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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: T-146/02
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung Art. 7 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 28. Januar 2004. - Deutsche SiSi-Werke GmbH & Co. Betriebs KG gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle). - Gemeinschaftsmarke - Dreidimensionale Marke - Form einer Getränkeverpackung - Standbeutel - Absolute Eintragungshindernisse - Artikel7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr.º40/94 - Freihaltebedürfnis für das Zeichen. - Verbundene Rechtssachen T-146/02 bis T-153/02.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-146/02 bis T-153/02

Deutsche SiSi-Werke GmbH & Co. Betriebs KG mit Sitz in Eppelheim (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A.ºFranke,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G.ºSchneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

wegen Aufhebung der Entscheidungen der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 28. Februar 2002 (Sachen Rº719/1999-2 bis Rº724/1999-2, Rº747/1999-2 und Rº748/1999-2) über die Eintragung dreidimensionaler Marken (Standbeutel)

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N.ºJ. Forwood sowie der Richter J.ºPirrung und A.ºW.ºH. Meij,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 8. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,

aufgrund des Beschlusses vom 9. Juli 2002, die Rechtssachen T-146/02 bis T-153/02 zu verbinden,

aufgrund der am 20. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2003

erlässt

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Die Klägerin reichte am 8. Juli 1997 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung acht Anmeldungen von Gemeinschaftsmarken beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) ein.

2. Bei den dreidimensionalen Marken, für die die Eintragung beantragt wurde, handelt es sich um verschiedene Standbeutel für Getränke. Diese Beutel haben eine bauchige Gestalt mit verbreitertem Boden und, je nach Anmeldung, ähnelt ihre Vorderansicht einem langgezogenen Dreieck oder einem Oval mit in manchen Fällen seitlichen Einwölbungen.

3. Die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marken beantragt wurde, gehören zu den Klassen 1, 3, 5, 6, 16, 20, 29, 30, 32, 33, 39 und 40 im Sinne des Abkommens von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung.

4. Mit Entscheidungen vom 24. und 27. September 1999 wies die Prüferin die acht Anmeldungen nach Artikel 38 der Verordnung Nr. 40/94 mit der Begründung zurück, dass die angemeldeten Marken keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 hätten.

5. Am 11. November 1999 legte die Klägerin beim Amt nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 gegen die Entscheidungen der Prüferin acht Beschwerden ein, wobei sie ihre Markenanmeldungen auf die folgenden Waren beschränkte:

- Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken der Klasse 32;

- alkoholische Getränke (ausgenommen Biere) der Klasse 33.

6. Mit Entscheidungen vom 28. Februar 2002 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen), die der Klägerin am 11. März 2002 zugestellt wurden, wies die Beschwerdekammer die Beschwerden mit der Begründung zurück, dass die angemeldeten Marken nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 seien.

7. Im Wesentlichen war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die Verbraucher in den Standbeuteln keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sähen, sondern lediglich eine Form der Verpackung. Diese Verpackungsart dürfe im Hinblick auf das Interesse der Mitbewerber, Verpackungshersteller und Getränkehersteller nicht monopolisiert werden.

8. Mit Antrag beim Amt vom 6. Mai 2002 beschränkte die Klägerin ihre Anmeldungen auf folgende Waren: Fruchtgetränke und Fruchtsäfte der Klasse 32.

Anträge der Parteien

9. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben;

- dem Amt die Kosten aufzuerlegen.

10. Das Amt beantragt,

- die Klagen abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtslage

Zum Gegenstand des Rechtsstreits

11. Auf Rückfrage hat das Amt die Ordnungsmäßigkeit und die Wirksamkeit der Einschränkung des Warenverzeichnisses bestätigt, die die Klägerin am 6. Mai 2002 nach Erlass der angefochtenen Entscheidungen vorgenommen hat.

12. Das Gericht stellt fest, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung übereingekommen sind, dass in Anbetracht dieser Einschränkung die vorliegenden Klagen so zu verstehen sind, dass die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen nur insoweit beantragt wird, als diese nicht dem klägerischen Begehren in Bezug auf die Fruchtgetränke und Fruchtsäfte der Klasse 32 entsprochen haben.

Zur Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen

13. Die Klägerin trägt vor, dass sich die Beschwerdekammer, indem sie ihre Entscheidungen mit der Notwendigkeit begründet habe, eine Monopolisierung zu verhindern, auf das Freihaltebedürfnis für bestimmte Zeichen und folglich auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 gestützt habe.

14. Das Gericht weist darauf hin, dass die Schlussfolgerung der Klägerin hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Freihaltebedürfnisses nicht zutrifft. Zum einen wird in den angefochtenen Entscheidungen nur Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 als Rechtsgrundlage genannt. Zum anderen kann keine unmittelbare und ausschließliche Verbindung zwischen der Monopolisierungsgefahr und einem bestimmten absoluten Eintragungshindernis hergestellt werden. Vielmehr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung in den absoluten Eintragungshindernissen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b bis e der Verordnung Nr. 40/94 das Bestreben des Gemeinschaftsgesetzgebers, die Anerkennung ausschließlicher Rechte zugunsten eines Wirtschaftsteilnehmers zu verhindern, wenn hierdurch der Wettbewerb auf dem Markt für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beeinträchtigt werden könnte (zum Eintragungshindernis im Zusammenhang mit dem beschreibenden Charakter des Zeichens vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache C104/01, Libertel, Slg. 2003, I0000, Randnr. 60).

15. Aus denselben Gründen folgt jedoch allein aus der Zurückweisung des auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 gestützten Klagegrundes noch nicht die Zurückweisung der Rügen der Klägerin zur Anwendung des Freihaltebedürfnisses im vorliegenden Fall. Diese Rügen bleiben insoweit bestehen, als sie die rechtswidrige Anwendung dieses Begriffes im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 betreffen.

Zur Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken

Vorbringen der Parteien

16. Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Verpackung von Fruchtgetränken und Fruchtsäften in Standbeuteln nicht üblich sei. Der Umstand, dass diese Verpackungsart für die genannten Waren unüblich sei, führe zum Wegfall des Freihaltebedürfnisses für die Zeichen und verleihe den angemeldeten Marken Unterscheidungskraft.

17. Der Verbraucher sei daran gewöhnt, dass die Verpackung von Getränken bei der Vermarktung eingesetzt werde. Er nehme also gegebenenfalls die Getränkeverpackungen als Hinweise auf die betriebliche Herkunft der Ware wahr.

18. Die Klägerin räumt ein, dass ein Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit derjenigen Zeichen bestehe, die wegen ihrer Übereinstimmung mit der üblichen Art und Weise, die betroffenen Waren und Dienstleistungen oder ihre Merkmale zu bezeichnen, die Funktion, das sie vertreibende Unternehmen zu identifizieren, nicht erfuellen könnten. Dagegen könnten alle unüblichen Zeichen, und insbesondere die grafische Darstellung der Form einer Ware, als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden. Sie betont, dass das Allgemeininteresse, dem das Freihaltebedürfnis diene, unter dem Blickwinkel der Kriterien, die das in Randnummer 14 zitierte Urteil Libertel festgelegt habe, im vorliegenden Fall nicht beeinträchtigt werde. Denn zum einen sei der betroffene Wirtschaftssektor ausgesprochen begrenzt, weil es nur um Fruchtgetränke und Fruchtsäfte gehe, und zum anderen gehörten die beanspruchten Zeichen nicht zu einer begrenzten Kategorie, weil es unendlich viele Möglichkeiten der Getränkeverpackung gebe.

19. Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 reiche ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft aus, damit eine Marke eingetragen werden könne. Daher könne einer dreidimensionalen Gestaltung diese Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, wenn sie in dem in Betracht kommenden Bereich ungewöhnlich sei.

20. Was die Ware selbst anbelangt, trägt die Klägerin vor, dass die Verpackung von Fruchtgetränken und Fruchtsäften in Standbeuteln nicht üblich sei. Denn diese Getränke würden, wie auch die Beschwerdekammer einräume, überwiegend in Flaschen oder, weniger häufig, in Dosen und Kartonverpackungen verpackt und verkauft. Daran, dass dies trotz des schon lange anhaltenden kommerziellen Erfolges der Klägerin mit Standbeuteln noch immer so sei, zeige sich das Fehlen eines Allgemeininteresses an der Verwendung solcher Standbeutel als Getränkeverpackung. Im Übrigen seien die Standbeutel in der angemeldeten Form gänzlich ungewöhnlich und könnten nicht als einfache Variante dieser Art Beutel bezeichnet werden. Ihre Herstellung sei außerdem technisch kompliziert, sie seien teuer und böten im Vergleich zu den herkömmlichen Getränkeverpackungen keine Vorteile. Des Weiteren verleihe ihre originelle Erscheinung, hauptsächlich wegen ihrer Form und wegen des durch eine besondere Technik bedingten metallischen Aussehens des verarbeiteten Materials, den angemeldeten Marken ein einzigartiges Aussehen.

21. Für den Durchschnittsverbraucher seien die Standbeutel, für die die Marken angemeldet würden, hinlänglich originell, um ein bestimmtes darin befindliches nichtalkoholisches Getränk einem bestimmten Hersteller zuzuordnen.

22. Nach Ansicht der Klägerin beweisen die Internetartikel, auf die die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen verweise, nicht, dass Standbeutel üblicherweise für Fruchtsäfte oder Fruchtgetränke verwendet würden. Diese Artikel gäben für ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis nichts her, da sie allesamt nicht den europäischen Markt beträfen. Aber auch ein zukünftiges Freihaltebedürfnis könnten diese Artikel, die teilweise schon Jahre zurücklägen, nicht begründen.

23. Die Klägerin ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Beschwerdekammer das Erfordernis der Originalität einer eine Getränkeverpackung darstellenden Marke in Anbetracht der Praxis des Amtes zu streng ausgelegt habe. Sie beruft sich in dieser Hinsicht insbesondere auf zwei Eintragungen von Gemeinschaftsmarken für die Granini-Flasche und die Brunnenflasche sowie auf eine für eine gewellte metallische Getränkedose.

24. Schließlich verweist die Klägerin auf die Eintragung von vier der hier angemeldeten Marken durch das Deutsche Patent- und Markenamt. Sie führt hierzu weiter aus, dass das Amt durch diese Eintragungen zwar nicht gebunden sei, diese aber bei der Beurteilung der angemeldeten Marken sachlich zu prüfen seien, da das Deutsche Patent- und Markenamt Rechtsvorschriften anwende, die denen der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) entsprächen, wobei diese Richtlinie von den Gemeinschaftsgerichten einheitlich ausgelegt werde und der Verordnung Nr. 40/94 in dem in Rede stehenden Punkt entspreche.

25. Das Amt trägt vor, dass die Beschwerdekammer ihre Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken nur durch zusätzliche Bemerkungen zur Gefahr einer Monopolisierung ergänzt habe, ohne hieraus eine Anwendungsvoraussetzung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zu machen.

26. Nach Ansicht des Amtes setzt bei Waren, die nicht ohne Verpackung auf den Markt gelangen können (Flüssigkeiten oder verderbliche Waren), und besonders bei Massenprodukten, der Hinweis auf die betriebliche Herkunft voraus, dass sich die Verpackung der Ware erkennbar aus der Gesamtheit der vergleichbaren Verpackungen für diese Ware heraushebe. Was die im vorliegenden Fall angemeldeten Marken anbelange, reichten die Unterschiede zwischen den Beuteln, deren Darstellung zur Eintragung angemeldet werde, und den anderen auf dem Markt befindlichen Standbeuteln nicht aus, um ihnen Unterscheidungskraft zu verleihen. Die Üblichkeit dieser Art der Verpackung für Lebensmittel im Allgemeinen und für Getränke im Besonderen werde durch Einsichtnahme in die von der Beschwerdekammer zitierten Internetseiten bewiesen und durch Einsichtnahme in andere Internetseiten bestätigt.

27. Das Amt macht geltend, der Umstand, dass die Klägerin die Beutel, deren Darstellung zur Eintragung angemeldet werde, schon seit langem verwende, könne nur im Rahmen von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 berücksichtigt werden, auf den sich die Klägerin nicht berufen habe.

28. Die nationalen Eintragungen und die Entscheidungen des Amtes, die die Klägerin anführe, hätten für das Amt keine rechtliche Bindungswirkung.

Würdigung durch das Gericht

29. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen.

30. Die nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 als nicht unterscheidungskräftig eingestuften Marken sind ungeeignet, die wesentliche Funktion der Marke zu erfuellen, auf die betriebliche Herkunft der Ware oder der Dienstleistung hinzuweisen.

31. Nach der Rechtsprechung erfasst Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 insbesondere Marken, die aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation der betreffenden Waren oder Dienstleistungen verwendet werden oder von denen zumindest aufgrund konkreter Hinweise anzunehmen ist, dass sie in dieser Weise verwendet werden können (Urteile des Gerichts vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/00, SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002, II-2839, Randnr. 37, und vom 5. März 2003 in der Rechtssache T-194/01, Unilever/HABM [Ovoide Tablette], Slg. 2003, II0000, Randnr. 39).

32. Es ist daran zu erinnern, dass das mögliche Interesse von Wettbewerbern des Anmelders einer in der Darstellung der Ware bestehenden dreidimensionalen Marke daran, Form und Muster ihrer eigenen Waren frei wählen zu können, als Grund für eine Ablehnung der Eintragung einer solchen Marke oder als Beurteilungskriterium für die Unterscheidungskraft dieser Marke allein nicht ausreicht. Mit dem Ausschluss der Eintragung von Zeichen ohne Unterscheidungskraft schützt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 das Interesse an der Verfügbarkeit verschiedener Varianten der Darreichungsform einer Ware nur insoweit, als die Gestaltung der Ware, deren Eintragung begehrt wird, nicht den Zweck einer Marke erfuellen kann, es den maßgeblichen Verkehrskreisen zu ermöglichen, die betreffende Ware von denjenigen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden; ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Prognose und unabhängig von der Benutzung der Marke im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 festzustellen.

33. Die Unterscheidungskraft eines Zeichens kann nur im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung angemeldet wird, und in Bezug auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise beurteilt werden.

34. Was die vorliegenden Klagen anbelangt, ist festzustellen, dass die angemeldeten Marken aus dem Erscheinungsbild der Verpackung der betreffenden Waren bestehen, nämlich der Darstellung verschiedener Standbeutel, die als Verpackungen für Fruchtgetränke und Fruchtsäfte bestimmt sind.

35. Die Beschwerdekammer hat in jeder der angefochtenen Entscheidungen ausgeführt, dass ein Käufer von Getränken, der mit diesem Standbeutel konfrontiert wird, darin nicht in erster Linie einen Hinweis auf einen Hersteller sehen wird, sondern lediglich eine Form der Verpackung, in der sich das von ihm gewünschte Getränk befindet (angefochtene Entscheidungen, Randnr. 16 a. E.), dass alle beanspruchten Darstellungen einer üblichen Verpackung für die von der Klägerin beantragten Waren entsprächen (angefochtene Entscheidungen, Randnr. 22; Entscheidung R 722/1999-2, Randnr. 21) und dass der Durchschnittsverbraucher sie als weitere Standbeutelvarianten wahrnehme (angefochtene Entscheidungen, Randnr. 20, mit Ausnahme der Entscheidung R 722/1999-2). Sie war auch der Auffassung, dass in Anbetracht der steigenden Bedeutung, die diese Art Beutel für die Verpackungs- und die Getränkeindustrie habe, ein Standbeutel wie die hier in Frage stehenden nicht von einem einzigen Hersteller monopolisiert werden könne (angefochtene Entscheidungen, Randnr. 20; Entscheidung R 722/1999-2, Randnr. 19).

36. Zu den von den angemeldeten Marken angesprochenen Verkehrskreisen gehören alle Endverbraucher. Denn Fruchtgetränke und Fruchtsäfte sind für den gewöhnlichen Verbrauch bestimmt. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke ist daher auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-210/96, Gut Springenheide und Tusky, Slg. 1998, I-4657, Randnrn. 30 bis 32).

37. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise im Fall einer dreidimensionalen Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, nicht notwendig die gleiche ist wie bei einer Wortmarke, einer Bildmarke oder einer nicht aus dem Erscheinungsbild der Ware bestehenden dreidimensionalen Marke. Während nämlich diese Marken von den Verkehrskreisen gewöhnlich unmittelbar als herkunftskennzeichnende Zeichen wahrgenommen werden, gilt nicht notwendig das Gleiche für den Fall, dass das Zeichen mit dem Erscheinungsbild der Ware selbst übereinstimmt (vgl. entsprechend Urteil Libertel, zitiert oben in Randnr. 14, Randnr. 65; Urteil Ovoide Tablette, zitiert oben in Randnr. 31, Randnr. 45).

38. Da eine fluessige Ware nur verpackt vermarktet werden kann, wird der Durchschnittsverbraucher der Verpackung in erster Linie eine reine Verpackungsfunktion zuschreiben. Ein Zeichen, das andere Funktionen als die einer Marke erfuellt, ist jedoch nur dann unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, wenn es unmittelbar als Hinweis auf die gewerbliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren und Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer gewerblicher Herkunft unterscheiden können (Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache T-130/01, Sykes Enterprises/HABM [REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS], Slg. 2002, II-5179, Randnr. 20). Daher wird der Durchschnittsverbraucher die Form einer Verpackung nur als einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware wahrnehmen, wenn diese Form unmittelbar als ein solcher Hinweis wahrgenommen werden kann.

39. Die Klägerin behauptet zunächst, dass die Verpackung von Fruchtgetränken und Fruchtsäften in Standbeuteln als solche ungewöhnlich sei.

40. In dieser Hinsicht hat die Beschwerdekammer angesichts der in den angefochtenen Entscheidungen angegebenen Internetseiten rechtlich hinreichend belegt, dass zum einen Standbeutel schon zur Verpackung bestimmter Getränke verwendet werden und zum anderen dieser Verwendungszweck auf Getränke aller Art ausgeweitet werden kann (angefochtene Entscheidungen, Randnrn. 17 bis 19).

41. Die Beanstandungen der Klägerin in Bezug auf die geografische oder zeitliche Relevanz der im Internet gefundenen Beispiele kann deren Relevanz nicht erschüttern. Denn die Zusammenstellung der auf den verschiedenen Internetseiten gefundenen Informationen zeigt, dass solche Beutel gegenwärtig weltweit zur Verpackung von Getränken verwendet werden, insbesondere von Fruchtsäften, und dass in der Gemeinschaft solche Beutel für die Verpackung fluessiger Lebensmittel Verwendung finden. Die so zugänglichen Informationen stellen konkrete Indizien dafür dar, dass Standbeutel im Handel üblicherweise für die Darreichung der fraglichen Waren verwendet werden oder zumindest in dieser Weise verwendet werden können.

42. Da diese Verpackungsart für fluessige Lebensmittel im Allgemeinen, zu denen auch Getränke gehören, verwendet wird, ist sie nicht derart ungewöhnlich, dass der Durchschnittsverbraucher diese Verpackung als solche als Hinweis auf die besondere betriebliche Herkunft einer Ware dieser Kategorie wahrnähme. Die Unterscheidungskraft fehlt dieser Verpackungsart für fluessige Lebensmittel im Hinblick auf alle Waren dieser Kategorie und insbesondere für die hier betroffenen Getränke. Die voraussichtliche Entwicklung dieser Verpackungsart bestätigt, soweit erforderlich, die Üblichkeit dieser Verwendung.

43. Was das Argument der Klägerin anbelangt, sie verwende die fragliche Verpackungsart seit langem für die betreffenden Waren, ohne dass dies nachgeahmt werde, ist darauf hinzuweisen, dass selbst die ausschließliche Benutzung eines Zeichens diesem keine ihm eigene Unterscheidungskraft verleiht. Denn nach der Systematik von Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 kann die Benutzung eines Zeichens nur im Rahmen von Absatz 3 dieses Artikels berücksichtigt werden, um das Vorliegen einer erlangten Unterscheidungskraft zu beweisen. Da sich die Klägerin für die angemeldeten Marken nicht auf eine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft in der gesamten Gemeinschaft berufen hat, dringt ihr Argument nicht durch.

44. Die Klägerin trägt sodann vor, dass die beanspruchten Darstellungen Designelemente aufwiesen, die sich nicht auf übliche oder funktionelle Merkmale beschränkten. Sie führt in dieser Hinsicht neben einer genauen Beschreibung der Beutel, deren Darstellung angemeldet worden ist, hauptsächlich die Originalität der grundlegenden Form dieser Beutel an, nämlich, je nach Fall, Oval oder Dreieck, und deren metallisches Aussehen.

45. Somit ist der Gesamteindruck zu prüfen, den das Erscheinungsbild der fraglichen Beutel hervorruft (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95, Sabel, Slg. 1997, I-6191, Randnr. 23); dies ist nicht unvereinbar damit, dass die einzelnen verwendeten Gestaltungselemente nacheinander geprüft werden (Urteil Ovoide Tablette, zitiert oben in Randnr. 31, Randnr. 54).

46. In dieser Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass die beanspruchten Darstellungen einer bestimmten Verpackungsart für Flüssigkeiten entsprechen. Die in den angefochtenen Entscheidungen angeführten Standbeutelbeispiele zeigen, dass diese Beutel, ganz allgemein gesprochen, aus drei an den fünf Kanten zusammengeschweißten Oberflächen bestehen und eine quadratische oder rechteckige Vorder- und Rückseite haben.

47. Die meisten der von der Klägerin angeführten Designelemente entsprechen entweder einfach der arttypischen Standbeutelform oder sind viel zu geringfügig, um den maßgeblichen Verkehrskreisen im Gedächtnis zu bleiben. So können die bauchige Form, die seitlich zu den Kanten parallel verlaufenden Linien oder auch die obere horizontale Linie, die einer Naht entspricht, den Darstellungen der Beutel der Klägerin keine Unterscheidungskraft gegenüber der Grundform eines Standbeutels verleihen. Im Übrigen können der Kreisbogen oder das V, das die untere Naht der Beutel bildet, die unterschiedliche Größe von Vorder- und Rückseite oder das Fehlen einer oberen Linie von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als Merkmale wahrgenommen werden, die es ihnen erlauben würden, diese Beutel zu erkennen.

48. Somit verbleiben drei Elemente, die einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen den Darstellungen der fraglichen Beutel und der Grundform eines Standbeutels begründen können, nämlich die grundlegenden Formen der Beutel, die seitlichen Einwölbungen und das metallische Aussehen.

49. Was erstens die grundlegenden Formen der fraglichen Beutel anbelangt, so bestehen diese aus einem Rechteck, einem Oval oder einem Dreieck. Sie entsprechen den geometrischen Grundformen, wie sie für Standbeutel verwendet werden können. Ferner laufen die ovalen und die dreieckigen Formen aus technischen Gründen und wegen des Zweckes dieser Verpackung - dem Aufrechtstehen - in gerade untere oder obere Ränder aus, die sie dem Quadrat oder dem Rechteck annähern. Folglich können diese grundlegenden Formen als solche den angemeldeten Marken keine Unterscheidungskraft verleihen, weil sie üblicherweise für Standbeutel verwendet werden oder verwendet werden können.

50. Was zweitens die seitlichen Einwölbungen von vier der beanspruchten Darstellungen anbelangt, so wird der Durchschnittsverbraucher diese mit einer besseren Greifbarkeit der Beutel in Verbindung bringen. Außerdem sind diese Einwölbungen zu geringfügig oder stellen zu elementare Variationen der geraden Ränder dar, als dass sie den fraglichen Formen Unterscheidungskraft verleihen könnten.

51. Was drittens das metallische Aussehen der Beutel anbelangt, das als graue Farbe mit Lichtreflexen wiedergegeben wird, so wird dieses von den maßgeblichen Verkehrskreisen, sei es nun zu Recht oder zu Unrecht, auf die Beschaffenheit der Folie zurückgeführt werden, die zur Herstellung der Beutel verwendet wurde. Daher wird der Durchschnittsverbraucher dieses metallische Aussehen nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren wahrnehmen.

52. Was schließlich das Gesamterscheinungsbild eines jeden der fraglichen Beutel anbelangt, so war die Beschwerdekammer zu Recht der Ansicht, dass die Unterschiede, die die beantragten Formen und deren Oberflächengestaltung gegenüber dem arttypischen Erscheinungsbild eines Standbeutels aufweisen, einfache Varianten dieses Erscheinungsbilds darstellen. Denn die Summe dieser Unterschiede begründet im Gesamterscheinungsbild eines jeden der fraglichen Beutel keinen deutlichen Unterschied im Vergleich zum arttypischen Erscheinungsbild eines Standbeutels. Die Verbindung der verschiedenen geringfügigen Designelemente oder das Gesamterscheinungsbild der verschiedenen Beutel können dem Durchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht wenig ausgeprägt ist, nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren im Gedächtnis bleiben.

53. Es ist noch hinzuzufügen, dass die technischen Schwierigkeiten oder die Kosten der Herstellung der Beutel gemäß den angemeldeten Darstellungen keine einschlägigen Kriterien für die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken sind. Denn eine Form, der jede Unterscheidungskraft fehlt, kann eine solche nicht aufgrund der Schwierigkeiten oder der Kosten ihrer Herstellung erlangen.

54. Außerdem hat die Beschwerdekammer zu Recht auf die Gefahr einer Monopolisierung der Standbeutel für die betreffenden Getränke hingewiesen, denn dieser Gesichtspunkt bestätigte das Fehlen von Unterscheidungskraft dieser Beutel für diese Waren gemäß dem das absolute Eintragungshindernis aus Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 begründenden Allgemeininteresse. Im Übrigen ist das Bestehen von Monopolisierungsgefahren hier umso spürbarer, als die vorliegenden Markenanmeldungen einen großen Teil der denkbaren Variationen der arttypischen Grundform des Standbeutels abdecken.

55. Soweit sich die Klägerin auf verschiedene Gemeinschaftseintragungen von Getränkeverpackungen beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Eintragbarkeit eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke allein auf der Grundlage des einschlägigen Gemeinschaftsrechts in der Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter zu beurteilen ist und nicht auf der Grundlage einer früheren Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern (Urteil SAT.2, oben zitiert in Randnr. 31, Randnr. 60, und Urteil Sykes Enterprises/HABM [REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS], oben zitiert in Randnr. 38).

56. Was das Argument hinsichtlich der vier vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Marken anbelangt, von denen drei manchen der hier angemeldeten Marken sehr ähnlich sind (Rechtssachen T-148/02, T-149/02 und T-151/02), so stellen nach ständiger Rechtsprechung in Mitgliedstaaten bereits vorliegende Eintragungen einen Umstand dar, der für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke lediglich berücksichtigt werden kann, ohne entscheidend zu sein (vgl. Urteil Ovoide Tablette, oben in Randnr. 31 zitiert, Randnr. 68 und die zitierte Rechtsprechung). Die Beschwerdekammer hat folglich diese nationalen Eintragungen ordnungsgemäß in Betracht gezogen, indem sie ausführte, dass diese ihr keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gäben.

57. Nach alledem hat die Beschwerdekammer den acht Standbeuteldarstellungen für die betreffenden Waren, darunter Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, zu Recht die Unterscheidungskraft abgesprochen.

58. Somit sind die Klagen abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

59. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Amtes die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klagen werden abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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