Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.10.1990
Aktenzeichen: T-132/89
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Beamter kann für eine Klage gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren keine Gründe geltend machen, die auf der angeblichen Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens beruhen, wenn er die Bestimmungen der Ausschreibung, die ihn seiner Meinung nach beschweren, nicht rechtzeitig angefochten hat.

Dies kann jedoch nicht gelten, wenn der Beamte Rechtsverstösse rügt, die zwar auf den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zurückgeführt werden können, zu denen es aber erst im Laufe dieses Verfahrens gekommen ist.

2. Die entscheidende Rolle der Stellenausschreibung besteht darin, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen. Der Anstellungsbehörde steht bei der Festlegung der für die Besetzung der Dienstposten erforderlichen Befähigungsmerkmale und bei der unter Berücksichtigung dieser Merkmale und im dienstlichen Interesse vorzunehmenden Festlegung der Voraussetzungen und Durchführungsmodalitäten eines Auswahlverfahrens ein weites Ermessen zu. Auch der Prüfungsausschuß verfügt über ein weites Ermessen in bezug auf die Modalitäten und die Einzelheiten des Inhalts der im Rahmen eines Auswahlverfahrens vorgesehenen Prüfungen.

Das Gericht darf die Modalitäten des Ablaufs einer Prüfung nur insoweit beanstanden, als es erforderlich ist, um die Gleichbehandlung der Bewerber und die Objektivität der unter ihnen getroffenen Auswahl zu gewährleisten. Ebensowenig ist es Sache des Gerichts, den Inhalt einer Prüfung im einzelnen zu beanstanden, es sei denn, er überschritte den durch die Ausschreibung des Auswahlverfahrens gezogenen Rahmen oder wäre dem Zweck der Prüfung oder des Auswahlverfahrens nicht angemessen.

3. Ein Prüfungsausschuß kann die Unterstützung durch Beisitzer immer dann in Anspruch nehmen, wenn er dies für erforderlich hält. Die Ordnungsmässigkeit der Vorgänge ist gewahrt, wenn die Korrekturmethoden nicht von einem Bewerber zum anderen verschieden sind und der Prüfungsausschuß das Recht der endgültigen Beurteilung behält.

4. Ein allgemeines Auswahlverfahren, das Bewerbern aus allen Mitgliedstaaten offensteht, kann nicht entsprechend dem Grundsatz der Gleichbehandlung ablaufen, ohne daß den Mitgliedern des Prüfungsausschusses und den Beisitzern, denen die Sprache bestimmter Bewerber fremd ist, eine Übersetzung der Arbeiten dieser Bewerber vorliegt. Daß bestimmte Arbeiten vor ihrer Bewertung übersetzt wurden, bedeutet für sich allein noch keine Ungleichbehandlung der Bewerber.

Überdies schreibt der Gleichheitssatz zwar vor, daß die schriftlichen Prüfungen für alle Bewerber zum gleichen Zeitpunkt stattfinden müssen, doch darf eine solche Bedingung nicht für die mündlichen Prüfungen aufgestellt werden, die ihrem Wesen nach nicht für alle Bewerber gleichzeitig stattfinden können und die ausserdem nicht unbedingt für alle Bewerber den gleichen Inhalt haben.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 16. OKTOBER 1990. - VINCENZO GALLONE GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - AUSWAHLVERFAHREN - VORGAENGE DES AUSWAHLVERFAHRENS - GEHEIMHALTUNG UND INHALT DER SCHRIFTLICHEN PRUEFUNGEN - NICHTZULASSUNG ZU DEN MUENDLICHEN PRUEFUNGEN. - RECHTSSACHE T-132/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Kläger, Vincenzo Gallone, ist Beamter der Laufbahngruppe B in der Abteilung "Neue Techniken" des Rates. Er bewarb sich in dem allgemeinen Auswahlverfahren ( Systemanalytiker-Informatiker ) Rat/A/281, das am 31. Mai 1988 öffentlich ausgeschrieben worden war ( ABl. C 142, S. 8 ) und der Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsräten der Laufbahngruppe A für EDV-Aufgaben diente.

