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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: T-16/99
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 1999/60/EG


Vorschriften:

EGV Art. 81
EGV Art. 85
Entscheidung 1999/60/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Bei der Ermittlung der Höhe einer Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft kann die Kommission einen Umsatz heranziehen, der nicht nur den durch den Verkauf des von der Zuwiderhandlung betroffenen Erzeugnisses an Dritte erzielten Umsatz umfasst, sondern auch den Wert interner Lieferungen dieses Erzeugnisses an Betriebe, die, da sie dem Unternehmen gehören, keine eigenen juristischen Personen darstellen.

Der in einigen Bestimmungen von Artikel 5 der Verordnung Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vorgesehene Ausschluss etwaiger Innenumsätze" bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der Unternehmen im Rahmen von Zusammenschlüssen verstößt nicht gegen diesen Grundsatz, da er darauf beruht, dass die Einbeziehung solcher Transaktionen zu einer doppelten Berücksichtigung des gleichen Umsatzes führen würde.

( vgl. Randnrn. 358, 361 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 20. März 2002. - Lögstör Rör (Deutschland) GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Kartell - Fernwärmerohre - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) - Boykott - Akteneinsicht - Geldbuße - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Rückwirkungsverbot - Berechtigtes Vertrauen. - Rechtssache T-16/99.

Parteien:

In der Rechtssache T-16/99

Lögstör Rör (Deutschland) GmbH mit Sitz in Fulda (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.-J. Hellmann und T. Nägele, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Mölls und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße,

erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie der Richterin V. Tiili und des Richters R. M. Moura Ramos,

Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist eine deutsche Herstellerin von Fernwärmerohren, die bis Mitte 1998 unter dem Namen Pan-Isovit GmbH firmierte. Sie wurde Ende 1996 von der dänischen Løgstør Rør A/S (im Folgenden: Løgstør) übernommen.

2 Bei den Fernwärmesystemen wird das an einem zentralen Ort erwärmte Heizwasser durch im Erdboden verlegte Rohrleitungen auf die zu heizenden Gebäude verteilt. Da die Temperatur des Heizwassers (bzw. des Wasserdampfes) sehr hoch ist, müssen die Rohrleitungen zur effizienten und sicheren Verteilung gedämmt sein. Die verwendeten vorgedämmten Rohre bestehen in der Regel aus einem Stahlrohr, das von einem Kunststoffrohr umgeben ist, wobei der Zwischenraum zwischen beiden mit einer Schaumstoffdämmung ausgefuellt ist.

3 Fernwärmerohre sind Gegenstand eines umfangreichen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die größten Inlandsmärkte der Europäischen Union sind Deutschland mit 40 % des Gesamtverbrauchs in der Gemeinschaft und Dänemark mit 20 %. Mit 50 % der Fertigungskapazität in der Europäischen Union ist Dänemark deren Haupterzeugerland, das alle Mitgliedstaaten beliefert, in denen Fernwärmesysteme genutzt werden.

4 Mit einer Beschwerde vom 18. Januar 1995 teilte das schwedische Unternehmen Powerpipe AB der Kommission mit, dass die übrigen Hersteller und Anbieter von Fernwärmerohren ein Kartell gebildet hätten, mit dem sie den europäischen Markt unter sich aufgeteilt hätten, und dass sie aufeinander abgestimmte Maßnahmen ergriffen hätten, um das Geschäft der Beschwerdeführerin zu schädigen, ihre Aktivitäten auf den schwedischen Markt zu beschränken und/oder sie ganz aus dem Geschäft zu drängen.

5 Am 28. Juni 1995 führten Kommissionsbeamte und Vertreter der Wettbewerbsbehörden der betreffenden Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission vom 12. Juni 1995 gleichzeitig und unangekündigt Nachprüfungen bei zehn Unternehmen und Unternehmensvereinigungen der Fernwärmebranche durch, zu denen auch die Klägerin gehörte.

6 Anschließend richtete die Kommission an die Klägerin und die meisten vom streitgegenständlichen Sachverhalt betroffenen Unternehmen Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

7 Am 20. März 1997 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin und die anderen betroffenen Unternehmen. Eine Anhörung dieser Unternehmen fand sodann am 24. und 25. November 1997 statt.

8 Am 21. Oktober 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/60/EG in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch Entscheidung vom 6. November 1998 berichtigt wurde (C[1998] 3415 endg.) (im Folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung); darin stellte sie fest, dass verschiedene Unternehmen, darunter die Klägerin, an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) mitgewirkt hätten (im Folgenden: Kartell).

9 In der Entscheidung wird ausgeführt, dass sich die vier dänischen Hersteller von Fernwärmerohren Ende 1990 auf die Grundsätze für eine allgemeine Zusammenarbeit auf ihrem Inlandsmarkt geeinigt hätten. An dieser Vereinbarung hätten die dänische Tochtergesellschaft des schwedisch-schweizerischen Industriekonzerns ABB Asea Brown Boveri Ltd, ABB IC Møller A/S (im Folgenden: ABB), die auch unter dem Namen Starpipe bekannte Dansk Rørindustri A/S (im Folgenden: Dansk Rørindustri), Løgstør und die Tarco Energi A/S (im Folgenden: Tarco) teilgenommen (im Folgenden gemeinsam: dänische Hersteller). Eine der ersten Maßnahmen sei die Koordinierung einer Preiserhöhung sowohl auf dem dänischen Markt als auch auf den Auslandsmärkten gewesen. Zur Aufteilung des dänischen Marktes seien Quoten vereinbart und sodann von einer aus den Verkaufsleitern der betreffenden Unternehmen bestehenden "Kontaktgruppe" angewandt und überwacht worden. Bei jedem geschäftlichen Projekt (im Folgenden: Projekt) habe das Unternehmen, dem der Auftrag von der Kontaktgruppe zugeteilt worden sei, die anderen Beteiligten darüber informiert, zu welchem Preis es ein Angebot abzugeben gedenke, und diese hätten dann Angebote mit einem höheren Preis abgegeben, um den vom Kartell vorgesehenen Anbieter zu schützen.

10 Ab Herbst 1991 hätten auch die Klägerin und die Gruppe Henss/Isoplus (im Folgenden: Henss/Isoplus) an den regelmäßigen Treffen der dänischen Hersteller teilgenommen. Bei diesen Treffen hätten Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes stattgefunden, die im August 1993 zu Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten für jedes beteiligte Unternehmen geführt hätten.

11 Zwischen all diesen Herstellern seien 1994 Quoten für den gesamten europäischen Markt vereinbart worden. Dieses europaweite Kartell habe eine zweistufige Struktur gehabt. Der "Geschäftsführer-Klub", dem die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der am Kartell beteiligten Hersteller angehört hätten, habe die Quoten festgelegt, die jedem Unternehmen sowohl auf dem Gesamtmarkt als auch auf den einzelnen Inlandsmärkten - insbesondere Dänemark, Deutschland, Finnland, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden - zugeteilt worden seien. Für bestimmte Inlandsmärkte seien "Kontaktgruppen" eingerichtet worden, die in der Regel aus den jeweiligen Verkaufsleitern bestanden hätten; diesen sei die Aufgabe übertragen worden, die Vereinbarungen durch Zuteilung einzelner Aufträge und durch Koordinierung der Angebote umzusetzen.

12 Zum deutschen Markt heißt es in der Entscheidung, nach einem Treffen der sechs größten europäischen Hersteller (ABB, Dansk Rørindustri, Henss/Isoplus, Løgstør, Tarco und die Klägerin) und der Brugg Rohrsysteme GmbH (im Folgenden: Brugg) am 18. August 1994 habe am 7. Oktober 1994 das erste Treffen der Kontaktgruppe für Deutschland stattgefunden. Die Treffen dieser Kontaktgruppe seien noch lange nach den Ende Juni 1995 vorgenommenen Nachprüfungen der Kommission fortgeführt worden, auch wenn sie von diesem Zeitpunkt an außerhalb der Europäischen Union, in Zürich, stattgefunden hätten. Die Treffen in Zürich seien bis zum 25. März 1996 fortgesetzt worden.

13 Als Bestandteil des Kartells wird in der Entscheidung u. a. die Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen genannt, um mit Powerpipe das einzige nicht am Kartell beteiligte Unternehmen von Bedeutung auszuschalten. Bestimmte Teilnehmer des Kartells hätten wichtige Mitarbeiter von Powerpipe abgeworben und Powerpipe klargemacht, dass sie sich vom deutschen Markt zurückziehen solle. Nachdem Powerpipe im März 1995 den Zuschlag für ein bedeutendes deutsches Projekt erhalten habe, habe in Düsseldorf ein Treffen stattgefunden, an dem die sechs genannten Hersteller und Brugg teilgenommen hätten. Bei diesem Treffen sei ein kollektiver Boykott der Kunden und Zulieferer von Powerpipe beschlossen worden, der anschließend durchgeführt worden sei.

14 Die Kommission legt in ihrer Entscheidung die Gründe dar, aus denen nicht nur die ausdrückliche Aufteilung der Marktanteile unter den dänischen Herstellern ab Ende 1990, sondern auch die Wettbewerbsverstöße ab Oktober 1991 insgesamt als eine verbotene "Vereinbarung" im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag betrachtet werden könnten. Das "dänische" und das "europaweite" Kartell seien nur Ausprägungen eines einzigen Kartells, das in Dänemark begonnen habe, dessen längerfristiges Ziel aber von Beginn an die Ausdehnung der Kontrolle der Teilnehmer auf den gesamten Markt gewesen sei. Die fortdauernde Vereinbarung zwischen den Herstellern habe eine merkliche Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt.

15 Aus diesen Gründen enthält die Entscheidung folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

ABB Asea Brown Boveri Ltd, Brugg Rohrsysteme GmbH, Dansk Rørindustri A/S, die Gruppe Henss/Isoplus, KE KELIT Kunststoffwerk Ges.mbH, Oy KWH Pipe AB, Løgstør Rør A/S, Pan-Isovit GmbH, Sigma Tecnologie Di Rivestimento S.r.l. und Tarco Energi A/S haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen, indem sie in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem genannten Umfang an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor der vorisolierten Rohre mitgewirkt haben, die im November/Dezember 1990 von den vier dänischen Herstellern eingeleitet und anschließend auf andere nationale Märkte ausgeweitet wurden und Pan-Isovit sowie Henss/Isoplus einbezogen haben, und Ende 1994 aus einem umfassenden Kartell bestanden, das sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt erstreckte.

Die Dauer der Zuwiderhandlungen war wie folgt:

- im Falle von... Pan-Isovit... zwischen November/Dezember 1990 bis wenigstens März/April 1996

...

Die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlungen waren:

- Aufteilung der nationalen Märkte und schließlich des gesamten europäischen Marktes anhand von Quoten;

- Zuteilung von nationalen Märkten an einzelne Hersteller und Vorkehrungen für den Rückzug anderer Hersteller;

- Vereinbarung von Preisen für vorgedämmte Rohre und für einzelne Vorhaben;

- Zuteilung einzelner Vorhaben an ausgewählte Hersteller und Manipulierung der Ausschreibungsverfahren für diese Vorhaben, um zu gewährleisten, dass der vorgesehene Hersteller den Zuschlag erhält;

- Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um das Kartell vor dem Wettbewerb des einzigen großen Nichtmitglieds Powerpipe AB zu schützen, dessen Geschäft zu behindern und zu schädigen bzw. dieses Unternehmen aus dem Markt zu verdrängen.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt:

...

h) Pan-Isovit GmbH eine Geldbuße von 1 500 000 ECU,

..."

16 Die Entscheidung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 12. November 1998 zugestellt und ging bei ihr am folgenden Tage ein.

Verfahren und Anträge der Parteien

17 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 18. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

18 Sieben der neun anderen für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogenen Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-9/99, T-15/99, T-17/99, T-21/99, T-23/99, T-28/99 und T-31/99).

19 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind diesen Aufforderungen nachgekommen.

20 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 24. Oktober 2000 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

21 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft;

- hilfsweise, die Geldbuße herabzusetzen;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

23 Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie materielle und rechtliche Fehler bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend. Der dritte Klagegrund betrifft Verstöße gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und allgemeine Rechtsgrundsätze sowie Beurteilungsfehler bei der Bemessung der Geldbuße. Der vierte Klagegrund wird aus einem Verstoß gegen die Begründungspflicht bei der Bemessung der Geldbuße abgeleitet. Der fünfte Klagegrund schließlich geht dahin, dass der bei nicht unverzüglicher Zahlung auf die Geldbuße angewandte Zinssatz überhöht sei.

I - Zum Klagegrund, mit dem materielle und rechtliche Fehler bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gerügt werden

A - Zur Dauer der Zuwiderhandlung

1. Vorbringen der Parteien

24 Die Klägerin bestreitet, dass sie sich ab Oktober 1991 den dänischen Herstellern bei der Zusammenarbeit angeschlossen habe, die diese auf dem dänischen Markt begonnen und später auf den deutschen Markt ausgedehnt hätten. Die Kommission habe nicht dargetan, zu welchem Zeitpunkt und durch welche Handlungen oder Erklärungen sie sich einem "gemeinsamen Plan" zur Regulierung des deutschen Marktes auf der Grundlage des dänischen Kartells angeschlossen haben solle. Wenn tatsächlich schon 1990 ein solcher gemeinsamer Plan der Marktteilnehmer bestanden hätte, wäre nicht verständlich, warum die dänischen Hersteller ab 1993 versucht haben sollten, ihre Absprachen auf andere Märkte zu erstrecken, wie in Randnummer 48 der Entscheidung behauptet werde.

25 Die Klägerin sei nie am dänischen Kartell beteiligt gewesen und habe von ihm auch keine Kenntnis gehabt. Die Tatsache, dass sie in dem in Anhang 34 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegebenen Telefax von ABB IC Møller vom August 1991 nicht erwähnt werde, zeige, dass sich die Vereinbarungen nur auf die dänischen Hersteller erstreckt hätten. Bis 1994 habe die Klägerin auf dem dänischen Markt keinerlei Aktivitäten entfaltet. Außerdem habe sie bis Ende 1994 an keinem Treffen des dänischen Kartells teilgenommen.

26 Die Kommission schließe offenbar aus zwei bilateralen Treffen mit ABB Ende 1990 und Anfang 1991 auf den Beitritt der Klägerin zu einem gemeinsamen Plan. Nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und von ABB sei es bei diesen Gesprächen aber im Wesentlichen um eine Zusammenarbeit im technischen Bereich gegangen, und sie hätten nicht zu den von der Kommission behaupteten Absprachen oder abgestimmten Verhaltensweisen geführt. Jedenfalls könne aus diesen Gesprächen nicht der Schluss gezogen werden, dass sich die Klägerin dem dänischen Kartell angeschlossen habe. Es habe sich nur um bilaterale Treffen gehandelt, von denen die anderen Marktteilnehmer keine Kenntnis gehabt hätten.

27 Die Kommission mache zu Unrecht geltend, dass das Eindringen der Klägerin auf den dänischen Markt dazu gedient habe, ein stärkeres Druckmittel für die Verhandlungen innerhalb des Kartells zu erlangen. Da die dänischen Hersteller die durch ihre Absprache auf dem dänischen Markt erwirtschafteten Gewinne dazu benutzt hätten, durch Niedrigpreise auf dem deutschen Markt Anteile zu gewinnen, habe ihr Versuch, die Absprachen ab 1993 auf andere Märkte zu erstrecken, Auswirkungen auf deutsche Hersteller wie die Klägerin gehabt. Deshalb habe sie auf autonome Weise beschlossen, ihre Aktivitäten auf den dänischen Markt auszudehnen.

28 Es sei auch im Jahr 1992 nicht zu einer Preisabsprache für Deutschland gekommen. Die Kommission stütze sich insoweit auf Auskünfte von ABB, die in Widerspruch zu den Antworten der anderen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen stuenden. Außerdem habe es - wie die Kommission selbst einräume - keine tatsächliche Preiserhöhung gegeben.

29 Alle beteiligten Unternehmen hätten zudem übereinstimmend angegeben, dass vor Ende 1994 kein europäisches Kartell existiert habe. Auch wenn es vor Ende 1994 immer wieder zu bilateralen oder multilateralen Gesprächen zwischen den Wettbewerbern gekommen sei, bei denen erörtert worden sei, wie der miserablen wirtschaftlichen Lage begegnet werden könne, wobei die Besorgnis erregende Marktsituation besprochen und verschiedenste Möglichkeiten wie Kooperationen, Fusionen und Absprachen erwogen worden seien, habe es außer in Dänemark durch die vier dänischen Hersteller weder Preis- oder Quotenabsprachen noch abgestimmte Verhaltensweisen gegeben.

30 Aus alledem folge, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie in ihrer Entscheidung in Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung der Klägerin von einem Zeitraum ab Dezember 1990 bis März oder April 1996, mithin von 65 Monaten ausgegangen sei. Tatsächlich habe dieser Zeitraum allenfalls 16 Monate betragen, nämlich von Dezember 1994 bis März 1996.

31 Die Beklagte macht geltend, sie habe der Klägerin zu Recht die in den Randnummern 38 bis 56 der Entscheidung geschilderte Beteiligung an einem Kartell ab Ende 1990 zur Last gelegt.

2. Würdigung durch das Gericht

32 Nach Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung dauerte die der Klägerin zur Last gelegte Zuwiderhandlung von "November/Dezember 1990 bis wenigstens März/April 1996".

33 In Randnummer 153 Absatz 4 Buchstabe b der Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, dass sich die Klägerin zunächst ab etwa Dezember 1990 zusammen mit ABB und anschließend ab Oktober 1991 zusammen mit ABB, Dansk Rørindustri, Løgstør, Tarco und Henss/Isoplus - mit Ausnahme eines Zeitraums von Oktober 1993 bis etwa März 1994, während dessen die Absprachen ausgesetzt gewesen seien - bis mindestens März oder April 1996 am Kartell beteiligt habe.

34 Zur Beurteilung der Beteiligung der Klägerin ist zunächst auf die Zeit vor Oktober 1993 und dann auf die Aussetzung des Kartells und die Zeit danach einzugehen.

- Zur Beteiligung der Klägerin vor Oktober 1993

35 Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teil und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, so kann nach ständiger Rechtsprechung der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat (vgl. Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232, vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 98, und vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnrn. 85 und 86).

36 In diesem Kontext sind für die Zeit von Dezember 1990 bis Oktober 1993 die von der Kommission in den Randnummern 38 ff. der Entscheidung gesammelten Beweise und daraus gezogenen Schlüsse zu beurteilen.

37 Erstens hat die Kommission in den Randnummern 38 und 39 ihrer Entscheidung ausgeführt, dass es Ende 1990 oder Anfang 1991 Bemühungen gegeben habe, die dänische Zusammenarbeit bei der Marktaufteilung auf andere Märkte auszudehnen und die deutschen Hersteller einzubeziehen. Diese Versuche, zu denen auch die bilateralen Gespräche zwischen der Klägerin und ABB über eine informelle strategische Allianz zählten, seien sehr unregelmäßig gewesen.

