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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: T-139/98
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 98/538/EG


Vorschriften:

EGV Art. 86 a.F.
EGV Art. 82
Entscheidung 98/538/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Nach der Systematik von Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) ist der räumliche Markt abzugrenzen, um beurteilen zu können, ob das fragliche Unternehmen in der Gemeinschaft oder in einem wesentlichen Teil davon eine beherrschende Stellung einnimmt. Die Umschreibung des räumlichen Marktes erfordert daher eine wirtschaftliche Beurteilung. Der räumliche Markt kann demgemäß als das Gebiet definiert werden, in dem für alle Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die betreffenden Produkte einander gleichende oder hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen gelten, ohne dass es erforderlich wäre, dass diese Bedingungen völlig homogen sind. Der Markt kann auch auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkt sein.

( vgl. Randnr. 39 )

2. Besonders hohe Marktanteile erbringen als solche den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Ein Unternehmen, das längere Zeit einen besonders hohen Marktanteil besitzt, befindet sich nämlich aufgrund seines Produktions- und Angebotsvolumens - ohne dass die Inhaber erheblich geringerer Anteile imstande wären, die Nachfrage, die sich von dem Unternehmen mit dem größten Anteil abwenden will, rasch zu befriedigen - in einer Machtposition, die aus diesem Unternehmen einen Zwangspartner macht und ihm bereits deswegen, jedenfalls während relativ langer Zeiträume, die Unabhängigkeit des Verhaltens sichert, die für eine beherrschende Stellung kennzeichnend ist.

( vgl. Randnr. 51 )

3. Eine beherrschende Stellung ist die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.

( vgl. Randnr. 51 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 22. November 2001. - Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (AAMS) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Missbrauch einer beherrschenden Stellung - Zigarettenmarkt in Italien - Vertriebsvertrag - Missbräuchliche Klauseln - Missbräuchliche Verhaltensweisen - Herabsetzung der Geldbuße. - Rechtssache T-139/98.

Parteien:

In der Rechtssache T-139/98

Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (AAMS), Prozessbevollmächtigte: P. G. Ferri und D. Del Gaizo, avvocati dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Marenco und L. Pignataro als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Rothmans International Europe BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozeßbevollmächtigter: Solicitor S. Crosby, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

JT International BV, früher R. J. Reynolds International BV, mit Sitz in Hilversum (Niederlande), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. W. Brouwer, F.-P. Louis und T. Janssens, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferinnen,

in erster Linie wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 98/538/EG der Kommission vom 17. Juni 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 86 EG-Vertrag (Sache IV/36.010-F3 - Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato [Autonome Verwaltung der Staatsmonopole]) (ABl. L 252, S. 47) und hilfsweise wegen Herabsetzung der verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García-Valdecasas und J. D. Cooke,

Kanzler: E. Sheehan, Rechtsreferentin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Mit der vorliegenden Klage wird die Nichtigerklärung der Entscheidung 98/538/EG der Kommission vom 17. Juni 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 86 EG-Vertrag (Sache IV/36.010-F3 - Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato [Autonome Verwaltung der Staatsmonopole]) (ABl. L 252, S. 47, im Folgenden: streitige Entscheidung) begehrt. Die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (im Folgenden: AAMS) ist eine Einrichtung der Finanzverwaltung des italienischen Staates, die u. a. für die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr und den Großvertrieb von Tabakwaren zuständig ist. Die Tätigkeit und die Organisation der AAMS werden durch das italienische Königliche Decreto-legge Nr. 2258 vom 8. Dezember 1927 geregelt.

2 Auf drei Beschwerden gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 13, S. 204), der R. J. Reynolds Tobacco GmbH und der R. J. Reynolds Tobacco Company SAE (vom Mai 1996), der Rothmans International BV (vom September 1996) und der International Tobacco Company (vom Juni 1997) (im Folgenden: Beschwerdeführerinnen) übermittelte die Kommission der AAMS mit Schreiben SG (97) D/1583 vom 28. Februar 1997 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, um die Vereinbarkeit bestimmter Verhaltensweisen der AAMS auf dem Zigarettenmarkt in Italien mit Artikel 86 EG-Vertrag beurteilen zu können. Diese Mitteilung wurde auch bestimmten dritten Unternehmen übersandt. Mit Schreiben vom 19. Mai 1997 nahm die AAMS zu den Beschwerdepunkten der Kommission Stellung. Die R. J. Reynolds International BV und die Rothmans International BV reichten ebenfalls schriftliche Stellungnahmen ein, die die Kommission der AAMS am 13. Juni 1997 übermittelte.

3 Nach Anhörung der AAMS und Dritter am 11. Juli 1997 gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) und Eingang einer weiteren, die Anhörung betreffenden schriftlichen Stellungnahme der AAMS vom 25. Juli 1997 erließ die Kommission die streitige Entscheidung.

Die streitige Entscheidung

4 Die Kommission legte dar, dass die AAMS gemäß Artikel 45 des Gesetzes Nr. 907 vom 17. Juli 1942 (GURI Nr. 199 vom 28. Mai 1942) das ausschließliche Recht zur Herstellung von Tabakwaren im italienischen Staatsgebiet besitze. Beim Erlass der streitigen Entscheidung habe die AAMS nicht nur Zigaretten ihrer eigenen Marken, sondern auch Zigaretten der Marken des Unternehmens Philip Morris erzeugt. Dafür habe die AAMS in den letzten Jahrzehnten mit Philip Morris Lizenzvereinbarungen geschlossen. Im Jahr 1995 habe die AAMS etwa 54 Mio. kg Zigaretten produziert, davon 40 Mio. ihrer eigenen Marken und 14 Mio. unter Marken von Philip Morris (zweite Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

5 Die Einfuhr von Zigaretten aus anderen Mitgliedstaaten nach Italien und ihre Vermarktung auf der Großhandelsstufe seien durch das Gesetz Nr. 724 vom 10. Dezember 1975 (GURI Nr. 4 vom 7. Januar 1976) liberalisiert worden. Dabei sei die Einfuhr über nicht der AAMS gehörende Vertriebslager zugelassen worden. Allerdings würden auch seit der Liberalisierung alle aus der Gemeinschaft stammenden Zigaretten weiterhin von der AAMS nach Italien eingeführt, die auch den Großhandelsvertrieb aufgrund von Vereinbarungen mit ausländischen Herstellern (im Folgenden: ausländische Unternehmen), die ihre Zigaretten in Italien verkaufen wollten, übernehme (fünfte Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

6 Das Gesetz Nr. 1293 vom 22. Dezember 1957 (GURI Nr. 9 vom 13. Januar 1958) regele die Organisation der Vertriebs- und Verkaufsdienste für Monopolwaren und somit auch für Zigaretten; danach würden diese Dienste erbracht von

a) den Bezirksaufsichtsämtern, die die Vertriebs- und Verkaufsdienste überwachten;

b) den Primärvertriebsstellen (im Folgenden: Vertriebslager), die die Monopolwaren entgegennähmen, lagerten und zum Verkauf verteilten. Die Lager zögen außerdem die Steuer auf die verkauften Monopolwaren ein und führten sie an das Schatzamt ab;

c) den Verkaufsabteilungen der Vertriebslager, die die gelagerte Ware den Lagern gegen Zahlung entnähmen und sie an zugelassene Verkaufsstellen veräußerten;

d) von den Sekundärvertriebsstellen (im Folgenden: Verkaufslager), die die Ware aus den Lagern und den Abteilungen für den Verkauf der Vertriebslagerbestände gegen Zahlung entnähmen und sie an zugelassene Verkaufsstellen veräußerten;

e) den Verkaufsstellen (sechste Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

7 Die Aufsichtsämter, die Vertriebslager und deren Verkaufsabteilungen gehörten zur AAMS, während die Verkaufslager durch Private betrieben würden; auch im Einzelhandel mit Zigaretten sei die AAMS nicht präsent (vgl. siebte bis neunte und 32. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung). Für den gesamten Einzelhandel mit Zigaretten in Italien habe ein Monopol bestanden, und die Verwaltung des Zigarettenverkaufs sei durch ein Dekret und insbesondere die Weisungen der AAMS geregelt worden. Seit dem 1. Januar 1993 könnten ausländische Unternehmen den Großhandel mit ihren Zigaretten den Händlern mit "Steuerlagern" übertragen, die für den Vertrieb anderer verbrauchsteuerpflichtiger Waren genutzt würden (31. und 32. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

8 Um festzustellen, ob die AAMS eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag habe, sei zwischen drei Produkt- und Dienstleistungsmärkten zu unterscheiden, die durch eine starke Interdependenz gekennzeichnet seien, so dass eine Verhaltensweise auf einem Markt erhebliche Folgen für die anderen Märkte zeitigen könne. Erstens handele es sich um den Markt für Zigaretten, die in Italien oder in anderen Mitgliedstaaten hergestellt und in Italien vertrieben und verkauft würden (im Folgenden: Zigarettenmarkt). Zweitens gehe es um den Markt der Dienstleistungen für den Vertrieb und den Großhandelsverkauf dieser Zigaretten (im Folgenden: Großhandelsmarkt). Drittens handele es sich um den Markt der Dienstleistungen für den Einzelhandelsverkauf von Zigaretten (im Folgenden: Einzelhandelsmarkt) (22. bis 27. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

9 Räumlich deckten sich diese verschiedenen Märkte aus folgenden Gründen mit dem italienischen Staatsgebiet:

a) Die Vorlieben der italienischen Raucher gingen in eine andere Richtung als die der Raucher der übrigen Mitgliedstaaten;

b) die Einzelhandelspreise unterschieden sich erheblich von denen in anderen Mitgliedstaaten;

c) nach dem geltenden italienischen Recht müsse jeder ausländische Hersteller, der seine Erzeugnisse in Italien vermarkten wolle, die Zigarettenpackungen mit den vorgeschriebenen Hinweisen in italienischer Sprache (z. B. "Tabak kann schwere Gesundheitsschäden hervorrufen") versehen;

d) es gebe keine Paralleleinfuhren von Zigaretten nach Italien (28. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

10 Demnach seien im vorliegenden Fall folgende Märkte zu berücksichtigen: der italienische Zigarettenmarkt, der italienische Großhandelsmarkt und der italienische Einzelhandelsmarkt (29. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

11 Die Kommission nahm sodann eine Beurteilung der Stellung der AAMS auf diesen Märkten vor. Was erstens den italienischen Zigarettenmarkt angehe, so sei er durch ein Duopol von Philip Morris und der AAMS (die zusammen etwa 94 % dieses Marktes hielten) und die Präsenz anderer Unternehmen gekennzeichnet, deren Marktanteile in Italien nur marginal seien (30. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