2 In Abschnitt II der Stellenausschreibung war die "Art der Tätigkeit" wie folgt beschrieben :

"Nach der amtlichen Tätigkeitsbeschreibung sind folgende Aufgaben zu erfuellen : Erfuellung von Referenten - oder Kontrollaufgaben aufgrund allgemeiner Weisungen oder Unterstützung des Referatsleiters einer Abteilung.

In der Praxis umfasst die Tätigkeit als Systemanalytiker-Programmierer folgende Aufgaben : Erstellung der Analyse-Dossiers, Überwachung der Programmierung und Wartung der Anwendungssoftware im Bereich der Verwaltungsinformatik und/oder der Büroautomation, unter Benutzung von Systemen mittlerer Grösse, die im Dialogbetrieb und/oder Stapelbetrieb arbeiten."

3 Abschnitt IV der Stellenausschreibung enthielt Erläuterungen über die "Art und Bewertung der Prüfungen", die sich in drei Abschnitte mit den Überschriften "IV a ) Schriftliche Prüfungen", "IV b ) Zulassung zu den mündlichen Prüfungen" und "IV c ) Mündliche Prüfungen" gliederten. Abschnitt IV a ) sah drei schriftliche Prüfungen vor und legte fest, daß "die bei jeder einzelnen Prüfung erzielte Punktzahl... über die Zulassung zu den mündlichen Prüfungen (( entscheidet ))".

4 Zur Art der drei schriftlichen Prüfungen ( nachstehend : erste schriftliche Prüfung, zweite schriftliche Prüfung und dritte schriftliche Prüfung ) ist folgendes ausgeführt :

"1. Prüfung - in der Amtssprache der Gemeinschaften, in der der Bewerber gründliche Kenntnisse besitzt - mit einem theoretischen Teil über Entscheidungsverfahren und -techniken ( Statistik, Operationsforschung, Ökonometrie ) und einem praktischen Teil ( Fallstudie ), gegebenenfalls in Form eines Fragebogens zur Beurteilung der Fachkenntnisse des Bewerbers in der Analyse eines Problems im Hinblick auf die Erarbeitung eines vollständigen Programms.

2. Prüfung - in derselben Sprache - über ein Thema im Zusammenhang mit den in Abschnitt II beschriebenen Tätigkeiten zur Beurteilung der Fachkenntnisse des Bewerbers.

3. Kurzer Aufsatz - in einer anderen Amtssprache der Gemeinschaften nach Wahl des Bewerbers - über ein allgemeines Thema zur Beurteilung der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit des Bewerbers in einer zweiten Sprache."

5 Schließlich heisst es unter Abschnitt IV b ), "Zulassung zu den mündlichen Prüfungen ":

"Zu den mündlichen Prüfungen werden die Bewerber zugelassen, die in der ersten schriftlichen Prüfung mindestens 24 von 40, in der zweiten schriftlichen Prüfung mindestens 18 von 30 und in der dritten schriftlichen Prüfung mindestens 12 von 20 Punkten erzielt haben."

6 Da die Befähigungsnachweise des Klägers für ausreichend befunden wurden, wurde er vom Prüfungsausschuß zu den schriftlichen Prüfungen zugelassen, zu denen er am 16. März 1989 erschien. Nach dem der Anstellungsbehörde vom Prüfungsausschuß am 6. Juli 1989 zugeleiteten Bericht fanden die Prüfungen in Athen, Brüssel, Florenz und Madrid statt. 336 Bewerber nahmen daran teil.

7 Die Arbeiten wurden nach folgendem Verfahren korrigiert : Zuerst wurden die Arbeiten der sprachlichen Prüfung ( dritte schriftliche Prüfung ) korrigiert, was zum Ausschluß von zwei Dritteln der Bewerber führte, so daß etwa 100 übrigblieben. Die Arbeiten der ersten und der zweiten schriftlichen Prüfung wurden von vornherein in zwei Gruppen eingeteilt. Die Arbeiten in englischer, französischer und niederländischer Sprache wurden in ihrer Originalfassung korrigiert, und die Bewerber, die die erforderliche Punktzahl erreicht hatten, wurden zu den mündlichen Prüfungen zugelassen, die am 19., 20. und 21. Juni 1989 stattfanden.