38 An gleicher Stelle hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Gespräche zwischen der Klägerin und ABB neben der technischen Zusammenarbeit auch die Modalitäten für eine Aufteilung des deutschen Marktes unter ihnen betroffen hätten und dass die Klägerin ihre Unterstützung für die von ABB und den anderen dänischen Herstellern vereinbarte, auch für Deutschland geltende Erhöhung der Ausfuhrpreise um 6 % bis 8 % deutlich gemacht habe. Wie aus Aktennotizen des Geschäftsführers von ABB IC Møller im Anschluss an Treffen vom 12. Dezember 1990 und vom 4. Januar 1991 (Anhänge 30 und 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hervorgeht, beschränkten sich die Gespräche zwischen der Klägerin und ABB nicht auf eine technische Zusammenarbeit, sondern erstreckten sich auch auf eine mögliche Kooperation auf dem Markt. Nach der im Anschluss an das Treffen vom 4. Januar 1991 verfassten Aktennotiz (Anhang 30 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) wollten die beiden Unternehmen prüfen, wie ihre Marktposition informell koordiniert werden kann, während die Klägerin verschiedene Kunden unter den beiden Gesellschaften aufteilen und die damalige Marktposition in den Folgejahren beibehalten wollte. Ferner geht aus der im Anschluss an das Treffen vom 12. Dezember 1990 verfassten Aktennotiz (Anhang 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hervor, dass die Klägerin die von ABB angesprochenen Preiserhöhungen unterstützte und - falls sie gefragt würde - an einer Erhöhung um "6-8 % festhalten" wollte.

39 Auch wenn die Gespräche über eine Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und ABB dazu dienten, ihre Position auf dem deutschen Markt gegenüber den anderen dänischen Herstellern zu stärken, statt mit ihnen zusammenzuarbeiten, hat die Kommission die Zustimmung der Klägerin zu den von ABB angekündigten Preiserhöhungen zu Recht als "unregelmäßigen Versuch" im Rahmen des Beitritts der deutschen Hersteller zum dänischen Kartell angesehen.

40 Die von ABB im Anschluss an das Treffen vom 12. Dezember 1990 verfasste Aktennotiz ist nämlich im Licht aller von der Kommission gesammelten Beweise zu sehen, aus denen sich u. a. ergibt, dass ABB und die übrigen dänischen Hersteller bei einem Treffen am 22. November 1990 vereinbarten, eine Erhöhung ihrer Preise auf den Ausfuhrmärkten zu koordinieren, die bei Dansk Rørindustri 6 %, bei ABB 7 % oder 8 % und bei Løgstør und Tarco 10 % betragen sollte (Anhang 19 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Antwort von Tarco vom 26. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996). Da ABB der Klägerin bei dem Treffen am 12. Dezember 1990, bei dem sich die Klägerin mit der Übernahme der Preiserhöhungen von ABB einverstanden erklärte, zugleich Informationen "über [ihre] spätesten, strategischen Zusammenarbeitsrelationen im Norden und ebenfalls über [ihre] Situation in Deutschland" lieferte und auch die Preispolitik aller anderen dänischen Hersteller angesprochen wurde (Anhang 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), konnte der Klägerin nicht verborgen bleiben, dass sich die von ABB genannten Preiserhöhungen aus einer Zusammenarbeit der dänischen Hersteller bei den Preisen ergaben. Da die Klägerin von den koordinierten Preiserhöhungen der dänischen Hersteller wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die aus einer solchen Zuwiderhandlung erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, kann ihre Zustimmung zu diesen Preiserhöhungen als - wenn auch teilweiser und zeitweiliger - Beitritt zu der von diesen anderen Herstellern getroffenen Absprache angesehen werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 203). Dabei spielt es keine Rolle, dass die übrigen dänischen Hersteller von der Vereinbarung zwischen der Klägerin und ABB nichts gewusst haben sollen.

41 Folglich war die Kommission zu der Feststellung in Randnummer 135 der Entscheidung berechtigt, dass die Klägerin schon im Anfangsstadium in die Kollusion einbezogen gewesen sei, auch wenn dieses Bündnis nur wenige Monate gehalten habe.

42 Die Antwort von ABB vom 4. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 (im Folgenden: Antwort von ABB) führt insoweit nicht zu einer anderen Beurteilung der Beweise. Ihre Antwort, dass sie keinen Beweis für eine Vereinbarung zwischen ihr und der Klägerin gefunden habe, kann den Beweiswert ihrer eigenen Aktennotizen in den Anhängen 30 und 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beeinträchtigen.

43 Zweitens wird in Randnummer 40 der Entscheidung eine Vereinbarung der dänischen Hersteller vom Oktober 1991 über die Vergabe eines Auftrags in Turin angesprochen. Hierzu genügt die Feststellung, dass sich die Existenz einer solchen Vereinbarung aus den übereinstimmenden Erklärungen von ABB (Antwort von ABB) und Løgstør (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) ergibt. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin im Schriftwechsel vom 16. und 25. Juli 1991 zwischen Løgstør und ihrer deutschen Tochtergesellschaft zum fraglichen Projekt (Zusatzdokumente Nrn. 1 bis 3 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) und in einem internen Vermerk von ABB IC Møller vom 15. Oktober 1991 zum gleichen Projekt (Anhang 32 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) erwähnt wird, war die Kommission berechtigt, in Randnummer 40 der Entscheidung den Schluss zu ziehen, dass sich die Klägerin im Juli 1991 an Diskussionen mit ihren dänischen Wettbewerbern über eine Aufteilung dieses Projekts beteiligt habe.

44 Drittens ist zu prüfen, ob die Kommission in den Randnummern 34 und 44 ihrer Entscheidung zutreffend die Ansicht vertreten hat, dass sich die Klägerin zusammen mit Henss/Isoplus der Vereinbarung angeschlossen habe, die im Herbst 1991 zwischen den dänischen Herstellern über eine Anhebung der Preise für 1992 außerhalb Dänemarks getroffen worden sei.

45 Dass es eine Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise für 1992 gab, haben sowohl ABB in ihrer Antwort als auch Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte anerkannt, auch wenn ABB erklärt, dass eine solche Vereinbarung bei dem Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 in Frankfurt geschlossen worden sei, während sie nach Angaben von Løgstør bei dem Treffen am 10. Dezember 1991 in Hamburg zustande kam. Zudem sind die von ABB in ihrer Antwort geschilderten und in Randnummer 44 der Entscheidung erwähnten entscheidenden Bestandteile der Vereinbarung in kurzen handschriftlichen Vermerken von Løgstør zum Treffen vom 10. Dezember 1991 (Anhang 36 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu finden, in denen u. a. die "Mindestpreisliste für Kunden", Preise "ab Werk + 7 %", "Monatliche Treffen" und die "Liste 13.1.92" erwähnt werden. Auf der Grundlage aller dieser Gesichtspunkte war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass spätestens um den 10. Dezember 1991 zumindest eine Vereinbarung über die Erhöhung der Bruttopreise getroffen wurde.

46 Die Beteiligung der Klägerin an dieser Vereinbarung wird durch die übereinstimmenden Erklärungen von Løgstør, nach deren Angaben das Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 das erste Treffen war, an dem auch die "deutschen Hersteller" teilnahmen (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte), und von ABB, die die Anwesenheit von Vertretern der Klägerin bei den Treffen am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 erwähnt (Antwort von ABB), hinreichend belegt. Angesichts des Inhalts der Gespräche am 9. oder 10. Oktober 1991 und am 10. Dezember 1991 hat die Kommission aus der Tatsache, dass an diesen Treffen Vertreter der Klägerin teilnahmen, zutreffend geschlossen, dass sie sich an der Vereinbarung über die Erhöhung der Preise beteiligte.

47 Dieser Schlussfolgerung steht das Telefax in Anhang 34 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht entgegen, mit dem der Geschäftsführer von ABB IC Møller dem Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft ABB Isolrohr am 26. August 1991 mitteilte, dass er sich mit Løgstør und Tarco auf eine Anhebung der Preise um 6 % ab 1. Januar 1992 geeinigt habe. Eine Erklärung vom August 1991, dass ABB, Tarco und Løgstør eine Preisabsprache getroffen hätten, vermag nicht auszuschließen, dass es im Oktober oder Dezember 1991 in einem größeren Kreis, zu dem auch die Klägerin gehörte, eine vergleichbare Vereinbarung gab. Davon abgesehen ist es wenig wahrscheinlich, dass die drei genannten Hersteller im August 1991 tatsächlich eine solche Absprache trafen, denn nach den Erläuterungen von ABB in ihrer Antwort, denen die Kommission nicht widersprochen hat, wurde ABB Isolrohr fälschlich eine Preisabsprache angekündigt, um ihr die Durchsetzung einer Preiserhöhung bei ihren Vertriebshändlern zu erleichtern.

48 Viertens hat die Kommission ordnungsgemäß nachgewiesen, dass die Klägerin in den Jahren 1992 und 1993 am Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm, der Ende 1993 zu einer Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes führte.

49 Zunächst ergibt sich aus einem Vermerk, der von Dansk Rørindustri bei einem Treffen im Jahr 1992 verfasst wurde (Anhang 37 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), und aus ihrer Antwort vom 23. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996, dass Informationen über die 1992 bestehenden und die für das folgende Jahr erwarteten Marktanteile der dänischen Hersteller, der Klägerin und von Henss/Isoplus ausgetauscht wurden. An dem Treffen am 10. November 1992, bei dem nach den dort von Tarco angefertigten Notizen (Anhang 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) Zahlen in Bezug auf die Marktanteile ausgetauscht wurden, nahm die Klägerin teil, wie durch die Einladungsschreiben zu diesem Treffen (Anhänge 42 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch Tarco in ihrer Antwort vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 bestätigt wird. Ferner ergibt sich aus dieser Antwort von Tarco, dass die in Anhang 49 der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Zahlenangaben zu den Marktanteilen der Unternehmen auf den verschiedenen nationalen Märkten, einschließlich der Marktanteile der Klägerin, am 19. April 1993 ausgetauscht wurden, also einen Tag vor dem Treffen am 20. April 1993, an dem die Klägerin unstreitig teilnahm.

50 Überdies hat ABB in Bezug auf die Aufteilung des deutschen Marktes eingeräumt, dass die Hersteller nach einer Buchprüfung zur Ermittlung ihrer Umsatzzahlen für 1992 am 18. August 1993 eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes entsprechend den Marktanteilen im Jahr 1992, über die Erstellung einer neuen einheitlichen Preisliste und über die spätere Ausarbeitung eines Planes für Sanktionen getroffen hätten (Antwort von ABB). Die Verhandlungen über die Verteilung der Marktanteile seien bei den Treffen am 8. oder 9. September 1993 in Kopenhagen und dann in Frankfurt fortgesetzt worden (Antwort von ABB).

51 Hinsichtlich der Buchprüfung zur Ermittlung der Umsatzzahlen für 1992 entspricht die Darstellung von ABB den Schlüssen, die aus einem Vermerk von ABB IC Møller vom 19. August 1993 (Anhang 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu ziehen sind, der eine Tabelle enthält, in der für die dänischen Hersteller sowie für die Klägerin und Henss/Isoplus Umsatz und Marktanteil für 1992 sowie eine den für 1994 vorgesehenen Marktanteil repräsentierende Zahl angegeben sind. Nach Angaben von ABB wurden die Daten über Umsätze und Marktanteile der betreffenden Unternehmen von einer Schweizer Prüfungsgesellschaft geliefert (Antwort von ABB). Løgstør hat in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass es eine Buchprüfung durch eine Schweizer Prüfungsgesellschaft gab. Sie behauptet zwar, dass sie nur eine Prüfung der Verkäufe ihres Vertriebshändlers in Deutschland verlangt habe, um zuverlässige Daten über das Gesamtvolumen des deutschen Marktes zu liefern, doch ist es schwer vorstellbar, dass ein Unternehmen mit einer Prüfungsgesellschaft zusammenarbeitet und ihr seine Umsatzzahlen allein deshalb zur Verfügung stellt, um anschließend seinen eigenen Anteil am Gesamtmarkt ermitteln zu können, während die übrigen Unternehmen, die derselben Prüfung zugestimmt haben, davon ausgehen, dass ihnen alle Informationen über die Marktanteile übermittelt werden.

52 Hinsichtlich des Abschlusses einer Grundsatzvereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes wird die von ABB in ihrer Antwort vertretene These, dass sich die Unternehmen im August 1993 über die Aufteilung des deutschen Marktes geeinigt hätten, auch wenn die genauen Marktanteile jedes Beteiligten noch Gegenstand von Verhandlungen gewesen seien, die von Treffen zu Treffen fortgesetzt worden seien, nicht nur durch die Nennung der Marktanteile für 1994 im oben genannten Vermerk von ABB IC Møller, sondern auch durch einen Vermerk der Klägerin vom 18. August 1993 (Anhang 52 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und durch einen damals unterbreiteten Vorschlag von ABB (Anhang 7 der Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, im Folgenden: Vorschlag von ABB) bestätigt, die zusammengenommen zeigen, dass im August und im September 1993 weiter über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland verhandelt wurde.

53 Zum einen werden solche Verhandlungen durch den oben genannten Vermerk vom 18. August 1993 bestätigt, den die Klägerin für ihre Muttergesellschaft über einen Besuch bei Løgstør am 3. August 1993 erstellte und aus dem hervorgeht, dass die Klägerin darüber informiert wurde, dass Løgstør "an Preisabsprachen grundsätzlich interessiert [ist], aber nur wenn [ihr] Marktanteil... stimmt", und dass sie "in Absprache mit ABB Anstrengungen [unternimmt,] um Tarco in DK und D unter Kontrolle zu bringen".

54 Zum anderen wird durch den Vorschlag von ABB bestätigt, dass im September 1993 hinsichtlich der Marktaufteilung nur noch die Höhe der individuellen Quoten erörtert zu werden brauchte. Der Vorschlag von ABB, der ein System zur Aufteilung des deutschen Marktes betraf, das auf der Buchprüfung in Bezug auf die Umsätze, den bei Überschreitung der zugeteilten Quoten zu leistenden Zahlungen und einer einheitlichen Preisliste beruhte, ging nach den Angaben, die Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gemacht hat, im September 1993 bei ihr ein und wurde von der Klägerin und Henss/Isoplus unterstützt. Die in diesem Vorschlag enthaltenen Prozentsätze der Marktanteile entsprechen den Zahlen im oben genannten Vermerk von ABB IC Møller ("26" für die Klägerin, "25" für ABB Isolrohr, "12" für Løgstør, "4" für Dansk Rørindustri), außer bei Tarco und Henss/Isoplus, denen im letztgenannten Schriftstück "17" und "16" zugeteilt werden, während im Vorschlag von ABB "17,7 %" und "15,3 %" aufgeführt sind. Zur Erhöhung des Anteils von Tarco ist festzustellen, dass nach den Angaben in der Antwort von ABB die Zahlen für 1994 im Vermerk von ABB IC Møller "die bei dem Treffen am 18. August [1993] getroffene Vereinbarung widerspiegeln, nach der diese Marktanteile mit geringen Anpassungen im Anschluss an die Erörterungen bei diesem Treffen für 1994 beibehalten werden sollten", und der Gegenstand des Treffens am 8. oder 9. September 1993 "die Fortsetzung der Verhandlungen über die Zuteilung der Marktanteile nach dem Bericht der [Schweizer Prüfungsgesellschaft] gewesen zu sein [scheint]: Tarco bestand offenbar darauf, 18 % des deutschen Marktes zu erhalten." Aus der Übereinstimmung zwischen den Angaben von ABB und der von ABB, der Klägerin und Henss/Isoplus im September 1993 vorgeschlagenen Erhöhung des Marktanteils von Tarco gegenüber dem im August 1993 im Vermerk von ABB IC Møller genannten Anteil ist zu schließen, dass es nach den Treffen im August und September 1993 eine Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes gab, auch wenn die Diskussion über die Quoten noch fortgesetzt wurde.

55 Die aufeinander folgenden Treffen, bei denen die Unternehmen die Aufteilung der Marktanteile erörterten, wären nicht möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit bei den Teilnehmern an diesen Treffen kein gemeinsamer Wille bestanden hätte, die Verkäufe auf dem deutschen Markt durch eine Aufteilung der Marktanteile auf die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer zu beschränken.

56 Unter diesen Umständen hat die Kommission aus der Fortsetzung von Treffen über die Aufteilung der Marktanteile im August und September 1993 zutreffend geschlossen, dass es zwischen den Teilnehmern an diesen Treffen eine Vereinbarung gab, die sich zumindest auf eine grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes erstreckte.

57 Da die Klägerin unstreitig den Treffen vom 18. oder 19. August 1993 und vom 8. oder 9. September 1993 beiwohnte und bei den Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes, wie aus Anhang 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervorgeht, für sie ein Marktanteil vorgesehen war, ist es als erwiesen anzusehen, dass sie an den Verhandlungen teilnahm, die etwa im September 1993 zu einer Einigung über die grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes führten.

58 Folglich ist die Kommission für die Zeit vor Oktober 1993 zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beteiligung der Klägerin zunächst ab etwa Dezember 1990 zusammen mit ABB und dann ab Oktober 1991 begann.

- Zur Aussetzung des Kartells ab Oktober 1993

59 Zum Zeitraum nach dem Zerfall der Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes im September/Oktober 1993 hat die Kommission selbst in der Entscheidung anerkannt, dass die wettbewerbswidrigen Aktivitäten auf dem Markt eine Zeit lang nicht bedeutsam waren und jedenfalls nicht nachgewiesen werden konnten.

60 In Randnummer 52 ihrer Entscheidung führt die Kommission aus, zu dieser Zeit seien die Preise auf den großen nationalen Märkten binnen weniger Monate um 20 % zurückgegangen. Die Hersteller hätten sich trotzdem weiterhin getroffen, auch wenn die mehrseitigen Treffen durch zwei- und dreiseitige Kontakte abgelöst worden seien. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Treffen hauptsächlich Bemühungen von ABB zum Gegenstand gehabt hätten, eine neue Vereinbarung zur Wiederherstellung der "Ordnung" auf diesen Märkten zustande zu bringen (Randnr. 52 Absatz 5 der Entscheidung). Es habe damals eine Reihe bilateraler Treffen gegeben - so auch ein Treffen der Klägerin mit Tarco am 22. Februar 1994 -, über die aber keinerlei Informationen vorhanden seien (Randnr. 52 Absatz 7 der Entscheidung).

61 In Randnummer 53 ihrer Entscheidung fügt die Kommission hinzu, die Treffen der sechs Hersteller seien am 7. März, 15. April und 3. Mai 1994 wieder aufgenommen worden. Bei den Zusammenkünften im März und April sei u. a. über Preiserhöhungen diskutiert worden, anscheinend jedoch ohne Ergebnis. Nach dem Treffen am 3. Mai 1994, an dem die Klägerin, ABB, Henss/Isoplus und Løgstør teilgenommen hätten, sei jedoch eine Preisliste erarbeitet worden, die als Grundlage für alle Verkäufe auf dem deutschen Markt habe dienen sollen (Randnr. 54 Absatz 1 der Entscheidung). Bei einem Treffen der sechs größten Unternehmen mit Brugg am 18. August 1994 seien wahrscheinlich die Ausarbeitung einer neuen gemeinsamen Preisliste und die Einschränkung der Rabatte auf ein gemeinsam festgelegtes Maß vereinbart worden (Randnr. 56 Absatz 3 der Entscheidung).