12 Was zweitens den italienischen Großhandelsmarkt betreffe, so besitze die AAMS dort eine beherrschende Stellung. Trotz der Liberalisierung der Einfuhr und des Großhandels mit Zigaretten zögen es die Hersteller weiterhin vor, das Vertriebsnetz der AAMS für ihre eigenen Erzeugnisse in Italien zu nutzen. Es sei nämlich für ausländische Unternehmen wirtschaftlich recht schwierig, ein eigenes, unabhängiges Großhandelsnetz mit der nötigen Flächendeckung zu errichten. So hätten sich die ausländischen Unternehmen bisher durchgehend dafür entschieden, die AAMS für den Vertrieb ihrer Zigaretten in Italien einzuschalten. Die AAMS sei deshalb für ausländische Unternehmen ein "obligatorischer Vertragspartner", da sie über eine faktische Monopolstellung verfüge. Die ausländischen Unternehmen könnten den Großhandel mit ihren Zigaretten auch nicht den Wirtschaftsteilnehmern mit Steuerlagern übertragen, da sich diesen unüberwindliche wirtschaftliche Hindernisse entgegenstellten. Nach italienischem Recht dürften nämlich erstens Tabakwaren nicht in denselben Räumlichkeiten gelagert werden wie andere verbrauchsteuerpflichtige Waren, weshalb die betreffenden Unternehmer beträchtliche Investitionen aufbringen müssten. Zweitens unterschieden sich die Verkaufsstellen für Zigaretten eindeutig von den Abnehmern anderer verbrauchsteuerpflichtiger Waren, so dass eine neue Beförderungs- und Vertriebsstruktur hätte aufgebaut werden müssen, ohne dass es zu Synergien mit den bestehenden Strukturen gekommen sei. Drittens sei der Marktanteil ausländischer Hersteller (mit Ausnahme des der AAMS durch Lizenzvereinbarungen verbundenen Unternehmens Philip Morris) extrem niedrig (etwa 7 %) und stelle deshalb keinen ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz für Unternehmen dar, die im Tabakwarengroßhandel als Wettbewerber der AAMS tätig werden wollten. Die Verkaufsstellen hätten auch keinerlei Interesse daran, sich von einem anderen Großhändler beliefern zu lassen, wenn diese ihnen nur einen geringfügigen Teil ihres Zigarettenbedarfs liefern könnten (31. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

13 Was drittens den Einzelhandelsmarkt für Zigaretten betreffe, so sei die AAMS auf ihm nicht präsent (32. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

14 Die AAMS habe ihre beherrschende Stellung auf dem Großhandelsmarkt für Zigaretten missbräuchlich ausgenutzt. Dabei seien zwei Arten von Verhaltensweisen der AAMS zu unterscheiden:

- der Abschluss von Standardvertriebsverträgen mit bestimmten Zigarettenherstellern, wonach diese die AAMS mit der Einfuhr und dem Großhandel ihrer in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten Zigaretten nach und in Italien beauftragt hätten;

- bestimmte einseitige Verhaltensweisen der AAMS in Bezug auf Zigaretten, die in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt und anschließend nach Italien importiert worden seien (12. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

Klauseln des Vertriebsvertrags

15 Die Kommission stellte fest, dass die AAMS einen Standardvertrag für den Großhandelsvertrieb (im Folgenden: Vertriebsvertrag) von Zigaretten, die von einem ausländischen Hersteller in einem anderen Mitgliedstaat produziert worden seien, ausgearbeitet habe, dessen letzte Fassung aus dem Jahr 1993 eine Vertragslaufzeit von fünf Jahren vorsehe (13. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

16 Der Text des Vertriebsvertrags werde von der AAMS einseitig vorgegeben, und die ausländischen Unternehmen könnten weder andere Vertragsklauseln aushandeln noch Änderungen vorschlagen, die ihrem Standpunkt oder ihren besonderen Interessen Rechnung trügen. Diese Unternehmen befänden sich gegenüber der AAMS in einer Lage extremer Abhängigkeit und hätten die von dieser vorgegebenen Klauseln, wonach die AAMS ihre wettbewerblichen Initiativen überwachen und gegebenenfalls zum Schutz ihrer Verkäufe untersagen dürfe, vollständig hinnehmen müssen (14. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

- Klausel über die Frist für die Markteinführung neuer Zigarettenmarken

17 Die Kommission führte aus, dass Artikel 1 Absatz 3 des Vertriebsvertrags der AAMS die Befugnis einräume, ausländischen Unternehmen nur zweimal jährlich die Einführung neuer Marken zu gestatten. Diese Klausel schränke die Möglichkeit des ausländischen Unternehmens ein, dann neue Zigarettenmarken auf den italienischen Markt zu bringen, wenn es dies für am günstigsten halte (35. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

- Klausel über die Hoechstmenge für den Absatz auf dem Markt eingeführter neuer Zigarettenmarken

18 Die Kommission hob hervor, dass gemäß Anhang B Absatz 5 des Vertriebsvertrags bei der Ersteinführung neuer Marken die einzuführenden Zigaretten nicht über 5 000 kg liegen dürften. Nach Anhang B Absatz 6 des Vertriebsvertrags müssten die Aufträge der AAMS dann während des ersten Jahres denen des Vormonats entsprechen. Diese Bestimmungen nähmen den ausländischen Unternehmen die Möglichkeit, über die Bedingungen und Einzelheiten der Einführung eines neuen Produktes einschließlich der zum Zeitpunkt der Einführung auf den Markt zu bringenden Mengen frei zu entscheiden. Überdies sei die festgesetzte Absatzmenge für die Einführung eines neuen Erzeugnisses auf dem italienischen Markt gänzlich unzureichend. Für die von der AAMS oder unter ihrer Lizenz hergestellten Zigaretten gelte eine solche obere Absatzmenge nicht, weshalb die von ausländischen Unternehmen hergestellten Zigaretten gegenüber den von der AAMS erzeugten einer Diskriminierung unterlägen (36. und 37. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

- Klausel über die monatlichen Hoechstmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten

19 Anhang B Absatz 2 des Vertriebsvertrags, wonach sich die Mengen der für den italienischen Markt bestimmten Zigaretten des ausländischen Unternehmens nach den im Vormonat verkauften Mengen bestimmten, beschränke dieses in seiner Entscheidungsfreiheit über die für den Vertrieb vorgesehenen Produktmengen. Diese Klausel sei nicht durch objektive Erfordernisse der Wahrung berechtigter wirtschaftlicher und/oder kommerzieller Interessen der AAMS gerechtfertigt. Insoweit sei festzustellen, dass die AAMS über ein überdimensioniertes Vertriebsnetz verfüge, das es ihr ermögliche, Forderungen ausländischer Unternehmen nach Erhöhung der Vertriebsmengen stattzugeben, ohne die Vertriebsstrukturen ausbauen zu müssen. So belaufe sich die Vertriebskapazität der AAMS auf 102 Mio. kg Zigaretten pro Jahr, während der tatsächliche Bedarf des italienischen Marktes nur etwa 90 Mio. kg betrage. Die fragliche Klausel erscheine auch nicht durch das Erfordernis gerechtfertigt, einen Ausgleich zwischen der Menge ausländischer Zigaretten im Vertriebsnetz der AAMS und der tatsächlichen Entnahmefähigkeit des Marktes herzustellen. Das ausländische Unternehmen habe keinerlei Interesse daran, das Vertriebsnetz der AAMS in größeren Mengen, als der Markt aufnehmen könne, zu beliefern, denn es sei dazu verpflichtet, auf eigene Kosten nach einer bestimmten Frist alle Zigarettenmengen zurückzunehmen, die in den Vertriebslagern der AAMS unverkauft verblieben seien. Überdies habe das ausländische Unternehmen, wenn seine Zigaretten zu lange in den Verkaufslagern gelagert worden seien, diese durch neu hergestellte zu ersetzen. Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, dass die von der AAMS selbst oder unter ihrer Lizenz hergestellten Zigaretten einer solchen Beschränkung nicht unterlägen und deshalb wettbewerblich gegenüber im Ausland hergestellten Zigaretten erheblich im Vorteil seien (38. bis 40. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

- Klausel über die Erhöhung der monatlichen Mengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten

20 Nach Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags könne das ausländische Unternehmen bei der AAMS die Erhöhung der Menge der auf den italienischen Markt zu bringenden Zigaretten beantragen, jedoch unterliege diese Möglichkeit einer dreifachen Einschränkung, die die Wettbewerbsfreiheit der ausländischen Unternehmen schwerwiegend beeinträchtige. Erstens müsse die AAMS der Erhöhung zustimmen. Zweitens sei die Erhöhung auf 30 % der "zulässigen Monatsbestellung" beschränkt. Drittens entstehe durch die Genehmigung der Erhöhung dem ausländischen Unternehmen die Pflicht, eine zusätzliche Vertriebsprovision zu zahlen, die sich nicht nach den "zusätzlichen" Mengen, sondern nach der Gesamtmenge der verkauften Zigaretten richte. Die Begrenzung der Erhöhung auf 30 % der "zulässigen Monatsbestellung" schade ernstlich der Wettbewerbsfähigkeit des ausländischen Unternehmens, da es sich nicht in vollem Umfang an die Nachfrage auf dem italienischen Markt anpassen könne; besonders schwerwiegende Folgen habe dies bei Zigaretten, deren Absatz stark saisonabhängig sei. Überdies sei die an die AAMS zu zahlende Zusatzprovision, die sich nach der gesamten Verkaufsmenge bestimme, nicht gerechtfertigt, da die Vertriebsprovision so gestaffelt sei, dass die Erhöhung der Verkaufsmengen zu einer Verringerung der Gesamtprovision führe (41. bis 44. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung)

- Klauseln über die Aufmachung der Zigaretten und ihre Kontrolle

21 Nach Artikel 4 Absatz 1 des Vertriebsvertrags sei das ausländische Unternehmen verpflichtet, jede für den Verkauf auf dem italienischen Markt bestimmte Zigarette mit dem Aufdruck Monital (Abkürzung für "Monopoli Italiani") zu versehen. Diese Verpflichtung könne nicht damit begründet werden, dass die Zigaretten des legalen Marktes von denen des Schwarzmarktes unterschieden werden müssten, sondern stelle eine Art Werbung für die AAMS auf einem Erzeugnis eines Konkurrenten dar und könne bei den Verbrauchern Zweifel darüber entstehen lassen, wer Hersteller der fraglichen Zigaretten sei. Auch die Kontrollen gemäß Artikel 5 des Vertriebsvertrags seien nicht als erforderlich anzusehen, um die Einhaltung des geltenden Rechts sicherzustellen. Sie seien daher nicht gerechtfertigt, und die AAMS dürfe vom ausländischen Unternehmen zur Abgeltung ihrer Kontrollen nicht für jede Packung aller Marken die Zahlung eines Pauschalbetrags fordern. Diese Kontrollen verzögerten ungerechtfertigt die Einführung neuer ausländischer Zigarettenmarken auf dem italienischen Markt (45. und 46. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

Missbräuchliche Praktiken

22 Die AAMS habe sich wiederholt geweigert, ausländischen Unternehmen die von ihnen gemäß Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags beantragten Erhöhungen der Zigaretteneinfuhrmengen zu gestatten. Dadurch würden diese Unternehmen daran gehindert, die von ihnen für sinnvoll erachteten Zigarettenmengen auf den italienischen Markt zu bringen, was ihre Wettbewerbsstellung geschwächt habe (47. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

23 Schließlich befolgten die Inspektoren der AAMS, die die Führung der Verkaufslager kontrollierten, Verhaltensweisen, die weder durch das geltende Recht noch vertraglich vorgegeben seien und inländische Zigaretten begünstigten, die Verkäufe eingeführter Zigaretten hingegen behinderten. Die beschränkende Wirkung dieser Verhaltensweisen erweise sich als besonders schwerwiegend in den Fällen, in denen die AAMS den Verkaufslagern bestimmte Verkaufsquoten für die Zigaretten der AAMS und die der ausländischen Unternehmen vorgeschrieben habe. Auch gegenüber den Verkaufsstellen legten die Inspektoren der AAMS ein Verhalten an den Tag, das weder durch das geltende Recht noch vertraglich vorgeschrieben sei und gleichfalls die Zigaretten der AAMS begünstige, die Verkäufe eingeführter Zigaretten hingegen behindere (48. bis 53. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung).

