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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 12.12.2000
Aktenzeichen: T-11/00
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 233
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Da das Rechtsmittel beim Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung hat, hat das Organ, dem ein vom Gericht für nichtig erklärtes Handeln zuzurechnen ist, binnen angemessener Frist die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, ohne das Urteil abzuwarten, das der Gerichtshof auf das Rechtsmittel hin zu erlassen haben wird.

Das Organ kann nicht geltend machen, es entspreche einer geordneten Rechtspflege, unter solchen Umständen das Urteil des Gerichtshofes über das Rechtsmittel abzuwarten. Nur dem Gerichtshof obliegt es, wenn bei ihm ein Antrag auf Aussetzung gestellt worden ist und er dies den Umständen nach für nötig hält, die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils anzuordnen.

(vgl. Randnrn. 35-38)

2 Das Verhalten eines Organs, das darin besteht, den Erlass aller konkreten Maßnahmen zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils des Gerichts abzulehnen, stellt einen Verstoß gegen Artikel 233 EG und damit ein rechtswidriges Verhalten dar, das die Haftung der Gemeinschaft auslösen kann.

(vgl. Randnr. 43)

3 Die Weigerung eines Gemeinschaftsorgans oder einer Gemeinschaftseinrichtung, ein Urteil des Gerichts durchzuführen, auch wenn diese Weigerung sich auf den Zeitraum zwischen der Verkündung dieses Urteils und der Verkündung des Urteils beschränkt, das der Gerichtshof auf ein Rechtsmittel hin zu erlassen hat, stellt eine Beeinträchtigung des Vertrauens dar, das der Einzelne in das Gemeinschaftsrechtssystem, das sich insbesondere auf die Beachtung der Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte stützt, haben muss. Unabhängig von einem materiellen Schaden, der infolge der Nichtdurchführung eines Urteils eintreten könnte, führt daher die ausdrückliche Weigerung, ein Urteil durchzuführen, für sich allein schon zu einem immateriellen Schaden für die Partei, zu deren Gunsten dieses Urteil ergangen ist.

(vgl. Randnr. 51)


Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 12. Dezember 2000. - Michel Hautem gegen Europäische Investitionsbank. - Beamte - Entfernung aus dem Dienst - Nichtdurchführung eines Nichtigkeitsurteils - Artikel 233 EG - Außervertragliche Haftung der Gemeinschaft - Immaterieller Schaden - Schadensersatz. - Rechtssache T-11/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-11/00

Michel Hautem, Bediensteter der Europäischen Investitionsbank, wohnhaft in Schouweiler (Luxemburg), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Karp und J. Choucroun, Luxemburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Karp, 84, Grand-Rue, Luxemburg,

Kläger,

gegen

Europäische Investitionsbank, vertreten durch Hauptrechtsberater J.-P. Minnaert, Direktion für Rechtsfragen, als Bevollmächtigten, im Beistand von Rechtsanwalt G. Vandersanden, Brüssel, Zustellungsanschrift: Europäische Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,

Beklagte,

wegen Ersatzes des immateriellen Schadens, den der Kläger durch die Weigerung der Europäischen Investitionsbank, das Urteil des Gerichts vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-140/97 (Hautem/EIB, Slg. ÖD I-A-171 und II-897) durchzuführen, angeblich erlitten hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas sowie der Richterin P. Lindh und des Richters J. D. Cooke,

Kanzler: G. Herzig, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Kläger trat am 16. Dezember 1994 als Amtsgehilfe in der Funktion K mit der Gehaltsstufe K004 in die Dienste der Europäischen Investitionsbank (EIB).

2 Am 31. Januar 1997 erließ der Präsident der EIB aufgrund von Artikel 38 Absatz 3 der Personalordnung der EIB und gemäß der mit Gründen versehenen Stellungnahme des in Artikel 40 der Personalordnung vorgesehenen paritätischen Ausschusses die Entscheidung, den Kläger wegen Verstoßes gegen die Artikel 1, 4 und 5 der Personalordnung aus wichtigem Grund unter Aufrechterhaltung der Abgangsentschädigung fristlos zu entlassen (im Folgenden: Entlassungsentscheidung).

