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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 05.03.1997
Aktenzeichen: T-105/95
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Beschluß 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten, der einen Verhaltenskodex für diesen Bereich enthält, ist eine Handlung, die Dritten Rechte verleihen kann, die die Kommission zu beachten hat. Mit dem Erlaß dieses Beschlusses hat die Kommission nämlich gegenüber den Bürgern, die Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten erhalten wollen, zum Ausdruck gebracht, daß ihre Anträge gemäß den hierfür vorgesehenen Verfahren, Bedingungen und Ausnahmen behandelt werden. Sieht der Kodex insoweit Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu den Dokumenten vor, so müssen diese so ausgelegt werden, daß sie nicht die durch den Beschluß angestrebte Verwirklichung des Zieles der Transparenz vereiteln.

Im einzelnen unterscheidet der Kodex zwischen zwei Gruppen von Ausnahmen; die erste, zwingend formulierte Gruppe sieht die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten vor, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung u. a. des Schutzes des öffentlichen Interesses ergeben könnte, während die zweite, fakultativ formulierte Gruppe die Möglichkeit vorsieht, den Zugang zu verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen von Ausnahmen erklärt sich durch die Art der Interessen, die sie schützen sollen, wobei die erste die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit schützt und sich die zweite auf die internen Beratungen des Organs bezieht, die sich nur auf dessen Interessen auswirken können.

Was die erste Gruppe betrifft, so ist die Kommission verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die nachweislich unter eine der dort aufgeführten Ausnahmen fallen. Bei der zweiten Gruppe steht es im Ermessen der Kommission, gegebenenfalls einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten abzulehnen, die ihre Beratungen betreffen; jedoch muß sie bei der Ausübung dieses Ermessens tatsächlich das Interesse des Bürgers am Zugang zu diesen Dokumenten gegen ihr etwaiges Interesse an der Geheimhaltung ihrer Beratungen abwägen.

Die Dokumente, die sich auf die Untersuchung eines etwaigen Verstosses eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht beziehen, erfuellen die Voraussetzungen dafür, daß sich die Kommission auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses berufen kann. Insoweit ist die Kommission verpflichtet, wenigstens für jede Gruppe von Dokumenten die Gründe anzugeben, aus denen sie der Auffassung ist, daß die betreffenden Dokumente mit der etwaigen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zusammenhängen; dabei hat sie darzulegen, worauf sie sich beziehen, und insbesondere auch, ob sie Inspektionstätigkeiten betreffen, die die Feststellung eines Verstosses mit sich bringt. Diese Verpflichtung bedeutet jedoch nicht, daß die Kommission unter allen Umständen gehalten wäre, für jedes Dokument die "zwingenden Gründe" anzugeben, die die Anwendung dieser Ausnahme rechtfertigen, da sonst deren Hauptfunktion gefährdet wäre, wie sie sich schon aus dem Wesen des zu schützenden öffentlichen Interesses und aus dem zwingenden Charakter der Ausnahme ergibt.

Um den Anforderungen des Artikels 190 des Vertrages an die Begründung zu genügen, muß eine Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs dem Antragsteller und folglich auch dem Gericht gestatten, für jede Gruppe von Ausnahmen zu prüfen, ob die Kommission die vorerwähnten Verpflichtungen eingehalten hat.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 5. März 1997. - WWF UK (World Wide Fund for Nature) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Transparenz - Zugang zu Informationen - Beschluß 94/90 der Kommission über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten - Entscheidung, mit der der Zugang zu Dokumenten mit der Begründung verweigert wird, daß sie die Prüfung einer etwaigen Pflichtverletzung eines Mitgliedstaats durch die Kommission beträfen - Ausnahmen zum Schutz des öffentlichen Interesses und des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen - Umfang der Begründungspflicht. - Rechtssache T-105/95.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 In die Schlussakte des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union wurde von den Mitgliedstaaten folgende Erklärung (Nr. 17) zum Recht auf Zugang zu Informationen aufgenommen:

"Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen."

2 Zum Abschluß der Tagung des Europäischen Rates von Birmingham am 16. Oktober 1992 gaben die Staats- und Regierungschefs eine Erklärung mit dem Titel "Eine bürgernahe Gemeinschaft" ab (Bull. EG 10-1992, S. 9), in der sie die Notwendigkeit hervorhoben, die Gemeinschaft transparenter zu gestalten. Diese Verpflichtung wurde auf der Tagung des Europäischen Rates von Edinburgh am 12. Dezember 1992 bekräftigt, auf der die Kommission erneut ersucht wurde, ihre Arbeiten zur Verbesserung des Zugangs zu den den Gemeinschaftsorganen vorliegenden Informationen fortzuführen (Bull. EG 12-1992, S. 7).

3 Auf die Erklärung von Maastricht hin führte die Kommission eine vergleichende Untersuchung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen in den Mitgliedstaaten und bestimmten Drittländern durch und veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Recherchen in der Mitteilung 93/C 156/05, die sie am 5. Mai 1993 dem Rat, dem Parlament und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß im Hinblick auf den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Gemeinschaftsorgane vorlegte (ABl. C 156, S. 5). In dieser Mitteilung kam sie zu dem Ergebnis, daß der Zugang zu den Dokumenten auf Gemeinschaftsebene noch erweitert werden müsse.

4 Im Anschluß an die oben erwähnten Maßnahmen verfassten und billigten die Kommission und der Rat einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (im folgenden: Verhaltenskodex) und verpflichteten sich, vor dem 1. Januar 1994 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der im Verhaltenskodex aufgestellten Grundsätze zu treffen.

5 Um die Erfuellung dieser Verpflichtung zu gewährleisten, erließ die Kommission am 8. Februar 1994 auf der Grundlage von Artikel 162 EG-Vertrag den Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58). Durch Artikel 1 dieses Beschlusses wurde der in seinem Anhang wiedergegebene Verhaltenskodex förmlich angenommen.

6 In dem von der Kommission angenommenen Verhaltenskodex wird folgender allgemeiner Grundsatz aufgestellt:

"Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates."

7 Der Ausdruck "Dokument" bezeichnet nach dem Verhaltenskodex "unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz der Kommission oder des Rates befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen".

8 Nach einer kurzen Darstellung der Grundsätze für die Einreichung und Bearbeitung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten wird in dem Verhaltenskodex das Verfahren, das bei der beabsichtigten Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten einzuhalten ist, wie folgt beschrieben:

"Beabsichtigen die zuständigen Dienststellen des betreffenden Organs, diesem die Ablehnung des Antrags vorzuschlagen, so setzen sie den Antragsteller davon in Kenntnis und weisen ihn darauf hin, daß er das Organ binnen eines Monats durch Einreichung eines Zweitantrags um Überprüfung dieses Standpunkts ersuchen kann und daß anderenfalls davon ausgegangen wird, daß er seinen Erstantrag zurückgezogen hat.

Beschließt das betreffende Organ, den Zugang zu einem Dokument nach einem Zweitantrag zu verweigern, so ist dieser Beschluß, der binnen eines Monats nach Einreichung des Zweitantrags ergehen muß, dem Antragsteller so bald wie möglich schriftlich mitzuteilen; er ist ordnungsgemäß zu begründen und muß eine Angabe der möglichen Rechtsmittel enthalten: Klageerhebung bzw. Beschwerde beim Bürgerbeauftragten gemäß Artikel 173 bzw. 138e des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft."

