Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 19.07.1999
Aktenzeichen: T-14/98
Rechtsgebiete: Beschluss 93/731/EG


Vorschriften:

Beschluss 93/731/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Das Gericht ist für eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung des Rates, mit der dem Kläger Zugang zu Dokumenten verweigert wird, auch dann zuständig, wenn diese auf der Grundlage des Titels V des Vertrages über die Europäische Union, der die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik betrifft, erstellt wurden.

Denn der Beschluß 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten findet auf alle Dokumente des Rates unabhängig von ihrem Inhalt Anwendung. Nach Artikel J 11 Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union (die Artikel J bis J 11 des Vertrages über die Europäische Union sind durch die Artikel 11 EU bis 28 EU ersetzt worden) finden die Maßnahmen, die in Durchführung von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 207 Absatz 3 EG) erlassen worden sind, der die Rechtsgrundlage des Beschlusses 93/731 bildet, auf die Bestimmungen über die in Titel V des Vertrages über die Europäische Union genannten Bereiche Anwendung. Daher werden die Dokumente, die unter Titel V des Vertrages über die Europäische Union fallen, in Ermangelung entgegenstehender Bestimmungen vom Beschluß 93/731 erfasst. Daß das Gericht gemäß Artikel L des Vertrages über die Europäische Union nicht für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der unter Titel V des Vertrages fallenden Maßnahmen zuständig ist, steht folglich seiner Zuständigkeit für Entscheidungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Maßnahmen nicht entgegen.

2 Aus der aus dem systematischen Zusammenhang erkennbaren Zielsetzung des Beschlusses 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten ergibt sich, daß die Entscheidung über die Ablehnung eines Zweitantrags im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses auf der Grundlage einer wirklichen Prüfung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu erfolgen hat, da die Prüfung eines solchen Antrags den Rat in die Lage versetzen soll, zu entscheiden, ob die Verbreitung des angeforderten Dokuments unter eine der Ausnahmen nach Artikel 4 des Beschlusses 93/731 fällt, und somit vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Rates abzuweichen ist.

3 Der Rat muß auf der Grundlage seiner politischen Verantwortung, die ihm die Bestimmungen des Titels V des Vertrages über die Europäische Union, die die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik betreffen, zuweisen, feststellen, welche Folgen eine Verbreitung eines Berichts der Arbeitsgruppe zur Ausfuhr konventioneller Waffen für die internationalen Beziehungen der Europäischen Union haben könnte. Daher muß sich die Kontrolle einer Entscheidung, mit der der Zugang zu dem Bericht unter Berufung auf die Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten verweigert wird, durch das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensbestimmungen und die Bestimmungen über die Begründung der angefochtenen Entscheidung eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft, bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler vorgekommen ist und kein Ermessensmißbrauch vorliegt.

4 Die in Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten vorgesehenen Ausnahmen sind unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechts auf Information und der Verhältnismässigkeit auszulegen, so daß der Rat, bevor er den Zugang zu einem Dokument als solchem verweigert, prüfen muß, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht von den Ausnahmen gedeckten Informationen zu gewähren ist.

Was den Grundsatz des Rechts auf Information angeht, so dient der Beschluß der Umsetzung des Grundsatzes eines weitestmöglichen Zugangs der Bürger zur Information zum Zweck der Stärkung des demokratischen Charakters der Organe sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Was den Verhältnismässigkeitsgrundsatz angeht, so kann das Ziel, das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen zu schützen, auch dann erreicht werden, wenn der Rat nach einer Prüfung nur diejenigen Teile eines Berichts der Arbeitsgruppe für die Ausfuhr konventioneller Waffen unkenntlich macht, die die internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnten.

Somit ist eine Entscheidung des Rates, mit der der Klägerin der Zugang zu diesem Bericht verweigert wird, mit einem Rechtsfehler behaftet und daher für nichtig zu erklären, wenn der Rat keine solche Prüfung vorgenommen hat.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 19. Juli 1999. - Heidi Hautala gegen Rat der Europäischen Union. - Recht auf allgemeinen Zugang zu den Ratsdokumenten - Beschluß 93/731/EG - Ausnahme vom Grundsatz des Zugangs zu den Dokumenten - Schutz des öffentlichen Interesses auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen - Teilweiser Zugang. - Rechtssache T-14/98.