3 Mit Klageschrift, die am 29. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger eine Nichtigkeitsklage gegen die Entlassungsentscheidung erhoben (Rechtssache T-140/97).

4 Mit Urteil vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-140/97 (Hautem/EIB, Slg. ÖD I-A-171 und II-897; im Folgenden: Urteil Hautem) hat das Gericht die Entlassungsentscheidung aufgehoben. Der Tenor dieses Urteils lautet wie folgt:

"1. Die Entscheidung der Europäischen Investitionsbank vom 31. Januar 1997, durch die der Kläger ohne Verlust der Abgangsentschädigung aus dem Dienst entfernt worden ist, wird aufgehoben.

2. Die Europäische Investitionsbank wird verurteilt, dem Kläger die rückständigen Dienstbezüge zu zahlen, die er seit seiner Entlassung hätte erhalten müssen.

3. Die Schadensersatzklage des Klägers wird abgewiesen.

4. Die Schadensersatzklage der Europäischen Investitionsbank wird als unzulässig abgewiesen.

5. Die Europäische Investitionsbank trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Klägers."

5 Mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 forderte der Anwalt des Klägers die EIB auf, zur Durchführung des Urteils Hautem Stellung zu nehmen. Der Anwalt der EIB antwortete mit Schreiben vom 22. November 1999, dass die EIB die Absicht habe, gegen dieses Urteil Rechtsmittel einzulegen; dieses Schreiben enthielt im Übrigen keine Stellungnahme zur Frage der Durchführung des Urteils.

6 Mit Schriftsatz, der am 26. November 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die EIB ein Rechtsmittel gegen das Urteil Hautem eingelegt. Sie hat sich u. a. darauf gestützt, dass sowohl die Wiedereinstellung des Klägers als auch die Zahlung der rückständigen Bezüge darauf hinausliefen, den Bediensteten der EIB die Stellung von Beamten zuzuerkennen, während es sich um Vertragsbedienstete handele.

7 Die EIB hat keinen Antrag im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel gestellt, die Aussetzung der Vollziehung des Urteils Hautem zu erreichen.

8 Mit Fernkopie vom 30. November 1999 forderte der Anwalt des Klägers die EIB auf, ihm die Gehaltstabellen zu übermitteln und die nach dem Tenor des Urteils Hautem geschuldeten rückständigen Dienstbezüge der Höhe nach festzusetzen.

9 Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 antwortete der Anwalt der EIB wie folgt:

"Die Bank hält es... zumindest für verfrüht, wenn nicht sogar für einer geordneten Rechtspflege zuwiderlaufend, [diesem] Antrag stattzugeben, der, soweit er gerade die beiden Punkte des Tenors des Urteils des Gerichts betrifft, durch das Urteil des Gerichtshofes, das dieser auf das Rechtsmittel hin zu erlassen hat, wird geklärt werden müssen. Die Vornahme der Zahlung der rückständigen Bezüge könnte nämlich zu einer Erstattung führen, wenn der Gerichtshof das Urteil des Gerichts in diesem Punkt aufheben sollte."

10 Mit Fernkopie vom 21. Dezember 1999 an den Anwalt der EIB forderte der Anwalt des Klägers die EIB auf, die zur Wiedereinstellung seines Mandanten und zur Zahlung der rückständigen Bezüge erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Er gab außerdem an, dass er, wenn er keine zufriedenstellende Antwort der EIB erhalte, einen Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen stellen werde, um die Durchführung des Urteils Hautem unter Androhung eines Zwangsgelds zu erreichen.

11 Mit Fernkopie vom 22. Dezember 1999 bekräftigte der Anwalt der EIB gegenüber dem Anwalt des Klägers, dass die EIB der Auffassung sei, "dass sie aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und aus die Rechtmäßigkeit des Urteils Hautem betreffenden sachlichen Gründen weder die Wiedereinstellung von Herrn Hautem noch die Zahlung der in dem erlassenen Urteil festgesetzten rückständigen Bezüge vornehmen muss".

