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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.11.1997
Aktenzeichen: C-90/96
Rechtsgebiete: EWGV 1612/68, EGVtr


Vorschriften:

EWGV 1612/68 Art. 1
EWGV 1612/68 Art. 3
EGVtr Art. 5
EGVtr Art. 48
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Artikel 5 und 48 Absatz 2 des Vertrages stehen einer Regelung nicht entgegen, nach der nur beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter, nicht aber Fremdsprachenlektoren mit der vertretungsweisen Abhaltung von akademischen Lehrveranstaltungen betraut werden können, es sei denn, andere Berufsgruppen, die Zugang zur Hochschullehre auf anderem Wege als durch öffentliche Auswahlverfahren erhalten und deren didaktische und wissenschaftliche Fähigkeiten nicht einer ähnlichen Beurteilung unterliegen, wie sie für wissenschaftliche Mitarbeiter vorgeschrieben ist, hätten Zugang zu solchen Vertretungen, während Fremdsprachenlektoren, die nach dem nationalen Recht dieselbe Rechtsstellung besitzen und gleichwertige Tätigkeiten ausüben, davon ausgeschlossen wären.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 20. November 1997. - David Petrie u. a. gegen Università degli studi di Verona und Camilla Bettoni. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale per il Veneto - Italien. - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Fremdsprachenlektoren - Zugang zu Lehraufträgen und Vertretungen an Hochschulen. - Rechtssache C-90/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale amministrativo regionale per il Veneto hat mit Beschluß vom 14. Dezember 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 5 und 48 EG-Vertrag und der Artikel 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen den Klägern Petrie, Hill und Newbold (im folgenden: Kläger) und der Università degli studi di Verona (im folgenden: Beklagte).

3 Die Kläger sind britische Staatsangehörige und seit mehreren Jahren bei der Fakultät für Fremdsprachen und fremdsprachige Literatur der Beklagten als Fremdsprachenlektoren beschäftigt.

4 Die Kläger, die einen unbefristeten Vertrag haben und deren Bezuege denen eines Assistenzprofessors mit beschränkter Arbeitszeit entsprechen, bewarben sich aufgrund der Ausschreibung des Fakultätsrats der Beklagten vom 15. März 1995 gemäß Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 vom 19. November 1990 (im folgenden: Gesetz Nr. 341) um die vertretungsweise Abhaltung der Lehrveranstaltung "Neusprachliche Didaktik" für das akademische Jahr 1995/96.

5 Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 sieht folgendes vor:

"5. Der bereits durch Artikel 3 des Gesetzes Nr. 477 vom 13. August 1984 ersetzte Artikel 114 Absatz 1 des Dekrets Nr. 382 des Präsidenten der Republik vom 11. Juli 1980 wird durch folgenden Absatz 1 ersetzt:

Lehraufträge und Vertretungen können nur an beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter desselben oder eines verwandten Wissenschafts- und Fachgebiets, die derselben Fakultät angehören, vergeben werden; liegen keine solchen Bewerbungen vor, so können die Lehraufträge und Vertretungen durch begründeten Beschluß an beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter einer anderen Fakultät derselben Universität oder anderer Universitäten vergeben werden. Haben sich sowohl beamtete Professoren als auch bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter desselben Wissenschafts- und Fachgebiets beworben, so hat der Fakultätsrat bei der Vergabe der Vertretungen den Bewerbungen der Professoren den Vorzug zu geben."

6 Mit Entscheidungen vom 14. April 1995 lehnte der Rektor der Beklagten die Bewerbungen der Kläger mit der Begründung ab, daß "gemäß Artikel 114 des Dekrets Nr. 382 von 1980, ersetzt durch Artikel 3 des Gesetzes Nr. 477 von 1984 und durch Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341, Lehraufträge und Vertretungen nur an beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter vergeben werden können".

7 Mit Beschluß vom 19. April 1995 vergab der Fakultätsrat den entgeltlichen Auftrag für die vertretungsweise Abhaltung der Lehrveranstaltung Neusprachliche Didaktik im Studienjahr 1995/96 an Frau Professor Bettoni, die von einer anderen Universität berufen wurde.

8 Die Kläger erhoben daraufhin vor dem nationalen Gericht Klage gegen die Entscheidungen vom 14. April 1995 und den Beschluß vom 19. April 1995.

