Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.1994
Aktenzeichen: C-98/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 857/84


Vorschriften:

EWG-Vertrag Artikel 177
Verordnung Nr. 857/84 Artikels 3a
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts ist möglichst so auszulegen, daß sie mit dem EWG-Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist.

2. Gemäß Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88, eingefügt durch die Verordnung Nr. 1033/89, setzt die Zuteilung der spezifischen Referenzmenge, die nach Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 einem während des Referenzjahrs durch eine Nichtvermarktungsverpflichtung gebundenen Erzeuger gewährt werden kann, voraus, daß dieser nachweisen kann, daß er den Betrieb, den er bewirtschaftete, als ihm die Prämie gewährt wurde, die ihm aufgrund der erwähnten Verpflichtung zustand, noch ganz oder teilweise bewirtschaftet. Durch diese Voraussetzung sollte der allgemeine, auch Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 857/84 zugrunde liegende Grundsatz, daß jede Referenzmenge an die Flächen gebunden bleibt, für die sie zugeteilt worden ist, für die Zuteilung spezifischer Referenzmengen in Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88 verankert werden.

Dieser Grundsatz schließt jedoch die Anwendung der Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 und 7 Absatz 1 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1546/88 nicht aus, nach denen die Mitgliedstaaten als Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz dem Pächter, der die Milcherzeugung nach Ablauf eines nicht verlängerbaren Pachtvertrags fortsetzen will, eine Referenzmenge gutschreiben können, so daß eine Verletzung des schutzwürdigen Vertrauens von Erzeugern, die als Pächter eine Nichtvermarktungsverpflichtung eingegangen sind, nicht gegeben ist.

3. Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 über die Zuteilung von spezifischen Referenzmengen für Erzeuger, die während des Referenzjahrs durch eine Nichtvermarktungsverpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 gebunden waren, ist so auszulegen, daß er der Zuteilung einer derartigen Referenzmenge nicht entgegensteht, nachdem der frühere Erzeuger und ursprüngliche Pächter gemeinsam mit anderen Personen erneut einen Betrieb gepachtet hat, und daß diese Vereinigung oder Gruppe von Personen als Erzeuger im Sinne der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 und damit in bezug auf die spezifischen Referenzmenge als Anspruchsberechtigter anzusehen ist.

4. Die Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 verletzt ungeachtet des Umstands, daß sie den rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe für Milch nicht für Erzeuger vorsieht, die während des Referenzjahrs durch eine Nichtvermarktungsverpflichtung nach der Verordnung Nr. 1078/77 gebunden waren und die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags nicht mehr erfuellen, weder den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag.

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es nämlich nicht, daß die gemeinschaftsrechtliche Regelung Bedingungen aufstellt, wie sie jeder Regelung zur Begrenzung einer landwirtschaftlichen Erzeugung durch die Einführung eines Quotensystems eigen sind, sofern diese Regelung eine Erzeugergruppe nicht gerade wegen ihrer Nichtvermarktungsverpflichtung benachteiligt. Ein Erzeuger durfte nicht darauf vertrauen, seine Erzeugung nach Ablauf des Nichtvermarktungszeitraums wiederaufnehmen zu können, ohne eine Abgabe nach der zuvor mit der Verordnung Nr. 856/84 geschaffenen Regelung entrichten zu müssen, solange ihm keine von dieser Abgabe befreite Referenzmenge zugeteilt worden war. Folglich durfte ein Erzeuger, der zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erzeugung die Voraussetzungen für die Zuteilung einer Referenzmenge letztlich nicht erfuellte, nicht darauf vertrauen, daß ihm die zusätzliche Abgabe rückwirkend erlassen werden würde.

