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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: T-117/05
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/43/EWG, Entscheidung 2004/813/EG


Vorschriften:

Richtlinie 92/43/EWG
Entscheidung 2004/813/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

19. September 2006

"Nichtigkeitsklage - Richtlinie 92/43/EWG - Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - Entscheidung 2004/813/EG - Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region - Unmittelbar und individuell betroffene Personen - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-117/05

Andreas Rodenbröker, wohnhaft in Hövelhof (Deutschland), und die 81 übrigen im Anhang des vorliegenden Beschlusses genannten Kläger, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Glatzel,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und B. Schima als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/813/EG der Kommission vom 7. Dezember 2004 gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region (ABl. L 387, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, des Richters J. D. Cooke und der Richterin V. Trstenjak,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen

1 Am 21. Mai 1992 erließ der Rat die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitat-Richtlinie).

2 Die Habitat-Richtlinie hat nach ihrem Artikel 2 Absatz 1 zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der EG-Vertrag Geltung hat, beizutragen.

3 Nach ihrem Artikel 2 Absatz 2 zielen die zu ihrer Anwendung getroffenen Maßnahmen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

4 Nach der sechsten Begründungserwägung der Habitat-Richtlinie sind zur Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete auszuweisen, um nach einem genau festgelegten Zeitplan ein zusammenhängendes europäisches ökologisches Netz zu schaffen.

5 In Artikel 1 Buchstabe l der Habitat-Richtlinie wird das besondere Schutzgebiet definiert als "ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden".

6 Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Habitat-Richtlinie sieht die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" vor, das aus Gebieten besteht, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I der Habitat-Richtlinie sowie die Habitate der Arten ihres Anhangs II umfassen, und das den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten muss.

7 Anhang I der Habitat-Richtlinie enthält die natürlichen Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen; ihr Anhang II enthält die Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

8 Artikel 4 der Habitat-Richtlinie sieht ein dreiphasiges Verfahren für die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete vor. Nach Absatz 1 legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. Binnen drei Jahren nach Bekanntgabe der Habitat-Richtlinie wird der Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationen über die einzelnen Gebiete zugeleitet.

9 Nach Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie erstellt die Kommission aus diesen Listen auf der Grundlage der in Anhang III der Richtlinie festgelegten Kriterien jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung. Die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung wird von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richtlinie festgelegt.

10 Ist ein Gebiet aufgrund des in Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so bestimmt Artikel 4 Absatz 4, dass der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich - spätestens aber binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet ausweist und dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach festlegt, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.

11 Nach Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie unterliegt ein Gebiet, sobald es in die von der Kommission erstellte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen ist, den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4.

12 Artikel 6 der Habitat-Richtlinie betrifft die zum Schutz der besonderen Schutzgebiete nötigen Maßnahmen. Er lautet:

"(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

13 Am 7. Dezember 2004 erließ die Kommission auf der Grundlage von Artikel 4 der Habitat-Richtlinie die Entscheidung 2004/813/EG gemäß der Habitat-Richtlinie zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region (ABl. L 387, S. 1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Auf dieser Liste, die in Anhang I der angefochtenen Entscheidung enthalten ist, befinden sich u. a. folgende Gebiete:

- DE4117301 Sennebäche;

- DE4117302 Holter Wald;

- DE4118301 Senne mit Stapellager Senne.

14 Zu den Klägern gehört Carl Stefan Biermeier, der ein Grundstück gepachtet hat und bewirtschaftet, das sich in einem der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der angefochtenen Entscheidung befindet (Gebiet DE4118301).

15 Das Gebiet DE4117301 gehört zur Gemeinde Hövelhof. Diese Gemeinde macht nicht geltend, Eigentümerin von Grundstücken in den von der angefochtenen Entscheidung erfassten Gebieten zu sein.

16 Einige Kläger sind Eigentümer von Grundstücken außerhalb der genannten Gebiete, die aber entweder von den innerstaatlichen Behörden zur Einstufung als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung vorgeschlagen wurden (Gebiet DE4118401, Vogelschutzgebiet Senne mit Teutoburger Wald) oder sich in der Nähe eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung befinden. Es handelt sich u. a. um die Bussemas & Pollmeier GmbH & Co. KG und um Manfred Jürgenliemke.

