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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.1996
Aktenzeichen: C-91/95 P
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 17, VerfO
Vorschriften:
Verordnung Nr. 17 Art. 3 Abs. 2 | |
VerfO Art. 112 § 1b |
1. Daß in einer Rechtsmittelschrift entgegen den Bestimmungen des Artikels 112 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes nicht die anderen Parteien des Verfahrens vor dem Gericht bezeichnet und nicht der Tag angegeben worden ist, an dem das angefochtene Urteil den Rechtsmittelführern zugestellt worden ist, genügt nicht, um das Rechtsmittel unzulässig zu machen, wenn zum einen nicht nachgewiesen worden ist, daß diesen anderen Parteien wegen ihrer Nichtnennung ein Schaden entstanden ist, und zum anderen das Rechtsmittel innerhalb der vorgesehenen Frist eingelegt worden ist.
2. Gemäß Artikel 168a EG-Vertrag und Artikel 51 der Satzung des Gerichtshofes kann ein Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen.
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 24. Oktober 1996. - Roger Tremblay, Harry Kestenberg und Syndicat des exploitants de lieux de loisirs (SELL) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Wettbewerb - Zurückweisung einer Beschwerde - Fehlendes Gemeinschaftsinteresse. - Rechtssache C-91/95 P.
Entscheidungsgründe:
1 Herr Roger Tremblay, Herr Harry Kestenberg und das Syndicat des exploitants de lieux de loisirs (SELL) (im folgenden: Rechtsmittelführer) haben mit Rechtsmittelschrift, die am 24. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-5/93 (Tremblay u. a./Kommission, Slg. 1995, II-185; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt. Mit diesem Urteil hatte das Gericht erster Instanz ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 12. November 1992 (im folgenden: streitige Entscheidung) teilweise abgewiesen, mit der die Beschwerden zurückgewiesen worden waren, die u. a. von den Rechtsmittelführern Tremblay und Kestenberg gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), wegen des Verhaltens der Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique (SACEM) eingelegt worden waren.
2 In Punkt 2 der streitigen Entscheidung der Kommission heisst es:
"[Die Kommission ist] in Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Dezentralisation angesichts des fehlenden Gemeinschaftsinteresses, da die Praktiken, die in den bei ihr eingegangenen einzelnen Beschwerden gerügt worden sind, eine im wesentlichen nationale Auswirkung haben und bereits mehrere französische Gerichte damit befasst sind, der Ansicht..., daß die in diesen Beschwerden angeführten Gesichtspunkte es nicht gestatten, diesen Beschwerden stattzugeben".
3 Ferner teilte die Kommission den Beschwerdeführern mit, daß der Antrag, den sie gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingereicht hätten, "zurückgewiesen und an die nationalen Gerichte verwiesen" werde (Punkt 14 der streitigen Entscheidung).
4 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diese Entscheidung wegen Verstosses gegen Artikel 190 des Vertrages aufgehoben, soweit mit ihr die in den Beschwerden erhobene Rüge einer Abschottung des Marktes zurückgewiesen worden war. Mit dieser Rüge hatten die Beschwerdeführer geltend gemacht, zwischen der SACEM und den Verwertungsgesellschaften der anderen Mitgliedstaaten bestehe ein nach Artikel 85 EWG-Vertrag unzulässiges Kartell. Da das Gericht die Klage im übrigen abgewiesen hat, hat es daher die Entscheidung insoweit aufrechterhalten, als mit ihr die Rüge eines Verstosses gegen Artikel 86 durch die SACEM zurückgewiesen worden war.
5 Wegen weiterer Einzelheiten des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die Randnummern 1 bis 14 des angefochtenen Urteils verwiesen.
6 Die Rechtsmittelführer beantragen,
1. das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit ihm die Nichtigkeitsklage gegen den Teil der streitigen Entscheidung abgewiesen worden ist, mit dem die Sache an die nationalen Gerichte verwiesen worden ist;
2. gemäß Artikel 54 der EG-Satzung des Gerichtshofes
° die streitige Entscheidung aufzuheben, soweit mit ihr die Beschwerde zurückgewiesen und an die nationalen Gerichte verwiesen worden ist;
° der Kommission aufzugeben, der SACEM die sich aus den Schlußfolgerungen des Berichts vom 7. November 1991 zwingend ergebenden Vorwürfe mitzuteilen, hilfsweise, anzuordnen, daß die Kommission ° im Hinblick auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und der gleichzeitigen Prüfung der Frage des Bestehens eines Kartells ° die Untersuchung der Angelegenheit an der Stelle wiederaufnehmen muß, an der sie sie eingestellt hat;
3. der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
7 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.