62 Für die Zeit nach September/Oktober 1993 hat die Kommission folglich anerkannt, dass es, auch wenn die Kontakte zwischen den Unternehmen fortbestanden, keinen Beweis für eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag gibt, bis eine Erhöhung der Preise auf dem deutschen Markt ausgehandelt wurde. Zu diesen Verhandlungen heißt es in der Entscheidung, sie hätten erst nach dem Treffen am 3. Mai 1994 zu einer Vereinbarung geführt.

63 Ebenso vertritt die Kommission in dem der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts gewidmeten Teil der Entscheidung die Auffassung, dass es eine "Aussetzung" der Absprachen gegeben habe. Zunächst räumt die Kommission bei der Würdigung der Art des Verstoßes im vorliegenden Fall ein, dass - wenn auch eine Kontinuität zwischen dem dänischen und dem europaweiten Kartell bestanden habe, so dass eine einzige kontinuierliche Zuwiderhandlung vorliege - die Absprachen für kurze Zeit ausgesetzt worden seien (Randnr. 145 Absatz 3 der Entscheidung). Genauer gesagt weist die Kommission insoweit in Randnummer 141 Absatz 3 der Entscheidung für die Zeit von September 1993 bis März 1994 auf Folgendes hin: "Eine Unterbrechung dieser Art kann als Aussetzung der normalen Absprachen und Beziehungen angesehen werden. Schon bald erkannten die Hersteller jedoch, dass eine Fortführung des Machtkampfes nur schaden konnte, und kehrten an den Verhandlungstisch zurück." Ebenso trifft die Kommission bei der Würdigung der Dauer des Verstoßes folgende Feststellungen: "Für den Zeitraum von sechs Monaten vom Oktober 1993 bis zum März 1994 können die Absprachen als suspendiert gelten, wobei (nach Aussage von ABB) zweiseitige und dreiseitige Gespräche fortgesetzt wurden. Im Mai 1994 waren die Absprachen in Deutschland mit der Einführung der Euro-Preisliste wieder aktiviert worden..." (Randnr. 152 Absatz 1 der Entscheidung).

64 Im Übrigen wird die Tatsache, dass die Kommission eine solche Aussetzung berücksichtigt hat, durch die Beurteilung der Dauer der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Geldbuße bestätigt. Der Ausgangspunkt der Geldbuße der Klägerin wurde aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung von Dezember 1990 bis März/April 1996 um den Faktor 1,33 erhöht, während bei ABB, Løgstør, Tarco und Dansk Rørindustri wegen ihrer Beteiligung am Kartell von November/Dezember 1990 bis März/April 1996 eine Erhöhung um den Faktor 1,4 vorgenommen wurde. Auch wenn die Entscheidung in Bezug auf die Geldbuße der Klägerin keine speziellen Erläuterungen zu diesem Punkt enthält, geht aus ihren Randnummern 170, 175 und 178 zusammen genommen hervor, dass sowohl bei der Klägerin als auch bei Løgstør, Tarco und Dansk Rørindustri eine stärkere Erhöhung erfolgt wäre, wenn der Zeitraum der Aussetzung keine Berücksichtigung gefunden hätte. Aus den Randnummern 175 und 178 der Entscheidung ergibt sich, dass die Dauer der Zuwiderhandlung bei allen diesen Unternehmen anhand der bei ABB herangezogenen Dauer ermittelt wurde. Zu der bei ABB herangezogenen Dauer heißt es aber in Randnummer 170 der Entscheidung, dass die Aussetzung der Vorkehrungen von Ende 1993 bis Anfang 1994 zu den Faktoren gehöre, die von der Kommission berücksichtigt worden seien, als sie die Erhöhung wegen der Dauer festgesetzt habe.

65 Somit hat die Kommission der Klägerin in der Entscheidung nicht vorgeworfen, von Oktober 1993 bis März 1994 an wettbewerbswidrigen Aktivitäten teilgenommen zu haben.

- Zur Beteiligung der Klägerin ab Mai 1994

66 In Bezug auf die Fortsetzung des Kartells hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Klägerin nach dem Treffen am 3. Mai 1994 an einer Vereinbarung über eine Preisliste für den deutschen Markt und dann ab Herbst 1994 an einer Vereinbarung über eine Quotenregelung für den europäischen Markt mitwirkte.

67 Die Klägerin bestreitet nicht, bei dem Treffen am 3. Mai 1994 vertreten gewesen zu sein. Insoweit werden die Angaben von ABB, dass es eine Preisliste gegeben habe, die nach diesem Treffen bei allen Lieferungen an deutsche Anbieter angewandt werden sollte (Antwort von ABB), durch das Schreiben vom 10. Juni 1994 bestätigt, mit dem der Koordinator des Kartells Herrn Henss und die Geschäftsführer der Klägerin, von ABB, von Dansk Rørindustri, von Løgstør und von Tarco zu einem für den 18. August 1994 vorgesehenen Treffen einlud (Anhang 56 der Mitteilung der Beschwerdepunkte); darin heißt es:

"[Der] Termin für die vereinbarte Besprechung über [die] Marktsituation in [der BRD] ist jetzt auf

Donnerstag 11 Uhr, den 18. August 1994,... festgelegt.

Da die Liste vom 9. Mai 1994 in einigen Positionen unvollständig ist und es somit bei Angebotsvergleichen zu erheblichen Konfrontationen und Interpretationsunterschieden geführt hat, erlaube ich mir, die fehlenden Positionen durch beiliegende Liste zu ergänzen."

68 Aus diesem Schreiben geht hervor, dass es eine Preisliste gab, die bei der Abgabe von Angeboten angewandt werden sollte und bereits angewandt wurde, auch wenn dabei Probleme aufgetreten waren. Die Existenz einer solchen Liste wird durch Tarco in ihrer Antwort vom 31. Mai 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996 bestätigt, in der eine vom Koordinator des Kartells den Geschäftsführern "vermutlich im Mai 1994" übermittelte Preisliste erwähnt wird. Nach der Antwort von ABB wurden sodann bei dem Treffen am 18. August 1994, in Bezug auf das die Klägerin ihre Teilnahme nicht bestreitet, Maßnahmen zur "Verbesserung" des Preisniveaus in Deutschland erörtert. Unter diesen Umständen durfte die Kommission die Beteiligung der Klägerin an der Preisliste aus ihrer Anwesenheit bei den Treffen am 3. Mai und 18. August 1994 schließen.

69 Schließlich hat die Kommission in Bezug auf die globale Aufteilung des europäischen Marktes in Randnummer 59 der Entscheidung ausgeführt, dass bei dem Treffen am 30. September 1994 grundsätzliche Übereinstimmung darüber erzielt worden sei, für den europäischen Markt ein Quotensystem mit Einzelvorgaben für jeden nationalen Markt zu vereinbaren und dann der niedrigeren Ebene der Kontaktgruppen zur Umsetzung zu überlassen (Randnr. 59 Absatz 4 der Entscheidung).

70 Die Klägerin räumt ein, an einem Treffen vom 12. Oktober 1994 teilgenommen zu haben, bei dem ABB vorgeschlagen habe, den europäischen Markt aufzuteilen, und unter den Teilnehmern Einigkeit darüber bestanden habe, dass Maßnahmen gegen den Preiswettbewerb getroffen werden müssten, ohne dass sie eine Vereinbarung erzielt hätten; ferner räumt sie ein, dass bei einem Treffen am 16. November 1994 eine Grundvereinbarung über die Aufteilung des europäischen Marktes zustande gekommen sei (Antwort der Klägerin vom 17. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996). In Anbetracht dessen, dass das Treffen am 12. Oktober 1994 entgegen der Behauptung der Klägerin nicht das erste Treffen zur Aufteilung des europäischen Marktes war, sind die dort geführten Gespräche über die Aufteilung des europäischen Marktes als Bestätigung für die grundsätzliche Vereinbarung zwischen den Teilnehmern bei dem Treffen vom 30. September 1994 anzusehen, zumal der Zeitpunkt, zu dem der Klägerin zufolge eine Vereinbarung getroffen worden sein soll - der 16. November 1994 -, dem Zeitpunkt entspricht, zu dem nach den Ausführungen von ABB die grundsätzliche Vereinbarung durch eine Vereinbarung über die Festlegung der individuellen Marktanteile konsolidiert wurde (Antwort von ABB), und zumal die Klägerin angibt, dass bei dem Treffen am 12. Oktober 1994 allein deshalb keine Vereinbarung zustande gekommen sei, weil die von den Teilnehmern verlangten Marktanteile nicht realisierbar gewesen seien (Antwort der Klägerin vom 17. Juni 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996). Unter diesen Umständen ist es als erwiesen anzusehen, dass sich die Klägerin seit ihrer Teilnahme am Treffen vom 12. Oktober 1994, von dem sie sich später nicht distanzierte, an einer grundsätzlichen Vereinbarung über die Aufteilung des europäischen Marktes beteiligte.

71 Da die Klägerin einräumt, von Dezember 1994 bis März 1996 am Kartell teilgenommen zu haben, hat die Kommission für die Zeit nach Oktober 1993 rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sich die Klägerin mit Ausnahme des Zeitraums von Oktober 1993 bis etwa März 1994, während dessen die Absprachen ausgesetzt waren, bis mindestens März oder April 1996 am Kartell beteiligte.

72 Dass die Klägerin ab Mai 1994 wieder am Kartell mitwirkte, während in der Entscheidung nur eine Aussetzung bis "etwa März 1994" berücksichtigt wurde, kann nicht zur Nichtigkeit der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung durch die Kommission führen, da nach Randnummer 170 der Entscheidung die Aussetzung des Kartells für einige Monate jedenfalls nur einer von mehreren Faktoren bei der Ermittlung der Auswirkungen der bei der Berechnung der Geldbuße heranzuziehenden Dauer der Zuwiderhandlung war, so dass die genannten Auswirkungen nicht davon abhingen, wie viele Monate die Kartellabsprachen genau ausgesetzt waren.

73 Angesichts der vorstehenden Feststellungen ist das Vorbringen der Klägerin, sie sei zu dieser Zeit nicht auf dem dänischen Markt tätig gewesen und habe auch nicht an Treffen zum dänischen Kartell teilgenommen, irrelevant, da ihr in der angefochtenen Entscheidung für die Zeit vor Ende 1994 nur der Beitritt zum Kartell für den deutschen Markt vorgeworfen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Versuch der Klägerin, auf den dänischen Markt vorzudringen, auf dem Wunsch beruhte, ein stärkeres Druckmittel für die Verhandlungen über eine Preiserhöhung auf dem deutschen Markt zu erlangen.

74 Auch das Vorbringen, keine Preisabsprache habe tatsächlich zu einer Preiserhöhung geführt, ist irrelevant. Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390, Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 99, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-199/92 P, Hüls/Kommission, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 178; Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 87). Überdies kann die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, das mit anderen Unternehmen an Treffen teilgenommen hat, bei denen Beschlüsse über die Preise gefasst wurden, nicht an die vereinbarten Preise hält, den wettbewerbswidrigen Zweck dieser Treffen und folglich auch die Beteiligung des betreffenden Unternehmens an den Absprachen nicht beseitigen, sondern würde allenfalls beweisen, dass es die fraglichen Vereinbarungen nicht durchgeführt hat (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 79).

75 Schließlich spielt es keine Rolle, dass andere an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen erklärt haben, es habe vor Ende 1994 kein Kartell außerhalb des dänischen Marktes gegeben, denn die Existenz eines solchen Kartells und die Beteiligung der Klägerin an ihm ergibt sich aus allen oben genannten Beweisen und insbesondere aus mehreren bei den betreffenden Unternehmen gefundenen Schriftstücken und aus Aussagen einiger dieser Unternehmen.

76 Aus all diesen Gründen ist die Rüge einer falschen Beurteilung der Dauer der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung zurückzuweisen.

B - Zur rechtlichen Würdigung der Zuwiderhandlung in der Zeit vor Ende 1994

1. Vorbringen der Parteien

77 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe für die Zeit vor Ende 1994 nicht nachgewiesen, dass es ein dauerhaftes, auf einem gemeinsamen Plan beruhendes Kartell oder ein auf abgestimmten Verhaltensweisen beruhendes Parallelverhalten gegeben habe. Bei den Zusammenkünften, deren Existenz eingeräumt werde, sei es nur zu Versuchen der Annäherung gekommen.

78 Die Auffassung in Randnummer 132 der Entscheidung, es sei nicht erforderlich, den Sachverhalt unter die beiden Erscheinungsformen des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu subsumieren und damit eine Unterscheidung zwischen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zu treffen, sei falsch. Außerdem gehe die Kommission von einem irrigen Standpunkt aus, wenn sie in Randnummer 134 der Entscheidung geltend mache, es sei nicht erforderlich "nachzuweisen, dass jeder angeblich an der Vereinbarung Beteiligte in jedem einzelnen Aspekt oder jeder einzelnen Ausprägung während seiner Zugehörigkeit zum gemeinsamen Plan beteiligt war, dazu seine ausdrückliche Zustimmung gab oder sich dieser Aspekte oder Ausprägungen überhaupt bewusst war".

79 Angesichts der in der Entscheidung enthaltenen Feststellungen in Bezug auf die Klägerin, nach denen die Versuche zur Ausdehnung der dänischen Zusammenarbeit zu Beginn noch sehr unregelmäßig gewesen seien und die Mitwirkung der Klägerin von geringerer Dauer als die der Hauptteilnehmer des Kartells gewesen sei, hätte die Kommission nicht auf eine Zuordnung der Zuwiderhandlung zu den beiden Tatbestandsmerkmalen von Artikel 85 EG-Vertrag verzichten dürfen. Die Rechtsprechung verlange insoweit sowohl ein dauerhaftes Kartell auf der Basis eines gemeinsamen Planes als auch den Nachweis, dass das betroffene Unternehmen zumindest an den wesentlichen Aspekten dieses Kartells teilgenommen und den gemeinsamen Plan mitgetragen habe. Hätte die Kommission die Tatbestandsmerkmale von Artikel 85 getrennt geprüft, so hätte sie festgestellt, dass deren Voraussetzungen vor Ende 1994 nicht erfuellt gewesen seien.

80 Erstens fehle es an einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag, da weder ein gemeinsamer Plan noch eine Übereinkunft vorgelegen habe, wonach sich die Parteien zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet hätten. Selbst wenn man es für die Annahme einer Vereinbarung für ausreichend halte, dass die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, zum Ausdruck gebracht hätten, müsse man anerkennen, dass es im vorliegenden Fall an einem gemeinsamen Willen und einem übereinstimmenden Plan gefehlt habe, wie die Preiskriege zwischen 1991 und 1994 zeigten.

81 Zweitens habe keine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag vorgelegen, die u. a. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Parallelverhalten und einer Verhaltensabstimmung voraussetze. Vorliegend fehle es schon an einem Parallelverhalten der Unternehmen auf dem Markt, da es bis Ende 1994 einen heftigen Preiswettbewerb gegeben habe.

82 Die Beklagte erwidert, im streitigen Zeitraum habe es mehrere Verhaltensweisen gegeben, die bereits für sich genommen Vereinbarungen darstellten. Dazu gehöre erstens die "strategische Allianz" zwischen der Klägerin und ABB, die eine Vereinbarung über die Rahmenbedingungen einer Aufteilung des deutschen Marktes, die Bildung einer Struktur zur Umsetzung dieses Vorhabens und eine Preispolitik der Klägerin umfasst habe, die es ermöglicht habe, die kurz zuvor von den dänischen Herstellern beschlossene Preiserhöhung in Deutschland durchzuführen. Zweitens seien die Vereinbarungen über die im Oktober oder Dezember 1991 beschlossene Preiserhöhung, die im August oder September 1993 beschlossene Quotenregelung und die im Mai und August 1994 aufgestellte Preisliste einzubeziehen. Drittens scheine die Klägerin hinsichtlich der Aufteilung des europäischen Marktes nicht die Qualifikation als Vereinbarung zu bestreiten, sondern lediglich das Bezugsdatum.

83 Schließlich handele es sich bei dem Austausch von Marktinformationen in der Zeit von Oktober 1991 bis August 1993 jedenfalls um abgestimmte Verhaltensweisen, da die Teilnehmer nicht umhin gekonnt hätten, die erhaltenen Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens zu berücksichtigen. Zudem setze der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise nicht voraus, dass sich die Abstimmung in einem Parallelverhalten niedergeschlagen habe.

84 Ab Ende 1990 habe ein einziger Verstoß vorgelegen, der aufgrund eines einheitlichen kontinuierlichen Planes begangen worden sei. Die Erwägung in Randnummer 134 der Entscheidung betreffe nur den einheitlichen Charakter des Kartells, nicht aber den Umfang der Beteiligung der einzelnen Unternehmen.

2. Würdigung durch das Gericht

85 Das Vorbringen der Klägerin ist dahin zu verstehen, dass sie sich gegen die Einstufung ihres Verhaltens vor Ende 1994 als Beteiligung an Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag und als Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung wendet.

- Zur Beteiligung an Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen vor Ende 1994

86 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86; Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 120).

87 Die Kommission hat in Randnummer 135 der Entscheidung ausgeführt, es habe Ende 1990 zwischen den vier dänischen Herstellern eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gegeben, die sich u. a. auf abgestimmte Preiserhöhungen auf den Ausfuhrmärkten erstreckt habe, und die Zusammenarbeit zwischen den dänischen Herstellern habe sich, wenn auch erst unsystematisch und in embryonaler Form, auf andere Märkte ausgeweitet; sie hat hinzugefügt: "Über seine in die Kartellbelange hineinreichende Vereinbarung mit ABB wurde auch Pan-Isovit schon im Anfangsstadium in die Kollusion einbezogen, auch wenn das Bündnis nur wenige Monate hielt."

88 Insoweit ist auf die obigen Ausführungen in den Randnummern 39 bis 41 zu verweisen, wonach die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die Klägerin durch ihre Zustimmung zu den von ABB angekündigten Preiserhöhungen - wenn auch teilweise und zeitweilig - der von den dänischen Herstellern getroffenen Absprache über die Ausfuhrpreise beitrat.

89 Zur späteren Beteiligung der Klägerin an den Absprachen hat die Kommission in Randnummer 137 der Entscheidung die Ansicht vertreten, dass es für die Märkte außerhalb Dänemarks vor 1994 zumindest eine ausdrückliche Vereinbarung über die Erhöhung der Preise in Deutschland ab 1. Januar 1992, über die Preisvorgaben und die Aufteilung von Projekten in Italien und über eine Quotenregelung für die Marktanteile im August 1993 gegeben habe.