17 Andere Kläger (Gabriele Berenbrinker, Josef Biermeier, Karl-Heinz Deppe, Heinz Göke, Franz-Josef Kipshagen, Heike Meuser sowie Anton und Irene Rampsel) sind Eigentümer sowohl von Grundstücken außerhalb der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung als auch von Grundstücken in diesen Gebieten, auf denen sie wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

18 Schließlich sind einige Kläger Eigentümer von Grundstücken in den ausgewiesenen Gebieten und betreiben dort land- oder forstwirtschaftliche Betriebe, Fischzucht oder Gastronomie.

Verfahren

19 Mit Klageschrift, die am 9. März 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

20 Mit besonderem Schriftsatz, der am 25. März 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger gemäß Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts und den Artikeln 242 EG und 243 EG einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung und auf Erlass einstweiliger Anordnungen gestellt. Die Kommission hat ihre Stellungnahme am 13. April 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, und die Kläger haben darauf am 21. April 2005 geantwortet. Die Kommission hat sodann mitgeteilt, dass sie sich nicht nochmals äußern möchte. Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf einstweilige Anordnung am 5. Juli 2005 zurückgewiesen.

21 Mit besonderem Schriftsatz, der am 12. Mai 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Kläger haben zu dieser Einrede am 19. Juli 2005 Stellung genommen.

Anträge der Parteien

22 Die Kläger beantragen,

- die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die Ausweisung der Gebiete DE4117301, DE4118301, DE4118401 und DE4117302 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

24 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch den Akteninhalt für ausreichend unterrichtet, um ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

25 Die Kommission hat, nachdem sie die Unklarheit und Unschlüssigkeit der Klageschrift gerügt sowie den Klägern ein Rechtsschutzinteresse und der angefochtenen Entscheidung die Eigenschaft als anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 Absatz 1 EG abgesprochen hat, ihre Einrede der Unzulässigkeit auf die unmittelbare und individuelle Betroffenheit der Kläger im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG konzentriert. Darauf ist als Erstes einzugehen.

26 In Artikel 230 Absatz 4 EG heißt es: "Jede natürliche oder juristische Person kann ... gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen."

27 Da die angefochtene Entscheidung unstreitig nicht an die Kläger gerichtet ist, sondern nur an die Mitgliedstaaten, ist zu prüfen, ob diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft.

28 Im Hinblick darauf, dass sich die Rechtslage der klagenden Privatpersonen erheblich von der der klagenden Gemeinde unterscheidet, der keine Grundstücke in Gebieten gehören, die in der angefochtenen Entscheidung als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft werden, ist es angebracht, den Sachverhalt für diese beiden Gruppen von Klägern gesondert zu prüfen.

Zur Betroffenheit der klagenden Privatpersonen

Vorbringen der Parteien

29 Die Kommission ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung allgemeine Regelungen mit normativem Charakter zum Inhalt habe und daher selbst eine Handlung von allgemeiner Geltung sei, so dass die klagenden Privatpersonen nicht unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG seien. Da die Rechtsstellung und nicht die faktische Lage zu berücksichtigen sei (Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2000 in den Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98, Salamander u. a./Parlament und Rat, Slg. 2000, II-2487, Randnr. 62), reiche eine etwaige durch die angefochtene Entscheidung ausgelöste Wertminderung ihrer Grundstücke nicht aus, um ihre unmittelbare Betroffenheit zu begründen.

30 Auch aus Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie, wonach ein Gebiet, sobald es in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen sei, den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie unterliege, ergebe sich keine unmittelbare Betroffenheit der klagenden Privatpersonen.

31 Die streitigen Bestimmungen stellten im Wesentlichen richtlinienähnliche Bestimmungen dar, durch die dem Einzelnen keine Verpflichtungen auferlegt werden könnten. So begründe Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie nur Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten und nicht für den Einzelnen.