8 Von den in italienischer Sprache abgefassten Arbeiten, darunter die des Klägers, wurde der erste Teil der ersten schriftlichen Prüfung in der Originalsprache korrigiert. Der zweite Teil dieser schriftlichen Prüfung sowie die zweite schriftliche Prüfung wurden vor der Korrektur übersetzt. Nach Abschluß der Korrektur der schriftlichen Prüfungen wurden 28 Bewerber zu den mündlichen Prüfungen zugelassen, die am 5. und 6. Juli 1989 stattfanden.

9 Anfang Mai 1989 wurde der Kläger, der beim Rat für das Projekt der Textverarbeitung zuständig war, im Zusammenhang mit der Erstellung einer maschinenschriftlichen Abschrift der Prüfungsarbeiten dieses Auswahlverfahrens konsultiert. Dabei konnte er auf dem Bildschirm einige Arbeiten italienischer Bewerber, einschließlich seiner eigenen, einsehen.

10 Am 28. Juni 1989 wurde der Kläger mit Schreiben der Dienststelle für Personaleinstellung des Rates informiert, daß der Prüfungsausschuß ihn unter Berücksichtigung des Ergebnisses der schriftlichen Prüfungen nicht zu den mündlichen Prüfungen zugelassen habe.

11 Am gleichen Tag richtete der Kläger an den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ein Schreiben, in dem er auf "verschiedene Rechtsverstösse bei der Korrektur" der schriftlichen Prüfungen hinwies. Mit Schreiben vom 29. Juni 1989 versicherte ihm der Vorsitzende des Prüfungsausschusses, daß der Grundsatz der Vertraulichkeit und das Verbot der Diskriminierung von Bewerbern strikt eingehalten worden seien, und bat ihn, die Gründe für seine Auffassung näher zu erläutern.

Verfahren

12 In dieser Situation hat der Kläger mit Klageschrift, die am 22. August 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen und unter der Nummer 264/89 in das Register eingetragen worden ist, die vorliegende Klage gegen den Rat erhoben.

13 Noch vor Abschluß des schriftlichen Verfahrens hat der Gerichtshof ( Dritte Kammer ) mit Beschluß vom 15. November 1989 die Rechtssache 264/89 gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen, wo sie unter der Nummer T-132/89 in das Register eingetragen worden ist. Das schriftliche Verfahren ist ab diesem Zeitpunkt vor dem Gericht abgelaufen.

14 Das Gericht ( Vierte Kammer ) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15 Die mündliche Verhandlung hat am 12. Juli 1990 stattgefunden. Die Vertreter der Parteien haben mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

16 Der Kläger beantragt,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

-falls erforderlich, die Bestellung eines Sachverständigen anzuordnen, um zu ermitteln, ob die Prüfungen, so wie sie stattgefunden haben, den Anforderungen der Stellenausschreibung angemessen und für die Beurteilung der Fähigkeiten eines Systemanalytikers-Informatikers sachdienlich waren;

-die Maßnahmen im Rahmen des allgemeinen Auswahlverfahrens Rat/A/281 ( 88/C 142/09 ) oder zumindest die Entscheidung des Prüfungsausschusses für dieses Auswahlverfahren, den Kläger nicht zu den mündlichen Prüfungen zuzulassen, aufzuheben;

- dem Beklagten sämtliche Kosten aufzuerlegen.

17 Der Rat beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- dem Kläger alle Kosten aufzuerlegen.

Begründetheit

18 Der Kläger stützt seine Anträge auf drei Klagegründe, die eine angebliche Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemässen Verwaltung, eine angebliche Verletzung des Diskriminierungsverbots und eine angebliche Verletzung der Bestimmungen der Stellenausschreibung zum Gegenstand haben. Das Gericht hält es für zweckmässig, diese Klagegründe in umgekehrter Reihenfolge zu prüfen.