9 In dem Verhaltenskodex werden die Umstände aufgezählt, auf die sich ein Gemeinschaftsorgan zur Rechtfertigung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten berufen kann. Danach gilt folgendes:

"Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf

- den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);

- den Schutz des einzelnen und der Privatsphäre; - den Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses;

- den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft;

- die Wahrung der Vertraulichkeit, wenn dies von der natürlichen oder juristischen Person, die die Information zur Verfügung gestellt hat, beantragt wurde oder aufgrund der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der die Information bereitgestellt hat, erforderlich ist.

Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten."

Sachverhalt

10 Im Jahr 1991 gaben die irischen Behörden ihre Absicht bekannt, ein Informations- und Orientierungszentrum in Mullaghmore im Burren National Park im Westen von Irland zu errichten. Hierfür beantragten sie die Zuweisung von Mitteln aus den Strukturfonds der Gemeinschaft. Der Kläger, der WWF UK (World Wide Fund for Nature), erhob bei der Kommission Beschwerde gegen dieses Projekt, weil es gegen die Gemeinschaftsvorschriften über den Umweltschutz verstosse und eine Fehlleitung von Mitteln der Strukturfonds darstelle.

11 In der Folge leitete die Kommission eine Untersuchung dieses Projekts ein, und zwar insbesondere wegen der angeblichen Verletzung der Umweltschutzvorschriften und wegen der Frage, ob unter diesen Umständen Mittel aus Strukturfonds bereitgestellt werden könnten. Am 7. Oktober 1992 teilte die Kommission mit, daß das Projekt ihrer Auffassung nach nicht gegen die Gemeinschaftsvorschriften über den Umweltschutz verstosse und daß sie daher nicht die Absicht habe, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland einzuleiten. Mit Schreiben vom selben Tag unterrichtete Bruce Millan, das für Fragen der Regionalpolitik zuständige Kommissionsmitglied, die irischen Behörden über diese Entscheidung und fügte hinzu, daß einer Finanzierung des Projekts durch Strukturfonds keine Hindernisse entgegenstuenden.

12 Gegen diese Entscheidung der Kommission vom 7. Oktober 1992 erhoben der Kläger und An Taisce - The National Trust for Ireland, eine nichtstaatliche irische Organisation, beim Gericht Nichtigkeitsklage. Mit Urteil vom 23. September 1994 in der Rechtssache T-461/93 (An Taisce und WWF UK/Kommission, Slg. 1994, II-733) wies das Gericht die Klage als unzulässig ab. Gegen das Urteil des Gerichts wurde ein Rechtsmittel eingelegt, das durch Beschluß des Gerichtshofes vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-325/94 P (An Taisce und WWF UK/Kommission, Slg. 1996, I-3727) zurückgewiesen wurde.

13 Mit zwei getrennten, aber gleichlautenden Schreiben vom 4. November 1994 an die Generaldirektoren der Generaldirektionen für Umwelt, nukleare Sicherheit und Katastrophenschutz (GD XI) und Regionalpolitik (GD XVI) der Kommission beantragte der Anwalt des Klägers auf der Grundlage des Beschlusses 94/90 Zugang zu allen Dokumenten der Kommission, die die Prüfung des Projekts Mullaghmore und insbesondere die Prüfung der Frage betrafen, ob für dieses Projekt Mittel aus Strukturfonds verwendet werden könnten. In diesen Anträgen hieß es:

"On 21 June 1991 WWF UK lodged a complaint with the Commission against the project of the Irish Department of Finance concerning the construction of an interpretative centre for visitors at Mullaghmore (Ireland). An Taisce subsequently joined this complaint. My clients objected against the project and, in particular, that Community structural funds may be used by Ireland for the project. They argüd that the project would violate EC environmental law.

In the following, several letters were exchanged between the Commission's services and my clients. They concerned the questions (1) whether the Commission would initiate proceedings under Art. 169 of the Treaty against Ireland with regard to the project, and (2) whether the Commission would allow structural funds to be used for the project. On 7 October 1992 the Commission ißüd a preß release stating that it had decided not to initiate infringement proceedings against Ireland. On the same day, Commissioner Bruce Millan (responsible for regional policies) wrote to Mr Nöl Treacy (Irish Minister of State, Department of Finance) a letter stating that following the decision not to initiate infringement proceedings there would now be no obstacle of structural funds assistance for the project.

On behalf of my clients I respectfully request acceß to all Commission documents relating to the examination of the Mullaghmore project, and in particular to the examination whether structural funds may be used for the project. Preferably, we should like to receive copies of the relevant documents."

["Am 21. Juni 1991 hat WWF UK bei der Kommission eine Beschwerde gegen das Projekt des irischen Finanzministeriums zum Bau eines Informations- und Orientierungszentrums für Besucher des Naturschutzgebiets Mullaghmore (Irland) erhoben. Später hat sich An Taisce dieser Beschwerde angeschlossen. Meine Mandanten haben sich gegen dieses Projekt und insbesondere dagegen gewandt, daß Irland Mittel aus Strukturfonds der Gemeinschaft dafür verwenden darf. Sie haben vorgetragen, daß das Projekt gegen die Gemeinschaftsvorschriften über den Umweltschutz verstosse.

In der Folgezeit ist es zu einem Briefwechsel zwischen den Dienststellen der Kommission und meinen Mandanten gekommen. Diese Schreiben betrafen zum einen die Frage, ob die Kommission wegen des Projekts ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages gegen Irland einleiten würde; zum anderen ging es um die Frage, ob die Kommission die Verwendung von Mitteln aus Strukturfonds für das Projekt gestatten würde. Am 7. Oktober 1992 gab die Kommission in einer Pressemitteilung bekannt, daß sie beschlossen habe, kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland zu eröffnen. Mit Schreiben vom selben Tag teilte das für die Regionalpolitik zuständige Kommissionsmitglied Bruce Millan Herrn Nöl Treacy (Staatssekretär im irischen Finanzministerium) mit, daß nach der Entscheidung, kein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, der Finanzierung des Projekts durch Strukturfonds keine Hindernisse mehr entgegenstuenden.

Im Namen meiner Mandanten bitte ich um Zugang zu allen Dokumenten der Kommission, die die Prüfung des Projekts von Mullaghmore und insbesondere die Prüfung der Frage betreffen, ob Mittel aus Strukturfonds für das Projekt verwendet werden können. Wir würden es vorziehen, wenn dieser Zugang durch Übersendung von Kopien der einschlägigen Dokumente gewährt würde."]

14 Mit Schreiben vom 17. und 24. November 1994 unterrichteten Herr Krämer, Beamter in der GD XI, und Herr Landaburu, der Generaldirektor der GD XVI, den Anwalt des Klägers über die Ablehnung dieses Antrags.

15 In dem Schreiben der GD XI vom 17. November 1994 wurde die Ablehnung wie folgt gerechtfertigt:

"I regret to inform you that the documents you have requested fall under the exceptions to acceß provided for under the acceß policy. Consequently, I do not intend to make the documents available.

The exceptions serve to protect public and private interests, and to ensure that the Commission's internal deliberations remain confidential. I attach a list of them for your information, and can inform you that the relevant exemptions in the case of the documents you have requested are the protection of the public interest (in particular, inspections and investigations) and the protection of the Commission's interest in the confidentiality of its own proceedings. The documents you have requested relate to the investigation of complaints, as well as to the Commission's internal deliberations."

["Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, daß die Dokumente, auf die sich Ihr Antrag bezieht, unter die Ausnahmen fallen, die in den Grundsätzen für den Zugang zu Dokumenten vorgesehen sind. Daher habe ich nicht die Absicht, den Zugang zu den Dokumenten zu ermöglichen.