32 Um festzustellen, ob ein Kläger unmittelbar betroffen sei, müsse geprüft werden, ob der Inhalt des Handelns der Mitgliedstaaten aus den angefochtenen Bestimmungen abgeleitet werden könne, ohne dass sie über ein Ermessen verfügten. Im vorliegenden Fall lasse sich nicht feststellen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich durch die angefochtene Entscheidung die Rechte der klagenden Privatpersonen änderten. Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie belasse den Mitgliedstaaten zumindest in zwei Punkten einen Ermessensspielraum: in der Frage, wann sich eine Störung erheblich auswirken könne, und bei der Prüfung, welche Maßnahmen geeignet seien, um Verschlechterungen und Störungen zu vermeiden. In gleicher Weise belasse Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitat-Richtlinie den Mitgliedstaaten insofern einen Ermessensspielraum, als sich das Erfordernis einer Prüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zwangsläufig erst im Zusammenhang mit einem konkreten Plan oder Projekt rechtlich auswirken könne.

33 Wie sich im Wege der Analogie aus dem Beschluss des Gerichts vom 10. September 2002 in der Rechtssache T-223/01 (Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, Slg. 2002, II-3259) ergebe, unterwerfe Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie die klagenden Privatpersonen keinen Beschränkungen. Bevor es zu solchen Beschränkungen für Privatpersonen aufgrund der Habitat-Richtlinie kommen könne, müsse der Mitgliedstaat immer zuerst die Notwendigkeit des Einschreitens prüfen und bejahen und anschließend über die geeignete Art des Einschreitens entscheiden. Gehe es etwa um eine bestimmte Nutzung eines Grundstücks, so könne er diese gänzlich untersagen, sie mit oder ohne Auflagen oder Bedingungen genehmigen oder selbst oder durch Dritte Maßnahmen zum Ausgleich der Nachteile der fraglichen Nutzung treffen.

34 Aus all diesen Erwägungen folge, dass die klagenden Privatpersonen von der angefochtenen Entscheidung nicht unmittelbar betroffen seien.

35 Die klagenden Privatpersonen führen unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P (Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309) aus, sie seien unmittelbar betroffen, da die Einstufung ihrer Grundstücke als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie unmittelbare bindende Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung habe. Die Fragen, ob und wann eine Störung vorliege, ob und wann sie als erheblich angesehen werden könne und welche Maßnahme zur Vermeidung der Störung geeignet sei, blieben sodann der Beurteilung und Verantwortung der klagenden Privatpersonen überlassen.

36 Die nationale Unterschutzstellung eines Gebietes erfolge automatisch und sei bindend. Zum gleichen Ergebnis führten im Übrigen die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Habitat-Richtlinie. Entsprechendes gelte für die Verwaltungspraxis. Die innerstaatlichen Behörden beschränkten sich darauf, auf das Gemeinschaftsrecht zu verweisen, ohne konkrete eigene Beurteilungen vorzunehmen oder gar einen eigenen Ermessensspielraum in Anspruch zu nehmen.

37 Aufgrund des Verschlechterungsverbots und des Erfordernisses einer Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie müssten die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen ergreifen; daraus ergebe sich eine Beeinträchtigung der freien Ausübung des Eigentums- oder Nutzungsrechts der klagenden Privatpersonen.

38 Insoweit verfügten die Mitgliedstaaten über keinen Ermessensspielraum, da alle Maßnahmen zu ergreifen seien, mit denen die Störungen oder Verschlechterungen vermieden werden könnten. Zwischengeschaltete nationale Maßnahmen seien dazu nicht erforderlich und hätten nur deklaratorische Bedeutung. Auch wenn die Gemeinschaftsvorschriften eine Handlungspflicht der innerstaatlichen Behörden auslösten, sei diese nicht Voraussetzung für die Handlungspflicht der klagenden Privatpersonen. Die Beurteilung und die Verantwortung in Bezug auf die Erheblichkeit von Störungen und die Geeignetheit von Maßnahmen im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie oblägen letztlich allein den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten der Grundstücke und damit den klagenden Privatpersonen.

39 Durch die nach Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie vorzunehmende Verträglichkeitsprüfung sollten etwaige Summations- und Fernwirkungen erfasst werden. Die Wirkungen der Habitat-Richtlinie erstreckten sich daher auch auf die Umgebung der als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuften Gebiete. Folglich seien auch Grundstücke außerhalb der genannten Gebiete unmittelbar betroffen.