Klagegrund der Verletzung der Bestimmungen der Stellenausschreibung

19 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Erstens ist der Kläger der Auffassung, daß die Bestimmungen der Stellenausschreibung nicht dem Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens, das heisst der Einstellung von Systemanalytikern-Informatikern, entsprächen. Der Rat erwidert, daß der Kläger, hätte er sich gegen die Stellenausschreibung wenden wollen, die Entscheidung der Anstellungsbehörde hätte anfechten müssen, mit der diese Stellenausschreibung angeordnet worden sei.

20 Ein Beamter kann zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( Urteile vom 11. März 1986 in der Rechtssache 294/84, Adams/Kommission, Slg. 1986, 977; vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Sergio/Kommission, Slg. 1988, 1399, und vom 6. Juli 1988 in der Rechtssache 181/87, Agazzi Léonard/Kommission, Slg. 1988, 3823 ) für eine Klage gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren keine Gründe geltend machen, die auf der angeblichen Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens beruhen, wenn er die Bestimmungen der Ausschreibung, die ihn seiner Meinung nach beschweren, nicht rechtzeitig angefochten hat. Dies kann jedoch nicht gelten, wenn der Beamte Rechtsverstösse rügt, die zwar auf den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zurückgeführt werden können, zu denen es aber erst im Laufe des Auswahlverfahrens gekommen ist.

21 Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß es zu dem vom Kläger gerügten angeblichen Rechtsverstoß nicht im Laufe des Auswahlverfahrens gekommen ist. Der erste Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

22 Zweitens macht der Kläger geltend, daß die Prüfungen selbst weder der Beschreibung der Prüfungen ( Abschnitt IV der Stellenausschreibung ) noch dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Dienstposten ( Abschnitt II der Stellenausschreibung ) entsprochen hätten.

23 Zur Erläuterung seiner Argumentation führt der Kläger einige Beispiele dieser angeblichen Diskrepanz auf. Er macht geltend,

-daß entgegen Abschnitt IV a ) 1 der Stellenausschreibung keine Frage die Analyse zum Gegenstand gehabt habe;

-daß entgegen Abschnitt IV a ) 1 der Stellenausschreibung die Fragen über Statistik, Operationsforschung und Ökonometrie nur praktischer Art gewesen seien;

-daß Fragen über Programmierung gestellt worden seien, obwohl es sich, wie in Abschnitt II der Stellenausschreibung festgelegt, nicht um ein Auswahlverfahren für Programmierer gehandelt habe.

24 Überdies waren die Fragen nach Auffassung des Klägers dem Zweck des Auswahlverfahrens unzureichend angepasst und zu stark von dem vom Prüfungsausschuß bestellten Beisitzer/Sachverständigen beeinflusst. Dieser Beisitzer sei kein Systemanalytiker, sondern der einzige Informatiker unter den Mitgliedern des Prüfungsausschusses gewesen. Der Kläger ersucht das Gericht, falls erforderlich, einen Sachverständigen zu bestellen, um zu ermitteln, ob die in den schriftlichen Prüfungen gestellten Fragen nicht nur der Stellenausschreibung, sondern auch den Kriterien entsprächen, die eine Beurteilung der Fähigkeiten eines Systemanalytikers-Informatikers zuließen.

25 Der Rat hält dem entgegen, daß das fragliche Auswahlverfahren das erste Auswahlverfahren gewesen sei, das der Einstellung von Informatikern mit Universitätsabschluß gedient habe. Der Bewerber habe zwar ein persönliches Interesse daran, keinen Prüfungen unterzogen zu werden, die nicht den Bestimmungen der Stellenausschreibung entsprächen, doch liege in dieser Hinsicht kein offensichtlicher Fehler seitens des Rates vor. Zu den vom Kläger angeführten Beispielen bringt der Rat folgendes vor : Die erste Frage des zweiten Teils der ersten schriftlichen Prüfung habe unbestreitbar das Gebiet der Analyse betroffen; die Kenntnis einer Theorie könne sowohl durch Fragen über diese Theorie als auch durch Fragen in bezug auf ihre Anwendung geprüft werden; eine Prüfung der Kenntnisse eines Systemanalytikers-Informatikers dürfe sehr wohl mehr als nur Fragen der Analyse umfassen.

