Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: C-94/99
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/50/EWG, EG-Vertrag


Vorschriften:

Richtlinie 92/50/EWG
EG-Vertrag Art. 59 (nach Änderung jetzt EG Art. 49)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der in der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge enthaltene Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter ist nicht schon dadurch verletzt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die keine solche Zuwendungen erhalten.

Die Tatsache allein, dass ein öffentlicher Auftraggeber solche Einrichtungen zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zulässt, stellt weder eine versteckte Diskriminierung noch eine mit Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) unvereinbare Beschränkung dar.

(vgl. Randnrn. 32, 38, Tenor 1-2)


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 7. Dezember 2000. - ARGE Gewässerschutz gegen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesvergabeamt - Österreich. - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Richtlinie 92/50/EWG - Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge - Gleichbehandlung der Bieter - Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit - Freier Dienstleistungsverkehr. - Rechtssache C-94/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-94/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom österreichischen Bundesvergabeamt in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

ARGE Gewässerschutz

gegen

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und des Artikels 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG)

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter), des Richters J.-P. Puissochet und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: P. Léger

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der ARGE Gewässerschutz, vertreten durch Rechtsanwalt J. Schramm, Wien,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch W. Okresek, Sektionschef im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und A. Bréville-Viéville, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, im Beistand von Rechtsanwalt R. Roniger, Brüssel,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der ARGE Gewässerschutz, vertreten durch Rechtsanwalt M. Öhler, Wien, der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann, Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten, der französischen Regierung, vertreten durch S. Pailler, Rédacteur in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch M. Nolin im Beistand von Rechtsanwalt R. Roniger, in der Sitzung vom 16. März 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juni 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundesvergabeamt hat mit Beschluss vom 5. März 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 17. März 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vier Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und des Artikels 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der ARGE Gewässerschutz (im Folgenden: ARGE) und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft als öffentlichem Auftraggeber über die Teilnahme halböffentlicher Bieter an einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge.

Gemeinschaftsrecht

3 Ziel der Richtlinie 92/50 ist die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge. Der zweiten Begründungserwägung zufolge trägt sie zur schrittweisen Verwirklichung des Binnenmarktes bei, der als ein Raum ohne Binnengrenzen definiert wird, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

4 Nach der sechsten Begründungserwägung soll die Richtlinie Hemmnisse für den freien Dienstleistungsverkehr vermeiden. In der zwanzigsten Begründungserwägung heißt es weiter, dass bei den Vergabeverfahren ein besserer Zugang für Dienstleistungserbringer gewährleistet werden muss, um Praktiken zu unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen und insbesondere der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen.

5 Gemäß Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 gelten als "öffentliche Auftraggeber" im Sinne dieser Richtlinie der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

6 Nach dieser Vorschrift gilt als "Einrichtung des öffentlichen Rechts" jede Einrichtung,

- die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind, und

- die Rechtspersönlichkeit besitzt und

- die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

7 Als "Dienstleistungserbringer" gelten nach Artikel 1 Buchstabe c natürliche oder juristische Personen sowie öffentliche Einrichtungen, die Dienstleistungen anbieten. Der Dienstleistungserbringer, der ein Angebot eingereicht hat, wird als "Bieter" bezeichnet.

8 Gemäß Artikel 1 Buchstabe d sind "offene Verfahren" diejenigen einzelstaatlichen Verfahren, bei denen alle interessierten Dienstleistungserbringer ein Angebot abgeben können.

9 Artikel 3 Absätze 1 und 2 bestimmt:

"(1) Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer öffentlichen Dienstleistungsaufträge... Verfahren an, die den Bestimmungen dieser Richtlinie angepasst sind.

(2) Die Auftraggeber sorgen dafür, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet."

10 Artikel 6 sieht von der Anwendung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge folgende Ausnahme vor:

"Diese Richtlinie gilt nicht für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, die an eine Stelle vergeben werden, die ihrerseits ein Auftraggeber im Sinne des Artikels 1 Buchstabe b) ist, aufgrund eines ausschließlichen Rechts derselben, das diese gemäß veröffentlichter, mit dem Vertrag übereinstimmender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften innehat."

