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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.1997
Aktenzeichen: C-94/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Art. 4 Abs. 2
Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers Art. 3 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Der Begriff "Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers", der nach den Artikeln 3 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 80/987 bestimmt, welche nichterfuellten Ansprüche Gegenstand der in der Richtlinie vorgesehenen Garantie sind, ist so auszulegen, daß er den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung bezeichnet, wobei die garantierte Leistung nicht vor der Entscheidung über die Eröffnung eines solchen Verfahrens oder - bei unzureichender Vermögensmasse - der Feststellung der endgültigen Schließung des Unternehmens gewährt werden kann. Diese Auslegung berücksichtigt sowohl die soziale Zielsetzung der Richtlinie als auch die Notwendigkeit, die Referenzzeiten, an die die Richtlinie Rechtswirkungen knüpft, eindeutig festzusetzen.

Wenn nämlich der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers von der Erfuellung der Voraussetzungen der "Zahlungsunfähigkeit" gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie, insbesondere von der Entscheidung über die Eröffnung eines Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung, abhängig ist, die lange Zeit nach dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens ergehen kann, so könnte die Richtlinie die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfuellten Ansprüche unter Berücksichtigung der zeitlichen Grenzen im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 niemals garantieren, und zwar aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit dem Verhalten der Arbeitnehmer stuenden.

4 Die rückwirkende und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie 80/987 einschließlich der Begrenzungen der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung erlaubt dann die Behebung der Nachteile, die sich aus der verspäteten Umsetzung ergeben, wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, darauf zu achten, daß der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen wiedergutgemacht wird. Eine rückwirkende, ordnungsgemässe und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie genügt hierfür, sofern die Begünstigten nicht das Vorliegen zusätzlicher Einbussen dartun, die ihnen dadurch entstanden sind, daß sie nicht rechtzeitig in den Genuß der durch die Richtlinie garantierten finanziellen Vergünstigungen gelangen konnten; für diese wären sie ebenfalls zu entschädigen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 10. Juli 1997. - Danila Bonifaci u.a. (C-94/95) und Wanda Berto u.a. (C-95/95) gegen Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Pretura circondariale di Bassano del Grappa - Italien. - Sozialpolitik - Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers - Begrenzung der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen - Haftung des Mitgliedstaats wegen verspäteter Umsetzung einer Richtlinie - Angemessene Wiedergutmachung. - Verbundene Rechtssachen C-94/95 und C-95/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura circondariale Bassano del Grappa hat mit Beschlüssen vom 21. März 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 24. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23; im folgenden: Richtlinie) sowie nach der Auslegung des Grundsatzes der Haftung des Staates für Schäden, die dem Bürger durch einen dem Staat zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Danila Bonifaci u. a. sowie Wanda Berto u. a. (Klägerinnen) und dem Istituto nazionale della previdenza sociale (INPS) über den Ersatz des durch die verspätete Umsetzung der Richtlinie entstandenen Schadens.

3 Die Richtlinie soll den Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers unbeschadet günstigerer Bestimmungen der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene einen Mindestschutz gewährleisten. Zu diesem Zweck sieht sie u. a. spezielle Garantien für die Befriedigung nichterfuellter Ansprüche der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt vor.

4 Nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten vor dem 23. Oktober 1983 alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um der Richtlinie nachzukommen.

5 Da die Italienische Republik dieser Verpflichtung nicht nachkam, stellte der Gerichtshof mit Urteil vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 22/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, 143) fest, daß sie gegen den EWG-Vertrag verstossen hat.

6 Die Klägerin Bonifaci und 33 andere Arbeitnehmerinnen, die für ein Unternehmen mit Sitz in Valdastico (Italien), über dessen Vermögen am 5. April 1985 Konkurs eröffnet worden war, gearbeitet hatten und Gläubigerinnen eines Betrages von mehr als 253 000 000 LIT sind, der als Konkursforderung festgestellt wurde, erhoben im April 1989 bei der Pretura circondariale Bassano del Grappa Klage gegen die Italienische Republik mit dem Antrag, die Beklagte angesichts ihrer Verpflichtung zur Anwendung der Richtlinie ab dem 23. Oktober 1983 zu verurteilen, das ihnen zustehende rückständige Arbeitsentgelt, zumindest in Höhe der letzten drei Monatslöhne, zu zahlen, hilfsweise, ihnen Schadensersatz zu leisten.