26 Zum angeblich übermässigen Einfluß des Beisitzers erwidert der Rat, daß die Kompetenz des Prüfungsausschusses durch die Präsenz eines sachverständigen Informatikers im Prüfungsausschuß selbst und durch die Unterstützung eines Beisitzers gewährleistet gewesen sei. Überdies müssten bei der Einstellung von Beamten der Laufbahngruppe A durch das Generalsekretariat des Rates weitere Gesichtspunkte als nur die fachliche Fähigkeit berücksichtigt werden.

27 Hierzu sei zunächst daran erinnert, daß die entscheidende Rolle der Stellenausschreibung darin besteht, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen. Der Anstellungsbehörde steht bei der Festlegung der für die zu besetzenden Dienstposten erforderlichen Befähigungsmerkmale und bei der unter Berücksichtigung dieser Merkmale und im dienstlichen Interesse vorzunehmenden Festlegung der Voraussetzungen und Durchführungsmodalitäten eines Auswahlverfahrens ein weites Ermessen zu. Auch der Prüfungsausschuß verfügt über ein weites Ermessen in bezug auf die Modalitäten und die Einzelheiten des Inhalts der im Rahmen eines Auswahlverfahrens vorgesehenen Prüfungen. Das Gericht darf die Modalitäten des Ablaufs einer Prüfung nur insoweit beanstanden, als es erforderlich ist, um die Gleichbehandlung der Bewerber und die Objektivität der unter ihnen getroffenen Auswahl zu gewährleisten. Ebensowenig ist es Sache des Gerichts, den Inhalt einer Prüfung im einzelnen zu beanstanden, es sei denn, er überschritte den in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens gezogenen Rahmen oder wäre dem Zweck der Prüfung oder des Auswahlverfahrens nicht angemessen ( vergleiche Urteile des Gerichtshofes vom 16. Oktober 1975 in der Rechtssache 90/74, Deböck/Kommission, Slg. 1975, 1123; vom 28. Juni 1979 in der Rechtssache 255/78, Anselme/Kommission, Slg. 1979, 2323; vom 1. Oktober 1981 in der Rechtssache 268/80, Guglielmi/Parlament, Slg. 1981, 2295; vom 18. Februar 1982 in der Rechtssache 67/81, Ruske/Kommission, Slg. 1982, 661; vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 144/82, Detti/Gerichtshof, Slg. 1983, 2421; vom 9. Februar 1984 in der Rechtssache 39/83, Fabius/Kommission, Slg. 1984, 627; vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 40/86, Kolivas/Kommission, Slg. 1987, 2643; vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Sergio, a. a. O., und vom 24. März 1988 in der Rechtssache 228/86, Goossens/Kommission, Slg. 1988, 1819 ).

28 Was die Rolle und den Einfluß des Beisitzers betrifft, so steht fest, daß ein Prüfungsausschuß die Unterstützung durch Beisitzer immer dann in Anspruch nehmen kann, wenn er dies für erforderlich hält. Die Ordnungsmässigkeit der Vorgänge ist gewahrt, wenn die Korrekturmethoden nicht von einem Bewerber zum anderen verschieden sind und der Prüfungsausschuß das Recht der endgültigen Beurteilung behält ( vergleiche Urteile des Gerichtshofes vom 16. Oktober 1975 in der Rechtssache 90/74, Deböck, a. a. O.; vom 26. Oktober 1978 in der Rechtssache 122/77, Agneessens/Kommission, Slg. 1978, 2085, und vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 40/86, Kolivas, a. a. O.).