90 Hierzu ist oben in den Randnummern 44 bis 57 festgestellt worden, dass die Kommission auf der Grundlage aller von ihr gesammelten Beweise die Auffassung vertreten durfte, dass sich die Klägerin der spätestens am 10. Dezember 1991 getroffenen Vereinbarung über die Erhöhung zumindest der Bruttopreise und einer spätestens im September 1993 vereinbarten Aufteilung des deutschen Marktes angeschlossen hatte. Was die Aufteilung der Projekte in Italien anbelangt, so hat die Kommission die Beteiligung der Klägerin an Gesprächen über die Aufteilung des Projekts in Turin ordnungsgemäß nachgewiesen (siehe oben, Randnr. 43). Da die Klägerin, sei es auch ohne aktive Beteiligung, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnahm und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanzierte, so dass sie den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass sie dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, kann der Nachweis als erbracht angesehen werden, dass sie sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligte (vgl. die oben in Randnr. 35 angeführte Rechtsprechung).

91 Zudem geht - wie oben in den Randnummern 66 bis 68 ausgeführt - aus den von der Kommission gesammelten Beweisen hervor, dass die Klägerin an einer Vereinbarung über eine Preisliste teilnahm, die bei den Treffen im Mai und im August 1994 zustande kam.

92 Die Kommission hat somit rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sich die Klägerin vor Ende 1994 an den genannten Vereinbarungen über die Preise und die Marktaufteilung beteiligte. Es spielt insoweit keine Rolle, ob es damals auf dem Markt einen Preisverfall gab, denn die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung brauchen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte (vgl. die oben in Randnr. 74 angeführte Rechtsprechung).

93 Zur Existenz aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen vor Ende 1994 ist festzustellen, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung bei der abgestimmten Verhaltensweise um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen handelt, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 26; Urteil Hüls/Kommission, Randnr. 158).

94 Nach dieser Rechtsprechung sind die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat nimmt den Wirtschaftsteilnehmern zwar nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder der erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht dessen normalen Bedingungen entsprechen (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 173 und 174, Hüls/Kommission, Randnrn. 159 und 160, und Rhône-Poulenc/Kommission, Randnr. 121).

95 Zudem setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise, wie sich schon aus dem Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ergibt, über die Abstimmung zwischen den Unternehmen hinaus ein dieser entsprechendes Marktverhalten und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden voraus (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 118, und Hüls/Kommission, Randnr. 161).

96 In diesem Kontext sind die Ausführungen der Kommission in Randnummer 138 Absatz 2 der Entscheidung zu beurteilen, wo es heißt: "Selbst wenn der Begriff der "Vereinbarung" auf einzelne Stufen des Verhandlungsprozesses, der zur umfassenden Vereinbarung führt, nicht anwendbar ist, fällt das fragliche Verhalten als abgestimmte Verhaltensweise dennoch unter das Verbot des Artikels 85." Die Kommission kennzeichnet die regelmäßigen Treffen als "Forum für... den Austausch normalerweise vertraulicher geschäftlicher Informationen[, das] zwangsläufig ein bestimmtes Maß an gegenseitigem Einverständnis, Reziprozität und bedingter oder partieller Einigung über [das] Verhalten bewirkt haben muss", und hebt hervor, dass "die Beteiligten keinesfalls umhin [konnten], die bei diesen regelmäßigen Treffen erhaltenen Informationen direkt oder indirekt zu berücksichtigen".

97 Für die Zeit vor Oktober 1994 bestätigen mehrere Schriftstücke, dass die Klägerin 1992 und 1993 mehrfach an einem Informationsaustausch über die Marktanteile teilnahm. Dabei handelt es sich, wie oben in den Randnummern 49 und 51 ausgeführt, um die Schriftstücke in den Anhängen 37, 44, 49 und 53 der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

98 Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und Hüls/Kommission, Randnr. 162). Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 121, und Hüls/Kommission, Randnr. 162).

99 Zudem fällt nach der Rechtsprechung eine abgestimmte Verhaltensweise selbst dann unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, wenn auf dem Markt keine wettbewerbswidrigen Wirkungen eintreten. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen ebenso wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird. Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass sich dieses Verhalten konkret in einer Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (vgl. Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 122 bis 124, und Hüls/Kommission, Randnrn. 163 bis 165).

100 Folglich kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass es vor Ende 1994 nur Versuche der Annäherung gegeben habe und dass die Kommission die Existenz eines dauerhaften, auf einem gemeinsamen Plan beruhenden Kartells oder eines auf abgestimmten Verhaltensweisen beruhenden Parallelverhaltens nicht nachgewiesen habe.

101 Somit ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, soweit sie der Kommission vorwirft, einen Rechtsfehler begangen zu haben, als sie ihr Verhalten vor Ende 1994 als Beteiligung an Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag eingestuft habe.

- Zur Beteiligung der Klägerin an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

102 Die Klägerin wirft der Kommission vor, dadurch einen Rechtsfehler begangen zu haben, dass sie ihr in den Randnummern 132 und 134 der Entscheidung die Teilnahme an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zur Last gelegt habe.

103 Die fraglichen Abschnitte gehören zu den Erwägungen, die in der Entscheidung unter der Überschrift "Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" angestellt werden und in deren Rahmen die Kommission zunächst ihre Auslegung der Begriffe "Vereinbarung" und "aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" darstellt (Randnrn. 129 und 130 der Entscheidung) und dann die Gründe erläutert, aus denen sie sich für berechtigt hielt, das Verhalten der Unternehmen als eine kontinuierliche Zuwiderhandlung zu werten, ohne die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuordnen zu müssen (Randnrn. 131 bis 133 der Entscheidung). Sodann führt sie in Randnummer 134 der Entscheidung aus, es sei möglich, dass es nicht über alle Bestandteile des Kartells einen Konsens gegeben habe, dass keine förmliche Einigung über sämtliche Fragen zustande gekommen sei und dass die Beteiligten im Kartell unterschiedlich stark engagiert seien; keiner dieser Faktoren bedeute jedoch, dass das entsprechende Verhalten keine Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 darstelle, wenn es einen einzigen gemeinsamen und fortdauernden Zweck gebe. Vor dem letzten Abschnitt von Randnummer 134 der Entscheidung wird noch darauf hingewiesen, dass dem Kartell im Lauf der Zeit Mitglieder beitreten oder es verlassen könnten, ohne dass es so zu behandeln wäre, als wäre jede Änderung des Kreises der Beteiligten gleichbedeutend mit einer neuen Vereinbarung.

104 Bei einer komplexen Zuwiderhandlung, an der mehrere Hersteller über mehrere Jahre beteiligt waren und deren Ziel die gemeinsame Regulierung des Marktes war, kann nach ständiger Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie die Zuwiderhandlung für jedes Unternehmen zu den einzelnen Zeitpunkten entweder als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert, da jedenfalls beide Formen der Zuwiderhandlung von Artikel 85 EG-Vertrag umfasst werden. Die Kommission ist daher berechtigt, eine solche einheitliche Zuwiderhandlung als "Vereinbarung und abgestimmte Verhaltensweise" oder als Vereinbarung "und/oder" abgestimmte Verhaltensweise zu qualifizieren, wenn diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufweist, die als "Vereinbarung" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die als "abgestimmte Verhaltensweise" einzustufen sind (Urteil Hercules Chemicals/Kommission vom 17. Dezember 1991, Randnr. 264). Es wäre gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen (Urteil Hercules Chemicals/Kommission vom 17. Dezember 1991, Randnr. 263).

105 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin durfte die Kommission davon ausgehen, dass es für sie in einem solchen Fall nicht erforderlich ist, die Zuwiderhandlung ausschließlich der einen oder anderen Erscheinungsform - Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise - zuzuordnen.

106 Der Vergleich zwischen den Begriffen der Vereinbarung und der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zeigt, dass beide in subjektiver Hinsicht Formen der Kollusion erfassen, die in ihrer Art übereinstimmen, und dass sie sich nur in ihrer Intensität und ihren Ausdrucksformen unterscheiden. Somit umfassen diese Begriffe teilweise unterschiedliche Merkmale, sind aber untereinander nicht unvereinbar. Daher braucht die Kommission nicht jede der festgestellten Handlungen als Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen, sondern kann einige dieser Handlungen als Vereinbarungen und andere subsidiär als abgestimmte Verhaltensweisen einstufen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 131 und 132).

107 Eine solche Auslegung hat keine inakzeptablen Folgen für die Beweisführung. Zum einen bleibt es dabei, dass die Kommission für jede festgestellte Handlung nachzuweisen hat, dass sie als Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise oder Beschluss einer Unternehmensvereinigung unter das Verbot in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Zum anderen können die Unternehmen, denen eine Teilnahme an der Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, in Bezug auf jede dieser Handlungen gegen die Subsumtion oder die Subsumtionen, die die Kommission vorgenommen hat, einwenden, dass die Kommission nicht die Erfuellung des Tatbestands der verschiedenen geltend gemachten Zuwiderhandlungsformen nachgewiesen habe (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 134 bis 136).

108 Zur Behauptung der Kommission in Randnummer 134 der Entscheidung, es sei nicht erforderlich, nachzuweisen, dass jeder angeblich an der Vereinbarung Beteiligte in jedem einzelnen Aspekt oder jeder einzelnen Ausprägung während seiner Zugehörigkeit zum gemeinsamen Plan beteiligt gewesen sei, dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben habe oder sich dieser Aspekte oder Ausprägungen überhaupt bewusst gewesen sei, geht aus dem Kontext des oben wiedergegebenen Abschnitts hervor, dass er nur als Klarstellung der Bedingungen verstanden werden kann, unter denen ein Kartell nach Ansicht der Kommission als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung angesehen werden kann, ohne jedoch die Frage zu betreffen, inwieweit eine solche Zuwiderhandlung den daran beteiligten Unternehmen zugerechnet werden kann.

109 Diese Auslegung der Entscheidung wird auch durch deren Randnummer 148 bestätigt, wo es ausdrücklich heißt: "Es wird nicht behauptet, dass jeder Adressat dieser Entscheidung in jedem Aspekt an den dargelegten wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt war oder während der gesamten Dauer des Verstoßes beteiligt war. Die Rolle der einzelnen Unternehmen und der Umfang ihrer Mitwirkung werden in dieser Entscheidung vollständig beschrieben..." (Randnr. 148 Absatz 2 Buchstabe b der Entscheidung).

110 Schließlich genügt zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe die Existenz eines fortgesetzten Kartells nicht nachgewiesen, der Hinweis auf alle zuvor getroffenen Feststellungen, wonach die Kommission die Dauer der Beteiligung der Klägerin insbesondere unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem die Tätigkeiten des Kartells ausgesetzt waren, zutreffend beurteilt hat.

111 Folglich hat die Kommission mit ihrer Einstufung des fraglichen Kartells als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung keinen Rechtsfehler begangen.

112 Daher ist die auf Fehler bei der rechtlichen Würdigung der Zuwiderhandlung in der Zeit vor Ende 1994 gestützte Rüge zurückzuweisen.

C - Zur Beteiligung an aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe

1. Vorbringen der Parteien

113 Die Klägerin trägt vor, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass sie sich nicht an Maßnahmen gegen Powerpipe beteiligt habe. Powerpipe habe in ihrer Beschwerde auch nicht behauptet, dass die Klägerin an irgendwelchen Maßnahmen gegen sie beteiligt gewesen sei oder diese in irgendeiner Weise gefördert oder befürwortet habe. Auch die anderen Kartellteilnehmer hätten die Klägerin nicht mit den Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe in Zusammenhang gebracht.

114 In der Entscheidung der Kommission werde sie im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen Powerpipe von 1992 bis Mitte 1995 nicht genannt. Die Kommission habe ihr gleichwohl zu Unrecht das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen von Maßnahmen aufgrund eines angeblich bei dem Treffen am 24. März 1995 konzipierten Planes zugerechnet. Ihre bloße Anwesenheit bei diesem Treffen beweise nicht, dass sie sich an Maßnahmen anderer Unternehmen beteiligt oder diese in irgendeiner Weise gefördert oder gebilligt habe. Die Kommission habe keinen Nachweis dafür erbracht, dass sie den angeblich in dieser Sitzung gefassten Beschlüssen zugestimmt habe. Sie folgere indessen aus dieser "nie erfolgten Zustimmung", dass die Klägerin auch die Verantwortung für die Maßnahmen zur Umsetzung der Beschlüsse übernommen habe.

115 In Bezug auf die angebliche Umsetzung der Maßnahmen gegen Powerpipe, die am 24. März 1995 beschlossen worden sein sollten, stütze sich die Kommission auf die Zusatzdokumente Nrn. 8 und 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht berücksichtigt werden dürften, da sie erst nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte herangezogen worden seien, und die jedenfalls keinen Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an solchen Maßnahmen lieferten.

116 Die im Zusatzdokument Nr. 8 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochene Weigerung der Klägerin, die Dillinger Stahlbau GmbH (DSD) zu beliefern, stelle keinesfalls eine Maßnahme gegen Powerpipe dar. Es habe sich dabei um eine Anfrage von DSD wegen eines Angebots für Röhren gehandelt, die für das Projekt in Leipzig-Lippendorf bestimmt gewesen seien; die Klägerin habe hierauf abschlägig antworten müssen, weil die nachgefragten Produkte teilweise nicht von ihr hergestellt worden oder jedenfalls nicht in der verlangten Nennweite verfügbar gewesen seien. DSD habe in ihrer Antwort vom 1. Oktober 1997 auf ein Auskunftsverlangen vom 16. September 1997 bestätigt, dass die Anfragen mündlich wegen zu großer Nennweite der Röhren abschlägig beschieden worden seien.

117 Auch die Zusatzdokumente Nrn. 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, in denen es um die Übernahme von Powerpipe gehe, stellten keinen Beweis für eine Beteiligung an Maßnahmen gegen Powerpipe dar. Im Hinblick auf die damalige verheerende Marktsituation habe es zu verschiedenen Zeitpunkten Überlegungen gegeben, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen oder diese zu erwerben. Diese Überlegungen seien also nicht das Ergebnis eines gemeinsamen Planes oder sonstiger wettbewerbswidriger Absprachen gewesen und hätten sich nicht ausschließlich auf Powerpipe bezogen.

118 Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin sei in der Entscheidung zu Recht für die Boykottmaßnahmen gegen Powerpipe verantwortlich gemacht worden. Die unstreitig bei dem Treffen am 24. März 1995 getroffenen Beschlüsse seien der Klägerin zuzurechnen, da sie an dem Treffen teilgenommen und sich nicht ausdrücklich von den dort gefassten Beschlüssen distanziert habe. Durch ihre Zustimmung zu den Beschlüssen vom 24. März 1995 habe die Klägerin naturgemäß die Verantwortung für die Maßnahmen zu deren Durchführung übernommen.

119 Die handschriftlichen Notizen auf dem Zusatzdokument Nr. 8 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zeigten, dass die Klägerin bei der Durchführung der Beschlüsse nicht nur neutrale Beobachterin gewesen sei. Zudem zeigten die Zusatzdokumente Nrn. 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass praktisch zur selben Zeit Gespräche über einen eventuellen Kauf von Powerpipe durch die Klägerin mit Unterstützung von ABB, Tarco und Henss stattgefunden hätten; dies könne nur mit der Absicht erklärt werden, Powerpipe als Konkurrenten auszuschalten.

2. Würdigung durch das Gericht

120 Zu den aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission der Klägerin in der Entscheidung nicht vorwirft, vor 1995 am strategischen Plan zur Ausschaltung von Powerpipe, an der Abwerbung wichtiger Mitarbeiter dieses Unternehmens oder an den ihm gegenüber im Zusammenhang mit der Ausschreibung des Projekts in Neubrandenburg geäußerten Drohungen beteiligt gewesen zu sein.

121 Ferner ist unstreitig, dass die Klägerin an dem Treffen in Düsseldorf am 24. März 1995 teilnahm, bei dem die Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf an Powerpipe erörtert wurde. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass es innerhalb des Kartells eine Vereinbarung gab, nach der das Projekt in Leipzig-Lippendorf einem aus ihr selbst, ABB und Henss/Isoplus bestehenden Konsortium zugedacht war.

122 Schließlich ergibt sich aus den Aufzeichnungen von Tarco über das Treffen am 24. März 1995 (Anhang 143 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), dass die Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf an Powerpipe Anlass zur Erörterung einer Reihe von Maßnahmen war. In diesen Aufzeichnungen heißt es:

"[Powerpipe] hat offenbar den Zuschlag für [das Projekt] Leipzig-Lippendorf erhalten.

- Keine Belieferung von L-L, IKR, Mannesmann-Seiffert, VEAG durch irgendeinen Hersteller.

- Alle Auskunftsersuchen über das Projekt sind [X] mitzuteilen.

- Keiner unserer Zulieferer darf für [Powerpipe] arbeiten; wenn sie dies tun, wird die künftige Zusammenarbeit eingestellt.

- Wir werden versuchen zu verhindern, dass [Powerpipe] Lieferungen von (z. B.) Kunststoff erhält.

- EuHP soll prüfen, ob wir uns darüber beschweren können, dass eine nicht qualifizierte Firma den Zuschlag erhielt."

123 Der wettbewerbswidrige Charakter der bei diesem Treffen erörterten Maßnahmen wird auch durch die Erklärung von Løgstør in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, dass Henss auf kollektive Maßnahmen gegen Powerpipe gedrängt habe.

124 Nimmt ein Unternehmen an einem Treffen mit offensichtlich wettbewerbswidrigem Zweck teil, ohne sich offen von dessen Inhalt zu distanzieren, so gibt es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme, dass es dem Ergebnis des Treffens zustimmt und sich daran halten wird (vgl. die oben in Randnr. 35 angeführte Rechtsprechung). Unter solchen Umständen reicht die Tatsache, dass bei dem Treffen, an dem das fragliche Unternehmen teilnahm, eine rechtswidrige Absprache erörtert wurde, als Beweis für seine Beteiligung an dieser Absprache aus.

125 Da bei dem Treffen am 24. März 1995 wettbewerbswidrige Maßnahmen erörtert wurden, sind alle Unternehmen, die an diesem Treffen teilnahmen, ohne sich offen zu distanzieren, als Beteiligte an der aus den fraglichen Maßnahmen bestehenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise anzusehen.

126 Folglich hat die Kommission einen stichhaltigen Nachweis für die Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung zur Schädigung von Powerpipe erbracht, da die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie sich vom Ergebnis des fraglichen Treffens distanziert hatte.

127 Diese Schlussfolgerung wird durch das Telefax bestätigt, das als Zusatzdokument Nr. 8 Bestandteil der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist, auch wenn es den Betroffenen erst nach dieser Mitteilung übersandt wurde. Auf diesem Telefax, mit dem DSD, die vom Zuschlagsempfänger des Projekts in Leipzig-Lippendorf als Lieferant für bestimmte Ummantelungen ausgewählt worden war, Lieferungen der Klägerin zur Durchführung des Projekts in Leipzig-Lippendorf nachfragte, befinden sich folgende handschriftliche Notizen:

"Herren Feldmann Dr. Henss

Ihre Reaktion auf dieses Fax? :)

lehmann Pan-Isovit Bitte auch mit Henss besprechen

Mit H. Henss gespr. Zur Diskussion 4.[?]5.95

H. Feldmann nicht err. [Unterschrift unleserlich] 2.5.95"

Diesen Notizen ist zu entnehmen, dass die Klägerin über die Bezugsprobleme von DSD zumindest erfreut war und es für angebracht hielt, die Lieferanfrage den beiden anderen Unternehmen zu übermitteln, die als "Favoriten" für das fragliche Projekt ausgewählt worden waren. Nach Angaben von Løgstør fand zudem am 5. Mai 1995 ein Treffen des Geschäftsführer-Clubs statt, bei dem diese beiden Unternehmen auf einem abgestimmten Vorgehen gegen Powerpipe bestanden hätten, um ihr jede Bedarfsdeckung zu erschweren (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte).