Parteien:

In der Rechtssache T-14/98

Heidi Hautala, Mitglied des Europäischen Parlaments, wohnhaft in Helsinki, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Onno W. Brouwer und Thomas Janssens, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Marc Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch Holger Rotkirch, Leiter der Dienststelle für Rechtsangelegenheiten, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, und Tuula Pynnä, Rechtsberaterin im selben Ministerium, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Finnische Botschaft, 2, rue Heinrich Heine, Luxemburg,

und

Königreich Schweden, vertreten durch Rättschef Lotty Nordling, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, Karin Kussak, Kristina Svahn Starrsjö, und Anders Kruse, Rechtsberater im selben Ministerium, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Schwedische Botschaft, 2, rue Heinrich Heine, Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch Jill Aussant, Giorgio Maganza und Martin Bauer, Direktorin im Juristischen Dienst bzw. Rechtsberater, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Alessandro Morbilli, Generaldirektor der Direktion für Rechtsangelegenheiten, Europäische Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,

Beklagter,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch Kareen Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und durch Denys Wibaux, Sekretär für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates vom 4. November 1997, mit der der Klägerin der Zugang zu einem Dokument verweigert worden ist,

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter J. Pirrung und M. Vilaras,

Kanzler: H. Jung

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Schlußakte des am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrages über die Europäische Union enthält folgende Erklärung (Nr. 17) zum Recht auf Zugang zu Informationen (im folgenden: Erklärung Nr. 17):

"Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen."

2 Zum Abschluß der Tagung des Europäischen Rates von Birmingham am 16. Oktober 1992 gaben die Staats- und Regierungschefs eine Erklärung mit dem Titel "Eine bürgernahe Gemeinschaft" ab (Bull. EG 10-1992, S. 9), in der sie die Notwendigkeit hervorhoben, die Gemeinschaft transparenter zu gestalten. Diese Verpflichtung wurde bei der Tagung des Europäischen Rates von Edinburgh am 12. Dezember 1992 bekräftigt (Bull. EG 12-1992, S. 7).

3 Am 5. Mai 1993 richtete die Kommission an den Rat, das Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß die Mitteilung 93/C 156/05 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden (ABl. C 156, S. 5). Sie gab darin die Ergebnisse einer vergleichenden Untersuchung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten in den verschiedenen Mitgliedstaaten und in einigen Drittländern wieder und kam zu dem Schluß, daß der Zugang zu den Dokumenten auf Gemeinschaftsebene noch erweitert werden müsse.

4 Am 2. Juni 1993 erließ die Kommission die Mitteilung 93/C 166/04 über die Transparenz in der Gemeinschaft (ABl. C 166, S. 4), in der sie die Grundprinzipien für den Zugang zu Dokumenten darlegte.

5 Beim Europäischen Rat von Kopenhagen vom 22. Juni 1993 wurden der Rat und die Kommission aufgefordert, "ihre Arbeiten im Einklang mit dem Grundsatz, daß die Bürger möglichst umfassenden Zugang zu Informationen erhalten, fortzusetzen" (Bull. EG 6-1993, S. 16, Nr. I.22).

6 Im Rahmen dieser Vorarbeiten für die Verwirklichung des Transparenzprinzips billigten der Rat und die Kommission am 6. Dezember 1993 einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im folgenden: Verhaltenskodex), der die Grundsätze für den Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates festlegt.

7 Der Verhaltenskodex stellt folgenden allgemeinen Grundsatz auf:

"Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates."

8 Dokument im Sinne des Verhaltenskodex ist "unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz des Rates oder der Kommission befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen".

9 Zur Rechtfertigung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten kann sich ein Gemeinschaftsorgan nach dem Verhaltenskodex auf folgende Umstände berufen:

"Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf

- den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);

-...

Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten."

10 Darüber hinaus bestimmt der Verhaltenskodex: Die Kommission und der Rat ergreifen vor dem 1. Januar 1994 jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung dieser Grundsätze.

11 Zur Erfuellung dieser Verpflichtung erließ der Rat am 20. Dezember 1993 den Beschluß 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43).

12 Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 lautet:

"Der Zugang zu einem Ratsdokument darf nicht gewährt werden, wenn durch die Verbreitung des Dokuments folgendes verletzt werden könnte:

- der Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten);

-..."

Sachverhalt

13 Die Klägerin ist Mitglied des Europäischen Parlaments.

14 Am 14. November 1996 stellte sie eine schriftliche Anfrage an den Rat (schriftliche Anfrage P-3219/96, ABl. 1997, C 186, S. 48), mit der sie um Erläuterungen zu den acht Kriterien für Waffenausfuhren bat, die vom Europäischen Rat im Juni 1991 in Luxemburg und im Juni 1992 in Lissabon festgelegt worden waren. Sie stellte insbesondere folgende Fragen:

"Was beabsichtigt der Rat zu unternehmen, damit die auf den Waffenexport der Mitgliedstaaten gestützten Menschenrechtsverletzungen aufhören? Warum sind die Anweisungen zur Präzisierung der Kriterien, die von der Arbeitsgruppe des Rates zu Exporten konventioneller Waffen dem politischen Komitee vorgelegt wurden, geheim?"