9 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß die Kläger zwei Klagegründe geltend gemacht haben. Zum einen rügen sie einen Verstoß gegen die Artikel 5 und 48 des Vertrages und gegen die Artikel 1 und 3 der Verordnung Nr. 1612/68 und zum anderen die fehlende Logik und Widersprüchlichkeit der Begründung und des Verhaltens der Beklagten, die die Vertretung entgegen den in Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 festgelegten Prioritätskriterien an einen von einer anderen Universität berufenen Professor vergeben habe.

10 Die Beklagte hat vorgetragen, die Vergabe von Aufträgen für die vertretungsweise Abhaltung von Lehrveranstaltungen der Universität an beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter stelle keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Diese Beschränkung gelte nämlich unterschiedslos für die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten, also auch für die italienischen Staatsbürger, die keiner dieser beiden Gruppen angehörten.

11 Das nationale Gericht hat jedoch aufgrund der von den Klägern vorgetragenen Gesichtspunkte Zweifel an der Richtigkeit dieser letzteren Auffassung. In seinem Vorlagebeschluß führt es dazu folgendes aus.

12 Erstens hätten bis vor kurzem nur italienische Staatsangehörige Zugang zu einer Qualifizierung als beamteter Professor oder wissenschaftlicher Mitarbeiter gehabt. Erst seit Inkrafttreten des Dekrets Nr. 174 des Präsidenten des Ministerrats vom 7. Februar 1994 zur Durchführung des Artikels 37 des Decreto legislativo Nr. 29 vom 3. Februar 1993, das eine Liste der italienischen Staatsangehörigen vorbehaltenen Stellen im öffentlichen Dienst enthalte, in der keine Stellen im Bildungswesen aufgeführt seien, hätten Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten Zugang zu solchen Stellen.

13 Zweitens stuenden Fremdsprachenlektoren in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und übten eine Lehrtätigkeit aus, die inhaltlich der eines Assistenzprofessors oder zumindest der eines wissenschaftlichen Mitarbeiters einer Hochschule entspreche, wie sich aus Artikel 28 des Dekrets Nr. 382 des Präsidenten der Republik vom 11. Juli 1980 (im folgenden: Dekret Nr. 382) und aus dem Urteil der Corte costituzionale Nr. 284 vom 23. Juli 1987 ergebe.

14 Schließlich führt das nationale Gericht zu dem Erfordernis der Bestätigung wissenschaftlicher Mitarbeiter aus, daß die eine positive Beurteilung ihrer Tätigkeit voraussetzende Verlängerung der Verträge der Lektoren über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren hinaus einer Bestätigung entspreche.

15 Daher hat das Tribunale amministrativo regionale per il Veneto das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof ersucht, über folgende Frage zu entscheiden:

Sind die Artikel 5 und 48 EWG-Vertrag und die Artikel 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 dahin auszulegen, daß sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen Lehraufträge für akademische Lehrveranstaltungen oder die vertretungsweise Abhaltung solcher Veranstaltungen nur an die Angehörigen bestimmter Gruppen, wie sie das italienische Gesetz vorsieht, und in einem rechtlichen Rahmen und im Rahmen einer Verwaltungspraxis, wie sie in Italien bestehen, vergeben werden können, statt vorzusehen, daß auch Fremdsprachenlektoren, die mit unbefristetem Arbeitsvertrag bei einer italienischen Universität angestellt sind, das Recht haben, sich um Lehraufträge für akademische Lehrveranstaltungen und die vertretungsweise Abhaltung solcher Veranstaltungen zu bewerben?

Zur Zulässigkeit

16 Die Kommission hält die Frage für unzulässig.

17 Sie führt aus, die Kläger beanstandeten, daß ihnen der Zugang zur Gruppe der beamteten Professoren oder zu der der bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiter aufgrund der italienischen Regelung, die diesen Zugang unter Verstoß gegen Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages italienischen Staatsangehörigen vorbehalten habe, verwehrt worden sei, und daß die Zugehörigkeit zu diesen Gruppen eine subjektive Voraussetzung für die Zulassung zu Auswahlverfahren für die Vergabe von Vertretungen sei.

18 Die Kommission ist jedoch der Ansicht, daß sich die Betroffenen in einem Rechtsstreit, in dem es um ihre Nichtzulassung zum Auswahlverfahren für Lehrveranstaltungsvertreter gehe, nicht auf einen Verstoß gegen Artikel 48 Absatz 2 berufen könnten, so daß diese Bestimmung nichts mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits zu tun habe.