24 Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ die Kommission die streitige Entscheidung, deren Tenor wie folgt lautet:

"Artikel 1

Unter Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf dem italienischen Markt für den Zigarettengroßhandel hat sich die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato (nachfolgend: "AAMS") mit dem Ziel missbräuchlich verhalten, unter Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 EG-Vertrag durch Auferlegung der in Artikel 2 genannten Klauseln in den Vertriebsverträgen und durch die in Artikel 3 bezeichneten einseitigen Maßnahmen ihre Stellung auf dem italienischen Zigarettenmarkt zu schützen.

Artikel 2

Folgende Klauseln wurden von AAMS missbräuchlich in die Vertriebsverträge aufgenommen:

a) Die Klausel über die zeitliche Begrenzung der Markteinführung neuer Zigarettenmarken (Artikel 1 Absatz 3).

b) Die Klausel über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten (Anhang B Absätze 5 und 6).

c) Die Klausel über die monatlichen Hoechstmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten (Anhang B Absatz 2).

d) Die Klausel über die Erhöhung der Monatsmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten (Artikel 2 Absätze 5 und 6).

e) Die Klausel über den auf den Zigaretten anzubringenden Aufdruck Monital (Artikel 4).

f) Die Klausel über die Kontrolle der Zigaretten (Artikel 5).

Artikel 3

AAMS hat folgende einseitige Maßnahmen durchgeführt:

a) Die Weigerung, die von den ausländischen Unternehmen gemäß dem Standardvertriebsvertrag beantragte Erhöhung der monatlichen Zigaretteneinfuhrmengen zu genehmigen.

b) Die Verhaltensweisen gegenüber den Verkaufslagern und Verkaufsstellen mit dem Ziel, den Verkauf inländischer Zigaretten zu begünstigen und den Verkauf ausländischer Zigaretten einzuschränken.

Artikel 4

Die AAMS stellt die in den Artikeln 2 und 3 genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich ab, sofern dies nicht schon geschehen ist. Insbesondere ändert die AAMS die in Artikel 2 genannten noch in Kraft befindlichen Vertriebsvertragsklauseln, um die in dieser Entscheidung aufgeführten Missbrauchsmerkmale zu beseitigen. Sie übermittelt der Kommission die neuen Vertriebsverträge.

Artikel 5

Die AAMS nimmt davon Abstand, die in den Artikeln 2 und 3 bezeichneten Verhaltensweisen fortzusetzen oder zu wiederholen und enthält sich jeglicher Verhaltensweise gleicher Wirkung.

Zu diesem Zweck übermittelt die AAMS der Kommission drei Jahre lang nach Bekanntgabe dieser Entscheidung innerhalb von zwei Monaten vor Ende jedes Kalenderjahres einen Bericht, aus dem für das jeweilige Vorjahr hervorgeht, welche Mengen ausländischer Zigaretten die AAMS vertrieben hat und ob sie den Vertrieb solcher Zigaretten gegebenenfalls (vollständig oder teilweise) verweigert hat.

Artikel 6

Wegen der in den Artikeln 2 und 3 bezeichneten Verhaltensweisen wird gegen die AAMS eine Geldbuße in Höhe von 6 000 000 ECU festgesetzt."

Verfahren

25 Die AAMS hat mit Klageschrift, die am 7. September 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

26 Mit besonderem Schriftsatz, der am 15. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Rothmans International Europe BV beantragt, zur Unterstützung der Anträge der Beklagten als Streithelferin zugelassen zu werden.

27 Mit Schriftsatz, der am 23. Februar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat auch die JT International BV beantragt, zur Unterstützung der Anträge der Beklagten als Streithelferin zugelassen zu werden.

28 Mit Beschluss vom 6. Juli 1999 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesen Anträgen der beiden Unternehmen entsprochen.

29 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Es hat die Verfahrensbeteiligten im Wege verfahrensleitender Maßnahmen um die Einreichung von Unterlagen und die schriftliche Beantwortung verschiedener Fragen vor der mündlichen Verhandlung gebeten. Die Verfahrensbeteiligten sind dem nachgekommen.

30 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 20. März 2001 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

31 Die AAMS beantragt,

- als Hauptantrag, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, den Betrag der Geldbuße herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der AAMS die Kosten aufzuerlegen.

33 Die Rothmans International Europe BV als Streithelferin beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der AAMS ihre Streithilfekosten aufzuerlegen.

34 Die JT International BV als Streithelferin beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- den Betrag der Geldbuße beträchtlich zu erhöhen;

- der AAMS die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferinnen aufzuerlegen.

Zum Hauptantrag auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung

35 Die AAMS macht für ihren Nichtigkeitsantrag als einzigen Grund geltend, dass gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstoßen worden sei und dass offensichtliche Beurteilungsfehler vorlägen hinsichtlich

- der Bestimmung des relevanten räumlichen Marktes,

- des Bestehens einer beherrschenden Stellung auf dem italienischen Großhandelsmarkt für Zigaretten,

- der beschränkenden Wirkungen bestimmter Klauseln des Vertriebsvertrags

- und der einseitigen missbräuchlichen Verhaltensweisen.

Zum ersten Teil des Klagegrundes: Beurteilungsfehler bei der Bestimmung des relevanten räumlichen Marktes

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

36 Die AAMS macht geltend, der streitigen Entscheidung liege eine verfehlte Definition des räumlichen Marktes zugrunde. Erstens seien die Erwägungen, aus denen die Kommission den italienischen Markt vom übrigen europäischen Markt abgetrennt habe, unzureichend und völlig allgemeiner Art. Die verschiedenen Verbrauchergewohnheiten infolge nationaler Traditionen, Geschmacksrichtungen und Gepflogenheiten seien ein allgemein verbreitetes Phänomen und nicht für Tabakerzeugnisse charakteristisch. Auf der Grundlage dieser Gesichtspunkte könnten daher in Europa schwerlich jemals Märkte gefunden werden, die größer als die Staatsgebiete seien. Zweitens sei nicht verständlich, wie Etikettierungsvorschriften einer gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie "den nationalen Markt definieren und damit im Ergebnis den europäischen Markt charakterisieren" könnten. Das Vorbringen der Kommission widerspreche somit bereits dem Begriff des Gemeinsamen Marktes und dem Harmonisierungsziel der Richtlinie 89/622/EWG des Rates vom 13. November 1989 über die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen (ABl. L 359, S. 1).

37 Die Kommission und die Streithelferinnen meinen, das Vorbringen der AAMS könne keinen Zweifel daran begründen, dass der relevante räumliche Markt richtig definiert worden sei. Die AAMS bestreite auch nicht den in der streitigen Entscheidung festgestellten Sachverhalt.

Würdigung durch das Gericht

38 Zunächst ist festzustellen, dass die streitige Entscheidung die betroffenen Produkt- und Dienstleistungsmärkte als die Märkte für in Italien oder den anderen Mitgliedstaaten hergestellte Zigaretten, für den Großhandel mit diesen Zigaretten und für den Einzelhandel mit ihnen definiert; die Richtigkeit dieser Definitionen stellt die Klägerin nicht in Frage.

39 Was den betroffenen räumlichen Markt angeht, so ist er nach ständiger Rechtsprechung abzugrenzen, um festzustellen, ob das fragliche Unternehmen in der Gemeinschaft oder in einem wesentlichen Teil davon eine beherrschende Stellung einnimmt. Die Umschreibung des räumlichen Marktes erfordert daher wie die des Produktmarkts eine wirtschaftliche Beurteilung. Der räumliche Markt kann demgemäß als das Gebiet definiert werden, in dem für alle Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die betreffenden Produkte Wettbewerbsbedingungen gelten, die einander gleichen. Es ist keineswegs erforderlich, dass die objektiven Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer völlig homogen sind. Es genügt, wenn sie einander gleichen oder hinreichend homogen sind (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 44, und Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 91). Der Markt kann auch auf einen einzigen Mitgliedstaat begrenzt sein (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28).

40 Nach der 28. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung decken sich die drei in Frage stehenden Produkt- und Dienstleistungsmärkte (vgl. oben, Randnr. 36) räumlich mit dem italienischen Staatsgebiet. Nach der streitigen Entscheidung und den dem Gericht vorliegenden Akten erbrachte die AAMS die im Vertriebsvertrag vorgesehenen Dienstleistungen ausschließlich in Italien und war auf den Märkten der anderen Mitgliedstaaten weder als Zigarettenhersteller noch als Zigarettenhändler tätig. Die AAMS hat auch nicht bestritten, dass sie im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung als einzige Wirtschaftsteilnehmerin auf dem italienischen Großhandelsmarkt für Zigaretten präsent war und auf diesem Markt langjährig ein faktisches Monopol besaß. Bereits diese Umstände genügen, um die von der Kommission in der streitigen Entscheidung angestellten Erwägungen zur Definition des räumlichen Marktes zu bestätigen und das Vorbringen der AAMS hierzu zurückzuweisen.

41 Überdies wird die in der streitigen Entscheidung gewählte Definition des räumlichen Marktes durch eine Reihe weiterer, sich aus der Entscheidung ergebender und unbestrittener Tatsachen gestützt, die den besonderen Charakter dieses Marktes belegen. Zu diesen Tatsachen gehört, dass

- in Italien sämtliche Umsätze mit Zigaretten, darunter die Herstellung, die Einfuhr, die Lagerung, die Aufmachung, der Großhandel und der Einzelhandel, durch Rechtsvorschriften geregelt werden;

- zwischen Italien und den übrigen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einzelhandelspreise von Zigaretten ein erheblicher Unterschied besteht;

- Paralleleinfuhren von Zigaretten nach Italien nicht existieren;

- die italienischen Verbraucher bestimmte Präferenzen haben;

- der Marktanteil von Zigarettenmarken der AAMS in Italien sehr hoch ist, während diese Marken in den übrigen Mitgliedstaaten praktisch nicht vertrieben werden;

- auch der Marktanteil der Zigarettenmarken von Philip Morris in Italien wesentlich höher ist als in den übrigen Mitgliedstaaten.

42 Demnach gelangte die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis, dass die in der streitigen Entscheidung definierten fraglichen Märkte dem italienischen Staatsgebiet entsprechen. Wie die Kommission zutreffend geltend macht, steht der Berücksichtigung der italienischen Rechtsvorschriften über die Aufmachung von Tabakerzeugnissen als Gesichtspunkt für die Abgrenzung des relevanten räumlichen Marktes auch nicht der Umstand entgegen, dass diese Vorschriften durch eine gemeinschaftsrechtliche Richtlinie vorgegeben sind.