15 Der Rat antwortete am 10. März 1997 u. a. wie folgt:

"Eines der acht Kriterien betrifft die Achtung der Menschenrechte durch das Land der Endbestimmung, ein für alle Mitgliedstaaten wichtiges Anliegen. Ein Austausch zwischen den Mitgliedstaaten über diesen und andere Aspekte der Waffenexportpolitik findet in der im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eingesetzten Gruppe "Ausfuhr konventioneller Waffen" statt, die damit beauftragt wurde, sich besonders mit der Anwendung der acht Kriterien zu befassen, um zu einer gemeinsamen Auslegung derselben zu gelangen.

Das Politische Komitee hat in seiner Sitzung am 14./15. November 1996 einen Bericht der Gruppe "Ausfuhr konventioneller Waffen" gebilligt, womit die konsequente Anwendung der gemeinsamen Kriterien weiter gefördert werden soll. Das politische Komitee vereinbarte ferner, daß die Gruppe diese Frage aufmerksam weiterverfolgen sollte.

Die konkreten Entscheidungen über die Gewährung von Ausfuhrlizenzen obliegen jedoch nach wie vor den einzelstaatlichen Behörden. Der Rat kann sich deshalb nicht zu einzelnen Exportgenehmigungen oder zur einzelstaatlichen Informationspolitik in diesem Bereich äußern."

16 Mit Schreiben vom 17. Juni 1997 an den Generalsekretär des Rates verlangte die Klägerin, ihr den in der Antwort des Rates erwähnten Bericht (im folgenden: der streitige Bericht) zu übermitteln.

17 Der streitige Bericht wurde vom Politischen Komitee, jedoch niemals vom Rat gebilligt. Er wurde im Rahmen des besonderen europäischen Korrespondentennetzes "COREU" erstellt, das im Rahmen der GASP gemäß den Bestimmungen des Titels V des Vertrages über die Europäische Union 1995 von den Mitgliedstaaten und der Kommission eingerichtet wurde und von den üblichen Verteilungskanälen für Dokumente des Rates getrennt ist. In der Praxis des Rates ist das COREU-Netz Fragen vorbehalten, die unter den Titel V fallen. Die Verbreitung von Dokumenten über das COREU-Netz ist auf wenige hierzu zugelassene Empfänger in den Mitgliedstaaten, auf die Kommission und das Generalsekretariat des Rates begrenzt.

18 Das Generalsekretariat des Rates verweigerte mit Schreiben vom 25. Juli 1997 den Zugang zu dem streitigen Bericht gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 mit der Begründung, dieser Bericht enthalte "äußerst sensible Informationen, deren Verbreitung das öffentliche Interesse im Bereich der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigen würde".

19 Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 1. September 1997 einen Zweitantrag gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 93/731.

20 Der Zweitantrag wurde von der Arbeitsgruppe "Information" des Ausschusses der Ständigen Vertreter in ihrer Sitzung vom 24. Oktober 1997 und von den Mitgliedern des Rates bei der Tagung vom 3. November 1997 behandelt; auf dieser Tagung wurde mit der hierfür erforderlichen einfachen Mehrheit beschlossen, den Antrag abzulehnen. Vier Delegationen sprachen sich für die Verbreitung aus.

21 Mit Schreiben vom 4. November 1997 (im folgenden: angefochtene Entscheidung) lehnte der Rat den Zweitantrag wie folgt ab:

"Ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 1. September 1997, in dem Sie gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 93/731/EG einen Zweitantrag auf Zugang zu dem [streitigen] Bericht stellen.

Ihr Antrag ist vom Rat auf der Grundlage einer Prüfung dieses Dokuments erneut behandelt worden.

Der Rat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die Verbreitung des [streitigen] Berichts die Beziehungen der Europäischen Union zu Drittländern beeinträchtigen könnte.

Daher kann zum Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731/EG zu diesem Dokument kein Zugang gewährt werden."

22 Aufgrund des streitigen Berichts erließ der Rat am 8. Juni 1998 einen Verhaltenskodex für Waffenausfuhren. Dieser Kodex wurde bekanntgemacht.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

23 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 13. Januar 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

24 Die Klägerin hat mit Telefax, das am 7. Mai 1998 bei der Kanzlei eingegangen ist, auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet.

25 Die Französische Republik hat mit Schriftsatz, der am 5. Juni 1998 bei der Kanzlei eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates beantragt.