19 Der Gerichtshof sei daher nicht für die Beantwortung der Frage zuständig, ob eine Vorschrift wie Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 diskriminierend sei, weil der Zugang zu den Gruppen der beamteten Professoren und der bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiter Nichtitalienern früher verwehrt worden sei.

20 Die italienische Regierung äussert Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlage. Das nationale Gericht habe sich darauf beschränkt, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Parteien wiederzugeben, ohne es zunächst einer Überprüfung und Beurteilung unterzogen zu haben. Statt dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzulegen, ersuche das Gericht ihn in Wirklichkeit um eine unmittelbare Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits.

21 Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist zunächst festzustellen, daß das nationale Gericht wissen möchte, ob die Artikel 5 und 48 des Vertrages sowie die Artikel 1 und 3 der Verordnung Nr. 1612/68 es verlangen, daß die Fremdsprachenlektoren ebenfalls zu den Berufsgruppen gezählt werden, die mit Vertretungen betraut werden können, und zwar insbesondere in Anbetracht des Umstands, daß die Lektoren, die die Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten besassen, bis 1994 keinen Zugang zu den Gruppen der beamteten Professoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter hatten.

22 Da sich die beim nationalen Gericht anhängigen Klagen zum einen dagegen richten, daß die Kläger von der Beklagten nicht mit der streitigen Vertretung betraut wurden, und zum anderen dagegen, daß mit der Vertretung ein von einer anderen Universität berufener Professor betraut wurde, weist die gestellte Frage einen Bezug zum Ausgangsrechtsstreit auf. Die von der Kommission hierzu vorgetragenen Argumente beziehen sich in Wirklichkeit nicht auf die Erheblichkeit der Vorabentscheidungsfrage, sondern darauf, wie der Gerichtshof sie beantworten sollte.

23 Was schließlich die Frage betrifft, ob der Vorlagebeschluß die nötigen tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthält, um dem Gerichtshof die Wahrnehmung der ihm gemäß Artikel 177 des Vertrages übertragenen Aufgabe zu ermöglichen, so ist zwar richtig, daß das nationale Gericht den rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nicht vollständig dargestellt hat, doch verfügt der Gerichtshof gleichwohl über die erforderlichen Anhaltspunkte, um diesem eine sachdienliche Antwort zu geben.

Zur Beantwortung der Frage

24 Mit seiner Frage möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob die Artikel 5 und 48 Absatz 2 des Vertrages einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der nur beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter mit der vertretungsweisen Abhaltung akademischer Lehrveranstaltungen betraut werden können, so daß Fremdsprachenlektoren, die die Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten besitzen, ausgeschlossen sind.

25 Die Artikel 1 und 3 der Verordnung Nr. 1612/68 brauchen nicht geprüft zu werden, da sie der Verwirklichung des in Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages niedergelegten Diskriminierungsverbots dienen, ohne seinen Geltungsbereich auszudehnen.

26 Die Kläger machen erstens geltend, daß die Artikel 5 und 48 des Vertrages die Zulassung der Fremdsprachenlektoren zu Auswahlverfahren für Vertretungen verlangten, da sie früher wegen der bis 1994 gültigen nationalen Regelung, die den Besitz der italienischen Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für den Zugang zu einer Tätigkeit als beamteter Professor oder wissenschaftlicher Mitarbeiter vorgeschrieben und die gegen Artikel 48 verstossen habe, keinen Zugang zu einer solchen Tätigkeit gehabt hätten.

27 Die italienische Regierung führt aus, die Kläger hätten nicht vorgetragen, daß sie sich um den Zugang zu diesen Tätigkeiten beworben hätten und daß ihre Bewerbungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit abgelehnt worden seien. In der Rechtssache 225/85 (Urteil vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625) habe sie sich aus Gründen, die die wissenschaftlichen Mitarbeiter an Hochschulen nicht beträfen, auf das Vorbringen beschränkt, daß Artikel 48 Absatz 4 bei Forschern des "Consiglio nazionale delle ricerche" (im folgenden: CNR) eine Ausnahme von der Freizuegigkeit der Arbeitnehmern zulasse.