Die unterschiedliche Behandlung der betroffenen Erzeuger, die keinen Anspruch auf rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe haben, ist gerechtfertigt, denn mit der Verordnung Nr. 764/89 soll die Wiederaufnahme der Erzeugung durch Erzeuger, die tatsächlich eine spezifische Referenzmenge beanspruchen können, durch die Beseitigung der in der Vergangenheit durch geschuldete oder bereits gezahlte Abgaben entstandenen Belastung erleichtert werden; diese Zielsetzung erfasst Erzeuger nicht, die von der Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge ausgeschlossen sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 27. JANUAR 1994. - A. A. HERBRINK GEGEN MINISTER VAN LANDBOUW, NATUURBEHEER EN VISSERIJ. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COLLEGE VAN BEROEP VOOR HET BEDRIJFSLEVEN - NIEDERLANDE. - ZUSAETZLICHE ABGABE FUER MILCH - NICHTVERMARKTUNGSVERPFLICHTUNG - ABLAUF DES PACHTVERTRAGS - UEBERTRAGUNG EINES PACHTVERTRAGS AUF EINE VEREINIGUNG ODER EINE GRUPPE VON PERSONEN. - RECHTSSACHE C-98/91.

Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven hat mit Beschlüssen vom 7. März und 26. Juni 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März und 1. Juli 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Gültigkeit von Artikel 3a der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 139, S. 12) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989 (ABl. L 110, S. 27) und nach der Auslegung der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 (ABl. L 84, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen A. A. Herbrink (nachstehend: Kläger), der gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs ist, und dem Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij (nachstehend: Beklagter) über eine spezifische Referenzmenge nach der Abgaberegelung.

3 Der Kläger war Pächter eines landwirtschaftlichen Betriebs in Laag Zuthem. Er ging 1979 eine Nichtvermarktungsverpflichtung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1) ein. Zum Ausgleich für die Gewährung einer Nichtvermarktungsprämie verpflichtete er sich, in der Zeit vom 17. Mai 1979 bis zum 17. Mai 1984 keine Milch oder Milcherzeugnisse aus seinem Betrieb zu liefern.

4 1986 nahm der Kläger die Milcherzeugung in dem gepachteten Betrieb wieder auf und erzeugte Milch bis zum Ablauf des Pachtvertrags im Februar 1987. Eine zuvor beim zuständigen niederländischen Gericht erhobene Klage auf Verlängerung des Pachtvertrags war im Februar 1986 in letzter Instanz vom Gerechtshof Arnheim (Pachtkammer) abgewiesen worden.

5 1988 nahm der Kläger die Milcherzeugung gemeinsam mit seinem Schwiegersohn in einem anderen Betrieb wieder auf, der von einer nicht rechtsfähigen Gesellschaft gepachtet worden war, die der Kläger mit seinem Schwiegersohn im selben Jahr gegründet hatte. Diese Gesellschaft erzeugte im Wirtschaftsjahr 1988/89 Milch.

6 Im Juni 1989 stellte der Kläger bei der zuständigen Stelle einen Antrag auf Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nach Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 des Rates, Artikel 3a der Verordnung Nr. 1546/88 der Kommission und der Beschikking superheffing SLOM-deelnehmers, einer niederländischen Verordnung vom 13. Juni 1989. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Der Widerspruch des Klägers gegen die ablehnende Entscheidung wurde unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger erhob daraufhin Klage beim College van Beroep voor het Bedrijfsleven.

7 Da das College van Beroep voor het Bedrijfsleven der Ansicht ist, daß die zu erlassende Entscheidung von der Auslegung und der Gültigkeit der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Verstösst Artikel 3a der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, eingefügt mit der Verordnung (EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989, in Anbetracht der Begründungserwägungen gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Artikel 3a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates der Europäischen Gemeinschaften, eingefügt mit der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates?

2) Ist Artikel 3a in Verbindung mit Artikel 12 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates dahin auszulegen, daß eine Person oder eine Gruppe von Personen auch dann als Erzeuger, auf den sowohl Artikel 3a Absatz 1 erster und zweiter Gedankenstrich als auch Buchstabe a anwendbar ist, gelten kann, wenn die SLOM-Vereinbarung von einer Person geschlossen wurde, die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zuteilung einer Referenzmenge nach Artikel 3a einen Betrieb zusammen mit einer oder mehreren anderen Personen bewirtschaftete?

