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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 01.12.1999
Aktenzeichen: T-125/96
Rechtsgebiete: EWG, VerfO EuG, VerfO, RL 96/22


Vorschriften:

EWG Art. 43
EWG Art. 184
EWG Art. 36
VerfO EuG Art. 114
VerfO Art. 50
RL 96/22 Art. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Es verstösst weder gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit, des Vertrauensschutzes und der ordnungsmässigen Verwaltung noch gegen Artikel 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG), daß die Richtlinie 96/22 über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von ß-Agonisten in der tierischen Erzeugung den Mitgliedstaaten vorschreibt, das Inverkehrbringen von ß-Agonisten zur Verabreichung an Tiere, deren Fleisch und sonstigen Erzeugnisse zum Verzehr durch den Menschen bestimmt sind, zu verbieten, und insoweit nicht zwischen der rechtswidrigen Verwendung zur Mästung und dem bis dahin zulässigen Einsatz zu therapeutischen Zwecken unterscheidet.

Was den Grundsatz der Verhältnismässigkeit angeht, so liegt - bei Berücksichtigung der beiden vom Rat verfolgten Zwecke des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik - weder in der Annahme des Rates, daß ein allgemeines Verbot unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes die vorzugswürdige Lösung sei, noch in seiner Erwägung, daß nur diese Maßnahme das Vertrauen der Verbraucher wiederherstellen könne, ein offensichtlicher Beurteilungsfehler. Die daraus folgenden Beschränkungen für die wirtschaftliche Verwertung von Tierarzneimitteln, die bestimmte Arzneimittelhersteller in der Vergangenheit entwickelt haben und die patentrechtlich nicht mehr geschützt sind, bilden angesichts der vorgenannten Zwecke des Allgemeininteresses auch keine unangemessene oder unvertretbare Einbusse.

Was die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der ordnungsmässigen Verwaltung anbelangt, so durfte der Rat, da hinsichtlich der Kriterien für die Ablehnung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen keine genauen Zusicherungen gemacht worden waren, für die Zukunft ein Verbot wie das fragliche erlassen und zu dem Ergebnis gelangen, daß dies das geeignetste Mittel sei, um die menschliche Gesundheit zu schützen und die Besorgnisse der Verbraucher auszuräumen.

Was die Pflicht zur ordnungsmässigen Anhörung des Parlaments gemäß Artikel 43 EG-Vertrag betrifft, so sind die nach der Befassung des Parlaments mit dem Vorschlag des Rechtsakts vorgenommenen Änderungen der Form und des Inhalts des Rechtsakts, nämlich die Wahl einer Richtlinie anstelle einer Verordnung und die Einfügung einer unbedeutenden Ausnahmebestimmung, keine wesentlichen Änderungen, die eine erneute Anhörung des Parlaments erforderlich gemacht hätten.

2 Die Nichtigkeitsklage eines Arzneimittelherstellers, der auf der Grundlage ihm in mehreren Mitgliedstaaten erteilter Genehmigungen für das Inverkehrbringen clenbuterolhaltige Tierarzneimittel vertreibt, gegen die Verordnung Nr. 1312/96 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung Nr. 2377/90, mit der Hoechstmengen von Rückständen (HMR) aus der Verwendung von Clenbuterol nur für ganz spezifische therapeutische Zwecke festgesetzt werden, ist weder mangels eines Rechtsschutzinteresses noch mangels eines individuellen oder unmittelbaren Betroffenseins des Klägers unzulässig.

Indem diese Änderung die Gültigkeit der HMR für Clenbuterol auf bestimmte, genau bezeichnete therapeutische Indikationen beschränkt, kommt sie nämlich einem Verbot des Einsatzes dieses Erzeugnisses für jede andere therapeutische Indikation und damit einem Teilentzug der dem Kläger in mehreren Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen gleich. Die genannte Verordnung erzeugt damit verbindliche Rechtswirkungen, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können.

Da die Verordnung auf einen förmlichen Antrag des Klägers auf Festsetzung einer HMR für Clenbuterol erlassen wurde und er nach den einschlägigen Bestimmungen als für das Inverkehrbringen der betroffenen Tierarzneimittel Verantwortlicher ausdrücklich am Verfahren der Festsetzung der HMR zu beteiligen war, berührt die Verordnung den Kläger wegen bestimmter diesem zukommender Eigenschaften, die ihn im Hinblick auf die Verordnung aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben; die Verordnung betrifft den Kläger deshalb individuell. Sie betrifft ihn auch unmittelbar, da sie keiner Maßnahmen der Umsetzung in das innerstaatliche Recht bedarf und unmittelbar für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt.

3 Artikel 37 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes, wonach mit den aufgrund des Beitritts als Streithelfer gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden können, und Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach der Streithelfer den Rechtsstreit in der Lage annehmen muß, in der sich dieser zur Zeit des Beitritts befindet, hindern den Streithelfer nicht daran, neue und andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzubringen, sofern diese Argumente nicht den Rahmen des Rechtsstreits ändern und sofern mit der Streithilfe stets die Unterstützung der Anträge dieser Partei bezweckt wird.

So wird der in der Klageschrift festgelegte Rahmen eines auf einer Nichtigkeitsklage beruhenden Rechtsstreits nicht durch das erstmalige Vorbringen des Streithelfers, der Beklagte habe seine Befugnisse überschritten, geändert, wenn der Kläger einen Eingriff in seine Eigentumsrechte und seine Berufs- und Gewerbefreiheit gerügt hatte. Würde nämlich eine solche Überschreitung von Befugnissen nachgewiesen, so bedeutete dies notwendig einen rechtswidrigen Eingriff in die genannten Rechte.

4 Das Verfahren für die Festsetzung der Hoechstmengen von Tierarzneimittelrückständen (HMR) in Lebensmitteln tierischen Ursprungs gemäß der Verordnung Nr. 2377/90 dient einzig der Festlegung der Schwelle, unterhalb deren die Rückstände eines bestimmten Erzeugnisses, die in oder auf Lebensmitteln vorhanden sind, als ungefährlich für die menschliche Gesundheit gelten können. Sind die Gemeinschaftsorgane dennoch aus anderen Gründen, etwa zum Schutz der Gesundheit gegen die rechtswidrige Verwendung eines bestimmten Stoffs oder zur Wiederherstellung des diesbezueglichen Vertrauens der Verbraucher, der Auffassung, daß das Inverkehrbringen des in Frage stehenden Erzeugnisses zu untersagen sei, so haben sie die hierfür geeignete Vorgehensweise, wie den Erlaß einer das Inverkehrbringen des Erzeugnisses untersagenden Verordnung, zu wählen.

Auch wenn nach der Richtlinie 81/851 und der Verordnung Nr. 2309/93, die die Erteilung der nationalen und gemeinschaftlichen Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Tierarzneimitteln zum Gegenstand haben, die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produktes ausdrücklich zu versagen ist, wenn seine Verwendung aufgrund anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verboten ist, ist doch das Verfahren der Festsetzung einer HMR nach der Verordnung Nr. 2377/90 eigenständig und unterscheidet sich von den Verfahren zur Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen; dabei enthält die Verordnung Nr. 2377/90 keine Vorschrift, wonach ein Verbot des Inverkehrbringens berücksichtigt werden dürfte, um die Festsetzung einer HMR zu versagen.

Die Kommission hat deshalb ihre Befugnisse aus der Verordnung Nr. 2377/90 überschritten, indem sie die Gültigkeit der für Clenbuterol festgelegten HMR in der Verordnung Nr. 1312/96 auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen für Rinder und Equiden beschränkte.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 1. Dezember 1999. - Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH und C.H. Boehringer Sohn gegen Rat der Europäischen Union (T-125/96) und Kommission der Europäischen Gemeinschaften (T-152/96). - Richtlinie über das Verbot der Verwendung von ß-Agonisten in der tierischen Erzeugung - Verordnung über die Beschränkung der Gültigkeit von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände auf bestimmte therapeutische Zwecke - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. - Verbundene Rechtssachen T-125/96 und T-152/96.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

1 ß-Agonisten sind Stoffe, mit denen bei Mensch und Tier vor allem Erkrankungen der Atemwege behandelt werden.

2 Das Chlorhydrat von Clenbuterol (im folgenden: Clenbuterol) ist eine zur Kategorie der ß-Agonisten zählende chemische Verbindung, die als Wirkstoff in bestimmten Arzneimitteln verwendet wird. In der Tiermedizin hat es folgende therapeutische Wirkungen:

- bronchospasmolytische Wirkung (induzierte Weitung der Bronchien, um die Atmung bei einer Infektion der oberen Atemwege zu erleichtern);

- kardiale Stimulierung von Equiden und Rindern;

- Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen (herbeigeführte Lockerung des Uterus zur Erleichterung der Geburt).

3 Die erste Klägerin, die Böhringer Ingelheim Vetmedica GmbH (im folgenden: BI Vetmedica), entwickelt und vertreibt Tierarzneimittel. Sie ist eine Tochtergesellschaft der zweiten Klägerin, der C. H. Böhringer Sohn (im folgenden: Böhringer), und gehört dieser vollständig; Böhringer ist einer der zwanzig grössten Arzneimittelhersteller weltweit.

4 Die BI Vetmedica ist neben der Agraria Pharma GmbH (im folgenden: Agraria) der einzige Arzneimittelhersteller in der Europäischen Union, der einen ß-Agonisten, nämlich Clenbuterol, enthaltende Tierarzneimittel zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Nutztieren (zur Vermarktung bestimmte Tiere, deren Fleisch und Erzeugnisse vom Menschen verzehrt werden) herstellt und vertreibt. Da Agraria sein Clenbuterol enthaltendes Arzneimittel nur auf dem deutschen Markt vertreibt, erzielt es mit diesem Erzeugnis nur einen sehr geringen Umsatz. Nach eigenen Angaben entfallen auf die Klägerinnen "etwa 97 % der verkauften Tierarzneimittel, die von dem Verbot der ß-Agonisten erfasst werden", das die Richtlinie 96/22/EG des Rates vom 29. April 1996 über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von ß-Agonisten in der tierischen Erzeugung und zur Aufhebung der Richtlinien 81/602/EWG, 88/146/EWG und 88/299/EWG (ABl. L 125, S. 3) einführte, und "ungefähr 99 % der Tierarzneimittel in der Europäischen Union", die von der Verordnung (EG) Nr. 1312/96 der Kommission vom 8. Juli 1996 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Hoechstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 170, S. 8) betroffen sind. Auf schriftliche Fragen des Gerichts haben die Klägerinnen mitgeteilt, sie hätten 1995 aus dem Verkauf clenbuterolhaltiger Tierarzneimittel (sämtliche Anwendungsformen und Erzeugnisse) in den Mitgliedstaaten einen Umsatz von 13 528 063 DM erzielt.

5 Die BI Vetmedica und ihre Tochtergesellschaften produzieren und vertreiben die fraglichen Tierarzneimittel in den meisten Mitgliedstaaten aufgrund ihnen von den zuständigen nationalen Behörden erteilter Genehmigungen unter den - wiederum in den meisten Mitgliedstaaten eingetragenen - Handelsmarken Ventipulmine, Spasmobronchal, Ventipulmine-TMPS und Planipart. Das Medikament Planipart, mit dem die Tokolyse bei Rindern induziert wird, ist allerdings auch weiterhin zugelassen und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Ein Patent der Klägerinnen, das ihnen ein Monopol für die Verwendung von Clenbuterol gab, lief 1988 aus.

6 Obgleich ß-Agonisten keine Wachstumshormone sind, sind sie seit den achtziger Jahren auch wegen ihrer anabolischen Wirkung bekannt. Bei hoher Dosierung - einer weit höheren als für therapeutische Zwecke indiziert - haben sie eine starke "Neuverteilungswirkung", die die Bildung von Fettgeweben verlangsamt und den Abbau von Proteinen verringert. Zuechter können deshalb durch ihren Einsatz ein hohes Fleisch/Fett-Verhältnis bei den Tieren erzielen; nach Schätzungen lässt sich der Fleischanteil um 10 bis 26 % steigern und der Fettanteil um 10 bis 30 % senken.

7 Die von den Klägerinnen vertriebenen Tierarzneimittel auf Clenbuterolbasis können nach ihrer Beschaffenheit und wegen ihres im Verhältnis zu den Kosten geringen Gehalts von Clenbuterol unstreitig nicht rentabel eingesetzt werden, um diese "Neuverteilungswirkung" zu erzielen.

8 Ebenfalls unstreitig gibt es aber bestimmte Unternehmen und Privatpersonen, die Clenbuterol und andere ß-Agonisten als kostengünstig herstellbare chemische Grunderzeugnisse, in Form von Pudern oder hochkonzentrierten Lösungen, für die Rindermästung vertreiben.

9 Werden ß-Agonisten Tieren in einer höheren als einer therapeutisch indizierten Dosis verabreicht, so können sie bei ihnen bestimmte gesundheitsschädliche Nebenwirkungen hervorrufen, so etwa Störungen bei der Regulierung der Körpertemperatur, hormonale Störungen, einen beschleunigten Herzrhythmus, vermehrte Schweissabsonderung, Muskelzittern und geringere Streßresistenz. Ausserdem ist ihr Fleisch von weniger hoher Qualität; wegen der Verringerung des intramuskulären Fetts ist es dunkler, weniger zart und weniger schmackhaft.

10 Auch wenn die in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen ß-Agonisten, soweit sie Menschen oder Tieren zu therapeutischen Zwecken verabreicht werden, sichere Produkte sind, kann ihr Einsatz als Wachstumsmittel bei Nutztieren erwiesenermassen bestimmte Gefahren für die menschliche Gesundheit bergen. So haben ß-Agonisten-Rückstände im Fleisch von Tieren, denen hohe Dosen ohne therapeutischen Zweck verabreicht worden waren, bei einer bestimmten Zahl von Menschen Lebensmittelvergiftungen hervorgerufen, deren Hauptsymptome ein beschleunigter Herzrhythmus, starke Migräne, Zittern und Herzklopfen, Nervosität, Abfall des Blutdrucks und Muskelkrämpfe von mehrtägiger Dauer waren. Nach Angaben des Rates waren die davon am stärksten betroffenen Länder Spanien (1990: 135 Vergiftungsfälle, 1992: 200 Fälle, 1994: 136 Fälle), Frankreich (1990 : 22 Fälle) und Italien (1996: 62 Fälle).