Die Ausnahmen dienen dem Schutz öffentlicher und privater Interessen und sollen gewährleisten, daß die internen Beratungen der Kommission vertraulich bleiben. Ich habe eine Liste dieser Ausnahmen zu Ihrer Unterrichtung beigefügt und kann Ihnen mitteilen, daß im Fall der Dokumente, auf die sich Ihr Antrag bezieht, die Ausnahmen hinsichtlich des Schutzes des öffentlichen Interesses (insbesondere von Inspektionstätigkeiten) und hinsichtlich des Schutzes des Interesses der Kommission an der Geheimhaltung ihrer Beratungen einschlägig sind. Die Dokumente, die Sie einsehen möchten, betreffen die Untersuchung von Beschwerden sowie interne Beratungen der Kommission."]

16 In dem Schreiben der GD XVI vom 24. November 1994 wurde die Ablehnung des Antrags wie folgt gerechtfertigt:

"I regret to inform you that the additional documents you have requested fall under the exemptions to acceß provided for under the acceß policy. Consequently, I do not intend to make the documents available.

The exemptions serve in particular to ensure that the Commission's internal deliberations remain confidential. Such documents would include all internal notes, exchange of letters between services including the Legal Service, and all other information whose disclosure would infringe the confidentiality of the Commission's deliberations."

["Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, daß die zusätzlichen Dokumente, auf die sich Ihr Antrag bezieht, unter die Ausnahmen fallen, die in den Grundsätzen für den Zugang zu Dokumenten vorgesehen sind. Daher habe ich nicht die Absicht, den Zugang zu den Dokumenten zu ermöglichen.

Die Ausnahmen sollen insbesondere gewährleisten, daß die internen Beratungen der Kommission vertraulich bleiben. Solche Dokumente würden alle internen Vermerke, den Schriftwechsel zwischen den Dienststellen einschließlich des Juristischen Dienstes und alle sonstigen Informationen umfassen, deren Weitergabe die Vertraulichkeit der Beratungen der Kommission verletzen würde."]

17 Da der Anwalt des Klägers den erwähnten Standpunkten der Kommission nicht beipflichten konnte, reichte er mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 gemäß dem im Verhaltenskodex vorgesehenen Verfahren beim Generalsekretär der Kommission Zweitanträge ein.

18 Mit gesondertem Schreiben vom selben Tag an den Generalsekretär der Kommission wandte sich der Anwalt des Klägers unter Berufung auf den von ihm am 4. November 1994 bei der GD XI gestellten Antrag und auf die Antwort der GD XI vom 17. November 1994 gegen die Weigerung dieser Generaldirektion, ihm Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten zu gewähren. Er führte folgendes aus:

"Mr Krämer argüd that the documents would fall under the exemptions to acceß provided for under the Commission's acceß policy. He cited as relevant exemption the confidentiality of the Commission's internal deliberation procedure, and the protection of public interest (in particular, inspections and investigations).

On behalf of my clients I write to confirm my application for acceß to the above mentioned documents and formally to request that you review your intention to refuse acceß.

The right of public acceß to Commission documents has been granted in order to provide for transparency in the Commission's decision making proceß. In addition, the proceß is intended to strengthen the confidence of the public in the administration (cf. the preamble of the Code of Conduct concerning public acceß to Commission and Council documents; OJ 1994 No L 46/60). These objectives can only be achieved if acceß is granted to the greatest extent possible. Thus, the Commission should only refuse acceß to its documents if this is absolutely indispensable. Consequently, the exemptions to acceß to Commission documents must be interpreted narrowly.

Moreover, the Code of Conduct merely provides that the Commission may refuse acceß in order to protect the institution's interest in the confidentiality of its proceedings. Thus, this exemption is not mandatory. The Commission can only invoke this exemption if the particular circumstances of a case make it necessary to keep the internal deliberation procedure confidential. No such circumstances were mentioned by the Director General. Indeed, it is clear from the list of circumstances in which the exemption policy may be applied that none are relevant to this case.

Finally, the present application constitutes a request for acceß to documents relating to proceedings which have been closed since October 1992. In such case the ability of the Commission to think in private is no longer at stake. This is also mentioned in the internal guidelines of the Commission [COM Doc. SEC(94) 321 of 16 February 1994]. Therefore, the Commission can, in our view, not rely on the exemption of the protection of public interest.

In any event, the exemptions could only justify to refuse acceß to some of the documents for which acceß has been requested."

["Herr Krämer hat gemeint, daß die Dokumente unter die Ausnahmen fielen, die in den Grundsätzen der Kommission für den Zugang zu Dokumenten vorgesehen sind. Er hat angegeben, daß hier die Ausnahmen hinsichtlich der Vertraulichkeit des internen Beratungsverfahrens der Kommission und hinsichtlich des Schutzes des öffentlichen Interesses (insbesondere von Inspektionstätigkeiten) einschlägig seien.

Im Namen meiner Mandanten richte ich dieses Schreiben an Sie, um meinen Antrag auf Zugang zu den oben erwähnten Dokumenten zu erneuern und um förmlich zu beantragen, daß Sie Ihre Absicht, den Zugang zu diesen Dokumenten zu verweigern, revidieren.

Das Recht auf öffentlichen Zugang zu Dokumenten der Kommission ist gewährt worden, um für Transparenz im Beschlußverfahren der Kommission zu sorgen. Ausserdem soll dadurch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung gestärkt werden (vgl. die Präambel des Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions- und Ratsdokumenten; ABl. 1994, L 46, S. 60). Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn der Zugang im grösstmöglichen Umfang gewährt wird. Daher sollte die Kommission den Zugang zu ihren Dokumenten nur verweigern, wenn dies absolut unerläßlich ist. Folglich müssen die Ausnahmen vom Zugang zu Kommissionsdokumenten eng ausgelegt werden.

Ausserdem sieht der Verhaltenskodex nur vor, daß die Kommission den Zugang verweigern kann, um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten. Diese Ausnahme ist also nicht zwingend. Die Kommission kann sich auf diese Ausnahme nur berufen, wenn die besonderen Umstände eines Falles die Wahrung der Vertraulichkeit des internen Beratungsverfahrens erfordern. Derartige Umstände sind vom Generaldirektor nicht angeführt worden. Tatsächlich geht aus der Aufzählung der Fälle, in denen die Ausnahmeregelung angewandt werden darf, eindeutig hervor, daß im vorliegenden Fall keine dieser Ausnahmen einschlägig ist.

Schließlich stellt der vorliegende Antrag einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten dar, die sich auf ein Verfahren beziehen, das seit Oktober 1992 abgeschlossen ist. In einem solchen Fall geht es nicht mehr darum, daß die Kommission ihre Erwägungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit anstellen kann. Dies wird auch in den innerdienstlichen Richtlinien der Kommission (COM Doc. SEC[94] 321 vom 16. Februar 1994) erwähnt. Daher kann sich die Kommission unserer Auffassung nach nicht auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses berufen.

Jedenfalls könnten die Ausnahmen die Verweigerung des Zugangs nur in bezug auf einige der Dokumente rechtfertigen, für die der Zugang beantragt worden ist."]

19 Am selben Tag, dem 19. Dezember 1994, sandte der Kläger dem Generalsekretär ein Schreiben wegen des Antrags, den er bei der GD XVI eingereicht hatte. Dieses Schreiben war mit Ausnahme des ersten Absatzes genauso formuliert wie das oben in Randnummer 18 erwähnte Schreiben. Der erste Absatz lautete folgendermassen:

"The Director General argüd that the documents would fall under the exemptions to acceß provided for under the Commission's acceß policy. He cited as relevant exemption the confidentiality of the Commission's internal deliberation procedure."

["Der Generaldirektor hat gemeint, daß die Dokumente unter die Ausnahmen fielen, die in den Grundsätzen der Kommission für den Zugang zu Dokumenten vorgesehen sind. Er hat angegeben, daß hier die Ausnahme hinsichtlich der Vertraulichkeit des internen Beratungsverfahrens der Kommission einschlägig sei."]