29 Aufgrund all dieser Erwägungen ist festzustellen, daß das Vorbringen des Klägers im Ablauf der Vorgänge des Auswahlverfahrens keine Überschreitung der dem Ermessen des Prüfungsausschusses durch das Statut und die Rechtsprechung gesetzten Grenzen sichtbar werden lässt. Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

Verletzung des Diskriminierungsverbots

30 Zur Erläuterung dieses Klagegrundes bringt der Kläger im wesentlichen zwei Rügen vor. Erstens stelle es eine Diskriminierung dar, daß die Arbeiten bei der Korrektur je nach der Sprache unterschiedlich behandelt worden seien,

-da zum einen nicht gewährleistet gewesen sei, daß die dem Prüfungsausschuß vorgelegten Übersetzungen den Originalarbeiten wirklich entsprochen hätten, und

-da zum anderen die Ungleichzeitigkeit bei der Korrektur der schriftlichen Prüfungen und im Ablauf der mündlichen Prüfungen, die jeweils vom 19. bis 21. Juni und vom 5. bis 6. Juli 1989 stattgefunden hätten, es Bewerbern der zweiten Gruppe habe ermöglichen können, aus den Erfahrungen der ersten Gruppe Nutzen zu ziehen.

31 Zweitens sei seine Arbeit für die zweite schriftliche Prüfung, die er am Bildschirm eingesehen habe, ebenso gut gewesen wie die Arbeiten anderer Bewerber italienischer Sprache, die zu den mündlichen Prüfungen zugelassen worden seien und deren Arbeiten er ebenfalls am Bildschirm habe einsehen können.

32 Zum ersten Argument führt der Rat aus, daß, soweit die Arbeiten mathematische Formeln oder EDV-Schemas enthielten, die Mitglieder des Prüfungsausschusses und die Beisitzer nicht nur über die Übersetzung, sondern auch über die Fotokopie des Originals verfügt hätten. In den anderen Fällen hätten sie im Zweifelsfall immer die Möglichkeit gehabt, die Fotokopien der Originale zu Rate zu ziehen, die ihnen zur Verfügung gestanden hätten.

33 Zum zweiten Argument führt der Rat aus, daß das für die Korrektur der Arbeiten in den verschiedenen Sprachen erforderliche Verfahren zu einer Ungleichzeitigkeit der Korrektur der Arbeiten durch den Sachverständigen und ihrer Bewertung durch den Prüfungsausschuß geführt habe. Der Prüfungsausschuß habe der Verwaltung die Ergebnisse der schriftlichen Prüfungen mitgeteilt, sobald sie vorgelegen hätten, das heisst die Ergebnisse der ersten Gruppe am 29. Mai 1989 und die der zweiten Gruppe am 26. Juni 1989. Deshalb sei es möglich gewesen, die Bewerber der ersten Gruppe früher zur mündlichen Prüfung zu laden als die der zweiten Gruppe. Jedenfalls wäre nach Auffassung des Rates ein Prüfungsausschuß niemals in der Lage gewesen, alle Bewerber an einem einzigen Tag zu prüfen. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß die beanstandete Ungleichzeitigkeit zu einer unterschiedlichen oder diskriminierenden Bewertung geführt habe oder daß die Bewerber der zweiten Gruppe, zu der der Kläger gehört habe, bevorzugt worden seien.

34 Dem dritten Argument hält der Rat entgegen, daß es sich nach den Angaben des Klägers bei den Arbeiten, die er am Bildschirm eingesehen habe, um diejenigen der zweiten schriftlichen Prüfung gehandelt habe. Im Fall des Klägers sei diese Arbeit vom Prüfungsausschuß nicht bewertet worden, da sein unzureichendes Abschneiden bei der ersten schriftlichen Prüfung bereits sein Scheitern im Auswahlverfahren zur Folge gehabt habe, denn jede Einzelprüfung sei für die Zulassung zu den mündlichen Prüfungen entscheidend gewesen. Jedenfalls sei die von den anderen Bewerbern italienischer Sprache erreichte Punktzahl mit den durchschnittlichen Bewertungen aller Bewerber der ersten Gruppe vergleichbar.