11 Artikel 37 Absatz 1 enthält in Bezug auf die Ablehnung ungewöhnlich niedriger Angebote folgende Regelung:

"Scheinen im Fall eines bestimmten Auftrags Angebote im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muss der Auftraggeber vor der Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, wo er dies für angezeigt hält; die anschließende Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen."

Der Ausgangsrechtsstreit

12 Die ARGE, eine Arbeitsgemeinschaft von Ziviltechnikern und Unternehmen, gab im Rahmen eines vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft veranstalteten offenen Auftragsvergabeverfahren Angebote ab. Gegenstand der ausgeschriebenen Aufträge waren die Entnahme und Analyse von Wasserproben aus einer Reihe von österreichischen Seen und Flüssen für die Beobachtungsjahre 1998/99 und 1999/2000. Neben der ARGE gaben auch Dienstleistungserbringer des öffentlichen Sektors Angebote ab, u. a. das Österreichische Forschungszentrum Seibersdorf GmbH und das Österreichische Forschungs- und Prüfungszentrum Arsenal GmbH.

13 Im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens vor der Bundes-Vergabekontrollkommission wandte sich die ARGE gegen die Teilnahme dieser Gesellschaften an dem fraglichen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge unter Hinweis darauf, dass halböffentliche Bieter hohe staatliche Subventionszahlungen ohne konkrete Projektbindungen erhielten.

14 Nach Ansicht der Bundes-Vergabekontrollkommission steht § 16 des Bundesvergabegesetzes (BVergG), wonach die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbs sowie der Gleichbehandlung aller Bieter zu wahren sind, einer Teilnahme solcher Gesellschaften gemeinsam mit privaten Bietern nicht entgegen.

15 Daraufhin begehrte die ARGE die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesvergabeamt.

16 Da das Bundesvergabeamt der Auffassung ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstößt die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, in einem Vergabeverfahren Einrichtungen zuzulassen, die entweder von ihm selbst oder von anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es diesen Einrichtungen ermöglichen, in einem Vergabeverfahren zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer kommerziell tätigen Mitbewerber liegen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter und Bewerber in einem Vergabeverfahren?

2. Stellt die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, in einem Vergabeverfahren derartige Einrichtungen zuzulassen, eine verdeckte Diskriminierung dar, wenn die Einrichtungen, die solche Zuwendungen erhalten, ausnahmslos die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats aufweisen oder in jenem Mitgliedstaat ihren Sitz haben, in dem auch der öffentliche Auftraggeber seinen Sitz hat?

3. Stellt die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers, in einem Vergabeverfahren derartige Einrichtungen zuzulassen, selbst unter der Annahme, dass sie die übrigen Bieter und Bewerber nicht diskriminiere, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, die nicht mit den Bestimmungen des EG-Vertrags - insbesondere dessen Artikel 59 ff. - vereinbar ist?

4. Darf der öffentliche Auftraggeber Leistungsverträge mit Einrichtungen abschließen, die sich ausschließlich oder zumindest überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand befinden und die ihre Leistungen ausschließlich oder zumindest überwiegend an den öffentlichen Auftraggeber oder an andere Einrichtungen des Staates erbringen, vergeben, ohne die Leistung einem Vergabeverfahren gemäß der Richtlinie 92/50/EWG im Wettbewerb mit kommerziell tätigen Bietern zu unterziehen?

Vorbemerkungen

17 Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die ARGE die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beantragte, um zu klären, ob die Zulassung von Bietern des "öffentlichen Sektors" neben "rein privaten" Bietern zur Teilnahme an einem nach dem Bundesvergabegesetz vorgesehenen Vergabeverfahren den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter gemäß § 16 BVergG entspreche.