43 Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der beherrschenden Stellung der AAMS auf dem italienischen Großhandelsmarkt für Zigaretten

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

44 Die AAMS macht geltend, die Kommission habe die Frage, ob die AAMS auf dem relevanten Markt eine beherrrschende Stellung besitze, fehlerhaft beurteilt, da sie die Schwierigkeiten der Etablierung eines alternativen Vertriebsnetzes überschätzt habe. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72 (Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215) hebt sie hervor, die Kommission könne ihren Schluss, dass die AAMS auf dem italienischen Großhandelsmarkt für Zigaretten eine beherrschende Stellung einnehme, nicht aus der Feststellung herleiten, dass seit der Liberalisierung dieses Marktes im Jahr 1975 alle ausländischen Unternehmen weiterhin das Vertriebsnetz der AAMS in Anspruch genommen hätten. Es hätte diesen Unternehmen nämlich freigestanden, entweder ihr eigenes Vertriebsnetz aufzubauen oder andere im Vertrieb für gleichartige verbrauchsteuerpflichtige Waren tätige Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Es gebe zahlreiche zugelassene "Steuerlager" im gesamten italienischen Staatsgebiet, die für die Vermarktung von Tabakwaren durch bloße Ausweitung der Genehmigung für die Führung eines Steuerlagers genutzt werden könnten.

45 Das Vorbringen der Kommission, die Inhaber der Steuerlager böten im Bereich des Zigarettengroßhandels keine praktikable Ersatzlösung, sei unbegründet. Was erstens die Kosten für bauliche Umgestaltungen angehe, so seien sie zu vernachlässigen. Was zweitens das Verhältnis zur Kundschaft betreffe, so befasse sich die AAMS nicht mit der Beförderung der Ware zu den Tabakendverkäufern, sondern diese versorgten sich selbst bei den Verkaufsstätten der AAMS. Wollten die Tabakverkaufsstellen andere Großhändler in Anspruch nehmen, brauchten sie also ihr Geschäftsverhalten nicht zu ändern oder neue finanzielle Belastungen zu tragen. Überdies sei das Vertriebsnetz, das die Lager für die anderen verbrauchsteuerpflichtigen Waren bildeten, dichter als das der Vertriebs- und Verkaufslager der AAMS. Schließlich führten die Endverkäufer von Zigaretten auch Verkaufsstellen der Gastronomie und seien daher in Kontakt mit den Händlern alkoholischer Getränke, die der Verbrauchsteuer unterlägen. Drittens mache der Zigarettenvertrieb der AAMS für die Rechnung von Drittunternehmen nicht 7 %, sondern 46 % des Gesamtverbrauchs von Zigaretten in Italien aus.

46 Ihr Vertriebsvertrag enthalte auch keine Ausschließlichkeitsklausel, die Hersteller an der Inanspruchnahme anderer Vertriebswege hinderte. Auch keines der beschwerdeführenden Unternehmen habe versucht, sich eines bestehenden alternativen Vertriebsnetzes zu bedienen. Die JT International BV habe zwar vorgetragen, sie habe verschiedentlich die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines alternativen Vertriebssystems geprüft, lege aber nicht dar, worin diese Versuche bestanden hätten oder aus welchen Gründen sie diese Möglichkeit als wirtschaftlich unrentabel verworfen habe.

47 Schließlich bürde die streitige Entscheidung ihr als Wirtschaftsteilnehmerin auf dem Markt der Herstellung von Tabakerzeugnissen eine übermäßige Belastung auf, die weit über die Verpflichtung hinausgehe, keine Hindernisse für andere Hersteller zu schaffen.

48 Die Kommission führt aus, die AAMS bestreite nicht, dass sie den italienischen Markt für den Zigarettengroßhandel zu 100 % ausfuelle; die AAMS habe daher auf diesem Markt ein faktisches Monopol. Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 41) seien sehr hohe Marktanteile - abgesehen von außergewöhnlichen Umständen - bereits als solche ein Beweis für das Bestehen einer beherrschenden Stellung. Die AAMS habe keinen außergewöhnlichen Umstand geltend gemacht, der zu einer anderen Beurteilung als nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofes führen könne. Im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung seien auf dem italienischen Markt des Zigarettengroßhandels keine potenziellen Wettbewerber präsent gewesen, so dass die AAMS wirtschaftlich auf diesem Markt als "obligatorischer Vertragspartner" in Erscheinung getreten sei.

49 Die Kommission und die Streithelferinnen führen weiter aus, das Vorbringen der AAMS, wonach Importeure in Italien ein alternatives Vertriebsnetz in Form der Steuerlager für andere verbrauchsteuerpflichtige Waren - wie Tabak - in Anspruch nehmen oder ihr eigenes Vertriebsnetz aufbauen könnten, sei aus den u. a. in der streitigen Entscheidung dargelegten Gründen nicht stichhaltig. Die Kommission weist darauf hin, dass ausländische Zigarettenhersteller vor dem 1. Januar 1993 keine Möglichkeit gehabt hätten, andere Vertriebsnetze in Anspruch zu nehmen, da das Decreto-legge Nr. 513/92 vom 31. Dezember 1992 (umgewandelt in das Gesetz Nr. 427 vom 29. Oktober 1993 zur Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren [ABl. L 76, S. 1] in das italienische Recht) erst an diesem Datum in Kraft getreten sei. Was die Möglichkeit der Nutzung der Steuerlager nach diesem Zeitpunkt oder des Aufbaus eigener Vertriebsnetze angehe, so sei eine solche Lösung praktisch nicht zu verwirklichen gewesen, da sich den potenziellen Wettbewerbern unüberwindliche Hindernisse wirtschaftlicher Art entgegengestellt hätten. Die AAMS mache lediglich geltend, dass mögliche alternative Vertriebsnetze bestuenden, ohne jedoch konkret aufzuzeigen, dass der Vertrieb über andere Lager als ihre eigenen für die Hersteller nicht zu einer wesentlich höheren finanziellen Belastung führe.

50 Die JT International BV meint, es bestehe für den Großhandel mit Zigaretten in Italien keine realistische Ersatzlösung, was der AAMS bekannt sei. Als Ende 1997 mehrere ausländische Hersteller bei der AAMS angefragt hätten, ob die Vertriebsverträge nicht geändert werden könnten, um sie mit dem gemeinschaftlichen Wettbewerbsrecht in Einklang zu bringen und zumindest die offenkundigsten Diskriminierungen zu beenden, habe sie ihnen geantwortet, dass über diese Verträge nicht verhandelt werde und sie ihr binnen einer Frist von wenigen Tagen zurückzusenden seien; andernfalls werde sie den Vertrieb ihrer Zigaretten einstellen. Die ständige Rechtsprechung definiere den Begriff der beherrschenden Stellung als die Möglichkeit eines Unternehmens, sich über einen erheblichen Zeitraum unabhängig von seinen Lieferanten, den Verbrauchern und Wettbewerbern zu verhalten (Urteile United Brands/Kommission und Michelin/Kommission). Das Verhalten der AAMS gegenüber anderen Zigarettenherstellern zeige eindeutig, dass sie in der Lage sei, die Anliegen ihrer Vertragspartner sanktionslos zu übergehen.

Würdigung durch das Gericht

51 Nach ständiger Rechtsprechung erbringen besonders hohe Marktanteile als solche den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Ein Unternehmen, das längere Zeit einen besonders hohen Marktanteil besitzt, befindet sich aufgrund seines Produktions- und Angebotsvolumens - ohne dass die Inhaber erheblich geringerer Anteile imstande wären, die Nachfrage, die sich von dem Unternehmen mit dem größten Anteil abwenden will, rasch zu befriedigen - in einer Machtposition, die aus diesem Unternehmen einen Zwangspartner macht und ihm bereits deswegen, jedenfalls während relativ langer Zeiträume, die Unabhängigkeit des Verhaltens sichert, die für eine beherrschende Stellung kennzeichnend ist (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 41). Ferner ist eine beherrschende Stellung die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil United Brands/Kommission, Randnr. 65).

52 Im vorliegenden Fall bestreitet die AAMS nicht, dass sich ihr Anteil am italienischen Großhandelsmarkt für Zigaretten auf 100 % belief und dass sie trotz der für ausländische Unternehmen bestehenden rechtlichen Möglichkeit, entweder ihr eigenes Vertriebsnetz aufzubauen oder den Großhandel mit ihren Zigaretten Wirtschaftsteilnehmern mit Steuerlagern zu übertragen, diesen Anteil ungeschmälert aufrechterhalten konnte. Auch das Vorbringen der AAMS, der Aufbau eigener Vertriebsnetze durch ausländische Unternehmen sei wirtschaftlich gerechtfertigt, greift nicht durch. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich für ausländische Unternehmen (mit Ausnahme von Philip Morris), deren Gesamtanteil am italienischen Zigarettenmarkt unter 10 % liegt, beim Aufbau eines unabhängigen Vertriebsnetzes ergeben hätten, und die der AAMS zu Gebote stehende Möglichkeit, auf die Ersuchen dieser Unternehmen um Änderungen des Vertriebsvertrags ablehnend zu reagieren, können für die Beurteilung der Frage, ob eine beherrschende Stellung besteht, als beweiskräftig berücksichtigt werden. Die AAMS hat in der mündlichen Verhandlung zudem nicht bestritten, dass die Verkaufsstellen faktisch gezwungen sind, sich in jedem Fall bei den Verkaufsabteilungen der Vertriebslager der AAMS zu versorgen.

53 Demnach hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die AAMS eine beherrschende Stellung auf dem italienischen Markt für den Großhandel mit Zigaretten einnahm.

54 Der zweite Teil des Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

Zum dritten Teil des Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der beschränkenden Wirkung bestimmter Klauseln des Vertriebsvertrags

55 Die AAMS macht geltend, der mit ausländischen Unternehmen geschlossene Vertriebsvertrag enthalte keine missbräuchlichen Klauseln; Artikel 2 der streitigen Entscheidung sei insgesamt unbegründet. Nicht stichhaltig sei u. a. das Vorbringen der Kommission zu den Klauseln über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten, über die monatlichen Hoechstmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten und über die Erhöhung der Monatsmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten (Artikel 2 Buchstaben b, c und d der streitigen Entscheidung) sowie zur Klausel über die Kontrolle von Zigaretten (Artikel 2 Buchstabe f der streitigen Entscheidung). Dagegen wendet sich die AAMS nicht speziell gegen die Begründetheit von Artikel 2 Buchstabe a und e der streitigen Entscheidung.