7 Zur gleichen Zeit berief sich Andrea Francovich, Arbeitnehmer eines Unternehmens, das ihm nur gelegentlich Abschlagszahlungen auf seinen Lohn gezahlt hatte und das ihm einen Betrag von ungefähr 6 000 000 LIT schuldete, vor der Pretura circondariale Vicenza ebenfalls auf das Recht, vom italienischen Staat die in der Richtlinie vorgesehenen Garantien, hilfsweise Schadensersatz zu erhalten.

8 Die beiden genannten Gerichte legten identische Vorlagefragen nach der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie und dem Anspruch auf Ersatz der Schäden zur Vorabentscheidung vor, die im Zusammenhang mit Vorschriften entstanden waren, die keine unmittelbare Wirkung hatten. In Beantwortung dieser Fragen hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich I, Slg. 1991, I-5357) für Recht erkannt, daß die Betroffenen nach denjenigen Bestimmungen der Richtlinie, die die Rechte der Arbeitnehmer festlegen, diese Rechte mangels fristgemäß erlassener Durchführungsmaßnahmen nicht vor den nationalen Gerichten dem Staat gegenüber geltend machen können, daß ein Mitgliedstaat aber die Schäden zu ersetzen hat, die dem einzelnen dadurch entstehen, daß die Richtlinie nicht umgesetzt worden ist.

9 Am 27. Januar 1992 erließ die italienische Regierung gemäß Artikel 48 des Ermächtigungsgesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 das Decreto legislativo Nr. 80, mit dem die Richtlinie umgesetzt wurde (GURI Nr. 36 vom 13. Februar 1992; im folgenden: Dekret).

10 Artikel 2 Absatz 7 des Dekrets legt die Voraussetzungen für den Ersatz von Schäden fest, die durch die verspätete Umsetzung der Richtlinie entstanden sind, indem er auf die in Durchführung der Richtlinie festgelegten Modalitäten für die Erfuellung der Zahlungsverpflichtung der Garantieeinrichtungen an Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers verweist. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"Bei der Entscheidung über den Schadensersatz, der gegebenenfalls Arbeitnehmern im Rahmen der Verfahren im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 (d. h. Konkurs, Vergleich, Zwangsliquidation und Zwangsverwaltung grosser Unternehmen in Krisenzeiten) wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie 80/987/EWG zu leisten ist, finden die Fristen, Maßnahmen und Sonderregelungen der Absätze 1, 2 und 4 Anwendung. Die Klage auf Schadensersatz ist innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Dekrets einzureichen."

11 Nach Artikel 2 Absatz 1 des Dekrets betrifft die Garantie die "Forderungen aus Arbeitsverträgen, die nicht durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vor

a) dem Zeitpunkt der Maßnahme, die die Eröffnung eines der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Verfahren festlegt".

12 Aus den Vorlagebeschlüssen geht hervor, daß der Zeitraum von zwölf Monaten, auf den sich die letztgenannte Bestimmung bezieht, rückwirkend vom Zeitpunkt der Entscheidung berechnet wird, mit der das Konkursverfahren über das Vermögen des betreffenden Unternehmens eröffnet wird.

13 Weiter bestimmt Artikel 2 Absatz 2 des Dekrets:

"Die Zahlungen des Fonds gemäß Absatz 1 dürfen nicht höher sein als der dreifache monatliche Hoechstbetrag der von der Kasse für die ausserordentliche Lohnergänzung gezahlt wird, abzueglich der einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge."