128 In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Klägerin - selbst wenn es zutrifft, dass sie die Lieferanfragen von DSD mündlich wegen zu großer Nennweite der nachgefragten Röhren abschlägig beschied - ein Verhalten zeigte, das gegenüber den übrigen Mitgliedern des Kartells die Durchführung der bei dem Treffen am 24. März 1995 erörterten Maßnahmen erleichterte, statt sich von diesen Maßnahmen zu distanzieren.

129 Die Klägerin kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, einen Boykott vorzunehmen, denn ein Boykott kann einem Unternehmen auch dann zugerechnet werden, wenn es sich nicht tatsächlich an dessen Durchführung beteiligt hat oder beteiligen konnte. Andernfalls würden Unternehmen, die Boykottmaßnahmen zugestimmt haben, aber keine Gelegenheit hatten, selbst zu ihrer Durchführung beizutragen, von jeder Verantwortung für ihre Beteiligung an der Vereinbarung befreit.

130 Ein Unternehmen, das sich an einer vielgestaltigen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eigene Handlungen beteiligt hat, die den Begriff der auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfuellen und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollen, kann für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen dieser Zuwiderhandlung an den Tag legen, wenn das betreffende Unternehmen nachweislich von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Beteiligten weiß oder es vernünftigerweise vorhersehen kann und bereit ist, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 203).

131 Insoweit ist das Vorbringen irrelevant, Powerpipe habe die Klägerin im Zusammenhang mit dem in ihrer Beschwerde angesprochenen Boykott nicht erwähnt, da diese vom 18. Januar 1995 stammende Beschwerde vor den oben genannten Boykottmaßnahmen erhoben wurde. Angesichts der Beweise, auf die sich die Kommission gestützt hat, ist es auch unerheblich, dass ein anderes Unternehmen, das am Treffen vom 24. März 1995 teilnahm, angegeben haben soll, dass seines Wissens kein Unternehmen außer ABB und Henss/Isoplus eine gegen Powerpipe gerichtete Vereinbarung durchgeführt habe.

132 Entgegen der Behauptung der Klägerin wird der von der Kommission gezogene Schluss, dass sich die Klägerin an den gemeinsamen Maßnahmen zur Schädigung von Powerpipe beteiligt habe, auch durch die Mitwirkung der Klägerin an den Versuchen zum Erwerb von Powerpipe bestätigt. Aus den Zusatzdokumenten Nrn. 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, die Bestandteil dieser Mitteilung sind, geht klar hervor, dass sich ABB, Henss/Isoplus und Tarco am 21. April 1995 verpflichteten, zum etwaigen Erwerb von Powerpipe durch die Klägerin beizutragen. Im Licht der Ergebnisse des Treffens am 24. März 1995 und angesichts dessen, dass ein Erwerb von Powerpipe durch die Schwächung von deren Marktposition erleichtert wurde, war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass die Verpflichtungen der drei Konkurrenzunternehmen, zu einem etwaigen Kauf von Powerpipe beizutragen, mit dem gemeinsamen Plan zu deren Ausschaltung als Konkurrentin auf dem Markt vereinbar waren, zumal dies durch die Stellungnahme von Oy KWH Tech AB (im Folgenden: KWH) zur Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt wird.

133 Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund der Klägerin auch insoweit zurückzuweisen, als er ihre Beteiligung an den aufeinander abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe betrifft.

II - Zum Klagegrund der Verletzung der Verteidigungsrechte

A - Zur Akteneinsicht

1. Vorbringen der Parteien

134 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe ihr Recht auf Akteneinsicht verletzt und zugleich gegen die Mitteilung über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel [81] und [82] EG-Vertrag, der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Akteneinsicht) verstoßen.

135 Die Kommission habe von den Rechtsanwälten der am vorliegenden Verfahren beteiligten Unternehmen verlangt, die bei den betreffenden Unternehmen gefundenen Dokumente und die Stellungnahmen der jeweiligen Unternehmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte einschließlich ihrer Anhänge auszutauschen, soweit es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse handele. Ein solcher Austausch von Unterlagen zwischen den betreffenden Unternehmen habe jedoch nicht gewährleistet, dass sie tatsächlich in den Besitz aller maßgeblichen Unterlagen und Beweismittel einschließlich der Entlastungsbeweise gelangt seien. Dies werde dadurch belegt, dass die Kommission ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht alle für die Beweisführung maßgeblichen Unterlagen beigefügt habe, da sie ihr mit Schreiben vom 9. Oktober 1997 weiteres umfangreiches belastendes Beweismaterial zugesandt habe, das der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beigefügt gewesen sei. Nur durch einen Vergleich der ausgetauschten Unterlagen mit der Verfahrensakte hätte ein Unternehmen aber feststellen können, ob es über alle relevanten Unterlagen verfüge.

136 Um tatsächlich vom Recht auf Akteneinsicht Gebrauch machen zu können, habe sich der Rechtsanwalt der Klägerin am 17. Juli 1997 telefonisch mit einem dahin gehenden Antrag an die Kommission gewandt. Bei diesem Telefonat habe die Kommission jedoch darauf hingewiesen, dass der Klägerin bereits sämtliche Unterlagen und Beweismittel vorlägen und dass ihr keine Einsicht in die Verfahrensakte selbst gewährt werden könne. Die Klägerin habe daher ihr Akteneinsichtsrecht nicht wahrnehmen können, ohne freiwillig darauf verzichtet zu haben. Der Rechtsanwalt der Klägerin habe der Kommission dies und den Inhalt des Telefonats mit Schreiben vom 31. Juli 1997 mitgeteilt.

137 Die Beklagte trägt vor, sie habe in ausreichendem Umfang Akteneinsicht gewährt. Das Verfahren des Dokumentenaustauschs sei von allen Unternehmen akzeptiert worden und habe in vollem Umfang die Funktion einer Akteneinsicht im Sinne der Mitteilung über Akteneinsicht erfuellt. Die Unternehmen hätten nämlich anhand sämtlicher Unterlagen, aus denen die Ermittlungsakte bestanden habe, zu den Schlussfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihren Beschwerdepunkten gelangt sei. Kein Unternehmen habe sie um Zugang zu bestimmten Dokumenten oder Teilen davon ersucht, die ein anderes Unternehmen als vertraulich eingestuft habe.

138 Die Klägerin könne auch nicht belegen, dass sie sich wirksamer hätte verteidigen können, wenn sie die in Rede stehenden Dokumente in den Räumen der Kommission eingesehen hätte. Nichts spreche dafür, dass die von den anderen Unternehmen angefertigten Listen unvollständig gewesen seien.

139 Jedenfalls könne, selbst wenn man eine Verletzung des Anspruchs auf Akteneinsicht unterstelle, dieser Umstand allein nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung führen. Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin in ihren Schriftsätzen hätten die Akten der Kommission keine für sie entlastenden Schriftstücke enthalten können.

2. Würdigung durch das Gericht

140 Der Zweck der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen besteht darin, es den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ermöglichen, von den in den Akten der Kommission enthaltenen Beweismitteln Kenntnis zu nehmen, damit sie auf deren Grundlage zu den Schlussfolgerungen, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte gelangt ist, sachgerecht Stellung nehmen können (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 89, und vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-51/92 P, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I-4235, Randnr. 75; Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1995 in den Rechtssachen T-30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II-1775, Randnr. 59, und T-36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1847, Randnr. 69). Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Rechte der Verteidigung schützen und insbesondere die effektive Ausübung des in Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) vorgesehenen Anhörungsrechts sicherstellen sollen (Urteil des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, Randnr. 30).

141 Nach ständiger Rechtsprechung muss die Kommission den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, damit sich diese gegen die ihnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Last gelegten Beschwerdepunkte sachgerecht verteidigen können, die vollständige Ermittlungsakte zugänglich machen, mit Ausnahme der Schriftstücke, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen oder sonstige vertrauliche Informationen enthalten, und der internen Vermerke der Kommission (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 54, und vom 19. Mai 1999 in der Rechtssache T-175/95, BASF Coatings/Kommission, Slg. 1999, II-1581, Randnr. 45).

142 Im Rahmen des nach der Verordnung Nr. 17 durchgeführten kontradiktorischen Verfahrens darf die Kommission nicht allein entscheiden, welche Schriftstücke der Verteidigung dienlich sind (Urteile vom 29. Juni 1995, Solvay/Kommission, Randnr. 81, und ICI/Kommission, Randnr. 91). Der allgemeine Grundsatz der Waffengleichheit lässt es nicht zu, dass die Kommission allein darüber entscheiden kann, ob sie Schriftstücke gegen die Unternehmen verwendet, zu denen diese keinen Zugang hatten und bezüglich deren sie somit nicht entscheiden konnten, ob sie von ihnen für ihre Verteidigung Gebrauch machen sollen (Urteile vom 29. Juni 1995, Solvay/Kommission, Randnr. 83, und ICI/Kommission, Randnr. 93).

143 Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, Einsicht in die vollständige Ermittlungsakte zu gewähren.

144 Zunächst hat die Kommission in ihrem der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Schreiben vom 20. März 1997 der Klägerin Folgendes mitgeteilt:

"Um den Unternehmen die Abfassung ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten zu erleichtern, erhalten sie Gelegenheit, Einsicht in die Kommissionsakten zu nehmen. Im vorliegenden Fall hat die Kommission alle in Betracht kommenden Unterlagen als Anlage den Beschwerdepunkten beigefügt (einschließlich einer Liste aller Unterlagen). Zu diesen Unterlagen gehört auch der in Betracht kommende Schriftwechsel auf der Grundlage von Artikel 11 der Verordnung Nr. [17]. Hinweise auf Sachverhalte, die keinerlei Verbindung mit diesem Fall aufweisen, sind in den Unterlagen unkenntlich gemacht worden.

Falls Sie in die Ihnen zugänglichen Akten in den Gebäuden der Kommission Einsicht nehmen wollen, werden Sie gebeten, mit... innerhalb von drei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens Kontakt aufzunehmen, um einen Termin zu vereinbaren."

145 Es steht fest, dass die Kommission den Unternehmen, an die die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden war, im April und im Mai 1997 vorschlug, einen Austausch aller bei den Nachprüfungen bei ihnen sichergestellten Unterlagen durchzuführen. Unstreitig erklärten sich alle betroffenen Unternehmen mit Ausnahme von Dansk Rørindustri bereit, einen solchen Austausch von Unterlagen vorzunehmen. Nachfolgend erhielten alle am Austausch von Unterlagen mitwirkenden Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehörte, von jedem der übrigen Unternehmen die bei diesem sichergestellten Unterlagen sowie eine entweder von den fraglichen Unternehmen oder, im Fall der Klägerin und von ABB, auf deren Ersuchen von der Kommission erstellte Liste. Von den bei Dansk Rørindustri sichergestellten Unterlagen übermittelte diese einen Teil auf Verlangen der Kommission am 18. Juni 1997 den übrigen Unternehmen, während ein anderer Teil von der Kommission selbst am 24. September 1997 übersandt wurde.

146 Die Stellungnahmen der Unternehmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte wurden von der Kommission allen betroffenen Unternehmen übersandt.

147 Die Klägerin hat entgegen ihrer Behauptung nicht dargetan, dass die Kommission ihr die Einsicht in die Ermittlungsakte verweigerte, als sie sich zu diesem Zweck an die Kommission wandte.

148 Was zunächst die Reaktion der Kommission auf den Antrag auf Akteneinsicht anbelangt, den die Klägerin nach ihrem Vorbringen bei einem Telefongespräch am 16. April 1997 stellte, so macht die Klägerin selbst nicht geltend, dass die Kommission eine Akteneinsicht ausgeschlossen habe; in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat sie sich auf die Angabe beschränkt, dass der mit der Untersuchung betraute Beamte sie darüber informiert habe, dass die Kommission beabsichtige, die Akteneinsicht durch ein besonderes Verfahren zu ersetzen, über das sich die Rechtsanwälte der Parteien einigen sollten.

149 Ferner hat die Klägerin in Bezug auf ein zweites Telefongespräch am 17. Juli 1997 keine Beweise vorgelegt, die bestätigen könnten, dass die Kommission einen Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt hat. Insbesondere das Schreiben des Rechtsanwalts der Klägerin an die Kommission vom 31. Juli 1997 belegt nicht, dass die Kommission ihm bei dem Gespräch am 17. Juli 1997 die Einsichtnahme in die allgemeine Ermittlungsakte verweigerte. In diesem Schreiben wird ausgeführt, die Kommission habe der Klägerin bei dem fraglichen Gespräch mitgeteilt, dass eine Akteneinsicht in den Räumen der Kommission keinen über die Einsicht in die ihr bereits vorliegenden Unterlagen hinausgehenden Nutzen bringen würde. Ferner geht aus diesem Schreiben klar hervor, dass die Klägerin sich damals über ihren Rechtsanwalt damit einverstanden erklärte, sich auf die Einsicht in die ihr durch den Austausch von Unterlagen zwischen den Unternehmen überlassenen Akten zu beschränken, da sie davon ausging, bereits alle für ihre Verteidigung nützlichen Schriftstücke gesehen zu haben. In dem Schreiben heißt es u. a.:

"Anlässlich unseres Telefonates hatte ich Ihnen gesagt, dass unsere Mandantin nicht auf ihr Akteneinsichtsrecht verzichten möchte. Hierzu haben Sie darauf hingewiesen, dass unserer Mandantin sämtliche Unterlagen und Beweismittel vorliegen und eine Akteneinsicht in darüber hinausgehende Unterlagen und Beweismittel nicht gewährt würde. Auch könne keine Einsicht in die allgemeine Ermittlungsakte der Kommission gewährt werden. Deswegen gehen wir davon aus, dass eine Akteneinsicht vor Ort keine weiteren Erkenntnisse bringen kann und dass uns alle relevanten Unterlagen und Beweisstücke vollständig vorliegen, so dass auch diesbezüglich eine Akteneinsicht entbehrlich ist. Aus diesem Grund werden wir keine Akteneinsicht nehmen, ohne dass hiermit ein Verzicht auf das Akteneinsichtsrecht verbunden wäre."

150 Folglich ist es wenig wahrscheinlich, dass es bei dem Gespräch vom 17. Juli 1997 um einen von der Kommission abgelehnten Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakte ging. Im Übrigen hat die Klägerin, indem sie hinzufügte, dass sie nicht auf ihr Akteneinsichtsrecht verzichte, der Kommission zu verstehen gegeben, dass sie nicht zögern werde, einen Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakte zu stellen, wenn sie dies wünsche.

151 Nach dem Telefongespräch vom 17. Juli 1997 wandte sich die Klägerin aber wegen der Akteneinsicht unstreitig nicht mehr an die Dienststellen der Kommission.

152 Folglich ist anzunehmen, dass die Klägerin von der Möglichkeit der Einsichtnahme in die gesamte Ermittlungsakte keinen Gebrauch machen wollte.

153 Zur Behauptung der Klägerin, die Kommission habe von ihr verlangt, dem Verfahren des Austauschs von Unterlagen zwischen den Unternehmen zuzustimmen, genügt der Hinweis, dass die Klägerin dafür keinen Beweis erbracht hat.

154 Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Kommission, indem sie gemäß der Ankündigung in ihrem der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Schreiben die Akteneinsicht in ihren Räumlichkeiten vorsah und durchführte, ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, den Unternehmen von sich aus, ohne Schritte von deren Seite abzuwarten, Einsicht in die Ermittlungsakte zu gewähren.

155 Unter diesen Umständen kann der Kommission auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie den Zugang zur Ermittlungsakte dadurch erleichtern wollte, dass sie die betroffenen Unternehmen aufforderte, untereinander über ihre Rechtsanwälte einen Austausch der bei den Nachprüfungen bei ihnen sichergestellten Unterlagen vorzunehmen.

156 Insoweit kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie keine ausreichende Akteneinsicht erhalten habe, weil die Kommission ihr mit Schreiben vom 9. Oktober 1997 eine Reihe von Unterlagen übersandt habe, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beigefügt gewesen seien. Dabei handelte es sich nämlich zum einen um die Antworten von Powerpipe, DSD und Løgstør auf ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17, die der Kommission am 29. September und am 1. und 2. Oktober 1997 zugegangen waren. Zum anderen handelte es sich um Schriftstücke, auf die bestimmte am Verwaltungsverfahren beteiligte Unternehmen Bezug genommen hatten und die nach Angaben der Kommission bereits Gegenstand des Austauschs von Unterlagen zwischen den Unternehmen gewesen waren. Da das Schreiben vom 9. Oktober 1997 somit sicherstellen sollte, dass die Unternehmen Zugang zu den die Ermittlungsakte vervollständigenden Informationen erhielten und dass die Kommission den betroffenen Unternehmen alle belastenden Unterlagen übermittelt hatte, auch wenn sie der Auffassung war, dass die Unternehmen einige dieser Unterlagen bereits erhalten hatten, bestätigt es, dass die Kommission die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen gewahrt hat, und stellt keinen Beleg für deren Verletzung dar.

157 Nach alledem hat die Kommission, als sie den betroffenen Unternehmen vorschlug, die Akteneinsicht durch einen gegenseitigen Austausch von Unterlagen zu erleichtern, und gleichzeitig selbst das Recht auf Einsicht in die gesamte Ermittlungsakte gewährleistete, den in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen genügt, wonach ein Austausch von Unterlagen zwischen den Unternehmen die Kommission nicht von ihrer Pflicht entbinden kann, im Rahmen der Aufklärung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht die Einhaltung der Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen selbst zu gewährleisten. Die Verteidigung eines Unternehmens kann nämlich nicht von dem guten Willen eines anderen Unternehmens abhängen, das als sein Konkurrent gilt, gegen das die Kommission gleichartige Vorwürfe erhoben hat und dessen wirtschaftliche und verfahrensrechtliche Interessen oft entgegengesetzt sind (Urteile vom 29. Juni 1995, Solvay/Kommission, Randnrn. 85 und 86, und ICI/Kommission, Randnrn. 95 und 96).

158 Zur Mitteilung der Kommission über die Akteneinsicht genügt der Hinweis, dass die Klägerin nicht angegeben hat, inwiefern die Kommission gegen diese Mitteilung verstoßen haben soll.

159 Folglich ist die Rüge unzureichender Akteneinsicht zurückzuweisen.

B - Zur Verletzung des Anhörungsrechts in Bezug auf die Heranziehung neuer Beweismittel

1. Vorbringen der Parteien

160 Die Klägerin weist darauf hin, dass die Kommission nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte Beweismittel nachgeschoben habe, ohne dies den betroffenen Unternehmen in Form zusätzlicher Beschwerdepunkte mitzuteilen, und dadurch gegen den fundamentalen Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen habe, der voraussetze, dass den betroffenen Unternehmen alle der Kommission zum Zeitpunkt der Abfassung der Beschwerdepunkte zur Verfügung stehenden Beweismittel, auf die sie ihre Vorwürfe stütze, in ihrer Gesamtheit und als eine Einheit mit den daraus abgeleiteten rechtlichen Erwägungen mitgeteilt würden.

161 Die Kommission habe aber ihren Schreiben vom 22. Mai 1997 und vom 9. Oktober 1997 neue Beweismittel beigefügt, über die sie bereits bei Abfassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte verfügt habe. Sie habe den betroffenen Unternehmen nicht mitgeteilt, welche rechtliche und tatsächliche Bedeutung sie den am 9. Oktober 1997 übersandten Dokumenten im Hinblick auf die Vorwürfe in den Beschwerdepunkten beimesse. In ihrer Entscheidung habe sie sich bezüglich der angeblichen Beteiligung der Klägerin an Maßnahmen gegen Powerpipe auf einige dieser Beweismittel gestützt, und zwar insbesondere auf die Zusatzdokumente Nrn. 8 und 16 bis 18.

162 Außerdem habe die Kommission den betroffenen Unternehmen keine angemessene Frist für eine Stellungnahme zu diesen Beweismitteln eingeräumt. Auf das Schreiben vom 22. Mai 1997 hin habe die Klägerin die Kommission ersucht, die Frist zur Erwiderung auf die Beschwerdepunkte, die am 1. Juli 1997 abgelaufen sei, angesichts der nachgeschobenen Beweismittel zu verlängern, zumal diese in Sprachen abgefasst seien, die eine Übersetzung erforderlich gemacht hätten. Die Kommission habe indessen eine Fristverlängerung abgelehnt. Auch bei dem Schreiben vom 9. Oktober 1997 sei der Klägerin keine ausreichende Frist zur Prüfung der zahlreichen mit diesem Schreiben übermittelten Beweismittel vor der zu diesem Zeitpunkt für Ende Oktober anberaumten mündlichen Anhörung eingeräumt worden, zumal viele dieser Dokumente ebenfalls in Fremdsprachen abgefasst seien.

163 Die Beklagte trägt zunächst vor, es sei unstreitig, dass durch die Schreiben vom 22. Mai 1997 und vom 9. Oktober 1997 keine neuen Beschwerdepunkte, sondern lediglich einige Schriftstücke zur Stützung vorhandener, genau bezeichneter Beschwerdepunkte eingeführt worden seien. Es sei vollauf mit den Verteidigungsrechten vereinbar, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte auf diese Weise zu ergänzen.

164 Ferner treffe es nicht zu, dass in den Schreiben vom 22. Mai 1997 und vom 9. Oktober 1997 nicht hinreichend dargelegt worden sei, welche Bedeutung die dort genannten Schriftstücke für die in den Beschwerdepunkten erhobenen Vorwürfe hätten.

165 Schließlich könne die Klägerin nicht behaupten, ihr sei keine ausreichende Frist eingeräumt worden, um zu den nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten Dokumenten Stellung zu nehmen.

2. Würdigung durch das Gericht

166 Nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63 muss die Kommission die Beschwerdepunkte, die sie den betroffenen Unternehmen und Vereinigungen entgegenhalten will, mitteilen; sie darf in ihren Entscheidungen nur Beschwerdepunkte berücksichtigen, zu denen diese Unternehmen und Vereinigungen Gelegenheit zur Äußerung hatten (Urteil CB und Europay/Kommission, Randnr. 47).

167 Ebenso verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ist, das unter allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt, dass die betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11; Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-11/89, Shell/Kommission, Slg. 1992, II-757, Randnr. 39).

168 Es gibt jedoch keine Bestimmung, die es der Kommission verbietet, den Parteien nach der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte neue Schriftstücke zu übermitteln, in denen sie eine Stütze für ihr Vorbringen sieht, sofern sie den Unternehmen die erforderliche Zeit einräumt, sich hierzu zu äußern (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 29).

169 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass mit den Schreiben der Kommission vom 22. Mai 1997 und vom 9. Oktober 1997 keine neuen Beschwerdepunkte in Bezug auf die betroffenen Unternehmen geltend gemacht wurden, sondern dass sie einige Schriftstücke enthalten, die zusätzliche Beweise zur Stützung der zuvor mitgeteilten Beschwerdepunkte darstellen.

170 Im Licht der oben genannten Grundsätze ist daher zunächst zu prüfen, ob die Klägerin in der Lage war, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen, soweit diese sich auf die nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandten Beweismittel stützen.

171 Im Schreiben vom 22. Mai 1997 hat die Kommission auf die Bedeutung der als Anlagen X1 bis X9 beigefügten Schriftstücke für die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. März 1997 hingewiesen und angegeben, welchen Abschnitt der Mitteilung der Beschwerdepunkte jedes einzelne Schriftstück betrifft. Folglich wurde die Klägerin ausreichend über die Relevanz dieser Schriftstücke für die bereits übermittelten Beschwerdepunkte informiert.

172 Bei den dem Schreiben vom 9. Oktober 1997 beigefügten Schriftstücken handelt es sich um eine Reihe von 1 bis 18 nummerierter ergänzender Unterlagen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und um eine Reihe von Antworten einiger Unternehmen auf Auskunftsverlangen; sie wurden zusammen mit Übersichten übersandt, die für jede Unterlage den behandelten Gegenstand und eine Bezugnahme auf den einschlägigen Abschnitt der Mitteilung der Beschwerdepunkte und auf Abschnitte in den Stellungnahmen bestimmter Unternehmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten.

173 Angesichts der Bezugnahmen in diesen Übersichten kann die Klägerin nicht geltend machen, dass sich die Kommission auf bestimmte dem Schreiben vom 9. Oktober 1997 beigefügte Dokumente gestützt habe, ohne ihr mitzuteilen, welche rechtliche und tatsächliche Bedeutung sie diesen Schriftstücken beimesse.

174 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin gilt dies insbesondere für die Zusatzdokumente Nrn. 8 und 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte. Das Dokument Nr. 8 betrifft nach der dem Schreiben vom 9. Oktober 1997 beigefügten Tabelle ebenso wie die Dokumente Nrn. 9 bis 14 "Abgestimmtes Verhalten, um Powerpipe auszuschalten; Boykott des Leipzig-Lippendorf Projekts"; dabei wird auf die Seiten 42 bis 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und auf bestimmte Abschnitte der Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte von Dansk Rørindustri, "Henss", "Isoplus", KWH, Løgstør und der Klägerin Bezug genommen. Ebenso heißt es in dieser Tabelle zu den Zusatzdokumenten Nrn. 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Bezugnahme auf Seite 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Seite 24 der Stellungnahme von KWH zur Mitteilung der Beschwerdepunkte: "Abgestimmtes Verhalten, um Powerpipe auszuschalten". Angesichts der Zusammenhänge zwischen den fraglichen Schriftstücken und der Maßnahmen, die an den in der fraglichen Tabelle genannten Stellen in Bezug auf das Dokument Nr. 8 und die abgestimmten Maßnahmen zur Erschwerung der Bedarfsdeckung von Powerpipe sowie in Bezug auf die Dokumente Nrn. 16 bis 18 und die Versuche zur Übernahme von Powerpipe angesprochen werden, konnte der Klägerin die Bedeutung dieser Schriftstücke für die ihr zur Last gelegte Beteiligung an den Maßnahmen gegenüber Powerpipe nicht verborgen bleiben.

175 Im Übrigen hatte die Klägerin erwiesenermaßen in der Anhörung Gelegenheit, sich sowohl zum Zusatzdokument Nr. 8 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zu äußern, als die Kommission eine Frage nach den handschriftlichen Bemerkungen auf diesem Dokument stellte, als auch zu den etwaigen Beiträgen zur Übernahme von Powerpipe, die in den Zusatzdokumenten Nrn. 16 bis 18 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochen werden. Folglich kann die Klägerin nicht geltend machen, sie habe keine Gelegenheit gehabt, sich zu diesen Schriftstücken angemessen zu äußern.

176 Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie nicht genügend Zeit gehabt habe, um zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände Stellung zu nehmen.

177 Bei den dem Schreiben der Kommission vom 22. Mai 1997 beigefügten Unterlagen handelt es sich um Schriftstücke, die diesem Schreiben zufolge von gewisser Bedeutung für den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 20. März 1997 behandelten Sachverhalt sein konnten. Da die Kommission für die Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten eine Frist von vierzehn Wochen bis zum 1. Juli 1997 gesetzt hatte, hatte die Klägerin nach Erhalt des Schreibens vom 22. Mai 1997 noch über einen Monat Zeit, ihren Standpunkt zu den fraglichen Unterlagen auszuarbeiten.

178 Nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63, durch den sichergestellt werden soll, dass den Adressaten der Beschwerdepunkte eine für die sachdienliche Ausübung ihrer Verteidigungsrechte ausreichende Frist gewährt wird, muss die Kommission bei der Festsetzung dieser Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muss, dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand und der Dringlichkeit des Falles Rechnung tragen. Die gewährte Frist ist konkret nach Maßgabe der Schwierigkeit des Einzelfalls zu beurteilen. So hat der Gemeinschaftsrichter in einigen umfangreichen Rechtssachen eine Frist von zwei Monaten für die Abgabe von Stellungnahmen zu den Beschwerdepunkten als ausreichend angesehen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 272 und 273, und Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 94 bis 99).

179 Eine Frist von über einem Monat musste somit zur Abgabe von Stellungnahmen zu den am 22. Mai 1997 übersandten Unterlagen ausreichen, da es sich um nur neun Unterlagen handelte (Anhänge X1 bis X9), deren Relevanz zudem im Begleitschreiben erläutert wurde. Auch aus der Beschwerde von Powerpipe, die mit ihren Anlagen ebenfalls dem Schreiben vom 22. Mai 1997 beigefügt war, waren die belastendsten Passagen bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zitiert worden.

180 Zu den dem Schreiben vom 22. Mai 1997 beigefügten Unterlagen ist noch hinzuzufügen, dass die Klägerin sich zwar auf Seite 42 ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten eine ergänzende Stellungnahme zu diesen Unterlagen vorbehalten hatte, es aber nicht für angebracht hielt, anschließend eine solche Stellungnahme abzugeben.

181 Zu den Unterlagen, die dem Schreiben vom 9. Oktober 1997 beigefügt waren, bei dessen Übersendung die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen zu den Beschwerdepunkten bereits abgelaufen war, ist festzustellen, dass die Klägerin, da ihre Anhörung am 25. November 1997 stattfand, über einen Monat Zeit zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme zu diesen Unterlagen hatte. Folglich war sie hinreichend in der Lage, sich zu ihnen zu äußern, zumal ihre Bedeutung für die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Vorwürfe klar erläutert wurde.

182 Auf dieses Ergebnis hat keinen Einfluss, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens vom 9. Oktober 1997 noch nicht wusste, dass sie bis zum 24. und 25. November 1997 Zeit haben würde, um ihre Stellungnahme auszuarbeiten. Selbst wenn die Klägerin ihre Stellungnahme zu den Unterlagen in der Annahme ausgearbeitet haben sollte, dass die Fristen kürzer seien, verfügte sie letztlich über genügend Zeit zur Umgestaltung und Vertiefung ihrer Ausführungen.

183 Die Klägerin hat auch nicht angegeben, zu welchen Unterlagen sie noch eingehender Stellung genommen hätte, wenn ihr eine längere Frist eingeräumt worden wäre.

184 Folglich verfügte die Klägerin über die erforderliche Zeit, um zu den von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkten und Umständen Stellung zu nehmen.

185 Nach alledem ist die Rüge einer Verletzung des Anhörungsrechts in Bezug auf die Heranziehung neuer Beweismittel zurückzuweisen.

C - Zur Verletzung des Anhörungsrechts in Bezug auf die Berechnung der Geldbuße

1. Vorbringen der Parteien

186 Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe sich bei der Berechnung der Geldbuße auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: neue Leitlinien oder Leitlinien), gestützt, die erst nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte und nach der Anhörung veröffentlicht worden seien, ohne dass die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, zur rückwirkenden Anwendung dieser Leitlinien Stellung zu nehmen. Die Kommission habe nicht einmal erwähnt, dass sie neue Grundsätze zur Ermittlung und Bemessung der Geldbußen anwenden werde.

187 Ferner habe die Klägerin keine Gelegenheit erhalten, zur Anwendung der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) Stellung zu nehmen, die nach Einleitung des Verwaltungsverfahrens und nach Durchführung wesentlicher Verfahrensschritte veröffentlicht worden sei. In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Kommission nicht angegeben, ob und in welchem Rahmen sie die Kooperation der Klägerin nach den Kriterien der Mitteilung über Zusammenarbeit honorieren werde, mit der die Kommission von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen sei.

188 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte habe die Beklagte nicht die individuellen Kriterien angegeben, auf deren Grundlage die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße ermittelt worden sei. In dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs liege zugleich eine ungerechtfertigte Diskriminierung gegenüber allen anderen Verfahrensbeteiligten, denen die Kommission diese individuellen Kriterien in den Beschwerdepunkten mitgeteilt und denen sie damit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe.

189 Die Beklagte verweist darauf, dass die Wahrung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf eventuelle Geldbußen nicht voraussetze, dass sie die Kriterien und Erwägungen der Bemessung bereits im Verwaltungsverfahren angebe. Es genüge, wenn sie im Verwaltungsverfahren darauf hinweise, dass sie aufgrund der Schwere und Dauer des Verstoßes eine Geldbuße zu verhängen gedenke.

190 Es treffe nicht zu, dass sich die Klägerin zur Mitteilung über Zusammenarbeit nicht habe äußern können, denn diese Mitteilung sei vor der Übersendung der Beschwerdepunkte veröffentlicht worden und die Klägerin habe in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten ausdrücklich auf diese Mitteilung Bezug genommen.

191 Schließlich habe die Klägerin nicht angegeben, welche individuellen Besonderheiten in ihrem Fall in den Beschwerdepunkten bei der Festsetzung der Geldbuße hätten berücksichtigt werden müssen.

2. Würdigung durch das Gericht

192 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße unstreitig anhand der in den Leitlinien angekündigten allgemeinen Methode für die Berechnung von Geldbußen ermittelt hat.

193 Nach ständiger Rechtsprechung erfuellt die Kommission ihre Verpflichtung zur Wahrung des Anhörungsrechts der Unternehmen, wenn sie in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen seien, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob diese "vorsätzlich oder fahrlässig" begangen worden sei. Damit macht sie gegenüber den Unternehmen die Angaben, die diese für ihre Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Festsetzung einer Geldbuße benötigen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 21).

194 Folglich sind bei der Bemessung der Geldbußen die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission dadurch gewahrt, dass sie sich zu Dauer, Schwere und Wettbewerbswidrigkeit des ihnen zur Last gelegten Sachverhalts äußern können. Außerdem verfügen die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbußen über eine zusätzliche Garantie, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und u. a. die Geldbuße gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 aufheben oder herabsetzen kann (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 235).

195 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission auf den Seiten 60 und 61 der der Klägerin übersandten Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert hat, von welcher Dauer der Zuwiderhandlung sie in ihrem Fall auszugehen beabsichtigte.

196 Sodann hat sie auf den Seiten 64 und 65 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Gründe, aus denen es sich im vorliegenden Fall ihres Erachtens um einen besonders schweren Verstoß handelt, sowie die erschwerenden Umstände dargelegt: Manipulation der Ausschreibungsverfahren, aggressive Durchsetzung des Kartells, um die Befolgung durch alle an den Vereinbarungen Beteiligten zu gewährleisten und den einzigen nicht daran teilnehmenden Konkurrenten von Bedeutung auszuschalten, sowie Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Untersuchungen.

197 Zugleich hat die Kommission dort ausgeführt, dass sie bei der Bemessung der Geldbuße der einzelnen Unternehmen u. a. deren Rolle bei den wettbewerbswidrigen Praktiken, alle wesentlichen Unterschiede bei der Dauer ihrer Beteiligung, ihre Bedeutung in der Fernwärmebranche, ihren Umsatz in diesem Sektor, gegebenenfalls ihren Gesamtumsatz, um Größe und Wirtschaftskraft des fraglichen Unternehmens zu erfassen und die nötige Abschreckungswirkung zu gewährleisten, und schließlich alle mildernden Umstände berücksichtigen werde (Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 65).

198 Damit hat die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben, auf die sie sich bei der Berechnung der Geldbuße der Klägerin stützen würde, so dass deren Anhörungsrecht insoweit gebührend beachtet wurde.

199 Unter diesen Umständen spielt das Vorbringen keine Rolle, dass die Kommission im Fall der Klägerin anders als bei den übrigen Unternehmen die individuellen Gesichtspunkte nicht angegeben habe, denen sie bei der Ermittlung ihrer Geldbuße Rechnung tragen werde. Die Klägerin hat im Übrigen nicht mitgeteilt, welche besonderen Gesichtspunkte in ihrem Fall in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten erwähnt werden müssen.

200 Da die Kommission die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte angegeben hatte, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützte, brauchte sie auch nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen würde. Angaben zur Höhe der beabsichtigten Geldbußen wären nämlich, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben wurde, zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen, eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21; Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 19).

201 Folglich kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, inwieweit die Geldbuße jedes der betroffenen Unternehmen aufgrund seiner Kooperation gemäß den in der Mitteilung über Zusammenarbeit genannten Kriterien herabgesetzt werden konnte.

202 Aus dem gleichen Grund war die Kommission auch nicht verpflichtet, den betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens mitzuteilen, dass sie eine neue Methode für die Berechnung der Geldbußen anzuwenden beabsichtigte.

203 Insbesondere brauchte die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht auf die Möglichkeit einer Änderung ihrer Politik bezüglich des Niveaus der Geldbußen hinzuweisen, eine Möglichkeit, die von allgemeinen wettbewerbspolitischen Erwägungen abhing, die mit den Besonderheiten der vorliegenden Fälle nicht in unmittelbarem Zusammenhang standen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 22). Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, die Unternehmen zu warnen, indem sie ihnen ihre Absicht mitteilt, das allgemeine Niveau der Geldbußen anzuheben (Urteil Solvay/Kommission vom 10. März 1992, Randnr. 311).

204 Folglich verpflichtete das Anhörungsrecht der Klägerin die Kommission nicht dazu, ihr ihre Absicht mitzuteilen, in ihrem Fall die neuen Leitlinien anzuwenden.

205 Zudem ist festzustellen, dass die Klägerin auf Seite 2 ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die Mitteilung über Zusammenarbeit Bezug genommen hat, so dass sie nicht geltend machen kann, keine Gelegenheit erhalten zu haben, sich zur eventuellen Anwendung dieser Mitteilung auf ihren Fall zu äußern.

206 Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund einer Verletzung des Anhörungsrechts auch in Bezug auf die Berechnung der Geldbuße zurückzuweisen.