3) Falls die Frage 2 bejaht wird, muß dann derjenige, der die SLOM-Vereinbarung geschlossen hat, oder die Gruppe von Personen, die im Zeitpunkt der Stellung des in der Frage 2 genannten Antrags den Betrieb bewirtschaftet, als Anspruchsberechtigter einer Referenzmenge nach Artikel 3a angesehen werden?

4) Falls die Frage 1 oder die Frage 2 verneint wird, ist dann die Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates gültig, soweit sie keinen Erlaß bzw. keine Erstattung der Abgabe vorsieht oder soweit Artikel 3a Absatz 5 dieser Verordnung dem Erlaß bzw. der Erstattung für die Zeit vom Ablauf der SLOM-Vereinbarung bis zu einer Änderung der Situation entgegensteht, derentwegen der betreffende Erzeuger nicht für eine vorläufige spezifische Referenzmenge in Betracht kommt, soweit die in diesem Zeitraum erzeugte Menge Milch die Referenzmenge, die zugewiesen worden wäre, wenn diese Änderung nicht eingetreten wäre, nicht überschreitet?

Zur ersten Frage

8 Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 3a der Verordnung Nr. 1546/88 der Kommission, eingefügt mit der Änderungsverordnung Nr. 1033/89, gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstösst.

9 Ehe über die Frage entschieden wird, ob diese Vorschrift wegen einer Überschreitung der Ermächtigung mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht unvereinbar und ungültig ist, ist jedoch, wie die niederländische Regierung vorgeschlagen hat, zu untersuchen, ob sich diese Vorschrift nicht im vorliegenden Fall im Einklang mit den fraglichen Verordnungen des Rates und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auslegen lässt. Denn nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 25. November 1986 in den verbundenen Rechtssachen 201/85 und 202/85, Klensch, Slg. 1986, 3477, Randnr. 21, und zuletzt vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-314/89, Rauh, Slg. 1991, I-1647, Randnr. 17) ist eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts möglichst so auszulegen, daß sie mit dem EWG-Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und, was Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 anlangt, mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes (Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-81/91, Twijnstra, Slg. 1993, I-2455, Randnr. 24) vereinbar ist.

10 Gemäß Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88, eingefügt mit der Verordnung Nr. 1033/89, ist der Antrag auf Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nach Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 "vom Erzeuger bei der... zuständigen Stelle... zu stellen, sofern er nachweisen kann, daß er den zum Zeitpunkt der Genehmigung seines Prämienantrags... verwalteten Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet."

11 Gemäß Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84, eingefügt mit der Verordnung Nr. 764/89, erhalten Erzeuger, deren Nichtvermarktungs- bzw. Umstellungszeitraum gemäß der Verpflichtung im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 nach dem 31. Dezember 1983 bzw. nach dem 30. September 1983 abläuft, unter bestimmten, u. a. in Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a festgelegten Voraussetzungen vorläufig eine spezifische Referenzmenge. Nach dieser Bestimmung setzt die Zuteilung einer vorläufigen spezifischen Referenzmenge voraus, daß die Erzeuger "nicht... ihren Milchbetrieb vor Ablauf des Nichtvermarktungs- oder Umstellungszeitraums vollständig abgetreten haben".

12 Die Regelung der spezifischen Referenzmengen des Artikels 3a der Verordnung Nr. 857/84 ist aufgrund der Urteile vom 28. April 1988 in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321) und 170/86 (Von Deetzen, Slg. 1988, 2355) mit der Verordnung Nr. 764/89 eingeführt worden, um die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge an Erzeuger zu gewährleisten, die in Erfuellung einer nach der Verordnung Nr. 1078/77 vom 17. Mai 1977 eingegangenen Verpflichtung im Referenzjahr keine Milch geliefert haben; in dieser Regelung ist der allgemeine Grundsatz verankert, daß jede Referenzmenge an die Flächen gebunden bleibt, für die sie zugeteilt worden ist.