40 Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich von der Rechtssache Japan Tobacco und IT International/Parlament und Rat, auf die die Kommission in ihrer Einrede der Unzulässigkeit Bezug genommen habe. In der Tabakrichtlinie, die Gegenstand dieser Rechtssache gewesen sei, sei offen geblieben, ob die Bezeichnung "mild" ausdrücklich verboten werde oder ob der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie eine offenere Formulierung wählen könne, so dass die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügt hätten.

41 Schließlich machen die klagenden Privatpersonen - wie auch die klagende Gemeinde - geltend, bei einer Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig wäre für sie kein hinreichender gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Andere Rechtsschutzmöglichkeiten hätten sie nicht. Insbesondere bestehe nicht die Möglichkeit, die hier entscheidungserhebliche Frage im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nationaler Gerichte gemäß Artikel 234 EG zu prüfen, da es sich bei der Gemeinschaftsliste um einen Akt eines Gemeinschaftsorgans handele, der der Zuständigkeit der deutschen Gerichte entzogen sei. Dies bedeute, dass die nationalen Gerichte nicht prüfen dürften, ob die Kommission die Grundstücke der Kläger zu Unrecht in die angefochtene Entscheidung aufgenommen habe.

42 Die Kommission hält dem entgegen, im Fall der Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig behielten die Kläger die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die verpflichtet seien, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG zu ihrer Rechtmäßigkeit zu befragen.

Würdigung durch das Gericht

43 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn sich die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere Vorschriften angewandt werden (vgl. Urteil Dreyfus/Kommission, Randnr. 43 und die dort genannte Rechtsprechung, und Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 52)

44 Das Gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, ihm nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt (Urteil Dreyfus/Kommission, Randnr. 44).

45 Die klagenden Privatpersonen machen u. a. geltend, die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie vorgesehene Schutzregelung, der ihre Grundstücke durch die angefochtene Entscheidung unterstellt würden, habe für sie unmittelbare negative Folgen wie das Verschlechterungsverbot und die Pflicht zur Vornahme einer Verträglichkeitsprüfung der dort durchgeführten Projekte.

46 Es ist zwar richtig, dass nach Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie ein Gebiet, sobald es in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen ist, den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie unterliegt, doch ist zu prüfen, ob die letztgenannten Bestimmungen den einzelstaatlichen Behörden einen Ermessensspielraum lassen.

47 Nach Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten in den besonderen Schutzgebieten "die geeigneten Maßnahmen [treffen], um ... die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten". Das in dieser Bestimmung verwendete Adjektiv "geeignet" macht deutlich, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall beurteilen müssen, ob und, wenn ja, welche Art von Maßnahmen zu treffen sind, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen der Arten, für die die Gebiete im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie ausgewiesen worden sind, zu vermeiden. Außerdem dürfen die geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen der Lebensräume und Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, nur getroffen werden, sofern "solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten". Ob sich eine Störung im Hinblick auf die Ziele der Habitat-Richtlinie erheblich auswirken kann, ist somit von den einzelstaatlichen Behörden zu beurteilen.

48 Aus diesen Erwägungen folgt, dass Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie den Mitgliedstaaten entgegen dem Vorbringen der klagenden Privatpersonen einen Ermessensspielraum lässt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Urteil des Gerichtshofes vom 7. September 2004, Slg. I-7405, I-7409, Nr. 133).

49 Nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Habitat-Richtlinie erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, das Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass nur Pläne oder Projekte, die ein Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, einer Prüfung bedürfen. Denn nach Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie hängt das Erfordernis einer Prüfung von Plänen oder Projekten auf Verträglichkeit davon ab, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass sie das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 2005 in der Rechtssache C-6/04, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2005, I-9017, Randnr. 54).

50 Eine solche Gefahr besteht, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Plan oder das Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigt (Urteile Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Randnrn. 44 und 45, und Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 54). Die Frage, ob und aufgrund welcher Kriterien ein Plan oder Projekt diese Voraussetzung erfüllt, bedarf gleichwohl zwingend einer Beurteilung durch die einzelstaatlichen Behörden (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache C-98/03, Kommission/Deutschland, Urteil des Gerichtshofes vom 10. Januar 2006, Slg. 2006, I-53, I-57, Randnr. 38). Folglich brauchen die Mitgliedstaaten nicht alle Pläne oder Projekte der klagenden Privatpersonen einer Prüfung auf ihre Verträglichkeit für das betreffende Gebiet zu unterziehen.