Die Klauseln über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten, über die monatlichen Hoechstmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten und über die Erhöhung der Monatsmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten

- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

56 Die AAMS trägt vor, sie sei seit der Liberalisierung des Marktes im Jahr 1975 im Umfang ihrer Lagerkapazität, die die für den Vertrieb ihrer eigenen Zigaretten erforderliche Kapazität überschreite, für Dritte auf dem Großhandelsmarkt präsent. Sie habe kein Interesse an einem Ausbau ihres gegenwärtig vorhandenen Vertriebsnetzes. Sie sei hierzu auch nicht verpflichtet, da sie kein rechtliches Monopol besitze, kraft dessen sie eine bestimmte Qualität von Dienstleistungen zu garantieren hätte, die ohne weiteres auch von anderen Wirtschaftsteilnehmern erbracht werden könnten. Ihre Weigerung, mit dem einen oder anderen Hersteller über einzelne Klauseln zu verhandeln, rechtfertige sich durch das Erfordernis, allen Nutzern ihres Vertriebsnetzes in den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit die gleiche Behandlung zu gewährleisten. Es sei auch zu berücksichtigen, über welche Kapazität sie für Umsätze auf dem Markt mit ihren vorhandenen Anlagen tatsächlich verfüge. Die maximale Lieferkapazität ihrer Lager betrage 10 500 000 kg Tabakwaren, womit, gemessen am normalen Marktbedarf nach den im Vertriebsvertrag festgelegten Regeln, kein Überschuss bestehe.

57 Selbst wenn sie einen bestimmten Überschuss an Lagerkapazität besitzen sollte, seien die begrenzenden Klauseln im Vertriebsvertrag verhältnismäßig, um das schwerwiegende Risiko zu vermeiden, dass sie Aufträgen anderer Hersteller nicht nachkommen könne.

58 Es sei zwar theoretisch zutreffend, dass es einem Hersteller freistehen müsse, welche Mengen seiner Erzeugnisse er in den Verkehr bringen wolle, und dass ein ausländisches Unternehmen kein Interesse daran habe, den Markt mit höheren Zigarettenmengen zu beliefern, als dieser aufnehmen könne. Gleichwohl dürfe sie nicht gezwungen werden, ungeachtet der Gefahr, die sich für ihre wirtschaftlichen Interessen daraus ergebe, eine bestimmte Leistung zu erbringen oder anderen Wirtschaftsteilnehmern eine wirtschaftliche Beurteilung und Entscheidung zu überlassen, die ihre berechtigten Interessen betreffe. Nach dem Urteil United Brands/Kommission verliere ein Unternehmen dadurch, dass es eine beherrschende Stellung einnehme, nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu schützen.

59 In seinem Urteil vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97 (Bronner, Slg. 1998, I-7791) habe sich der Gerichtshof speziell mit der Frage befasst, in welchen Grenzen ein Hersteller einem konkurrierenden Hersteller sein eigenes Vertriebsnetz zur Verfügung zu stellen habe. Die im vorliegenden Fall von den Beschwerdeführerinnen angeführten und in der streitigen Entscheidung aufgegriffenen Erwägungen - insbesondere die geltend gemachte Schwierigkeit, einen alternativen Vertriebsweg zu beschreiten -, aus denen sie forderten, dass die AAMS vollständig den Anforderungen konkurrierender Hersteller nachzukommen habe, griffen nach dem Urteil Bronner nicht durch.

60 Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass die Gesamtnachfrage nach Zigaretten sehr stabil sei und dass folglich eine erhöhte Nachfrage nach einer bestimmten Marke nur dann entstehe, wenn die Nachfrage nach anderen Marken zurückgehe. Angesichts des gesetzlichen Werbungsverbots für Zigaretten brauche auch nicht berücksichtigt zu werden, wie sich Werbekampagnen für das fragliche Erzeugnis auswirken könnten.

61 Das Vorbringen der Kommission, wonach der Verbrauch bestimmter Zigarettenarten saisonabhängigen Schwankungen unterliege, beruhe auf einem schwerwiegenden Beurteilungsfehler, da das normale Versorgungssystem der Vertriebslager hinreichend darauf ausgelegt sei, notfalls einer erhöhten Nachfrage zu entsprechen. Ausländische Unternehmen hätten daher nur unter ganz besonderen Umständen Anlass, Erhöhungen der Zigarettenmengen zu beantragen. Demnach berücksichtige der Vertriebsvertrag hinreichend das Interesse dieser Unternehmen daran, dass sie im Vertriebssystem der AAMS nicht auf ungerechtfertigte Hindernisse für die Vermarktung ihrer Erzeugnisse stießen. Die inkriminierten Klauseln seien erforderlich, um wesentlichen Bedürfnissen der AAMS nicht als mit ausländischen Unternehmen konkurrierender Zigarettenherstellerin, sondern als Vertriebseinrichtung gerecht zu werden.

62 Was insbesondere die Klausel über die Erhöhung der Monatsmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten (Artikel 2 Buchstabe d der streitigen Entscheidung und oben, Randnr. 20) betreffe, so sei die in Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags festgelegte Grenze von 30 % eine absolute Notwendigkeit aus Gründen der Lagerkapazität. Sie habe zu berücksichtigen, dass bei ihr mehrere Bestellungen gleichzeitig eingehen könnten, ohne dass sie garantieren könne, diese in gleicher Weise zu bedienen. Überdies würden Erhöhungen nach dieser Klausel mit den Herstellern ausgehandelt, und die Kriterien für solche Erhöhungen würden in objektiver und sachgemäßer Weise festgesetzt. Im vorliegenden Fall habe sie diese Klausel korrekt angewandt, da man ihr nur einige wenige Fälle ungerechtfertigter Ablehnungen anzulasten vermocht habe.

63 Die ebenfalls in Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags festgelegte Zusatzabgabe für die Erhöhung der auf den Markt gebrachten Zigarettenmengen solle zum einen verhindern, dass Beträge über lange Zeit ausgelegt werden müssten, und zum anderen, dass sich eine zu lange Lagerzeit von den Verkaufsstellen nicht angeforderter Zigaretten in den Vertriebslagern wirtschaftlich negativ auswirke. Die Abgabe decke beispielsweise die Ausgaben für den Bahntransport von der italienischen Grenze bis zum Vertriebslager, für die Entladung der Waggons, die Lagerung und die Lagerverwaltung. Die Angaben in der 42. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung, mit denen die Kommission belegen wolle, dass der AAMS aus der Bezahlung im Verhältnis zur Nachfrage überschüssiger Mengen ausländischer Zigaretten im Allgemeinen kein finanzielles Risiko erwachse, seien nicht stichhaltig, da sie nicht Erzeugnisse mit überdurchschnittlich langer Lagerzeit erfassten. Schließlich beanstande die Kommission in der 42. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung zu Unrecht die Pauschalierung dieser finanziellen Belastung. Diese Berechnungsweise entspreche einem konkreten und gänzlich berechtigten Interesse der AAMS an einer Vermeidung zusätzlicher Abrechnungen und von Reklamationen der ausländischen Unternehmen in Bezug auf die Höhe der finanziellen Belastungen, die sie der AAMS zu erstatten hätten.

64 Was die Klausel über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten (Artikel 2 Buchstabe b der streitigen Entscheidung und oben, Randnr. 17) anbelange, so hafte der streitigen Entscheidung ein schwerwiegender Mangel an, denn sie berücksichtige nicht, dass die Lagerung neuer Marken zusätzliche Lagerbestände bedeute, die zu den Beständen der vorhandenen Marken, deren Umfang sich nach deren tatsächlichem Verbrauch richte, hinzukämen. Die Klausel über die Begrenzung der Markteinführung neuer Zigarettenmarken sei somit wegen der beschränkten Lagerkapazität aus ganz ähnlichen Gründen wie den vorstehend in Randnummer 63 dargelegten erforderlich und stehe der tatsächlichen Markteinführung einer neuer Marke nicht entgegen.

65 Die Kommission und die Streithelferinnen halten es zunächst für unbegründet, dass die AAMS ihre Weigerung, mit dem einen oder anderen Hersteller einzelne Klauseln auszuhandeln, mit der Notwendigkeit rechtfertige, eine Gleichbehandlung der Hersteller sicherzustellen. In der streitigen Entscheidung heiße es keineswegs, dass die AAMS die Bestimmungen des Vertriebsvertrags mit jedem einzelnen Unternehmen auszuhandeln habe. Die Kommission laste der AAMS in der streitigen Entscheidung vielmehr an, dass sie ausländischen Herstellern Vertriebsverträge mit missbräuchlichen Klauseln aufgezwungen und ihnen keine andere Wahl gelassen habe, als entweder diese Verträge anzunehmen oder für den Vertrieb ihrer Erzeugnisse auf die Dienste der AAMS zu verzichten. Die Kommission weist ferner darauf hin, dass die Hersteller in Frankreich und Spanien - Länder, deren Zigarettenmarkt dem Italiens sehr ähnele - die Klauseln der Vertriebsverträge mit den Großhändlern aushandelten.

66 Die Kommission führt aus, die AAMS habe im Jahr 1985 106,8 Mio. kg Tabakwaren, 1997 hingegen nur 90,5 Mio. kg vertrieben; dies sei ein Rückgang um etwa 15 %. Da sich die AAMS niemals auf eine Reduzierung ihrer Vertriebskapazität berufen habe, sei anzunehmen, dass diese Kapazität unverändert sei und um 15 % über dem tatsächlichen Vertriebsbedarf liege. Die Kommission und die Streithelferinnen unterstreichen, dass die AAMS lediglich auf den ganz unrealistischen Fall abhebe, dass mehrere ausländische Hersteller bei ihr - gleichzeitig und entgegen den wirklichen Tendenzen auf dem italienischen Markt - "die Einbringung zusätzlicher Mengen in das Vertriebsnetz" beantragen könnten. Obgleich eine solche Erhöhung der Zigarettenmengen ganz unwahrscheinlich sei, könnte sie vom Vertriebsnetz der AAMS ohne weiteres aufgefangen werden.

67 Die Kommisssion meint, in der Frage, was sich für den vorliegenden Fall aus dem Urteil Bronner ergebe, sei das Verteidigungsvorbringen der AAMS widersprüchlich. Die AAMS habe sich stets als Großhändler und nicht als Zigarettenhersteller verteidigt. Da die AAMS aber selbst davon ausgehe, dass die im Urteil Bronner entwickelte Lösung für das Verhältnis zwischen konkurrierenden Herstellern und nicht zwischen Großhändlern und Herstellern gelte, widerspreche ihr eigenes Vorbringen der angeblichen Anwendbarkeit dieser Lösung auf den vorliegenden Fall.

68 Jedenfalls könne das Urteil Bronner nicht außerhalb seines Kontextes ausgelegt werden. In jener Rechtssache habe der Missbrauch darin bestanden, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung auf dem Markt der Herausgabe von Tageszeitungen Wettbewerbern den Zugang zum Markt des Zeitungsvertriebs verweigert habe. Die AAMS verweigere hingegen nicht den Zugang zum fraglichen Markt, sondern mache diesen davon abhängig, dass die ausländischen Unternehmen missbräuchliche Klauseln im Vertriebsvertrag akzeptierten.