8 Zur Stützung ihres auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichteten Rechtsmittels machen die Rechtsmittelführer im wesentlichen sieben Gründe geltend. Der erste Rechtsmittelgrund wird darauf gestützt, daß das Gericht es unterlassen habe, festzustellen, seit wann die Kommission mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, daß der Kommission neue Rechtsfragen vorgelegt worden seien. Der dritte Rechtsmittelgrund bezieht sich darauf, daß das Gericht die Bezugnahme der Kommission auf den Grundsatz der Subsidiarität nicht geprüft habe. Der vierte Rechtsmittelgrund wird darauf gestützt, daß das Gericht es unterlassen habe, die der Kommission zur Last gelegten Rechtsfehler festzustellen. Dem fünften Rechtsmittelgrund zufolge soll das Gericht die streitige Entscheidung falsch wiedergegeben haben. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wird ein angeblicher Widerspruch in den Gründen des angefochtenen Urteils gerügt. Mit dem siebten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, die Vertraulichkeit des Inhalts der Akten der Kommission stelle ein Hindernis für die Übermittlung dieser Akten an die nationalen Gerichte und für eine geordnete Rechtspflege dar.
9 Die Kommission hält das Rechtsmittel für unzulässig und unbegründet.
Zur Zulässigkeit des auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichteten Rechtsmittels
10 Die Kommission macht zunächst geltend, daß die Rechtsmittelschrift entgegen Artikel 112 § 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichtshofes nicht die Bezeichnung der anderen Parteien des Verfahrens vor dem Gericht enthalte und daß die Rechtsmittelführer es unter Verstoß gegen Artikel 112 § 2 dieser Verfahrensordnung unterlassen hätten, anzugeben, an welchem Tag ihnen das angefochtene Urteil zugestellt worden sei.
11 Wie der Generalanwalt in Nummer 16 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, reichen diese Mängel nicht aus, um das Rechtsmittel unzulässig zu machen. Zum einen ist nichts vorgebracht worden, woraus sich ergäbe, daß den anderen Parteien des Verfahrens vor dem Gericht wegen ihrer Nichtnennung ein Schaden entstanden ist. Zum anderen ist das Rechtsmittel selbst dann innerhalb der vorgesehenen Frist eingelegt worden, wenn man als Fristbeginn den Tag der Verkündung des Urteils anzusetzen hätte.
12 Das Rechtsmittel ist daher zulässig.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
13 Die Rechtsmittelführer tragen vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnummer 89 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, daß im Rahmen der Prüfung des Vorbringens der Kläger, es liege insbesondere wegen der ungewöhnlich langen Verfahrensdauer ein Ermessensmißbrauch vor, das Verfahren vor der Kommission erst ab der Einreichung ihrer Beschwerden im Jahr 1986 zu berücksichtigen sei, so daß sich dieses Verfahren bis zum Erlaß der Entscheidung von 1992 nur über sechs Jahre erstreckt habe. Tatsächlich seien aber verschiedene gleichgerichtete Beschwerden miteinander verbunden worden, so daß das Verfahren schon 1979 begonnen habe und die Kommission vierzehn Jahre mit der Sache befasst gewesen sei.
14 Mit diesem Rechtsmittelgrund wird eine Tatsachenwürdigung des Gerichts beanstandet, da es um die Beantwortung der Frage geht, ob die Beschwerden der Rechtsmittelführer mit den vorangegangenen Beschwerden verbunden worden waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes kann jedoch gemäß Artikel 168a EG-Vertrag und Artikel 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen (Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667).
15 Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
16 Nach Ansicht der Rechtsmittelführer hat das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß es in Randnummer 89 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt habe, daß die Beschwerden der Kläger neue Fragen des Gemeinschaftsrechts aufgeworfen hätten. Diese Fragen seien aber seit 1979, als die ersten Beschwerden gegen die Praktiken der SACEM eingereicht worden seien, stets die gleichen gewesen.