20 Mit einem einzigen Schreiben vom 2. Februar 1995 antwortete der Generalsekretär der Kommission auf die erwähnten Schreiben des Anwalts des Klägers. In diesem Schreiben bestätigte er die Ablehnung der an die Generaldirektionen XI und XVI gerichteten Anträge und das Vorbringen der Kommission wie folgt:

"Thank you for your letters of 19 December 1994 in which you seek a review of the intention of Mr Krämer (DG XI) and Mr Landaburu (DG XVI) to refuse acceß to the Commission documents relating to the examination of the Mullaghmore project, and in particular to the examination of whether structural funds may be used for the project.

In your letters you argü that in the interests of promoting transparency in the Commission's decision making proceß and strengthening the confidence of the public in the administration, the Commission should only refuse acceß to its documents if this is absolutely indispensable, and that the exemptions to acceß to Commission documents must be interpreted narrowly.

That is actually the way the Commission applies its policy of transparency: each request is treated individually and thoroughly examined on a case-by-case basis. The fundamental principle guiding the consideration of each request is that the public will have the widest possible acceß to documents held by the Commission, albeit with certain exemptions to protect public and private interests which could be damaged if acceß to certain documents were permitted, and to ensure that the Commission can deliberate in confidence.

These exceptions were expreßly envisaged by the Code of Conduct concerning public acceß to Commission and Council documents, adopted on 8 February 1994.

Having examined your request, I have to confirm the position of Mr Landaburu and Mr Krämer, for the reason that the disclosure of these documents could affect the protection of the Commission interest in the confidentiality of its proceedings, and the protection of the public interest, in particular the proper progreß of the infringement proceeding.

Indeed, it is essential for the Commission to be able to investigate matters with which it is concerned as guardian of the Treaties, whilst respecting the confidential nature of such proceedings. It is clear that it is indispensable for the Commission to ensure that a climate of mutual confidence is maintained, which would risk being severely disrupted by publicity. Such publicity is not easily reconciled with the search for a settlement to a dispute at a preliminary stage.

The disclosure, particularly of letters exchanged between the Commission and the Member State concerned, could prejudice the treatment of infringements of Community law.

Actually, in the case of the Interpretative Centre in Ireland, the Commission has made available to the public - in a preß release - its reasons for not issuing infringement proceedings against Ireland on environmental grounds.

Finally, I should like to draw your attention to the means of redreß that are available, i.e., judicial proceedings and complaints to the Ombudsman under the conditions specified respectively in Articles 173 and 138e of the Treaty establishing the European Community."

["Ich danke Ihnen für Ihre Schreiben vom 19. Dezember 1994, mit denen Sie beantragen, daß Herr Krämer (GD XI) und Herr Landaburu (GD XVI) ihre Absicht revidieren, den Zugang zu Kommissionsdokumenten zu verweigern, die sich auf die Prüfung des Projekts von Mullaghmore und insbesondere auf die Prüfung der Frage beziehen, ob für das Projekt Mittel aus Strukturfonds verwendet werden können.

In Ihren Schreiben führen Sie aus, daß die Kommission zur Förderung der Transparenz ihres Beschlußverfahrens und zur Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung den Zugang zu ihren Dokumenten nur dann verweigern sollte, wenn dies absolut unerläßlich sei, und daß die Ausnahmen vom Zugang zu Kommissionsdokumenten eng auszulegen seien.

Tatsächlich führt die Kommission ihre Politik der Transparenz in dieser Weise durch: Jeder Antrag wird individuell behandelt und gründlich nach Lage des Einzelfalls geprüft. Das Grundprinzip für die Beurteilung jedes Antrags besteht darin, daß die Öffentlichkeit möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission erhält, auch wenn gewisse Ausnahmen vorgesehen sind, die zum einen dem Schutz öffentlicher und privater Interessen dienen, die beeinträchtigt werden könnten, wenn der Zugang zu bestimmten Dokumenten gestattet würde, und die zum anderen gewährleisten sollen, daß vertrauliche Beratungen der Kommission stattfinden können.

Diese Ausnahmen sind in dem am 8. Februar 1994 angenommenen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions- und Ratsdokumenten ausdrücklich vorgesehen.

Nach Prüfung Ihres Antrags muß ich den Standpunkt von Herrn Landaburu und Herrn Krämer bestätigen, weil die Verbreitung dieser Dokumente den Schutz des Interesses der Kommission an der Geheimhaltung ihrer Beratungen und den Schutz des öffentlichen Interesses, insbesondere den ordnungsgemässen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens, beeinträchtigen könnte.

Für die Kommission ist es nämlich wesentlich, daß sie Angelegenheiten, mit denen sie als Hüterin der Verträge befasst ist, unter Wahrung des vertraulichen Charakters solcher Verfahren untersuchen kann. Es liegt auf der Hand, daß es für die Kommission unerläßlich ist, für die Aufrechterhaltung einer Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens zu sorgen, die durch eine Bekanntgabe an die Öffentlichkeit ernsthaft gestört werden könnte. Eine solche Bekanntgabe ließe sich mit dem Streben nach einer einvernehmlichen Regelung eines Streitfalls im Vorstadium nur schwer in Einklang bringen.

Insbesondere könnte die Verbreitung von Schreiben, die die Kommission und der betreffende Mitgliedstaat ausgetauscht haben, nachteilige Folgen für die Prüfung von Verstössen gegen das Gemeinschaftsrecht haben.

Tatsächlich hat die Kommission im Fall des Informations- und Orientierungszentrums in Irland der Öffentlichkeit - in einer Pressemitteilung - die Gründe bekanntgegeben, aus denen sie gegen Irland kein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstosses gegen Umweltschutzvorschriften eingeleitet hat.

Abschließend möchte ich Sie auf die möglichen Rechtsmittel hinweisen, nämlich Klageerhebung und Beschwerde beim Bürgerbeauftragten gemäß den Artikeln 173 und 138e des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft."]

21 Dieses Schreiben des Generalsekretärs der Kommission vom 2. Februar 1995 enthält die mit der vorliegenden Klage angefochtene Entscheidung (im folgenden: streitige Entscheidung).

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

22 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 18. April 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Nach Eingang der Klagebeantwortung hat der Kläger dem Gericht mit am 10. August 1995 eingegangenem Schreiben mitgeteilt, daß er auf die Abgabe einer Erwiderung verzichte.

23 Durch Beschluß vom 16. November 1995 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen; die Französische Republik, Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sind durch diesen Beschluß als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen worden. In der Folgezeit hat Irland seinen Streithilfeantrag zurückgenommen.

24 Das schriftliche Verfahren ist am 31. Mai 1996 abgeschlossen worden. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat der Kommission jedoch eine schriftliche Frage gestellt, die am 18. Juli 1996 beantwortet worden ist.

25 In der Sitzung vom 18. September 1996 haben die Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Französischen Republik mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

26 Der Kläger, unterstützt vom Königreich Schweden, beantragt,

- die Entscheidung der Kommission, die in ihrem Schreiben vom 2. Februar 1995 enthalten ist, für nichtig zu erklären und

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

27 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen und

- dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28 Die Französische Republik und das Vereinigte Königreich beantragen als Streithelfer,

- die Klage als unbegründet abzuweisen.

Begründetheit

29 Der Kläger stützt seine Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten wird eine Verletzung des Verhaltenskodex und des Beschlusses 94/90 geltend gemacht. Der zweite wird aus einem Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages hergeleitet.