14 Aufgrund dieser Regelung lehnte das INPS die von den Klägerinnen als Beschäftigten von Arbeitgebern, über deren Vermögen nach dem 23. Oktober 1983 und vor dem Inkrafttreten des Dekrets Konkurs eröffnet worden war, gemäß Artikel 2 Absatz 7 des Dekrets eingereichten Schadensersatzanträge mit der Begründung ab, daß innerhalb des Referenzzeitraums von zwölf Monaten vor der Eröffnung des Konkursverfahrens, auf den sich Artikel 2 Absatz 1 des Dekrets beziehe, nämlich dem 5. April 1985, keine Beschäftigungszeit gelegen habe, für die Entgelt geschuldet gewesen sei.

15 Die mit dem Rechtsstreit befasste Pretura circondariale Bassano del Grappa stellte fest, daß der italienische Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie von der ihm durch Artikel 4 Absatz 1 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen zu begrenzen, und daß er von dieser Möglichkeit auch für die Bemessung des Schadensersatzes Gebrauch gemacht habe, den Arbeitnehmer, die Ansprüche gegen vor dem Inkrafttreten der nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie in Konkurs geratene Arbeitgeber gehabt hätten, wegen der verspäteten Umsetzung gegen den italienischen Staat geltend machen könnten.

16 Folgende Bestimmungen der Richtlinie sind einschlägig.

17 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie gilt ein Arbeitgeber im Sinne dieser Richtlinie als zahlungsunfähig,

a) wenn die Eröffnung eines Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der Ansprüche der Arbeitnehmer gegen diesen gestattet, und

b) wenn die zuständige Behörde entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, daß das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

18 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfuellten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen; dieser Zeitpunkt ist gemäß Artikel 3 Absatz 2 nach Wahl der Mitgliedstaaten entweder der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder aber der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

19 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie kann die Zahlungspflicht jedoch nach Wahl der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 2 auf das Arbeitsentgelt betreffende nichterfuellte Ansprüche für bestimmte Zeiträume begrenzt werden, nämlich

- die letzten drei Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen;

- die letzten drei Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses vor dem Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers;

- für die letzten achtzehn Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, wobei die Mitgliedstaaten die Zahlungspflicht auf das Arbeitsentgelt für einen Zeitraum von acht Wochen oder für mehrere Zeiträume, die zusammengerechnet acht Wochen ergeben, begrenzen können.

20 Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten jedoch, um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die über die soziale Zweckbestimmung der Richtlinie hinausgehen, für die Garantie der Erfuellung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Hoechstgrenze festzusetzen.

21 Nach Artikel 9 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten für die Arbeitnehmer günstigere Vorschriften anwenden oder erlassen.

22 Das vorlegende Gericht führt aus, die durch Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie ermöglichte Begrenzung der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Dekrets, auf die sich auch Artikel 2 Absatz 7 für die Bemessung des Schadensersatzes wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie beziehe, könne wegen der Dauer der Verfahren zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung in Italien dazu führen, daß weder die Befriedigung der garantierten Ansprüche noch die Leistung des Schadensersatzes gewährleistet sei, selbst wenn den betroffenen Arbeitnehmern keine Nachlässigkeit vorzuwerfen sei.

23 Damit hat die Pretura circondariale Bassano del Grappa Zweifel an der Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie und an seiner Gültigkeit sowie an der Vereinbarkeit der durch das Dekret festgelegten Voraussetzungen des Schadensersatzes mit Randnummer 43 des Urteils Francovich I, wonach die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sein dürfen, daß sie es praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren, die Entschädigung zu erlangen.

24 Daher hat sie dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates von der Möglichkeit, die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen auf das Arbeitsentgelt aus einem bestimmten Zeitraum - der vorliegend zwölf Monate beträgt - zu begrenzen, auch für den Fall Gebrauch machen, daß die Überschreitung dieses Zeitraums dem betroffenen Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden kann, und insbesondere auch für den Fall, daß dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener oder verspäteter Umsetzung dieser Richtlinie zusteht?