17 Auch dieses Vorbringen der Rechtsmittelführer bezieht sich auf eine Tatsachenwürdigung, da es hierbei darum geht, ob die Fragen seit 1979 die gleichen waren. Wie jedoch bereits in Randnummer 14 dieses Urteils ausgeführt worden ist, kann ein Rechtsmittel nur auf Gründe gestützt werden, die sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften beziehen und jede Tatsachenwürdigung ausschließen.
18 Somit ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum dritten und zum fünften Rechtsmittelgrund
19 Der dritte und der fünfte Rechtsmittelgrund sind angesichts ihres Gegenstands zusammen zu prüfen.
20 Das Gericht hat in Randnummer 61 des angefochtenen Urteils ausgeführt:
"[Es] ergibt sich aus den Punkten 6 bis 8 der streitigen Entscheidung, daß die Kommission die Zurückweisung der Beschwerden der Kläger nicht auf den Grundsatz der Subsidiarität, sondern allein auf das Fehlen eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses gestützt hat."
21 Die Rechtsmittelführer meinen jedoch, daß wesentliche und ausdrückliche Grundlage der Stellungnahme der Kommission die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität gewesen sei und die Kommission das Fehlen eines Gemeinschaftsinteresses nur in zweiter Linie geltend gemacht habe. Das Gericht habe daher einen Rechtsfehler begangen, wenn es festgestellt habe, daß sich die Kommission nicht auf den Grundsatz der Subsidiarität gestützt habe, und wenn es sich daher nicht zur fehlerhaften Anwendung dieses Grundsatzes durch die Kommission geäussert habe. Ausserdem habe das Gericht den insoweit eindeutigen Wortlaut der streitigen Entscheidung und damit die Entscheidung insgesamt falsch wiedergegeben und ihrer Zurückweisung der geltend gemachten Klagegründe diese falsche Feststellung zugrunde gelegt.
22 Die Kommission ist in ihrem auf Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rats (ABl. 1963, 127, S. 2268) gestützten Schreiben vom 20. Januar 1992 und in der streitigen Entscheidung zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die Beschwerden zurückzuweisen seien, und zwar "in Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Dezentralisation angesichts des fehlenden Gemeinschaftsinteresses, da die Praktiken, die in den bei ihr eingegangenen Beschwerden gerügt worden sind, eine im wesentlichen nationale Auswirkung haben und bereits mehrere französische Gerichte damit befasst sind" (siehe Punkt III des Schreibens vom 20. Januar 1992 und Punkt 2 der streitigen Entscheidung).
23 Diese Formulierung nimmt zwar ausdrücklich auf den Begriff der Subsidiarität Bezug, sie ist jedoch im Zusammenhang mit dem allgemeinen Gedankengang der streitigen Entscheidung zu sehen. Insbesondere aus den Punkten 6 bis 8 der streitigen Entscheidung geht hervor, daß sich der Gedankengang der Kommission zur Verweisung der Beschwerden an die nationalen Gerichte darauf stützt, daß es an einem Gemeinschaftsinteresse fehle. Die Kommission hat dabei insbesondere auf das Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90 (Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223) hingewiesen, in dem das Gericht anerkannt hat, daß die Kommission eine Beschwerde aus diesem Grund zurückweisen darf.
24 Das Gericht durfte somit davon ausgehen, daß die Kommission sich bei der Entscheidung nicht auf den Grundsatz der Subsidiarität als eigenständigen Grund gestützt hat. Es hat folglich die streitige Entscheidung nicht falsch wiedergegeben.
25 Das Gericht hat daher keinen Rechtsfehler begangen, wenn es den Hinweis auf den Grundsatz der Subsidiarität nicht als eigenständige Grundlage des Gedankengangs der Kommission geprüft hat.
26 Daraus folgt, daß diese Rechtsmittelgründe zurückzuweisen sind.
Zum vierten Rechtsmittelgrund
27 Die Rechtsmittelführer machen geltend, das Gericht habe zu Unrecht nicht die der Kommission zur Last gelegten Rechtsfehler festgestellt. Ausserdem betreffe der von ihnen gerügte Ermessensmißbrauch der Kommission zwei Gesichtspunkte, die das Gericht nicht geprüft habe. Zum einen habe die Kommission ausdrücklich eingeräumt, daß sie über ausreichende Beweismittel für eine Mitteilung von Beschwerdepunkten verfüge. Zum anderen habe sie gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag verstossen, indem sie es abgelehnt habe, ihren Auftrag zu erfuellen.