13 Hierzu hat der Gerichtshof u. a. in seinen Urteilen vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 15) und vom 19. Mai 1993 (Twijnstra, a. a. O., Randnr. 25) im Hinblick auf die Übertragung des Betriebs durch Abtretung oder durch Rückgewähr bei Ablauf des Pachtvertrags festgestellt, daß die gesamte Referenzmengenregelung durch - den mit Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates und Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11), zwischenzeitlich ersetzt durch Artikel 7 der Verordnung Nr. 1546/88 der Kommission, aufgestellten - Grundsatz gekennzeichnet ist, daß die Referenzmenge mit den Flächen übertragen wird, für die sie zugeteilt worden ist. Dadurch, daß Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung 1546/88, eingefügt durch die Verordnung Nr. 1033/89, die Voraussetzung des Artikels 3a Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 857/84 verschärft, indem er verlangt, daß der Erzeuger den Betrieb noch ganz oder teilweise bewirtschaftet, soll also dieser Grundsatz auch für die spezifischen Referenzmengen verankert werden.

14 Eine Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz ist jedoch in Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates, eingefügt durch die Verordnung (EWG) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 68, S. 1) vorgesehen, zu dem Artikel 7 Absatz 1 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1546/88 die Durchführungsbestimmungen enthält. Nach Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 können die Mitgliedstaaten die nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 857/84 zugeteilte Referenzmenge dem Pächter gutschreiben, der die Milcherzeugung nach Ablauf eines nicht verlängerbaren Pachtvertrags fortsetzen will. Der Kläger befindet sich offensichtlich in einer vergleichbaren Situation.

15 Da ein Pächter, wie sich aus dem Urteil vom 22. Oktober 1991 in der Rechtssache C-44/89 (Von Deetzen II, Slg. 1991, I-5119, Randnr. 21) ergibt, als Erzeuger nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes darauf vertrauen durfte, seine Tätigkeit unter Bedingungen auszuüben, die ihn gegenüber anderen Erzeugern nicht diskriminierten, durfte er auch bei Ablauf seines Nichtvermarktungszeitraums darauf vertrauen, daß ihm bei Beendigung seines Pachtvertrags gleichfalls eine spezifische Referenzmenge zugute kommen würde, sofern der betreffende Mitgliedstaat von der Ermächtigung der Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 und 7 Absatz 1 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1546/88 Gebrauch gemacht hatte.

16 Weder aus den Bestimmungen noch aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1033/89 ergibt sich, daß durch diese Verordnung Personen, die unter Artikel 3a der Verordnung Nr. 1546/88 fallen, vom Geltungsbereich der Regelung des Artikels 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 ausgenommen werden sollten. Im übrigen wäre die Kommission nicht befugt gewesen, die Tragweite einer Verordnung des Rates zu ändern.

17 Die erste Frage ist also dahin zu beantworten, daß die Prüfung von Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 1546/88 nichts ergeben hat, was seine Gültigkeit beeinträchtigen könnte, da diese Bestimmung so auszulegen ist, daß sie dem nicht entgegensteht, daß dem Pächter eines Betriebs, der sich in der in Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 geregelten Situation befindet, auch nach Ablauf seines Pachtvertrags eine ihm gegebenenfalls vom betreffenden Mitgliedstaat unter den Bedingungen des Artikels 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 und des Artikels 7 Absatz 1 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1546/88 gutgeschriebene spezifische Referenzmenge zugeteilt wird.

Zur zweiten und zur dritten Frage

18 Mit diesen beiden zusammen zu prüfenden Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge, nachdem der ursprüngliche Pächter gemeinsam mit anderen Personen erneut einen Betrieb gepachtet hat, die Vereinigung oder die Gruppe von Personen oder aber allein der ursprüngliche Pächter Erzeuger im Sinne der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 ist und damit Anspruch auf die spezifische Referenzmenge hat.