28 Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages erzeugt nach ständiger Rechtsprechung unmittelbare Wirkungen (vgl. insbesondere Urteil vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74, Van Duyn, Slg. 1974, 1337). Zur Frage des Zugangs zur Tätigkeit als Forscher beim CNR hat der Gerichtshof im vorgenannten Urteil Kommission/Italien entschieden, daß eine solche Beschäftigung nicht als Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung im Sinne von Artikel 48 Absatz 4 des Vertrages angesehen werden kann.

29 Die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten konnten sich daher um Stellen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule bewerben und die Nichtzulassung zu den jeweiligen Auswahlverfahren unter Berufung auf Artikel 48 des Vertrages anfechten.

30 Jedenfalls können die Betroffenen ihre Zulassung zu Vertretungen nicht allein deshalb verlangen, weil nach dem italienischen Gesetz bis 1994 der Besitz der Staatsangehörigkeit als Voraussetzung für den Zugang zu Auswahlverfahren für Stellen als beamteter Professor oder bestätigter wissenschaftlicher Mitarbeiter vorgeschrieben war, was eine Diskriminierung und somit einen Verstoß gegen Artikel 48 darstellte. Um Zugang zu diesen Vertretungen zu haben, müssen sie vielmehr zunächst beamtete Professoren oder bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter sein; aus dem diskriminierenden Charakter einer der Voraussetzungen für den Zugang zu den Auswahlverfahren für diese Stellen folgt nicht, daß sie von der erfolgreichen Teilnahme an diesen Auswahlverfahren befreit wären.

31 Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Betroffenen nicht vor den zuständigen Gerichten im Rahmen der geeigneten Verfahren des nationalen Rechts und unter den im Urteil vom 5. März 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029) vorgesehenen Voraussetzungen auf den Ersatz des Schadens klagen könnten, der ihnen durch die Auferlegung der streitigen diskriminierenden Voraussetzung entstanden ist.

32 Die Kläger machen zweitens geltend, daß die im Ausgangsverfahren einschlägige Regelung diskriminierend sei, soweit sie den Fremdsprachenlektoren, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten seien, den Zugang zu Vertretungen verwehre, obwohl ihre Lehrtätigkeit im wesentlichen derjenigen der Assistenzprofessoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter an Hochschulen entspreche.

33 Sie führen aus, daß die Lektoren gemäß Artikel 6 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 349 vom 18. März 1958 hinsichtlich ihrer Rechtsstellung, ihrer Bezuege und ihrer Laufbahn den Hochschulassistenten gleichgestellt seien und daß die Corte costituzionale im vorgenannten Urteil Nr. 284 festgestellt habe, daß beide Berufsgruppen ähnliche Tätigkeiten ausübten und daß die an den Hochschulen geuebte Praxis zeige, daß sich die Tätigkeit der Lektoren nicht auf Übungen zum Erlernen der richtigen Aussprache von Fremdsprachen beschränke. Zwar sei die Gruppe der Assistenten in der geltenden Regelung über die Organisation der italienischen Hochschulen nicht mehr vorgesehen, doch gebe es für sie eine Übergangsregelung, die in vielerlei Hinsicht ausdrücklich auf die Regelung für bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter verweise.

34 Die Kläger führen ferner aus, daß sie im Rahmen ihrer Tätigkeit, die mit den offiziellen Lehrstuhlinhabern koordiniert werden müsse (was auch für die Tätigkeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter gelte), den Unterricht frei gestalten und sich regelmässig in ihren Heimatländern sprachlich weiterbilden könnten und daß sich ihre Stellung eindeutig von derjenigen der anderen Gruppen des nicht lehrenden Personals unterscheide.

35 Darüber hinaus vertreten sie die Auffassung, daß der Ausschluß der Lektoren von den Vertretungen erst recht nicht gerechtfertigt sei, wenn man bedenke, daß nach Artikel 16 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 341 zu den Gruppen der "wissenschaftlichen Mitarbeiter" oder "bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiter" auch "beamtete Assistenten" ("assistenti di ruolo ad esaurimento") und sogar "Techniker mit Hochschulabschluß", die bestimmte Qualifikationen besässen, gehörten. Für letztere sei wie für Lektoren keine Prüfung im Hinblick auf eine Bestätigung vorgesehen; jedenfalls habe die Corte costituzionale im genannten Urteil Nr. 284 bereits entschieden, daß die Gruppen der Lektoren und der Assistenten einander entsprächen.