28 Zur Begründung des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrunds, mit dem ein Rechtsfehler des Gerichts durch mangelnde Feststellung der Rechtsfehler der Kommission gerügt wird, wird lediglich auf einen Absatz in dem Teil der auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung gerichteten Klageschrift verwiesen, in dem die Rechtsmittelführer behaupten, daß die Kommission am besten zu einer Entscheidung über den angeblichen Verstoß gegen Artikel 86 in der Lage sei. Mit diesem Rechtsmittelgrund wird also geltend gemacht, das Gericht habe insofern einen Rechtsfehler begangen, als es nicht erkannt habe, daß die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falles selbst eine Entscheidung zur Feststellung eines Verstosses der SACEM gegen Artikel 86 hätte treffen müssen.
29 Insoweit genügt der Hinweis, daß das Gericht hierauf ausdrücklich eingegangen ist, indem es ausgeführt hat, daß die Kläger keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission gehabt hätten, selbst wenn diese zur Überzeugung gelangt wäre, daß die betreffenden Praktiken einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages darstellten (Randnr. 61 des angefochtenen Urteils) und daß ihre Rechte in befriedigender Weise von den nationalen Gerichten gewahrt werden könnten (Randnrn. 68 bis 74 des angefochtenen Urteils).
30 Zum zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der darauf gestützt wird, daß der gerügte Ermessensmißbrauch der Kommission zwei Gesichtspunkte betreffe, die das Gericht nicht geprüft habe, ist festzustellen, daß das Gericht auf diese Gesichtspunkte ausdrücklich eingegangen ist, indem es ° in Randnummer 91 des angefochtenen Urteils ° ausgeführt hat, daß die Kommission nicht in allen Fällen eine vollständige Untersuchung durchzuführen oder eine Entscheidung über das Vorliegen der behaupteten Zuwiderhandlung zu treffen brauche.
31 Dieser Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen.
Zum sechsten Rechtsmittelgrund
32 Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe sich widersprüchlich verhalten, weil es einerseits festgestellt habe, daß für eine Behandlung des Artikel 86 des Vertrages betreffenden Teils ihrer Beschwerden durch die Kommission kein hinreichendes Gemeinschaftsinteresse bestanden habe, andererseits aber den Artikel 85 betreffenden Teil der Entscheidung für nichtig erklärt habe. Eine solche Nichtigerklärung setze nämlich voraus, daß die Kommission die Rüge der Beschwerdeführer, es bestehe ein Kartell zwischen der SACEM und den anderen Verwertungsgesellschaften, selbst geprüft habe. Damit habe das Gericht das Gemeinschaftsinteresse an den Beschwerden selbst bejaht. Dieser Widerspruch stelle einen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Artikel 190 dar.
33 Hierzu ist festzustellen, daß das Gericht die streitige Entscheidung mit der Begründung teilweise für nichtig erklärt hat, sie enthalte "keine Begründung für die Zurückweisung der Beschwerden der Kläger, soweit in ihnen eine Abschottung des Marktes beanstandet wird" (Randnr. 39 des angefochtenen Urteils). Demnach ist das Gericht davon ausgegangen, daß die streitige Entscheidung es den Klägern unter Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages nicht ermöglichte, ihr die Gründe für die Zurückweisung ihrer Beschwerden in diesem Punkt zu entnehmen (Randnr. 40). Diese Würdigung setzt keineswegs voraus, daß das Gericht angenommen hat, es sei Sache der Kommission und nicht der nationalen Gerichte, eine Entscheidung über den angeblichen Verstoß gegen Artikel 85 zu treffen. Somit lässt sich daraus nicht herleiten, daß das angefochtene Urteil einen Widerspruch hinsichtlich des Gemeinschaftsinteresses an den Beschwerden enthält.
34 Folglich ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum siebten Rechtsmittelgrund
35 Die Rechtsmittelführer tragen im wesentlichen vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Randnummern 68 bis 72 des angefochtenen Urteils den Standpunkt vertreten habe, daß die Verweisung der Beschwerden an die nationalen Gerichte kein Hindernis für die befriedigende Wahrung ihrer Rechte darstelle.