69 Zur Klausel über die Erhöhung der Monatsmengen für die Belieferung des Marktes mit Zigaretten und insbesondere zur Verpflichtung, vor jeder neuen Vermarktung von Erzeugnissen die Zustimmung der AAMS einzuholen, weist die Kommission darauf hin, dass zwar der Besitz einer beherrschenden Stellung auf dem Markt dem betroffenen Unternehmen nicht das Recht nehme, seine geschäftlichen Interessen zu schützen. Es dürfe aber nicht unbedacht bleiben, dass ein Großhändler nachhaltig daran interessiert sei, den Vorgaben seines Lieferanten zu entsprechen, wenn dessen Ziel die hinreichende Versorgung des Marktes sei. Im vorliegenden Fall hätten die ausländischen Zigarettenhersteller keinerlei Interesse daran, dem Vertrieb höhere Zigarettenmengen zuzuführen, als der Markt tatsächlich aufnehmen könne. Die Behauptung der AAMS, die Schätzungen der Unternehmen hätten erhebliche Fehlermargen, greife nicht durch, denn zum einen habe sich die Gesamtnachfrage nach Zigaretten weitgehend stabilisiert und zum anderen untersage das italienische Recht die Zigarettenwerbung. Die AAMS besitze ein überdimensioniertes Vertriebsnetz, mit dem sie etwaigen Ersuchen, die zu vertreibenden Zigarettenmengen zu erhöhen, ohne weiteres nachkommen könne. Jedenfalls sei bei Erhöhung der Nachfrage nach einer bestimmten Zigarettenmarke für die Hersteller der anderen Marken aus wirtschaftlichen Gründen die Notwendigkeit gegeben, die vermarkteten Zigarettenmengen ihrer eigenen Marken zu reduzieren, womit überschüssige Lagerbestände in den Lagern der AAMS vermieden würden.

70 Zur Beschränkung der für ausländische Unternehmen bestehenden Möglichkeit, die vermarkteten Zigarettenmengen zu erhöhen, und insbesondere zu der im Vertriebsvertrag festgelegten Hoechstgrenze von 30 % für die "zulässige monatliche Hoechstbestellung" hebt die Kommission hervor, dass diese Regeln nur für eingeführte Zigaretten gälten und diese gegenüber in Italien produzierten Zigaretten in eine nachteilige Position brächten. Dieser Nachteil gelte vor allem für Zigarettenmarken, deren Absatz stark saisonabhängig sei. Im Übrigen werde die Erhöhung um 30 % von der AAMS nicht durchgehend genehmigt; die AAMS verfüge insoweit über Ermessen und könne daher die Erhöhung der vermarkteten Zigarettenmengen ablehnen. Die AAMS beschreibe auch nicht, welcher Art die von ihr geltend gemachten Risiken für ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen seien, und bestreite insbesondere nicht, dass die Vorschriften des Vertriebsvertrags über die Erhöhung der monatlich vertriebenen Hoechstmenge in erheblichem Maße in die Wettbewerbsfreiheit der ausländischen Unternehmen eingriffen und allein dem Ziel dienten, diese Unternehmen daran zu hindern, je nach den Marktverhältnissen die auf dem italienischen Markt abgesetzten Mengen zu erhöhen. Die AAMS hätte, um eine Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer sicherzustellen, in jedem Einzelfall und konkret abschätzen können, welche Zigarettenmengen je nach Auslastung ihrer Verkaufslager in ihr Vertriebsnetz übernommen werden könnten, anstatt willkürlich eine Obergrenze von 30 % der Verkäufe des Vormonats festzulegen.

71 Was die Klausel über die Zahlung einer Ausgleichsabgabe bei Vermarktung zusätzlicher Zigaretten angehe, so habe die AAMS das tatsächliche Risiko einer übermäßigen Lagerzeit mit wirtschaftlichen Schadensfolgen, die diese Abgabe rechtfertigen solle, nicht belegt. In der Regel scheide ein solches Risiko deshalb aus, weil anzunehmen sei, dass die Lagerhalter geschäftlich zweckmäßig handelten und ihre Käufe bei den Vertriebslagern an den tatsächlichen Bestellungen der Verkaufsstellen ausrichteten. Im Übrigen habe der ausländische Erzeuger nach Ablauf einer bestimmten Frist die Pflicht, alle nicht verkauften Zigarettenbestände aus den Vertriebslagern der AAMS auf eigene Kosten zurückzunehmen. Damit werde ein etwaiges wirtschaftliches Risiko vom ausländischen Unternehmen getragen. Schließlich habe die AAMS den Umfang ihrer finanziellen Belastung zu keinem Zeitpunkt beziffert.

72 Zur Klausel über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten weist die Kommission darauf hin, dass diese deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil die Vertriebskapazität der AAMS für den Vertrieb ausländischer Zigaretten ausreiche und jede Erhöhung der Verkäufe einer bestimmten Zigarettenmarke durch ein Unternehmen eine entsprechende Verringerung der Verkäufe anderer Marken mit sich bringe. Diese Klausel sei überdies diskriminierend, weil die Zigaretten von Philip Morris, die die AAMS herstelle, dieser Hoechstmenge nicht unterlägen.

Würdigung durch das Gericht

73 Vorab ist festzustellen, dass die AAMS gegen die Beurteilung der drei vorgenannten Klauseln durch die Kommission nur allgemeine Einwände vorgebracht hat; etwas anderes gilt nur für ihr Vorbringen zur Zahlung einer Zusatzabgabe gemäß Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags.

74 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Klägerin nachgewiesen hat, dass der Kommission bei ihrer Feststellung, mit der Aufnahme dieser drei Klauseln in den fraglichen Vertrag werde eine beherrschende Stellung missbraucht, offensichtliche Beurteilungsfehler unterliefen.

75 Insoweit ist erstens festzustellen, dass das Vorbringen der AAMS zu ihrer Weigerung, Einzelklauseln mit verschiedenen ausländischen Unternehmen auszuhandeln, nicht stichhaltig ist. Die Kommission bemängelte nämlich in der streitigen Entscheidung nicht die Verwendung eines Formularvertriebsvertrags als solche. Sie beanstandete lediglich, dass die AAMS im Rahmen dieses Vertrages ihren Vertragspartnern die sechs in Artikel 2 der streitigen Entscheidung genannten einzelnen Klauseln aufgezwungen habe.

76 Was zweitens das Vorbringen der AAMS zur Anwendung der Erwägungen im Urteil Bronner auf den vorliegenden Fall angeht, so ist dieses Urteil nicht einschlägig. Die Kommission lastet der AAMS nicht an, dass sie bestimmten ausländischen Unternehmen den Zugang zu ihrem Vertriebsnetz verweigert habe, sondern sie rügt, dass die AAMS diesen Zugang davon abhängig gemacht habe, dass diese Unternehmen bestimmte missbräuchliche Klauseln im Vertriebsvertrag akzeptierten.

77 Auch das Vorbringen der AAMS zu ihrer Lager- und Vertriebskapazität greift nicht durch. Erstens erwähnt die AAMS in ihrem schriftlichen Vorbringen an keiner Stelle, dass sie insoweit auf konkrete Schwierigkeiten gestoßen ist. Zweitens bestreitet sie nicht, dass sie im Jahr 1983 102 Mio. kg Zigaretten vertrieb, dass im Jahr 1995 in Italien 90 Mio. kg Zigaretten legal verkauft wurden und dass sie ihre Lagerkapazität in der Zwischenzeit nicht abgebaut hat. Schließlich hat die AAMS vor Erhebung der vorliegenden Klage zu keinem Zeitpunkt bezifferte Angaben zu ihrer wirklichen Lagerkapazität gemacht und keine konkreten Beispiele für Lagerschwierigkeiten genannt. Den dem Gericht vorliegenden Akten ist vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass die AAMS im Verwaltungsverfahren die Gelegenheit, hierzu konkrete Belege beizubringen, nicht wahrgenommen hat. So berief sie sich in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 19. Mai 1997 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf, dass die Klausel über die Hoechstmengen für die Markteinführung neuer Zigaretten aus Gründen der Lagerkapazität notwendig sei. Sie bemerkte insoweit, dass die ausländischen Unternehmen im Jahr 1997 150 neue Marken eingeführt hätten, was einer Erhöhung der durch ihr Vertriebssystem vermarkteten Zigarettenmenge um 750 000 kg entspreche. Die AAMS benannte überdies in der mündlichen Anhörung durch den Buchprüfer drei konkrete Fälle, in denen sie die Erhöhung der monatlichen Hoechstmengen für eingeführte Zigaretten abgelehnt habe (nämlich die Fälle der Marken Lucky Strike, Amadis und Lord Extra). Sie machte geltend, dass sie die Hoechstmenge nicht habe steigern können, da für diese Zigarettenmarken auf dem Markt keine Nachfrage bestanden habe, und dass trotz dieser Ablehnung Bestände unverkauft in den Lagern verblieben seien. Hingegen verwies die AAMS in diesem Stadium des Verfahrens nicht auf Probleme der Lagerkapazität. Das Vorbringen der AAMS zu ihrer Lagerkapazität nach Erhebung der Klage kann daher nicht belegen, dass der Kommission beim Erlass der streitigen Entscheidung ein offenkundiger Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

78 Was die Verpflichtung zur Zahlung einer Zusatzabgabe bei Erhöhung der vermarkteten Zigarettenmengen gemäß Artikel 2 Absatz 5 des Standardvertriebsvertrags angeht, so macht die AAMS geltend, hiermit werde dem Gebot Rechnung getragen, bestimmte finanzielle Risiken auszuschalten. Insoweit genügt an dieser Stelle der Hinweis darauf, dass die AAMS insoweit lediglich die Argumente wiederholt, die sie bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, ohne den geringsten Beweis dafür zu erbringen, dass der Kommission beim Erlass der streitigen Entscheidung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist.

79 Auch wenn ein Unternehmen nicht dadurch, dass es auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, das Recht verliert, seine geschäftlichen Interessen gegen etwaige Bedrohungen zu schützen, und ihm in angemessenem Umfang die Befugnis zuzuerkennen ist, die von ihm zum Schutz seiner Interessen für zweckmäßig gehaltenen Maßnahmen zu ergreifen, so hat die AAMS jedenfalls nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass alle vorgenannten Klauseln erforderlich waren, um ihre geschäftlichen Interessen zu schützen sowie die Gefahr einer Überlastung ihres Vertriebsnetzes sowie das finanzielle Risiko überlanger Lagerzeiten von Zigaretten, die nicht von den Verkaufsstellen angefordert wurden, in ihren Lagern zu vermeiden.

80 Nach alledem ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die AAMS mit ihrer Durchsetzung der in Frage stehenden Klauseln im Vertriebsvertrag eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag missbraucht hat.

Die Klausel über die Kontrolle der Zigaretten

- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

81 Die AAMS macht geltend, sie sei berechtigt und verpflichtet, die von ihr vermarkteten Erzeugnisse gemäß Artikel 5 des Vertriebsvertrags zu kontrollieren, da sie gesamtschuldnerisch dafür mithafte, dass diese Erzeugnisse dem einschlägigen nationalen Recht entsprächen. So bestimme u. a. Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 142 vom 19. Februar 1992: "Wer Zigaretten mit einem höheren als dem in diesem Artikel festgelegten Teergehalt in den Verkehr bringt oder vertreibt, wird mit Geldstrafe bis zu 100 Millionen oder mit Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren bestraft." Die Kommission beziehe sich in der streitigen Entscheidung im Übrigen auf eine nationale Regelung, nämlich das Gesetz Nr. 224 vom 24. Mai 1988, das sie niemals als Rechtfertigung für die fraglichen Kontrollen herangezogen habe.