19 Schon nach dem Wortlaut der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 spricht nichts dagegen, daß der ursprüngliche Pächter, der eine spezifische Referenzmenge beanspruchen kann, seine Tätigkeit der Milcherzeugung im Rahmen einer Vereinigung oder einer Gruppe von Personen ausübt, die er gemeinsam mit anderen Personen zur Bewirtschaftung eines gepachteten Betriebs gebildet hat. Jedoch kann eine spezifische Referenzmenge nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil Von Deetzen II, a. a. O., Randnr. 38) nur zugeteilt werden, wenn die Vereinigung oder die Gruppe von Personen nicht ausschließlich zum Zweck der Erzielung des Marktwerts dieser spezifischen Referenzmenge durch den ursprünglichen Pächter gebildet worden ist.

20 Anspruch auf eine spezifische Referenzmenge hat der Erzeuger im Sinne der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84. Mit dem Begriff des Erzeugers, wie er auch in Artikel 3a der Verordnung Nr. 1546/88 verwendet wird, ist ein landwirtschaftlicher Betriebsleiter gemeint, der eine Gesamtheit von Produktionseinheiten zur Milcherzeugung in eigener Verantwortung bewirtschaftet; bei Verpachtung des Betriebs sind diese Voraussetzungen nur in der Person des Pächters, der das Recht zur Nutzung des Betriebs hat, erfuellt (Urteil vom 9. Juli 1992 in der Rechtssache C-236/90, Maier, Slg. 1992, I-4483, Randnr. 11). Wenn der Pachtvertrag unter den oben angeführten Bedingungen von einer Vereinigung oder einer Gruppe von Personen übernommen worden ist, kommt die Erzeugereigenschaft der Gesamtheit der die Vereinigung oder die Gruppe bildenden Personen zu.

21 Auf die zweite und die dritte Frage ist demnach zu antworten, daß Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 so auszulegen ist, daß er der Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nicht entgegensteht, nachdem der frühere Erzeuger und ursprüngliche Pächter gemeinsam mit anderen Personen erneut einen Betrieb gepachtet hat, und daß diese Vereinigung oder Gruppe von Personen als Erzeuger im Sinne der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 und damit in bezug auf die spezifische Referenzmenge als Anspruchsberechtigte anzusehen ist.

Zur vierten Frage

22 Für den Fall, daß der betroffene Erzeuger keine spezifische Referenzmenge erhalten könnte, äussert das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung Nr. 857/84, da diese nicht den rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe für Erzeuger vorsehe, die zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nicht mehr erfuellten.

23 Das vorlegende Gericht führt aus, daß sich im vorliegenden Fall die Lage des Pächters bis zum Ablauf seines Pachtvertrags im Februar 1987 nicht geändert habe. Er habe daher wie jeder andere Erzeuger, der eine Nichtvermarktungsverpflichtung eingegangen sei, darauf vertrauen dürfen, daß er aufgrund dieses Zeitraums ebenso wie die in Artikel 3a Absatz 5 der Verordnung Nr. 857/84 genannten Erzeuger behandelt werden würde.

24 Nach dieser Vorschrift muß der "Erzeuger, der eine solche Menge... erhält,... keine Zusatzabgabe für diejenigen Mengen zahlen, die vor dem sechsten Anwendungszeitraum der Regelung erzeugt wurden", also vor dem Wirtschaftsjahr, das Ende März 1989 endete. Folglich muß ein Betriebsinhaber, der nach Ablauf seines Nichtvermarktungszeitraums Milch erzeugt hat und nicht unter diese Bestimmung fällt, Zusatzabgabe zahlen.

25 Entgegen dem Vorbringen des Klägers verletzt die streitige Regelung den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht.

