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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: T-15/02
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 17/62
Vorschriften:
EG-Vertrag Art. 81 | |
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 15 |
Der Begriff des berechtigten Interesses am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne des Artikels 37 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung für das Verfahren vor dem Gericht gilt, ist nach dem Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits selbst zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Klageanträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Denn unter dem Ausgang" des Rechtsstreits ist die beim angerufenen Gericht beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Streithilfeantrags ist insbesondere zu prüfen, ob die angefochtene Handlung den Streithilfeantragsteller unmittelbar berührt und sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist. In diesem Zusammenhang ist zwischen Streithilfeantragstellern, die ein unmittelbares Interesse an der Entscheidung über die konkrete Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt ist, glaubhaft machen, und solchen Antragstellern zu unterscheiden, die nur wegen der Ähnlichkeit ihrer Situation mit der Situation einer der Parteien ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen.
Wenn, nachdem die Kommission einen Verstoß mehrerer Unternehmen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG festgestellt hat, der Gegenstand der Hauptsache auf die Aufhebung oder Herabsetzung des Gesamtbetrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbußen begrenzt ist, besitzt die Streithilfeantragstellerin auch dann kein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse, wenn die Klägerin mit ihrer Klage die Beurteilung der Zusammenarbeit der Streithilfeantragstellerin im Verwaltungsverfahren durch die Kommission in Frage zu stellen versucht. Denn da die Entscheidung, mit der gegen die Streithilfeantragstellerin eine Geldbuße verhängt worden ist, nicht Gegenstand der Hauptsache ist und im Übrigen auch nicht Gegenstand einer Klage war oder noch sein kann, würde ein Urteil, mit dem die von der Klägerin angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt oder geändert würde, nichts an der gegen die Streithilfeantragstellerin ergangenen Entscheidung ändern und der Kommission wegen des Grundsatzes ne bis in idem auch nicht die Möglichkeit eröffnen, eine neue sachliche Würdigung des Vorliegens der Zuwiderhandlung vorzunehmen, auf die sich die gegen die Streithilfeantragstellerin ergangene Entscheidung bezieht.
( vgl. Randnrn. 26-27, 32, 34-36 )
Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Vierte Kammer) vom 25. Februar 2003. - BASF AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Streithilfe. - Rechtssache T-15/02.
Parteien:
In der Rechtssache T-15/02
BASF AG mit Sitz in Ludwigshafen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: N. Levy, J. Temple-Lang, Solicitors, R. O'Donoghue, Barrister, und Rechtsanwalt C. Feddersen,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Wainright und L. Pignataro-Nolin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße, die gegen die Klägerin nach Artikel 3 Buchstabe b der Entscheidung der Kommission vom 21. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 - Vitamine) verhängt worden ist,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter P. Mengozzi und M. Vilaras,
Kanzler: H. Jung
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Mit Entscheidung vom 21. November 2001 in der Sache COMP/E-1/37.512 (ABl. 2003, L 6, S. 1, nachfolgend: Entscheidung) stellte die Kommission fest, dass mehrere Unternehmen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen hatten, indem sie sich an einer Reihe verschiedener Kartelle beteiligt hatten, die 12 verschiedene Märkte für Vitaminpräparate betrafen. Zu diesen Unternehmen gehörten u. a. die BASF AG (nachfolgend: Klägerin) und die Aventis SA mit Sitz in Schiltigheim (Frankreich). Im Einzelnen wurde die Klägerin für Verstöße auf den Märkten für die Vitamine A, E, B1, B2, B5, C, D3 und H, für Betacarotin und für Carotinoide (Artikel 1 Buchstabe b der Entscheidung) und Aventis für Verstöße auf den Märkten für die Vitamine A, E und D3 (Artikel 1 Buchstabe c der Entscheidung) zur Verantwortung gezogen.
2 Wegen ihrer Beteiligung an den Kartellen auf den Märkten für die Vitamine A, E, B2, B5, C und D3, für Betacarotin und für Carotinoide wurden gegen die Klägerin entsprechende Geldbußen in Höhe von insgesamt 296,16 Millionen Euro verhängt (Artikel 3 Buchstabe b der Entscheidung). Gegen Aventis wurde eine Geldbuße in Höhe von 5,04 Millionen Euro wegen ihrer Beteiligung am Kartell auf dem Markt für Vitamin D3 verhängt (Artikel 3 Buchstabe c der Entscheidung).
3 Diese Beträge resultieren namentlich aus der Anwendung zunächst der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, nachfolgend: Leitlinien), und dann der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, nachfolgend: Mitteilung über Zusammenarbeit) durch die Kommission.
4 Bei der Anwendung der Leitlinien ging die Kommission u. a. davon aus, dass die Klägerin zusammen mit der F. Hoffmann-La Roche AG (nachfolgend: Roche) eine Rolle als Anführer und Anstifter der Kartelle auf den Märkten für die Vitamine A, E, B2, B5, C und D3, für Betacarotin und für Carotinoide gespielt habe. Folglich wurde der Grundbetrag der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbußen wegen erschwerender Umstände um 35 % erhöht (712. bis 718. Begründungserwägung der Entscheidung).
5 Außerdem war die Kommission der Ansicht, dass Aventis wegen ihrer passiven Rolle im Vitamin-D3-Kartell eine Herabsetzung des Grundbetrags der wegen dieses Kartells gegen sie zu verhängenden Geldbuße um 50 % gewährt werden könne (724. und 725. Begründungserwägung der Entscheidung).
6 Bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit ging die Kommission davon aus, dass Aventis das erste Unternehmen war, das entscheidendes Beweismaterial über das Bestehen der Kartelle in Bezug auf die Vitamine A und E geliefert hatte, und dass sie auch alle anderen Voraussetzungen nach Abschnitt B dieser Mitteilung erfuellte. Folglich wurde ihr eine Herabsetzung der Geldbuße, die sonst wegen ihrer Beteiligung an den genannten Kartellen gegen sie verhängt worden wäre, um 100 % gewährt (741. und 742. Begründungserwägung der Entscheidung).
7 Der Klägerin wurden die Vergünstigungen nach den Abschnitten B und C der genannten Mitteilung dagegen in Anbetracht ihrer Rolle als Anführer und Anstifter der Kartelle in Bezug auf die Vitamine A, E, B2, B5, C und D3, Betacarotin und Carotinoide verwehrt, obwohl die Kommission im Übrigen anerkannte, dass sie zusammen mit Roche die Erste gewesen sei, die entscheidendes Beweismaterial für das Bestehen der Kartelle in Bezug auf die Vitamine B2, B5, C und D3, Betacarotin und Carotinoide vorgelegt habe (743. bis 745. Begründungserwägung der Entscheidung).
8 Schließlich räumte die Kommission ein, dass sämtliche mit der Entscheidung belangten Unternehmen die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit erfuellten. Deshalb gewährte sie der Klägerin und Aventis eine Herabsetzung der Geldbußen, die gegen sie verhängt worden wären, wenn sie nicht mit ihr zusammengearbeitet hätten, um 50 % bzw. 10 % (761. und 767. Begründungserwägung der Entscheidung).
9 Aventis hat gegen die Entscheidung keine Klage erhoben.
Verfahren
10 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 31. Januar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage erhoben, mit der sie beantragt, die mit Artikel 3 Buchstabe b der Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder wesentlich herabzusetzen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen (nachfolgend: Hauptsache).
11 Die Kommission hat beantragt, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
12 Aventis hat, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Amory und F. Marchini Camia, mit Antragsschrift, die am 24. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, in der Hauptsache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden.
13 Der Streithilfeantrag ist den Parteien gemäß Artikel 116 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden.
14 Die Beklagte hat mit Schriftsatz, der am 4. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, mitgeteilt, dass sie keine Stellungnahme zum Streithilfeantrag abzugeben habe.
15 Die Klägerin hat mit Schriftsatz, der am 5. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, den Streithilfeantrag der Aventis zurückzuweisen und dieser die Verfahrenskosten und die sonstigen Kosten, die der Klägerin durch die Stellungnahme zu diesem Antrag entstanden seien, aufzuerlegen.
16 Die Präsidentin der Vierten Kammer hat nach Artikel 116 § 1 Absatz 3 der Verfahrensordnung die Entscheidung über den Streithilfeantrag der Kammer übertragen.
Vorbringen der Beteiligten
17 Aventis stützt ihren Streithilfeantrag erstens darauf, dass sie einer der Adressaten der Entscheidung sei. Sie sei das erste Unternehmen gewesen, das aus freien Stücken das Bestehen von Kartellen in Bezug auf die Vitamine A und E angezeigt und entscheidendes Beweismaterial dafür vorgelegt habe. Dank dieser Zusammenarbeit sei ihr nach Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit ein völliger Schutz vor Geldbußen für ihre Beteiligung an diesen Kartellen gewährt worden. Was ihre Beteiligung am Kartell in Bezug auf Vitamin D3 anbelange, sei außerdem die Geldbuße wegen ihrer passiven Rolle in diesem Kartell nach den Leitlinien herabgesetzt worden.
18 Zweitens weist Aventis darauf hin, dass die Klägerin in ihrer Klage behaupte, alle Voraussetzungen für die Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit erfuellt zu haben, insbesondere der Kommission ein geheimes Kartell angezeigt zu haben, bevor diese eine Überprüfung vorgenommen und bereits über Informationen verfügt habe, die für den Beweis des angezeigten Kartells ausgereicht hätten, und die Erste gewesen zu sein, die entscheidendes Beweismaterial für das Bestehen des Kartells geliefert habe.
19 Drittens bestreite die Klägerin in ihrer Klage die ihr in der Entscheidung zugeschriebene Rolle als Mitanführer und Mitanstifter des angeblichen Kartells. Die Streithilfeantragstellerin bringt vor, sie habe Kenntnis davon erlangt, dass sich die Klägerin in ihrer Klage auch gegen die Einschätzung der Kommission wende, dass Aventis bei den fraglichen Kartellen keine Anführerrolle eingenommen habe.
20 Die Streithilfeantragstellerin weist diese Behauptungen der Klägerin zurück und macht geltend, erstens erfuelle sie selbst und nicht die Klägerin die beiden oben in Randnummer 18 genannten Voraussetzungen, und zweitens könne ihr nicht die Anführerrolle in den geahndeten Kartellen zugeschrieben werden.
21 Folglich habe sie ein unmittelbares und tatsächliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits. Da die Klägerin die Feststellung begehre, dass die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit falsch angewandt habe, und da ein Verwerfen der Schlussfolgerungen der Kommission in diesen Punkten bedeutete, dass die Streithilfeantragstellerin nicht die Voraussetzungen erfuellt hätte, aufgrund deren ihr in der Entscheidung Schutz vor einer Geldbuße bzw. eine Herabsetzung der Geldbuße gewährt worden sei, betreffe der Tenor des vom Gericht zu fällenden Urteils ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung unmittelbar.
22 Die Klägerin zweifelt in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeantrag an, dass Aventis ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne der Artikel 37 der EG-Satzung des Gerichtshofes und 115 der Verfahrensordnung des Gerichts in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung zuerkannt werden kann. Der Tenor des zu erlassenden Urteils, wie er von ihr beantragt werde, könne die Streithilfeantragstellerin nicht unmittelbar betreffen, da der Gemeinschaftsrichter in der Hauptsache keine Feststellungen treffen dürfe, die sich auf den verfügenden Teil der Entscheidung der Kommission, soweit er Aventis betreffe, auswirkten.
23 Außerdem trage jedenfalls ein Beitritt von Aventis in keiner Weise zur Aufklärung der in der Klage aufgeworfenen Fragen bei. Zum einen könne Aventis keinen sachdienlichen Beitrag dazu leisten, ob, wie von der Klägerin geltend gemacht werde, entscheidendes Beweismaterial für das Bestehen der Kartelle im Vitaminsektor erstmals in der Besprechung der Klägerin mit der Kommission am 17. Mai 1999 vorgelegt worden sei. Zum anderen verstehe die Streithilfeantragstellerin die mit der Klage erhobenen Rügen hinsichtlich der Anführerrolle bei den Kartellen falsch, da nirgendwo in der Klageschrift nahe gelegt werde, dass Aventis eine Anführerrolle in einem der fraglichen Kartelle gespielt habe.
Würdigung durch das Gericht
24 Der Streithilfeantrag ist gemäß Artikel 115 der Verfahrensordnung gestellt worden.
25 Nach Artikel 37 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 Absatz 1 dieser Satzung für das Verfahren vor dem Gericht gilt, kann jeder, der ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits - mit Ausnahme von Rechtsstreitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Gemeinschaftsorganen oder zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen - glaubhaft macht, dem Rechtsstreit beitreten. Mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen können nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.
26 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff des berechtigten Interesses am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne dieser Bestimmung nach dem Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits selbst zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Klageanträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Denn unter dem Ausgang" des Rechtsstreits ist die beim angerufenen Gericht beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die angefochtene Handlung den Streithilfeantragsteller unmittelbar berührt und sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 25. November 1964 in der Rechtssache 111/63, Lemmerz- Werke/Hohe Behörde, Slg. 1965, 941, und vom 12. April 1978 in den Rechtssachen 116/77, 124/77 und 143/77, Amylum u. a./Rat und Kommission, Slg. 1978, 893, Randnrn. 7 und 9; Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 17. Juni 1997 in den Rechtssachen C-151/97 P (I) und C-157/97 P (I), National Power und PowerGen, Slg. 1997, I-3491, Randnrn. 51 bis 53 und 57; Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 20. März 1998 in der Rechtssache T-191/96, CAS Succhi di Frutta/Kommission, Slg. 1998, II-573, Randnr. 28, und Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 3. Juni 1999 in der Rechtssache T-138/98, ACAV u. a./Rat, Slg. 1999, II-1797, Randnr. 14).
27 Ferner ist nach der Rechtsprechung zwischen Streithilfeantragstellern, die ein unmittelbares Interesse an der Entscheidung über die konkrete Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt ist, glaubhaft machen, und solchen Antragstellern zu unterscheiden, die nur wegen der Ähnlichkeit ihrer Situation mit der Situation einer der Parteien ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 15. November 1993 in der Rechtssache C-76/93 P, Scaramuzza/Kommission, Slg. 1993, I-5715 und I-5721, Randnr. 11; Beschlüsse des Gerichts vom 15. Juni 1993 in den Rechtssachen T-97/92 und T-111/92, Rijnoudt und Hocken/Kommission, Slg. 1993, II-587, Randnr. 22, vom 8. Dezember 1993 in der Rechtssache T-87/92, Kruidvat/Kommission, Slg. 1993, II-1375, Randnr. 12, und CAS Succhi di Frutta/Kommission, Randnr. 28).
28 Hier ist erstens darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Streithilfeantragstellerin, die Klage richte sich gegen die Schlussfolgerung der Kommission, dass sie keine führende Rolle bei den Kartellen gespielt habe, sachlich falsch ist. Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, die Kommission habe sich geirrt, als sie ihr eine Anführer- und Anstifterrolle bei den Kartellen in Bezug auf die Vitamine A, E, B5, C und D3, Betacarotin und Carotinoide zugeschrieben habe. Sie weist darauf hin, dass ihr Vorgehen nicht schwerwiegender gewesen sei als das anderer an den fraglichen Kartellen Beteiligter, die nicht als Anführer oder Anstifter eingestuft worden seien. Was insbesondere die Kartelle in Bezug auf die Vitamine A und E anbelangt, behauptet sie keineswegs, dass Aventis als Anführer dieser Kartelle hätte angesehen werden müssen, sondern beschränkt sich auf das Vorbringen, dass die Kommission, wie sie es im Fall von Aventis zu Recht" getan habe, zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass auch sie nur ein Beteiligter und nicht ein Anführer bei diesen Kartellen gewesen sei (Nrn. 129 bis 131 der Klageschrift).
29 Im Übrigen macht die Klägerin in ihrer Klageschrift geltend, die Kommission habe zu Unrecht die Anwendung von Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit auf sie ausgeschlossen, da sie alle dafür erforderlichen Voraussetzungen erfuellt habe. Insbesondere sei sie mit Roche die Erste gewesen, die der Kommission entscheidendes Beweismaterial für das Bestehen aller fraglichen Kartelle einschließlich der Kartelle in Bezug auf die Vitamine A und E, für die Aventis die Vergünstigung nach Abschnitt B der Mitteilung über Zusammenarbeit zugestanden worden sei, vorgelegt habe.
30 Es ist also zweitens zu prüfen, ob das von der Streithilfeantragstellerin geltend gemachte Interesse an der Abweisung der Anträge der Klägerin, mit denen diese die Beurteilung der Frage, welches Unternehmen als erstes entscheidendes Beweismaterial für die Verstöße geliefert hat, durch die Kommission beanstandet, ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne der oben in den Randnummern 26 und 27 genannten Rechtsprechung darstellt.
31 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Entscheidung, obwohl in Form nur einer einzigen Entscheidung ergangen, als Bündel von Individualentscheidungen zu verstehen ist, mit denen festgestellt wird, welcher Verstoß oder welche Verstöße den jeweiligen Adressaten zur Last gelegt werden, und diesen gegebenenfalls eine oder mehrere Geldbußen auferlegt werden, was im Übrigen durch den Wortlaut des verfügenden Teils der Entscheidung und insbesondere durch ihre Artikel 1 und 3 belegt wird (siehe in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache T-227/95, AssiDomän Kraft Products u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1185, Randnrn. 56 und 57, das aus anderen Gründen durch das Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1999 in der Rechtssache C-310/97 P, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 aufgehoben wurde).
32 Sodann ist festzustellen, dass Gegenstand der Hauptsache nur die Aufhebung oder wesentliche Herabsetzung des Gesamtbetrags der nach Artikel 3 Buchstabe b der Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbußen ist. Artikel 3 Buchstabe c der Entscheidung, gemäß dem Aventis eine Geldbuße in Höhe von 5,04 Millionen Euro auferlegt wird, ist dagegen nicht Gegenstand der Hauptsache, wie er durch die Anträge der Klägerin und der Beklagten bestimmt wird.
33 Es ist aber unstreitig, dass zum einen Artikel 3 Buchstabe b der Entscheidung die Streithilfeantragstellerin nicht betrifft und dass zum anderen ein Urteil des Gerichts, mit dem die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße aufgehoben oder geändert würde, an Artikel 3 Buchstabe c der Entscheidung, der die Streithilfeantragstellerin dagegen betrifft, nichts ändern würde.
34 Unter diesen Umständen hat die Streithilfeantragstellerin ein Interesse an der Abweisung der Anträge der Klägerin in der Hauptsache nur, soweit die erwähnte Aufhebung oder Änderung, wenn sie die Richtigkeit der in der Entscheidung in Bezug auf die Streithilfeantragstellerin getroffenen Feststellungen und Beurteilungen in Frage stellte, die Kommission gegebenenfalls dazu veranlassen könnte, Artikel 3 Buchstabe c der Entscheidung nochmals zu überdenken, obwohl er nicht Gegenstand einer Klage war und auch nicht mehr sein kann.
35 Hierzu ist die Kommission jedoch nicht befugt. Nach der Rechtsprechung verbietet es der Grundsatz ne bis in idem, bei dem es sich um einen tragenden Grundsatz des Gemeinschaftsrechts handelt, der auch in Artikel 4 Absatz 1 des Protokolls Nr. 7 zur am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, im Bereich des Wettbewerbsrechts, dass ein Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, für das es in einer früheren, nicht mehr anfechtbaren Entscheidung mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt wurde, erneut verurteilt oder verfolgt wird (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 59).
36 Der Grundsatz ne bis in idem verbietet daher eine neue sachliche Würdigung des Vorliegens der Zuwiderhandlung, die dazu führen würde, dass entweder - falls die Verantwortlichkeit erneut bejaht wird - eine zweite, zur ersten hinzukommende Sanktion oder - falls die in der ersten Entscheidung verneinte Verantwortlichkeit in der zweiten Entscheidung bejaht wird - eine erste Sanktion verhängt wird (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 61).
37 Selbst wenn man unterstellte, dass die Kommission im Licht der Gründe eines Urteils des Gerichts, mit dem dem oben in Randnummer 29 genannten Klagegrund stattgegeben würde, Artikel 3 Buchstabe c der Entscheidung ohne eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem in einem für Aventis nachteiligen Sinn abändern könnte, so stellte jedenfalls das oben in Randnummer 34 genannte Interesse kein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse im Sinne der oben in den Randnummern 26 und 27 zitierten Rechtsprechung dar, sondern allenfalls ein mittelbares und potenzielles Interesse. In einem solchen Fall könnte die Streithilfeantragstellerin ihre Argumente im Übrigen immer noch im Rahmen einer Nichtigkeitsklage geltend machen, die sie beim Gericht gegen eine solche nachteilige Entscheidung der Kommission einreichen könnte.
38 Nach alledem kann das von Aventis geltend gemachte Interesse, dem Rechtsstreit beizutreten, nicht als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne des Artikels 37 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes angesehen werden. Ihr Streithilfeantrag ist mithin zurückzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
39 Nach Artikel 87 § 1 der Verfahrensordnung wird über die Kosten im Endurteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren beendet, entschieden. Da der vorliegende Beschluss das Verfahren in Bezug auf Aventis beendet, ist über die Kosten ihres Streithilfeantrags zu entscheiden.
40 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Aventis mit ihrem Antrag unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin im Zusammenhang mit dem vorliegenden Streithilfeverfahren aufzuerlegen. Da die Kommission insoweit keine Anträge gestellt hat, trägt sie ihre eigenen Kosten.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
beschlossen:
1. Der Antrag auf Zulassung als Streithelfer wird zurückgewiesen.
2. Die Aventis SA trägt die Kosten der Klägerin im Zusammenhang mit dem Streithilfeverfahren sowie ihre eigenen Kosten.
3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Streithilfeverfahren.
Ende der Entscheidung
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