30 Da die Argumente, die im Rahmen dieser beiden Klagegründe geltend gemacht werden, voneinander abhängen, sind diese Klagegründe nach Auffassung des Gerichts gemeinsam zu prüfen.

Erster und zweiter Klagegrund: Verletzung des Beschlusses 94/90, des Verhaltenskodex und des Artikels 190 des Vertrages

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

- Zur Verletzung des Beschlusses 94/90 und des Verhaltenskodex

31 Der Kläger trägt vor, die Kommission habe gegen den Beschluß 94/90 verstossen, indem sie sich fälschlich auf die Ausnahmen vom Grundsatz des Zugangs zu den Dokumenten berufen habe, die in dem gemäß Artikel 1 dieses Beschlusses angenommenen Verhaltenskodex vorgesehen seien. Der Kläger legt erstens seine Auffassung zur Rechtsnatur des Verhaltenskodex und zur Auslegung seiner Bestimmungen dar.

32 So macht er zunächst geltend, daß der Beschluß 94/90 und der Verhaltenskodex für die Kommission verbindlich seien und der Öffentlichkeit in der Gemeinschaft das Recht gewähren sollten, "möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission" zu erhalten.

33 Der Kläger wird insoweit von der schwedischen Regierung unterstützt, nach deren Auffassung der Beschluß 94/90 und der Verhaltenskodex insgesamt einen zwingenden Rechtsakt darstellen, der den Bürgern Rechte verleihe und der Kommission Verpflichtungen auferlege.

34 Die Kommission trägt vor, der Beschluß 94/90 und der Verhaltenskodex hätten nicht die ihnen vom Kläger zugeschriebene Rechtsnatur. Diese Dokumente stellten nämlich nur die praktische Durchführung der politischen Leitlinien dar, die in den erwähnten Erklärungen der Mitgliedstaaten und des Europäischen Rates (siehe oben, Randnrn. 1 bis 3) enthalten seien. Bei zutreffender Auslegung gewährten der Beschluß 94/90 und der Verhaltenskodex den Bürgern kein absolutes Recht oder Grundrecht auf Zugang zu Dokumenten, sondern nur das Recht, daß ihre Anträge auf Zugang zu den Dokumenten gemäß den dort festgelegten Grundsätzen und Verfahren behandelt würden.

35 Der Kläger führt weiter aus, daß die im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen zumal angesichts der Bedeutung des in Rede stehenden allgemeinen Grundsatzes eng auszulegen seien und daß man die Auslegung im Lichte dieses allgemeinen Grundsatzes vornehmen müsse, um nicht das spezifische Ziel des Verhaltenskodex zu gefährden, das darin bestehe, der Öffentlichkeit "möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten" zu gewähren. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger auf die Grundsätze, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Freizuegigkeit und Niederlassungsfreiheit (Urteile vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68, Salgoil, Slg. 1968, 680, vom 21. Juni 1974 in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, und vom 27. Oktober 1977 in der Rechtssache 30/77, Bouchereau, Slg. 1977, 1999) und in seiner Rechtsprechung zum freien Warenverkehr (Urteile vom 25. Januar 1977 in der Rechtssache 46/76, Bauhuis, Slg. 1977, 5, und vom 17. Juni 1981 in der Rechtssache 113/80, Kommission/Irland, Slg. 1981, 1625) aufgestellt habe.

36 Ausserdem trägt der Kläger vor, daß sich die Kommission angesichts der Bedeutung des mit dem Verhaltenskodex verfolgten Zieles und angesichts seiner Entstehungsgeschichte nicht allgemein auf die Ausnahmen berufen könne, sondern für jeden Einzelfall die "zwingenden Gründe" dartun müsse, aus denen die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung erfuellt seien. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf den Beschluß des Gerichtshofes vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache C-2/88 Imm. (Zwartveld u. a., Slg. 1990, I-4405, Randnrn. 11 und 12).

37 Die Kommission hält dem entgegen, daß der Kläger die rechtliche Bedeutung des Verhaltenskodex und das Wesen der in ihm enthaltenen Ausnahmen verkannt habe; diese Ausnahmen stellten nur die Grenzen oder Parameter der Verpflichtung dar, die sich die Kommission selbst auferlegt habe. Der Verhaltenskodex habe nicht die gleiche Bedeutung wie die Grundregeln des Vertrages, weil er lediglich zur Durchführung allgemeiner politischer Leitlinien bestimmt sei. Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung sei deshalb nicht einschlägig.

38 Die Kommission fügt noch hinzu, daß man danach unterscheiden müsse, ob die im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen zwingend oder fakultativ seien. Berufe sich die Kommission auf eine "zwingende Ausnahme", so dürfe sie nicht eine Abwägung ihrer Interessen gegen die Interessen desjenigen vornehmen, der Zugang zu Dokumenten beantrage. Denn in diesem Fall sei die Interessenabwägung angesichts der Art der in Rede stehenden Interessen bereits zum Zeitpunkt der Annahme des Verhaltenskodex durch die Festschreibung "zwingender Ausnahmen" vorgenommen worden. Berufe sich die Kommission dagegen auf eine "fakultative Ausnahme", so finde die Interessenabwägung zu diesem Zeitpunkt statt.

39 Zweitens beanstandet der Kläger, daß sich die Kommission in der streitigen Entscheidung auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses und auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen berufen hat.

40 So trägt der Kläger zum einen vor, daß die Kommission die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses zu weit ausgelegt habe, indem sie ihm den Zugang zu allen Dokumenten verweigert habe, die Vertragsverletzungsverfahren beträfen, ohne den Inhalt dieser Dokumente, die besonderen Umstände der verschiedenen Untersuchungen und den seit dem Abschluß der Untersuchungen verstrichenen Zeitraum zu berücksichtigen. Durch eine solche Auslegung würden die beiden Hauptziele ernsthaft gefährdet, die mit der Politik der Gemeinschaft bezueglich des Zugangs zu Dokumenten verfolgt würden, nämlich die Verbesserung der Transparenz des Beschlußverfahrens und die Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Gemeinschaftsverwaltung. Es gebe nämlich keine Gründe, die es rechtfertigen könnten, daß Vertragsverletzungsverfahren generell unter Bedingungen absoluter Vertraulichkeit durchgeführt würden. Ausserdem könne die Kommission den Zugang zu Dokumenten, die Vertragsverletzungsverfahren beträfen, nicht verweigern, ohne jeweils im Einzelfall die zwingenden Gründe anzugeben, aus denen die Übermittlung der Dokumente den Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigen könne.

41 Zum anderen vertritt der Kläger die Auffassung, daß die im Verhaltenskodex aufgestellten Voraussetzungen nicht erfuellt seien, soweit in der streitigen Entscheidung die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Gemeinschaftsorgans an der Geheimhaltung seiner Beratungen angewandt werde. So habe sich die Kommission auf die Behauptung beschränkt, daß die in Rede stehenden Dokumente ihre internen Beratungen beträfen, ohne ihre eigenen Interessen gegen das Recht des Klägers auf Zugang zu diesen Dokumenten abzuwägen. Da ausserdem die fraglichen Dokumente ein seit Oktober 1992 abgeschlossenes Verfahren beträfen, könnten nur aussergewöhnliche Umstände die fortdauernde Berufung der Kommission auf diese Ausnahme rechtfertigen. Auch habe die Kommission entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung (Beschluß Zwartveld u. a., a. a. O., Randnrn. 11 und 12) die erforderlichen "zwingenden Gründe" nicht dargetan.

42 Die schwedische Regierung erkennt zwar an, daß die Kommission über einen Ermessensspielraum verfüge, wenn sie sich auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen berufe, weist aber darauf hin, daß die Interessenabwägung getrennt und individuell für jedes Dokument erfolgen müsse. Der Kläger habe aber nicht nur Zugang zu den Dokumenten bezueglich eines etwaigen Verstosses Irlands gegen das Gemeinschaftsrecht beantragt, sondern auch zu den Dokumenten, die die Frage der Verwendung von Mitteln aus Strukturfonds für das Projekt von Mullaghmore beträfen. Der Umstand, daß der Kläger kein Dokument erhalten habe, zeige, daß die Kommission nicht eine Interessenabwägung für jedes Dokument vorgenommen habe.

43 Die Kommission wendet sich gegen das Vorbringen, daß sie sich in der streitigen Entscheidung fälschlich auf die im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen berufen habe. So stellt sie fest, daß sich der zwingende Charakter bestimmter im Verhaltenskodex festgelegter Ausnahmen aus dessen Wortlaut ergebe, wonach die "Organe... den Zugang zu Dokumenten [verweigern], wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf...". Die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses gehöre zu diesen "zwingenden Ausnahmen".

44 Aus dem Wortlaut des Verhaltenskodex gehe also hervor, daß die Anwendung der Ausnahme zwingend sei und die Kommission den Zugang zu Dokumenten verweigern müsse, wenn die Gefahr bestehe, daß die Übermittlung dieser Dokumente den Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtige. Solche "zwingenden Ausnahmen" stellten schon für sich genommen zwingende Gründe dar. Im übrigen würden im Verhaltenskodex Beispiele für verschiedene Interessen angeführt, die geschützt werden müssten.

45 Die Kommission führt weiter aus, daß die Beziehung, die sie mit den Mitgliedstaaten im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren unterhalte, auf ihrer in Artikel 5 des Vertrages niedergelegten Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten beruhe. Diese Zusammenarbeit ermögliche es den Parteien, Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung einzuleiten. Im vorliegenden Fall habe es gerade dieser freie und offene Dialog ermöglicht, einen Kompromiß mit den irischen Behörden zu erreichen. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, daß der Zugang zu den Dokumenten, die ein Vertragsverletzungsverfahren beträfen, in Anbetracht des im Verhaltenskodex vorgeschriebenen Schutzes des öffentlichen Interesses verweigert werden müsse.

46 Ihr könne demnach nicht vorgeworfen werden, daß sie die Besonderheiten des Falles Mullaghmore nicht berücksichtigt habe, weil die Untersuchung einer etwaigen Vertragsverletzung automatisch unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses falle und es daher nicht erforderlich sei, die Anwendung der Ausnahme für jede einzelne Untersuchung zu begründen.

47 Ihr sei die Berufung auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses ferner nicht deshalb verwehrt, weil seit der im Oktober 1992 erfolgten Schließung der Akten im Fall Mullaghmore einige Zeit verstrichen sei. Denn die irischen Behörden seien, da keine Entscheidung im Rahmen irgendeines Verfahrens getroffen worden sei, in Anbetracht ihrer Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit gemäß Artikel 5 des Vertrages gezwungen gewesen, die Garantien, die sie gegeben hätten, einzuhalten. Ausserdem sei der Fall Mullaghmore immer noch Gegenstand eines Rechtsstreits, nämlich des (damals noch) beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittelverfahrens gegen das erwähnte Urteil des Gerichts vom 23. September 1994 in der Rechtssache T-461/93 (C-325/94 P, An Taisce und WWF UK/Kommission, a. a. O.).

48 Die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs tragen ebenfalls vor, daß aus dem Wortlaut des Verhaltenskodex eindeutig hervorgehe, daß die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses zwingend sei und daß die Kommission folglich den Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten verweigern müsse, wenn deren Verbreitung das öffentliche Interesse beeinträchtigen könnte. Nach Ansicht dieser beiden Regierungen ist es auch erforderlich, im Laufe der Erörterungen, die einem etwaigen Vertragsverletzungsverfahren vorausgingen, eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Es liege im Interesse der Gemeinschaft, daß der Kommission gestattet werde, etwaige Verstösse der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschaftsrecht unter Bedingungen absoluter Vertraulichkeit zu erörtern, um zu einer einvernehmlichen Regelung zu gelangen. Nach Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs reicht zudem schon die Möglichkeit, daß Dokumente in Zukunft weitergegeben würden, aus, um diese Atmosphäre des Vertrauens zu beeinträchtigen; der Abschluß eines Verfahrens bedeute daher nicht, daß diese Ausnahme nicht mehr zum Tragen komme.

49 Die Kommission trägt ausserdem unter Berufung auf den Wortlaut der Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen, der den Begriff "können" verwende, vor, daß sie in diesem Fall über ein Ermessen verfüge. Zudem gehe aus dem Wortlaut der streitigen Entscheidung eindeutig hervor, daß die von ihr geltend gemachte Geheimhaltung ihrer Beratungen nicht interne Verfahren oder Beratungen administrativer Art betreffe, sondern eine besondere Art quasigerichtlicher Verfahren, nämlich die Prüfung und Untersuchung von Vertragsverletzungen einschließlich der Kontakte zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten hinsichtlich dieser Untersuchungen. Da die Geheimhaltung ihrer Beratungen die gleichen Umstände betreffe wie die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses, stimme das Recht der Kommission auf Geltendmachung der ersten Ausnahme genau mit ihrem Recht überein, sich auf die zweite Ausnahme zu berufen. Darüber hinaus weist die Kommission das Vorbringen der schwedischen Regierung zurück und führt aus, daß die Ausnahme zum Schutz der Vertraulichkeit nutzlos wäre, wenn sie gezwungen wäre, die Anwendung dieser Ausnahme hinsichtlich des Inhalts jedes einzelnen Dokuments zu begründen.

- Zur Verletzung von Artikel 190 des Vertrages

50 Der Kläger trägt vor, die streitige Entscheidung genüge nicht dem Erfordernis einer ausreichenden Begründung gemäß Artikel 190 des Vertrages, weil sie nur allgemeine Behauptungen enthalte, die sich nicht mit den besonderen Umständen des Falles befassten. Er macht erneut geltend, daß in der streitigen Entscheidung nicht auf "zwingende Gründe" verwiesen werde, die die Weigerung der Kommission rechtfertigten, und daß keine Abwägung der widerstreitenden Belange vorgenommen worden sei.

51 Die schwedische Regierung trägt vor, in der streitigen Entscheidung würden nicht die Gründe angeführt, die die Verweigerung des Zugangs zu jedem einzelnen Dokument rechtfertigten. Auch lasse sich dem Wortlaut der streitigen Entscheidung nicht eindeutig entnehmen, aufgrund welcher Ausnahme der Zugang zu jedem einzelnen Dokument verweigert worden sei.

52 Die Kommission hält dem entgegen, daß in der streitigen Entscheidung die rechtlichen und tatsächlichen Umstände, auf die sie sich stütze, klar dargelegt würden. Das Vorbringen des Klägers im Rahmen des zweiten Klagegrundes beruhe auf einem falschen Verständnis der Verpflichtung aus Artikel 190 des Vertrages, da mit diesem Vorbringen nicht die Unzulänglichkeit der Begründung der streitigen Entscheidung, sondern ihre inhaltliche Unrichtigkeit dargetan werden solle.

Würdigung durch das Gericht

53 In erster Linie sind die Rechtsnatur des Beschlusses 94/90, durch dessen Artikel 1 der Verhaltenskodex angenommen wurde, und die Tragweite der in diesem Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen zu bestimmen.