51 Sind die einzelstaatlichen Behörden der Ansicht, dass ein Projekt die betreffenden Gebiete erheblich beeinträchtigen könnte, so müssen sie nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit der zehnten Begründungserwägung der Habitat-Richtlinie eine geeignete Prüfung der Verträglichkeit des Projekts für die betreffenden Gebiete vornehmen. Das Adjektiv "geeignet" zeigt, dass es ein Ermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Art der vorzunehmenden Prüfung gibt. Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 der Habitat-Richtlinie lautet: "Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben." Es ist Sache der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, im Hinblick auf die Ergebnisse der Prüfung der Verträglichkeit des Planes oder Projekts für das betreffende Gebiet einen solchen Plan oder ein solches Projekt nur zu genehmigen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. Insoweit verfügen die einzelstaatlichen Behörden über ein Ermessen, das sie nach den in Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie festgelegten Modalitäten ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Randnrn. 67 und 70).

52 Außerdem sieht Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie, unter dessen Vorbehalt Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie steht, unter bestimmten Bedingungen vor, dass ein Plan oder Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 genehmigt werden kann. Die einzelstaatlichen Behörden verfügen offenkundig über ein Ermessen in Bezug auf die Frage, ob ein Plan oder Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses durchzuführen ist.

53 Folglich sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, von den klagenden Privatpersonen gefasste Pläne oder in Angriff genommene Projekte zu verbieten. Ein etwaiges Verbot eines dieser Projekte würde sich nicht aus der Richtlinie ergeben, sondern aus der Entscheidung des jeweiligen Mitgliedstaats, die angefochtene Entscheidung und die Habitat-Richtlinie im Einzelfall in bestimmter Weise umzusetzen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 22. Juni 2006 in den Rechtssachen T-136/04, Freiherr von Cramer-Klett und Rechtlerverband Pfronten/Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 47 und 52, T-137/04, Mayer u. a./Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 60 und 65, und T-150/05, Sahlstedt u. a./Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 54 und 59; vgl. in diesem Sinne auch analog Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 68, und Beschluss Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, Randnrn. 51 ff.).

54 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Aufnahme eines Gebietes in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keinen genauen Hinweis auf die Maßnahmen gibt, die von den einzelstaatlichen Behörden im Einklang mit den Bestimmungen der Habitat-Richtlinie getroffen werden.

55 Die klagenden Privatpersonen - wie auch die klagende Gemeinde - berufen sich schließlich im Wesentlichen auf ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

56 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Vertrag mit seinen Artikeln 230 EG und 241 EG einerseits und mit seinem Artikel 234 EG andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen hat, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe gewährleisten soll, mit der der Gemeinschaftsrichter betraut wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23). Nach diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikels 230 Absatz 4 EG Gemeinschaftshandlungen von allgemeiner Geltung nicht unmittelbar anfechten können, die Möglichkeit, je nach den Umständen des Falles die Ungültigkeit solcher Handlungen entweder inzident nach Artikel 241 EG vor dem Gemeinschaftsrichter oder aber vor den nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten Handlungen feststellen können (Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 20), zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 40).

57 Es ist somit Sache der Mitgliedstaaten, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 41).

58 In diesem Rahmen haben die nationalen Gerichte gemäß dem in Artikel 10 EG aufgestellten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften über die Einlegung von Rechtsbehelfen möglichst so auszulegen und anzuwenden, dass natürliche und juristische Personen die Rechtmäßigkeit jeder nationalen Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der eine Gemeinschaftshandlung von allgemeiner Geltung auf sie angewandt wird, gerichtlich anfechten und sich dabei auf die Ungültigkeit dieser Handlung berufen können (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 42).

59 Auch wenn die Kläger nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung verlangen können, so können sie daher doch gegen die sie berührenden nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Habitat-Richtlinie und der angefochtenen Entscheidung vorgehen, und in diesem Zusammenhang bleibt ihnen die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die unter Beachtung des Artikels 234 EG entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-70/97 P, Kruidvat/Kommission, Slg. 1998, I-7183, Randnr. 49; Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2000 in der Rechtssache T-45/00, Conseil national des professions de l'automobile u. a./Kommission, Slg. 2000, II-2927, Randnr. 26).