36 Schließlich stelle die Tatsache, daß Lektoren aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages eingestellt würden, während Assistenzprofessoren und wissenschaftliche Mitarbeiter Beamte seien, ein rein formales Unterscheidungsmerkmal dar, das für die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts keine Rolle spielen dürfe.

37 Die italienische Regierung führt aus, daß im Rahmen einer Politik der Planung der Lehrveranstaltungen, die gewährleisten solle, daß "Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter in vollem Umfang in den Lehrveranstaltungen eingesetzt werden", letztere beauftragt werden könnten, gemäß Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 zusätzlich zu der bereits ausgeuebten Lehrtätigkeit, die den eigentlichen Gegenstand ihres Arbeitsverhältnisses mit der Universität bilde, weitere Lehraufgaben in Form von Vertretungen oder Lehrveranstaltungen zu übernehmen. Diese Lehraufträge oder Vertretungen begründeten kein selbständiges Beschäftigungsverhältnis.

38 Der Grund dafür, daß die Fremdsprachenlektoren gemäß Artikel 12 des Gesetzes Nr. 341 nicht zu den Personen gehörten, die mit Lehraufträgen oder Vertretungen betraut werden könnten, liege also darin, daß es sich für sie dabei nicht um eine zusätzliche Tätigkeit handeln würde, sondern um eine Haupttätigkeit, die die Begründung eines selbständigen Arbeitsverhältnisses voraussetzen würde.

39 Die italienische Regierung ist der Ansicht, daß die Zulassung eines bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiters zu Lehraufträgen und Vertretungen gerechtfertigt sei, da seine nach einer dreijährigen Tätigkeit erworbene berufliche Qualifikation und seine Bestätigung, die die befürwortende Stellungnahme einer nationalen Kommission von Hochschullehrern voraussetze (Artikel 31 des Dekrets Nr. 382), bedeute, daß er die Eignung besitze, um in einer Lehrveranstaltung von untergeordneter Bedeutung oder als Vertreter zu unterrichten.

40 Zur Eignung der Lektoren für eine Lehrtätigkeit führt die italienische Regierung ferner aus, daß die Lektoren, ohne an einem öffentlichen Auswahlverfahren teilgenommen zu haben, durch privatrechtlichen Arbeitsvertrag aufgrund ihrer im Ausland erworbenen Sprachkenntnisse eingestellt würden, um "den Bedarf der Studenten an praktischen Übungen" zu decken (Artikel 28 des Dekrets Nr. 382), und daß die Verlängerung ihrer Verträge nicht denselben Anforderungen unterliege wie die Bestätigung der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Hingegen definiere Artikel 32 des Dekrets Nr. 382 die Aufgaben der wissenschaftlichen Mitarbeiter in der Lehre dahin, daß sie neben Übungen die Unterstützung der Studenten bei ihren wissenschaftlichen Abschlussarbeiten, die Erprobung neuer Lehrmethoden und die Tutorentätigkeit erfasse. In Artikel 32 sei ausserdem die Rede von wissenschaftlicher Forschungsarbeit, während die Vorschriften für Lektoren solche Tätigkeiten nicht vorsähen. Die wissenschaftliche Forschung sei aber unabdingbare Voraussetzung für die Lehrtätigkeit, und zwar erst recht in sogenannten übergreifenden Fächern wie dem Fremdsprachenunterricht.

41 Daraus folge, daß die Anforderungen in bezug auf die Einstellung und die Beurteilung der beruflichen Fähigkeiten der Angehörigen dieser beiden Gruppen und die Art der ihnen durch Gesetz übertragenen Tätigkeiten so unterschiedlich seien, daß die im Ausgangsverfahren streitige Regelung - da beide Gruppen nicht miteinander verglichen werden könnten - nicht diskriminierend sei.

42 Im Hinblick auf das genannte Urteil der Corte costituzionale macht die italienische Regierung geltend, daß die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift Teil einer einmaligen Maßnahme gewesen sei, die die Einbeziehung bestimmter, durch den prekären Charakter ihres Beschäftigungsverhältnisses gekennzeichneter Personalgruppen in die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter bezweckt habe. Eine solche Einbeziehung hänge jedoch von der Beurteilung der Eignung der Bewerber durch Kommissionen ab, denen drei Professoren angehörten, von denen einer vom Fakultätsrat und die anderen vom nationalen Hochschulrat benannt würden. Vor der Reform von 1980 seien die Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter und die der Lektoren unterschiedlich ausgestaltet gewesen.