2. Falls Frage 1 bejaht wird: Ist Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots als gültig zu betrachten?

3. Ist Randnummer 43 des Urteils des Gerichtshofes vom 19. November 1991 dahin auszulegen, daß die formellen und materiellen Voraussetzungen, die das innerstaatliche Recht des einzelnen Mitgliedstaats für die Schadensersatzklage wegen unterlassener Umsetzung einer Gemeinschaftsrichtlinie vorsieht, die gleichen sein müssen, die der nationale Gesetzgeber bei der verspäteten Umsetzung dieser Richtlinie festgelegt hat (oder jedenfalls nicht ungünstiger als diese sein dürfen)?

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

25 Nach Ansicht des INPS sind die ersten beiden Fragen, die sich auf die Auslegung von Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie beziehen, unzulässig, da es keinen "objektiv notwendigen" Zusammenhang zwischen der begehrten Auslegung und der Entscheidung des Rechtsstreits gebe, die das nationale Gericht zu treffen habe. Dieser Artikel sei unabhängig von seiner Auslegung für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich, da er nur die Schutzregelung für Arbeitnehmer betreffe, die Opfer der nach dem Inkrafttreten der Umsetzungsregelung eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers geworden seien. Die dritte Frage, die sich auf die Vereinbarkeit der durch das Dekret eingeführten Entschädigungsregelung mit dem Urteil Francovich I beziehe, falle ausschließlich in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte.

26 Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen ein Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu erlassende Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der von ihnen dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (vgl. insbesondere Urteil vom 21. März 1996 in der Rechtssache C-297/94, Bruyère u. a., Slg. 1996, I-1551, Randnr. 19). Nur wenn offensichtlich ist, daß die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, kann das Vorabentscheidungsersuchen als unzulässig zurückgewiesen werden (vgl. insbesondere Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 61).

27 Im vorliegenden Fall verweist die durch das Dekret eingeführte Regelung für die Entschädigung der Arbeitnehmer wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie ausdrücklich auf die Bestimmungen des Dekrets, mit denen diese Richtlinie in das italienische Recht umgesetzt wurde. Das vorlegende Gericht hat es als erforderlich erachtet, den Gerichtshof um Auslegung des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie zu ersuchen, um insbesondere prüfen zu können, ob der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit, die ihm dieser Artikel zubilligt, richtig Gebrauch gemacht hat.

28 Im übrigen zielt entgegen der Ansicht des INPS die dritte Frage nicht darauf ab, daß der Gerichtshof über die Vereinbarkeit des Dekrets mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden hätte, sondern darauf, daß er dem nationalen Gericht die gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkte für die Auslegung an die Hand gibt, die es benötigt, um diese Prüfung vornehmen zu können.

29 Die Einwände des INPS gegen die Zulässigkeit der Vorlagefragen und die Zuständigkeit des Gerichtshofes greifen daher nicht durch. Demnach sind die Fragen des nationalen Gerichts zu beantworten.

Zum ersten Teil der ersten Frage und zur zweiten Frage

30 Mit dem ersten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie die Mitgliedstaaten auch dann die Möglichkeit haben, die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung zu begrenzen, wenn eine solche Begrenzung dazu führen würde, daß die betroffenen Arbeitnehmer jede Garantie mit der Begründung verlören, daß innerhalb des in dieser Bestimmung vorgesehenen Referenzzeitraums keine Beschäftigungszeit gelegen habe, selbst wenn das den Arbeitnehmern nicht vorzuwerfen wäre. Bejahendenfalls wird der Gerichtshof mit der zweiten Frage um Beurteilung der Gültigkeit des Artikels 4 Absatz 2 der Richtlinie in Anbetracht des Gleichheitssatzes ersucht.

31 Aus den Vorlagebeschlüssen und den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen geht hervor, daß diese Fragen gestellt worden sind, weil Artikel 2 Absatz 1 des Dekrets, der die Artikel 3 und 4 Absatz 2 der Richtlinie umsetzt, den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung als den Zeitpunkt festsetzt, von dem an die Referenzzeit für die Zwecke der Gewährung der Garantie zu berechnen ist.