III - Zum Klagegrund, mit dem Verstöße gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gegen allgemeine Rechtsgrundsätze sowie Beurteilungsfehler bei der Bemessung der Geldbuße gerügt werden

A - Zum Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot

1. Vorbringen der Parteien

207 Die Klägerin wirft der Kommission vor, dadurch gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen zu haben, dass sie ihre neuen Leitlinien und ihre Mitteilung über Zusammenarbeit auf bereits vor deren Veröffentlichung abgeschlossene Sachverhalte angewandt habe.

208 Das Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften sei ein allen Rechtsordnungen gemeinsamer und in Artikel 7 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankerter Grundsatz, dessen Wahrung der Gerichtshof zu sichern habe. Die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbußen seien strafähnliche Sanktionen, auf die die fundamentalen strafrechtlichen Garantien Anwendung fänden. Es handele sich dabei um Normen, die sowohl repressive als auch präventive Funktionen aufwiesen. Durch die Bezugnahme auf den Grundsatz der Strafgleichheit in ihren Leitlinien gehe die Kommission selbst davon aus, dass die Geldbußen Sanktionen mit Strafcharakter seien.

209 Das Rückwirkungsverbot betreffe die Anwendung sowohl der Leitlinien als auch der Mitteilung über Zusammenarbeit. Da sie abstrakt-generelle Grundsätze für die Bemessung von Geldbußen in Kartellverfahren enthielten, seien sowohl die Leitlinien als auch die Mitteilung materiell als Normen anzusehen, die den gleichen Grundsätzen wie Instrumente des Gemeinschaftsrechts mit formellem Rechtsnormcharakter unterlägen.

210 Mit den Leitlinien sei nicht nur eine Anhebung des Niveaus der Geldbußen verbunden, sondern auch eine grundlegende Neuordnung der Festsetzung von Geldbußen und eine grundlegende Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis zu Artikel 15 der Verordnung Nr. 17. Auch wenn die Kommission berechtigt sei, das Niveau der Geldbußen erforderlichenfalls im Rahmen der durch Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenze zu erhöhen, folge hieraus keine Legitimation, das System der Festsetzung von Geldbußen grundlegend neu zu ordnen und dieses neue System rückwirkend auch auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte und bereits anhängige Verwaltungsverfahren anzuwenden.

211 In diesem Zusammenhang sei daran zu erinnern, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit am 18. Juli 1996 und die Leitlinien am 14. Januar 1998 veröffentlicht worden seien, also in beiden Fällen nach dem streitigen Sachverhalt. Die Kommission habe dadurch, dass sie in ihrer Entscheidung sowohl die Leitlinien als auch die Mitteilung angewandt habe, das Rückwirkungsverbot verletzt, das bezwecke, der mit einer bestimmten Sanktion bedrohten Person zu verdeutlichen, wie die Sanktion aussehen werde, und zu verhindern, dass bereits abgeschlossene Sachverhalte Rechtswirkungen entfalteten, die zum Zeitpunkt ihrer Verwirklichung nicht vorhersehbar gewesen seien.

212 Die Beklagte führt aus, erstens handele es sich weder bei den Leitlinien noch bei der Mitteilung über Zusammenarbeit um Texte, die gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen könnten. Das strafrechtliche Rückwirkungsverbot betreffe nur Bestimmungen, die die Rechtsgrundlage für Sanktionen in der Weise änderten, dass Sachverhalte erstmalig einer Sanktion unterworfen würden oder dass eine bestehende Sanktion verschärft werde. Dies sei jedoch weder bei den Leitlinien noch bei der Mitteilung über Zusammenarbeit der Fall.

213 Die einzige Rechtsgrundlage für die Verhängung von Geldbußen sei Artikel 15 der Verordnung Nr. 17, der den Rahmen vorgebe, innerhalb dessen die Kommission die Geldbußen nach Schwere und Dauer des Verstoßes bemesse. Die frühere Entscheidungspraxis bilde als solche keine Rechtsgrundlage für Sanktionen und begrenze in keiner Weise die Befugnisse der Kommission. Auch die Leitlinien und die Mitteilung über Zusammenarbeit stellten keine Rechtsgrundlage für Sanktionen oder für deren Verschärfung dar.

214 Zweitens sähen weder die Leitlinien noch die Mitteilung über Zusammenarbeit als solche eine Verschärfung der bestehenden Sanktionspraxis vor. Die Änderungen, die die Leitlinien gegenüber der bisherigen Praxis mit sich brächten, beträfen nur die Methode zur Bestimmung der Geldbußen und die Struktur ihrer Berechnung, nicht aber ihr allgemeines Niveau oder gar ihre Höhe im Einzelfall. Jede Kritik an der Höhe der Geldbuße könne daher nicht die Leitlinien selbst, sondern lediglich deren Anwendung im Einzelfall betreffen. Auch die Mitteilung über Zusammenarbeit könne nicht kritisiert werden, soweit sie den vorliegenden Fall betreffe.

2. Würdigung durch das Gericht

215 Nach ständiger Rechtsprechung gehören die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (vgl. u. a. Gutachten 2/94 des Gerichtshofes vom 28. März 1996, Slg. 1996, I-1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofes vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-299/95, Kremzow, Slg. 1997, I-2629, Randnr. 14). Dabei lässt er sich von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. In diesem Rahmen kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (Urteil Kremzow, Randnr. 14). Im Übrigen heißt es in Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union (nach Änderung jetzt Artikel 6 Absatz 2 EU): "Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben."

216 Artikel 7 Absatz 1 EMRK lautet: "Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden."

217 Das in Artikel 7 EMRK als Grundrecht verankerte Verbot der Rückwirkung von Strafvorschriften ist ein allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz und gehört zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 63/83, Kirk, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22).

218 Zwar sind nach Artikel 15 Absatz 4 der Verordnung Nr. 17 Entscheidungen der Kommission, mit denen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht Geldbußen festgesetzt werden, nicht strafrechtlicher Art (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235); gleichwohl muss die Kommission in jedem Verwaltungsverfahren, das in Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages zu Sanktionen führen kann, die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere das Rückwirkungsverbot beachten (vgl. analog dazu Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 7).

219 Dies setzt voraus, dass die gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Sanktionen denen entsprechen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung vorgesehen waren.

220 Die Sanktionen, die die Kommission wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängen kann, sind in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 geregelt, der erlassen wurde, bevor die Zuwiderhandlung begangen wurde. Die Kommission ist nicht befugt, die Verordnung Nr. 17 zu ändern oder - z. B. durch allgemeine Regeln, die sie sich selbst auferlegt - von ihr abzuweichen. Auch wenn sie die Geldbuße der Klägerin unstreitig anhand der in den Leitlinien angekündigten allgemeinen Methode für die Berechnung von Geldbußen festgesetzt hat, ist sie dabei jedoch im Rahmen der in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 geregelten Sanktionen geblieben.

221 In Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 heißt es: "Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig... gegen Artikel 85 Absatz (1)... des Vertrages verstoßen..." Weiter heißt es dort: "Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen."

222 Nach Nummer 1 Absatz 1 der Leitlinien wird bei der Berechnung der Geldbußen der Grundbetrag nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet.

223 Gemäß den Leitlinien wählt die Kommission als Ausgangspunkt bei der Berechnung der Geldbußen einen anhand der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrag. Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Teil A Absatz 1). Dabei werden die Verstöße in drei Gruppen unterteilt: "minder schwere Verstöße", bei denen Geldbußen zwischen 1 000 und 1 Million ECU in Betracht kommen, "schwere Verstöße", bei denen die Geldbußen zwischen 1 Million und 20 Millionen ECU liegen können, und "besonders schwere Verstöße", für die Geldbußen oberhalb von 20 Millionen ECU vorgesehen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 2, erster bis dritter Gedankenstrich). Innerhalb dieser einzelnen Kategorien und insbesondere bei den als "schwer" und "besonders schwer" eingestuften Verstößen ermöglicht die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Teil A Absatz 3). Ferner ist die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße zu berücksichtigen, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, und die Geldbuße ist auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Teil A Absatz 4).

224 Darüber hinaus kann der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (Nr. 1 Teil A Absatz 5).

225 Innerhalb der drei oben genannten Kategorien kann es in bestimmten Fällen angebracht sein, den allgemeinen Ausgangspunkt zu gewichten, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren, und infolgedessen den allgemeinen Ausgangspunkt an den spezifischen Charakter jedes Unternehmens anzupassen (im Folgenden: spezifischer Ausgangspunkt) (Nr. 1 Teil A Absatz 6).

226 Bei der Berücksichtigung der Dauer eines Verstoßes ist nach den Leitlinien zu unterscheiden zwischen Verstößen von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), bei denen der anhand der Schwere ermittelte Betrag nicht zu erhöhen ist, Verstößen von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), bei denen dieser Betrag um bis zu 50 % erhöht werden kann, und Verstößen von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), bei denen dieser Betrag für jedes Jahr des Verstoßes um bis zu 10 % erhöht werden kann (Nr. 1 Teil B Absatz 1, erster bis dritter Gedankenstrich).

227 Anschließend enthalten die Leitlinien eine Liste von Beispielen für erschwerende und mildernde Umstände, die zu einer Erhöhung oder Herabsetzung des Grundbetrags führen können, und nehmen dann auf die Mitteilung über Zusammenarbeit Bezug.

228 Als allgemeine Bemerkung wird hinzugefügt, dass der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen dürfe (Nr. 5 Buchstabe a). Ferner kann es den Leitlinien zufolge nach Durchführung der genannten Berechnungen je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. einen besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen wie ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld (Nr. 5 Buchstabe b).

229 Folglich wird die Berechnung der Geldbußen auch nach der in den Leitlinien beschriebenen Methode anhand der beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien - Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung - unter Beachtung der dort festgelegten Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens vorgenommen.

230 Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Leitlinien über den in der genannten Bestimmung vorgegebenen rechtlichen Rahmen für Sanktionen hinausgehen.

231 Das Gleiche gilt für die Mitteilung über Zusammenarbeit, die den durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gesteckten Rahmen ebenfalls nicht verlässt. Die Kommission ist nämlich nach der Verordnung Nr. 17 weder verpflichtet, ein kooperatives Verhalten der betroffenen Unternehmen in irgendeiner Weise zu belohnen, noch wird ihr dies verwehrt.

232 Im Übrigen kann der Erlass der Mitteilung über Zusammenarbeit durch die Kommission, soweit sie sich dadurch zur Berücksichtigung des kooperativen Verhaltens der betroffenen Unternehmen verpflichtet hat, nicht als Änderung des in Rede stehenden rechtlichen Rahmens angesehen werden, die sich im Vergleich zur Situation der Klägerin vor dem Erlass der Mitteilung negativ auf deren Rechtsstellung auswirken könnte.

233 Darüber hinaus stellt die Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis der Kommission durch die Leitlinien oder die Mitteilung über Zusammenarbeit auch keine Verfälschung des rechtlichen Rahmens für die Ermittlung der zu verhängenden Geldbußen dar und verstößt daher nicht gegen die in Artikel 7 Absatz 1 EMRK enthaltenen Grundsätze.

234 Zum einen bildet die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17 geregelt ist.

235 Zum anderen kann die Einführung einer neuen Berechnungsmethode durch die Kommission, auch wenn sie in einigen Fällen zu höheren Geldbußen führen mag, ohne jedoch die in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze zu überschreiten, angesichts des der Kommission in dieser Verordnung eingeräumten Ermessens nicht als eine gegen das Gebot rechtmäßigen Handelns und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßende rückwirkende Verschärfung der rechtlich in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geregelten Geldbußen angesehen werden.

236 Das Vorbringen, die Berechnung der Geldbußen anhand der in den Leitlinien beschriebenen Methode, insbesondere ausgehend von einem Betrag, der sich grundsätzlich nach der Schwere des Verstoßes richte, könne die Kommission dazu veranlassen, höhere Geldbußen als nach ihrer früheren Praxis zu verhängen, ist insoweit unerheblich. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54; Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 33; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 163). Außerdem verfügt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59, vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 53, und vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 127).

237 Ferner geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, Urteil Solvay/Kommission vom 10. März 1992, Randnr. 309, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II-869, Randnr. 89). Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109).

238 Folglich ist die Rüge eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot zurückzuweisen.

B - Zum Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

1. Vorbringen der Parteien

239 Die Klägerin trägt vor, die Kommission sei durch die Anwendung der neuen Leitlinien und der Mitteilung über Zusammenarbeit von ihrer früheren Verwaltungspraxis abgewichen und habe dadurch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.

240 Die von der Kommission in früheren Wettbewerbsverfahren getroffenen Entscheidungen zur Bemessung der Geldbuße und zur Honorierung einer Kooperation der Unternehmen hätten eine Verwaltungspraxis geschaffen, auf deren Fortführung und gleichmäßige Anwendung die betroffenen Unternehmen hätten vertrauen dürfen. Insbesondere habe die Kommission in der Sache, die zur Entscheidung 94/601/EG vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) (ABl. L 243, S. 1, im Folgenden: Entscheidung "Karton") geführt habe, im Verwaltungsverfahren und im anschließenden Verfahren vor dem Gericht zum ersten Mal ausführlich und transparent erläutert, wie sie die Geldbußen berechne und eine Kooperation der Unternehmen honoriere.

241 Dem Argument der Kommission, es habe keine einheitliche Verwaltungspraxis gegeben, könne nicht gefolgt werden. Auch wenn die Kommission in ihren früheren Entscheidungen nicht immer die der Geldbuße zugrunde liegenden Berechnungen angegeben habe, sei nicht zu bestreiten, dass in der Vergangenheit der mit dem betreffenden Produkt erzielte Umsatz Grundlage dieser Berechnung gewesen sei. Die Kommission selbst habe in ihrer Pressemitteilung zur Entscheidung "Karton" darauf hingewiesen, dass normalerweise der in der Gemeinschaft mit dem betreffenden Produkt erzielte Umsatz zugrunde gelegt werde.

242 Im vorliegenden Verfahren sei die Kommission von ihrer Verwaltungspraxis in einer Weise abgewichen, die das ihr nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 zustehende Ermessen überschreite. Durch die Schaffung einer völlig neuen Methode sowohl für die Ermittlung der zu verhängenden Geldbußen als auch für die Honorierung einer Kooperation der Unternehmen habe die Kommission Normen abstrakt-generellen Charakters geschaffen, die sich an den für förmliche Rechtsnormen geltenden Grundsätzen messen lassen müssten.

243 Im vorliegenden Fall seien die Leitlinien nicht nur auf bereits abgeschlossene Sachverhalte und im Rahmen eines vor ihrer Veröffentlichung eingeleiteten Verwaltungsverfahrens angewandt worden, sondern dies sei auch noch geschehen, ohne den betroffenen Unternehmen im Laufe des Verwaltungsverfahrens hierzu rechtliches Gehör zu gewähren, mithin ohne Vorwarnung. Die Klägerin und die anderen Unternehmen hätten mit der Anwendung der Leitlinien nicht rechnen können und auch nicht zu rechnen brauchen.

244 Die Kommission habe die betroffenen Unternehmen weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch zu einem späteren Zeitpunkt darüber unterrichtet, ob und in welchem Umfang sie die Mitteilung über Zusammenarbeit anwenden werde. Die Klägerin habe mit der Kommission im Vertrauen auf die bestehende Verwaltungspraxis kooperiert. Die Anwendung der neuen Mitteilung sei nicht hinreichend transparent gemacht worden; die Klägerin und die anderen Unternehmen hätten jedenfalls nicht damit rechnen können, dass sie im Vergleich zur bisherigen Verwaltungspraxis, wie sie insbesondere in der Entscheidung "Karton" zum Ausdruck gekommen sei, benachteiligt würden. Damit habe die Kommission das Vertrauen der Klägerin in eine angemessene Honorierung ihrer Kooperation enttäuscht.

245 Die Beklagte macht geltend, es könne kein geschütztes Vertrauen in die Beibehaltung ihrer früheren Verwaltungspraxis geben. Die Tatsache, dass sie die von der Klägerin angebotene Kooperation akzeptiert habe, könne kein Vertrauen darauf begründet haben, dass die Praxis der Kommission in Bezug auf die Methode zur Ermittlung des Betrages fortgesetzt werde, der die angemessene Sanktion für den Verstoß als solchen darstelle und der bei der Berechnung der Geldbuße vor dem Abzug für die Zusammenarbeit zu ermitteln sei.

246 Im Übrigen könne für die Zeit vor der Anwendung der Leitlinien nicht von einer einheitlichen Praxis der Kommission die Rede sein. In den "Karton"-Sachen sei die genaue Methode für die Festsetzung der Geldbuße nicht in der Entscheidung, sondern erst im gerichtlichen Verfahren dargelegt worden. Auch in früheren Entscheidungen würden arithmetische Berechnungen oder der Verzicht auf derartige Berechnungen nur selten erwähnt. Häufig seien nämlich andere Faktoren als der Umsatz herangezogen worden. So seien einige Geldbußen unter weitgehender Berücksichtigung des erzielten Gewinns berechnet worden. In bestimmten Fällen sei ein Gesamtbetrag für das ganze Kartell festgelegt worden, der dann anhand einer Reihe von Kriterien auf die verschiedenen Teilnehmer aufgeteilt worden sei. In anderen Fällen seien für jedes Unternehmen einer bestimmten Kategorie pauschale Geldbußen in derselben Höhe festgelegt worden. Dies gelte für mehrere Wettbewerbsentscheidungen, von denen einige durch die Gemeinschaftsgerichte überprüft worden seien. Auch wenn es in der Pressemitteilung zur Entscheidung "Karton" heiße, dass "normalerweise" der mit dem betreffenden Produkt erzielte Umsatz zugrunde gelegt werde, wie es in den jüngsten Entscheidungen geschehen sei, könne daher nicht von einer "einheitlichen" Praxis gesprochen werden.

247 Was die Zusammenarbeit anbelange, so sei die Kommission nicht verpflichtet, eine Ermäßigung allein deshalb zu gewähren, weil sie dies in dem einen oder anderen früheren Fall getan habe. Ein berechtigtes Vertrauen darauf, dass die Kommission ebenso vorgehen würde wie in der Entscheidung "Karton", habe es somit nicht geben können. Außerdem seien in dieser Entscheidung keine konkreten Ermäßigungssätze genannt worden, so dass auch insoweit kein berechtigtes Vertrauen in Betracht komme.

2. Würdigung durch das Gericht

248 Bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln übt die Kommission ihre Befugnis im Rahmen des ihr durch die Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessens aus. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die im Rahmen des Ermessensspielraums der Gemeinschaftsorgane verändert werden kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1982 in der Rechtssache 245/81, Edeka Zentrale, Slg. 1982, 2745, Randnr. 27, und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 33).

249 Die Kommission ist vielmehr befugt, das allgemeine Niveau der Geldbußen innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. die in Randnr. 237 genannte Rechtsprechung).

250 Folglich können Unternehmen, die in ein Verwaltungsverfahren einbezogen sind, das zu einer Geldbuße führen kann, nicht darauf vertrauen, dass die Kommission das zuvor praktizierte Bußgeldniveau nicht überschreiten wird.