26 Die Republik Finnland und das Königreich Schweden haben mit Schriftsätzen, die am 15. Juni 1998 bei der Kanzlei eingegangen sind, ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beantragt.

27 Der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts hat mit Beschluß vom 6. Juli 1998 den Streithilfeanträgen stattgegeben.

28 Die Französische Republik, das Königreich Schweden und die Republik Finnland haben ihre Streithilfeschriftsätze am 19. August bzw. am 15. und 16. September 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

29 Die Parteien haben sich mit Schriftsätzen, die am 18. November 1998 bei der Kanzlei eingegangen sind, zu den Streithilfeschriftsätzen geäußert.

30 Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

31 Die mündliche Verhandlung hat am 4. März 1999 stattgefunden. Die Parteien haben zur Sache verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

32 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- dem Rat die Kosten einschließlich der Kosten etwaiger Streithelfer aufzuerlegen.

33 Der Rat beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen; - der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

34 Die Republik Finnland und das Königreich Schweden als Streithelfer beantragen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

35 Die Französische Republik als Streithelferin beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zuständigkeit des Gerichts

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

36 Der Rat macht geltend, in der vorliegenden Rechtssache stellten sich in bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts die gleichen Fragen wie in der Rechtssache T-174/95, über die das Gericht mit Urteil vom 17. Juni 1998 (Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, II-2289; im folgenden: Urteil Journalistfö;rbundet) entschieden habe. Der streitige Bericht behandele nämlich ausschließlich Fragen, die unter Titel V des Vertrages über die Europäische Union fielen, dessen Bestimmungen durch Artikel L des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 46 EU) der Zuständigkeit des Gerichtshofes ausdrücklich entzogen seien. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat jedoch diese Einrede der Unzulässigkeit fallen gelassen und dem Gericht die Prüfung seiner Zuständigkeit überlassen.

37 Die französische Regierung führt aus, daß das Gericht für die Klage nicht zuständig sei. Aufgrund von Artikel L des Vertrages über die Europäische Union sei sie der Ansicht, daß auch nach der Entscheidung des Rates, den Beschluß 93/731 auf die Dokumente anzuwenden, die unter Titel V fielen, die Entscheidungen des Rates über den Zugang zu solchen Dokumenten mit Titel V verknüpft blieben und als solche nicht mit Klagen gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) angefochten werden könnten.

38 Nach Ansicht der Klägerin ist das Gericht für die Entscheidung über eine Klage gegen eine Entscheidung über den Zugang zu einem Dokument, das auf der Grundlage des Titels V des Vertrages über die Europäische Union erlassen worden ist, zuständig.

39 Die finnische und die schwedische Regierung unterstützen das Vorbringen der Klägerin.

Würdigung durch das Gericht

40 Das Gericht kann nach Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen fehlen.

41 Daß der streitige Bericht unter Titel V des Vertrages über die Europäische Union fällt, hat keinen Einfluß auf die Zuständigkeit des Gerichts. Das Gericht hat in seinem Urteil Journalistfö;rbundet (Randnrn. 81 und 82) bereits entschieden, daß der Beschluß 93/731 auf alle Dokumente des Rates unabhängig von ihrem Inhalt Anwendung findet. Es hat weiter festgestellt, daß nach Artikel J 11 Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union (die Artikel J bis J 18 des Vertrages über die Europäische Union sind durch die Artikel 11 EU bis 28 EU ersetzt worden) die Maßnahmen, die in Durchführung von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 207 Absatz 3 EG), der die Rechtsgrundlage des Beschlusses 93/731 bildet, erlassen worden sind, auf die Bestimmungen über die in Titel V des Vertrages genannten Bereiche Anwendung finden.

42 Daher werden im Einklang mit der Entscheidung im Urteil Journalistfö;rbundet (Randnr. 85) die Dokumente, die unter Titel V des Vertrages über die Europäische Union fallen, in Ermangelung entgegenstehender Bestimmungen vom Beschluß 93/731 erfaßt. Daß das Gericht gemäß Artikel L des Vertrages über die Europäische Union nicht für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der unter Titel V des Vertrages fallenden Maßnahmen zuständig ist, steht folglich seiner Zuständigkeit für Entscheidungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Maßnahmen nicht entgegen.

Zur Begründetheit

43 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 gerügt. Mit dem zweiten wird eine Verletzung von Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) geltend gemacht. Mit dem dritten wird ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Grundprinzip eines möglichst umfassenden und vollständigen Zugangs der Bürger der Europäischen Union zu den Dokumenten der Gemeinschaftsorgane und ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gerügt.