36 Das Gericht hat in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß "sich den Akten... nicht entnehmen [lässt], daß die Übermittlung [des Berichts der Kommission vom 7. November 1991 über einen Vergleich der Höhe der Gebühren in der Gemeinschaft und über die Diskriminierung von Nutzern auf dem französischen Markt] an die nationalen Gerichte und seine Verwendung durch diese aus Gründen der Beachtung des rechtlichen Gehörs und des Berufsgeheimnisses beschränkt wären". Nach Ansicht der Rechtsmittelführer ist jedoch die Kommission durch die Pflicht zur vertraulichen Behandlung daran gehindert, diesen Gerichten in den Akten enthaltene weitere Beweise zu übermitteln. Ausserdem werde der Bericht den Gerichten nur auf Antrag übermittelt, obwohl sie von seiner Existenz nichts wissen könnten. Daher könne die loyale Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten nicht befriedigend verwirklicht werden, so daß den Beschwerdeführern vor diesen Gerichten kein ausreichender Schutz ihrer Rechte zuteil werden könne.
37 Die Rechtsmittelführer beanstanden nicht die Feststellung des Gerichts, daß die Pflicht zur vertraulichen Behandlung der Übermittlung des Berichts vom 7. November 1991 nicht entgegenstehe.
38 Die Rechtsmittelführer stellen auch nicht die Ausführungen des Gerichts in Randnummer 70 des angefochtenen Urteils in Frage, wonach "die tatsächlichen Gesichtspunkte, wie sie in dem Bericht vom 7. November 1991 angeführt sind,... den französischen Gerichten die Feststellung erlauben sollten, ob die Höhe der von der SACEM festgesetzten Gebühren einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 des Vertrages darstellt".
39 Im Gegenteil haben die Kläger, wie das Gericht in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, die Auffassung vertreten, daß "[der] Bericht [vom 7. November 1991]... ein wesentlicher Bestandteil der Akten [ist], weil er in aller Eindeutigkeit den Mißbrauch der beherrschenden Stellung erkennen lässt, dessen sich die SACEM schuldig gemacht hat und weiterhin schuldig macht". Daraus lässt sich ableiten, daß die Rechtsmittelführer mit dem Gericht der Auffassung sind, daß schon die Übermittlung des Berichts genügt, um den nationalen Gerichten eine Beurteilung der Beschwerden zu ermöglichen.
40 Die Rechtsmittelführer machen weiter geltend, die nationalen Gerichte könnten von der Existenz des Berichts vom 7. November 1991 keine Kenntnis haben, da die Entscheidung nicht veröffentlicht worden sei.
41 Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein nationales Gericht, wenn die konkrete Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 oder des Artikels 86 des Vertrages besondere Schwierigkeiten aufwirft, an die Kommission wenden, um wirtschaftliche oder rechtliche Angaben zu erhalten, die ihm die Kommission übermitteln kann. Diese Möglichkeit ist in der Bekanntmachung der Kommission vom 13. Februar 1993 über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrags (ABl. C 39, S. 6) vorgesehen, wonach die nationalen Gerichte Unterlagen wie Statistiken, Marktstudien und Wirtschaftsanalysen von der Kommission erhalten können. Überdies ist, wie die Kommission vorgetragen hat, in einer Presseerklärung vom 27. November 1992 bekanntgemacht worden, daß der Bericht den nationalen Gerichten zur Verfügung steht. Schließlich sind die Rechtsmittelführer durch nichts daran gehindert, die nationalen Gerichte auf die Existenz des Berichts hinzuweisen, wenn sie diese zur Wahrung ihrer Rechte anrufen.
42 Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, wenn es in den Randnummern 68 bis 72 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten hat, daß die nationalen Gerichte aufgrund des ihnen zur Verfügung stehenden Berichts der Kommission vom 7. November 1991 bei vernünftiger Betrachtung in der Lage seien, die Tatsachen zu ermitteln, die für die Feststellung erforderlich sind, ob die in den Beschwerden beanstandeten Verhaltensweisen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages darstellen.
43 Dieser Rechtsmittelgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
44 Da alle Rechtsmittelgründe, die auf die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils abzielen, zurückgewiesen worden sind, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
45 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführer mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsmittelführer tragen die Kosten.
Ende der Entscheidung
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