11 Nach den Antworten der Parteien auf schriftliche Fragen des Gerichts waren das Inverkehrbringen und die Verwendung clenbuterolhaltiger Tierarzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen der Atemwege bei Rindern bereits vor Erlaß der Richtlinie 96/22 in verschiedenen Mitgliedstaaten (Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland und Schweden) und Drittstaaten (Argentinien, Australien, Kanada, Neuseeland und USA) verboten. Die Klägerinnen haben insoweit jedoch darauf hingewiesen, daß sie sich in diesen Ländern aus verschiedenen Gründen niemals um eine Zulassung bemüht hätten. Was Argentinien angehe, so habe es versucht, seinen Zugang zum Gemeinschaftsmarkt aufrechtzuerhalten.

12 In Fleisch für den menschlichen Verzehr gefundene Rückstände von ß-Agonisten führten wegen ihrer möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu einer erheblichen Beunruhigung der Öffentlichkeit der Mitgliedstaaten. In der Fach- wie auch der Tagespresse erschienen hierüber zahlreiche Artikel; es erschien auch eine Reihe von Studien, so im Oktober 1993 ein unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments entstandener Sachbericht der Schuman Associates.

13 Eine eingehende Untersuchung über den Mißbrauch von ß-Agonisten, die die Kommission in den Mitgliedstaaten zwischen 1990 und 1992 durchführte, ergab u. a., daß die Aufdeckung betrügerischer Handlungen insbesondere beim Einsatz von Clenbuterol durch die Verfügbarkeit der von den Klägerinnen vertriebenen Arzneimittel erschwert werde. Ließ sich nämlich feststellen, daß einem Tier Clenbuterol verabreicht worden war, so verteidigte sich der Zuechter damit, daß er rechtmässig eines dieser Arzneimittel verwendet habe.

14 Am 21. April 1993 führte die Kommission hierzu in ihrer Mitteilung KOM (93) 167 endg. an den Rat und an das Europäische Parlament über die Kontrolle von Fleisch auf Rückstände (in Randnr. 30) aus:

"Es fragt sich, ob ein totales Verbot dieser Stoffe, auch in der Therapie, die Eindämmung ihres Mißbrauchs nicht erheblich verbessern würde. Nach einstimmiger Auffassung der für die Kontrolle Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten stellt der Mißbrauch von Beta-Agonisten ein ernstes Problem dar, und ihr Verbot würde die Schwierigkeiten des Nachweises ihrer rechtswidrigen Verwendung erheblich verringern. Obwohl die Kommission im allgemeinen nur ungern vorschlägt, ein zur Therapie entwickeltes Medikament vom Markt zu nehmen, vertritt sie die Auffassung, daß ein totales Verbot von Beta-Agonisten - ausser zur therapeutischen Behandlung von Pferden und Heimtieren - die Aufgabe der Kontrolleure erheblich erleichtern würde. Dabei spielte auch die Tatsache eine Rolle, daß es offenbar für die meisten Indikationen Behandlungsalternativen gibt."

15 Am 14. Oktober 1993 legte die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung (EWG) über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von ß-Agonisten in der tierischen Erzeugung (ABl. C 302, S. 8) vor, der ein vollständiges Verbot des Inverkehrbringens von ß-Agonisten zur Verabreichung an Tiere jeder Art vorsah; hiervon ausgenommen war nur die Verwendung zu therapeutischen Zwecken bei Equiden und fleischfressenden Haustieren.

16 In mehreren Schreiben an Mitglieder und Dienststellen der Kommission sowie an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten machten die Klägerinnen geltend, daß ein Verbot ihrer clenbuterolhaltigen Tierarzneimittel dem Wohlbefinden der Tiere abträglich wäre und der BI Vetmedica ihr staatlich anerkanntes Recht auf Herstellung und Vertrieb dieser Arzneimittel nehmen würde. Überdies lasse sich der Mißbrauch von Clenbuterol und anderer ß-Agonisten schon durch andere, weniger restriktive Maßnahmen als das vorgeschlagene Totalverbot hinreichend bekämpfen, so insbesondere mittels der effektiven Durchführung der den Mitgliedstaaten obliegenden Überwachungsmaßnahmen, die die Richtlinie 81/851/EWG des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 317, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 zur Änderung der Richtlinie 81/851 (ABl. L 373, S. 15) bereits vorsehe.

17 Dabei bezogen sich die Klägerinnen speziell auf Artikel 50c der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinie 90/676, wo es heisst:

"Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß der Eigner oder Halter von Tieren, deren Fleisch oder Erzeugnisse zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, Nachweise über den Erwerb, den Besitz und die Verabreichung von Tierarzneimitteln erbringen kann, die die in Artikel 1 Absatz 5 genannten Stoffe [darunter insbesondere ß-Agonisten] enthalten...

Sie können insbesondere verlangen, daß zumindest über folgende Angaben Buch geführt wird:

a) Datum, b) Bezeichnung des Tierarzneimittels, c) Menge, d) Name und Anschrift des Lieferanten des Arzneimittels, e) genaue Erfassung der behandelten Tiere."

18 Die Klägerinnen verwiesen weiterhin auf Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinie 90/676, der bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten treffen alle notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß nur die nach den geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften dazu berechtigten Personen Tierzarzneimittel oder Stoffe, die als Tierarzneimittel verwendet werden könnten und anabole... Eigenschaften aufweisen, besitzen oder über solche verfügen.

Die Mitgliedstaaten registrieren die Erzeuger und die Händler, denen der Besitz von Wirkstoffen erlaubt ist, die zur Herstellung von Tierarzneimitteln mit den in Unterabsatz 1 genannten Eigenschaften verwendet werden könnten. Die betreffenden Personen müssen über die Ein- und Ausgänge der Stoffe, die zur Herstellung von Tierarzneimitteln verwendet werden können, genau Buch führen und diese Buchführung den zuständigen Behörden mindestens drei Jahre lang zur Kontrolle zur Verfügung halten."

19 Mit Schreiben des Rates vom 28. Oktober 1993 wurde das Parlament gemäß Artikel 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) zum fraglichen Verordnungsvorschlag konsultiert.

20 In seinem Bericht vom 1. März 1994 schlug der Ausschuß des Parlaments für Landwirtschaft, Fischerei und ländliche Entwicklung vor, das Inverkehrbringen von ß-Agonisten für die Verabreichung durch einen Tierarzt zu therapeutischen Zwecken zuzulassen. Der Ausschuß des Parlaments für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz schloß sich dieser Stellungnahme jedoch nicht an und schlug nur kleinere Änderungen am Vorschlag für eine Verordnung des Rates vor.

21 Ohne erneute Konsultation des Parlaments erließ der Rat am 29. April 1996 auf der Grundlage von Artikel 43 EG-Vertrag die Richtlinie 96/22, nach deren Artikel 2 Buchstabe b die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, daß "das Inverkehrbringen von ß-Agonisten zur Verabreichung an Tiere, die zur Gewinnung von Fleisch und anderen Erzeugnissen für den menschlichen Verzehr bestimmt sind," verboten wird. Die fünfte bis neunte Begründungserwägung der Richtlinie 96/22 lauten:

"(5) Wie die Ergebnisse der von der Kommission zwischen 1990 und 1992 in den Mitgliedstaaten durchgeführten Bestandsaufnahme zeigen, stehen ß-Agonisten im Bereich der Tierhaltung in grossem Umfang zur Verfügung, wodurch ihr Mißbrauch begünstigt wird.

(6) Die mißbräuchliche Verwendung von ß-Agonisten kann die menschliche Gesundheit ernsthaft gefährden. Im Interesse des Verbrauchers ist es angezeigt, den Besitz und die Verabreichung von ß-Agonisten an Tiere jeglicher Art sowie das Inverkehrbringen der genannten Stoffe zu diesem Zweck zu untersagen....

(7) Die Verabreichung von Arzneimitteln auf der Grundlage von ß-Agonisten zu genau festgelegten therapeutischen Zwecken an bestimmte Arten von Rindern, an Equiden und an Heimtiere kann jedoch zugelassen werden.

(8) Im übrigen ist sicherzustellen, daß alle Verbraucher unter denselben Angebotsbedingungen Fleisch und aus Fleisch hergestellte Lebensmittel kaufen können und daß diese Erzeugnisse ihren Anliegen und Erwartungen so weit wie möglich gerecht werden. Angesichts der kritischen Haltung der Verbraucher können sich die Absatzmöglichkeiten für die betreffenden Erzeugnisse dadurch nur verbessern.

(9) Das Verbot der Verwendung von Stoffen mit hormonaler Wirkung zu Mastzwecken ist aufrechtzuerhalten. Die Verabreichung bestimmter Stoffe zu therapeutischen oder tierzuechterischen Zwecken kann zugelassen werden, ist aber streng zu kontrollieren, um eine mißbräuchliche Verwendung zu verhüten."

22 Gemäß Artikel 3 der Richtlinie 96/22 tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, daß folgendes verboten wird:

"a) die Verabreichung... von ß-Agonisten an Nutztiere...;

b) das Halten von Tieren im Sinne des Buchstabens a) in einem Betrieb, sofern sie nicht unter amtlicher Aufsicht stehen, die Vermarktung oder die Schlachtung - im Hinblick auf den menschlichen Verzehr - von Nutztieren..., die unter Buchstabe a) genannte Stoffe enthalten oder in denen das Vorhandensein solcher Stoffe festgestellt worden ist, es sei denn, sie wurden nachweislich gemäß den Artikeln 4 oder 5 behandelt;

...

d) die Vermarktung von Fleisch von Tieren im Sinne des Buchstabens b);

e) die Verarbeitung von Fleisch im Sinne des Buchstabens d)."

23 Nach Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 96/22 können die Mitgliedstaaten abweichend von den Artikeln 2 und 3 zulassen:

"2. die Verabreichung - zu therapeutischen Zwecken - von zugelassenen Tierarzneimitteln, die folgendes enthalten:

i) Allyltrenbolon, das oral zu verabreichen ist, oder ß-Agonisten für die Verabreichung an Equiden oder Heimtiere, sofern sie entsprechend den Angaben des Herstellers verwendet werden;

ii) ß-Agonisten, wobei die Verabreichung durch Injektion zur Induktion der Tokolyse bei weiblichen Rindern zum Zeitpunkt des Abkalbens erfolgt.

Diese Verabreichung darf nur von einem Tierarzt bzw. - bei den Tierarzneimitteln im Sinne der Ziffer i) - nur unter seiner unmittelbaren Aufsicht vorgenommen werden. Der verantwortliche Tierarzt trägt diese Behandlung in ein Register ein, wobei er mindestens die Angaben gemäß Nummer 1 macht.

Der Zuechter darf keine ß-Agonisten enthaltenden Tierarzneimittel, die zum Zwecke der Induktion der Tokolyse verwendet werden können, in seinem Besitz haben."

24 In Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 96/22 wird "therapeutische Behandlung" definiert als die "individuelle Verabreichung - gemäß Artikel 4 - eines der zugelassenen Stoffe an ein Nutztier zur Behandlung einer Fruchtbarkeitsstörung... sowie, im Falle von ß-Agonisten, zur Induktion der Tokolyse bei weiblichen Rindern zum Zeitpunkt des Abkalbens sowie zur Behandlung von Atemstörungen und zur Induktion der Tokolyse bei nicht für die Fleischerzeugung gehaltenen Equiden".

25 Nach Artikel 14 der Richtlinie 96/22 war diese bis spätestens zum 1. Juli 1997 in das innerstaatliche Recht umzusetzen. Bis dahin galten die einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags weiter.

26 Um die Kontrollen durch die und in den Mitgliedstaaten zu stärken, erließ der Rat weiterhin die Richtlinie 96/23/EG vom 29. April 1996 über Kontrollmaßnahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und ihrer Rückstände in lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinien 85/358/EWG und 86/469/EWG und der Entscheidungen 89/187/EWG und 91/664/EWG (ABl. L 125, S. 10). Nach ihrem Artikel 3 ist die Produktionskette für Tiere und Primärerzeugnisse tierischen Ursprungs auf "Rückstände und Stoffe des Anhangs I" zu überwachen. Im Anhang I sind auch die ß-Agonisten aufgeführt. Daneben legt die Verordnung (EG) Nr. 894/96 des Rates vom 29. April 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch bezueglich der Sanktionen (ABl. L 125, S. 1) verstärkte Sanktionen gegen Erzeuger für den Fall fest, daß verbotene Stoffe oder rechtswidrig verwendete zugelassene Stoffe bei der Kontrolle eines Tieres entdeckt oder in einem Betrieb gefunden werden.

27 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 (ABl. L 224, S. 1) wurde ein Gemeinschaftsverfahren für die Festsetzung von Hoechstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs geschaffen.

28 Nach dieser Verordnung legt die Kommission Hoechstmengen von Rückständen (im folgenden: HMR) fest, die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung definiert sind als die Hoechstkonzentration von Rückständen aus der Verwendung von Tierzarzneimitteln, "bei der die Gemeinschaft akzeptieren kann, daß sie legal zugelassen wird, oder die als eine in einem oder auf einem Nahrungsmittel annehmbare Konzentration anerkannt wird".

29 Gemäß der Verordnung Nr. 2377/90 sind in Tierarzneimitteln verwendete pharmakologisch wirksame Stoffe nach einer Prüfung der von ihnen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Gesundheit in eines von vier Verzeichnissen aufzunehmen, die in folgenden Anhängen enthalten sind:

- in Anhang I die Stoffe, für die eine HMR festgesetzt werden kann (vgl. Artikel 2);

- in Anhang II die Stoffe, für die die Festsetzung einer HMR nicht erforderlich erscheint (vgl. Artikel 3);

- in Anhang III die bei Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2377/90 bereits verwendeten oder ausnahmsweise auch noch nicht verwendeten Stoffe, für die eine HMR zwar noch nicht endgültig, aber, sofern es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die Rückstände des Stoffes in der vorgeschlagenen Konzentration die menschliche Gesundheit gefährden, bereits vorläufig festgesetzt werden kann (vgl. Artikel 4);

- in Anhang IV die Stoffe, für die wegen ihrer Gefährlichkeit keine HMR festgesetzt werden kann (vgl. Artikel 5).

30 Gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2377/90 ist die Verabreichung von Tierarzneimitteln, die in Anhang I, II oder III nicht aufgeführte pharmakologisch wirksame Stoffe enthalten, an zur Nahrungsmittelerzeugung genutzte Tiere in der Gemeinschaft vom 1. Januar 1997 an verboten.

31 Artikel 6 der Verordnung Nr. 2377/90 regelt das Verfahren für die Aufnahme neuer pharmakologisch wirksamer Stoffe in die Anhänge I, II oder III.