60 Folglich sind die klagenden Privatpersonen von der angefochtenen Entscheidung nicht unmittelbar betroffen, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob sie von ihr individuell betroffen sind.

Zur individuellen Betroffenheit der klagenden Gemeinde

Vorbringen der Parteien

61 Zur individuellen Betroffenheit der klagenden Gemeinde trägt die Kommission nach Hervorhebung der Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen C-309/89 (Codorníu/Rat, Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994, Slg. 1994, I-1853) und T-13/99 (Pfizer Animal Health/Rat, Urteil des Gerichts vom 11. September 2002, Slg. 2002, II-3305) vor, dass die klagende Gemeinde nicht zu einem geschlossenen Kreis bei Erlass der Handlung feststehender Personen gehöre, deren Rechte die Kommission hätte regeln wollen.

62 Selbst wenn man unterstelle, dass die angefochtene Entscheidung der klagenden Gemeinde bestimmte Pflichten auferlegen könnte, wäre dies nur die Folge eines objektiv umschriebenen Tatbestands, nämlich der im Anhang der angefochtenen Entscheidung angegebenen geografischen Lage der Gebiete. Die klagende Gemeinde werde auch nicht dadurch individualisiert, dass spezifische Bestimmungen die Kommission verpflichten würden, den Auswirkungen der fraglichen Maßnahme auf ihre Lage Rechnung zu tragen, denn eine solche Verpflichtung bestehe nicht. Im Übrigen sehe keine Rechtsvorschrift einen Anspruch der klagenden Gemeinde auf rechtliches Gehör vor. Dass sie nach ihren Angaben in einem innerstaatlichen Anhörungsverfahren als Beteiligte anzuhören gewesen und auch angehört worden sei, sei insoweit völlig unbeachtlich.

63 Jeder allgemeine Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts, mit dem den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt würden, könne je nach deren institutioneller Struktur dazu führen, dass die Beachtung dieser Verpflichtungen verschiedenen innerstaatlichen Gebietskörperschaften obliege. Die Lage der klagenden Gemeinde unterscheide sich nicht von der Lage anderer innerstaatlicher Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit territorialer Zuständigkeit für Gebiete, die in der angefochtenen Entscheidung als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft würden. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass jeder innerstaatliche Rechtsträger, der aufgrund der nationalen Kompetenzordnung mit der Durchführung eines Rechtsakts des Gemeinschaftsrechts betraut sei, berechtigt wäre, gegen diesen Rechtsakt Nichtigkeitsklage zu erheben. Dadurch würde die Neutralität des Gemeinschaftsrechts gegenüber den nationalen Verfassungsordnungen schwer beeinträchtigt.

64 Die klagende Gemeinde macht geltend, der Unterschied zwischen ihr und anderen Rechtsträgern des nationalen Rechts, die territorial für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung zuständig seien, bestehe darin, dass es in ihrem Gebiet die nach der Habitat-Richtlinie schützenswerten Tier- und Pflanzenarten überhaupt nicht gebe. Sie beruft sich ferner auf das Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1984 in der Rechtssache 222/83 (Gemeinde Differdange u. a./Kommission, Slg. 1984, 2889), in der fünf luxemburgische Gemeinden eine an das Großherzogtum Luxemburg gerichtete Entscheidung der Kommission über Beihilfen für bestimmte Stahlunternehmen angefochten hätten. In diesem Urteil habe der Gerichtshof die Parteifähigkeit der Gemeinden stillschweigend vorausgesetzt; das Gleiche müsse auch für die klagende Gemeinde gelten.

65 Die klagende Gemeinde führt weiter aus, die ihr nach Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes zustehende Gebietshoheit umfasse die Planungshoheit, d. h. die Befugnis, Entwicklungen längerfristig zu steuern und insbesondere für ihr eigenes Gebiet die Bodennutzung festzulegen. Diese Befugnis werde durch die Einstufung bestimmter Teile ihres Territoriums als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingeschränkt.

66 Sie werde nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875) auch durch das Recht auf Verfahrensbeteiligung individualisiert. Sie habe nämlich im innerstaatlichen Anhörungsverfahren, das Teil der ersten Phase des in Artikel 4 der Habitat-Richtlinie vorgesehenen Verfahrens sei, angehört werden müssen und sei auch angehört worden.