32 Somit können die Arbeitnehmer nach italienischem Recht in den Genuß der in der Richtlinie vorgesehenen Garantie in der Form, die sie mit ihrer Umsetzung in das italienische Recht erhielt, nur kommen, wenn die Beschäftigungszeiten, für die die das Arbeitsentgelt betreffenden Ansprüche nicht erfuellt wurden, innerhalb des Zeitraums von zwölf Monaten vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung liegen.

33 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, ist vorab zu prüfen, ob der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne der Artikel 3 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie tatsächlich der Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie ist. Denn das vorlegende Gericht hat die erste Frage in Anbetracht der Nachteile gestellt, die sich aus dieser Gleichsetzung für die Arbeitnehmer angesichts des Zeitraums ergeben können, der zwischen dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung und der Entscheidung über dessen Eröffnung verstreichen kann.

34 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-479/93 (Francovich II, Slg. 1995, I-3843, Randnr. 18) entschieden hat, gilt ein Arbeitgeber nur dann als zahlungsunfähig im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie, wenn erstens die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats ein Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger vorsehen, zweitens im Rahmen dieses Verfahrens die Berücksichtigung der Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gestattet ist, drittens die Eröffnung des Verfahrens beantragt worden ist und viertens die aufgrund der genannten nationalen Vorschriften zuständige Behörde entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, daß das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

35 Somit müssen zwei Ereignisse stattgefunden haben, damit die Richtlinie Anwendung finden kann: Es muß ein Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung bei der zuständigen nationalen Behörde eingereicht worden sein, und es muß eine Entscheidung über die Eröffnung oder die Feststellung, daß das Unternehmen stillgelegt ist, wenn die Vermögensmasse nicht ausreicht, ergangen sein.

36 Der Eintritt dieser beiden in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie angeführten Ereignisse löst die in der Richtlinie vorgesehene Garantie aus; er kann jedoch nicht zur Bestimmung der unbefriedigten Ansprüche dienen, für die diese Garantie gilt. Diese Frage regelt sich nach den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie, die von einem zwangsläufig einheitlichen Zeitpunkt ausgehen, vor dem die Referenzzeiten im Sinne dieser Artikel liegen müssen.

37 So ermächtigt Artikel 3 der Richtlinie die Mitgliedstaaten, unter mehreren Möglichkeiten den Zeitpunkt auszuwählen, vor dem der Zeitraum liegt, für den die Befriedigung der nichterfuellten Gehaltsansprüche garantiert ist. Nach Maßgabe dieser Entscheidung der Mitgliedstaaten bestimmt Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie, welche nichterfuellten Ansprüche von der Garantieverpflichtung zumindest abgedeckt sein müssen, falls sich, wie im vorliegenden Fall, ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 4 Absatz 1 für eine zeitliche Begrenzung entscheidet.

38 Im vorliegenden Fall hat sich der italienische Staat für den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne der Artikel 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich und 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich entschieden und dabei den Referenzzeitraum von sechs auf zwölf Monate ausgedehnt.

39 Nach allem erfordert die Anwendung der Arbeitnehmerschutzregelung, die durch die Richtlinie eingeführt wurde, zwar sowohl einen Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung in der im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Form als auch eine förmliche Entscheidung über die Eröffnung eines solchen Verfahrens, doch bestimmen sich die nichterfuellten Ansprüche, die nach der Richtlinie zu garantieren sind, gemäß den Artikeln 3 Absatz 2 erster Gedankenstrich und 4 Absatz 2 nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, der nicht zwangsläufig mit dem Zeitpunkt einer solchen Entscheidung zusammenfällt.

40 Die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung oder, genauer, im vorliegenden Fall das Urteil, mit dem die Eröffnung des Konkurses festgestellt wird, kann, wie sich auch aus den Umständen des vorliegenden Falles ergibt, lange Zeit nach dem Antrag auf Eröffnung des Verfahrens oder nach Ende der Beschäftigungszeiten ergehen, auf die sich die das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfuellten Ansprüche beziehen, so daß die Richtlinie, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers von der Erfuellung der Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 3 der Richtlinie abhängig wäre, die Befriedigung dieser Ansprüche unter Berücksichtigung der zeitlichen Grenzen im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 niemals garantieren könnte, und zwar aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit dem Verhalten der Arbeitnehmer stuenden. Diese Folge liefe dem Zweck der Richtlinie zuwider, der, wie sich aus ihrer ersten Begründungserwägung ergibt, darin besteht, den Arbeitnehmern auf Gemeinschaftsebene einen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu gewährleisten.