32 Artikel 7 der Verordnung Nr. 2377/90 regelt das Verfahren für pharmakologisch wirksame Stoffe, die am Tag des Inkrafttretens der Verordnung zur Verwendung in Tierarzneimitteln zugelassen sind. Danach haben die für die Vermarktung solcher Tierarzneimittel Verantwortlichen zu gewährleisten, daß der Kommission innerhalb der maßgebenden Frist alle zweckdienlichen Angaben übermittelt werden (Absatz 2). Nach einer Formalprüfung dieser Angaben binnen 30 Tagen übermittelt die Kommission sie zur sachlichen Prüfung an den Ausschuß für Tierarzneimittel, der seine Stellungnahme innerhalb einer Frist von 120 Tagen abgibt (Absatz 3). Unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen fertigt die Kommission sodann binnen höchstens 30 Tagen einen Entwurf der zu ergreifenden Maßnahmen. Sie kann den für die Vermarktung Verantwortlichen erforderlichenfalls auffordern, dem Ausschuß ergänzende Angaben zu machen (Absatz 4). Der Entwurf der zu ergreifenden Maßnahmen wird "unverzueglich" den Mitgliedstaaten und dem für die Vermarktung Verantwortlichen zugeleitet; der Verantwortliche kann auf Antrag dem Ausschuß mündliche oder schriftliche Erläuterungen unterbreiten (Absatz 5). Die Kommission legt den Entwurf der Maßnahmen "unverzueglich" dem Ausschuß für die Anpassung der Richtlinien über Tierarzneimittel an den technischen Fortschritt vor (Absatz 6), der aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht und in dem ein Kommissionsvertreter den Vorsitz führt. Dieser Ausschuß hat gemäß Artikel 8 der Verordnung Nr. 2377/90 innerhalb einer vom Vorsitzenden festgelegten Frist eine Stellungnahme zu dem Entwurf abzugeben. Die Kommission erlässt die geplanten Maßnahmen, wenn sie der Stellungnahme des Ausschusses entsprechen (Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a). Entsprechen sie der Stellungnahme nicht oder ist keine Stellungnahme ergangen, so befasst die Kommission den Rat, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet (Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b). Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach seiner Befassung keinen Beschluß gefasst, so werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission erlassen, es sei denn, daß sich der Rat mit einfacher Mehrheit gegen die Maßnahmen ausgesprochen hat (Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c).

33 Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) wurde ein zentralisiertes Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Tierarzneimittels (im folgenden: Genehmigung für das Inverkehrbringen) geschaffen.

34 Gemäß Artikel 31 Absatz 3 Buchstabe b dieser Verordnung ist es eine notwendige Voraussetzung für die Erteilung einer solchen Genehmigung, daß für Tierzarzneimittel, die für die Verabreichung an zur Nahrungsmittelerzeugung genutzte Tiere bestimmt sind, die von der Gemeinschaft akzeptierte HMR angegeben wird.

35 Gemäß Artikel 34 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2303/93 stellt die Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen "ein Verbot für das Inverkehrbringen des betreffenden Tierarzneimittels in der gesamten Gemeinschaft dar".

36 Am 20. Juli 1994 reichte BI Vetmedica bei der Kommission gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 2377/90 einen Antrag auf Festsetzung der HMR für Clenbuterol im Hinblick auf Rinder und Equiden ein. Mit Stellungnahme vom 3. Januar 1996 empfahl der Ausschuß für Tierarzneimittel aus Gründen der wissenschaftlichen Methodologie die Festsetzung vorläufiger HMR mit Wirkung bis zum 1. Juli 2000.

37 Am 8. Juli 1996 erließ die Kommission die Verordnung Nr. 1312/96, mit der sie vorläufige HMR für Clenbuterol festlegte; diese HMR gelten jedoch nur für die nach der Richtlinie 96/22 zulässigen therapeutischen Zwecke, d. h. bei Rindern nur für die Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen und bei Equiden für die Induktion der Tokolyse und für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege. Die sechste, siebte und neunte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1312/96 lauten:

"Für den Abschluß laufender wissenschaftlicher Studien sollte Clenbuterolhydrochlorid in Anhang III der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 aufgenommen werden.

Die Richtlinie 96/22/EG des Rates über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkung und von ß-Agonisten in der tierischen Erzeugung verbietet die Verwendung von Clenbuterol bei allen Nutztieren mit Ausnahme zu bestimmten therapeutischen Zwecken bei Pferden und Kühen.

...

Die Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel."

Verfahren

38 Mit Klageschrift, die am 9. August 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Richtlinie 96/22 und auf Schadensersatz erhoben; die Klage ist unter der Nummer T-125/96 in das Register der Kanzlei eingetragen worden.

39 Mit Klageschrift, die am 27. September 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen eine weitere Klage erhoben, die im wesentlichen auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 gerichtet ist; diese Klage ist unter der Nummer T-152/96 in das Register der Kanzlei eingetragen worden.

40 Mit besonderem Schriftsatz, der am 31. Oktober 1996 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat der Rat in der Rechtssache T-125/96 gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

41 Mit Beschluß vom 13. Juni 1997 hat das Gericht in der Rechtssache T-125/96 Fedesa und das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen und die Kommission und SKV als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen. Mit Beschluß vom selben Tage hat das Gericht in der Rechtssache T-152/96 Fedesa als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen und SKV und den Rat als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.

42 In der Rechtssache T-125/96 haben die Streithelfer ihre schriftlichen Stellungnahmen, die gemäß Nummer 4 des Tenors des vorgenannten Beschlusses zunächst auf die Zulässigkeit der Klage beschränkt waren, am 8. Oktober (Vereinigtes Königreich), 10. Oktober (Fedesa und Kommission) und 24. Oktober 1997 (SKV) eingereicht. Nach einer informellen Zusammenkunft mit den Verfahrensbeteiligten am 9. November 1998 hat das Gericht sie um bestimmte Erläuterungen zum Sachverhalt ersucht und mit Beschluß vom 19. November 1998 die Entscheidung über die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten. Fedesa, SKV und die Kommission haben ihre schriftliche Stellungnahmen zur Begründetheit der Klage am 5. März 1999 eingereicht. Das Vereinigte Königreich hat auf die Einreichung einer solchen Stellungnahme verzichtet. Mit am 10. März 1999 in das Register der Kanzlei eingetragenem Schreiben haben die Klägerinnen auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet. Das schriftliche Verfahren ist damit abgeschlossen worden.

43 In der Rechtssache T-152/96 haben die Streithelfer ihre schriftlichen Stellungnahmen am 8. Oktober (Rat), 10. Oktober (Fedesa) und 27. Oktober 1997 (SKV) eingereicht.

44 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, in beiden Rechtssachen die mündliche Verhandlung zu eröffnen und den Klägerinnen, der Kommission und dem Rat gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen zu stellen. Diese haben die Fragen mit Schreiben vom 28. und 30. April 1999 beantwortet. Die Beteiligten haben in der öffentlichen Sitzung vom 12. Mai 1999 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

45 Auf Anfrage der Kanzlei mit Schreiben vom 3. Juni 1999 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung haben die Parteien mitgeteilt, daß sie gegen die Verbindung der Rechtssachen T-125/96 und T-152/96 zur gemeinsamen Entscheidung keine Einwände haben.

Anträge der Beteiligten in der Rechtssache T-125/96

46 Die Klägerinnen beantragen,

- die Artikel 1, 2, 3 und 4 der Richtlinie 96/22 für nichtig zu erklären, soweit darin das Inverkehrbringen von ß-Agonisten enthaltenden Tierarzneimitteln zur Verabreichung an Tiere, die zur Gewinnung von Fleisch und anderen Erzeugnissen für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, zu therapeutischen Zwecken untersagt wird;

- die Kommission zu verurteilen, den ihnen durch den Erlaß des angefochtenen Rechtsakts verursachten Schaden zu ersetzen;

- den Parteien aufzugeben, dem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist ab Verkündung des Urteils mitzuteilen, auf welchen Entschädigungsbetrag sie sich durch Vergleich geeinigt haben;

- falls ein solcher Vergleich nicht zustande kommt, den Parteien aufzugeben, in derselben Frist beim Gericht genau bezifferte Anträge zu stellen;

- anzuordnen, daß der zu zahlende Betrag ab der Verkündung des Urteils mit jährlich 8 % zu verzinsen ist;

- dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

47 Der Beklagte beantragt,

- die Klage als offensichtlich unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

48 Fedesa unterstützt das Vorbringen und die Anträgen der Klägerinnen und beantragt ausserdem, dem Rat ihre Streithilfekosten aufzuerlegen.

49 Das Vereinigte Königreich beantragt, die vom Rat gegen die Schadensersatzklage erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

50 SKV unterstützt die Anträge des Beklagten und beantragt ausserdem, den Klägerinnen ihre Streithilfekosten aufzuerlegen.

51 Die Kommission unterstützt die Anträge des Beklagten.

Anträge der Beteiligten in der Rechtssache T-152/96

52 Die Klägerinnen beantragen,

- gemäß Artikel 184 EG-Vertrag (jetzt Artikel 241 EG) festzustellen, daß die Richtlinie 96/22, soweit darin das Inverkehrbringen von ß-Agonisten enthaltenden Tierarzneimitteln zur Verabreichung an Nutztiere zu therapeutischen Zwecken untersagt wird, rechtswidrig ist und demgemäß nicht als Grundlage für die in der Verordnung Nr. 1312/96 vorgesehenen Beschränkungen dienen kann;

- die Verordnung Nr. 1312/96 für nichtig zu erklären, soweit darin die Gültigkeit der für Clenbuterol festgesetzten HMR auf bestimmte, genau bezeichnete therapeutische Anwendungen beschränkt wird;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

53 Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

54 Fedesa unterstützt das Vorbringen und die Anträge der Klägerinnen und beantragt ausserdem, ihre Streithilfekosten der Kommission aufzuerlegen.

55 SKV unterstützt die Anträge der Beklagten und beantragt daneben, ihre Streithilfekosten den Klägerinnen aufzuerlegen.

56 Der Rat beantragt,

- die gegen die Richtlinie 96/22 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Vorbemerkungen zum Streitgegenstand und zum Verfahren

57 Der Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 in der Rechtssache T-152/96 ist im wesentlichen auf die Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Richtlinie 96/22 gestützt, deren teilweise Nichtigerklärung einen Teil des Streitgegenstands der Rechtssache T-125/96 bildet. Das Vorbringen der Klägerinnen, aus welchen Gründen die Richtlinie rechtswidrig sei, ist ausserdem in beiden Rechtssachen im wesentlichen deckungsgleich.

58 Unter diesen Umständen erscheint es angemessen, zunächst die beiden Rechtssachen gemeinsame Frage der Rechtmässigkeit der Richtlinie 96/22 zu klären, bevor die weiteren Fragen der Zulässigkeit und Begründetheit in den beiden einzelnen Rechtssachen geprüft werden.

Zur Rechtmässigkeit der Richtlinie 96/22

59 Die Klägerinnen leiten die Rechtswidrigkeit der Richtlinie 96/22 aus vier Klagegründen her: Sie rügen erstens eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, drittens eine Missachtung des Grundsatzes der ordnungsmässigen Verwaltung und viertens einen Verstoß gegen Artikel 43 EG-Vertrag.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Vorbringen der Beteiligten

60 Die Klägerinnen machen geltend, auch wenn die Richtlinie 96/22 insgesamt dem Schutz der menschlichen Gesundheit und des Vertrauens der Verbraucher dienen könne, sei es doch der ausschließliche Zweck der angefochtenen Bestimmungen, den nationalen Behörden die Kontrolle einer rechtswidrigen Verwendung von ß-Agonisten zu erleichtern, indem Landwirten die Möglichkeit genommen werde, in Tieren entdeckte Rückstände solcher Stoffe damit zu rechtfertigen, daß sie ihnen diese Stoffe enthaltende Tierarzneimittel verabreicht hätten.

61 Zwar sei Clenbuterol rechtswidrig zur Mästung von Vieh einsetzbar. Dazu sei es aber nur als chemischer Grundstoff tauglich, während ein mißbräuchlicher Einsatz ihrer Tierarzneimittel ausgeschlossen sei (vgl. oben, Randnr. 7).

62 Die Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit ihrer clenbuterolhaltigen Tierarzneimittel sei im übrigen einhellig anerkannt. Speziell Ventipulmine gelte spezialisierten Tiermedizinern als unverzichtbares Arzneimittel für die Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Equiden. Tatsächlich gebe es kein Ersatzprodukt mit gleichwertigen Eigenschaften.

63 Unter den gegebenen Umständen laufe es dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zuwider, auf diese Weise, nur weil dies angeblich die Tätigkeit nationaler Behörden erleichtere, die in der Gemeinschaftsrechtsordnung (vgl. Artikel 36 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 30 EG) geschützte Gesundheit von Tieren zu gefährden, wenn eine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit nicht drohe. Ebenso widerspreche es unter den gegebenen Umständen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, den Klägerinnen hohe finanzielle Verluste zuzufügen und ihr Eigentumsrecht und ihr Recht auf freie Berufs- oder Gewerbetätigkeit zu beeinträchtigen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Randnr. 32, vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15, und vom 10. Januar 1992 in der Rechtssache C-177/90, Kühn, Slg. 1992, I-35).

64 Diese Einschränkung von Grundrechten durch die angefochtenen Bestimmungen sei auch nicht erforderlich, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Insoweit sei hinzuweisen zum einen auf das Gemeinschaftsverfahren für die Festsetzung von HMR und zum anderen auf die Artikel 1 Absatz 5 und 50c der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinie 90/676 (vgl. oben, Randnrn. 17 ff.), bei deren strikter Anwendung in allen Mitgliedstaaten ohne weiteres nachgeprüft werden könne, ob ein Tier tatsächlich nach tierärztlicher Weisung therapeutisch behandelt worden sei; auch der Tierarzt selbst sei verpflichtet, solche Behandlungen in einem für die zuständigen Behörden einsehbaren Verzeichnis genau zu dokumentieren.