18 Das Bundesvergabeamt führt in dem Beschluss aus, dass der Auftraggeber, wenn es sich wie vorliegend bei bestimmten Bietern um öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen handele, die als solche Beihilfen im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) bezögen oder besondere Kostenvorteile genössen, nicht in der Lage wäre, verlässlich festzustellen, ob der von diesen Bietern angebotene Preis angemessen sei oder der Marktlage entspreche, da dieser Preis nicht immer die tatsächlich wirtschaftlich kalkulierten Kosten widerspiegele. Solche Bieter wiesen gegenüber den anderen Bietern insofern einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil auf, als der betreffende Mitgliedstaat zumindest einen Teil der für die Kalkulation ihres Angebotes relevanten - sowohl fixen als auch variablen - Kosten übernehme.

19 Das Bundesvergabeamt wirft somit die grundsätzliche Frage auf, ob es einem öffentlichen Auftraggeber nach dem Gemeinschaftsrecht verwehrt ist, neben nicht subventionierten Bietern auch Einrichtungen zuzulassen, deren für die Kalkulation ihres Angebotes relevanten Kosten zum Teil von einem Mitgliedstaat - gegebenenfalls durch Gewährung von Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag - übernommen werden.

20 Die ersten drei Fragen gehen konkret dahin, ob die Entscheidung, begünstigte Einrichtungen zuzulassen, gegen den nach Ansicht des Bundesvergabeamts der Richtlinie 92/50 immanenten Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verstößt, wenn die gewährten Vorteile es diesen Einrichtungen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Konkurrenten liegen, und ob diese Entscheidung, wenn die begünstigten Einrichtungen allesamt inländische Einrichtungen sind, eine verdeckte Diskriminierung oder eine mit Artikel 59 EG-Vertrag unvereinbare Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.

21 Das Bundesvergabeamt hält es nicht für ausgeschlossen, dass diese Fragen dahin zu beantworten sind, dass die Teilnahme begünstigter Einrichtungen dem Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft. Dies hätte seiner Ansicht nach jedoch die zu weit reichende Folge, dass jedwede staatliche Einrichtung, die als ausgegliederter Rechtsträger über eigene Rechtspersönlichkeit verfüge, von der mit schriftlichem Vertrag vereinbarten entgeltlichen Erbringung von Leistungen für den Staat ausgeschlossen wäre. In diesem Kontext stellt das Bundesvergabeamt die vierte Frage nach einer Bestimmung der Grenzen, die für die sogenannte "In-House-Providing"-Ausnahme gelten, wonach die Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge nicht auf Verträge anwendbar seien, die ein öffentlicher Auftraggeber mit bestimmten öffentlichen Einrichtungen schließe, zu denen Verbindungen bestuenden.

Zur ersten Frage

22 Die ARGE trägt vor, die Richtlinien der Gemeinschaft auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens gingen davon aus, dass der Wettbewerb zwischen den Bietern unter normalen Marktbedingungen, also ohne Verfälschungen des Marktes insbesondere durch Eingriffe des betreffenden Mitgliedstaats bestehen müsse. Dies zeige der EG-Vertrag, der sowohl von mitgliedstaatlicher als auch privater Seite verursachte Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verbiete. Dies zeigten aber auch die Richtlinien selbst: Nach Artikel 37 der Richtlinie 92/50 und Artikel 34 Absatz 5 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84) habe der Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote, bei denen der Verdacht bestehe, dass sie durch Beihilfengewährung ermöglicht worden seien, erst näher zu prüfen. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Teilnahme von subventionierten Unternehmen und Einrichtungen an Vergabeverfahren zulässig sei, so wären derartige Bestimmungen überfluessig gewesen.

23 Eine Beteiligung von Bietern, die öffentliche Zuwendungen erhielten, führe zwingend zu einer Ungleichbehandlung und Benachteiligung der nicht subventionierten Bieter im Rahmen der Ermittlung des Bestbieters. Schließlich ergebe sich die Unzulässigkeit der Teilnahme subventionierter Bieter aus dem Zweck der Richtlinie 92/50, wie er in ihrer zwanzigsten Begründungserwägung zum Ausdruck komme, nämlich der Unterbindung von Praktiken, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führten und insbesondere der Auftragsvergabe an Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten entgegenstuenden.