12 Mit Fernkopie vom 30. Dezember 1999 teilte der Anwalt der EIB mit, dass diese der Auffassung sei, dass sie den Anträgen des Klägers "gegenwärtig nicht zu entsprechen braucht", und bei ihrer in den Schreiben vom 8. und 22. Dezember 1999 dargelegten Auffassung bleibe.

Verfahren und Anträge der Parteien

13 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 18. Januar 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

14 Mit gesondertem Schriftsatz, der am 26. Januar 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger einen Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen gestellt, der im Wesentlichen darauf gerichtet ist, die Durchführung des Urteils Hautem unter Androhung eines Zwangsgelds zu bewirken.

15 Mit gesondertem Schriftsatz, der am 17. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.

16 Mit Beschluss vom 7. April 2000 hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der Richter der einstweiligen Anordnung für die Entscheidung über diesen Antrag nicht zuständig ist.

17 Am 11. April 2000 haben die Parteien eine informelle Sitzung mit dem Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts abgehalten, um zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Die Parteien haben sich nicht einigen können.

18 Mit Schreiben vom 5. Juni 2000 hat der Kläger darauf verzichtet, eine Erwiderung einzureichen.

19 Mit Beschluss vom 26. Juni 2000 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt.

20 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

21 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung am 12. September 2000 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

22 Der Kläger beantragt,

- die EIB zu verurteilen, ihm als Ersatz des durch die Nichtdurchführung des Urteils Hautem erlittenen immateriellen Schadens einen Betrag von 60 000 EUR zu zahlen;

- der EIB die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23 Die EIB beantragt,

- die Klage für nicht begründet zu erklären;

- dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

24 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Haftung der Gemeinschaft an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen-Rechtswidrigkeit der den Organen vorgeworfenen Verhaltens, Eintritt eines tatsächlichen Schadens und Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem behaupteten Schaden - geknüpft (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, Randnr. 42, und Urteil des Gerichts vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-48/97, Frederiksen/Parlament, Slg. ÖD 1999, I-A-167 und II-867, Randnr. 44).

Zum rechtswidrigen Verhalten der EIB

Vorbringen der Parteien

25 Der Kläger macht geltend, die EIB habe dadurch ihre Pflichten grob verletzt, dass sie sich standhaft geweigert habe, ein Urteil durchzuführen, obwohl dieses vollstreckbar sei. Dieses Verhalten der EIB laufe nicht nur den Interessen des Klägers, sondern auch der öffentlichen Ordnung zuwider.

26 Was den Teil des Tenors des Urteils Hautem angeht, der die Verpflichtung der EIB betrifft, dem Kläger die rückständigen Dienstbezüge zu zahlen, die er seit seiner Entlassung hätte erhalten müssen, trägt der Kläger vor, sowohl sein Antrag auf Mitteilung des ihm zustehenden genauen Betrages als auch der Antrag auf Übermittlung der Gehaltstabellen, damit er diesen Betrag berechnen könne, seien von der EIB zurückgewiesen worden. Diese habe sich auch geweigert, den Kläger wieder einzustellen.

27 Die EIB trägt vor, sie habe dem Kläger die Gründe dargelegt, aus denen sie der Auffassung gewesen sei, dass es einer geordneten Rechtspflege entspreche, das Urteil abzuwarten, das der Gerichtshof auf das gegen das Urteil Hautem eingelegte Rechtsmittel hin zu erlassen habe, wobei sie dem Kläger versichert habe, dass sie die Verpflichtungen, die sich letztendlich aus dem Urteil des Gerichtshofes unabhängig von dessen Inhalt ergeben würden, erfuellen werde. Es sei daher falsch, zu behaupten, dass die EIB sich einer Untätigkeit bei der Durchführung des Urteils Hautem schuldig gemacht habe oder dass sie sich offen geweigert habe, dieses Urteil durchzuführen.