44 Die schwedische Regierung ist dem Rechtsstreit zur Unterstützung der ersten beiden Klagegründe beigetreten. Die finnische Regierung ist nur zur Unterstützung des zweiten Klagegrundes beigetreten. Die französische Regierung ist dem Rechtsstreit zur Unterstützung des Rates zur Bekämpfung der ersten beiden Klagegründe beigetreten.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

45 Die Klägerin macht erstens geltend, der Rat habe die Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen zu weit und damit in rechtswidriger Weise ausgelegt und angewandt.

46 Nach dem Urteil des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95 (WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313) sei weitestgehender Zugang zu den Dokumenten zu gewähren. Die Ausnahme des Schutzes der internationalen Beziehungen sei eng auszulegen und anzuwenden (Urteile des Gerichts vom 6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-83/96, Van der Wal/Kommission, Slg. 1998, II-545, gegen das gegenwärtig ein Rechtsmittel beim Gerichtshof [Rechtssache C-189/89 P] anhängig ist, und Journalistförbundet).

47 Der Rat habe nicht konkret oder zumindest nicht angemessen festgestellt, wie sich der Zugang zum streitigen Bericht auf das öffentliche Interesse im allgemeinen und im Bereich der internationalen Beziehungen im besonderen auswirken könne. Die Behandlung des Zweitantrags durch den Rat beweise ebenfalls, daß die angefochtene Entscheidung ohne wirkliche Erörterungen und Untersuchungen getroffen worden sei.

48 Zweitens bestreitet die Klägerin, daß die Verbreitung des streitigen Berichts das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnte. Dieser Bericht betreffe nämlich nur die Umsetzung und Auslegung allgemein bekannter Kriterien für die Ausfuhren von Waffen.

49 Drittens macht die Klägerin geltend, der Rat habe dadurch gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 verstoßen, daß er den Zugang zu den Teilen des streitigen Berichts verweigert habe, die nicht von der Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses gedeckt seien.

50 Die schwedische Regierung trägt vor, der Rat müsse in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Dokument Informationen enthalte, die, wenn sie verbreitet würden, den Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigen könnten. Nur wenn diese Prüfung zu einem positiven Ergebnis führe, müsse der Rat einen Antrag auf Zugang zu den Informationen gemäß Artikel 4 Absatz 1 ablehnen (Urteil Journalistfö;rbundet, Randnr. 112).

51 Im vorliegenden Fall hätten weder die Arbeitsgruppe "Information" noch der Rat den Zweitantrag nach diesen Grundsätzen geprüft.

52 Schließlich gehe eine Auslegung der Ausnahmeregelung des Artikels 4 Absatz 1 in dem Sinne, daß - bereits dann, wenn ein Teil des angeforderten Dokuments die internationalen Beziehungen schädigen könnte, die anderen Teile des Dokuments, von denen die Öffentlichkeit sonst hätte Kenntnis nehmen können, nicht verbreitet werden dürften, über dasjenige hinaus, was zum Schutz des öffentlichen Interesses notwendig sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache C-321/96, Mecklenburg, Slg. 1998, I-3809, Randnr. 25, in bezug auf die Auslegung bestimmter Ausnahmen von der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. L 158, S. 56). Nach Artikel 3 Absatz 2 letzter Unterabsatz dieser Richtlinie könnten zudem Informationen, die sich im Besitz der Behörden befänden, teilweise übermittelt werden, sofern es möglich sei, die vertraulichen Teile auszusondern.

53 Der Rat habe bereits einen teilweisen Zugang zu einem Dokument gewährt (vgl. Bericht des Generalsekretärs über die Durchführung des Beschlusses 93/731 in den Jahren 1994 und 1995, Dokument 8330/96, S. 12).

54 Gegen das Argument des Rates, wegen der vom Beschluß 93/731 verwendeten Formulierung "Zugang zu den Dokumenten" könne er keinen teilweisen Zugang zu einem angeforderten Dokument gewähren, wendet die schwedische Regierung ein, nicht die Grundregel in Artikel 1 dieses Beschlusses müsse eng ausgelegt werden, sondern die Ausnahme in Artikel 4 Absatz 1.

55 Der Rat macht geltend, gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 sei er verpflichtet, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, wenn durch ihre Verbreitung u. a. der Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigt werden könnte, der namentlich dann im Mittelpunkt stehe, wenn es um die öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten gehe.

56 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin habe der Rat die Auswirkungen ihres Antrags konkret und angemessen gewürdigt und diesem besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

57 Die Beurteilung der möglichen Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses durch die Verbreitung eines seiner Dokumente könne nur der Rat selbst vornehmen und das Gericht dürfe seine eigene Beurteilung nicht an deren Stelle setzen.