43 Im übrigen werde durch die Vergabe eines Lehrauftrags oder einer Vertretung kein Arbeitsverhältnis begründet, so daß Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages, der sich auf den Zugang zur Beschäftigung beziehe, jedenfalls nicht einschlägig sei.

44 Die Kommission ist der Ansicht, daß zur Beurteilung des diskriminierenden Charakters der im Ausgangsverfahren streitigen Regelung zu prüfen sei, ob die Lektoren dieselben Aufgaben wahrnähmen wie beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter. Der Vorlagebeschluß enthalte hierzu keine Angaben. Folge man der Auffassung der Kläger, so könne es zu Diskriminierungen in umgekehrter Richtung kommen, die noch viel schwerwiegender seien, als sie hier beanstandet würden. Der Zugang zu den Auswahlverfahren für stellvertretende Dozenten würde dann nämlich Personen (den Lektoren) eröffnet, die damit besser gestellt würden als wissenschaftliche Mitarbeiter oder beamtete Professoren, da sie durch privatrechtlichen Vertrag eingestellt würden und somit nicht an einem Auswahlverfahren teilgenommen hätten.

45 Zunächst ist das Vorbringen der italienischen Regierung zurückzuweisen, daß der streitige Ausschluß nicht den Zugang zur Beschäftigung betreffe, so daß kein Verstoß gegen Artikel 48 Absatz 2 vorliege.

46 Der in dieser Bestimmung niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung gilt nämlich nicht nur für den Zugang zur Beschäftigung, sondern erstreckt sich auch auf das Entgelt und andere Arbeitsbedingungen, zu denen die den Fremdsprachenlektoren vorenthaltene Möglichkeit des Zugangs zu Vertretungen gehört.

47 Zur Beurteilung der Frage, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstösst, ist zu prüfen, ob sich die Fremdsprachenlektoren in einer Situation befinden, die mit derjenigen der Assistenzprofessoren und der bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiter vergleichbar ist.

48 Ein Mitgliedstaat kann der Auffassung sein, daß mit der Vertretung von Professoren, die aus irgendeinem Grund eine Lehrveranstaltung nicht durchführen können, in erster Linie andere Professoren, die durch öffentliche Auswahlverfahren die Lehrbefugnis an einer Hochschule erhalten haben, oder - falls solche nicht zur Verfügung stehen - bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter zu betrauen sind, die nicht nur erfolgreich an einem öffentlichen Auswahlverfahren teilgenommen haben, sondern auch einer Bestätigung unterliegen, d. h. die in einem Verfahren bestätigt werden, in dem ihre didaktischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten nach dreijähriger Tätigkeit von einer nationalen Kommission anerkannt werden.

49 Eine solche Entscheidung, die auf dem Gedanken beruht, daß nur ein öffentliches Auswahlverfahren und die besagte Bestätigung die Einstellung von Dozenten erlauben, die nach landesweit gültigen Beurteilungskriterien die für die Hochschullehre erforderlichen Fähigkeiten besitzen, kann nicht mit der Begründung beanstandet werden, daß die Aufgaben der Lektoren und diejenigen der Assistenzprofessoren und der wissenschaftlichen Mitarbeiter ähnlich seien.

50 Selbst wenn die Lektoren - wie die Kläger vortragen - aufgrund der mit den Universitäten geschlossenen Verträge mit bestimmten Forschungstätigkeiten betraut sein und sich daher nicht nur darauf beschränken sollten, den "Bedarf der Studenten an praktischen Übungen" zu decken, wie sich aus der Definition der Aufgaben der Lektoren in Artikel 28 des Dekrets Nr. 382 ergibt, so wäre damit noch nicht der Nachweis erbracht, daß ihre didaktischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten denen der Assistenzprofessoren und der bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeiter entsprechen.

51 Um diese Fähigkeiten beurteilen zu können, müssten die Auswahlverfahren für Vertretungen, die aus einer Prüfung der Personalakten der Bewerber bestehen, genauso ausgestaltet sein wie öffentliche Auswahlverfahren, die nach Ansicht des betroffenen Mitgliedstaats das einzige Mittel zur Auswahl von Personal darstellen, das den Anforderungen der Hochschullehre genügt. Solche Auswahlverfahren, die somit eine Wiederholung der für den Zugang zu den Stellen für Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter durchgeführten Auswahlverfahren wären, würden gegen die Erfordernisse einer ordnungsgemässen Hochschulverwaltung verstossen.