24 Der öffentliche Auftraggeber hat, wie das Bundesvergabeamt ausgeführt hat, im Rahmen der Richtlinie 92/50 den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter zu wahren. Nach Artikel 3 Absatz 2 dieser Richtlinie sorgen die Auftraggeber dafür, dass keine Diskriminierung von Dienstleistungserbringern stattfindet.

25 Wie die österreichische und die französische Regierung sowie die Kommission vorgetragen haben, ist der Grundsatz der Gleichbehandlung jedoch nicht schon dadurch verletzt, dass die Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge Einrichtungen zulassen, die Zuwendungen erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer nicht subventionierten Mitbewerber liegen.

26 Hätte nämlich der Gemeinschaftsgesetzgeber die öffentlichen Auftraggeber dazu verpflichten wollen, solche Bieter auszuschließen, so hätte er dies ausdrücklich angeordnet.

27 Er hat zwar in den Artikeln 23 und 29 bis 37 der Richtlinie 92/50 eingehend die Bedingungen für die Auswahl der zur Abgabe eines Angebots zugelassenen Dienstleistungserbringer und die Zuschlagsvoraussetzungen geregelt; in keiner dieser Bestimmungen ist aber vorgesehen, dass ein Bieter allein deshalb grundsätzlich auszuschließen oder sein Angebot abzulehnen wäre, weil er öffentliche Zuwendungen erhält.

28 Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie 92/50 gestattet Einrichtungen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert sein können, vielmehr ausdrücklich, an einem Vergabeverfahren teilzunehmen. Nach dieser Vorschrift ist nämlich unter "Bieter" der Dienstleistungserbringer zu verstehen, der ein Angebot eingereicht hat, und als "Dienstleistungserbringer" gelten natürliche und juristische Personen "sowie öffentliche Einrichtungen", die Dienstleistungen anbieten.

29 Auch wenn somit der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter für sich genommen auch in einem Kontext wie dem in der ersten Vorlagefrage beschriebenen der Teilnahme öffentlicher Einrichtungen an einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nicht entgegensteht, ist nicht auszuschließen, dass die Richtlinie 92/50 die öffentlichen Auftraggeber unter bestimmten Umständen im Einzelfall dazu verpflichtet oder ihnen zumindest gestattet, Zuwendungen - insbesondere nicht vertragskonforme Beihilfen - zu berücksichtigen, um gegebenenfalls die Bieter auszuschließen, denen sie zugute kommen.

30 Die Kommission macht in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, dass ein Bieter im Rahmen eines Auswahlverfahrens ausgeschlossen werden könne, wenn der öffentliche Auftraggeber der Ansicht sei, dass er eine nicht vertragskonforme Beihilfe erhalten habe und die Verpflichtung zur Rückzahlung der rechtswidrig gewährten Beihilfe seine finanzielle Leistungsfähigkeit gefährde, so dass er als Bieter angesehen werden könne, der nicht die notwendigen finanziellen und wirtschaftlichen Sicherheiten biete.

31 Für die Beantwortung der im Ausgangsrechtsstreit gestellten grundsätzlichen Frage ist es jedoch weder erforderlich noch in Ansehung des Akteninhalts auch nur möglich, die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen öffentliche Auftraggeber verpflichtet oder berechtigt wären, Bieter auszuschließen, die Zuwendungen erhalten haben.

32 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass der in der Richtlinie 92/50 enthaltene Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter nicht schon dadurch verletzt ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die keine solche Zuwendungen erhalten.

