat und daß diese Direktverkäufe und/oder diese Lieferungen im Laufe der letzten zwölf Monate mindestens 80 % der vorläufigen Referenzmenge erreicht haben, so wird ihm die spezifische Referenzmenge endgültig zugeteilt. Andernfalls wird die vorläufige Referenzmenge in vollem Umfang wieder der Gemeinschaftsreserve zugeführt. Der Umfang der Direktverkäufe und/oder der tatsächlichen Lieferungen wird anhand der Entwicklung des Produktionsrhythmus in dem Betrieb des Erzeugers, der jahreszeitlichen Gegebenheiten sowie etwaiger aussergewöhnlicher Umstände bestimmt."

10 Durchführungsbestimmungen für die zusätzliche Abgabe wurden mit der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 (ABl. L 139, S. 12) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989 (ABl. L 110, S. 27) erlassen. Rechtsgrundlage dieser Vorschriften ist die Ermächtigungsnorm in Artikel 5c Absatz 7 der Grundverordnung, der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10).

11 Nach Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88 in der geänderten Fassung ist der Antrag auf Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge gemäß Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung "vom Erzeuger bei der vom Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle nach den von diesem festgelegten Modalitäten zu stellen, sofern er nachweisen kann, daß er den zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags... verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet".

12 Aus Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung in Verbindung mit Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88 in der geänderten Fassung ergibt sich, daß eine vorläufige spezifische Referenzmenge nur unter der Voraussetzung zugeteilt werden kann, daß der betroffene Erzeuger den von ihm zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet, d. h. den Betrieb, auf den sich seine Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtung bezieht. Ein solcher Erzeuger kann daher nur dann einen Anspruch auf vorläufige Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge geltend machen, wenn er mindestens zum Teil weiterhin den Betrieb bewirtschaftet, der Gegenstand seiner Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 war. Er verliert diesen Anspruch, wenn er die Bewirtschaftung des gesamten Betriebes aufgegeben hat.

13 Wie in der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1033/89 festgestellt wird, sollen diese Vorschriften klarstellen, daß "ein... Antrag nur von einem Erzeuger gestellt werden kann, der die bei Beantragung der Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie bewirtschafteten Produktionseinheiten zumindest noch teilweise bewirtschaftet".

14 Vor diesem Hintergrund muß die Tragweite von Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung bestimmt werden. Diese Vorschrift soll verhindern, daß einem Erzeuger, der nicht tatsächlich während des vorgeschriebenen Zeitraums und im vorgeschriebenen Umfang die Verkäufe oder Lieferungen von Milch wiederaufgenommen hat, für die ihm vorläufig eine spezifische Referenzmenge zugeteilt worden war, endgültig eine solche Menge zugeteilt wird.

15 Keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts sieht jedoch vor, daß für die endgültige Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nur solche Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden dürfen, die aus dem Betrieb stammen, so wie er zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem er Gegenstand der Verpflichtung zur Nichtvermarktung oder zur Umstellung war. Eine derartige Beschränkung wäre im übrigen der nützlichen Wirkung der erwähnten Bestimmungen abträglich, gemäß denen die Erzeuger bei der Übertragung eines Teils ihres Betriebes ihren Anspruch auf Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge behalten.

16 Folglich darf einem Erzeuger, der einen Teil seines Betriebes abgetreten hat, die Möglichkeit, eine spezifische Referenzmenge zu erhalten, nicht mit der Begründung genommen werden, die Produktionskapazität des ihm verbliebenen Teils erlaube es ihm nicht, den geforderten Verkaufs- oder Lieferumfang zu erreichen, wenn er diesen Umfang bei Berücksichtigung der gesamten Produktion erreichen würde, die er auf dem Betrieb, wie er im Zeitpunkt der vorläufigen Zuteilung der späteren Referenzmenge bestand, erwirtschaftet hat.

17 Auf die Vorlagefrage ist daher zu antworten, daß Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung dahin auszulegen ist, daß für die Zwecke der endgültigen Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge auch Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden können, die von Produktionseinheiten stammt, um die der in Rede stehende Betrieb zwischen dem Zeitpunkt des Ablaufs des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums und dem Zeitpunkt der vorläufigen Zuteilung der spezifischen Referenzmenge erweitert wurde, sofern der betroffene Erzeuger den von ihm zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Die Auslagen Irlands, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom Supreme Court of Ireland mit Beschluß vom 2. März 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 3a Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ist dahin auszulegen, daß für die Zwecke der endgültigen Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge auch Verkäufe oder Lieferungen von Milch berücksichtigt werden können, die von Produktionseinheiten stammt, um die der in Rede stehende Betrieb zwischen dem Zeitpunkt des Ablaufs des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums und dem Zeitpunkt der vorläufigen Zuteilung der spezifischen Referenzmenge erweitert wurde, sofern der betroffene Erzeuger den von ihm zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet.

Ende der Entscheidung

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