65 Die meisten Mitgliedstaaten hätten die in der Richtlinie 90/676 vorgeschriebenen Durchführungsvorschriften während der Jahre 1990 bis 1992 noch nicht erlassen. In diesem Zeitraum sei also noch nicht feststellbar gewesen, ob nicht strikte Kontrollmaßnahmen für die wirksame Bekämpfung des rechtswidrigen Einsatzes von ß-Agonisten ausreichend seien. Dennoch habe die Kommission 1993 gegenüber dem Parlament anerkannt, daß sie seit ihrer Bestandsaufnahme in den Jahren 1990 bis 1992 hinsichtlich der Durchführung von Kontrollen im Binnenmarkt eine erhebliche Verbesserung festgestellt habe (vgl. die Mitteilung der Kommission vom 21. April 1993). Die Zahl positiver Testergebnisse sei zudem in mehreren Mitgliedstaaten deutlich zurückgegangen.

66 Ausserdem habe im Vereinigten Königreich ein wirksames, auf der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinie 90/676 beruhendes Kontrollsystem bereits bestanden; dort müsse der Eigentümer eines Tieres, bei dessen Kontrolle Rückstände von ß-Agonisten nachgewiesen worden seien, innerhalb von fünf Tagen eine schriftliche Bescheinigung des Tierarztes vorlegen, der die Stoffe verordnet habe. Die Wirksamkeit dieser Regelung zeige sich darin, daß bei den Kontrollen der nationalen Behörden Rückstände von Clenbuterol nicht mehr festgestellt worden seien. In diesem Zusammenhang sei auch das Gutachten des Veterinary Medicines Directorate (Direktion für Tierarzneimittel des Ministeriums für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung des Vereinigten Königreichs) vom 5. August 1983 zu nennen, wonach das britische Kontrollsystem "das Mittel [sei], um die gegenwärtigen Schwierigkeiten durch die rechtswidrige Verwendung von ß-Agonisten zu überwinden".

67 Auch die Richtlinie 96/22 sehe, u. a. in den Artikeln 8, 9 und 10, die Einführung eines solchen Kontrollsystems für den Fall vor, daß die Verabreichung von ß-Agonisten zugelassen sei, so etwa zur Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen. Die Gemeinschaftsorgane hätten nicht begründet, warum ein derartiges Kontrollsystem in bestimmten Fällen für zulässig und in anderen Fällen für unzulässig erachtet werde.

68 In den meisten Fällen beeinträchtige die rechtmässige therapeutische Verwendung ihrer clenbuterolhaltigen Erzeugnisse die Tätigkeit der Kontrollorgane nicht. So sei mittels einer Messung der Clenbuterolkonzentration in Rückständen, die bei einer Kontrolle von Tieren entdeckt worden seien, meistens leicht feststellbar, ob ß-Agonisten rechtswidrig eingesetzt worden seien.

69 Fedesa unterstützt im wesentlichen das Vorbringen der Klägerinnen und macht ergänzend geltend, nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2309/93 sei es im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich, daß Entscheidungen über die Genehmigung von Arzneimitteln auf den objektiven wissenschaftlichen Kriterien der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit unter Ausschluß wirtschaftlicher oder sonstiger Überlegungen basierten.

70 Werde ein Tierarzneimittel aus Gründen, die mit diesen drei Kriterien nichts zu tun hätten, vom Markt genommen, so schrecke dies die Unternehmen der Arzneimittelbranche von weiteren Investitionen in die Entwicklung und Verbesserung ihrer Erzeugnisse ab.

71 Im vorliegenden Fall würde auch den Tierärzten selbst ein wirksames Medikament genommen, für das es kein echtes Ersatzprodukt gebe. Das ergebe sich aus dem Gutachten von Professor Ungemach (Tierärztliche Fakultät der Universität Leipzig), wonach das Verbot der Verabreichung von ß-Agonisten eine schwerwiegende therapeutische Lücke zur Folge hätte.

72 Jedenfalls könne der Rat, selbst wenn er die spezielle therapeutische Verwendung eines Stoffes auch bei fehlender Gefahr für die öffentliche Gesundheit untersagen dürfte, hierzu nur in den Ausnahmefällen befugt sein, in denen ein solches Verbot tatsächlich das einzige Mittel sei, um andere, die öffentliche Gesundheit gefährdende Verwendungen zu verhindern. Das sei aber hier nicht der Fall.

Würdigung durch das Gericht

73 Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt. Nach diesem Grundsatz dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Maßnahme zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist; dabei ist von mehreren geeigneten Maßnahmen die am wenigsten belastende zu wählen, und die verursachten Nachteile müssen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 13, und vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-180/96, Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1998, I-2265, Randnr. 96).

74 Was die gerichtliche Kontrolle dieser Voraussetzungen angeht, so verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch bei der gemeinsamen Agrarpolitik über ein Ermessen, das den politischen Aufgaben entspricht, die ihm die Artikel 40 (nach Änderung jetzt Artikel 34 EG) und 43 EG-Vertrag übertragen. Somit ist eine auf diesem Gebiet erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie im Verhältnis zu dem vom zuständigen Organ verfolgten Ziel offenkundig unangemessen ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Schräder, Randnr. 22, Fedesa u. a., Randnrn. 13 und 14, und Vereinigtes Königreich/Kommission, Randnr. 97, sowie Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, I-2941, Randnrn. 119 und 120).

75 Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, daß das Verbot des Einsatzes von ß-Agonisten für Zwecke der Viehmästung angesichts des Ziels des Gesundheitsschutzes, das die Gemeinschaftsorgane im generellen Rahmen der Richtlinie 96/22 verfolgen, begründet ist. Nach ihrer Ansicht hat der Rat jedoch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit dadurch verletzt, daß er daneben, und nur zur Erleichterung der Kontrollen, auch die Verabreichung dieser Stoffe an Vieh zu therapeutischen Zwecken untersagt habe.

76 Da die Richtlinie 96/22 in den Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik fällt, ist erstens zu prüfen, welches Ziel die fragliche Regelung verfolgt, zweitens, ob sie für dieses Ziel offensichtlich ungeeignet ist, drittens, ob sie zur Erreichung des Ziels notwendig und keine weniger belastende Alternativregelung denkbar ist, und viertens, ob die verursachten Nachteile nicht im Verhältnis zum angestrebten Ziel offensichtlich unangemessen sind.

77 Was erstens das mit der Regelung verfolgte Ziel angeht, so dient die Richtlinie 96/22 nach ihrer sechsten und achten Begründungserwägung sowohl dem Schutz der öffentlichen Gesundheit als auch der Verwirklichung von Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation; so soll sie sicherstellen, daß alle Verbraucher unter denselben Angebotsbedingungen Fleisch und aus Fleisch hergestellte Lebensmittel kaufen können und daß diese Erzeugnisse ihren Anliegen und Erwartungen so weit wie möglich gerecht werden. Die Rechtmässigkeit der fraglichen Regelung ist demgemäß im Lichte dieser doppelten Zielsetzung zu prüfen.

78 Zur zweiten Frage, ob die fragliche Regelung offensichtlich ungeeignet ist, ist festzustellen, daß das Verbot eines Erzeugnisses wegen der seiner Verwendung innewohnenden Gefahren im Hinblick auf das in der sechsten Begründungserwägung der Richtlinie 99/22 benannte Ziel des Gesundheitsschutzes seinem Wesen nach dazu geeignet ist, diesen Gefahren vorzubeugen. Gleiches gilt hinsichtlich des in der achten Begründungserwägung der Richtlinie genannten Ziels, denn dessen Verwirklichung ist engstens verknüpft mit den Anliegen und Erwartungen der Verbraucher im Bereich des Gesundheitsschutzes.

79 Im übrigen darf in einem Fall wie dem vorliegenden, wo das fragliche Erzeugnis für zwei Verwendungsarten - einerseits, ohne Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, in der Tiermedizin, andererseits zum Mästen von Vieh mit schädlicher Folge für den Menschen - geeignet ist, die Frage, ob das Verbot beide Verwendungsarten erfassen muß, nicht abstrakt beurteilt werden, sondern für sie sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, so u. a. die Möglichkeiten von Mißbrauch und Betrug, die daraus erwachsenden Gefahren und die Wirksamkeit der Kontrollmaßnahmen.

80 Was drittens die Erforderlichkeit der Regelung und etwaige weniger belastende Alternativmaßnahmen angeht, so ist zunächst daran zu erinnern, daß durch die Verordnung Nr. 1312/96 vorläufige HMR für ß-Agonisten und insbesondere Clenbuterol festgelegt worden sind.

81 Folglich kann die Verwendung dieses Stoffes unterhalb einer bestimmten Schwelle von Rückständen als ungefährlich für die menschliche Gesundheit angesehen werden. Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 2377/90 werden nämlich einer HMR "die Art und die Menge [von Rückständen] zugrunde gelegt, bei denen davon ausgegangen wird, daß sie... keinerlei toxikologische Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen". Gemäß Artikel 4 dieser Verordnung darf eine vorläufige HMR nur festgesetzt werden, "sofern kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß die Rückstände des betreffenden Stoffes in der vorgeschlagenen Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen".

82 Nach den Umständen des vorliegenden Falls kann die Festsetzung einer HMR für Clenbuterol allein jedoch nicht genügen, um den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten. Weiterhin erforderlich wäre nämlich, daß das Vorhandensein von Rückständen dieses Stoffes in jedem Lebensmittel tierischen Ursprungs, das in die Nahrungskette aufgenommen wird, systematisch analysiert würde.

83 Da sich aber eine solche systematische Prüfung schon wegen der unvertretbaren Kosten praktisch nicht verwirklichen lässt, kann das Argument, mit der Festsetzung einer HMR für ß-Agonisten erübrige sich jede weitere Regelung ihrer Verwendung, nicht durchgreifen.

84 Im übrigen hatte der Rat hier seine Ermessensbefugnis und seine politischen Aufgaben im Hinblick auf einen besonders komplexen und schwierigen Sachverhalt wahrzunehmen.

85 So sprachen einerseits bestimmte Erwägungen der Gesundheit und des Wohlbefindens von Tieren dafür, den therapeutischen Einsatz von ß-Agonisten, auch bei Rindern, weiterhin zuzulassen. Sie sind nicht nur von den Klägerinnen, sondern auch von Fedesa, vom Verband europäischer Tierärzte, von der Europäischen Union praktischer Tierärzte, vom Verband der deutschen Tierärzte, von den Professoren Lekeux (Tierärztliche Fakultät der Universität Lüttich) und Ungemach (Tierärztliche Fakultät der Universität Leipzig), vom Ausschuß des Parlaments für Landwirtschaft, Fischerei und ländliche Entwicklung und vom Wirtschafts- und Sozialausschuß, der in seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 1993 (ABl. 1994, C 52, S. 30) gegen den Verordnungsvorschlag der Kommission vom 14. Oktober 1993 Bedenken erhob, geäussert worden.

86 So erscheint im vorliegenden Fall insbesondere nicht nachgewiesen, daß für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege bei Rindern tatsächlich Ersatzerzeugnisse von gleicher Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie Mittel mit ß-Agonisten verfügbar sind (vgl. das Schreiben des Verbands europäischer Tierärzte an Kommissionsmitglied Steichen vom 12. Oktober 1993, das Schreiben der Europäischen Union praktischer Tierärzte an Herrn Steichen vom 20. Oktober 1993 und das Schreiben des Vorsitzenden der Deutschen Tierärzteschaft e. V. an Kommissionsmitglied Bangemann vom 21. April 1993 sowie die Gutachten der Professoren Lekeux und Ungemach).

87 Auf der anderen Seite hatte der Rat auch folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: den zunehmenden tierzuechterischen Einsatz von ß-Agonisten und anderer Stoffe mit anabolischer Wirkung anstelle herkömmlicher Wachstumshormone nach diversen Verbots- und Kontrollmaßnahmen für solche Erzeugnisse in den achtziger Jahren, die daraus erwachsenden, neuen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, das Drängen verschiedener Mitgliedstaaten auf eine Gemeinschaftsaktion in diesem Bereich seit 1988, die Bestandsaufnahme der Kommission für den Zeitraum 1990 bis 1992 über die Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die grosse Gefahren für die öffentliche Gesundheit durch die breite Verfügbarkeit anabolischer Mittel aufgedeckt hatte, die Stellungnahme des Parlaments, dessen Ausschuß für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz sich 1994 für ein umgehendes Verbot von ß-Agonisten aus zwingenden Gründen des Gesundheitsschutzes ausgesprochen hatte, und schließlich die Stellungnahmen der Verantwortlichen für die Überwachung in den Mitgliedstaaten und verschiedener Sachverständiger (vgl. den oben in Randnummer 12 genannten Bericht von Schuman Associates und den auf Ersuchen des Gerichts vom Rat vorgelegten Abschlußbericht der wissenschaftlichen Konferenz vom 17. Januar 1996 über Wachstumsfaktoren von Fleisch, wonach die Verwendung von ß-Agonisten wegen der potentiellen Gefährdung der menschlichen und tierischen Gesundheit nicht angezeigt sei).

88 Bei der Würdigung der verschiedenen ihm zu Gebote stehenden Handlungsmöglichkeiten hatte der Rat insbesondere zu prüfen, ob eine etwaige Zulassung der Verwendung von ß-Agonisten zu therapeutischen Zwecken in Verbindung mit Kontrollmaßnahmen wie den von den Klägerinnen vorgeschlagenen die heimliche Verwendung von Stoffen, deren Gefährlichkeit bei hoher Dosierung zu Zwecken der Mästung einhellig anerkannt ist, unterbinden konnte oder ob nur ein Verbot mit sehr engen Ausnahmen wirksam überwachbar und deshalb auch dann angezeigt war, wenn die Kommission "nur ungern" vorschlug, "ein zur Therapie entwickeltes Medikament vom Markt zu nehmen".

89 In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen u. a. geltend, daß es bei Einführung geeigneter Kontrollen leicht möglich sei, den Einsatz von ß-Agonisten zur Viehmästung von ihrer Verwendung zu therapeutischen Zwecken zu unterscheiden, so daß das Verbot der einen Verwendungsform zur Erreichung des vom Rat angestrebten Ziels nicht notwendig auch das der anderen nach sich zöge. Nach Auffassung der Gemeinschaftsorgane hingegen rechtfertigt gerade die Unmöglichkeit oder Schwierigkeit, zwischen diesen beiden Verwendungsformen ohne Einführung eines unvertretbar teuren Kontrollsystems zu unterscheiden, das in der Richtlinie 96/22 niedergelegte nahezu vollständige Verbot der Verwendung von ß-Agonisten bei der Rinderzucht, da der Schutz der menschlichen Gesundheit und die Wiederherstellung des Vertrauens der Verbraucher im vorliegenden Fall Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten, insbesondere solchen des Wohlbefindens der Tiere oder der Eigentumsrechte der Klägerinnen, haben müsse.