35 Der Gleichheitssatz stellt zwar einen wesentlichen Grundsatz für den Ablauf eines Auswahlverfahrens dar ( Urteil des Gerichtshofes vom 27. Oktober 1976 in der Rechtssache 130/75, Prais/Rat, Slg. 1976, 1589 ), doch ist es offensichtlich, daß ein Auswahlverfahren wie das vorliegende, das Bewerbern aus allen Mitgliedstaaten offensteht, nicht entsprechend diesem Grundsatz ablaufen kann, ohne daß den Mitgliedern des Prüfungsausschusses und den Beisitzern, denen die Sprache bestimmter Bewerber fremd ist, eine Übersetzung der Arbeiten dieser Bewerber vorliegt. Daß bestimmte Arbeiten vor ihrer Bewertung übersetzt wurden, bedeutet für sich allein noch keine Ungleichbehandlung der Bewerber. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht bewiesen, daß die Übersetzung der Arbeiten den Bewerbern italienischer Sprache, geschweige denn ihm selbst, einen spezifischen Nachteil verursacht habe. Dieses erste Argument ist also zurückzuweisen.

36 Was das auf die Ungleichzeitigkeit der mündlichen Prüfungen gestützte Argument betrifft, so schreibt der Gleichheitssatz zwar vor, daß die schriftlichen Prüfungen für alle Bewerber zum gleichen Zeitpunkt stattfinden müssen ( Urteil vom 27. Oktober 1976 in der Rechtssache 130/75, Prais, a. a. O.), doch darf eine solche Bedingung nicht für die mündlichen Prüfungen aufgestellt werden, die ihrem Wesen nach nicht für alle Bewerber gleichzeitig stattfinden können und die ausserdem nicht unbedingt für alle Bewerber den gleichen Inhalt haben. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß die bei der Korrektur der schriftlichen Prüfungen und im Ablauf der mündlichen Prüfungen eingetretene Ungleichzeitigkeit übermässig war. Ausserdem sollen nach dem Vorbringen des Klägers die Bewerber anderer Sprachen als der englischen, der französischen und der niederländischen Sprache, zu denen auch der Kläger gehörte, bevorzugt worden sein, soweit sie aus den Erfahrungen anderer Bewerber Nutzen hätten ziehen können. Schließlich fehlt dem Kläger, der bereits im Verfahrensabschnitt der schriftlichen Prüfungen gescheitert ist, das Interesse, dieses Argument geltend zu machen; es ist daher zurückzuweisen.

37 Zum Argument des Klägers, seine Antworten in der zweiten schriftlichen Prüfung seien nicht minder zutreffend gewesen als die anderer Bewerber, die er auf dem Bildschirm habe einsehen können, genügt die Feststellung, daß der Kläger kein berechtigtes Interesse hat, dieses Argument geltend zu machen, da er wegen seines unzureichenden Abschneidens in der ersten schriftlichen Prüfung die schriftlichen Prüfungen nicht bestanden hatte.

38 Aus allen diesen Gründen kann der zweite Klagegrund nicht durchgreifen.

Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung

39 Der Kläger bringt vor, daß der Rat bei den internen Vorgängen der Erstellung einer maschinenschriftlichen Abschrift und der Korrektur keine Vorkehrungen getroffen habe, um zu verhindern, daß ein interner Bewerber mit Zugang zum Textverarbeitungssystem in die Arbeiten anderer Bewerber Einsicht habe nehmen, sie mit der seinen habe vergleichen und seine Antworten oder die anderer Bewerber habe verändern können. Dieses Fehlen von Vorkehrungen, insbesondere von Vertraulichkeit, habe die Objektivität der Maßnahmen des Auswahlverfahrens wesentlich beeinträchtigt und ziehe dessen absolute Nichtigkeit nach sich.