28 Die EIB habe sich nämlich jeder Handlung enthalten, die einer Durchführung des Urteils Hautem in der Zukunft hätte entgegenwirken können, und habe dem Kläger alle Garantien für eine ordnungsgemäße Durchführung angeboten, sobald die Frage in der Sache endgültig entschieden worden sei. So habe sie dem Kläger die Hinterlegung des den rückständigen Bezügen entsprechenden Betrages vorgeschlagen.

29 Die Beanstandungen des Klägers könnten sich daher nicht auf die Verpflichtung der EIB erstrecken, das Urteil Hautem nach Treu und Glauben und in vollem Umfang durchzuführen. Diese Beanstandungen könnten sich lediglich auf die Frist beziehen, innerhalb deren die Durchführung dieses Urteils erfolgen müsse.

30 Die angemessene Frist, innerhalb deren die Durchführung des Urteils Hautem erfolgen müsse, sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf den grundlegenden Einwand zu bemessen, der im Rahmen des Rechtsmittels gegen die in diesem Urteil gewählte und gegenwärtig der Beurteilung durch den Gerichtshof unterliegende Lösung erhoben worden sei. Es sei nämlich ganz wesentlich, dass der Gerichtshof entscheide, ob das Verhältnis zwischen der EIB und ihrem Personal sich nach dem Statut richte oder vertraglicher Art sei. Darüber hinaus behauptet die EIB, sie habe die Rechtssicherheit des Klägers, dessen Ansprüche erst nach dem Urteil des Gerichtshofes endgültig feststuenden, berücksichtigt.

31 Die EIB gelangt zu dem Ergebnis, dass sie allen Gesichtspunkten des vorliegenden Falles Rechnung getragen und dafür gesorgt habe, dass die Rechte des Klägers für den Fall, dass der Gerichtshof das Rechtsmittel zurückweisen sollte, in vollem Umfang gewahrt blieben, und dass sie daher keine Rechtsverletzung begangen habe, die ihre Haftung auslösen könnte.

Würdigung durch das Gericht

32 Artikel 41 der Personalordnung der EIB bestimmt: "Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und den Bankangehörigen, die sich auf das einzelne Rechtsverhältnis beziehen, ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig."

33 Außerdem hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Juni 1976 in der Rechtssache 110/75 (Mills/EIB, Slg. 1976, 955) festgestellt, dass eine Kündigung des Vertrages eines Bediensteten, die unter Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Vertrages oder gegen allgemeine Grundsätze des Arbeitsrechts erfolgt, für unwirksam erklärt werden kann und dass es ihm obliegt, diese Unwirksamkeit gegebenenfalls festzustellen (Randnrn. 25 und 26). Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, dass "eine als "Kündigung aus wichtigem Grunde", also als Disziplinarmaßnahme nach Artikel 38 der Personalordnung, ausgesprochene Kündigung unter Umständen für unwirksam zu erklären sein [könnte], wenn der Gerichtshof das Fehlen des geltend gemachten Grundes feststellte" (Randnr. 27).

34 Sodann sieht Artikel 233 EG vor: "Das oder die Organe, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, haben die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergebenden Maßnahmen zu ergreifen."

35 Außerdem bestimmt Artikel 242 EG: "Klagen bei dem Gerichtshof haben keine aufschiebende Wirkung. Der Gerichtshof kann, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen."

36 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die EIB das Urteil Hautem nicht nur nicht durchgeführt hat, sondern vor allem dass sie sich weigert, dieses Urteil vor der Verkündung des Urteils in der Rechtssache C-449/99 P durch den Gerichtshof durchzuführen.

37 Mit Schreiben vom 8., 22. und 30. Dezember 1999 hat die EIB es nämlich abgelehnt, den Anträgen des Anwalts des Klägers auf Durchführung des Urteils Hautem zu entsprechen, und zwar mit der Begründung, dass eine Durchführung dieses Urteils insoweit einer geordneten Rechtspflege zuwiderlaufe, als zwei Punkte des Tenors dieses Urteils durch das kommende Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-449/99 P geklärt werden müssten.