82 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Kontrollen eine ungerechtfertigte Verzögerung der Einführung neuer Zigarettenmarken auf dem italienischen Markt bewirkten. Das Argument der AAMS, sie habe die Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften zu sichern, sei nicht stichhaltig, da es Sache des Herstellers sei, die Zulässigkeit seiner Erzeugnisse nach den für Zigaretten geltenden Regelungen zu gewährleisten. Die Klausel sei auch deshalb missbräuchlich, weil sie den ausländischen Hersteller zur Zahlung eines jährlichen Pauschalbetrags für jede Packung jeder Marke unabhängig davon verpflichte, welche Kontrollen die AAMS durchführe. Ihr wahrer Zweck liege darin, ein zusätzliches Hindernis für die Einfuhr von Zigaretten zu schaffen.

- Würdigung durch das Gericht

83 Was die angebliche Haftung der AAMS für die Zulässigkeit der von ihr vertriebenen Zigaretten nach italienischem Recht anbelangt, so bestehen zwischen der AAMS und der Kommission hinsichtlich der einschlägigen italienischen Rechtsvorschriften weiterhin Meinungsverschiedenheiten. Die Kommission meint, im vorliegenden Fall gelte das Gesetz Nr. 224 vom 24. Mai 1988 über Produkthaftung. Diesem von der Kommission vorgelegten Gesetz (vgl. oben, Randnr. 29) ist eindeutig zu entnehmen, dass der Hersteller für durch Mängel seines Produktes verursachte Schäden haftet. Kann jedoch der Hersteller des Produktes nicht ermittelt werden, so gilt jeder Lieferant als Hersteller, es sei denn, er unterrichtet den Geschädigten innerhalb von drei Monaten über die Identität des Herstellers oder seines Vorlieferanten. In Anbetracht der sehr bedeutenden Rolle der AAMS auf dem italienischen Zigarettenmarkt ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sie einen Hersteller mangelhafter Zigaretten, die über ihr Vertriebsnetz vermarktet werden, nicht identifizieren könnte, um einer Haftung nach dem Gesetz Nr. 224 vom 24. Mai 1988 zu entgehen. Soweit die AAMS argumentiert, dass sie die Kontrollen gemäß Artikel 5 des Vertriebsvertrags durchführe, um Verstöße gegen die für Zigaretten geltenden italienischen Rechtsvorschriften, insbesondere Artikel 37 Absatz 5 des Gesetzes Nr. 142 vom 19. Februar 1992, und damit jede gegen sie selbst gerichtete Sanktion zu vermeiden, so verpflichtet Artikel 11 des Vertriebsvertrags ausländische Unternehmen, der AAMS Zigaretten zu liefern, die mit den einschlägigen italienischen Vorschriften in Einklang stehen, nicht ordnungsgemäße Lagerbestände zurückzunehmen und die volle Haftung für die Vermarktung der Erzeugnisse zu übernehmen. Unter diesen Umständen sind die Kontrollen als unverhältnismäßig und übertrieben einzustufen.

84 Demnach hat die AAMS keine ernsthaften Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Kommission die fragliche Klausel in Artikel 2 Buchstabe f der streitigen Entscheidung offensichtlich fehlerhaft beurteilt hat.

85 Der dritte Teil des Klagegrundes ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.

Zum vierten Teil des Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der missbräuchlichen einseitigen Praktiken

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

86 Zu ihrer Weigerung, die von ausländischen Unternehmen begehrte Erhöhung der monatlichen Hoechstmenge für den Vertrieb von Zigaretten vorzunehmen, weist die AAMS darauf hin, dass die Kommission nur einige wenige ungerechtfertigte Ablehnungen in den Jahren 1995 und 1996 habe ermitteln können. Indem die Kommission solche ungerechtfertigten Ablehnungen rüge, räume sie im Übrigen stillschweigend ein, dass die Vertragsklausel als solche, wonach eine solche Ablehnung zulässig sei, nicht gerügt werden könne. Zu beanstanden sei daher allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der Klausel, die in mehr als zehn Jahren nur in wenigen Fällen Schwierigkeiten bereitet habe.

87 Was das Verhalten der AAMS im Zusammenhang mit den Verkaufslagern und die im dritten Absatz der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung getroffene Feststellung der Kommission angehe, die JT International BV habe der AAMS mehrfach mitgeteilt, dass zahlreiche Verkaufslager wiederholt Lieferungen einiger Zigarettenmarken gekürzt hätten, so sei die streitige Entscheidung nicht hinreichend begründet. Sie beruhe nämlich ausschließlich auf einer Beschwerde der JT International BV, deren Richtigkeit nicht nachgewiesen sei. Überdies lasse das im dritten Absatz der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannte Verhalten der Inspektoren der AAMS im Zusammenhang mit Schreiben an bestimmte Verkaufslager, in denen "im Vergleich zum Marktbedarf überhöhte Lagerbestände" festgestellt worden seien und das örtliche Lager um "eine gezielte Kontrolle der Bestellungen" ersucht worden sei, "damit ein besseres Gleichgewicht zwischen den Vorräten und einer rationelleren Verwaltung der den Verkaufslagern zugewiesenen Bestände" sichergestellt werden könne, keinerlei Regelwidrigkeit erkennen, mit der ausländische Zigaretten benachteiligt werden sollten. Diese Schreiben beträfen Vorkehrungen, die die Effizienz und Ordnungsmäßigkeit der Dienstleistung sicherten.

88 Auch das in der 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung enthaltene Argument der Kommission, die AAMS habe zwecks Begünstigung ihrer eigenen Zigarettenherstellung ständig die Geschäftstätigkeit der Verkaufsstellen kontrolliert, sei nicht stichhaltig. Im Verhältnis zu den Verkaufsstellen handele die AAMS als öffentliche Verwaltung. In seinem Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-387/93 (Banchero, Slg. 1995, I-4663, Randnr. 49) habe der Gerichtshof festgestellt, dass sich "die Tätigkeit der AAMS auf der Einzelhandelsstufe, die im Wesentlichen in der Genehmigung der Eröffnung von Tabakläden und der Kontrolle ihrer Zahl und Verteilung über das italienische Hoheitsgebiet besteht, als Ausübung einer hoheitlichen Befugnis und nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne" darstelle. Daher könne ihr Verhalten gegenüber den Verkaufsstellen nicht im Rahmen eines Verfahrens geprüft werden, das gemäß der Verordnung Nr. 17 geführt werde und ihre Tätigkeit als Unternehmen betreffe. Wenn Artikel 86 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) im Übrigen auch den Mitgliedstaaten untersage, Maßnahmen einschließlich des Erlasses von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu treffen oder aufrechtzuerhalten, die die praktische Wirksamkeit der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln beseitigen könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3581, Randnr. 53), so sei die Ermittlung solcher Verstöße doch Sache der nationalen Gerichte im Rahmen der Anwendung der Vertragsbestimmungen zugunsten Einzelner oder des Gerichtshofes im Rahmen von Klagen gemäß den Artikeln 169 und 170 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG und 227 EG).

89 Die Kommission hebt hervor, die AAMS bestreite nicht, dass sie es abgelehnt habe, das Inverkehrbringen höherer Zigarettenmengen zu genehmigen. Die AAMS betone lediglich die begrenzte Zahl dieser Fälle, ohne sie indessen im Geringsten zu begründen.

90 Was das Verhalten der AAMS gegenüber den Verkaufslagern angehe, so bestreite diese nicht die Richtigkeit der im Fax der JT International BV genannten Tatsachen (vgl. Anlage 38 zur Beschwerde und Anlage C zur Klageschrift). Was die im dritten Absatz der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannten Beispiele angehe, so ergebe sich aus einer Prüfung der Schreiben der zuständigen Inspektoren (vgl. Anlagen 17 und 18 zur Beschwerde von Rothmans und Anlage C zur Klageschrift) eindeutig, dass die AAMS die Menge ausländischer Zigaretten habe "kontingentieren" wollen. Das Verhalten der AAMS gegenüber den Verkaufsstellen (vgl. 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung) habe vor allem darin bestanden, dass sie ihnen vorgeworfen habe, sie hätten ausländische Zigaretten in Mengen bestellt, die dem Monatsumsatz fast des gesamten Bezirks entsprächen, oder dass sie ihnen eine Mindestmenge ständig vorrätig zu haltender Monopolwaren vorgeschrieben hätten. Die Kommission und die Streithelferinnen bestreiten nicht, dass die AAMS zur Überwachung der Konzessionäre und Verkaufsstellen von Tabak berechtigt sei. Die genannten Verhaltensweisen seien aber speziell darauf ausgerichtet, die Zigaretten der AAMS zu begünstigen und Verkäufe eingeführter Zigaretten zu begrenzen. Die Inspektoren der AAMS hätten sich insoweit nicht im Rahmen ihrer Kontrollbefugnis gehalten, sondern speziell eine Begünstigung der Tätigkeit der AAMS als Unternehmen zum Nachteil ihrer Wettbewerber beabsichtigt. Dass diese Verhaltensweisen der Form nach Verwaltungsakte gewesen seien, ändere nichts an dem von der Kommission festgestellten Ergebnis, dass mit ihnen eine Begünstigung der AAMS als Unternehmen angestrebt worden sei. Die Handlungen der AAMS seien daher als Verhaltensweisen eines Unternehmens anzusehen, die im Licht der Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) und 86 EG-Vertrag gemäß der Verordnung Nr. 17 zu würdigen seien (Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83, Italien/Kommission, Slg. 1985, 873). Die wettbewerbsfeindliche Auswirkung dieser Verhaltensweisen wiege umso schwerer, als diese in offenem Widerspruch zum Grundsatz der Neutralität des Vertriebssystems stuenden.

91 Die JT International BV führt aus, es sei nicht nachvollziehbar, wieso sich die AAMS auf das Urteil Banchero berufe. Der Gerichtshof habe der italienischen Regierung in jener Rechtssache speziell die Frage gestellt, ob die Vorschriften über den Vertrieb von Zigaretten in Italien eine die inländische Herstellung begünstigende Regel enthielten, worauf ihm geantwortet worden sei, dass die Verkaufsstellen ihre Versorgungsquelle entsprechend der Nachfrage auf dem Markt frei wählen könnten. Der frühere Generaldirektor der AAMS habe jedoch in einer Erklärung vor dem italienischen Parlament im November 1995 eingeräumt, dass das Verhalten der AAMS gegenüber den Verkaufsstellen rechtswidrig sei. Das Urteil des Gerichtshofes wäre völlig anders ausgefallen, wenn der Gerichtshof von den italienischen Behörden eine richtige Auskunft erhalten hätte.

Würdigung durch das Gericht

92 Die Kommission stützt sich in der streitigen Entscheidung darauf, dass die AAMS unter Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf dem Großhandelsmarkt für Zigaretten in Italien verschiedene missbräuchliche Verhaltensweisen praktiziert habe, um ihre Stellung auf dem Zigarettenmarkt zu schützen und zu stärken.

93 Insoweit ist erstens das Vorbringen der AAMS zu ihrer Weigerung, Erhöhungen der Monatsmengen der zu vertreibenden Zigaretten zuzustimmen, nicht stichhaltig. Die AAMS bestreitet nämlich nicht, dass sie u. a. in den Jahren 1995 und 1996 ausländischen Unternehmen wiederholt die gemäß Artikel 2 Absatz 5 des Vertriebsvertrags beantragten Erhöhungen der Hoechstmenge zu vertreibender Zigaretten versagt habe. Sie versucht lediglich, die Bedeutung dieser ungerechtfertigten Ablehnungen mit dem Argument abzuschwächen, dass die Kommission nur einige wenige begrenzte Fälle in der Vergangenheit habe aufzeigen können.

94 Auch was zweitens das Verhalten der AAMS-Inspektoren gegenüber den Verkaufslagern und Verkaufsstellen anbelangt, greift das Vorbringen der AAMS nicht durch. Die Kommission hat rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das Verhalten der AAMS ausländische Unternehmen im Ergebnis daran hinderte, von ihnen für angemessen gehaltene Zigarettenmengen in Italien in den Verkehr zu bringen, und damit ihre Wettbewerbsposition schwächte.

95 Hinsichtlich des Verhaltens der Inspektoren der AAMS gegenüber den Verkaufslagern führte die Kommission in der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung acht Beispiele auf, die nach ihrer Auffassung den Willen der AAMS belegten, inländische Zigaretten zu begünstigen und die Verkäufe eingeführter Zigaretten zu beschränken. Die AAMS hat zwar gegen die Richtigkeit der ersten drei in der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannten Beispiele Einwände erhoben, aber den Sachverhalt hinsichtlich der übrigen fünf Beispiele nicht bestritten. Diesen letztgenannten fünf Beispielen ist aber eindeutig zu entnehmen, dass die Inspektoren der AAMS an die Verkaufslager wiederholt Schreiben richteten, mit denen sie sie zur Einhaltung der Verkaufsquoten für inländische Zigaretten und für ausländische Zigaretten zwangen. In einem dieser Schreiben heißt es: "Es versteht sich von selbst, daß höhere Umsätze mit Auslandsprodukten mit einem entsprechenden Anstieg des Absatzes inländischer Erzeugnisse einhergehen müssen. Außergewöhnliche Umsätze mit nicht inländischen Erzeugnissen müssen in den folgenden zwei Monaten ausgeglichen werden" (viertes Beispiel in der 18. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung). Die AAMS hat somit nicht hinreichend bewiesen, dass das Verhalten ihrer Inspektoren durch das Erfordernis gerechtfertigt war, die Effizienz und die Ordnungsmäßigkeit der Dienstleistungen sicherzustellen, oder dass es ihnen durch das geltende Recht oder die vertraglichen Bestimmungen vorgeschrieben war. Damit hat aber die Kommission ihrerseits den Beweis erbracht, dass das Verhalten der Inspektoren der AAMS missbräuchlich im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag war. Die streitige Entscheidung ist insoweit in der 48. bis 50. Begründungserwägung auch ausreichend begründet.

96 Die Kommission hat in der streitigen Entscheidung weiterhin festgestellt, dass sich die Inspektoren der AAMS gegenüber den Verkaufsstellen so verhalten hätten, dass hierdurch der Verkauf der Zigaretten der AAMS begünstigt und der eingeführter Zigaretten beschränkt worden sei. Diese Verhaltensweisen werden in der 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung beschrieben; sie bestanden vor allem darin, dass den Verkaufsstellen für den Absatz inländischer Zigaretten bestimmte Mindestmengen auferlegt wurden, was die AAMS im Übrigen nicht bestreitet.

97 Die AAMS macht jedoch geltend, in ihrem Verhältnis zu den Verkaufsstellen habe sie als Behörde gehandelt und deshalb lasse sich dieses Verhältnis nicht im Rahmen eines Verfahrens gemäß der Verordnung Nr. 17 beurteilen. Das Gericht hat die AAMS ersucht, die behördlichen Befugnisse ihrer Inspektoren in den vier in der 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannten Fällen ihres Tätigwerdens näher zu erläutern und zu erklären, inwiefern dieses Verhalten der Inspektoren auf die Erreichung der Ziele der für den Zigarettenmarkt geltenden Vorschriften gerichtet war (vgl. oben, Randnr. 29).

98 In ihrer Antwort hat die AAMS bekräftigt, dass ihre Inspektoren eine behördliche Befugnis wahrnähmen und zur amtlichen Kontrolle der Vertriebs- und Verkaufsstellen im Zigarettenmarkt gemäß Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1283/1957 ermächtigt seien. Ihre Inspektoren hätten überdies die Verpflichtung, die Vertriebs- und Verkaufsstellen in Bezug auf Monopolwaren zu kontrollieren, um Betrugshandlungen bei der Durchführung des italienischen Gesetzes Nr. 1074/1958 zu bekämpfen. Nach der Stellungnahme der AAMS kann "ein ungewöhnlicher Umsatz der Verkaufsstellen Konsequenz oder Symptom von Vorgängen wie verbotene Werbung für diese Erzeugnisse oder rechtswidrige Versorgung oder Lieferung von Erzeugnissen an Dritte sein". Jedenfalls könnten diese Verhaltensweisen, selbst wenn sie mit den Zielen der fraglichen Vorschriften nicht in Einklang stuenden, allenfalls als Missbrauch einer amtlichen Befugnis qualifiziert werden.

99 Insoweit ist festzustellen, dass die in der 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung genannten Verhaltensweisen dazu dienten, den Verkauf inländischer Zigaretten zu begünstigen. Das Vorbringen der AAMS, es sei um die Bekämpfung von Betrug und rechtswidriger Werbung gegangen, ist gänzlich spekulativer Natur und nicht schlüssig. Die AAMS hat somit nicht nachgewiesen, dass die Kommission diese Verhaltensweisen offensichtlich fehlerhaft beurteilt hat.

100 Demnach ist der vierte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum Hilfsantrag auf Herabsetzung der Geldbuße

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

101 Die AAMS trägt vor, das Gericht habe, wenn es ihrem Vorbringen zur beherrschenden Stellung auf dem fraglichen Markt folge, die Entscheidung insgesamt und einschließlich der Anordnung der Geldbuße für nichtig zu erklären. Halte das Gericht hingegen nur ihr Vorbringen zu den Klauseln des Vertriebsvertrags und den einseitigen Praktiken für stichhaltig, so müsse es die Geldbuße herabsetzen. Was die Dauer der Zuwiderhandlung und insbesondere die angebliche Weigerung der AAMS anbelange, Anhebungen der Monatshöchstmengen für das Inverkehrbringen eingeführter Zigaretten zuzustimmen, so beziehe sich die Entscheidung lediglich auf vereinzelte Vorgänge in den Jahren 1995 und 1996. Demnach sei davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlung von mittlerer, nicht aber von langer Dauer gewesen sei, was sich auf die Berechnung der Buße auswirke (Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden [ABl. 1998, C 9, S. 3]). Im Übrigen behaupte die Kommission lediglich, dass die Vertriebsverträge bereits 1985 existiert hätten, ohne zu erläutern, warum und wie dies auf die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung dann Auswirkungen haben könne, wenn Verhaltensweisen speziell zur Einschränkung des Wettbewerbs nicht nachgewiesen seien; insbesondere begründe sie nicht, aus welchen Gründen dies allein den festgesetzten Betrag der Geldbuße rechtfertige.

102 Die Kommission wendet sich gegen das Vorbringen der AAMS, wonach die missbräuchlichen einseitigen Verhaltensweisen, die in der streitigen Entscheidung festgestellt worden seien, nur Einzelvorgänge in den Jahren 1995 und 1996 beträfen. Vielmehr handele es sich um eine Zuwiderhandlung von langer Dauer. Es habe die Vertriebsverträge nämlich offenkundig bereits Ende 1985 gegeben, was die Annahme einer langen Zuwiderhandlung und damit den festgesetzten Betrag der Geldbuße rechtfertige. Die Verstöße der AAMS gegen Artikel 86 EG-Vertrag fügten sich überdies in den Rahmen einer Politik ein, die speziell darauf abgezielt habe, den konkurrierenden Herstellern nachhaltig und systematisch den Zugang zum italienischen Zigarettenmarkt zu erschweren und ihre Wachstumschancen auf diesem Markt zu begrenzen. Deshalb handele es sich bei dem fraglichen Verhalten der AAMS um eine schwere Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 EG-Vertrag.

103 Die JT International BV führt aus, wegen der Dauer und Schwere der Zuwiderhandlung der AAMS, der Vorsätzlichkeit der missbräuchlichen Verhaltensweisen unter offener Missachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Verpflichtungen eines Unternehmens in beherrschender Stellung und der Zurückweisung der vielfachen Bemühungen ausländischer Unternehmen, die AAMS auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aufmerksam zu machen, sei die von der Kommission festgesetzte Geldbuße zu niedrig. Die JT International BV beantragt daher, im Wege der unbeschränkten Rechtsprechung im Sinne von Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) einen wesentlich höheren Bußgeldbetrag als 6 Mio. Euro festzusetzen, um dieser eine angemessene abschreckende Wirkung zu verleihen.

Würdigung durch das Gericht

104 Zum Vorbringen der Klägerin in Bezug auf die Umstände, unter denen die Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen sei, ist zunächst festzustellen, dass der Hauptantrag der AAMS auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zurückzuweisen und somit auch die in der Entscheidung enthaltene Bestimmung über die Geldbuße weder für nichtig zu erklären noch deren Betrag herabzusetzen ist.

105 Im Übrigen kann sich die AAMS nicht darauf berufen, dass die streitige Entscheidung nur auf einzelne Vorgänge aus den Jahren 1995 und 1996 Bezug nehme und die Dauer der Zuwiderhandlung deshalb als von mittlerer oder kurzer Dauer einzustufen sei. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Kommission nur bestimmte Fälle ermitteln konnte, in denen die AAMS eine Anhebung der Hoechstmengen für das Inverkehrbringen eingeführter Zigaretten in den Jahren 1995 und 1996 ablehnte, sind diese Verhaltensweisen doch nicht isoliert, sondern im Gesamtbild als Teil wiederholter Handlungen zwischen 1990 bis 1996 zu würdigen. Die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung ist nicht fehlerhaft, da aus der 16. bis 19. Begründungserwägung der streitigen Entscheidung hervorgeht, dass sich die inkriminierten Verhaltensweisen der AAMS im Zusammenhang mit Zigaretten in Italien über einen Zeitraum von sieben Jahren, nämlich von 1990 bis 1996, erstreckten. Die Kommission hat damit hinreichend nachgewiesen, dass die Zuwiderhandlung der AAMS von langer Dauer war.

106 Gemäß Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes können Streithilfeanträge nur die Anträge einer Partei unterstützen. Im vorliegenden Verfahren ist die JT International BV als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. Ihr Antrag, die Geldbuße zu erhöhen, ist somit, da die Kommission ihrerseits eine solche Erhöhung nicht beantragt hat, als unzulässig zurückzuweisen.

107 Nach alledem sind die Anträge der AAMS und der JT International BV zu Gültigkeit und Höhe der Geldbuße insgesamt zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

108 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die AAMS mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Kommission zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission zu verurteilen.

109 Die AAMS hat außerdem gemäß dem Antrag der Streithelferinnen deren Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die AAMS trägt die Kosten der Kommission und der Streithelferinnen sowie ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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