54 Zunächst ist festzustellen, daß der Beschluß 94/90 die Antwort der Kommission auf die Forderungen des Europäischen Rates darstellt, dem in den Rechtsvorschriften der meisten Mitgliedstaaten anerkannten Recht der Bürger auf Zugang zu den im Besitz der Behörden befindlichen Dokumenten auch auf Gemeinschaftsebene Geltung zu verschaffen. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine allgemeine Regelung über das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den im Besitz der Gemeinschaftsorgane befindlichen Dokumenten erlassen hat, haben diese Organe aufgrund ihrer internen Organisationsgewalt die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Anträge auf Zugang zu Dokumenten in einer Weise zu bearbeiten - und zu beantworten -, die den Belangen einer ordnungsgemässen Verwaltung entspricht (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, I-2169, Randnrn. 34 bis 37, das den entsprechenden Beschluß des Rates [93/731/EG vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten; ABl. L 340, S. 43] betrifft).

55 Mit dem Erlaß des Beschlusses 94/90 hat die Kommission gegenüber den Bürgern, die Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten erhalten wollen, zum Ausdruck gebracht, daß ihre Anträge gemäß den hierfür vorgesehenen Verfahren, Bedingungen und Ausnahmen behandelt werden. Der Beschluß 94/90 ist somit eine Handlung, die Dritten Rechte, die die Kommission zu beachten hat, verleihen kann, auch wenn dieser Beschluß tatsächlich eine Reihe von Verpflichtungen mit sich bringt, die sich die Kommission freiwillig als Maßnahmen der internen Organisation auferlegt hat.

56 Sodann ist die Tragweite der im Verhaltenskodex enthaltenen Ausnahmen zu bestimmen. Besteht ein allgemeiner Grundsatz und sind Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen, so müssen diese Ausnahmen eng ausgelegt und angewandt werden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes nicht zu beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall müssen die Gründe für die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten der Kommission, die in den Verhaltenskodex als Ausnahmen aufgenommen wurden, daher so ausgelegt werden, daß sie nicht die Verwirklichung des Zieles der Transparenz vereiteln, das in der Antwort der Kommission auf die Forderungen des Europäischen Rates erwähnt wird (siehe oben, Randnrn. 2 und 54).

57 Es gibt zwei Gruppen von Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu Dokumenten der Kommission, die im Verhaltenskodex aufgeführt werden und die im übrigen Artikel 4 des Beschlusses 93/731 entsprechen.

58 Nach dem zwingenden Wortlaut der ersten Gruppe verweigern die "Organe... den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte [u. a.] in bezug auf... den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten)" (siehe oben, Randnr. 9). Folglich ist die Kommission verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die nachweislich unter eine der Ausnahmen dieser ersten Gruppe fallen (vgl. für die entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 93/731 Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache T-194/94, Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Slg. 1995, II-2765, Randnr. 64).

59 Dagegen ergibt sich aus dem fakultativ formulierten Wortlaut der zweiten Gruppe, daß die Kommission "ferner den Zugang verweigern [kann], um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten" (siehe oben, Randnr. 9). Somit steht es im Ermessen der Kommission, gegebenenfalls einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten abzulehnen, die ihre Beratungen betreffen. Bei der Ausübung dieses Ermessens muß die Kommission aber tatsächlich das Interesse des Bürgers am Zugang zu diesen Dokumenten gegen ihr etwaiges Interesse an der Geheimhaltung ihrer Beratungen abwägen (vgl. für die entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 93/731 Urteil Carvel und Guardian Newspapers/Rat, a. a. O., Randnrn. 64 und 65).

60 Die Unterscheidung zwischen den beiden im Verhaltenskodex vorgesehenen Gruppen von Ausnahmen erklärt sich durch die Art der Interessen, die durch die jeweilige Gruppe geschützt werden sollen. Durch die erste Gruppe, die die "zwingenden Ausnahmen" umfasst, werden nämlich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit in Fällen geschützt, in denen die Verbreitung bestimmter Dokumente durch das betreffende Organ solchen Personen Schaden zufügen könnte, die den Zugang zu diesen Dokumenten verweigern könnten, wenn sie sich in ihrem Besitz befänden. Dagegen bezieht sich die zweite Gruppe auf die internen Beratungen des Organs, die sich nur auf dessen Interessen auswirken können.

61 Ausserdem kann sich die Kommission zugleich auf eine Ausnahme der ersten und auf eine Ausnahme der zweiten Gruppe berufen, um den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die sich in ihrem Besitz befinden, da keine Bestimmung des Beschlusses 94/90 einschließlich des Verhaltenskodex ihr dies untersagt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Verbreitung bestimmter Dokumente durch die Kommission sowohl die durch die erste Gruppe von Ausnahmen geschützten Interessen als auch das Interesse der Kommission an der Geheimhaltung ihrer Beratungen beeinträchtigt.

62 In Anbetracht dieser Umstände ist in zweiter Linie zu prüfen, ob die Dokumente, die sich auf die Untersuchung eines etwaigen Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht beziehen, die zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 169 des Vertrages führen kann, die Voraussetzungen dafür erfuellen, daß sich die Kommission auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses berufen kann, die zur ersten Gruppe der im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen gehört.

63 Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt es die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten in solchen Situationen von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses, daß der Zugang zu den Dokumenten in bezug auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist.

64 Die Kommission kann sich jedoch nicht lediglich auf die etwaige Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens berufen, wenn sie im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses die Verweigerung des Zugangs zu sämtlichen Dokumenten rechtfertigen will, auf die sich der Antrag eines Bürgers bezieht. Die Kommission ist verpflichtet, wenigstens für jede Gruppe von Dokumenten die Gründe anzugeben, aus denen sie der Auffassung ist, daß die in dem an sie gerichteten Antrag erwähnten Dokumente mit der etwaigen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zusammenhängen; dabei hat sie darzulegen, worauf sich diese Dokumente beziehen, und insbesondere auch, ob sie Inspektionstätigkeiten betreffen, die die Feststellung eines etwaigen Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht mit sich bringt.

65 Die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Verpflichtung bedeutet jedoch nicht, daß die Kommission unter allen Umständen gehalten wäre, für jedes Dokument die "zwingenden Gründe" anzugeben, die die Anwendung der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses rechtfertigen, da sonst die Hauptfunktion dieser Ausnahme gefährdet wäre, wie sie sich schon aus dem Wesen des zu schützenden öffentlichen Interesses und aus dem zwingenden Charakter dieser Ausnahme ergibt. Es könnte sich nämlich als unmöglich erweisen, die Gründe für die vertrauliche Behandlung jedes Dokuments anzugeben, ohne den Inhalt dieses Dokuments bekanntzumachen und ohne der Ausnahme damit ihre wesentliche Zweckbestimmung zu nehmen.

66 In dritter Linie ist zu prüfen, ob die streitige Entscheidung den Anforderungen des Artikels 190 des Vertrages an die Begründung entspricht. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß mit der Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen ein doppeltes Ziel verfolgt wird; zum einen soll den Betroffenen ermöglicht werden, zur Verteidigung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die getroffene Maßnahme zu erkennen, und zum anderen soll der Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzt werden, die Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu überprüfen (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15, und Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-85/94, Branco/Kommission, Slg. 1995, II-45, Randnr. 32).