40 In der mündlichen Verhandlung hat der Rat eingeräumt, daß bei der Korrektur der schriftlichen Prüfungen dieses Auswahlverfahrens, des ersten, das der Rat zur Einstellung von Informatikern mit Universitätsabschluß durchgeführt habe, Probleme aufgetreten seien. Der Rat versichert jedoch, daß die Arbeiten in jedem Verfahrensabschnitt noch einmal gelesen und verglichen worden seien, daß sie in bezug auf ihre Verfasser völlig anonym behandelt worden seien und daß folglich nur diese ihre Arbeiten hätten identifizieren können. Überdies stelle das Verhalten des Klägers einen Verstoß gegen Artikel 14 des Statuts dar, der den Beamten, der in einer Angelegenheit Stellung zu nehmen habe, an deren Behandlung er ein persönliches Interesse habe, verpflichte, hiervon seiner Anstellungsbehörde Kenntnis zu geben. In jedem Fall hätte der Kläger unabhängig davon, wie die zweite schriftliche Prüfung korrigiert worden sei, ausgeschlossen werden müssen, da er an der ohne Übersetzung korrigierten ersten schriftlichen Prüfung gescheitert sei und da diese Prüfung für die Zulassung zu den mündlichen Prüfungen entscheidend gewesen sei.

41 Es ist jedoch auf zwei Berichte des Prüfungsausschusses hinzuweisen, die der Rat seiner Klagebeantwortung als Anhang beigefügt hat; in dem Bericht vom 26. Oktober 1989 bringt der Prüfungsausschuß seine "ernste Sorge" um die Vertraulichkeit seiner Arbeiten zum Ausdruck und bittet die Anstellungsbehörde, eine Untersuchung der Umstände einzuleiten, die der Klage zugrunde liegen, und alle Maßnahmen zu treffen, um die festgestellten Mängel oder Verstösse zu beseitigen. Der Kläger stützt sich in seiner Erwiderung auf diese Umstände.

42 Das Gericht kann nur beklagen, daß dem Kläger als internem Bewerber in einem allgemeinen Auswahlverfahren nach einer schriftlichen Prüfung der Zugang zu seiner eigenen Arbeit und sogar zu den Arbeiten anderer Bewerber möglich war. Um jedoch in der Sache zu obsiegen, müsste der Kläger entweder eine spezifische Beeinträchtigung seiner subjektiven Interessen beweisen oder nachweisen, daß wegen einer schwerwiegenden und offenkundigen Verletzung der Grundsätze einer ordnungsgemässen Verwaltung, durch die die Rechte aller Bewerber beeinträchtigt werden, ein objektives Interesse an der Aufhebung aller Maßnahmen im Rahmen des Auswahlverfahrens oder zumindest aller schriftlichen und mündlichen Prüfungen besteht.

43 Wie vorstehend ausgeführt, hatte der Kläger wegen seines unzureichenden Abschneidens bei der ersten schriftlichen Prüfung die schriftlichen Prüfungen nicht bestanden. Allem Anschein nach waren die Arbeiten dieser Prüfung keinem internen Bewerber zugänglich, und der Kläger hat auch keineswegs dargetan, daß die Antworten in seiner Arbeit nach Abschluß dieser Prüfung in irgendeiner Weise verändert worden seien. Daraus folgt, daß der Kläger keine Beeinträchtigung seiner subjektiven Interessen geltend machen kann.

44 Zum behaupteten objektiven Interesse an der Aufhebung des Auswahlverfahrens ist zu bemerken, daß der Kläger - die einzige Person, die wusste, daß ein interner Bewerber die Möglichkeit hatte, die Arbeiten zu verändern - es nicht für notwendig, geschweige denn für dringlich, gehalten hat, seine Vorgesetzten auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Da er nicht zum geeigneten Zeitpunkt reagiert hat, hat er keinerlei Grund, jetzt zum Nachteil der erfolgreichen Bewerber die Aufhebung aller Maßnahmen im Rahmen des Auswahlverfahrens zu verlangen. Unter diesen Umständen liegt nach Ansicht des Gerichts - das das Geschehene gleichwohl für beklagenswert hält - keine Verletzung des Grundsatzes einer ordnungsgemässen Verwaltung vor, die schwerwiegend genug wäre, um die Aufhebung des Auswahlverfahrens nach sich zu ziehen. Dieser Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

45 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Klage abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

46 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des erwähnten Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT ( Vierte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück