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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 11.03.1999
Aktenzeichen: T-157/94
Rechtsgebiete: EGKS


Vorschriften:

EGKS Art. 65 § 1
EGKS Art. 36 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlaß einer Entscheidung führt, mit der Zuwiderhandlungen gegen die EGKS-Wettbewerbsregeln festgestellt werden, kann von der Kommission nicht verlangt werden, mehr als die Dokumente zu übersetzen, auf denen ihre Beschwerdepunkte beruhen. Diese letztgenannten Dokumente sind ausserdem als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt, und sind daher dem Empfänger so, wie sie sind, zu übermitteln, so daß er ihre Auslegung durch die Kommission, auf die diese sowohl ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch ihre Entscheidung gestützt hat, in Erfahrung bringen und damit seine Rechte angemessen verteidigen kann.

Die Pflicht der Kommission, den Parteien eine Abschrift des Protokolls der Anhörung zu überlassen, damit sie prüfen können, ob ihre eigenen Erklärungen richtig wiedergegeben sind, verpflichtet sie keineswegs, für eine Übersetzung der in anderen Sprachen abgegebenen Erklärungen der übrigen Parteien zu sorgen.

2 Die Beteiligung eines Unternehmens an Vereinbarungen und verabredeten Praktiken, die gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag verstossen, kann nicht mit der blossen Möglichkeit der Anwendung von Schutzmaßnahmen nach Artikel 379 der Beitrittsakte für Spanien gerechtfertigt werden, der für alle Wirtschaftszweige gilt und voraussetzt, daß der Kommission, die auf Antrag eines Mitgliedstaats tätig wird, ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Die Möglichkeit, in bestimmten abgegrenzten Fällen durch behördliche Anordnung von den normalen Regeln für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes abzuweichen, ist der alleinigen Verantwortung der Kommission überstellt und befreit die Unternehmen nicht von ihrer Pflicht, unter allen sonstigen Umständen die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu beachten.

3 Setzt die Kommission im Rahmen des EGKS-Vertrags wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln Geldbussen gegen mehrere Unternehmen fest, so ist sie nicht daran gehindert, deren Betrag in Ecu anzugeben, einer in Landeswährung konvertierbaren Währungseinheit. Dies erleichtert es den Unternehmen im übrigen, die Beträge der festgesetzten Geldbussen miteinander zu vergleichen.

Bei der Berechnung der Geldbusse kann die Kommission den Umsatz der einzelnen Unternehmen im Referenzjahr, dem letzten vollständig in den Zeitraum der Zuwiderhandlung fallenden Jahr, zum durchschnittlichen Wechselkurs dieses Jahres in Ecu umrechnen.

Zunächst muß die Kommission bei der Berechnung der Geldbussen gegen Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt werden, normalerweise dieselbe Methode anwenden. Sodann muß sie, um die verschiedenen mitgeteilten Umsätze, die in den jeweiligen Landeswährungen der betreffenden Unternehmen angegeben sind, miteinander vergleichen zu können, diese Zahlen in dieselbe Währungseinheit wie z. B. den Ecu umrechnen, dessen Wert sich nach dem Wert aller Landeswährungen der Mitgliedstaaten richtet.

Im übrigen ermöglicht die Heranziehung des von den einzelnen Unternehmen im Referenzjahr erzielten Umsatzes der Kommission zum einen, die Grösse und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen; dies sind für die Beurteilung der Schwere der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung relevante Gesichtspunkte. Zum anderen kann sie durch die Heranziehung der durchschnittlichen Wechselkurse im Referenzjahr bei der Umrechnung der fraglichen Umsätze in Ecu verhindern, daß etwaige Währungsschwankungen seit der Beendigung der Zuwiderhandlung die Beurteilung der relativen Grösse und Wirtschaftskraft der Unternehmen sowie des Ausmasses der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und damit die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung beeinflussen. Diese muß sich nämlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung beziehen.

Die Methode, die Geldbusse unter Heranziehung des durchschnittlichen Wechselkurses im Referenzjahr zu berechnen, erlaubt es, die zufälligen Auswirkungen von Änderungen des tatsächlichen Wertes der Landeswährungen auszuschließen, die zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr des Erlasses der Entscheidung eintreten können. Diese Methode kann zwar dazu führen, daß ein bestimmtes Unternehmen einen Betrag zahlen muß, der - in Landeswährung - nominal höher oder niedriger ist als der Betrag, der bei Anwendung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hätte gezahlt werden müssen; dies ist jedoch nur die logische Folge der Schwankungen des tatsächlichen Wertes der einzelnen Landeswährungen.

4 Die Beendigung einer vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch ein Unternehmen kann nicht als mildernder Umstand gewertet werden, wenn sie auf das Eingreifen der Kommission zurückzuführen ist.

5 Die Festsetzung einer Geldbusse durch das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang. Im übrigen ist das Gericht nicht an die Berechnungen der Kommission gebunden, sondern hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 11. März 1999. - Empresa Nacional Siderúrgica SA (Ensidesa) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS-Vertrag - Wettbewerb - Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Verbänden von Unternehmen und verabredete Praktiken - Preisfestsetzung - Markaufteilung - Informationsaustauschsysteme. - Rechtssache T-157/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

A - Vorbemerkungen

1 Die vorliegende Klage ist auf die Nichtigerklärung der Entscheidung 94/215/EGKS der Kommission vom 16. Februar 1994 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern (ABl. L 116, S. 1; im folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung) gerichtet, mit der die Kommission die gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag verstossende Beteiligung von 17 europäischen Stahlunternehmen und einem ihrer Wirtschaftsverbände an einer Reihe von Vereinbarungen, Beschlüssen und verabredeten Praktiken zur Festsetzung von Preisen, zur Marktaufteilung und zum Austausch vertraulicher Informationen auf dem Trägermarkt der Gemeinschaft feststellte und gegen vierzehn Unternehmen aus dieser Branche Geldbussen wegen Zuwiderhandlungen zwischen dem 1. Juli 1988 und dem 31. Dezember 1990 festsetzte.

2 Nach der Entscheidung gehört die Klägerin Empresa Nacional Siderúrgica, SA (nachstehend: Ensidesa) zu den führenden Stahlherstellern Spaniens; 99,99 % der Aktien sind im Besitz des Instituto Nacional de Industria, eines Unternehmens des öffentlichen Sektors.

3 Im Jahr 1990 belief sich der konsolidierte Umsatz von Ensidesa auf 1 437 Millionen ECU, davon 12 757,5 Millionen PTA oder umgerechnet - zum 1990 gültigen durchschnittlichen Wechselkurs ECU/PTA - rund 99 Millionen ECU im Trägersektor.

...

D - Die angefochtene Entscheidung

4 Die angefochtene Entscheidung, die der Klägerin am 7. März 1994 zusammen mit einem Begleitschreiben von Herrn Van Miert vom 28. Februar 1994 (im folgenden: Schreiben vom 28. Februar 1994) zuging, enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben in dem in dieser Entscheidung beschriebenen Umfang an den jeweils unter ihrem Namen aufgeführten wettbewerbswidrigen Praktiken teilgenommen, die den normalen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt verhinderten, einschränkten und verfälschten. Soweit Geldbussen festgesetzt werden, ist die Dauer des Verstosses in Monaten angegeben, ausser im Fall der Aufpreisharmonisierung, wo die Teilnahme an dem Verstoß mit "x" angegeben ist.

...

Ensidesa

a) Austausch vertraulicher Informationen im Rahmen der Träger-Kommission (24)

b) Preisfestsetzung in der Träger-Kommission (24)

c) Marktaufteilung, Frankreich(3)

d) Marktaufteilung, British Steel, Ensidesa und Aristrain (8)

e) Harmonisierung von Aufpreisen (x)

...

Artikel 4

Wegen der in Artikel 1 genannten und nach dem 30. Juni 1988 (31. Dezember 1988(2) im Fall von Aristrain und Ensidesa) begangenen Verstösse werden folgende Geldbussen festgesetzt:

...

Empresa Nacional Siderúrgica S.A. 4 000 000 ECU

... Artikel 6

Diese Entscheidung ist an folgende Unternehmen gerichtet:

...

- Empresa Nacional Siderúrgica S.A.

..."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung

...

A - Zur Verletzung von Verfahrensrechten der Klägerin

Zusammenfassung des Vorbringens der Klägerin

5 Die Klägerin macht als erstes unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1992 in den Rechtssachen C-48/90 und C-66/90 (Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnr. 47) geltend, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte dadurch verletzt, daß sie sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht klar und ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß sie der Beteiligung an zwei nach der Entscheidung mit Artikel 65 des Vertrages unvereinbaren Praktiken beschuldigt werde, nämlich an Vereinbarungen über Preisfestsetzungen und der Harmonisierung von Aufpreisen im Rahmen der Träger-Kommission.

6 Bei diesen beiden Beanstandungen habe sich die Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf beschränkt, in dem den Sachverhalt betreffenden Teil eine Zusammenfassung aller Sitzungen der Träger-Kommission (vgl. Nrn. 110 bis 271) und in dem der rechtlichen Würdigung gewidmeten Teil eine Zusammenfassung der beiden Praktiken wiederzugeben (vgl. Nrn. 409 bis 430), ohne in irgendeiner Weise klarzustellen, welchen Unternehmen diese Tatbestände vorgeworfen würden.

7 Insbesondere zur Preisfestsetzung führt die Klägerin aus, die Angaben für den spanischen Markt hätten von einem der beiden anderen spanischen Unternehmen gemacht werden können, an die die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet habe (Unesid und Aristrain). Allein aus der Angabe (in Nr. 425), daß Ensidesa ebenso wie die anderen sechs Unternehmen ein Faxschreiben von British Steel erhalten habe, habe sie nicht darauf schließen können, daß sie insoweit beschuldigt werde.

8 Zur Harmonisierung von Aufpreisen führt die Klägerin insbesondere aus, die Hinweise auf die "Spanier" hätten auch jeden anderen Beschuldigten betreffen können, da ihr Name nur in einem Faxschreiben der Walzstahl-Vereinigung an fünfzehn Unternehmen aufgetaucht sei (vgl. Nr. 264 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

9 Sie sei daher davon ausgegangen, daß diese Vorwürfe sie nicht beträfen, habe dies auch der Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte mitgeteilt und diese für den gegenteiligen Fall um ausdrückliche Nachricht gebeten. Auf diese Anfrage habe sie keine Antwort erhalten, so daß der Beklagten vorzuwerfen sei, daß sie die Unklarheit der Beschuldigung nicht beseitigt oder sie nicht darauf hingewiesen habe, daß sie die Mitteilung der Beschwerdepunkte falsch auslege.

10 Da sie darüber hinaus aufgrund der Mitteilung der Beschwerdepunkte angenommen habe, daß diese beiden Vorwürfe sie nicht beträfen, habe sie kein Hindernis gesehen, der Kommission alles ihr hierzu Bekannte mitzuteilen, wodurch sie sich selbst bezichtigt habe. Wenn sie gewusst hätte, daß die Kommission sie dieser beiden Zuwiderhandlungen beschuldigen wolle, hätte sie diese Vorwürfe bestritten und nicht eingehend über die Beteiligung der spanischen Hersteller an den betreffenden Praktiken berichtet.

11 Die Klägerin macht zweitens unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89 (Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 53) geltend, die Beklagte habe gegen die im Zwölften Bericht über die Wettbewerbspolitik (S. 40 und 41) aufgestellten Regeln verstossen oder zumindest deren praktische Wirksamkeit beseitigt, indem sie der Mitteilung der Beschwerdepunkte lediglich ein durchnumeriertes Verzeichnis der Dokumente einer Akte von 5 766 Seiten ohne jeden Hinweis auf ihren Inhalt oder ihre Herkunft beigefügt habe (vgl. Anlage 5 zur Klageschrift). Ausserdem seien die Dokumente, als sie endlich Einsicht in die Akte habe nehmen können, weder nach irgendeinem Kriterium geordnet, noch nach Vorwürfen gegliedert oder nach einer logischen Ordnung durchnumeriert gewesen. Sie habe die Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgefordert, diese Formfehler zu beheben, habe aber keine Antwort erhalten.

12 Die Klägerin macht drittens geltend, die Beklagte habe ihre Verteidigungsrechte dadurch verletzt, daß sie ihr im Anhang der Mitteilung der Beschwerdepunkte lediglich eine auszugsweise Übersetzung nur der Passagen der 5 766 Dokumente ihrer Akten übermittelt habe, die belastend gewesen seien. Das Protokoll der Anhörung sei mit Ausnahme der Äusserungen der Vertreter von Ensidesa und Aristrain ebenfalls nicht ins Spanische übersetzt worden. Sie habe daher von Anfang an keine umfassende und genaue Kenntnis der Akten erlangen können und sei gezwungen gewesen, Hunderte von Schriftstücken übersetzen zu lassen, um ihre Verteidigung sicherzustellen. Sie habe daher über weniger Zeit verfügt, um ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorzubereiten, was ihre Möglichkeit, sich gegen die gegen sie erhobenen Beschuldigungen zu verteidigen, beeinträchtigt habe. In ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte habe sie gefordert, diesen Formfehler zu beheben, darauf aber keine Antwort erhalten.

Würdigung durch das Gericht

13 Die von der Klägerin beanspruchten Verteidigungsrechte werden im vorliegenden Fall durch Artikel 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag gewährleistet, wonach die Kommission vor der Festsetzung der nach dem Vertrag vorgesehenen finanziellen Sanktionen dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 16. Mai 1984 in der Rechtssache 9/83, Eisen und Metall Aktiengesellschaft/Kommission, Slg. 1984, 2071, Randnr. 32, und vom 12. November 1985 in der Rechtssache 183/83, Krupp/Kommission, Slg. 1985, 3609, Randnr. 7).

14 Bezueglich der Einhaltung dieser Verfahrensgarantie im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, daß die den Betroffenen am 6. Mai 1992 übersandte Mitteilung der Beschwerdepunkte für jeden der Adressaten durch Angabe der Verhaltensweisen und der sie betreffenden Beweise eine persönliche Ausgestaltung erfahren hat.

15 Was insbesondere die Klägerin betrifft, so heisst es in Nummer 32 Buchstabe f der Mitteilung der Beschwerdepunkte: "Ensidesa hat bestätigt, daß sie... an allen [in Nummer 30] aufgeführten Sitzungen [der Träger-Kommission] mit Ausnahme der Sitzungen vom 21. September 1989 und vom 7. November 1989 teilgenommen hat." Ferner enthält Kapitel VIII der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine eingehende Darstellung der Verstösse gegen die Wettbewerbsvorschriften mit Angabe der Beweisstücke, auf die sich die Kommission für jeden der Adressaten gestützt hat. Bei der rechtlichen Würdigung wird Ensidesa in Nummer 399 der Mitteilung der Beschwerdepunkte als eines der Unternehmen bezeichnet, die regelmässig an den Sitzungen der Träger-Kommission teilnahmen und sich an der sie begleitenden Zusammenarbeit beteiligten. In Nummer 401 gibt die Kommission an, daß es "der allgemeine Plan der Parteien war..., sich auf den Treffen über spezifische Angelegenheiten zu einigen, nämlich zu verschiedenen Zeiten über: die Festsetzung von Zielpreisen; die Harmonisierung von Aufpreisen..." Einzelheiten zum Kartell und zu seiner Durchführung sind für diese beiden Zuwiderhandlungen in den Nummern 409 bis 425 bzw. 426 bis 430 der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellt.

16 Demgemäß musste sich die Klägerin, falls nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich etwas Gegenteiliges stand, von allen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Träger-Kommission, wie sie in Kapitel VIII der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingehend dargestellt sind und in Kapitel IX rechtlich gewürdigt werden, zwangsläufig betroffen fühlen; das gilt insbesondere für die Vereinbarungen über die Preisfestsetzung und die Harmonisierung von Aufpreisen, die in dieser Kommission getroffen wurden.

17 Die Klägerin war folglich in der Lage, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen innerhalb der ihr gesetzten Frist schriftlich Stellung zu nehmen. Ihre Rüge, die Kommission habe auf die in der Stellungnahme ausgesprochene Bitte um Klarstellung nicht geantwortet, ist daher als ungerechtfertigt zurückzuweisen, zumal die Klägerin in ihrem Schreiben vom 4. Juni 1992, in dem eine Verlängerung der für die Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzten Frist erbeten wurde (Anlage 13 zur Klageschrift), nicht von einer fehlenden Klarheit der Beschuldigung gesprochen hat.

18 Da die Beschwerdepunkte der Kommission der Klägerin somit in eindeutiger Form mitgeteilt worden waren, ist sie auch nicht in unkorrekter Weise veranlasst worden, sich in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte - die im übrigen, worauf die Kommission hinweist, freiwilligen Charakter hat - selbst zu belasten.

19 Das Gericht stellt ferner fest, daß die Kommission der Mitteilung der Beschwerdepunkte zum einen eine Kopie der Schriftstücke, die sie dem jeweiligen betroffenen Unternehmen konkret vorhielt (Anhang 3 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), und zum anderen ein Verzeichnis sämtlicher Schriftstücke der in dieser Sache angelegten Akten ("Liste der Schriftstücke", Anhang 2 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) beigefügt hat. Neben dem Datum der einzelnen Schriftstücke und ihrer sehr kurzen Kennzeichnung ordnete diese Liste die Schriftstücke nach ihrer Natur zwölf bezifferten Rubriken zu und gab den Grad der Zugänglichkeit für jedes der betroffenen Unternehmen an. Ausserdem hat die Kommission die Unternehmen aufgefordert, sämtliche zugänglichen Schriftstücke in ihren Diensträumen einzusehen.

20 Somit hat sich die Kommission in der vorliegenden Rechtssache an das in ihrem Zwölften Bericht über die Wettbewerbspolitik (S. 40 und 41) beschriebene Verfahren der Akteneinsicht gehalten, wie es in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts im Rahmen des EG-Vertrags Billigung gefunden hat (vgl. Urteile des Gerichts Hercules Chemicals/Kommission, Randnrn. 53 und 54, vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 38, vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, Randnrn. 29 bis 33, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnrn. 12 bis 33, und Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775, Randnrn. 77 bis 104).

21 Das Gericht hat sich ferner davon überzeugen können, daß alle Schriftstücke der ihm von der Kommission gemäß Artikel 23 übermittelten Akten, die die Klägerin betrafen, in Anlage 2 der Mitteilung der Beschwerdepunkte als "zugänglich" oder, soweit es sich um eine geringe Anzahl interner Dokumente von British Steel handelte, als für die Klägerin "teilweise zugänglich" eingestuft waren. Bezueglich der letztgenannten Gruppe hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt, daß die Vorwürfe ausschließlich auf Auszuege dieser Schriftstücke gestützt sind, die ihr zugänglich gemacht worden sind.

22 Es steht ferner fest, daß die Klägerin Akteneinsicht nach den im Schreiben der Kommission vom 6. Mai 1992 genannten Modalitäten erhalten hat. Sie hat somit Kopien sämtlicher von der Kommission als "zugänglich" oder "teilweise zugänglich" eingestuften Schriftstücke erhalten können.

23 Ausserdem hat die Klägerin vor dem Gericht nicht näher dargelegt, inwieweit die Präsentierung der in Anhang 2 der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgeführten Schriftstücke es ihr verwehrt haben sollte, die betreffenden Dokumente bei ihrer Akteneinsicht aufzufinden, zumal diese Dokumente die gleiche Numerierung aufwiesen.

24 Was die Rüge gegenüber der Kommission betrifft, diese habe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte wie auch in der Entscheidung belastende Dokumente nur mit ihrem Datum bezeichnet, ohne zugleich die Nummer anzugeben, die sie in den Akten der Kommission trugen, so erschwert zwar ein solches System die Bestimmung der betreffenden Dokumente sowohl für die Parteien als auch für das Gericht, vor allem in einer Rechtssache, in der wie vorliegend Tausende von Schriftstücken zusammengetragen wurden; einer geordneten Verwaltungspraxis entspräche es eher, wenn die Kommission unter solchen Umständen die von ihr angeführten Dokumente nicht nur mit ihrem Datum, sondern auch mit ihrer Numerierung in den Akten bezeichnen würde.

25 Indessen kann der Umstand, daß in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung ein Hinweis auf die Numerierung der Dokumente, wie sie die Kommission bei der Anlegung ihrer Akten durchgeführt hat, fehlt, im vorliegenden Fall nicht zu einer Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte der Klägerin geführt haben, weil diese allein durch die Angabe des Datums in der Lage war, sowohl in der Liste in Anhang 2 der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in den Akten der Kommission die betreffenden Schriftstücke zu bestimmen.

26 Was schließlich die fehlende spanische Übersetzung bestimmter Schriftstücke betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß von der Kommission nicht verlangt werden kann, mehr als die Dokumente zu übersetzen, auf denen ihre Beschwerdepunkte beruhen. Diese letztgenannten Dokumente sind als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt, und sind daher dem Empfänger so, wie sie sind, zu übermitteln, so daß er ihre Auslegung durch die Kommission, auf die diese sowohl ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch ihre Entscheidung gestützt hat, in Erfahrung bringen kann. Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß Anhang 1 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Übersetzung aller Auszuege von Dokumenten enthielt, die in dieser Mitteilung in der Originalsprache zitiert wurden. Nach Auffassung des Gerichts konnte die Klägerin bei dieser Vorgehensweise genau erkennen, auf welchen Sachverhalt und auf welche rechtlichen Argumente sich die Kommission gestützt hatte, und damit ihre Rechte angemessen verteidigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 21).

27 Unter diesen Umständen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß sie während des Verwaltungsverfahrens nicht in der Lage gewesen wäre, ihren Standpunkt zu den ihr in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgehaltenen Schriftstücken angemessen zur Kenntnis zu bringen.

28 Was das Protokoll der Anhörung betrifft, so ist dem Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92 (Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnrn. 72 bis 75) zu entnehmen, daß nach Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268), wonach über die wesentlichen Erklärungen jeder angehörten Person eine Niederschrift angefertigt wird, die verlesen und genehmigt wird, die Kommission verpflichtet ist, den Parteien eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen, damit sie prüfen können, ob ihre eigenen Erklärungen richtig wiedergegeben sind; die Kommission ist aber, wenn die Niederschrift, weil verschiedene Beteiligte sich verschiedener Sprachen bedient haben, selbst in mehreren Sprachen abgefasst ist, keineswegs verpflichtet, für eine Übersetzung der Erklärungen der anderen Parteien zu sorgen. Nach Auffassung des Gerichts haben die gleichen Grundsätze im vorliegenden Fall zu gelten.

29 Die Klägerin behauptet auch nicht, daß die Niederschrift mangels Übersetzung der in einer anderen Sprache als dem Spanischen abgefassten Teile in bezug auf sie wesentliche Ungenauigkeiten oder Auslassungen aufweise, durch deren nachteilige Auswirkungen das Verwaltungsverfahren fehlerhaft geworden wäre (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 52).

30 Nach alledem ist diese Rüge insgesamt zurückzuweisen.

...

C - Zum Verstoß gegen Artikel 65 § 1 des Vertrages

...

Zur Festsetzung von Preisen (Zielpreisen) in der Träger-Kommission

1. Tatsächliche Feststellungen

31 Die Kommission wirft der Klägerin in Artikel 1 der Entscheidung vor, an einer Zuwiderhandlung in Form der Festsetzung von Preisen in der Träger-Kommission teilgenommen zu haben. Der für die Geldbusse herangezogene Zeitraum beträgt 24 Monate und erstreckt sich vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1990 (vgl. Randnrn. 80 bis 121, 223 bis 243, 311, 313, 314 und Artikel 1 der Entscheidung). Zwar wird insoweit in Artikel 4 der Entscheidung in ihrer französischen und spanischen Fassung die Geldbusse gegen die Klägerin für ihre Verstösse "nach dem 31. Dezember 1989" verhängt. Sowohl aus der deutschen und der englischen Fassung des Artikels 4 als auch aus der für die Auslegung ihres verfügenden Teils maßgebenden Begründung der Entscheidung (vgl. die Randnrn. 313 und 314 zu den Auswirkungen der in der Beitrittsakte für Spanien vorgesehenen Übergangszeit sowie Artikel 1, wonach Ensidesa während eines Zeitraums von 24 Monaten an der Zuwiderhandlung in Form der Preisfestsetzung in der Träger-Kommission beteiligt war) folgt indessen, daß es sich bei der Nennung dieses Datums anstatt des 31. Dezember 1988 um einen blossen Schreibfehler handelt, der keinen Einfluß auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung gehabt hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-30/93, AC-ATEL Electronics, Slg. 1994, I-2305, Randnrn. 21 bis 24).

...

E - Zur besonderen Wettbewerbslage der spanischen Stahlhersteller bis zum 31. Dezember 1992

Zusammenfassung des Vorbringens der Klägerin

32 Die Klägerin erinnert daran, daß für die spanische Eisen- und Stahlindustrie beim Beitritt Spaniens zur EGKS im Jahre 1986 aufgrund des Artikels 52 der Beitrittsakte und des Artikels 6 des dieser Akte beigefügten Protokolls Nr. 10 eine Ausfuhrquotenregelung festgelegt worden sei. In Randnummer 313 der Entscheidung habe die Kommission namentlich eingeräumt, daß wegen dieser Vorschriften die Möglichkeit von Ensidesa, in die anderen Mitgliedstaaten zu verkaufen, eindeutig eingeschränkt gewesen sei; deshalb sei gegen dieses Unternehmen keine Geldbusse für ihre Mitwirkung an den Verstössen bis zum 31. Dezember 1988, dem Zeitpunkt der Beendigung der Übergangsmaßnahmen, festgesetzt worden.

33 Die Klägerin macht indessen geltend, daß die spanische Eisen- und Stahlindustrie erst nach dem 31. Dezember 1992 voll in die EGKS integriert worden sei und daher erst dann unter gleichen Bedingungen mit den Gemeinschaftsherstellern in Wettbewerb habe treten können, weil gemäß Artikel 379 der Beitrittsakte die Mitgliedstaaten - und aus Gründen der Gegenseitigkeit Spanien - bis zu diesem Zeitpunkt Schutzmaßnahmen hätten anwenden können, um die Situation einer abrupten Zunahme der Handelsströme, die erhebliche Schwierigkeiten bereiten könne, wieder auszugleichen. Die Klägerin habe bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gewusst, was das System des freien Wettbewerbs nach dem EGKS-Vertrag bedeute. Sie wirft der Kommission insbesondere vor, ihr Verhalten nicht unter diesem Blickwinkel untersucht zu haben.

34 Sie rügt weiter, die Kommission habe nicht berücksichtigt, daß zu dem Zeitpunkt, als die Ausfuhren in die EGKS-Märkte vom 1. Januar 1989 an keinen mengenmässigen Beschränkungen mehr unterlegen hätten, die Praktiken der Mitglieder der Träger-Kommission schon seit vielen Jahren bestanden hätten, so daß die spanischen Hersteller die Spielregeln so hätten hinnehmen müssen, wie sie damals gegolten hätten.

Würdigung durch das Gericht

35 Artikel 379 der Beitrittsakte bestimmt:

"(1) Bis zum 31. Dezember 1992 kann ein neuer Mitgliedstaat bei Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen oder welche die wirtschaftliche Lage eines bestimmten Gebiets beträchtlich verschlechtern können, die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen beantragen, um die Lage wieder auszugleichen und den betreffenden Wirtschaftszweig an die Wirtschaft des Gemeinsamen Marktes anzupassen.

Unter den gleichen Bedingungen kann ein derzeitiger Mitgliedstaat die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen gegenüber einem oder beiden neuen Mitgliedstaaten beantragen.

...

(2) Auf Antrag des betreffenden Staates bestimmt die Kommission in einem Dringlichkeitsverfahren die ihres Erachtens erforderlichen Schutzmaßnahmen und legt gleichzeitig die Bedingungen und Einzelheiten ihrer Anwendung fest.

...

(3) Die nach Absatz 2 genehmigten Maßnahmen können von den Vorschriften des EWG-Vertrags, des EGKS-Vertrags und dieser Akte abweichen, soweit und solange dies unbedingt erforderlich ist, um die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen. Es sind mit Vorrang solche Maßnahmen zu wählen, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes am wenigsten stören."

36 Ganz offensichtlich kann die blosse Möglichkeit der Anwendung von Schutzmaßnahmen nach dieser Bestimmung, die für alle Wirtschaftszweige gilt und voraussetzt, daß der Kommission, die auf Antrag eines Mitgliedstaats tätig wird, ein weiter Ermessensspielraum zusteht, nicht die Beteiligung eines Unternehmens an Vereinbarungen und verabredeten Praktiken rechtfertigen, die gegen Artikel 65 § 1 des Vertrages verstossen. Die Möglichkeit, in bestimmten abgegrenzten Fällen durch behördliche Anordnung von den normalen Regeln für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes abzuweichen, ist der alleinigen Verantwortung der Kommission überstellt und befreit die Unternehmen nicht von ihrer Pflicht, unter allen sonstigen Umständen die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu beachten.

37 Das Gericht weist im übrigen darauf hin, daß die Teilnahme der Klägerin an den ihr angelasteten Zuwiderhandlungen auch dann nicht erforderlich war, wenn sie, wie sie vorgibt, ein Verhalten an den Tag legen wollte, das die Anordnung von Schutzmaßnahmen gegenüber spanischen Stahlausfuhren in die übrigen EGKS-Märkte verhindern sollte. In diesem Fall hätte sie nämlich nur von sich aus den Umfang ihrer Ausfuhren auf einem Niveau festlegen müssen, mit dem sich die Anwendung solcher Maßnahmen hätte vermeiden lassen.

38 Das Vorbringen der Klägerin, sie habe die im Rahmen der Träger-Kommission festgelegten "Spielregeln" hinnehmen müssen, ist aus den gleichen Gründen zurückzuweisen, wie sie im wesentlichen in den Randnummern 363 und 364 dieses Urteils bereits dargelegt wurden.

Zum Hilfsantrag, mit dem die Nichtigerklärung von Artikel 4 der Entscheidung oder zumindest die Herabsetzung der Geldbusse begehrt wird

...

B - Zur fehlenden Berücksichtigung der Abwertung der Peseta und zur Wahl des Bezugsjahres

Vorbringen der Klägerin

39 Die Klägerin legt dar, die Kommission habe rechtswidrig den Betrag der Geldbusse anhand ihres Umsatzes bei Trägern im Jahr 1990 berechnet, den sie zu dem 1990 geltenden Wechselkurs ECU/PTA (1 ECU = 129,43 PTA) und nicht zu dem am Vortag ihrer Entscheidung geltenden Wechselkurs (1 ECU = 158,243 PTA) umgerechnet habe.

40 Artikel 65 § 5 des Vertrages lege, wenn er die Kommission zur Verhängung von Geldbussen ermächtige, als Berechnungsgrundlage den Umsatz fest, der "in den Erzeugnissen erzielt worden ist, die Gegenstand der Vereinbarung... waren". Im Fall von Ensidesa sei dieser Umsatz in PTA erzielt worden und folglich habe die Kommission den Betrag der Geldbusse in dieser Währung berechnen müssen, wobei es ihr freigestanden habe, diesen zum amtlichen Wechselkurs am Vortag ihrer Entscheidung in Ecu umzurechnen.

41 Die Klägerin beruft sich für diese Auffassung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1977 in den Rechtssachen 41/73, 43/73 und 44/73 - Auslegung -, Société anonyme Générale sucrière u. a./Kommission, Slg. 1977, 445, Randnr. 13), in dem der Gerichtshof ausgeführt habe, daß die Geldbusse zwar in Ecu ausgedrückt werden könne, aber "auf der Grundlage des Umsatzes des betroffenen Unternehmens..., der nur in einer Landeswährung ausgedrückt werden kann", berechnet werden müsse. Diese im Rahmen des EG-Vertrags aufgestellte Regel gelte erst recht im Bereich des EGKS-Vertrags, der im Gegensatz zur Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in keiner seiner Bestimmungen von in Ecu ausgedrückten Geldbussen spreche.

42 Der Grundsatz der Gleichbehandlung, den die Kommission heranziehe, um ihre Vorgehensweise zu rechtfertigen, zwinge keineswegs zu einer Umrechnung des Umsatzes in Ecu. Wenn eine Geldbusse in Form eines Prozentsatzes vom Umsatz festgelegt werde, könne der Vergleich, den die Kommission unter Berufung auf diesen Grundsatz anstellen wolle, auf jeden Fall durchgeführt werden. Unabhängig davon, ob der einmal festgesetzte Betrag der Geldbusse in Ecu umgerechnet werde oder nicht, sei es überfluessig und rechtswidrig, den Umsatz in Ecu umzurechnen.

43 Lege man vorläufig 1990 als das maßgebende Jahr zugrunde, so belaufe sich der Umsatz, anhand dessen die Geldbusse berechnet worden sei, auf den von Ensidesa erklärten und in der Entscheidung übernommenen Betrag von 12 758 Millionen PTA. Sollte das Gericht das übrige Vorbringen der Klägerin zurückweisen und den in der Entscheidung angewandten Faktor von 4 % billigen, so müsste die Geldbusse auf 510 320 000 PTA festgesetzt werden. Die zum amtlichen Wechselkurs am Vortag der Entscheidung umgerechnete Geldbusse müsste somit 3 200 000 ECU und nicht, wie in der Entscheidung festgesetzt, 4 000 000 ECU betragen.

44 Die Klägerin meint allerdings, die Kommission hätte als maßgeblichen Umsatz für die Berechnung der Geldbussen den des Geschäftsjahres vor Erlaß der Entscheidung heranziehen müssen, für das sie über konsolidierte Zahlen verfügt habe, d. h. in ihrem Fall 1992, und nicht den auf das letzte Jahr der Zuwiderhandlung, d. h. 1990, entfallenden Umsatz. Nach dieser Methode und der von ihr allgemein vorgeschlagenen Regel für die Berechnung von Geldbussen müsse die Geldbusse 389 560 000 PTA (4 % des Umsatzes von 1992 in Höhe von 9 739 000 000 PTA) oder nach Umrechnung in Ecu zum Wechselkurs am Vortag der Entscheidung 2 460 000 ECU betragen.

45 Die Klägerin beruft sich für ihr Vorbringen auf die Fassung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der mit dem "letzten Geschäftsjahr" das dem Erlaß der Entscheidung vorangehende Jahr meine (vgl. Schlussanträge von Sir Gordon Slynn zum Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, 1914, 1951), sowie auf die einhellige Lehrmeinung und die Praxis der Kommission selbst im Rahmen des EG-Vertrags. Obwohl die Verordnung Nr. 17 im Rahmen des EGKS-Vertrags nicht gelte, müssten vorliegend die gleichen Grundsätze zur Anwendung gelangen, weil Artikel 65 § 5 dies nicht untersage, zumal die Kommission in ihrem XX. Bericht über die Wettbewerbspolitik erklärt habe, daß die Zeit gekommen sei, die Wettbewerbsregeln beider Verträge soweit wie möglich einander anzupassen.

Würdigung durch das Gericht

46 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission nicht daran gehindert ist, die Geldbusse in Ecu anzugeben, einer in Landeswährung konvertierbaren Währungseinheit. Dies erleichtert es den Unternehmen im übrigen, die Beträge der festgesetzten Geldbussen miteinander zu vergleichen. Ausserdem unterscheidet die Umrechungsmöglichkeit des Ecu in Landeswährung diese Währungseinheit von der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erwähnten "Rechnungseinheit", bei der nach der ausdrücklichen Feststellung des Gerichtshofes der Betrag der Geldbusse zwangsläufig in Landeswährung bestimmt werden musste, da sie keine Währung ist, in der Zahlungen vorgenommen werden können (vgl. Urteil Société anonyme Générale sucrière u. a./Kommission, Randnr. 15).

47 Den Einwänden der Klägerin, die die Rechtmässigkeit der Methode der Kommission bezweifelt, den Umsatz der Unternehmen im Referenzjahr zum durchschnittlichen Wechselkurs dieses Jahres (1990) in Ecu umzurechnen, ist nicht zu folgen, wie das Gericht bereits im Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-334/94, Sarrió/Kommission, Slg. 1998, II-1439, Randnrn. 394 ff.) entschieden hat.

48 Zunächst muß die Kommission bei der Berechnung der Geldbussen gegen Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt werden, normalerweise dieselbe Methode anwenden (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 122).

49 Sodann muß sie, um die verschiedenen mitgeteilten Umsätze, die in den jeweiligen Landeswährungen der betreffenden Unternehmen angegeben sind, miteinander vergleichen zu können, diese Zahlen in dieselbe Währungseinheit umrechnen. Da sich der Wert des Ecu nach dem Wert aller Landeswährungen der Mitgliedstaaten richtet, hat die Kommission die Umsätze der einzelnen Unternehmen zu Recht in Ecu umgerechnet.

50 Sie hat sich auch zu Recht auf den Umsatz im Referenzjahr (1990) gestützt und diesen Umsatz auf der Grundlage der durchschnittlichen Wechselkurse dieses Jahres in Ecu umgerechnet. Zum einen hat es ihr die Heranziehung des von den einzelnen Unternehmen im Referenzjahr - dem letzten vollständig in den Zeitraum der Zuwiderhandlung fallenden Jahr - erzielten Umsatzes ermöglicht, die Grösse und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen; dies sind für die Beurteilung der Schwere der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung relevante Gesichtspunkte (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121). Zum anderen konnte sie durch die Heranziehung der durchschnittlichen Wechselkurse im gewählten Referenzjahr bei der Umrechnung der fraglichen Umsätze in Ecu verhindern, daß etwaige Währungsschwankungen seit der Beendigung der Zuwiderhandlung die Beurteilung der relativen Grösse und Wirtschaftskraft der Unternehmen sowie des Ausmasses der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und damit die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlung beeinflussen. Die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung muß sich nämlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage zur Zeit ihrer Begehung beziehen.

51 Folglich kann dem Vorbringen, daß der Umsatz im Referenzjahr auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Wechselkurses in Ecu hätte umgerechnet werden müssen, nicht gefolgt werden. Die Methode, die Geldbusse unter Heranziehung des durchschnittlichen Wechselkurses im Referenzjahr zu berechnen, erlaubt es, die zufälligen Auswirkungen von Änderungen des tatsächlichen Wertes der Landeswährungen auszuschließen, die zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr des Erlasses der Entscheidung eintreten können und im vorliegenden Fall auch eingetreten sind. Diese Methode kann zwar dazu führen, daß ein bestimmtes Unternehmen einen Betrag zahlen muß, der - in Landeswährung - nominal höher oder niedriger ist als der Betrag, der bei Anwendung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hätte gezahlt werden müssen; dies ist jedoch nur die logische Folge der Schwankungen des tatsächlichen Wertes der einzelnen Landeswährungen.

52 Hinzu kommt, daß mehrere Adressaten der Entscheidung im allgemeinen über örtliche Vertretungen in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind. Sie arbeiten folglich mit mehreren Landeswährungen. Werden mit einer Entscheidung der in Rede stehenden Art Verstösse gegen Artikel 65 § 1 des Vertrages geahndet, und sind die Adressaten der Entscheidung im allgemeinen in mehreren Mitgliedstaaten tätig, so besteht der zum durchschnittlichen Wechselkurs des Referenzjahres in Ecu umgerechnete Umsatz dieses Jahres aus der Summe der Umsätze in allen Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist. Er trägt somit der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der betreffenden Unternehmen im Referenzjahr voll und ganz Rechnung.

53 Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

C - Zur Unverhältnismässigkeit der Geldbusse

...

Würdigung durch das Gericht

54 In Artikel 65 § 5 des Vertrages heisst es:

"Gegen Unternehmen, die eine nichtige Vereinbarung getroffen oder... eine Vereinbarung oder einen nichtigen Beschluß... angewendet oder anzuwenden versucht haben... oder zu den Bestimmungen des § 1 im Widerspruch stehende Praktiken anwenden, kann die Kommission Geldbussen und Zwangsgelder festsetzen; der Hoechstbetrag dieser Geldbussen und Zwangsgelder darf das Doppelte des Umsatzes nicht überschreiten, der in den Erzeugnissen erzielt worden ist, die Gegenstand der Vereinbarung, des Beschlusses oder der Praktiken waren, die zu den Bestimmungen dieses Artikels im Widerspruch stehen; war eine Beschränkung der Produktion, der technischen Entwicklung oder der Investitionen beabsichtigt, so wird dieser Hoechstbetrag bis auf höchstens 10 v. H. des Jahresumsatzes der betreffenden Unternehmen erhöht, soweit es sich um die Geldbusse handelt, und bis auf höchstens 20 v. H. des Tagesumsatzes, soweit es sich um die Zwangsgelder handelt."

Zu den einzelnen Argumenten der Klägerin

55 Aus den bereits dargelegten Gründen ist davon auszugehen, daß die Kommission Natur, Ausmaß, Bedeutung und - vorbehaltlich dessen, was hierzu noch auszuführen sein wird - auch die Dauer der Beteiligung der Klägerin an den ihr in der Entscheidung angelasteten Zuwiderhandlungen zutreffend beurteilt hat.

56 Das Gericht hat demgemäß für den der Klägerin angelasteten Zeitraum der Zuwiderhandlung ihre Teilnahme an 26 der insgesamt 28 Sitzungen der Träger-Kommission festgestellt, deren wettbewerbswidriger Zweck von der Kommission nachgewiesen wurde, insbesondere ihre Beteiligung an zwei Arten von Verstössen, die in Randnummer 300 der Entscheidung als "schwere Verstösse, die die Festsetzung hoher Geldbussen rechtfertigen", eingestuft wurden, nämlich an Preisfestsetzung und Marktaufteilung. Diese Einstufung ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Zuwiderhandlungen dieser Art sind in der Tat unzweifelhaft schwer und werden im übrigen in Artikel 65 § 1 des Vertrages ausdrücklich genannt.

57 Das Gericht hat ferner in den Randnummern 449 bis 451 dieses Urteils festgestellt, daß die in Artikel 379 der Beitrittsakte aufgenommene Schutzklausel in keinem Fall die Beteiligung der Klägerin an nach Artikel 65 § 1 des Vertrages untersagten Vereinbarungen und verabredeten Praktiken rechtfertigen konnte.

58 Zur günstigeren Behandlung von Acerinox in der Sache nichtrostender Flachstahl ist darauf hinzuweisen, daß sie insbesondere deshalb gerechtfertigt war, weil dieses Unternehmen "von seinen Gemeinschaftspartnern die Zusicherung verlangt und erhalten hatte, daß es kein Problem gebe". Die Klägerin hat nicht bewiesen, daß es im vorliegenden Fall genauso war.

59 Das Gericht hat im übrigen festgestellt, daß der Klägerin die Rechtswidrigkeit ihrer Verhaltensweisen zumindest ab dem 30. Juni 1988 nicht verborgen geblieben sein konnte.

60 Insoweit ist nochmals darauf hinzuweisen, daß Verstösse in Form von Vereinbarungen über Preisfestsetzung und Marktaufteilung wie die, an denen eine Beteiligung der Klägerin ordnungsgemäß nachgewiesen wurde, in Artikel 65 § 1 des Vertrages ausdrücklich genannt werden und daher offensichtlich sind.

61 Zum Austausch vertraulicher Informationen ergibt sich aus der Würdigung des Gerichts (siehe oben, Randnr. 354), daß sie ein ähnliches Ziel hatten wie eine Marktaufteilung anhand der traditionellen Handelsströme. Die Klägerin konnte nicht ernsthaft glauben, daß ein solcher Austausch nicht unter Artikel 65 § 1 des Vertrages fiel. Daß die Mitglieder der Träger-Kommission von dessen Rechtswidrigkeit wussten, kann vielmehr aus dem doppelten Monitoring-System im Rahmen von Eurofer geschlossen werden, dessen einer Teil, der zusammengefasste Daten betraf, der GD III und der GD IV unaufgefordert übermittelt wurde, während der andere Teil, der sich auf individualisierte Angaben erstreckte, auf die beteiligten Unternehmen beschränkt blieb, zu denen auch die Klägerin gehörte (siehe oben, Randnrn. 427 ff.).

62 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß es ein an einer Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen nicht entlastet, wenn es keine besonders aktive Rolle gespielt oder nicht als Anstifter gewirkt hat (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und 36/78 bis 82/78, BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435, Randnrn. 49 ff., und vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 18).

63 Für den angeblichen Zwang, der von den anderen Unternehmen des Sektors auf die Klägerin ausgeuebt worden sein soll, und ihren erzwungenen Eintritt in die Träger-Kommission hat die Klägerin keinen Beweis erbracht (siehe oben, Randnr. 364).

64 Zur angeblichen Kooperation der Klägerin mit der Kommission während des Verwaltungsverfahrens ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Klägerin in ihrer Antwort vom 23. August 1991 auf ein Auskunftsverlangen nach Artikel 47 des Vertrages erklärt hat, sie besitze keine Listen mit den Teilnehmern an den Sitzungen der Träger-Kommission und auch keine Protokolle oder Berichte über diese Sitzungen; es ist aber aktenkundig, daß sie regelmässig solche Schriftstücke erhielt.

65 Diese angebliche Kooperation wird ausserdem offensichtlich durch die Schriftsätze der Klägerin widerlegt. In Nummer 6 ihrer Erwiderung (vgl. auch Nr. 13 der Klageschrift) erklärt die Klägerin nämlich: "Wenn Ensidesa gewusst hätte, daß die Kommission sie dieser beiden Zuwiderhandlungen [Preisfestsetzung und Harmonisierung von Aufpreisen] beschuldigen wolle, hätte sie diese Vorwürfe bestritten und der Kommission nicht eingehend über die Beteiligung der spanischen Hersteller an den betreffenden Praktiken berichtet..." Folglich hat die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte von sich aus die Richtigkeit der ihr von der Kommission angelasteten Tatsachen nur soweit eingeräumt, als sie sich selbst nicht von ihnen betroffen glaubte.

66 Die Kommission hat zu Recht die Ansicht vertreten, daß sich die Klägerin mit dieser Erwiderung nicht in einer Weise verhalten habe, die eine Herabsetzung der Geldbusse aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens rechtfertige.

67 Schließlich ist die im Anschluß an die Mitteilung der Beschwerdepunkte getroffene Entscheidung der Klägerin, nicht mehr an den Sitzungen der Träger-Kommission teilzunehmen, ohne Bedeutung für die Beurteilung früherer Verhaltensweisen, vor allem, wenn diese der Kommission verheimlicht wurden. Auf jeden Fall kann die Beendigung einer vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlung nicht als mildernder Umstand gewertet werden, wenn sie auf das Eingreifen der Kommission zurückzuführen ist.

68 Demgemäß ist das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit der Schutzklausel des Artikels 379 der Beitrittsakte, der Lage von Acerinox in der Sache nichtrostender Flachstahl, der angeblich geringen und erzwungenen Rolle der Klägerin bei den Praktiken im Rahmen der Träger-Kommission und mit ihrer kooperativen Haltung gegenüber den Dienststellen der Kommission insgesamt zurückzuweisen.

69 Bei der Dauer der Zuwiderhandlung ist aus den oben in Randnummer 155 dargelegten Gründen das Versehen in der spanischen und französischen Fassung des Artikels 4 der Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Folglich beträgt der von der Kommission bei der Festsetzung der Geldbusse berücksichtigte Zeitraum bei den spanischen Herstellern 24 Monate vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1990, während er bei den anderen Herstellern normalerweise 30 Monate vom 1. Juli 1988 bis zum 31. Dezember 1990 umfasst.

70 Nach den eingehenden Erläuterungen der Kommission im Lauf des Verfahrens hat diese die Geldbussen insbesondere nach der Dauer jeder einzelnen Zuwiderhandlung differenziert, soweit es nicht um die Vereinbarungen über die Harmonisierung von Aufpreisen ging. Die Kommission hat damit die geringere Dauer der Beteiligung der spanischen Hersteller an den Vereinbarungen über die Festsetzung von Zielpreisen und den Austausch vertraulicher Informationen in der Träger-Kommission gebührend berücksichtigt, da sich der Betrag der insoweit gegen sie verhängten Geldbusse auf 80 % (24/30) des Betrages der Geldbusse beläuft, die gegen sie hätte festgesetzt werden müssen, wenn sie wie die Mehrzahl der anderen Hersteller an diesen Verstössen seit dem 1. Juli 1988 beteiligt gewesen wäre.

71 Die Beklagte hat ferner in Randnummer 252 der Entscheidung festgestellt, daß "[a]us den in Randnummer 313 dargelegten Gründen... in dieser Entscheidung Ensidesa und Aristrain für ihre Beteiligung an der Vereinbarung vom 15. November 1988 nicht zur Verantwortung gezogen [werden]". Dagegen ist die Beteiligung der Klägerin an den vier übrigen Vereinbarungen über Aufpreisharmonisierung zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 31. Dezember 1990 nachgewiesen. Die Kommission hat jedoch diese geringere Beteiligung der Klägerin an den Vereinbarungen bei der Berechnung des Betrages der insoweit gegen sie zu verhängenden Geldbusse offenbar nicht berücksichtigt, da diese für alle betroffenen Unternehmen pauschal auf 0,5 % des maßgeblichen Umsatzes festgesetzt wurde (vorbehaltlich einer anderen Herabsetzung von 10 % für Aristrain und Ensidesa wegen fehlender Harmonisierung von Aufpreisen in Spanien, vgl. oben, Randnr. 277).

72 Infolgedessen ist nach Auffassung des Gerichts im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Betrag der gegen die Klägerin wegen ihrer Teilnahme an Vereinbarungen über Aufpreisharmonisierung verhängten Geldbusse um 20 % herabzusetzen.

73 Im übrigen ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission die geringere Dauer der den spanischen Herstellern angelasteten Zuwiderhandlungen gebührend berücksichtigt hat.

...

Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht

74 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß weder in Artikel 1 der Entscheidung noch in der ersten Tabelle in Randnummer 314 der Entscheidung, in der die verschiedenen Vereinbarungen über Preisfestsetzungen zusammengestellt sind, eine Beteiligung der Klägerin an der Preisfestsetzung auf dem spanischen Markt erwähnt wird. Nach den eingehenden Erläuterungen der Kommission im Lauf des Verfahrens ist aber gegen die Klägerin wegen einer solchen Zuwiderhandlung eine Geldbusse in Höhe von 79 200 ECU verhängt worden. Der Kommission zufolge, die auf die Randnummern 174 und 276 der Entscheidung verweist, sind diese Punkte offenbar infolge eines Versehens in Randnummer 314 und Artikel 1 der Entscheidung nicht berücksichtigt worden.

75 Da im verfügenden Teil der Entscheidung eine Beteiligung der Klägerin an dieser Zuwiderhandlung nicht festgestellt wird, hat sie bei der Berechnung der Geldbusse ausser Betracht zu bleiben. Diese ist daher nach der von der Kommission angewandten Berechnungsmethode um 79 200 ECU herabzusetzen.

76 Aus den in Randnummer 502 dargelegten Gründen ist ferner der Betrag der gegen die Klägerin wegen ihrer Teilnahme an Vereinbarungen über Aufpreisharmonisierung verhängten Geldbusse um 20 % herabzusetzen. Diese ist daher unter Berücksichtigung des den spanischen Herstellern zugebilligten mildernden Umstands nach der von der Kommission angewandten Methode um 89 100 ECU herabzusetzen.

77 Schließlich ist der Gesamtbetrag der wegen der Vereinbarungen und verabredeten Praktiken zur Preisfestsetzung verhängten Geldbusse aus den oben dargelegten Gründen (Randnrn. 512 ff.)(3) um 15 % herabzusetzen, weil die Kommission die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlungen in gewissem Umfang überbewertet hat. Unter Berücksichtigung der bereits angesprochenen Abschläge in bezug auf die angebliche Preisabsprache auf dem spanischen Markt und die Vereinbarungen über die Harmonisierung von Aufpreisen führt dies nach der von der Kommission angewandten Berechnungsmethode zu einer Verringerung um 350 460 ECU.

78 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission der Klägerin nicht die verabredete Praktik der Festsetzung der Preise für das Vereinigte Königreich im zweiten Quartal 1990 angelastet hat, während ein solcher Verstoß zu Lasten bestimmter anderer Unternehmen festgestellt worden ist (siehe oben, Randnr. 204). Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht die Dauer des Verstosses in Form einer Preisfestsetzung in der Träger-Kommission berührt, die der Klägerin in Artikel 1 der Entscheidung vorgeworfen wird, vermag er doch die Schwere der Beteiligung der Klägerin an diesem Verstoß im Vergleich zu der anderer betroffener Unternehmen abzuschwächen. Das Gericht ist daher im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, daß die Geldbusse nach der von der Kommission angewandten Methode um 125 000 ECU herabzusetzen ist.

79 Die Festsetzung einer Geldbusse durch das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang. Im übrigen ist das Gericht nicht an die Berechnungen der Kommission gebunden, sondern hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen.

80 Die allgemeine Vorgehensweise der Kommission bei der Ermittlung des Niveaus der Geldbussen ist nach den Umständen des vorliegenden Falles gerechtfertigt. Die in der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung von Märkten bestehenden Zuwiderhandlungen, die durch Artikel 65 § 1 des Vertrages ausdrücklich verboten werden, sind als besonders schwerwiegend anzusehen, da sie einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt bedeuten. Auch die der Klägerin zur Last gelegten Systeme zum Austausch vertraulicher Informationen bezweckten in ähnlicher Weise eine Aufteilung der Märkte anhand der traditionellen Handelsströme. Alle bei der Geldbusse berücksichtigten Zuwiderhandlungen wurden nach dem Ende der Krisenregelung und nach entsprechenden Warnungen an die Unternehmen begangen. Nach den Feststellungen des Gerichts bestand der allgemeine Zweck der fraglichen Vereinbarungen und Praktiken gerade darin, die mit dem Wegfall der Regelung für die offensichtliche Krise verbundene Rückkehr zum normalen Wettbewerb zu verhindern oder zu verfälschen. Ausserdem war den Unternehmen die Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen und Praktiken bekannt, die sie der Kommission bewusst verheimlichten.

81 Nach alledem und unter Berücksichtigung des Inkrafttretens der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) am 1. Januar 1999 ist die Geldbusse auf 3 350 000 EUR festzusetzen.

...

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Höhe der in Artikel 4 der Entscheidung 94/215/EGKS der Kommission vom 16. Februar 1994 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend Vereinbarungen und verabredete Praktiken von europäischen Trägerherstellern gegen die Klägerin verhängten Geldbusse wird auf 3 350 000 EUR festgesetzt.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten der Beklagten. Die Beklagte trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

(1) - Die Randnummern der Gründe des vorliegenden Urteils stimmen weitgehend mit denen im Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-141/94 (Thyssen/Kommission, Slg. 1999, II-0000) überein oder ähneln ihnen, ausgenommen vor allem die Randnummern 74 bis 120, 331 bis 349, 373 bis 378, 413 bis 456 und 614 bis 625 des letztgenannten Urteils, die im vorliegenden Urteil keine Entsprechung haben. Auch die der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlungen gegen Artikel 65 § 1 EGKS-Vertrag auf einigen nationalen Märkten stimmen nicht mit denen überein, die der Klägerin in der Rechtssache Thyssen/Kommission zur Last gelegt werden.

(2) - Dieses Datum wird in der deutschen und der englischen Fassung der Entscheidung angegeben. In der französischen und der spanischen Fassung findet sich das Datum des 31. Dezember 1989.

(3) - Vgl. Urteil Thyssen/Kommission, Randnrn. 640 ff.

Ende der Entscheidung

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