90 Nach der dem Gericht vorgelegten wissenschaftlichen Dokumentation lässt sich mit den gegenwärtigen Untersuchungsmethoden nicht mit Sicherheit feststellen, ob die bei der Kontrolle eines Tieres oder von Lebensmitteln tierischen Ursprungs festgestellten Rückstände von ß-Agonisten auf eine am Tag vor der Kontrolle zu therapeutischen Zwecken verabreichte oder auf eine mehrere Tage vorher zur Mästung verabreichte Dosis zurückgehen.

91 Im übrigen ist nicht sicher feststellbar, ob die im Rahmen der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinie 90/676 (vgl. oben, Randnrn. 17 ff.) durchgeführten Maßnahmen tatsächlich ausreichen, um jede mißbräuchliche Verwendung der in Frage stehenden Erzeugnisse zu verhindern.

92 Was den in der mündlichen Verhandlung unterbreiteten Vorschlag der Klägerinnen angeht, es den Zuechtern zu gestatten, selbst ihrem Vieh Tierarzneimittel zu verabreichen, und zwar auf Verschreibung des Tierarztes, aber ohne dessen Anwesenheit bei der Verabreichung, so würde eine solche Lösung es mit sich bringen und auch rechtfertigen, daß die fraglichen Erzeugnisse in den landwirtschaftlichen Betrieben regelmässig und in grossem Umfang vorhanden wären, und dadurch die Ermittlung der - rechtmässigen oder rechtswidrigen - Herkunft bei einer Kontrolle entdeckter Clenbuterolrückstände erschweren.

93 Soweit im übrigen die Richtlinie 96/22 die Verabreichung hormonal wirkender Stoffe zu therapeutischen Zwecken an Nutztiere oder von ß-Agonisten enthaltenden Arzneimitteln an kalbende Kühe zulässt (vgl. Artikel 4 Absätze 1 und 2), muß nach ihr diese Verabreichung von einem Tierarzt vorgenommen und im einzelnen in einem Register verzeichnet werden.

94 Die Verfahrensbeteiligten stimmen jedoch darin überein, daß eine solche Regelung, was Erkrankungen der Atemwege bei Rindern angeht, derart impratikabel wäre, daß die Zuechter davon abgeschreckt würden, sich ihrer zu bedienen. Zum einen nämlich erfordert eine Behandlung in der Regel nicht nur eine einzige Injektion, sondern mehrere Tage lang die orale Verabreichung einer oder mehrerer Dosen täglich. Zum anderen ist wegen der Verhältnisse bei der üblichen Intensivviehhaltung in der Gemeinschaft und des ansteckenden Charakters der Erkrankungen der Atemwege sehr häufig die gleichzeitige Behandlung einer grossen Zahl von Tieren erforderlich.

95 Ferner begünstigt jede bestehende Möglichkeit, bei einer Kontrolle festgestellte Rückstände von ß-Agonisten mit einer Verabreichung zu therapeutischen Zwecken zu rechtfertigen, den mißbräuchlichen Einsatz solcher Stoffe durch wenig verantwortungsbewusste Zuechter. Die obligatorische Beteiligung eines Tierarztes verringert zwar unstreitig diese Gefahr, kann sie aber nicht vollständig ausschalten.

96 Jedenfalls wären die Kontrollmaßnahmen, die bei Anwendung weniger strenger Vorschriften, wie die Klägerinnen sie vorschlagen, erforderlich wären, mit hohen Kosten verbunden, die die Allgemeinheit zu tragen hätte. Diese Kosten sind gegen den Schaden abzuwägen, der den Klägerinnen aus dem Verbot ihrer auf Clenbuterolbasis hergestellten Tierarzneimittel entsteht. Bei Berücksichtigung des verhältnismässig begrenzten Schadens, der ihnen aus der Durchführung der Richtlinie 96/22 entstanden ist (vgl. unten, Randnr. 107), lassen die dem Gericht vorliegenden Akten nicht die Feststellung zu, daß bei dieser Abwägung der beteiligten Interessen denen der Klägerinnen der Vorrang gebührt.

97 Die Klägerinnen haben somit nicht nachweisen können, daß der Rat einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als er zu dem Ergebnis gelangte, daß ein allgemeines Verbot im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit als Lösung vorzuziehen sei.

98 Auch wenn dem Schutz der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor jedem anderen Gesichtspunkt zukommt, ist im übrigen auch der Schutz des Vertrauens der Verbraucher von Bedeutung.

99 Unstreitig haben sich zumindest Teile der Öffentlichkeit und der beteiligten Fachkreise sowie zahlreiche Mitglieder des Parlaments für ein umstandsloses Verbot von ß-Agonisten ausgesprochen, und ihre Besorgnisse wären durch die Schaffung von Kontrollmechanismen, wie wirksam sie rein technisch gesehen auch immer wären, nicht ausgeräumt worden. Weiter steht fest, daß Verbraucherverbände in etlichen Mitgliedstaaten Öffentlichkeitskampagnen führten, die bis zu Aufrufen zum Boykott hormonbehandelten Fleisches gingen.

100 Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der zunehmenden Verwendung von ß-Agonisten zur Viehmästung kann nicht angenommen werden, daß der Rat einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als er ein generelles Verbot für die einzige Maßnahme erachtete, durch die das Vertrauen der Verbraucher wieder hergestellt werden könne.

101 Da die Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit der Tierarzneimittel der Klägerinnen bei vorschriftsmässiger Anwendung nicht bestritten worden ist, ist hier irrelevant der Verweis auf die herkömmliche Praxis der Gemeinschaft bei der Genehmigung von Arzneimitteln (vgl. die Begründungserwägungen der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten [ABl. 1965, 22, S. 369] und die Richtlinien 81/851 und 81/852/EWG des Rates vom 28. September 1981 über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und tierärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Tierarzneimitteln [ABl. L 317, S. 16] sowie die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2309/93).

102 Was viertens die Verhältnismässigkeit im engeren Sinne, also die Abwägung der Beeinträchtigung individueller Rechte gegen die bewirkten Vorteile für die Allgemeinheit, betrifft, so kann die Bedeutung der verfolgten Ziele, nämlich des Gesundheitsschutzes und der Wiederherstellung des Vertrauens der Verbraucher, selbst beträchtliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (vgl. Urteil Fedesa u. a., Randnr. 17) und muß ferner der Schutz der öffentlichen Gesundheit schwerer wiegen als jede andere Erwägung (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4051), so auch als Gesichtspunkte des Wohlbefindens von Tieren oder der Eigentumsrechte der Klägerinnen.

103 Soweit speziell die Auswirkungen der fraglichen Maßnahmen auf die wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen in Frage stehen, so gehört nach dem Urteil des Gerichts vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache T-113/96 (Dubois/Rat und Kommission, Slg. 1998, II-125, Randnrn. 74 f.) das Recht der freien Berufsausübung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wobei dieser Grundsatz aber keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion zu sehen ist. Folglich kann die freie Berufsausübung Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antastet (vgl. auch Urteile des Gerichtshofes vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold/Kommission, Slg. 1974, 491, Randnr. 14, vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 78, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-183/95, Affish, Slg. 1997, I-4315, Randnr. 42).

104 Die partielle Hinfälligkeit der den Klägerinnen erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die die Durchführung der Richtlinie 96/22 mit sich bringt, tastet jedoch den Wesensgehalt ihres Eigentumsrechts an ihren Erzeugnissen und Marken nicht an.

105 Diese Hinfälligkeit ist überdies geographisch und sachlich begrenzt. Zum einen haben die Klägerinnen in einer Reihe von Mitgliedstaaten (Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland und Schweden, vgl. oben, Randnr. 11) für ihre Erzeugnisse auf Clenbuterolbasis niemals solche Genehmigungen erhalten oder auch nur beantragt. Zum anderen bleibt es ihnen unbenommen, diese Erzeugnisse ausserhalb der Gemeinschaft sowie für die nach der Richtlinie 96/22 weiterhin zulässigen therapeutischen Verwendungen auch innerhalb der Gemeinschaft zu vertreiben.

106 Dabei legen die Klägerinnen die Richtlinie 96/22 unzutreffend aus, soweit sie behaupten, die Richtlinie untersage jede Verabreichung von ß-Agonisten für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege bei Equiden, weil alle Equiden als Nutztiere anzusehen seien und deshalb unter das Verbot gemäß Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie fielen. Diese sowohl von der Kommission als auch vom Rat zurückgewiesene Auslegung ist unvereinbar mit den Artikeln 1 Absatz 2 Buchstabe b und 4 Absatz 1 Nummer 2 der Richtlinie 96/22. Nach diesen Bestimmungen gilt das Verbot der Verabreichung von ß-Agonisten nicht für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege bei Equiden, die nicht speziell für die Gewinnung von Fleisch gezuechtet werden. In diesem Zusammenhang ist es andererseits ohne jede Bedeutung, daß Pferde im Verzeichnis der für den menschlichen Verzehr geeigneten Arten gemäß der Richtlinie 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit frischem Fleisch (ABl. L 121, S. 2012) in geänderter Fassung aufgeführt werden.

107 Weiterhin ist nach der Antwort der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen des Gerichts ihr Gesamtumsatz aus dem Verkauf clenbuterolhaltiger Tierarzneimittel in den Mitgliedstaaten (sämtliche Anwendungsformen und Produkte) von 13 528 063 DM im Jahr 1995 auf 12 283 756 DM im Jahr 1998, also um 9,2 % oder 1 244 307 DM zurückgegangen. Nach Angaben der Klägerinnen ist dieser Rückgang deshalb verhältnismässig gering, weil ihr Absatz clenbuterolhaltiger Erzeugnisse für Equiden gestiegen sei.

108 Unter den gegebenen Umständen sind die eingeführten Beschränkungen der wirtschaftlichen Verwertung von Produkten, die die Klägerinnen vor mehr als 20 Jahren entwickelten und die patentrechtlich nicht mehr geschützt sind, keine unverhältnismässige oder unvertretbare Einbusse gegenüber den vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Zielen des Allgemeininteresses.

109 Nach alledem ist die Rüge eines Verstosses gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauenßschutzes

Vorbringen der Klägerinnen

110 Nach Auffassung der Klägerinnen laufen die angefochtenen Bestimmungen den fundamentalen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zuwider, weil sie in schutzwürdiger Weise darauf hätten vertrauen dürfen, daß der Rat sie nicht ihres Rechtes auf Vermarktung der in Frage stehenden Tierarzneimittel berauben werde.

111 Die Gemeinschaftsorgane hätten nämlich stets hervorgehoben, daß für die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines bestimmten Arzneimittels allein die Kriterien seiner Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit maßgebend seien (vgl. Artikel 41 der Richtlinie 81/851); die Berücksichtigung anderer, sozialer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte hätten sie bisher immer abgelehnt.

112 In seinem Urteil vom 26. Januar 1984 in der Rechtssache 301/82 (Clin-Midy, Slg. 1984, 251, Randnr. 10) habe auch der Gerichtshof festgestellt, daß der Rat mit dem Erlaß der Richtlinie 65/65 vom 26. Januar 1965 die Möglichkeiten, eine solche Genehmigung zu versagen, auszusetzen oder zu widerrufen, auf die in der Richtlinie ausdrücklich erwähnten Gründe der öffentlichen Gesundheit habe beschränken wollen (vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-83/92, Pierrel, Slg. 1992, I-6419).

113 Gleiches gelte für Tierarzneimittel. Insoweit sei insbesondere auf die siebte und achte Begründungserwägung der Richtlinie 81/851, die die Gründe für eine Ablehnung der Genehmigung für das Inverkehrbringen behandelten, und auf die dritte Begründungserwägung der Richtlinie 93/40/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung der Richtlinien 81/851/EWG und 81/852/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 214, S. 31) hinzuweisen, wonach ein Mitgliedstaat die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung nur verweigern dürfe, wenn das in Frage stehende Erzeugnis nach seiner Auffassung eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt bedeute. Weiter seien die Artikel 5 und 8 der Richtlinie 81/851 in der Fassung der Richtlinien 90/676 und 93/40 vom 14. Juni 1993 zu beachten; nach dem letztgenannten Artikel sei die Frage einer Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier oder der Umwelt ausschließlich anhand der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit der Erzeugnisse zu beurteilen. In ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-152/96 beziehen sich die Klägerinnen daneben auf einen Vortrag des Kommissionsmitglieds Fischler vom Dezember 1995 sowie das Dokument KOM (93) 220 endg. der Kommission, wo die Kommission ausgeführt habe, daß sie eine vom Parlament vorgeschlagene Änderung ihres Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 81/851 und 81/852 vom 28. September 1981 ablehnen müsse, da diese Änderung in die erneute Prüfung der Genehmigung eines Tierarzneimittels nach fünf Jahren unklare Begriffe eingebracht hätte, die von den drei herkömmlichen Genehmigungskriterien (Qualität, Sicherheit, Wirksamkeit) abwichen.

114 Der Rat habe somit den Grundsatz der Rechtssicherheit, wie er insbesondere in dem Wort "patere legem quam ipse fecisti" zum Ausdruck komme, verletzt, indem er von den drei herkömmlichen Genehmigungskriterien abgewichen sei und die angefochtenen Bestimmungen in dem ausschließlichen Bestreben erlassen habe, die Kontrollen der zuständigen nationalen Behörden zu erleichtern, obgleich kein zwingender Grund des Allgemeinwohls dies geboten habe.

Würdigung durch das Gericht

115 Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll insbesondere gewährleisten, daß die unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen vorhersehbar sind (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20, und Urteile des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 113, und vom 17. Februar 1998 in der Rechtssache T-105/96, Pharos/Kommission, Slg. 1998, II-285, Randnr. 63).

116 Im vorliegenden Fall gibt die Richtlinie 96/22 keinerlei Anlaß zu Zweifeln über das zu ihrer Durchführung anwendbare Recht. Die Rüge eines Verstosses gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

117 Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes angeht, so kann sich jeder einzelne auf ihn berufen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 51). Jedoch ist daran zu erinnern, daß die Wirtschaftsteilnehmer kein berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation haben können, die von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen ihres Ermessens geändert werden kann, was insbesondere auf einem Gebiet wie dem der gemeinsamen Marktorganisationen gilt (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1982 in der Rechtssache 245/91, Edeka Zentrale, Slg. 1982, 2745, Randnr. 27, und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre, Slg. 1990, I-395, Randnr. 33; Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./Rat und Kommission, Slg. 1996, II-1707, Randnr. 55). Insbesondere kann niemand einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen, wenn ihm nicht von der Verwaltung genaue Zusicherungen gemacht wurden (Urteile Atlanta u. a./Rat und Kommission, Randnr. 57, und Pharos/Kommission, Randnr. 64).

118 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerinnen nicht, daß ihnen solche Zusicherungen gemacht worden wären. Da der Rat, wie das Gericht bei der Prüfung des ersten Klagegrunds festgestellt hat, die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten hat, durfte er mit Wirkung für die Zukunft ein Verbot wie das hier fragliche einführen (vgl. auch oben, Randnr. 101).

119 Die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist deshalb gleichfalls zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsmässigen Verwaltung

Vorbringen der Klägerinnen

120 Die Klägerinnen machen geltend, die Gemeinschaftsorgane hätten gegen den Grundsatz der ordnungsmässigen Verwaltung verstossen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 19. Oktober 1983 in der Rechtssache 179/82, Lucchini/Kommission, Slg. 1983, 3083), als sie im Jahr 1996 eine Maßnahme ergriffen hätten, die gestützt sei auf das Ergebnis einer Bestandsaufnahme aus den Jahren 1990 bis 1992, also aus einem Zeitraum, in dem die Mitgliedstaaten die Richtlinie 90/676 noch nicht durchgeführt hätten, obwohl doch die Kommission selbst in ihrer Mitteilung vom 21. April 1993 festgestellt habe, daß sich die Lage seit der Durchführung der Richtlinie verbessert habe.

121 Die Gemeinschaftsorgane hätten somit ihre Bemühungen darauf richten müssen, die bei der Bestandsaufnahme für die Jahre 1990 bis 1992 festgestellten Wirksamkeitsmängel der Kontrollmaßnahmen auszuräumen. Anschließend hätten sie eine erneute Untersuchung zur Klärung der Frage, inwieweit sich die Lage auf dem Markt infolge dieser Maßnahmen verbessert habe, durchführen müssen, und erst danach hätten sie gegebenenfalls eine so einschneidende Regelung wie die in der angefochtenen Richtlinie enthaltene erlassen dürfen.

Würdigung durch das Gericht

122 Zunächst ist festzustellen, daß die Ergebnisse der von der Kommission in den Jahren 1990 bis 1992 durchgeführten Bestandsaufnahme, die in der fünften Begründungserwägung der Richtlinie 96/22 erwähnt werden, nur einen von mehreren Gesichtspunkten darstellten, die der Rat bei der Verabschiedung der Richtlinie heranzog. Er berücksichtigte dabei, wie sich aus der sechzehnten Begründungserwägung der Richtlinie 96/22 ergibt, insbesondere auch die Stellungnahme des Parlaments vom 19. April 1994 und dessen Entschließung vom 18. Januar 1996.

123 Darüber hinaus verfügte der Rat noch über weitere Informationen, so u. a. über die Ergebnisse der von der Kommission veranstalteten wissenschaftlichen Konferenz vom 29. November bis 1. Dezember 1995 über Wachstumsaktivierung bei der Fleischerzeugung.

124 Wie aus den einschlägigen Statistiken hervorgeht, gab es im übrigen 1994 und selbst 1996 weiterhin Vergiftungsfälle (vgl. oben, Randnr. 10), so daß die Durchführung der Richtlinie 90/676 in den verschiedenen Mitgliedstaaten offenkundig nicht alle mit der Verwendung von ß-Agonisten zur Viehmästung verbundenen Probleme des Gesundheitsschutzes ausgeräumt hatte. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die nationalen Verfahren zur Kontrolle des Einsatzes von ß-Agonisten verbessert wurden, erschien es somit im Jahr 1996 nach wie vor gerechtfertigt, die Vorschriften über die Zulassung dieser Erzeugnisse auf Gemeinschaftsebene zu harmonisieren, um nicht nur den Schutz der menschlichen Gesundheit allgemein zu erhöhen, sondern zugleich den freien Verkehr mit Fleisch und sonstigen Erzeugnissen von Tieren, denen die fraglichen Stoffe verabreicht wurden, zu fördern (vgl. die Artikel 7, 8, 10 und 11 der Richtlinie 96/22).

125 Unter diesen Umständen durfte der Rat zu dem Ergebnis gelangen, daß ein Verbot das geeignetste Mittel zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zur Ausräumung der Besorgnisse der Verbraucher sei. Der dritte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 43 EG-Vertrag

Vorbringen der Beteiligten

126 Die Klägerinnen beanstanden, der Rat habe die ihm nach Artikel 43 EG-Vertrag obliegende Pflicht missachtet, das Parlament jedesmal erneut anzuhören, wenn der endgültig verabschiedete Wortlaut als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweiche, zu dem das Parlament bereits angehört worden sei, es sei denn, die Änderungen entsprächen im wesentlichen dem vom Parlament selbst geäusserten Wunsch (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-388/92, Parlament/Rat, Slg. 1994, I-2067).

127 Erstens nämlich sei das Parlament zum Entwurf einer Verordnung und nicht einer Richtlinie angehört worden; die Wahl dieser Rechtsform sei damit begründet worden, daß die unmittelbare und einheitliche Anwendung der vorgeschlagenen Verbote sicherzustellen sei. Der Rat habe den Vorschlag somit in wesentlicher Hinsicht geändert, als er ihm später die Form einer Richtlinie gegeben habe.

128 Die Wahl einer Richtlinie habe vielfache Konsequenzen; insbesondere belasse sie den Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen. So habe Artikel 4 des ursprünglichen Vorschlags bestimmte Ausnahmen vom Verbot der Verabreichung von ß-Agonisten festgelegt, die in der gesamten Europäischen Union Geltung gehabt hätten, während Artikel 4 der Richtlinie 96/22 nur vorsehe, daß die Mitgliedstaaten die Verabreichung von ß-Agonisten an Tiere, deren Fleisch und sonstige Erzeugnisse zum menschlichen Verzehr bestimmt seien, unter bestimmten Voraussetzungen zulassen dürften. Es sei nicht sicher, ob die Mitgliedstaaten von dieser Ermächtigung zur Statuierung von Ausnahmen in gleicher Weise Gebrauch machten. Gleichfalls sei ungewiß, ob die Umsetzungsmaßnahmen für die Sanktionsregelung (vgl. Artikel 14 Absatz 1 der Richtinie 96/22) einheitlich sein würden, während nach dem dem Parlament unterbreiteten Vorschlag genaue Durchführungsbestimmungen zur vorgeschlagenen Verordnung auf Gemeinschaftsebene zu erlassen gewesen wären.

129 Zweitens wäre nach dem ursprünglichen Verordnungsvorschlag die Verabreichung von ß-Agonisten an Pferde zur Behandlung von Herzerkrankungen und Erkrankungen der Atemwege zulässig gewesen, während sie nach der Richtlinie 96/22 de facto unzulässig sei.

Würdigung durch das Gericht

130 Die ordnungsgemässe Anhörung des Parlaments stellt in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen ein wesentliches Formerfordernis dar, dessen Nichtbeachtung die Nichtigkeit der betreffenden Handlung zur Folge hat. Die wirksame Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft gemäß den im Vertrag vorgesehenen Verfahren stellt nämlich ein wesentliches Element des vom Vertrag gewollten institutionellen Gleichgewichts dar. Diese Befugnis ist Ausdruck des grundlegenden demokratischen Prinzips, daß die Völker durch eine repräsentative Versammlung an der Ausübung der Hoheitsgewalt beteiligt sind (vgl. u. a. Urteile vom 10. Juni 1997 in der Rechtssache C-392/95, Parlament/Rat, Slg. 1997, I-3213, Randnr. 14, und vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-408/95, Eurotunnel u. a., Slg. 1997, I-6315, Randnr. 45).

131 Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Pflicht, das Parlament in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen während des Gesetzgebungsverfahrens anzuhören, immer dann eine erneute Anhörung, wenn der endgültig verabschiedete Text als Ganzes gesehen in seinem Wesen von dem Text abweicht, zu dem das Parlament bereits angehört worden ist, sofern die Änderungen nicht im wesentlichen einem vom Parlament selbst geäusserten Wunsch entsprechen (vgl. Urteile Parlament/Rat, Randnr. 15, und Eurotunnel u. a., Randnr. 46).

132 Im vorliegenden Fall wurde das Parlament zum Vorschlag einer Verordnung angehört, während der ohne erneute Anhörung letztlich verabschiedete Rechtsakt eine Richtlinie ist.

133 Diese Änderung der Form des Rechtsaktes bedeutet jedoch keine Änderung des Wesens des Textes, zu dem das Parlament angehört wurde, im Sinne der zitierten Rechtsprechung und wurde im übrigen auch vom Parlament selbst nicht beanstandet.

134 So enthielt der dem Parlament zur Stellungnahme vorgelegte Verordnungsvorschlag das grundsätzliche Verbot, ß-Agonisten zur Verabreichung an Tiere jeder Art mit Ausnahme von Equiden und fleischfressenden Haustieren in den Verkehr zu bringen (Artikel 2 Absatz 2). Was speziell Nutztiere, also in einem Betrieb aufgezogene Tiere einschließlich Equiden (Artikel 1), angeht, so verbot es der Verordnungsvorschlag u. a., ß-Agonisten an Nutztiere zu verabreichen (Artikel 3); dabei durften die Mitgliedstaaten allerdings die Verabreichung solcher Stoffe an Equiden für die Behandlung von Herz- und Atemwegserkrankungen durch einen Tierarzt oder unter seiner unmittelbaren Aufsicht zulassen (Artikel 4 Nummer 3).

135 Die Richtlinie 96/22 verbietet ihrerseits grundsätzlich das Inverkehrbringen von ß-Agonisten zur Verabreichung an Tiere, deren Fleisch und sonstigen Erzeugnisse für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, zu anderen als den in Artikel 4 Nummer 2 genannten Zwecken (Artikel 2 Buchstabe b). Sie definiert Nutztiere wie der Verordnungsvorschlag (Artikel 1) und normiert für sie die gleichen Verbote der Verabreichung von ß-Agonisten (Artikel 3). Ausnahmsweise zulassen dürfen die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie die Verabreichung von ß-Agonisten zu therapeutischen Zwecken durch einen Tierarzt oder unter seiner unmittelbaren Aufsicht zum einen an Equiden, sofern diese Erzeugnisse entsprechend den Angaben des Herstellers verwendet werden, und zum anderen als Injektion zur Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen (Artikel 4 Absatz 1 Nummer 2). Die therapeutische Behandlung definiert die Richtlinie im Falle von Equiden, die zu anderen Zwecken als zur Fleischgewinnung aufgezogen werden, als die Verabreichung von ß-Agonisten zur Behandlung von Atemstörungen und zur Induktion der Tokolyse (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b). Die therapeutische Behandlung bleibt jedoch für Nutzpferde unzulässig (Artikel 4 Absatz 2).

136 Ein Vergleich des Verordnungsvorschlags und der Richtlinie 96/22 zeigt somit, daß der einzige wirkliche Unterschied zwischen ihnen in der den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie belassenen Befugnis besteht, die Verabreichung von ß-Agonisten zur Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen zuzulassen. In bezug auf Equiden ist ein nennenswerter Unterschied hingegen nicht erkennbar.

137 Es stellt aber keine wesentliche Änderung im Sinne der genannten Rechtsprechung dar, daß in die Richtlinie eine Ausnahme hinsichtlich der Induktion der Tokolyse bei kalbenden Kühen eingefügt wurde.

138 Im übrigen verblieb den Mitgliedstaaten auch nach dem Verordnungsvorschlag die Befugnis, bestimmte Ausnahmen oder Abweichungen vom grundsätzlichen Verbot festzulegen (vgl. Artikel 4 dieses Vorschlags), so daß der Unterschied zwischen einer Verordnung und einer Richtlinie, den die Klägerinnen geltend machen, im vorliegenden Fall nicht relevant erscheint.

139 Ferner sehen weder der Verordnungsvorschlag noch die Richtlinie 96/22 ein einheitliches Sanktionssystem auf Gemeinschaftsebene vor. Der Rat hat im übrigen zu Recht darauf hingewiesen, daß die Harmonisierung der einschlägigen Sanktionen speziell Gegenstand der Verordnung Nr. 894/96 vom 29. April 1996 ist.

140 Das Vorbringen der Klägerinnen, wonach Pferde de facto unter das Verbot gemäß der Richtlinie 96/22 fielen, ist bereits oben zurückgewiesen worden (vgl. oben, Randnr. 106).

141 Demnach kann die Rüge eines Verstosses gegen Artikel 43 EG-Vertrag nicht durchgreifen.

142 Nach alledem sind die vier Klagegründe, auf die die Klägerinnen ihre Auffassung von der Rechtswidrigkeit der Richtlinie 96/22 stützen, als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung in der Rechtssache T-125/96

143 Da die vier Klagegründe, auf die die Klägerinnen ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Richtlinie 96/22 stützen, zurückzuweisen sind, ist dieser Antrag jedenfalls als unbegründet abzuweisen, ohne daß über die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

Zum Antrag auf Schadensersatz in der Rechtssache T-125/96

144 Die Klägerinnen machen geltend, die Gemeinschaft hafte ausservertraglich für den Erlaß und die Durchführung der angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 96/22 und beantragen den Ersatz des ihnen daraus entstandenen Schadens.

145 Die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft für einen durch ihre Organe verursachten Schaden setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, daß ein Tatbestand erfuellt ist, dessen Merkmale die Rechtswidrigkeit des den Gemeinschaftsorganen zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden sind. Auf dem Gebiet der Haftung für normative Handlungen muß das der Gemeinschaft vorgeworfene Verhalten ausserdem eine Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm darstellen. Wenn das Organ die Handlung in Ausübung eines weiten Ermessens erlassen hat, wie dies auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik der Fall ist, muß diese Verletzung überdies hinreichend qualifiziert, d. h. offenkundig und schwerwiegend sein (vgl. z. B. Urteile des Gerichts in der Rechtssache Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Randnr. 81, vom 9. Dezember 1997 in den verbundenen Rechtssachen T-195/94 und T-202/94, Quiller und Heusmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-2247, Randnrn. 48 und 49, und in der Rechtssache Pharos/Kommission, Randnr. 47 und 62).

146 Im vorliegenden Fall wurde bereits bei der Prüfung der Klagegründe, aus denen die Klägerinnen die Rechtswidrigkeit der Richtlinie 96/22 herleiten, festgestellt, daß die Richtlinie keine der geltend gemachten rechtlichen Regeln verletzt. Da das Schadensersatzbegehren auf einen angeblichen Verstoß gegen diese Regeln gestützt ist, ist es jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen; über die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit braucht demgemäß nicht entschieden zu werden.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung in der Rechtssache T-152/96

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Beteiligten

147 Die Beklagte wirft zunächst die Frage auf, aus welchen Gründen die Firma Böhringer neben ihrer Tochtergesellschaft BI Vetmedica Klage erhoben habe. Aus ihrem Vorbringen ergebe sich nämlich nicht, daß Böhringer an der Herstellung und dem Vertrieb clenbuterolhaltiger Arzneimittel unmittelbar beteiligt wäre.

148 Die Beklagte macht weiter geltend, die Klage sei unzulässig, da die Klägerinnen kein Rechtsschutzinteresse hätten und von der Verordnung Nr. 1312/96 weder individuell noch unmittelbar betroffen seien.

149 Erstens beeinträchtige die Verordnung Nr. 1312/96 keine geschützte Rechtsposition der Klägerinnen, so weder ihre eingetragenen Marken noch ihre Patente. Die Verordnung lasse insbesondere nicht die den Klägerinnen erteilten Genehmigungen für die Herstellung und Vermarktung des in Frage stehenden Erzeugnisses hinfällig werden, sondern bewirke vielmehr - über die Einbeziehung von Clenbuterol in Anhang III der Verordnung Nr. 2377/90 - ihre Fortgeltung nach dem 1. Januar 1997. Es stehe den Klägerinnen somit frei, ihre Tätigkeiten der Herstellung und des Vertriebs von Clenbuterol nach dem Erlaß der Verordnung Nr. 1312/96 fortzuführen.

150 Die Interessen, deren Schutz die Klägerinnen begehrten, seien überdies nicht von der Verordnung Nr. 1312/96, sondern von der Richtlinie 96/22 betroffen, die den therapeutischen Einsatz von ß-Agonisten nach Maßgabe ihres Artikels 4 Absatz 2 begrenze. Die Klägerinnen könnten aber einen Antrag auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) nicht auf Auswirkungen stützen, die angeblich ein anderer Rechtsakt auf ihre Lage habe.

151 Zweitens seien die Klägerinnen durch die Verordnung Nr. 1312/96 nicht individuell betroffen; die Verordnung sei eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung, die einen objektiv beurteilten Sachverhalt betreffe.

152 Daß die Klägerinnen für auf Clenbuterolbasis hergestellte Erzeugnisse einen erheblichen Marktanteil hielten, genüge allein nicht, um sie von anderen, gleichfalls durch die Maßnahme betroffenen juristischen Personen wie Agraria abzuheben. Da Clenbuterol ausserdem nicht mehr durch ein Patent geschützt sei, könnten auch andere Unternehmen es rechtmässig herstellen und für es Genehmigungen des Inverkehrbringens erwirken, womit die Verordnung Nr. 1312/96 auf sie ebenso Anwendung fände wie auf die Klägerinnen. Die Klägerinnen befänden sich somit im Hinblick auf die angefochtene Verordnung nicht in einer Lage, die ihnen im Verhältnis zu jedem anderen Wirtschaftsteilnehmer eine besondere Stellung verleihe (vgl. Urteil des Gerichts vom 7. November 1996 in der Rechtssache T-298/94, Roquette Frères/Rat, Slg. 1996, II-1531, Randnr. 42).

153 Drittens seien die Klägerinnen durch die Verordnung Nr. 1312/96 auch nicht unmittelbar betroffen, da zwischen dieser Regelung und der angeblichen Schädigung ihrer Rechtspositionen kein Kausalzusammenhang bestehe. Mit der Festsetzung von HMR wirke sich die Verordnung nämlich unmittelbar nur auf die Zuechter und Tierärzte aus. Dagegen habe sie auf die Marktstellung der Klägerinnen und die Rentabilität ihrer Erzeugnisse nur mittelbar und hypothetisch Einfluß.

154 Die Klägerinnen begehrten die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 in Wirklichkeit deshalb, weil in ihr keine HMR für die Behandlung von Erkrankungen der Atemwege bei Rindern festgelegt seien, und hätten demgemäß Untätigkeitsklage gemäß Artikel 175 EG-Vertrag (jetzt Artikel 323 EG) erheben müssen.

155 Der Rat und SKV unterstützen im wesentlichen das Vorbringen der Kommission.

156 Zur Frage, ob die Klägerinnen individuell betroffen sind, macht SKV insbesondere geltend, der Umstand, daß den Klägerinnen für bestimmte clenbuterolhaltige Tierarzneimittel Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt worden seien, verleihe ihnen allein noch keine spezifischen Rechte, die sie von anderen Personen abhöben, die solche Genehmigungen gleichfalls erlangen könnten. Insbesondere befänden sich die Klägerinnen nicht in einer ganz aussergewöhnlichen Lage wie seinerzeit die Klägerin in der Rechtssache C-309/89, die der Gerichtshof durch Urteil vom 18. Mai 1994 (Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853) entschieden habe.

157 Nach Auffassung der Klägerinnen ist ihre Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 zulässig, da sie gegen Maßnahmen gerichtet sei, die sie unmittelbar und individuell beträfen.

Würdigung durch das Gericht

- Rechtsschutzinteresse von BI Vetmedica

158 Nach ständiger Rechtsprechung sind Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages gegeben ist (vgl. z. B. Beschluß des Gerichts vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache T-274/97, Ca'Pasta/Kommission, Slg. 1998, II-2927, Randnr. 24).

159 Im vorliegenden Fall erzeugen die angefochtenen Vorschriften der Verordnung Nr. 1312/96 gegenüber BI Vetmedica solche Rechtsfolgen, da die Beschränkung der Gültigkeit der HMR für Clenbuterol auf bestimmte, genau bezeichnete therapeutische Indikationen nach geltendem Recht (vgl. Artikel 14 der Verordnung Nr. 2377/90) einem Verbot der Verwendung dieses Erzeugnisses für jede andere therapeutische Indikation und damit einem partiellen Entzug der Genehmigungen für das Inverkehrbringen gleichkommt, die der Klägerin in einer Reihe von Mitgliedstaaten erteilt wurden.

160 Ebensowenig vermag das Vorbringen der Kommission durchzugreifen, wonach die Interessen von BI Vetmedica durch die Richtlinie 96/22 und nicht durch die Verordnung Nr. 1312/96 betroffen seien. Wie die Kommission selbst einräumt, erzeugt nämlich die Verordnung Nr. 1312/96 Rechtswirkungen, die von denen der Richtlinie 96/22 unabhängig sind. BI Vetmedica weist zu Recht darauf hin, daß die fraglichen Bestimmungen der Verordnung selbst im Fall der Nichtigerklärung, Aufhebung oder fehlenden Umsetzung der Richtlinie 96/22 für ihre rechtliche Lage weiter maßgebend wären, soweit sie die Gültigkeit der in ihnen festgelegten HMR auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen beschränkten. Die Verordnung Nr. 1312/96 ist im übrigen 60 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 9. Juli 1996 in Kraft getreten, während die den Mitgliedstaaten gesetzte Frist für die Umsetzung der Richtlinie in das innerstaatliche Recht am 1. Juli 1997 endete. BI Vetmedica hat demgemäß ein gesondertes Interesse an der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96.

- Zur Frage, ob BI Vetmedica individuell betroffen ist

161 Nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag kann jede natürliche oder juristische Person gegen die Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen. Nach ständiger Rechtsprechung besteht das maßgebende Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Verordnung und einer Entscheidung darin, ob der fragliche Rechtsakt allgemeine Geltung hat oder nicht. Ein Rechtsakt hat allgemeine Geltung, wenn er für objektiv bestimmte Sachverhalte gilt und Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umschriebene Kategorien von Personen erzeugt (Beschluß des Gerichtshofes vom 24. April 1996 in der Rechtssache C-87/95 P, CNPAAP/Rat, Slg. 1996, I-2003, Randnr. 33; Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1996 in der Rechtssache T-482/93, Weber/Kommission, Slg. 1996, II-609, Randnr. 55, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-158/95, Eridania u. a./Rat, Slg. 1999, II-2219, Randnr. 54).

162 Im vorliegenden Fall setzt die Verordnung Nr. 1312/96 vorläufige HMR für Clenbuterol fest und beschränkt zugleich ihre Gültigkeit auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen. Derartige Vorschriften gelten für objektiv bestimmte Sachverhalte und erzeugen Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umschriebene Kategorien von Personen, nämlich die Clenbuterol herstellenden Arzneimittelunternehmen, die diesen Stoff verordnenden Ärzte und die ihn verwendenden Personen. Die Verordnung Nr. 1312/96 ist somit nach ihrem Wesen und ihrer Tragweite ein Rechtsakt normativer Art und keine Entscheidung im Sinne von Artikel 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG).

163 Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß eine Vorschrift, die nach ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite allgemeinen Charakter hat, eine natürliche oder juristische Person individuell betreffen kann, wenn diese wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und daher in ähnlicher Weise individualisiert wird wie der Adressat einer Entscheidung (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-209/94 P, Buralux u. a./Rat, Slg. 1996, I-615, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T-135/96, ÜAPME/Rat, Slg. 1998, II-2335, Randnr. 69, und Eridania u. a./Rat, Randnr. 56).

164 Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die streitige Verordnung BI Vetmedica wegen bestimmter dieser zukommender Eigenschaften oder besonderer Umstände berührt, die die Klägerin im Hinblick auf die Verordnung aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben.

165 Insoweit ist festzustellen, daß die Verordnung Nr. 1312/96 gemäß der Verordnung Nr. 2377/90 auf einen förmlichen Antrag der BI Vetmedica auf Festsetzung einer HMR für Clenbuterol (vgl. oben, Randnr. 36) und auf der Grundlage ihrer Antragsunterlagen erlassen wurde. Nach der Verordnung Nr. 2377/90 ist BI Vetmedica zudem als für das Inverkehrbringen der betroffenen Tierarzneimittel verantwortliche juristische Person ausdrücklich am Verfahren der Festsetzung der HMR zu beteiligen (vgl. analog Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-96/92, CCE de la Société générale des grandes sources u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1213, Randnrn. 30 und 31, und Beschluß des Gerichts vom 18. Februar 1998 in der Rechtssache T-189/97, Comité d'entreprise de la Société française de production u. a./Kommission, Slg. 1998, II-335, Randnrn. 36 und 37). Demgemäß wurde ihr der Entwurf der geplanten Regelung übermittelt, und der Ausschuß für Tierarzneimittel war berechtigt, von ihr ergänzende Angaben anzufordern (vgl. oben, Randnr. 32).

166 Auch wenn sich überdies die Aufnahme eines Stoffes in einen der Anhänge der Verordnung Nr. 2377/90 auf Antrag der für sein Inverkehrbringen verantwortlichen Person in der Form einer Verordnung vollzieht (vgl. Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2377/90), ergeht doch die Ablehnung eines solchen Antrags ihrerseits nach der Praxis der Kommission in Form einer Entscheidung (vgl. z. B. die Entscheidung C [96] 1374 endg. der Kommission vom 22. Mai 1996 über die Ablehnung des Antrags der Firma Lilly Industries Ltd auf Aufnahme von Somidobove, eines rekombinierten Rindersomatotropins [BST], in Anhang II der Verordnung Nr. 2377/90).

167 Trotz der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach dann, wenn ein einzelner bei der Kommission den Erlaß einer Verordnung beantragt und die Kommission dies ablehnt, diese Ablehnungsentscheidung für die Zwecke der Nichtigerklärung - auch wenn die Ablehnung an die betreffende Person gerichtet ist - als eine normative Handlung mit allgemeiner Geltung anzusehen ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 8. März 1972 in der Rechtssache 42/71, Nordgetreide/Kommission, Slg. 1972, 105, vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-87/89, Sonito u. a./Kommission, Slg. 1990, I-1981, und vom 24. November 1992 in den Rechtssachen C-15/91 und C-108/91, Buckl u. a./Kommission, Slg. 1992, I-6061), entschied das Gericht in seinem Urteil vom 25. Juni 1998 in der Rechtssache T-120/96 (Lilly Industries/Kommission, Slg. 1998, II-2571; im folgenden: Urteil Lilly), daß die dortige Klägerin zur Anfechtung einer solchen Entscheidung befugt war. Zur Begründung führte das Gericht (in Randnr. 59 des Urteils Lilly) aus, die dort zu entscheidende Rechtssache unterscheide sich von jenen, die zu der genannten Rechtsprechung des Gerichtshofes geführt hätten, darin, daß die Kommission bei ihrer Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer Verordnung kein Ermessen besessen habe, sondern über diesen Antrag gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 2377/90 habe entscheiden müssen.

168 Die für das Inverkehrbringen verantwortliche Person, die einen Antrag auf Festsetzung einer HMR einreicht, wird aber - wie im vorliegenden Fall - von Bestimmungen einer Verordnung, die die Gültigkeit dieser HMR in bestimmter Weise begrenzen, ebenso betroffen wie durch eine Ablehnung ihres Antrags.

169 BI Vetmedica hat somit das Bestehen einer besonderen Lage nachgewiesen, die sie im Hinblick auf die fragliche Regelung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt; sie ist deshalb als durch diese Regelung individuell betroffen anzusehen.

- Zur Frage, ob BI Vetmedica unmittelbar betroffen ist

170 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß dabei weitere Vorschriften angewandt werden (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-404/96 P, Glencore Grain/Kommission, Slg. 1998, I-2435, Randnr. 41).

171 Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da die angefochtene Verordnung keiner Maßnahmen der Umsetzung in das innerstaatliche Recht bedarf und unmittelbar für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt.

172 Auch das Vorbringen der Kommission, wonach die Klägerinnen anstelle einer Nichtigkeits- eine Untätigkeitsklage hätten erheben müssen, greift nicht durch, denn nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt Untätigkeit im Sinne des Artikels 175 EG-Vertrag dann vor, wenn ein Bescheid oder eine Stellungnahme ausbleibt, nicht aber dann, wenn ein anderer als der vom Betroffenen gewünschte oder für notwendig erachtete Rechtsakt erlassen wird (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1971 in der Rechtssache 8/71, Deutscher Komponistenverband/Kommission, Slg. 1971, 705, Randnr. 2, und in der Rechtssache Nordgetreide/Kommission; Beschluß des Gerichts vom 9. Juli 1991 in der Rechtssache C-250/90, Control Union/Kommission, Slg. 1991, I-3585, Randnr. 16).

173 Nach alledem ist die Klage von BI Vetmedica zulässig.

- Zur Klagebefugnis von Böhringer

174 Böhringer, die sich der Klage ihrer Tochtergesellschaft BI Vetmedica anschließt, "soweit erforderlich" (vgl. S. 2 der Klageschrift), stellt zwar keines der von der Verordnung Nr. 1312/96 erfassten Tierarzneimittel her und vertreibt auch keines von ihnen.

175 Da es sich aber um ein und dieselbe Klage handelt, braucht ihre Klagebefugnis nicht geprüft zu werden, da jedenfalls die Klage von BI Vetmedica, wie vorstehend dargelegt, zulässig ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnr. 31; Urteile des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-435/93, ASPEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1281, Randnr. 72, und vom 15. September 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 61).

Zur Begründetheit

Vorbringen der Beteiligten

176 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 in der Klageschrift auf zwei Klagegründe. Sie rügen erstens einen rechtswidrigen Eingriff in ihre Eigentumsrechte und ihre Berufs- und Gewerbefreiheit sowie zweitens eine mangelhafte Begründung des Rechtsakts. Beide Klagegründe werden durch die Einrede gestützt, die Richtlinie 96/22 sei rechtswidrig und für die Beschränkung der Gültigkeit der HMR für Clenbuterol in der Verordnung Nr. 1312/96 gebe es deshalb weder eine Grundlage noch eine stichhaltige rechtliche Begründung.

177 In ihrem Streithilfeschriftsatz macht Fedesa ausserdem geltend, die Kommission habe mit der Beschränkung der Gültigkeit der HMR für ein Tierarzneimittel auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen ihre Befugnisse aus der Verordnung Nr. 2377/90, die eine solche Beschränkung nicht vorsehe, überschritten.

178 Die Kommission erwidert hierauf in ihrer Klagebeantwortung, sie habe den Vertriebs- und Verwendungsverboten sowie den Ausnahmen gemäß der Richtlinie 96/22 Rechnung tragen müssen.

179 Auf die Frage des Gerichts, welche Konsequenzen sich nach Auffassung der Klägerinnen aus dem Urteil Lilly für die vorliegende Rechtssache ergäben, haben diese in ihrer Antwort vom 28. April 1999 im wesentlichen ebenso argumentiert wie Fedesa in ihrem Streithilfeschriftsatz. Die Kommission hat in ihrer Antwort vom 28. April 1999 auf dieselbe Frage im wesentlichen geltend gemacht, daß das Urteil Lilly im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei und daß die Klägerinnen eine Verletzung der Verordnung Nr. 2377/90 nicht gerügt hätten.

Würdigung durch das Gericht

180 Wie oben festgestellt, greifen die Klagegründe der Rechtswidrigkeit der Richtlinie 96/22 nicht durch. Die von den Klägerinnen erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist deshalb jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß darüber entschieden zu werden braucht, ob diese Einrede, wie die Kommission und der Rat geltend machen, unzulässig ist.

181 Die beiden Klagegründe, auf die die Klägerinnen ihre Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1312/96 stützen, sind deshalb ebenfalls insoweit als unbegründet zurückzuweisen, als sie auf die behauptete Rechtswidrigkeit der Richtlinie 96/22 gestützt sind.

182 Gleichwohl bleibt zu prüfen, ob die Kommission - wie Fedesa in ihrem Streithilfeschriftsatz und die Klägerinnen in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts rügen - ihre Befugnisse aus der Verordnung Nr. 2377/90 dadurch überschritten hat, daß sie die Gültigkeit der HMR für ein Tierarzneimittel auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen beschränkte.

183 Dieses Vorbringen kann nicht deshalb für unzulässig erachtet werden, weil die Klägerinnen es nicht von Anfang an geltend gemacht haben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts hindern nämlich Artikel 37 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung den Streithelfer nicht daran, neue und andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzubringen, sofern diese Argumente nicht den Rahmen des Rechtsstreits ändern und sofern mit der Streithilfe stets die Unterstützung der Anträge dieser Partei bezweckt wird (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, S. 1, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-245/92 P, Chemie Linz/Kommission, Slg. 1999, I-4643, Randnr. 32; Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-459/93, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnr. 21, und vom 25. März 1999 in der Rechtssache T-37/97, Forges de Clabecq/Kommission, Slg. 1999, II-859, Randnr. 92).

184 Im vorliegenden Fall ändert das Vorbringen von Fedesa nicht den Rahmen des Rechtsstreits, wie ihn die Klageschrift festgelegt hat. Könnte nämlich die mit diesem Vorbringen gerügte Überschreitung von Befugnissen nachgewiesen werden, so bedeutete dies notwendig einen rechtswidrigen Eingriff in die Eigentumsrechte und die Berufs- und Gewerbefreiheit der Klägerinnen, wie sie ihn mit ihrem ersten Klagegrund zur Stützung des Nichtigkeitsantrags geltend machen. Das fragliche Vorbringen bezieht sich somit auf die von den Klägerinnen vorgetragenen Klagegründe und ist demgemäß vom Gericht zu prüfen.

185 Für die Prüfung seiner Begründetheit ist daran zu erinnern, daß es durch die Arzneimittelbehandlung von Tieren, die für die Erzeugung von Nahrungsmitteln bestimmt sind, zu Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe in Nahrungsmitteln von diesen Tieren kommen kann (vgl. erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2377/90). Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sieht die gemeinschaftsrechtliche Regelung deshalb ein Verfahren vor, in dem für solche Arzneimittel zulässige HMR festgesetzt werden (vgl. zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2377/90). Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 definiert diese HMR als

"die (in mg/kg, oder g/kg, bezogen auf das Frischgewicht, ausgedrückte) Hoechstkonzentration von Rückständen aus der Verwendung von Tierarzneimitteln, bei der die Gemeinschaft akzeptieren kann, daß sie legal zugelassen wird, oder sie als eine in oder auf einem Nahrungsmittel annehmbare Konzentration anerkannt wird.

Dabei werden für Rückstände die Art und die Menge zugrunde gelegt, bei denen davon ausgegangen wird, daß sie im Rahmen der annehmbaren Tagesdosis bzw. einer vorläufigen annehmbaren Tagesdosis mit zusätzlichem Sicherheitsfaktor keinerlei toxikologische Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Ferner werden sonstige Risiken für die öffentliche Gesundheit sowie nahrungsmitteltechnologische Aspekte berücksichtigt."

186 Nach den Artikeln 2 bis 7 der Verordnung Nr. 2377/90 ist für das Verfahren der Festsetzung - u. U. vorläufiger - HMR für einen pharmakologisch wirksamen Stoff allein maßgebend, ob die Rückstände des in Frage stehenden Stoffes in den vorgeschlagenen Mengen die Gesundheit des Verbrauchers gefährden können.

187 Ob ein Stoff in einen der Anhänge I bis III der Verordnung Nr. 2377/90 aufgenommen wird, hängt dagegen gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung nicht davon ab, daß das diesen Stoff enthaltende Erzeugnis unmittelbar verwendet und in den Verkehr gebracht werden kann.

188 Insoweit hat das Gericht bereits in dem Urteil Lilly entschieden, daß das Verfahren der Festsetzung einer HMR nach der Verordnung Nr. 2377/90 eigenständig ist und sich von den Verfahren unterscheidet, in denen gemäß der Richtlinie 81/851 und der Verordnung Nr. 2309/93 Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt werden (vgl. Urteil Lilly, Randnr. 88).

189 Es hat (im Urteil Lilly, Randnr. 89) weiter festgestellt, daß nach den beiden letztgenannten Regelungen, die die Erteilung der nationalen und gemeinschaftlichen Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Tierarzneimitteln zum Gegenstand haben, die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Produktes ausdrücklich versagt wird, wenn seine Verwendung aufgrund anderer Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verboten ist (siehe Artikel 11 Absatz 1 Nummer 3 der Richtlinie 81/851 und Artikel 33 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung Nr. 2309/93).

190 Die Verordnung Nr. 2377/90 enthält dagegen keine Vorschrift, die die Kommission ermächtigt, ein Verbot des Inverkehrbringens zu berücksichtigen, um die Festsetzung von HMR zu versagen (Urteil Lilly, Randnr. 90).

191 Das Gericht gelangte deshalb (im Urteil Lilly, Randnr. 92) zu dem Ergebnis, daß die Kommission ihre Entscheidung, die Festsetzung einer HMR für Somidobove, ein rekombiniertes Rindersomatotropin (BST), abzulehnen, nicht auf das für BST bestehende Moratorium stützen durfte.

192 Ebenso durfte auch im vorliegenden Fall die Kommission im Verfahren der Festsetzung einer HMR für Clenbuterol gemäß der Verordnung Nr. 2377/90 die Beschränkung der Gültigkeit dieser HMR nicht auf die Richtlinie 96/22 stützen.

193 Dem steht nicht entgegen, daß die Richtlinie 96/22 ebenso wie die Verordnung Nr. 2377/90 dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dient, während in der Rechtssache Lilly das Moratorium für BST aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen angeordnet worden war. Mit der beiläufigen Erwähnung dieses Umstandes in Randnummer 91 des Urteils Lilly wollte das Gericht nämlich nicht zum Ausdruck bringen, daß insoweit vom in Randnummer 90 des Urteils formulierten Grundsatz eine Ausnahme bestehe.

194 In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Mal hervorzuheben, daß das Verfahren für die Festsetzung einer HMR gemäß der Verordnung Nr. 2377/90 einzig der Festlegung der Schwelle dient, unterhalb deren die Rückstände eines bestimmten Erzeugnisses, die in oder auf Lebensmitteln vorhanden sind, als ungefährlich für die menschliche Gesundheit gelten können. Sind die Gemeinschaftsorgane dennoch aus anderen Gründen der Auffassung, daß das Inverkehrbringen des in Frage stehenden Erzeugnisses zu untersagen sei, so haben sie die hierfür geeignete Vorgehensweise, wie hier den Erlaß der Richtlinie 96/22, zu wählen.

195 Gemäß Artikel 15 der Verordnung Nr. 2377/90 steht diese Verordnung im übrigen weder der Anwendung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften über das Verbot bestimmter Stoffe mit hormonaler Wirkung in der Tierhaltung noch vorbeugenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegen die unzulässige Verwendung von Tierarzneimitteln entgegen. Die in der Verordnung Nr. 1312/96 festgelegte Beschränkung war deshalb nicht erforderlich, um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 96/22 zu sichern oder zu erhalten, denn diese Verordnung stand Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung der Richtlinie keinesfalls entgegen.

196 Die Kommission war zudem nach keiner Bestimmung der Verordnung Nr. 2377/90 dazu befugt, die in Lebensmitteln tierischen Ursprungs zulässigen HMR eines Tierarzneimittels auf bestimmte therapeutische Indikationen zu beschränken. Eine solche Beschränkung wird auch nicht durch die Erfordernisse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt, die der Verordnung Nr. 2377/90 zugrunde liegen. Nach diesen Erfordernissen ist die zulässige Hoechstkonzentration von Rückständen eines Stoffes in zum menschlichen Verzehr bestimmten Lebensmitteln unabhängig davon festzulegen, für welche therapeutische Indikation der in Frage stehende Stoff verschrieben wird. Die Gefährlichkeit in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vorhandener Rückstände eines pharmakologisch wirksamen Stoffes hängt selbstverständlich auch nicht davon ab, wegen welcher therapeutischen Indikation der Stoff verordnet wurde. Die HMR für einen pharmakologisch wirksamen Stoff dürfen deshalb nicht nach Maßgabe der - möglicherweise vielfältigen - therapeutischen Eigenschaften oder Indikationen des Stoffes festgelegt werden (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-293/97, Standley u. a., Slg. 1999, I-2603, Randnr. 34).

197 Überdies greift die Verordnung Nr. 1312/96 Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegen die unzulässige Verwendung von Tierarzneimitteln unter Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2377/90 vor, da die in ihr festgelegten Beschränkungen der Gültigkeit der HMR für Clenbuterol auch bei Nichtigerklärung, Aufhebung oder Änderung der einschlägigen Vorschriften der Richtlinie 96/22 fortbestuenden.

198 Nach alledem hat die Kommission ihre Befugnisse aus der Verordnung Nr. 2377/90 überschritten, indem sie die Gültigkeit der für Clenbuterol festgelegten HMR in der Verordnung Nr. 1312/96 auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen für Rinder und Equiden beschränkte.

199 Die Verordnung Nr. 1312/96 ist somit den Anträgen der Klägerinnen gemäß aufzuheben, soweit sie die Gültigkeit der für Clenbuterol festgelegten HMR auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen für Rinder und Equiden beschränkt.

Kostenentscheidung:

Kosten

200 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Das Gericht kann jedoch, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordung die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Da die Klage in der Rechtssache T-125/96 abzuweisen und die in der Rechtssache T-152/96 erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen ist, erscheint es angemessen, daß die Klägerinnen in der Rechtssache T-125/96 ausser ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates und in der Rechtssache T-152/96 die Hälfte ihrer eigenen Kosten tragen. In der letztgenannten Rechtssache sind der Kommission ausser ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Klägerinnen aufzuerlegen.

201 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen das Vereinigte Königreich, die Kommission und der Rat, soweit sie dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

202 Fedesa trägt ihre Streithilfekosten in der Rechtssache T-125/95 und die Hälfte ihrer Streithilfekosten in der Rechtssache T-152/96; die andere Hälfte trägt die Kommission.

203 Was Artikel 87 § 4 Absatz 2 der Verfahrensordnung angeht, so erscheint es angemessen, daß die Streithilfekosten von SKV bei ihr selbst verbleiben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtssachen T-125/96 und T-152/96 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

2. Die Verordnung (EG) Nr. 1312/96 der Kommission vom 8. Juli 1996 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Hoechstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs wird für nichtig erklärt, soweit sie die Gültigkeit der in ihr für Clenbuterol festgelegten HMR auf einzelne, spezifische therapeutische Indikationen für Rinder und Equiden beschränkt.

3. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.

4. In der Rechtssache T-125/96 tragen die Klägerinnen und die Fédération européenne de la santé animale (Fedesa) als Streithelferin ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates. Das Vereinigte Königreich, die Kommission und die Stichting Kwaliteitsgarantie Vleeskalverensector (SKV) tragen ihre eigenen Kosten.

5. In der Rechtssache T-152/96 trägt die Kommission ausser ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Klägerinnen und der Fédération européenne de la santé animale (Fedesa); die andere Hälfte tragen letztere selbst. Der Rat und die Stichting Kwaliteitsgarantie Vleeskalverensector (SKV) tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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