26 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es nämlich nicht, daß die gemeinschaftsrechtliche Regelung Bedingungen aufstellt, wie sie jeder Regelung zur Begrenzung einer landwirtschaftlichen Erzeugung durch die Einführung eines Quotensystems eigen sind, sofern diese Regelung diese Erzeugergruppe nicht gerade wegen ihrer Nichtvermarktungsverpflichtung benachteiligt. Ein Erzeuger durfte nicht darauf vertrauen, seine Erzeugung nach Ablauf des Nichtvermarktungszeitraums wiederaufnehmen zu können, ohne eine Abgabe nach der zuvor mit der Verordnung (EWG) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 10) geschaffenen Zusatzabgabenregelung für Milch entrichten zu müssen, solange ihm keine von dieser Abgabe befreite Referenzmenge zugeteilt worden war. Folglich durfte ein Erzeuger, der zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erzeugung die Voraussetzungen für die Zuteilung einer Referenzmenge letztlich nicht erfuellte, nicht darauf vertrauen, daß ihm die zusätzliche Abgabe rückwirkend erlassen werden würde.

27 Schließlich verstösst die Regelung entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag, das nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ist (Urteile vom 21. Februar 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-267/88 bis C-285/88, Wuidart u. a., Slg. 1990, I-435, Randnr. 13, und vom 10. Januar 1992, Kühn, Slg. 1992, I-35, Randnr. 18).

28 Gewiß hat der Kläger, im Unterschied zu Erzeugern, die die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge noch zum Zeitpunkt der Stellung ihrer Anträge erfuellen, keinen Anspruch auf rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe. Da sich die beiden Erzeugergruppen nicht in der gleichen Situation befinden, ist eine unterschiedliche Behandlung jedoch gerechtfertigt. Die Verordnung Nr. 764/89, mit der die Regelung der spezifischen Referenzmengen eingeführt wurde, ermöglicht es, wie ihre zweite Begründungserwägung bestätigt, eine spezifische Referenzmenge im Hinblick auf eine Wiederaufnahme der Erzeugung zuzuteilen. Zur Erleichterung dieser Wiederaufnahme soll die in der Vergangenheit durch geschuldete oder bereits gezahlte Abgaben entstandene Belastung beseitigt werden. Diese Zielsetzung erfasst Erzeuger nicht, die die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr erfuellen.

29 Deshalb ist auf die vierte Frage zu antworten, daß die Prüfung der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 ungeachtet des Umstands, daß sie den rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe nicht für Erzeuger vorsieht, die die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags nicht mehr erfuellen, nichts ergeben hat, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Die Auslagen der niederländischen Regierung sowie des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

auf die ihm vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven mit zwei Beschlüssen vom 7. März und vom 26. Juni 1991 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Die Prüfung von Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989 hat nichts ergeben, was seine Gültigkeit beeinträchtigen könnte, da diese Bestimmung so auszulegen ist, daß sie dem nicht entgegensteht, daß dem Pächter eines Betriebs, der sich in der in Artikel 3a Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 geregelten Situation befindet, auch nach dem Ablauf seines Pachtvertrags eine ihm gegebenenfalls vom betreffenden Mitgliedstaat unter den Bedingungen des Artikels 7 Absatz 4 der Verordnung Nr. 857/84 und des Artikels 7 Absatz 1 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1546/88 gutgeschriebene spezifische Referenzmenge zugeteilt wird.

2) Artikel 3a der Verordnung Nr. 857/84 ist so auszulegen, daß er der Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge nicht entgegensteht, nachdem der frühere Erzeuger und ursprüngliche Pächter gemeinsam mit anderen Personen erneut einen Betrieb gepachtet hat, und daß diese Vereinigung oder Gruppe von Personen als Erzeuger im Sinne der Artikel 3a und 12 Buchstabe c der Verordnung Nr. 857/84 und damit in bezug auf die Referenzmenge als Anspruchsberechtigte anzusehen ist.

3) Die Prüfung der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 764/89 hat ungeachtet des Umstands, daß sie den rückwirkenden Erlaß der zusätzlichen Abgabe nicht für Erzeuger vorsieht, die die Voraussetzungen für die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags nicht mehr erfuellen, nichts ergeben, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

Zurück