58 Nach eingehender Erörterung habe er sich gegen eine teilweise Übermittlung seiner Dokumente entschieden. Der Beschluß 93/731 sehe lediglich vor, daß die Öffentlichkeit Zugang zu den "Dokumenten" des Rates erhalte. Der Rat müsse daher die Anträge auf Zugang anhand der Dokumente in ihrem Originalzustand prüfen, ohne daß er sie zum Zweck ihrer Verbreitung anpassen müßte. Die Weglassung bestimmter Teile würde dazu führen, daß ein Antragsteller niemals ein authentisches Dokument erhalte, sondern nur bruchstückhafte Informationen, was dem mit dem Beschluß 93/731 verfolgten Ziel der Transparenz zuwiderlaufe.

59 Der Rat hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß er diesen Standpunkt vertreten habe, obwohl der Beschluß 93/731 eine teilweise Übermittlung nicht ausdrücklich verbiete. Das von der schwedischen Regierung angeführte Beispiel (Randnr. 53) sei im übrigen nur ein Sonderfall. Die vom Generalsekretariat in diesem Fall gewählte Lösung hätte der Rat selbst niemals übernommen.

60 Entgegen der Ansicht der schwedischen Regierung könne nicht ausgeschlossen werden, daß bestimmten Kategorien von Dokumenten aufgrund ihrer Natur zwangsläufig das Risiko anhafte, daß ihre Verbreitung das öffentliche Interesse beeinträchtige (vgl. in diesem Sinne Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 3. März 1998 in der Rechtssache T-610/97 R, Norup Carlsen u. a./Rat, Slg. 1998, II-485, Randnr. 46 und 47). Dies sei insbesondere bei im Rahmen des COREU-Systems erstellten Dokumenten der Fall. Diese Dokumente seien nämlich ihrer Natur nach interne Arbeitsmittel, deren Verbreitung das ordnungsgemäße Funktionieren der GASP beeinträchtigen könne. Die angefochtene Entscheidung sei allerdings nicht nur deshalb ergangen, weil der Bericht durch das COREU-Netz geleitet worden sei, sondern beruhe auf einer inhaltlichen Prüfung des Berichts.

61 In diesem Zusammenhang sei der Hinweis der schwedischen Regierung auf das Urteil Journalistfö;rbundet (Randnr. 112) für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. In dieser Rechtssache habe der Rat nämlich den Zugang zu sechzehn verschiedenen Dokumenten verweigert, ohne bei jedem einzelnen genau anzugeben, ob er seine Entscheidung auf die zwingende Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit usw.) oder auf die fakultative Ausnahme des Schutzes der Vertraulichkeit seiner Beratungen gestützt habe.

62 Die französische Regierung macht geltend, der Rat habe Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 entsprechend der Auslegung durch das Gericht in dessen Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache T-194/94 (Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Slg. 1995, II-2765) richtig angewandt.

63 Zur teilweisen Übermittlung des angeforderten Dokuments trägt sie vor, daß die in verschiedenen Mitgliedstaaten praktizierte Methode, bestimmte als vertraulich erachtete Teile bei der Gewährung des Zugangs zu einem Dokument unkenntlich zu machen, beim Zugang zu den Dokumenten der Gemeinschaftsorgane nicht in zufriedenstellender Weise angewandt werden könne. Eine derartige Methode entspreche im übrigen nicht dem Beschluß 93/731.

64 Schließlich sei das beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung angewandte Verfahren ordnungsgemäß.

Würdigung durch das Gericht

65 Die drei Argumente, auf die die Klägerin ihren ersten Klagegrund stützt, sind nacheinander zu prüfen. Erstens ist zu entscheiden, ob der Zweitantrag vom Rat angemessen geprüft worden ist, zweitens, ob der Zugang zu dem streitigen Bericht unter Berufung auf das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen verweigert werden durfte, und drittens, ob der Rat in Erwägung hätte ziehen müssen, einen teilweisen Zugang zu gewähren, indem er die Verbreitung derjenigen Teile des Dokuments erlaubt, die nicht von der Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses gedeckt sind.

66 Was das erste Argument angeht, so ist nicht bestritten, daß der Rat den Antrag in gewissem Umfang geprüft hat. Die Klägerin und die schwedische Regierung machen jedoch geltend, daß diese Prüfung in Anbetracht der Anforderungen an die Behandlung eines Zweitantrags und die Anwendung des Artikels 4 des Beschlusses 93/731 unzulänglich gewesen sei.

67 Die Prüfung eines Zweitantrags soll den Rat in die Lage versetzen, zu entscheiden, ob die Verbreitung des angeforderten Dokuments unter eine der Ausnahmen nach Artikel 4 des Beschlusses 93/731 fällt und somit vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten des Rates abzuweichen ist. Aus der aus dem systematischen Zusammenhang erkennbaren Zielsetzung des Beschlusses 93/731 ergibt sich also, daß die Entscheidung über die Ablehnung eines Zweitantrags auf der Grundlage einer wirklichen Prüfung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat.