38 Es ist aber festzustellen, dass die EIB keinen Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen mit dem Ziel gestellt hat, die Aussetzung der Durchführung des angefochtenen Urteils zu erwirken. Sie kann daher nicht geltend machen, es entspreche einer geordneten Rechtspflege, das Urteil des Gerichtshofes abzuwarten. Wie oben dargelegt worden ist, hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zuzurechnen ist, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Nur dem Gerichtshof obliegt es, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung auszusetzen.

39 In diesem Zusammenhang macht die EIB geltend, der Grund, aus dem sie es nicht für angebracht gehalten habe, einen Antrag auf Aussetzung der Durchführung zu stellen, habe darin bestanden, dass die Aussetzung ihr aufgrund der vorhandenen einschlägigen Rechtsprechung nicht zugesprochen worden wäre, weil eine Einrichtung wie die EIB niemals das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Schadens nachweisen könne. Diese Voraussetzung für die Aussetzung der Durchführung fehle nämlich, da der EIB entgegengehalten werden könne, dass sie, falls ein Urteil ergehe, durch das ihrem Rechtsmittel stattgegeben werde, die sich ihr bietenden rechtlichen Mittel einsetzen könne, um von dem Kläger gegebenenfalls gezahlte Beträge zurückzuerlangen. Unter diesen Umständen ergibt sich, dass die EIB sich absichtlich so verhalten hat, dass sie tatsächlich eine Aussetzung der Durchführung erreicht hat, die sie ihrer Auffassung nach auf legalem Weg nicht erreichen konnte, und dass ihr Verhalten daher einen Verstoß gegen die Vorschriften des Vertrages darstellt.

40 Was das Angebot der EIB angeht, den Betrag zu hinterlegen, der den rückständigen Bezügen entspricht, die der Kläger seit seiner Kündigung hätte erhalten müssen, genügt die Feststellung, dass eine solche Maßnahme dem Tenor des Urteils Hautem nicht entspricht und daher nicht als Maßnahme zur Durchführung dieses Urteils angesehen werden kann. Der Umstand, dass eine solche Maßnahme nach Ansicht der EIB dem Kläger alle Garantien für eine ordnungsgemäße Durchführung des Urteils bieten würde, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung. Es obliegt nämlich allein dem Gerichtshof, aufgrund von Artikel 243 EG die einstweiligen Anordnungen zu treffen, die er für erforderlich hält; diese ausschließliche Zuständigkeit darf die EIB sich nicht anmaßen.

41 Die EIB kann sich auch nicht darauf berufen, dass die angemessene Frist, innerhalb deren die Durchführung des Urteils Hautem erfolgen muss, noch nicht abgelaufen sei. Dieses Argument könnte nämlich nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die EIB entweder damit begonnen hätte, die zur Durchführung dieses Urteils erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, oder die Absicht bekundet hätte, diese Maßnahmen zu ergreifen, ohne bisher aus sachlichen oder administrativen Gründen die dafür erforderliche Zeit gehabt zu haben. Auf derartige Umstände hat die EIB sich aber nicht berufen. Wie sich aus den genannten Schreiben und den Erklärungen des Anwalts der EIB in der mündlichen Verhandlung ergibt, hat die EIB vielmehr eindeutig ihre Absicht kundgetan, das Urteil Hautem bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes nicht durchzuführen.

42 Schließlich ist, was das Vorbringen angeht, es sei ganz wesentlich, dass der Gerichtshof entscheide, ob das Verhältnis zwischen der EIB und ihrem Personal sich nach dem Statut richte oder vertraglicher Art sei, zu unterstreichen, dass die Durchführung des Urteils Hautem der Antwort nicht vorgreift, die der Gerichtshof im Rahmen des Urteils im Rechtsmittelverfahren auf diese Frage geben könnte. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Mills/EIB (Randnr. 22) entschieden hat, dass "das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und ihren Bediensteten vertraglicher Natur" ist.