67 Sodann ist festzustellen, daß sich der Generalsekretär der Kommission in der streitigen Entscheidung zur Rechtfertigung seiner Weigerung, Zugang zu sämtlichen Dokumenten zu gewähren, auf die sich die Anträge des Klägers beziehen, sowohl auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen als auch auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses beruft, und zwar hinsichtlich der GD XVI wie auch hinsichtlich der GD XI und ohne zwischen den verschiedenen Dokumenten zu unterscheiden, die sich im Besitz dieser Generaldirektionen befinden. In der streitigen Entscheidung bestätigt der Generalsekretär der Kommission ausserdem die Weigerung, die die GD XVI allein auf der Grundlage der Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen dem Kläger gegenüber ausgesprochen hat (siehe oben, Randnr. 16), und die entsprechende Weigerung der GD XI, die auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses und zugleich auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen gestützt wurde (siehe oben, Randnr. 15). Damit festgestellt werden kann, ob die Begründung der streitigen Entscheidung den Anforderungen des Artikels 190 des Vertrages entspricht, sind der Inhalt dieser Entscheidung und der Inhalt der Schreiben der GD XVI vom 24. November 1994 (siehe oben, Randnr. 16) und der GD XI vom 17. November 1994 (siehe oben, Randnr. 15) zusammen zu prüfen.

68 Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags des Klägers auf Zugang zu den der GD XVI vorliegenden Dokumenten ist festzustellen, daß die streitige Entscheidung, abgesehen von der allgemeinen Verweisung auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses, den Inhalt des Schreibens der GD XVI vom 24. November 1994 bestätigt. In diesem Schreiben hat sich die GD XVI aber nur auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen berufen.

69 Die Kommission hat in der streitigen Entscheidung nur den Inhalt des Schreibens der GD XVI vom 24. November 1994 bestätigt, ohne darzulegen, daß die allgemeine Verweisung auf die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses auch die Dokumente betraf, auf die sich der an die GD XVI gerichtete Antrag des Klägers bezog, und ohne näher auf den angeblichen Zusammenhang zwischen den dieser Generaldirektion vorliegenden Dokumenten und der etwaigen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens einzugehen. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Ablehnung dieses Antrags in der streitigen Entscheidung nur mit der Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen, wie sie die GD XVI in ihrem Schreiben vom 24. November 1994 dargelegt hat, begründet wurde.

70 Weder aus der streitigen Entscheidung noch aus dem Schreiben der GD XVI vom 24. November 1994 geht hervor, daß die Kommission die ihr nach dem Verhaltenskodex obliegende Verpflichtung, die widerstreitenden Belange tatsächlich gegeneinander abzuwägen (siehe oben, Randnr. 59), eingehalten hat, weil sowohl in der streitigen Entscheidung als auch in dem Schreiben der GD XVI vom 24. November 1994 als Grund für die Ablehnung des Antrags des Klägers nur die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen genannt wird, ohne daß auf irgendeine Abwägung der widerstreitenden Belange hingewiesen würde.

71 Ausserdem kann sich die Kommission vor dem Gericht jetzt nicht, wie sie dies in ihrem Schreiben vom 18. Juli 1996 auf eine Frage des Gerichts hin getan hat (siehe oben, Randnr. 24), darauf berufen, daß alle in Rede stehenden Dokumente einschließlich derjenigen, die sich im Besitz der GD XVI befinden, unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses fielen, weil die streitige Entscheidung ausdrücklich auf das Schreiben der GD XVI vom 24. November 1994 verweist, in dem die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses nicht erwähnt war.

72 Daraus folgt, daß die streitige Entscheidung, soweit sie sich auf den Antrag des Klägers auf Zugang zu den im Besitz der GD XVI befindlichen Dokumenten bezieht, nicht den Anforderungen an die Begründung gemäß Artikel 190 des Vertrages entspricht und daher insoweit für nichtig erklärt werden muß.

73 Zu der Ablehnung des Antrags des Klägers auf Zugang zu den im Besitz der GD XI befindlichen Dokumenten ist festzustellen, daß sowohl in der streitigen Entscheidung als auch in dem Schreiben der GD XI vom 17. November 1994, dessen Inhalt durch die streitige Entscheidung bestätigt wird (siehe oben, Randnr. 20), die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen und zugleich die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses genannt werden, was an sich nicht als unvereinbar mit den Bestimmungen des Verhaltenskodex angesehen werden kann (siehe oben, Randnr. 61).

74 Jedoch ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kommission in der streitigen Entscheidung zwar allgemein die Gründe darlegt, aus denen sie der Auffassung ist, daß die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses auf Dokumente in bezug auf die Untersuchung eines etwaigen Verstosses gegen das Gemeinschaftsrecht angewandt werden müsse, die zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 169 des Vertrages führen könnte, daß sie es aber unterlassen hat, wenigstens für jede Gruppe von Dokumenten die Gründe anzugeben, aus denen sie der Ansicht ist, daß die in dem Antrag des Klägers an die GD XI erwähnten Dokumente alle mit der etwaigen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zusammenhingen (siehe oben, Randnr. 64).

75 Sodann ist festzustellen, daß auch die GD XI es in ihrem Schreiben vom 17. November 1994 unterlassen hat, wenigstens für jede Gruppe von Dokumenten die Gründe anzugeben, aus denen sie der Auffassung ist, daß die in dem an sie gerichteten Antrag erwähnten Dokumente alle unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses fielen. Sie hat sich nämlich auf die Erklärung beschränkt, daß "im Fall der Dokumente, auf die sich Ihr Antrag bezieht, die Ausnahmen hinsichtlich des Schutzes des öffentlichen Interesses (insbesondere von Inspektionstätigkeiten) und hinsichtlich des Schutzes des Interesses der Kommission an der Geheimhaltung ihrer Beratungen einschlägig sind. Die Dokumente, die Sie einsehen möchten, betreffen die Untersuchung von Beschwerden sowie interne Beratungen der Kommission" (siehe oben, Randnr. 15).

76 Da die Kommission weder in der streitigen Entscheidung noch in dem Schreiben der GD XI vom 17. November 1994 angegeben hat, daß alle Dokumente, auf die sich der Antrag des Klägers an die GD XI bezog, unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses fielen, und da sie sich zugleich auf die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen berufen hat, konnte der Kläger zudem nicht ausschließen, daß ihm der Zugang zu einem Teil der im Besitz der GD XI befindlichen Dokumente nur deshalb verweigert wurde, weil diese unter die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen fielen. Weder der Inhalt der streitigen Entscheidung noch der des Schreibens der GD XI vom 17. November 1994 gestatten aber dem Kläger und folglich dem Gericht eine Überprüfung der Frage, ob die Kommission die ihr durch die Bestimmungen des Verhaltenskodex auferlegte Verpflichtung, die widerstreitenden Belange tatsächlich gegeneinander abzuwägen (siehe oben, Randnr. 59), eingehalten hat, weil in beiden die Ausnahme zum Schutz des Interesses des Organs an der Geheimhaltung seiner Beratungen erwähnt wird, ohne daß auf irgendeine Abwägung der widerstreitenden Belange hingewiesen würde.

77 Daraus folgt, daß die streitige Entscheidung auch insoweit, als sie sich auf den Antrag des Klägers an die GD XI bezieht, nicht den Anforderungen an die Begründung gemäß Artikel 190 des Vertrages entspricht und daher in diesem Umfang für nichtig zu erklären ist.

78 Aus diesen Gründen ist das Gericht der Auffassung, daß die Klage begründet ist und die streitige Entscheidung für nichtig erklärt werden muß.

Kostenentscheidung:

Kosten

79 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr in Anbetracht des Antrags des Klägers die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich tragen das Königreich Schweden, das dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers beigetreten ist, sowie die Französische Republik und das Vereinigte Königreich, die dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 2. Februar 1995, mit der dem Kläger der Zugang zu den Dokumenten der Kommission über die Prüfung des Projekts zum Bau eines Informations- und Orientierungszentrums im Naturschutzgebiet Mullaghmore (Irland) verweigert wurde, wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt ausser ihren eigenen Kosten die Kosten des Klägers.

3. Das Königreich Schweden, die Französische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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