52 Daher ist anzuerkennen, daß sich bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter und Fremdsprachenlektoren grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden und daß daher eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige insoweit nicht gegen Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages verstösst.

53 Eine solche Regelung könnte sich jedoch als Verstoß gegen Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages erweisen, wenn sie den bestätigten wissenschaftlichen Mitarbeitern andere Berufsgruppen gleichstellen würde, die auf andere Weise als durch öffentliche Auswahlverfahren Zugang zur Hochschullehre erhielten und deren didaktische und wissenschaftliche Fähigkeiten nicht einer vergleichbaren Beurteilung unterlägen, wie sie bei wissenschaftlichen Mitarbeitern vorgeschrieben ist, und wenn diese Regelung es ihnen somit ermöglichen würde, an Verfahren für den Zugang zu Vertretungen teilzunehmen, während Fremdsprachenlektoren, sofern sie nach dem italienischen Recht dieselbe Rechtsstellung besitzen und gleichwertige Tätigkeiten ausüben sollten, davon ausgeschlossen wären.

54 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet der Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag eine besondere Ausprägung gefunden hat, nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die mit Hilfe der Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu demselben Ergebnis führen (vgl. insbesondere Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 33/88, Allué u. a., im folgenden: Allué I, Slg. 1989, 1591, Randnr. 11).

55 Eine Regelung wie die in Randnummer 5 des vorliegenden Urteils dargestellte würde jedoch - auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betroffenen Arbeitnehmers angewendet würde - insbesondere die Arbeitnehmer benachteiligen, die die Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten besitzen. Wie der Gerichtshof nämlich in Randnummer 12 des Urteils Allué I festgestellt hat, haben nach den von der italienischen Regierung vorgelegten Statistiken nur 25 % der Fremdsprachenlektoren die italienische Staatsangehörigkeit.

56 Daher wäre eine solche Regelung, falls sie objektiv nicht gerechtfertigt wäre, mit Artikel 48 Absatz 2 des Vertrages unvereinbar. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu prüfen, ob dies der Fall ist.

57 Daher ist die Frage dahin zu beantworten, daß die Artikel 5 und 48 Absatz 2 des Vertrages einer Regelung nicht entgegenstehen, nach der nur beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter, nicht aber Fremdsprachenlektoren mit der vertretungsweisen Abhaltung von akademischen Lehrveranstaltungen betraut werden können, es sei denn, andere Berufsgruppen, die Zugang zur Hochschullehre auf anderem Wege als durch öffentliche Auswahlverfahren erhalten und deren didaktische und wissenschaftliche Fähigkeiten nicht einer ähnlichen Beurteilung unterliegen, wie sie für wissenschaftliche Mitarbeiter vorgeschrieben ist, hätten Zugang zu solchen Vertretungen, während Fremdsprachenlektoren, die nach dem nationalen Recht dieselbe Rechtsstellung besitzen und gleichwertige Tätigkeiten ausüben, davon ausgeschlossen wären.

Kostenentscheidung:

Kosten

58 Die Auslagen der italienischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunale amministrativo regionale per il Veneto mit Beschluß vom 14. Dezember 1995 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 5 und 48 Absatz 2 EG-Vertrag stehen einer Regelung nicht entgegen, nach der nur beamtete Professoren und bestätigte wissenschaftliche Mitarbeiter, nicht aber Fremdsprachenlektoren mit der vertretungsweisen Abhaltung von akademischen Lehrveranstaltungen betraut werden können, es sei denn, andere Berufsgruppen, die Zugang zur Hochschullehre auf anderem Wege als durch öffentliche Auswahlverfahren erhalten und deren didaktische und wissenschaftliche Fähigkeiten nicht einer ähnlichen Beurteilung unterliegen, wie sie für wissenschaftliche Mitarbeiter vorgeschrieben ist, hätten Zugang zu solchen Vertretungen, während Fremdsprachenlektoren, die nach dem nationalen Recht dieselbe Rechtsstellung besitzen und gleichwertige Tätigkeiten ausüben, davon ausgeschlossen wären.

Ende der Entscheidung

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