43 Nach alledem stellt das Verhalten der EIB, das darin besteht, den Erlass aller konkreten Maßnahmen zur Durchführung des Urteils Hautem abzulehnen, einen Verstoß gegen Artikel 233 EG und damit ein rechtswidriges Verhalten dar, das die Haftung der Gemeinschaft auslösen kann (vgl. in diesem Sinne das Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 1992 in der Rechtssache T-84/91, Meskens/Parlament, Slg. 1992, II-2335, Randnr. 81, bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofes vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-412/92 P, Parlament/Meskens, Slg. 1994, I-3757, und das Urteil Frederiksen/Parlament, Randnr. 96).

Zum Vorliegen eines Schadens und eines Kausalzusammenhangs

Vorbringen der Parteien

44 Der Kläger macht geltend, er habe aufgrund der Nichtdurchführung des Urteils Hautem durch die EIB einen immateriellen Schaden erlitten.

45 Er trägt vor, er befinde sich mit seiner Familie in einem Zustand der Unsicherheit. Obwohl zu seinen Gunsten ein Urteil ergangen sei, mit dessen Durchführung seine Rechte wieder hergestellt werden könnten, müsse er auf den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens warten, obwohl die EIB die Aussetzung der Durchführung dieses Urteils nicht beantragt habe.

46 Seine gegenwärtige Lage sei äußerst unsicher, denn - abgesehen von den durch die Kündigungsentscheidung herbeigeführten finanziellen Problemen, die sich ständig verschärften, und obwohl er ein Recht darauf habe, sich nicht in der Lage eines Arbeitsuchenden zu befinden - befinde er sich auch nicht in der Stellung eines Bediensteten der EIB.

47 Darüber hinaus blieben infolge der Nichtdurchführung des Urteils Hautem Zweifel an seinen Fähigkeiten und seiner Ehrenhaftigkeit in beruflicher Hinsicht bestehen. Die potenziellen Arbeitgeber, mit denen Kontakt aufzunehmen er Anlass haben könne, seien zu Zweifeln an seinen beruflichen Fähigkeiten berechtigt (Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1993 in der Rechtssache T-59/92, Renato Caronna/Kommission, Slg. 1993, II-1129).

48 Zum einen bestreitet die EIB, dass wirklich ein immaterieller Schaden eingetreten sei. Sie macht geltend, es sei zumindest gewagt, wenn der Kläger sich auf seine Ehrenhaftigkeit berufe, obwohl er sich eines Verhaltens schuldig gemacht habe, das zwar nach Auffassung des Gerichts eine Entlassung nicht gerechtfertigt habe, dass aber dennoch als schwerwiegend anerkannt worden sei. Auf jeden Fall behauptet die EIB, sie habe die Ehrenhaftigkeit des Klägers, insbesondere bei den Arbeitgebern, bei denen er sich um eine Arbeitsstelle beworben habe, nicht, und sei es auch nur mittelbar, in Zweifel gezogen.

49 Zum anderen macht die EIB geltend, es gebe keinen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen Fehlverhalten und dem Schaden, auf den er Kläger sich berufe.

50 Da der vom Kläger geltend gemachte Schaden mit den Folgen der Kündigungsentscheidung und nicht mit den Folgen der Nichtdurchführung des Urteils Hautem zusammenhänge, sei nämlich nicht erwiesen, dass dieser Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die EIB dieses Urteil ordnungsgemäß durchgeführt hätte.

Würdigung durch das Gericht

51 Was den Schaden angeht, ist festzustellen, dass die Weigerung eines Gemeinschaftsorgans oder einer Gemeinschaftseinrichtung, ein Urteil des Gerichts durchzuführen, auch wenn diese Weigerung sich auf den Zeitraum zwischen der Verkündung dieses Urteils und der Verkündung des Urteils beschränkt, das der Gerichtshof auf ein Rechtsmittel hin zu erlassen hat, eine Beeinträchtigung des Vertrauens darstellt, das der Einzelne in das Gemeinschaftsrechtssystem, das sich insbesondere auf die Beachtung der Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte stützt, haben muss. Unabhängig von einem materiellen Schaden, der infolge der Nichtdurchführung eines Urteils eintreten könnte, führt die ausdrückliche Weigerung, ein Urteil durchzuführen, für sich allein schon zu einem immateriellen Schaden für die Partei, zu deren Gunsten dieses Urteil ergangen ist.