68 Wie in Randnummer 20 ausgeführt worden ist, wurde der Zweitantrag von der Arbeitsgruppe "Information" in ihrer Sitzung vom 24. Oktober 1997 und von den Mitgliedern des Rates bei der Tagung vom 3. November 1997 geprüft; auf dieser Tagung wurde mit der erforderlichen einfachen Mehrheit beschlossen, den Antrag abzulehnen. Daraufhin lehnte der Rat mit der angefochtenen Entscheidung den Zweitantrag der Klägerin unter Berufung auf die Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen ab.

69 Somit ist der Zweitantrag vom Rat angemessen geprüft worden. Jedenfalls sind die bloßen Behauptungen der Klägerin und der schwedischen Regierung noch kein Beweis, daß diese Prüfung im vorliegenden Fall unzureichend oder in Anbetracht der dargelegten Ziele unangemessen gewesen wäre.

70 Somit ist das erste Argument der Klägerin und der schwedischen Regierung zurückzuweisen.

71 Zum zweiten Argument der Klägerin, daß der Zugang zum streitigen Bericht das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen nicht gefährde, ist darauf hinzuweisen, daß das Ermessen des Rates Teil der politischen Verantwortung ist, die ihm die Bestimmungen des Titels V des Vertrages über die Europäische Union zuweisen. Auf dieser Grundlage muß der Rat feststellen, welche Folgen eine Verbreitung des streitigen Berichts für die internationalen Beziehungen der Europäischen Union haben könnte.

72 Daher muß sich die Kontrolle des Gerichts auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensbestimmungen und die Bestimmungen über die Begründung der angefochtenen Entscheidung eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutrifft, bei der Tatsachenwürdigung kein offensichtlicher Fehler vorgekommen ist und kein Ermessensmißbrauch vorliegt.

73 Wie sich aus Randnummer 17 ergibt, wurde der streitige Bericht im Rahmen des COREU-Systems erstellt. In der Praxis des Rates ist das COREU-Netz Fragen vorbehalten, die unter Titel V des Vertrages über die Europäische Union fallen. Ferner geht aus der Antwort des Rates vom 10. März 1997 (Randnr. 15) hervor, daß der streitige Bericht u. a. einen Meinungsaustausch der Mitgliedstaaten über die Frage der Achtung der Menschenrechte im Land der endgültigen Bestimmung enthält. Schließlich wurde, wie der Rat in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat (Nr. 44), der streitige Bericht zum internen Gebrauch und nicht zur Veröffentlichung verfaßt und enthält daher Formulierungen und Ausdrücke, die zu Spannungen mit einigen Drittländern führen könnten.

74 Somit gibt es keinen Grund, die Beurteilung des Rates zu beanstanden. Daher ist das zweite Argument der Klägerin zurückzuweisen.

75 Gegen das dritte, von der schwedischen Regierung unterstützte Argument, der Rat habe Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 verletzt, indem er den Zugang zu den Teilen des streitigen Berichts verweigert habe, die nicht von der Ausnahme des Schutzes des öffentlichen Interesses gedeckt seien, hat der Rat eingewendet, der Grundsatz des Zugangs zu den Dokumenten gelte nur für die Dokumente als solche und nicht für einzelne dort enthaltene Informationen.

76 Somit muß das Gericht klären, ob der Rat die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs hätte prüfen müssen. Da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, ist die Kontrolle durch das Gericht nicht beschränkt.

77 Der Beschluß 93/731 ist eine Geschäftsordnungsmaßnahme, die der Rat auf der Grundlage von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag erlassen hat. Solange es keine spezifische Gemeinschaftsregelung gibt, legt der Rat die Bedingungen für die Behandlung von Anträgen auf Zugang zu seinen Dokumenten fest (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-58/94, Niederlande/Rat, Slg. 1996, I-2169, Randnrn. 37 und 38). Daher könnte der Rat, wenn er dies wollte, beschließen, im Rahmen einer neuen Praxis den teilweisen Zugang zu seinen Dokumenten zu gewähren.

78 Der Beschluß 93/731 verpflichtet den Rat nicht ausdrücklich zu der Prüfung, ob ein teilweiser Zugang zu den Dokumenten gewährt werden kann. Er schließt aber eine solche Möglichkeit auch nicht ausdrücklich aus, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

79 In Anbetracht dessen ist für die Auslegung des Artikels 4 des Beschlusses 93/731 die Grundlage ins Gedächtnis zu rufen, auf der der Rat diesen Beschluß erlassen hat.