41 Der Begriff des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers lässt sich jedoch nicht einfach, wie die Kläger geltend machen, mit dem Beginn der Einstellung der Zahlung des Arbeitsentgelts gleichsetzen. Denn für die Feststellung, welche nichterfuellten Ansprüche durch die Richtlinie zu garantieren sind, beziehen sich die Artikel 3 und 4 Absatz 2 auf einen Zeitraum vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit. Folgte man der Ansicht der Kläger, gelangte man zu dem Ergebnis, daß der Arbeitgeber vor diesem Zeitpunkt begrifflich die Zahlung des Arbeitsentgelts nicht eingestellt hätte, was dazu führen würde, daß die Artikel 3 und 4 Absatz 2 gegenstandslos würden.

42 Unter Berücksichtigung sowohl der sozialen Zielsetzung der Richtlinie als auch der Notwendigkeit, die Referenzzeiten, an die die Richtlinie Rechtswirkungen knüpft, eindeutig festzusetzen, muß der Begriff "Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers" in den Artikeln 3 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung bezeichnen, wobei die garantierte Leistung nicht vor der Entscheidung über die Eröffnung eines solchen Verfahrens oder bei unzureichender Vermögensmasse der Feststellung der endgültigen Schließung des Unternehmens gewährt werden kann.

43 Diese Definition des Begriffes des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers steht jedoch der Möglichkeit der Mitgliedstaaten nach Artikel 9 der Richtlinie nicht entgegen, für die Arbeitnehmer günstigere Vorschriften anzuwenden oder zu erlassen, um insbesondere die nichterfuellten Ansprüche im Zusammenhang mit dem Arbeitsentgelt, die einen Zeitraum nach der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung betreffen, zu befriedigen (siehe auch Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache C-373/95, Maso u. a., Slg. 1997, I-0000, Randnrn. 46 bis 52).

44 Da der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Artikel 3 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung und nicht demjenigen der Entscheidung über die Eröffnung, im vorliegenden Fall nach Ansicht des vorlegenden Gerichts demjenigen des Urteils, mit dem die Konkurseröffnung festgestellt wird, entspricht, sind der erste Teil der ersten Frage und die zweite Frage gegenstandslos.

Zum zweiten Teil der ersten Frage und zur dritten Frage

45 Mit dem zweiten Teil seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht vom Gerichtshof wissen, ob ein Mitgliedstaat im Rahmen des Ersatzes des Schadens, der Arbeitnehmern durch die verspätete Umsetzung der Richtlinie entstanden ist, die verspätet erlassenen Durchführungsmaßnahmen einschließlich der in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Einschränkungen rückwirkend anwenden kann. Mit der dritten Frage, die gemeinsam mit dem zweiten Teil der ersten Frage zu untersuchen ist, stellt das nationale Gericht ganz allgemein die Frage nach dem Umfang des Schadensersatzes, den der Mitgliedstaat bei verspäteter Umsetzung einer Richtlinie zu leisten hat.

46 Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, folgt der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Bürger durch dem Staat zuzurechnende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen der mit dem EG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung (Urteile Francovich I, a. a. O., Randnr. 35; vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C-46/93 und 48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 31; vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93, British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 38; vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 24 und vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 und C-190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 20).

47 Nach dieser Rechtsprechung ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, solche Schäden zu ersetzen, wenn drei Voraussetzungen erfuellt sind: Die Rechtsnorm, gegen die verstossen worden ist, bezweckt, dem Bürger Rechte zu verleihen; der Verstoß ist hinreichend qualifiziert; zwischen dem Verstoß und dem entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, a. a. O, Randnr. 51, British Telecommunications, a. a. O., Randnr. 39, Hedley Lomas, a. a. O., Randnr. 25, und Dillenkofer u. a., a. a. O., Randnr. 21). Die Beurteilung dieser Voraussetzungen erfolgt je nach Fallgestaltung (Urteil Dillenkofer u. a., Randnr. 24).