52 Darüber hinaus hat das rechtswidrige Verhalten der EIB für den Kläger unstreitig einen lang anhaltenden Zustand der Ungewissheit und der Unsicherheit in Bezug auf die Anerkennung seiner Rechte und seiner beruflichen Zukunft zur Folge, wobei die Unbestimmtheit seiner gegenwärtigen beruflichen Stellung auch der Grund für seine Schwierigkeiten war, einen Arbeitsplatz zu finden. Dies stellt offenkundig einen immateriellen Schaden dar (Urteile Meskens/Parlament, Randnr. 89, und Frederiksen/Parlament, Randnr. 110).

53 Was den Kausalzusammenhang angeht, genügt die Feststellung, dass der immaterielle Schaden, den er Kläger erlitten hat, unmittelbar durch die Entscheidung der EIB verursacht ist, das Urteil Hautem nicht durchzuführen, und nicht eingetreten wäre, wenn die EIB dieses Urteil ordnungsgemäß durchgeführt hätte.

54 Das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten der EIB und dem Schaden ist folglich nachgewiesen.

Ergebnis

55 In Anbetracht der besonderen Umstände des Falles und aufgrund der Bedeutung des immateriellen Schadens, den der Kläger erlitten hat, stellt es einen angemessenen Ersatz dieses Schadens dar, wenn dem Kläger ein Betrag in Höhe von 25 000 EUR zugesprochen wird.

Kostenentscheidung:

Kosten

56 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst.

57 Da die EIB im Verfahren in der Hauptsache unterlegen ist, sind ihr dem Antrag des Klägers entsprechend die gesamten Kosten aufzuerlegen.

58 Was die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung angeht, ist der Kläger unterlegen und die Parteien haben jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

59 Gemäß Artikel 97 § 3 der Verfahrensordnung kann in der Kostenentscheidung des Endurteils die Einziehung aufgrund der Bewilligung der Prozesskostenhilfe vorgestreckter Beträge zugunsten der Kasse des Gerichts angeordnet werden. Der Kanzler treibt diese Beträge von der Partei ein, die zu ihrer Erstattung verurteilt worden ist.

60 Mit Beschluss vom 26. Juni 2000 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Kläger Prozesskostenhilfe bis zu einem Hoechstbetrag von 8 000 EUR bewilligt. Ein Vorschuss in Höhe von 3 000 EUR ist dem Rechtsanwalt des Klägers für dessen Auslagen und Honorare gewährt worden. Die EIB hat daher an die Kasse des Gerichts einen Betrag in Höhe von 3 000 EUR oder einen anderen niedrigeren Betrag zu zahlen, den der Kläger als mit dem Verfahren in der Hauptsache zusammenhängende Kosten belegt. Sollten die Kosten des Verfahrens in der Hauptsache 3 000 EUR übersteigen, so müsste der verbleibende Betrag von der EIB unmittelbar an den Kläger gezahlt werden.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Europäische Investitionsbank wird verurteilt, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 25 000 EUR als Ersatz seines immateriellen Schadens zu zahlen.

2. Die Europäische Investitionsbank trägt die Kosten des Verfahrens in der Hauptsache.

3. Die Europäische Investitionsbank hat an die Kasse des Gerichts einen Betrag in Höhe von 3 000 EUR oder einen anderen niedrigeren Betrag zu zahlen, den der Kläger als Kosten des Verfahrens in der Hauptsache belegt.

4. Was das Verfahren der einstweiligen Anordnung angeht, tragen die Parteien jeweils ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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