80 In der Erklärung Nr. 17 wurde empfohlen, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen. Diese Verpflichtung wurde beim Europäischen Rat in Kopenhagen am 22. Juni 1993 bestätigt, der den Rat und die Kommission aufforderte, "ihre Arbeiten im Einklang mit dem Grundsatz, daß die Bürger möglichst umfassenden Zugang zu Informationen erhalten, fortzusetzen".

81 In der Präambel des Verhaltenskodex nehmen der Rat und die Kommission ausdrücklich auf die Erklärung Nr. 17 und die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Kopenhagen als Grundlage ihrer Initiative Bezug. Der Verhaltenskodex stellt den allgemeinen Grundsatz eines möglichst umfassenden Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten auf.

82 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Niederlande/Rat (Randnr. 35) die Bedeutung des Rechts der Öffentlichkeit auf Zugang zu den im Besitz der Behörden befindlichen Dokumente unterstrichen. So hat er darauf hingewiesen, daß in der Erklärung Nr. 17 dieses Recht "mit dem demokratischen Charakter der Organe" verknüpft wird. Der Generalanwalt hat in seinen Schlußanträgen in dieser Rechtssache (Slg. 1996, I-2171, Nr. 19) zum subjektiven Informationsrecht ausgeführt:

"Die Grundlage eines solchen Rechts ist eher in dem Prinzip der Demokratie zu suchen, das eines der grundlegenden Gestaltungselemente der Gemeinschaft ist, wie es jetzt in der Präambel des Vertrags von Maastricht und in Artikel F [nach Änderung jetzt Artikel 6 EU] der gemeinsamen Bestimmungen niedergelegt ist."

83 Unter Berufung auf das Urteil Niederlande/Rat hat das Gericht vor kurzem im Urteil Journalistfö;rbundet (Randnr. 66) ausgeführt:

"Der Beschluß 93/731 dient der Umsetzung des Grundsatzes eines weitestmöglichen Zugangs der Bürger zur Information zum Zweck der Stärkung des demokratischen Charakters der Organe sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung."

84 Besteht ein allgemeiner Grundsatz und sind Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen, so müssen diese Ausnahmen eng ausgelegt und angewandt werden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes nicht zu beeinträchtigen (vgl. Urteile WWF UK/Kommission, Randnr. 56, und Interporc/Kommission, Randnr. 49). Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731, der die Ausnahmen von dem erwähnten allgemeinen Grundsatz aufführt.

85 Zudem verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß "Ausnahmen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessene und erforderliche Maß hinausgehen" (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache C-222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 38). Im vorliegenden Fall ist das vom Rat mit der Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Bericht verfolgte Ziel laut der Begründung der angefochtenen Entscheidung, "das öffentliche Interesse im Bereich der internationalen Beziehungen zu schützen". Dieses Ziel könnte jedoch auch dann erreicht werden, wenn der Rat nach einer Prüfung nur diejenigen Teile des streitigen Berichts unkenntlich macht, die die internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnten.

86 Dabei würde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Rat erlauben, in besonderen Fällen, in denen der Umfang des Dokuments oder der unkenntlich zu machenden Teile für ihn zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand führen würde, die Bedeutung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen gekürzten Teilen und die daraus sich ergebende Arbeitsbelastung gegeneinander abzuwägen. Der Rat könnte auf diese Weise in solchen Fällen die Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung schützen.

87 Nach allem ist Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 unter Berücksichtigung der Grundsätze des Rechtes auf Information und der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Infolgedessen muß der Rat prüfen, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht von den Ausnahmen gedeckten Informationen zu gewähren ist.

88 Wie sich aus Randnummer 75 ergibt, hat der Rat dies nicht geprüft, denn nach seiner Ansicht gilt der Grundsatz des Zugangs zu den Dokumenten nur für die Dokumente als solche und nicht für einzelne dort enthaltene Informationen. Folglich ist die angefochtene Entscheidung mit einem Rechtsfehler behaftet und daher für nichtig zu erklären.

89 Somit braucht das Gericht über die beiden anderen Klagegründe, die die Klägerin geltend gemacht hat, nicht zu entscheiden.

Kostenentscheidung:

Kosten

90 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Organe und die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher haben die Republik Finnland, das Königreich Schweden und die Französische Republik ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung des Rates vom 4. November 1997, mit der der Klägerin der Zugang zu dem Bericht der Arbeitsgruppe "Ausfuhren konventioneller Waffen" verweigert worden ist, wird für nichtig erklärt.

2. Der Rat trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Republik Finnland, das Königreich Schweden und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück