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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.11.1991
Aktenzeichen: T-158/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 28
Beamtenstatut Art. 30
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Zwar ist es Aufgabe des Prüfungsausschusses, in einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen zu beurteilen, ob die Diplome oder die Berufserfahrung der einzelnen Bewerber den Anforderungen des Statuts oder der Ausschreibung des Auswahlverfahrens entsprechen, doch ist er an den veröffentlichten Wortlaut dieser Ausschreibung gebunden. Die entscheidende Rolle der Ausschreibung eines Auswahlverfahrens nach dem Statut besteht nämlich darin, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen und welche Nachweise für die Arbeit des Prüfungsausschusses von Wichtigkeit und daher den Bewerbungsunterlagen beizufügen sind.

Das System des Artikels 5 Absatz 1 des Anhangs III des Statuts würde ausgehöhlt, wenn der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren die Befugnis hätte, Bedingungen aufzustellen, die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nicht genannt sind und deren Anwendung daher über eine vergleichende Prüfung der Bewerbungen anhand der geforderten Befähigungsnachweise hinausgeht. Eine solche Befugnis wäre mit der Verteilung der Befugnisse zwischen der Anstellungsbehörde, die über ein weites Ermessen bei der Aufstellung der Teilnahmebedingungen für ein Auswahlverfahren verfügt, und dem Prüfungsausschuß, der bei der Erfuellung seiner Aufgabe nach Maßgabe des Artikels 30 des Statuts an diese Bedingungen gebunden ist, unvereinbar.

Der Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen darf daher einem Bewerber die Teilnahme an den Prüfungen des Auswahlverfahrens nicht mit der Begründung verwehren, er erfuelle eine Bedingung nicht, die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nicht genannt war.

2. Die Aufhebung eines von einem Beamten angefochtenen Verwaltungsakts stellt bereits einen angemessenen und grundsätzlich ausreichenden Ausgleich für jeglichen immateriellen Schaden dar, den er im jeweiligen Fall erlitten haben mag.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 28. NOVEMBER 1991. - GUIDO VAN HECKEN GEGEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS. - BEAMTE - AUFHEBUNG DER ENTSCHEIDUNG, NICHT ZU DEN PRUEFUNGEN DES ALLGEMEINEN AUSWAHLVERFAHRENS ESC/LA/102/87 ZUGELASSEN ZU WERDEN - SCHADENSERSATZ. - RECHTSSACHE T-158/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Am 26. Februar 1988 veröffentlichte der Wirtschafts- und Sozialausschuß (im folgenden: WSA) die Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens WSA/LA/102/87 aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen zur Bildung einer Einstellungsreserve für Übersetzer niederländischer Sprache der Besoldungsgruppe LA 7/LA 6 (ABl. C 55, S. 16, niederländische Ausgabe).

2 Diese Ausschreibung legte bezueglich der erforderlichen Befähigungsnachweise, Diplome und Berufserfahrung fest, daß die Bewerber zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses im Besitz eines Hochschulabschlußzeugnisses (lebende Sprachen, Wirtschafts-, Sozial-, Betriebs- oder Rechtswissenschaften) oder eines vergleichbaren Abschlußzeugnisses für eine spezielle Sprachenausbildung sein oder aber über eine gleichwertige Berufserfahrung im Bereich der Übersetzung verfügen mussten. Die Bewerber hatten Kopien ihrer Zeugnisse über die Hochschulausbildung (oder ihrer Fachausbildung) und/oder Nachweise ihrer Berufserfahrung (Arbeits- oder Praktikabescheinigungen, Anstellungs- oder Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen - erste und letzte für jeden Arbeitgeber - oder andere Nachweise über Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses sowie die Art der ausgeuebten Tätigkeit) vorzulegen. In der Ausschreibung wurden schließlich eine vollkommene Beherrschung der niederländischen sowie gründliche Kenntnisse in einer zweiten und gute Kenntnisse in einer dritten Amtssprache der Europäischen Gemeinschaften verlangt. Ferner mussten die Bewerber die Voraussetzungen nach Artikel 28 Buchstaben a, b und c des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) erfuellen.

3 Am 15. März 1988 reichte der Kläger, Beamter des Europäischen Parlaments (im folgenden: Parlament) und dort als Übersetzer tätig, eine Bewerbung ein, die beim WSA am 17. März 1988 einging. Dieses Bewerbungsschreiben enthielt u. a. folgende Angaben zum Studium und zur Berufserfahrung des Klägers:

"Hochschulstudium

UFSIA, Antwerpen, Belgien 1969-1971 Kandidat der Philologie

(Romanistik)

UIA, Antwerpen, Belgien 1972-1975 Lizenziat der Philologie (Romanistik)

Coimbra, Portugal 1974-1975 Portugiesische Sprache und Kultur

UIA, Antwerpen, Belgien 1975-1977 Zulassung zum höheren Sekundarlehramt

Postuniversitäres Studium

Universität Essex,

Vereinigtes Königreich ab 1985 'Master of Arts' in Entwicklungssoziologie, Wechsel zum Promotionsstudium für Soziologie

Berufserfahrung

1976-1978 Zentrum für lebende Sprachen der Katholischen Universität Löwen: Dozent für die portugiesische Sprache

1975-1978 Gemeindegymnasium Borgerhout: Lehrer für Spanisch und nichtkonfessionelle Sittenlehre

1978-1985 Universität Eduardo Mondlane, Maputo, Mozambique: Assistenzprofessor, Funktion: Lehrer für Portugiesisch, Übersetzung und Sprachwissenschaften. Stellvertretender Leiter der Philologischen Fakultät und Leiter der Abteilung moderne Sprachen. Übersetzer bei nationalen und internationalen Konferenzen. Forschungsmitarbeiter des Zentrums für Afrikanische Studien.

Seit 1987 Tätigkeit für die Firma TXT, Antwerpen, als freier, je Auftrag vergüteter Übersetzer für Portugiesisch, Englisch und Niederländisch."

4 Nach dem Eingang der Bewerbungen stellte der Prüfungsausschuß das Verzeichnis der Bewerber auf, die den Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens entsprachen. Er bestimmte sodann die zu den Prüfungen zugelassenen Bewerber dieses Verzeichnisses unter Anwendung einer Reihe zusätzlicher, zuvor beschlossener Kriterien, die mit der Bildung, der Berufserfahrung und etwaigen postuniversitären Studienaufenthalten der Bewerber zusammenhingen und ein System zahlenmässiger Bewertung ergaben. Die Bewerber mussten, um zu den Prüfungen zugelassen zu werden, mindestens 1 1/4 Punkte erhalten.

5 Mit Schreiben vom 25. August 1989 erhielt der Kläger die Mitteilung, daß seine Bewerbung abgelehnt worden sei. In diesem Schreiben hieß es:

"Nach dem im Statut der Beamten (Artikel 5 Absatz 1 des Anhangs III) festgelegten Verfahren hat der Prüfungsausschuß das Verzeichnis der Bewerber aufgestellt, die den Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens entsprechen. In diesem Abschnitt war Ihr Name in diesem Verzeichnis enthalten.

Da es sich um ein Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen handelte, hat der Prüfungsausschuß sodann festgelegt, welche der in diesem Verzeichnis aufgeführten Bewerber zu den Prüfungen zugelassen werden (Artikel 5 Absatz 4 des Anhangs III; vgl. auch die 'Mitteilung' in dem vorstehend genannten Amtsblatt unter II: Verfahren). In diesem Abschnitt des Verfahrens hat der Prüfungsausschuß nur die Bewerber zugelassen, die er für die qualifiziertesten hielt und die die von ihm aufgestellten zusätzlichen Kriterien erfuellten. Die Kriterien, anhand deren Sie ausgeschlossen wurden, sind in dem beigefügten Schriftstück angekreuzt."

6 Die Gründe, derentwegen der Kläger nicht zu den schriftlichen Prüfungen zugelassen wurde, obwohl er die Bedingungen der Ausschreibung erfuellte, waren in einem Anhang zu dem Schreiben wie folgt dargestellt:

"II.1. Fehlen ergänzender Universitätsausbildung in einem für die Tätigkeiten des Wirtschafts- und Sozialausschusses erheblichen Bereich oder im Bereich der Sprachen und/oder der Übersetzung, oder Fehlen ausreichender Nachweise

und/oder

II.2. Fehlen ausreichender Berufserfahrung im Bereich der Übersetzung (nach Erlangung eines Universitätsdiploms oder Fachdiploms in Sprachen oder nach gleichwertiger Berufserfahrung von acht Jahren im Bereich der Übersetzung) auf dem Niveau der auszuübenden Tätigkeit, oder Fehlen ausreichender Nachweise

und/oder

II.3. Fehlen eines postuniversitären Studienaufenthalts von wenigstens einem Jahr an einer ausländischen Universität auf der Grundlage einer der Amtssprachen der Gemeinschaft - mit Ausnahme des Niederländischen - oder Fehlen ausreichender Nachweise.

(Einer dieser Gründe reicht aus, den Bewerber auszuschließen)."

7 Mit Schreiben vom 30. August 1989 forderte der Kläger den Prüfungsausschuß auf, die Entscheidung über seine Bewerbung zu überprüfen oder sie ordnungsgemäß zu begründen und ihm das Ergebnis dieser Prüfung spätestens eine Woche vor Beginn der Prüfungen mitzuteilen. Er betonte, daß keines der angeführten Kriterien notwendig zu seinem Ausschluß führen müsse und daß einige Bewerber im Gegensatz zu ihm die Möglichkeit gehabt hätten, zusätzliche Nachweise vorzulegen.

8 Am 21. September 1989 fand zwischen dem Kläger und einem Mitglied des Prüfungsausschusses ein Telefongespräch statt. Der Kläger behauptet, man habe ihn aufgefordert, dem Prüfungsausschuß vor dem für die Prüfungen festgelegten Tag, dem 4. Oktober 1989, ein "Dokument" der Universität Essex über seine postuniversitären Studien sowie eine Bescheinigung des Übersetzungsbüros TXT über seine Berufserfahrung vorzulegen.

Der WSA behauptet, Sinn dieses Telefongesprächs sei es gewesen, den Kläger auf zwei besondere Punkte aufmerksam zu machen: zum einen auf die Frage, ob seine Tätigkeiten an der Universität Maputo auch Übersetzungen aus dem Niederländischen oder in diese Sprache umfasst hätten, was der Kläger verneint habe, und zum anderen auf die Notwendigkeit, einen Beleg für seine Tätigkeit für die TXT vorzulegen. Nach Darstellung des WSA erklärte der Kläger, das verlangte Schriftstück binnen acht Tagen beschaffen und übersenden zu können. Der WSA behauptet, der Kläger habe die Frage der "Erheblichkeit" seines Soziologiestudiums an der Universität Essex angeschnitten und die Antwort erhalten, daß die Akten keinerlei Nachweis über eine erfolgreiche Teilnahme an einer solchen Ausbildung enthielten.

9 Mit Schreiben vom 22. September 1989 übersandte der Kläger dem WSA die Fotokopie eines Schriftstücks der Universität Essex, mit dem bestätigt wurde, daß er ab Oktober 1985 an dieser Universität als Graduierter für das Studium der Entwicklungssoziologie eingeschrieben gewesen sei. In demselben Schreiben forderte er den Prüfungsausschuß abermals auf, seine Entscheidung über seine Bewerbung zu überprüfen oder ordnungsgemäß zu begründen und ihn spätestens eine Woche vor dem Zeitpunkt der Prüfungen amtlich über das Ergebnis dieser Überprüfung zu unterrichten.

10 Der Kläger erhielt die Bescheinigung über seine Tätigkeit bei der Firma TXT am 4. Oktober 1989. Er übersandte sie ebenfalls an den WSA.

11 Mit Schreiben vom 5. Oktober 1989 gab der WSA eine Reihe von Erläuterungen und Antworten im Hinblick auf die vom Kläger in seinen Schreiben vom 30. August und 22. September gestellten Fragen:

- Zu dem Kriterium II.1 (vgl. oben, Randnr. 6 des Urteils) wies der WSA darauf hin, daß der Kläger lediglich eine Immatrikulationsbescheinigung vorgelegt habe, was in keiner Weise belege, daß er sein Studium an der Universität Essex erfolgreich abgeschlossen habe, und daß ferner das betreffende Studium nach den vom Prüfungsausschuß herangezogenen Regeln keine Vertiefung seines Grundstudiums darstelle;

- zu dem Kriterium II.2 machte der WSA darauf aufmerksam, daß der blosse Unterricht in Übersetzung, ohne Übersetzung aus dem oder in das Niederländisch, nicht als eine Übersetzungstätigkeit auf dem Niveau der zu besetzenden Stelle betrachtet werden könne;

- zu dem Kriterium II.3 erklärte der WSA, daß der Studienaufenthalt an der Universität Maputo als postuniversitäres Studium anerkannt worden sei.

Der WSA erklärte, daß die Gesamtpunktzahl des Klägers nicht als ausreichend betrachtet worden sei, um ihn zu den Prüfungen zuzulassen.

Lediglich die Bewerber, die gemäß ihrer Bewerbung die für die Zulassung zu den Prüfungen erforderlichen Voraussetzungen erfuellten, aber keine ausreichenden Nachweise vorgelegt hätten, seien schriftlich aufgefordert worden, dem Prüfungsausschuß zusätzliche Nachweise vorzulegen. Darüber hinaus könnten die Tätigkeiten des Klägers von 1986 bis 1988 bestenfalls zu einem Teil berücksichtigt werden, da sie zeitlich mit dem Studium zusammenfielen, das der Kläger zu dieser Zeit an der Universität Essex betrieben habe. Schließlich gehöre die erfolgreiche Teilnahme an einem allgemeinen Auswahlverfahren eines anderen Organs - wie dies auf den Kläger als Übersetzer beim Parlament zutreffe - nicht zu den vom Prüfungsausschuß festgelegten Kriterien.

Verfahren

12 Mit Klageschrift, die am 27. November 1989 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen.

13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Auf Ersuchen des Gerichts hat der Beklagte den Bericht des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren WSA/LA/102/87 zur Bildung einer Einstellungsreserve für Übersetzer niederländischer Sprache nebst Anhängen vorgelegt.

14 Die Parteien haben in der Sitzung vom 12. Juli 1991 mündlich verhandelt. Der Präsident hat am Ende der Sitzung die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

Anträge der Parteien

15 Der Kläger beantragt,

- die Vorlage aller Protokolle und Schriftstücke des Prüfungsausschusses, aus denen sich ergibt, wie die Auswahlkriterien festgelegt und auf die einzelnen Bewerber angewandt worden sind, sowie aller insbesondere seine Bewerbung und seine Beschwerde betreffenden Schriftstücke anzuordnen;

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären und demgemäß

1) die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren WSA/LA/102/87, ihn nicht zu den Prüfungen zuzulassen und seine Bewerbung für die in der Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens bezeichnete Stelle abzulehnen, aufzuheben;

2) den WSA zu verurteilen, ihm Schadensersatz in Höhe eines billigerweise auf 50 000 BFR festzusetzenden Betrages zu zahlen;

3) dem WSA gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

hilfsweise,

- für den Fall, daß das Gericht die Klage für nicht begründet erklären sollte, dem WSA die Kosten des Verfahrens gemäß Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes aufzuerlegen, weil das eigene Fehlverhalten des Prüfungsausschusses und die schlechte und verspätete Unterrichtung des Klägers Anlaß zur Klageerhebung gegeben hätten;

höchst hilfsweise,

- für den Fall der Abweisung der Klage Artikel 70 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes anzuwenden.

16 Der WSA beantragt,

- den Antrag auf Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen abzulehnen;

- die Klage für zulässig, aber unbegründet zu erklären und demgemäß:

- die Klage auf Aufhebung abzuweisen;

- jeder Partei die eigenen Kosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

Zum ersten Klageantrag, mit dem die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses begehrt wird

17 Der Kläger stützt seinen Aufhebungsantrag auf fünf Klagegründe, mit denen er erstens die Nichtbeachtung der Ausschreibung des Auswahlverfahrens und die Verletzung des Artikels 5 des Anhangs III des Statuts, zweitens die Verletzung der Pflicht zu objektiver Begründung, drittens die Verletzung des Diskriminierungsverbots, viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz ordnungsgemässer Verwaltung und fünftens das Fehlen einer Begründung rügt.

18 Mit dem ersten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Prüfungsausschuß habe, indem er zu den Prüfungen nur die Bewerber zugelassen habe, die er für die qualifiziertesten gehalten habe und die die ergänzenden, von ihm festgelegten Kriterien erfuellt hätten, eine doppelte Auswahl vorgenommen, die weder in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgesehen noch mit den Vorschriften des Anhangs III des Statuts vereinbar sei. Nach Artikel 5 des Anhangs III des Statuts lege der Prüfungsausschuß zunächst die Grundsätze für die Bewertung fest, anhand deren er anschließend die qualifiziertesten Bewerber aussuche, die dann ohne weiteres zu den Prüfungen zuzulassen seien. Von einer zweiten Auswahl anhand "ergänzender Kriterien" könne nicht die Rede sein. Der Kläger weist auf die Schlussanträge von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Belardinelli/Gerichtshof (Urteil vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 225/87, Slg. 1989, 2354, 2364) hin, wonach eine solche Praxis den Prüfungsausschuß in die Lage bringe, die Regeln zugleich erlassen und anwenden zu müssen, und häufig dazu führe, daß die Bewerber auf Zulassungsvoraussetzungen aufmerksam gemacht würden, deren sie sich bei dem einfachen Lesen der Ausschreibung nicht bewusst gewesen seien. Die Verbindlichkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens sei auch vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. Februar 1982 in der Rechtssache 67/81 (Ruske/Kommission, Slg. 1982, 661) bekräftigt worden.

19 Die WSA macht geltend, bei Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen werde das Verzeichnis der Bewerber in verschiedenen Schritten aufgestellt:

- Die Anstellungsbehörde stelle das Verzeichnis der Bewerber auf, die die Voraussetzungen nach Artikel 28 Buchstaben a, b und c des Statuts erfuellten, und übermittele es dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses (Artikel 4 des Anhangs III des Statuts);

- der Prüfungsausschuß stelle das Verzeichnis der Bewerber auf, die den Bedingungen der Stellenausschreibung entsprächen (Artikel 5 Absatz 1 des Anhangs III des Statuts);

- der Prüfungsausschuß bestimme anhand der von ihm aufgestellten Kriterien, welche Bewerber zu den Prüfungen zugelassen würden (Artikel 5 Absatz 4 des Anhangs III des Statuts).

20 Bei einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen sei zunächst zu prüfen, ob die Bewerber die Zulassungsvoraussetzungen erfuellten, und sodann, ob sie den geforderten Bedingungen entsprächen. Der im Anhang zum Schreiben des WSA vom 25. August 1989 verwendete Ausdruck "nach einer zweiten Auswahl" verweise begrifflich auf eine erste Auswahl, die anhand der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten Bedingungen vorgenommen werde, wie in Artikel 5 Absatz 1 des Anhangs III des Statuts festgelegt sei. Nach Aufstellung des Verzeichnisses der Bewerber, die die Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens erfuellt hätten, habe nur eine einzige Auswahl anhand der vom Prüfungsausschuß festgelegten Kriterien stattgefunden. In seinem Urteil vom 14. Juni 1972 in der Rechtssache 44/71 (Marcato/Kommission, Slg. 1972, 427) habe der Gerichtshof die Verfahrensweise als rechtmässig anerkannt, nicht in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens angeführte und damit nicht zur Kenntnis der Bewerber gelangte Kriterien festzulegen.

21 Das Gericht weist darauf hin, daß der Prüfungsausschuß gemäß Artikel 5 des Anhangs III des Statuts von den Unterlagen der Bewerber, die die Voraussetzungen des Artikels 28 Buchstaben a, b und c des Statuts erfuellen, Kenntnis nimmt und das Verzeichnis der Bewerber aufstellt, die den Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens entsprechen. Gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift bestimmt der Prüfungsausschuß bei Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen, welche der in diesem Verzeichnis aufgeführten Bewerber zu den Prüfungen zugelassen werden.

22 Es ist Aufgabe des Prüfungsausschusses, von Fall zu Fall zu beurteilen, ob die Diplome oder die Berufserfahrung der einzelnen Bewerber den Anforderungen des Statuts oder der Ausschreibung des Auswahlverfahrens entsprechen (vgl. u. a. die Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juni 1972 in der Rechtssache 44/71, Marcato, und vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 225/87, Belardinelli, a. a. O.).

23 Der Prüfungsausschuß ist unbeschadet seines Ermessens an den veröffentlichten Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens gebunden. Die entscheidende Rolle der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nach dem Statut besteht darin, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen (Urteile des Gerichtshofes vom 28. Juni 1979 in der Rechtssache 255/78, Anselme/Kommission, Slg. 1979, 2323, vom 18. Februar 1982 in der Rechtssache 67/81, Ruske/Kommission, a. a. O., und vom 19. Mai 1983 in der Rechtssache 289/81, Mavridis/Parlament, Slg. 1983, 1731) und welche Nachweise für die Arbeit des Prüfungsausschusses von Wichtigkeit und daher den Bewerbungsunterlagen beizufügen sind.

24 Dieses System des Artikels 5 Absatz 1 des Anhangs III würde ausgehöhlt, wenn der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren aus Absatz 4 dieser Vorschrift die Befugnis herleiten könnte, Bedingungen aufzustellen, die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nicht genannt sind und deren Anwendung daher über eine vergleichende Prüfung der Bewerbungen anhand der geforderten Befähigungsnachweise hinausgeht. Eine solche Auslegung wäre im übrigen mit der Verteilung der Befugnisse zwischen Anstellungsbehörde und Prüfungsausschuß unvereinbar, der zufolge die Anstellungsbehörde über ein weites Ermessen bei der Aufstellung der Teilnahmebedingungen für ein Auswahlverfahren verfügt, der Prüfungsausschuß indessen bei der Erfuellung seiner Aufgabe nach Maßgabe des Artikels 30 des Statuts an diese Bedingungen gebunden ist.

25 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß ein Prüfungsausschuß einem Bewerber die Teilnahme an Prüfungen nicht mit der Begründung verwehren darf, er erfuelle eine Bedingung nicht, die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nicht genannt war. Hieraus folgt, daß das Gericht - im vorliegenden Fall - zu prüfen hat, ob die vom Prüfungsausschuß festgelegten "ergänzenden Kriterien" für die Zulassung der Bewerber zu den Prüfungen zusätzlich zu den in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten zur Anwendung kamen oder ob sie lediglich deren Bedeutung konkretisiert haben.

26 Das Gericht stellt fest, daß der Bericht des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren WSA/LA/102/87 erkennen lässt, daß der Prüfungsausschuß "ergänzende [Auswahl-]Kriterien" in dreifacher Hinsicht festgelegt hat: Ausbildung, Berufserfahrung und postuniversitärer Studienaufenthalt.

27 Im Hinblick auf die Ausbildung sah das vom Prüfungsausschuß festgelegte System bezifferter Wertungen die Vergabe unterschiedlicher Punktzahlen für eine besondere Universitätsausbildung als Übersetzer oder Dolmetscher, für ergänzende Universitätsfach- oder -sprachstudien, ergänzende Universitätsfachstudien in einem für den WSA einschlägigen Bereich, eine Promotion oder für Übersetzerkurse im Rahmen eines Diplomstudiengangs Philologie in den Niederlanden vor.

28 Im Hinblick auf die Berufserfahrung hat der Prüfungsausschuß Punkte für Berufserfahrung in Übersetzen und Dolmetschen vergeben, falls sie nach Erlangung eines Diploms für ein Universitätsstudium oder nach dem Erwerb einer gleichwertigen Berufserfahrung erworben war.

29 Der Prüfungsausschuß hat ferner einen halben Punkt für einen postuniversitären Studienaufenthalt von wenigstens einem Jahr an einer ausländischen Universität oder am Europa-Kolleg in Brügge sowie für Flamen niederländischer Sprache in Wallonien vergeben, wenn dieser Aufenthalt auf ein zuvor absolviertes und mit einem Diplom abgeschlossenes Universitätsstudium folgte.

30 Die vom Prüfungsausschuß festgelegten und angewandten "ergänzenden Kriterien" gehen über die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten Zulassungsbedingungen hinaus. Die Ausschreibung des Auswahlverfahrens forderte nämlich lediglich ein Abschlußzeugnis eines Universitätsstudiums (oder gleichwertiges Zeugnis), nicht indessen eine besondere Universitätsausbildung als Übersetzer oder Dolmetscher, besondere ergänzende Universitätsfach- oder -sprachstudien, ergänzende Universitätsfachstudien in einem für die WSA einschlägigen Bereich, eine Promotion oder Übersetzungskurse im Rahmen eines Diplomstudiengangs Philologie in den Niederlanden.

31 Was den zweiten Gesichtspunkt betrifft, zu dem der Prüfungsausschuß "ergänzende Kriterien" aufgestellt hat, nämlich die Berufserfahrung, stellt das Gericht fest, daß die Ausschreibung des Auswahlverfahrens die Berufserfahrung lediglich als Alternative zu einem Abschlußzeugnis für ein Universitätsstudium oder ein gleichwertiges Zeugnis für eine Sprachenausbildung nennt, so daß entgegen dem Vorgehen des Prüfungsausschusses eine nach Erlangung eines solchen Zeugnisses erworbene Berufserfahrung nicht berücksichtigt werden durfte.

32 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Entscheidung des Prüfungsausschusses des allgemeinen Auswahlverfahrens WSA/LA/102/87, den Kläger nicht zu den Prüfungen dieses Auswahlverfahrens zuzulassen und seine Bewerbung um das in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens genannte Amt abzulehnen, soweit sie damit begründet wurde, der Kläger entspreche den ergänzenden, vom Prüfungsausschuß festgelegten Kriterien nicht, gegen Artikel 5 Absatz 1 des Anhangs III des Statuts verstösst und daher aufzuheben ist, ohne daß es einer Prüfung der übrigen zur Stützung dieses Klageantrags angeführten Klagegründe bedarf.

Zum zweiten, auf Schadensersatz gerichteten Klageantrag

33 Der Kläger macht geltend, die von ihm zur Stützung seiner Aufhebungsbegehren angeführten Rechtsverstösse stellten Amtsfehler dar und hätten ihm Schaden zugefügt. Er habe, weil der Prüfungsausschuß seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei, für seine Interessen, insbesondere sein berufliches Fortkommen und seine Situation allgemein, nicht in angemessener Weise Sorge tragen können. Er habe genauer gesagt einen immateriellen Schaden erlitten, weil sein Ausschluß vom Auswahlverfahren ihm die Möglichkeit genommen habe, seine berufliche Tätigkeit nach Belgien zu verlagern, wo seine Familie noch wohne. Im übrigen habe er an Ansehen eingebüsst. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1973 in den verbundenen Rechtssachen 10/72 und 47/72 (Di Pillo/Kommission, Slg. 1973, 763) schlägt er vor, den gesamten erlittenen Schaden billigerweise auf 50 000 BFR festzusetzen.

34 In seiner Erwiderung ergänzt der Kläger, er könne zwar nicht beweisen, daß er die Prüfungen des Auswahlverfahrens bestanden hätte, doch gebe es eine Reihe von Indizien hierfür. Er verweist insbesondere auf die Ergebnisse seiner Übersetzerkollegen beim Parlament, die an diesem Auswahlverfahren teilgenommen haben.

35 Der WSA macht geltend, der Kläger habe, auch wenn die angefochtene Entscheidung ein Amtsfehler gewesen sei, doch einen Schaden nicht nachgewiesen. Der Kläger habe insbesondere nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargetan, daß er bei Zulassung zur Prüfung tatsächlich erfolgreich gewesen wäre. Der Wohnort seiner Frau und seiner Kinder sei auf eine Entscheidung seiner Familie zurückzuführen. Das Urteil Di Pillo sei vorliegend nicht maßgebend, weil es eine verspätete Entlassung im Anschluß an einen negativen Probezeitbericht betreffe und der Betroffene in jener Rechtssache in Erwartung seiner endgültigen Ernennung hohe Aufwendungen gemacht habe. Auch ein Verlust an Ansehen sei nicht nachgewiesen.

36 In seiner Gegenerwiderung weist der WSA darauf hin, daß der Umstand, daß eine Reihe ehemaliger Kollegen des Klägers zu den schriftlichen Prüfungen zugelassen worden und sogar in diesem Auswahlverfahren erfolgreich gewesen seien, keineswegs beweise, daß der Kläger selbst in diesem Auswahlverfahren erfolgreich gewesen wäre, wenn er an den schriftlichen Prüfungen teilgenommen hätte. Man könne mit Fug und Recht davon ausgehen, daß der Umstand, daß der Kläger nicht den vom Prüfungsausschuß festgelegten Kriterien entsprochen habe, gerade ein Indiz dafür darstelle, daß es absolut nicht sicher sei, daß er die schriftlichen Prüfungen bestanden hätte.

37 Zu dem Antrag auf Ersatz des dem Kläger angeblich entstandenen immateriellen Schadens ist festzustellen, daß nach ständiger Rechtsprechung bereits die Aufhebung eines von einem Beamten angefochtenen Verwaltungsaktes einen angemessenen und grundsätzlich ausreichenden Ausgleich für jeglichen immateriellen Schaden darstellt, den der Beamte im jeweiligen Fall erlitten haben mag. Infolgedessen ist davon auszugehen, daß bereits die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren WSA/LA/102/87 eine angemessene Wiedergutmachung des immateriellen Schadens darstellt, den der Kläger möglicherweise erlitten hat (vgl. das Urteil des Gerichtshofes vom 9. Juli 1987 in den verbundenen Rechtssachen 44/85, 77/85, 294/85 und 295/85, Hochbaum und Rawes/Kommission, Slg. 1987, 3259, und das Urteil des Gerichts vom 20. September 1990 in der Rechtssache T-37/90, Hanning/Parlament, Slg. 1990, II-463).

Kostenentscheidung:

Kosten

38 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der WSA mit seinem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren WSA/LA/102/87, den Kläger nicht zu den Prüfungen dieses Auswahlverfahrens zuzulassen, wird aufgehoben.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Der Wirtschafts- und Sozialausschuß trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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