Zur zweiten und zur dritten Frage

33 Das Bundesvergabeamt stellt in seinem Vorlagebeschluss fest, dass die Zuwendungen, die bestimmte Bieter erhielten, ausschließlich Einrichtungen zugute kämen, die ihren Sitz in Österreich hätten und in einem Näheverhältnis zu österreichischen Gebietskörperschaften stuenden. Es erscheine denkbar, dass die vollständige oder teilweise Übernahme von Betriebskosten inländischer Einrichtungen, die diese in die Lage versetze, zu Preisen anzubieten, die unter denen der nicht subventionierten Mitbewerber lägen, als verdeckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu beurteilen und daher mit Artikel 59 EG-Vertrag nicht vereinbar sei. Es könne zwar in anderen Mitgliedstaaten Einrichtungen geben, die sich, mit vergleichbaren Zuwendungen ihres Mitgliedstaats versehen, an dem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags beteiligen könnten; die kommerziellen Dienstleistungserbringer aus anderen Mitgliedstaaten müssten aber nicht damit rechnen, dass sie in einem solchen Verfahren auf österreichische Bieter treffen würden, die ihnen gegenüber durch Zuwendungen österreichischer Gebietskörperschaften einen wesentlichen Kostenvorsprung hätten.

34 Auch wenn die Zulassung begünstigter inländischer Einrichtungen keine verdeckte Diskriminierung darstelle, könnte sie gleichwohl als eine den freien Dienstleistungsverkehr zwischen Mitgliedstaaten beschränkende Maßnahme zu beurteilen sein, wenn sich solche Einrichtungen außerhalb ihres im Allgemeininteresse liegenden Gründungszwecks aufgrund der Maßnahmen zur vollständigen oder teilweisen Finanzierung ihrer Kosten um Leistungen zu Bedingungen und Preisen bewerben könnten, zu denen die nicht begünstigten Mitbewerber außerstande seien.

35 Nach Ansicht der ARGE würde es gegen das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verstoßen, wenn begünstigte Bieter an einem Vergabeverfahren teilnehmen könnten.

36 Beihilfen werden, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen festgestellt hat, in aller Regel Unternehmen gewährt, die im Gebiet des Mitgliedstaats ansässig sind, der die Beihilfe gewährt. Diese Praxis und die sich daraus für die Unternehmen anderer Mitgliedstaaten ergebende Ungleichbehandlung ist somit dem Begriff der staatlichen Beihilfe inhärent. Sie stellt jedoch für sich genommen keine versteckte Diskriminierung und keine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Artikel 59 EG-Vertrag dar.

37 Im Übrigen wird im vorliegenden Fall nicht behauptet, dass die Teilnahme an dem betreffenden Verfahren rechtlich oder tatsächlich unter der Bedingung gestanden habe, dass subventionierte Bieter die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats besitzen, dem der öffentliche Auftraggeber angehört habe, oder ihren Sitz in diesem Staat haben.

38 Daher ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Tatsache allein, dass ein öffentlicher Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die keine solche Zuwendungen erhalten, weder eine versteckte Diskriminierung noch eine mit Artikel 59 EG-Vertrag unvereinbare Beschränkung darstellt.

Zur vierten Frage

39 In Anbetracht der Antworten auf die ersten drei Fragen und unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem die vierte Frage gestellt worden ist (siehe Randnr. 21), braucht diese Frage nicht beantwortet zu werden.

40 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-107/98 (Teckal, Slg. 1999, I-8121) eine ähnliche Frage in Bezug auf die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) geprüft und für Recht erkannt hat, dass diese Richtlinie anwendbar ist, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihm unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen, wobei unerheblich ist, ob diese Einrichtung selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Die Auslagen der österreichischen und der französischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Bundesvergabeamt mit Beschluss vom 5. März 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Der in der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge enthaltene Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter ist nicht schon dadurch verletzt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge Einrichtungen zulässt, die entweder von ihm selbst oder von anderen öffentlichen Auftraggebern Zuwendungen gleich welcher Art erhalten, die es ihnen ermöglichen, zu Preisen anzubieten, die erheblich unter denen ihrer Mitbewerber liegen, die keine solche Zuwendungen erhalten.

2. Die Tatsache allein, dass ein öffentlicher Auftraggeber solche Einrichtungen zu einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zulässt, stellt weder eine versteckte Diskriminierung noch eine mit Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) unvereinbare Beschränkung dar.

Ende der Entscheidung

Zurück