67 Aufgrund des Erfordernisses des Umgebungsschutzes sei ihre individuelle Betroffenheit auch für den Teil ihres Territoriums zu bejahen, der sich außerhalb der ausgewiesenen Gebiete, aber in deren Nähe befinde.

68 Schließlich macht die klagende Gemeinde auf der Grundlage der in Randnummer 41 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Erwägungen geltend, bei einer Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig wäre für sie kein hinreichender gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Die Kommission ist auf der Grundlage der in Randnummer 42 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Erwägungen gegenteiliger Meinung.

Würdigung durch das Gericht

69 Es ist zu prüfen, ob die klagende Gemeinde von der angefochtenen Entscheidung wegen bestimmter besonderer Eigenschaften oder aufgrund von Umständen betroffen ist, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie deshalb in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten der angefochtenen Entscheidung (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238, und vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-142/00 P, Kommission/Nederlandse Antillen, Slg. 2003, I-3483, Randnr. 65).

70 Die klagende Gemeinde leitet ihre individuelle Betroffenheit im Wesentlichen insbesondere aus ihrer Gebietshoheit sowie aus dem Umgebungsschutz ab.

71 Was das auf die Gebietshoheit der klagenden Gemeinde gestützte Argument anbelangt, so kann, selbst wenn man unterstellt, dass sie für die Umsetzung der Habitat-Richtlinie zuständig ist, diese Zuständigkeit sie nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individualisieren. Insoweit unterscheidet sich ihre rechtliche Situation nämlich nicht von der Situation jeder anderen innerstaatlichen Behörde, die mit der Umsetzung der Habitat-Richtlinie und insbesondere ihres Artikels 6 Absätze 2 bis 4 betraut ist.

72 Es trifft zu, dass die auf einzelstaatlicher Ebene für die Umsetzung der Habitat-Richtlinie zuständigen Behörden nach Artikel 6 der Richtlinie verpflichtet sind, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen zu treffen, insbesondere Maßnahmen zur Vermeidung der Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten (Absatz 2) und Maßnahmen zur Prüfung der Verträglichkeit von Plänen oder Projekten, die ein ausgewiesenes Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten (Absatz 3). Die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung werden jedoch in der angefochtenen Entscheidung in allgemeiner und abstrakter Weise festgelegt, da nicht an konkrete Personen angeknüpft wird, sondern an Gebietsteile. Auch wenn Letztere stark eingegrenzt sind, werden sie gleichwohl nur anhand der Bezeichnung, der Fläche und der geografischen Koordinaten eines Gebietes bestimmt, also anhand allgemeiner und abstrakter Kriterien.

73 Angesichts des allgemeinen und abstrakten Charakters der Festlegung der in der angefochtenen Entscheidung ausgewiesenen Gebiete wirkt sich der etwaige Einfluss der aus der Habitat-Richtlinie resultierenden Verpflichtungen auf die Ausübung der Gebietshoheit der klagenden Gemeinde in gleicher Weise bei jeder anderen Gemeinde aus, in deren Territorium ein in der angefochtenen Entscheidung ausgewiesenes Gebiet liegt. Im Übrigen kann, wie die Kommission in ihrer Einrede der Unzulässigkeit zutreffend ausführt, jeder allgemeine Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts, mit dem den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt werden, je nach deren institutioneller Struktur dazu führen, dass die Beachtung dieser Verpflichtungen verschiedenen innerstaatlichen Gebietskörperschaften obliegt. Vorliegend unterscheidet sich die Lage der klagenden Gemeinde daher nicht von der Lage anderer innerstaatlicher Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit territorialer Zuständigkeit für Gebiete, die in der angefochtenen Entscheidung als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft werden.

74 Insoweit ist daran zu erinnern, dass das allgemeine Interesse, das eine regionale oder lokale Verwaltungsbehörde als zuständige Behörde für die in ihrem Gebiet auftretenden Wirtschafts- und Sozialfragen an einem für den Wohlstand dieses Gebietes günstigen Ergebnis haben kann, für sich genommen nicht ausreicht, um sie als von Handlungen mit allgemeiner Geltung betroffen im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-452/98, Nederlandse Antillen/Rat, Slg. 2001, I-8973, Randnr. 64, und Urteil Kommission/Nederlandse Antillen, Randnr. 69).

75 Zu dem auf den Umgebungsschutz gestützten Argument genügt die Feststellung, dass die angefochtene Entscheidung nicht die Umgebung betrifft.

76 In dem von der klagenden Gemeinde angeführten Urteil Gemeinde Differdange u. a./Kommission hat der Gerichtshof zwar die Klage insbesondere wegen des den innerstaatlichen Behörden in der dort angefochtenen Entscheidung eingeräumten Ermessensspielraums zurückgewiesen, aber nicht allgemein zur Frage der individuellen Betroffenheit von Gemeinden im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG Stellung genommen.

77 Die klagende Gemeinde macht weiter geltend, dass es die in der Habitat-Richtlinie aufgezählten schützenswerten Tier- und Pflanzenarten in ihrem Gebiet nicht gebe. Dieser angebliche Irrtum der Kommission bei der Ausweisung eines Teils des Territoriums der klagenden Gemeinde als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung betrifft aber nur die Begründetheit der vorliegenden Klage und kann daher die klagende Gemeinde nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG nach dessen Auslegung durch die Rechtsprechung individualisieren.

78 Die klagende Gemeinde verfügt auch nicht über ein Recht auf Verfahrensbeteiligung, das sie im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 2. Februar 1988 in den Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85 (Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219, Randnrn. 22 ff.) oder des Urteils des Gerichts vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93 (Métropole télévision/Kommission, Slg. 1996, II-649, Randnr. 62) individualisieren könnte.

79 Nach ständiger Rechtsprechung verlangen - grundsätzlich - weder das Verfahren zur Ausarbeitung allgemein geltender Rechtsakte noch diese Rechtsakte selbst nach den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie dem Anspruch auf rechtliches Gehör eine Beteiligung der betroffenen Personen, da davon ausgegangen wird, dass ihre Interessen durch die für den Erlass dieser Rechtsakte zuständigen politischen Instanzen wahrgenommen werden (Beschlüsse des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T-109/97, Molkerei Großbraunshain und Bene Nahrungsmittel/Kommission, Slg. 1998, II-3533, Randnr. 60, und vom 9. November 1999 in der Rechtssache T-114/99, CSR Pampryl/Kommission, Slg. 1999, II-3331, Randnr. 50).

80 Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-48/96 P, Windpark Groothusen/Kommission, Slg. 1998, I-2873, Randnr. 47; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, I-2885, Randnrn. 39 und 40) die Gewährung rechtlichen Gehörs für die Betroffenen vor Erlass des Rechtsakts, der sie betrifft, nur dann erforderlich, wenn die Kommission beabsichtigt, eine Sanktion zu verhängen oder eine Maßnahme zu treffen, die die Rechtsstellung der Betroffenen beeinträchtigen kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen eines eine bestimmte Person betreffenden Verwaltungsverfahrens lässt sich nicht auf ein Gesetzgebungsverfahren übertragen, das zum Erlass von Maßnahmen mit allgemeiner Geltung führt. Die ständige Rechtsprechung im Bereich des Wettbewerbs, wonach die Unternehmen, gegen die der Verdacht eines Verstoßes gegen die Regeln des Vertrages besteht, mit ihren Erklärungen anzuhören sind, bevor Maßnahmen, insbesondere Sanktionen, gegen sie verhängt werden, ist in ihrem spezifischen Kontext zu sehen und kann nicht auf ein gemeinschaftliches Gesetzgebungsverfahren erstreckt werden, das zum Erlass von Rechtsvorschriften führt, die eine wirtschaftspolitische Entscheidung einschließen und für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten (Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./EG, Slg. 1996, II-1707, Randnr. 70).

81 Die klagende Gemeinde - wie auch die klagenden Privatpersonen - leitet ihre Klagebefugnis schließlich im Wesentlichen aus ihrem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ab.

82 Aus den bereits in den Randnummern 56 ff. des vorliegenden Beschlusses genannten Gründen greift dieses Argument nicht durch.

83 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die klagende Gemeinde von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen ist, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob sie von ihr unmittelbar betroffen ist.

84 Nach alledem ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

85 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Luxemburg, den 19. September 2006



Ende der Entscheidung

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