48 Zum Umfang des Schadensersatzes, den der Mitgliedstaat, dem die Vertragsverletzung zuzurechnen ist, leisten muß, ergibt sich aus dem Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, a. a. O., Randnr. 82, daß der Ersatz der Schäden, die dem Bürger durch Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, angemessen sein muß, so daß ein effektiver Schutz der Rechte des Bürgers gewährleistet ist.

49 Schließlich hat nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil Francovich I, a. a. O., Randnrn. 41 bis 43, vorbehaltlich der vorstehenden Ausführungen der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sein dürfen, daß sie es praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren, die Entschädigung zu erlangen.

50 Dazu hat der Gerichtshof bereits im Urteil Francovich I, a. a. O., Randnr. 46, entschieden, daß der Mitgliedstaat die Schäden zu ersetzen hat, die dem Bürger dadurch entstehen, daß die Richtlinie nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist umgesetzt worden ist.

51 Die rückwirkende vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie auf Arbeitnehmer, die die verspätete Umsetzung geschädigt hat, ermöglicht, sofern die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, grundsätzlich die Behebung des Schadens, der durch eine solche Vertragsverletzung entstanden ist. Diese Anwendung müsste nämlich den Arbeitnehmern die Rechte garantieren, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre (siehe auch Urteil vom heutigen Tag, Maso u. a., a. a. O., Randnrn. 36 bis 39).

52 Eine rückwirkende Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie bedeutet zwangsläufig, daß auch eine Begrenzung der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung nach den in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten erfolgen kann, wenn der Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit bei der Umsetzung der Richtlinie in seine nationale Rechtsordnung tatsächlich Gebrauch gemacht hat.

53 Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit im Lichte der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergebenden Grundsätze, wie sie in den Randnummern 46 bis 49 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, darauf zu achten, daß der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen wiedergutgemacht wird. Eine rückwirkende, ordnungsgemässe und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie genügt hierfür, sofern die Betroffenen nicht dartun, daß sie zusätzliche Einbussen dadurch erlitten haben, daß sie nicht rechtzeitig in den Genuß der von der Richtlinie garantierten finanziellen Vergünstigungen kommen konnten; für diese wären sie ebenfalls zu entschädigen.

54 Daher ist auf den zweiten Teil der ersten Frage und auf die dritte Frage zu antworten, daß die rückwirkende und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie dann die Behebung der Nachteile erlaubt, die sich aus der verspäteten Umsetzung ergeben, wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, darauf zu achten, daß der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen wiedergutgemacht wird. Eine rückwirkende, ordnungsgemässe und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie genügt hierfür, sofern die Begünstigten nicht das Vorliegen zusätzlicher Einbussen dartun, die ihnen dadurch entstanden sind, daß sie nicht rechtzeitig in den Genuß der durch die Richtlinie garantierten finanziellen Vergünstigungen gelangen konnten; für diese wären sie ebenfalls zu entschädigen.

Kostenentscheidung:

Kosten

55 Die Auslagen der italienischen und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Pretura circondariale Bassano del Grappa mit Beschlüssen vom 21. März 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die rückwirkende und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlaubt dann die Behebung der Nachteile, die sich aus der verspäteten Umsetzung ergeben, wenn die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, darauf zu achten, daß der den Betroffenen entstandene Schaden angemessen wiedergutgemacht wird. Eine rückwirkende, ordnungsgemässe und vollständige Anwendung der Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie genügt hierfür, sofern die Begünstigten nicht das Vorliegen zusätzlicher Einbussen dartun, die ihnen dadurch entstanden sind, daß sie nicht rechtzeitig in den Genuß der durch die Richtlinie garantierten finanziellen Vergünstigungen gelangen konnten; für diese wären sie ebenfalls zu entschädigen.

Ende der Entscheidung

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