251 Soweit sich die Klägerin auf das Niveau der Geldbußen beruft, die von der Kommission in der Entscheidung "Karton" verhängt wurden, ist darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung das Kartell, das Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, fortgeführt wurde, obwohl in der Entscheidung "Karton" Geldbußen verhängt wurden, die deutlich höher lagen als in zahlreichen früheren Entscheidungen. Folglich war die Kommission zur Sicherstellung der Abschreckungswirkung der Geldbußen berechtigt, beim Erlass der angefochtenen Entscheidung noch höhere Geldbußen festzusetzen als in der Entscheidung "Karton".

252 Zu der nach der früheren Praxis verwendeten Berechnungsmethode ist noch hinzuzufügen, dass die Klägerin nicht darauf vertrauen durfte, dass die Kommission gegen sie eine Geldbuße verhängt, die anhand des Umsatzes mit dem betreffenden Produkt berechnet wird.

253 Nach der Rechtsprechung ist die Kommission berechtigt, eine Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung zu berechnen, ohne die verschiedenen Umsatzzahlen der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen. So hat der Gemeinschaftsrichter eine Berechnungsmethode für zulässig erachtet, bei der die Kommission zunächst den Gesamtbetrag der festzusetzenden Geldbußen ermittelt und ihn dann auf die betroffenen Unternehmen aufteilt, wobei sie auf deren Aktivitäten in der fraglichen Branche (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 48 bis 53) oder auf den Umfang ihrer Beteiligung, ihre Rolle im Kartell und ihre jeweilige Bedeutung auf dem Markt, berechnet anhand des durchschnittlichen Marktanteils in einem Referenzzeitraum, abstellt.

254 Da sich die Kommission bei ihrer früheren Praxis nicht ausschließlich einer auf dem Umsatz mit dem betreffenden Produkt beruhenden Methode bedient hat, war die Klägerin somit nicht zu der Erwartung berechtigt, dass in ihrem Fall eine solche Methode angewandt würde.

255 Zum berechtigten Vertrauen in Bezug auf die Zusammenarbeit ist festzustellen, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (vgl. in Bezug auf einen mildernden Umstand das Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 368).

256 Als die Klägerin ihren Willen zur Zusammenarbeit mit der Kommission zum Ausdruck brachte, hatte diese jedenfalls bereits einen Entwurf für eine Bekanntmachung über den Erlass oder die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellfällen (ABl. 1995, C 341, S. 13) veröffentlicht und alle Betroffenen zur Stellungnahme aufgefordert. Die Klägerin hätte daher wissen müssen, dass die Kommission beabsichtigte, ihre Politik zur Honorierung eines kooperativen Verhaltens in diesem Bereich zu ändern.

257 Folglich ist die Rüge zurückzuweisen, soweit sie auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützt wird.

C - Zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, zum Ermessensmissbrauch und zum Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit

1. Vorbringen der Parteien

258 Die Klägerin trägt vor, es fehle der Kommission für die Anwendung der neuen Leitlinien, die nicht durch die Ermächtigungsgrundlage des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gedeckt seien, an einer Rechtsgrundlage. In den Leitlinien habe die Kommission die Ausgangspunkte für die Berechnung der Geldbußen so hoch angesetzt, dass sie den Ermessensspielraum, der ihr zur Berücksichtigung aller relevanten Umstände einschließlich eventueller mildernder Umstände eingeräumt worden sei, nicht mehr wahrnehmen könne.

259 In diesem Zusammenhang sei zu beanstanden, wie der Schweregrad des Verstoßes durch die Leitlinien schematisiert werde, indem drei Kategorien von Verstößen gebildet würden. Bei kleineren und mittleren Unternehmen führe die Einordnung in die Kategorien "schwere Verstöße" und "besonders schwere Verstöße" regelmäßig dazu, dass der allein anhand des Tatbestandsmerkmals der Schwere berechnete Ausgangspunkt bereits die Obergrenze der Geldbuße, die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzt werden könne, erreiche oder sogar erheblich überschreite. So sei der Ausgangspunkt im Fall der Klägerin auf 5 Millionen ECU festgesetzt worden, während der gemäß der Verordnung Nr. 17 zulässige Hoechstbetrag nach den Berechnungen der Kommission bei 1 910 000 ECU gelegen habe.

260 Diese Schematisierung der Schwere des Verstoßes führe somit dazu, dass die Dauer des Verstoßes bei kleinen und mittleren Unternehmen neben ihrem Umsatz praktisch nicht mehr berücksichtigt werde. Die Dauer des Verstoßes sei jedoch nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ein zwingendes Tatbestandsmerkmal bei der Festsetzung der Geldbuße. Da die Kommission anerkenne, dass keine Geldbußen über dem Hoechstbetrag der Verordnung Nr. 17 festgesetzt werden könnten, selbst wenn Schwere oder Dauer des Verstoßes dies rechtfertigen würde, räume sie selbst ein, dass die Leitlinien nicht mehr von der Ermächtigungsnorm des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gedeckt seien, die vorschreibe, dass neben der Schwere des Verstoßes auch dessen Dauer zu berücksichtigen sei. In einer Vielzahl von Fällen bestimme allein die Schwere des Verstoßes die Geldbuße, was gegen Wortlaut und Zweck von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoße. Zudem führe diese Berechnungsmethode zu einer Benachteiligung derjenigen Unternehmen, denen - wie der Klägerin - nur ein Verstoß von geringerer Dauer als den anderen Beteiligten zur Last gelegt werde.

261 Ferner wirkten sich auch mildernde Umstände bei kleinen und mittleren Unternehmen nicht auf die Höhe der Geldbuße aus, was ebenso zu einer Diskriminierung derjenigen Unternehmen führe, bei denen mildernde Umstände zwar vorlägen, im Ergebnis aber die Berechnung der Geldbuße nicht mehr beeinflussen könnten. Dagegen wirkten sich bei Unternehmen, bei denen - wie bei ABB - die nach der Verordnung Nr. 17 zulässige Hoechstgrenze von 10 % des Umsatzes durch den Grundbetrag nicht erreicht werde, mildernde Umstände auf die Höhe der Geldbuße aus.

262 Entgegen der Auffassung der Kommission entspreche das in den Leitlinien vorgesehene Verfahren nicht der Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes einer Vielzahl von Faktoren Rechnung zu tragen sei und alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gebe der Kommission keine Handhabe für eine Verwaltungspraxis, bei der für eine unbestimmte Zahl von Fällen die Grundlagen für die Ermittlung der Geldbuße generell-abstrakt nach Art einer Kodifizierung festgelegt würden.

263 Sollte das Gericht dennoch zu der Auffassung gelangen, dass Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Reform der Geldbußenpraxis der Kommission durch die Leitlinien bilde, so habe die Kommission bei der Anwendung der Leitlinien einen Ermessensmissbrauch begangen und gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

264 Die Anwendung der Leitlinien habe dazu geführt, dass die Ausgangspunkte bei den in der Entscheidung der zweiten und der dritten Kategorie zugeordneten Unternehmen über der in der Verordnung Nr. 17 festgelegten Obergrenze von 10 % des Umsatzes gelegen hätten. Im Fall der Klägerin habe der Ausgangspunkt die zulässige Obergrenze um fast 200 %, nach den Zuschlägen wegen der Dauer der Zuwiderhandlung sogar um fast 300 % überschritten. Es könne nicht mehr von einer angemessenen Geldbuße gesprochen werden, wenn ein abstrakter Betrag festgesetzt werde, der in keiner Weise am Umsatz der betroffenen Unternehmen orientiert sei, wie es Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verlange.

265 Der Umstand, dass die Kommission die individuellen Unterschiede bei der Dauer des Verstoßes und bei den erschwerenden und mildernden Umständen nicht für alle betroffenen Unternehmen berücksichtigt habe, stelle bereits als solcher einen Ermessensmissbrauch dar und führe zu einer Diskriminierung. Die Kommission hätte bei der endgültigen Festsetzung der Geldbuße dem Grad der Beteiligung und der individuellen Rolle der Klägerin im Rahmen des Kartells Rechnung tragen müssen.

266 Sie sei im vorliegenden Fall durch die Nichtberücksichtigung der Dauer des Verstoßes gegenüber den anderen Unternehmen benachteiligt worden. Bei den Unternehmen der dritten Kategorie habe die Kommission im Rahmen der Gewichtung der Geldbußen anhand der Dauer des Verstoßes für Tarco und Dansk Rørindustri eine Erhöhung um den Faktor 1,4 für angemessen gehalten, während sie bei der Klägerin wegen der geringeren Dauer und der Unregelmäßigkeit ihrer Mitwirkung vor 1994 eine Erhöhung um den Faktor 1,33 vorgenommen habe. Aufgrund der nach der Verordnung Nr. 17 zulässigen Obergrenze hätten sich jedoch die unterschiedliche Dauer und die Unregelmäßigkeit der Mitwirkung, die die Kommission der Klägerin im Vergleich zu Tarco und Dansk Rørindustri zugute gehalten habe, auf den Endbetrag der Geldbuße nicht ausgewirkt.

267 Mit diesem Vorgehen sei die Kommission von ihrer bisherigen Verwaltungspraxis abgewichen, die insbesondere in ihrer Entscheidung "Karton" zum Ausdruck gekommen sei, in der sie die Geldbußen individuell bemessen und die unterschiedliche Dauer der Verstöße jedes einzelnen Unternehmens berücksichtigt habe. In der Entscheidung "Karton" habe eine geringere Dauer des Verstoßes einen geringeren Prozentsatz und damit eine niedrigere Geldbuße zur Folge gehabt.

268 Die von der Kommission angewandte Methode habe auch dazu geführt, dass gegen die "Anführer" des Kartells Geldbußen unterhalb der in der Verordnung Nr. 17 festgelegten Obergrenze von 10 % des Umsatzes festgesetzt worden seien, während bei einem der "gewöhnlichen Mitglieder" die höchstmögliche Sanktion von 10 % des Umsatzes verhängt worden sei. Im vorliegenden Verfahren habe die weniger bedeutende Rolle der Klägerin im Kartell nicht dazu geführt, dass sie weniger streng behandelt worden sei als die Gruppe Henss/Isoplus, deren Anführerrolle die Kommission anerkannt habe, denn sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die Gruppe Henss/Isoplus sei im Ergebnis eine Geldbuße verhängt worden, die die in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze von 10 % des Umsatzes erreiche. Im Vergleich zu einem Unternehmen wie ABB, bei dem angesichts der höheren Umsatzzahlen die Obergrenze von 10 % nicht erreicht worden sei, liege das Niveau der Geldbuße bei der Klägerin prozentual weitaus höher, obwohl auch ABB von der Kommission als Anführerin des Kartells eingestuft worden sei. Tatsächlich liege die der Klägerin im Ergebnis auferlegte Geldbuße bei fast 8 % ihres Umsatzes, während die Geldbuße von ABB 0,25 % von deren Umsatz betrage.

269 Die Kommission sei der Ansicht, die Rolle der Klägerin bei der Ermittlung des Ausgangspunkts für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigt zu haben. Sie verkenne dabei jedoch, dass mit der Rüge des Ermessensmissbrauchs die neue Methode der Leitlinien insgesamt angegriffen werde. Wenn nämlich der Ausgangspunkt über dem Hoechstbetrag der Geldbuße nach der Verordnung Nr. 17 liege, dann bestimme schon dieser Ausgangspunkt trotz der Abfolge von Rechenvorgängen letztlich die Höhe der Geldbuße.

270 Mit der Festsetzung der gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 höchsten zulässigen Geldbuße von 10 % des relevanten Umsatzes sei die Kommission über alle bisher verhängten Geldbußen hinausgegangen. In der Entscheidung "Karton" habe der höchste Ausgangsbetrag z. B. nur bei 9 % des relevanten Umsatzes gelegen, wobei dieser Betrag ausschließlich bei den Anführern des Kartells angesetzt worden sei, während der Grundbetrag für gewöhnliche Mitglieder zwischen 5 % und 7,5 % dieses Umsatzes gelegen habe. Obgleich anerkannt sei, dass die Kommission das allgemeine Niveau der Geldbußen anheben könne, wenn sie dies für erforderlich halte, um die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu verstärken, beruhe die Verhängung der maximalen Geldbuße im vorliegenden Fall nicht auf einer Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen. Dies habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung weder behauptet noch begründet. Die maximale Geldbuße sei vielmehr die Folge einer schematischen Anwendung des Tatbestandsmerkmals der Schwere des Verstoßes nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 im Rahmen der Leitlinien.

271 Die Beklagte bestreitet, dass die in den Leitlinien vorgesehene Berechnungsmethode nicht von der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung Nr. 17 gedeckt sei.

272 Die Festlegung einer absoluten Zahl anhand der Schwere des Verstoßes als allgemeiner Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße entspreche der Rechtsprechung, nach der die Schwere des Verstoßes anhand einer Vielzahl von Faktoren zu beurteilen sei, wobei dem Umsatz keine übermäßige Bedeutung beigemessen werden dürfe.

273 Die in den Leitlinien beschriebene Methode beruhe auf der Erkenntnis, dass nach der Rechtsprechung der durch die Zuwiderhandlung verursachte Schaden und der durch sie erzielte Gewinn zu berücksichtigen seien, um für eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbußen zu sorgen. Der Umsatz eines am Kartell beteiligten Unternehmens liefere insoweit nur ungenaue Hinweise. Mit der Bestimmung eines absoluten Ausgangsbetrags entsprechend der Art des Verstoßes, wie er sich als Ganzes darstelle, spiegele die in den Leitlinien beschriebene Methode die durch das Kartell verursachten Schäden wider, die dem Kartell insgesamt zuzurechnen seien. Auch der Gewinn, den ein Unternehmen durch seine Beteiligung an einem Kartell erziele, sei nicht zwangsläufig proportional zu seinen Umsätzen. In den Leitlinien werde zudem anerkannt, dass es angebracht sein könne, eine Gewichtung der einzelnen Unternehmen vorzunehmen, vor allem, wenn an einem Verstoß Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt gewesen seien. Vorliegend habe die Kommission von dieser Möglichkeit angemessen Gebrauch gemacht, indem sie im Fall der Klägerin anstelle des für "besonders schwere Verstöße" vorgesehenen Mindestbetrags von 20 Millionen ECU einen Betrag von 5 Millionen ECU gewählt habe.

274 Die Klägerin könne die Rechtmäßigkeit der Leitlinien nicht unter Hinweis darauf in Frage stellen, dass die Festlegung eines hohen Betrages als Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße zur Folge habe, dass in vielen Fällen andere Gesichtspunkte wie die Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung und mildernde Umstände keine tatsächliche Auswirkung auf den Endbetrag der Geldbuße mehr hätten. Mit einem solchen Vorbringen werde die abstrakte Untersuchung der Leitlinien mit der Analyse der konkreten Berechnung durch die Kommission vermengt. Es sei aber unmöglich, den genauen Betrag einer Geldbuße rechnerisch aus den Leitlinien abzuleiten, deren Gegenstand die Methode zur Bestimmung der Geldbußen und nicht ihr allgemeines Niveau oder gar ihre Höhe im Einzelfall sei. Die Kommission habe insoweit ein weites Ermessen bei der Festlegung des angemessenen Betrages (Urteil Buchmann/Kommission, Randnr. 164).

275 Überdies könne ein solches Argument keinesfalls zu einer Herabsetzung der Geldbuße führen, denn bei der Klägerin sei die Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Dauer im Verhältnis zum Ausgangsbetrag zu erhöhen gewesen, und es hätten keine mildernden Umstände vorgelegen.

276 Im Übrigen sei die von der Klägerin beanstandete Methode sehr wohl mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 vereinbar. Es treffe zwar zu, dass auch die Dauer des Verstoßes zu berücksichtigen sei, doch könne dies nicht in der Weise geschehen, dass die Einschätzung der Schwere des Verstoßes so verändert werde, dass gewisse Differenzierungen, z. B. anhand der Dauer, nur noch innerhalb der 10%-Grenze des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 möglich würden. Die Bewertung von Schwere und Dauer erfolge nach den Umständen des Verstoßes und habe nichts mit der Anwendung der 10%-Grenze zu tun, die allein im Interesse der Solvenz der Unternehmen bestehe.

277 Zurückzuweisen sei auch das Argument, die Anwendung der Leitlinien auf den vorliegenden Fall stelle einen Ermessensmissbrauch der Kommission dar. Die Klägerin versuche insoweit, die allgemeinen Bedenken, die sie gegen die Rechtmäßigkeit der Leitlinien vorbringe, auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die Kommission habe sich vorliegend im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 gehalten.

278 Die in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Grenze von 10 % des Umsatzes beziehe sich auf den Endbetrag der Geldbuße und nicht auf Beträge, die als Zwischenschritte der Berechnung dienten. Sie ziele nicht darauf ab, eine korrekt nach der Schwere des Verstoßes ermittelte Sanktion, auch wenn sie im Verhältnis zum Gesamtumsatz sehr hoch erscheine, herabzusetzen, damit noch Spielraum für eine Differenzierung bleibe.

279 Zu der Rüge, die Kommission habe einen abstrakten, in keiner Weise am Umsatz der betroffenen Unternehmen nach Maßgabe des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 orientierten Ausgangsbetrag festgesetzt, sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Gesamtumsätze im Sinne der Verordnung Nr. 17 bei der Ermittlung des allgemeinen Ausgangspunkts von 20 Millionen ECU, der auf dem außerordentlich ernsten Charakter des Verstoßes beruhe, nicht berücksichtigt zu werden brauchten. Die Kommission verfüge bei der Bemessung der Geldbußen über ein weites Ermessen. Solle dieses Ermessen irgendeinen Sinn haben, so müsse sie befugt sein, den unterschiedlichen Faktoren je nach ihren Erkenntnissen und nach Lage des Einzelfalls unterschiedliches Gewicht einzuräumen. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass bei der Festsetzung der Geldbuße einem einzelnen Element wie dem Umsatz keine übermäßige Bedeutung beigemessen werden dürfe. Im Fall der Klägerin habe kein Anlass bestanden, den Gesamtumsatz oder die in der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von 10 % dieses Umsatzes bei der Ermittlung des Grundbetrags der Geldbuße zu berücksichtigen.

280 Im Übrigen habe die Kommission bei ihrer Bewertung auch die relative Bedeutung der betroffenen Unternehmen auf dem relevanten Markt berücksichtigt, wodurch der Grundbetrag von 20 Millionen ECU bei der Klägerin und drei anderen Unternehmen derselben Kategorie auf ein Viertel herabgesetzt worden sei.

281 In Bezug auf die angebliche Diskriminierung sei darauf hinzuweisen, dass sich alle vier Unternehmen der dritten Kategorie hinsichtlich der Verordnung Nr. 17 in Wirklichkeit in derselben Lage befunden hätten. Bei allen vier habe die Schwere des Verstoßes im Prinzip eine Sanktion oberhalb des nach der Verordnung Nr. 17 zulässigen Maximums verlangt, und zwar selbst bei einem Referenzzeitraum von nur einem Jahr, unter Berücksichtigung ihrer Stellung auf dem Markt und abgesehen von zusätzlichen erschwerenden Umständen. Die Starrheit, die die Klägerin dem System der Kommission vorwerfe, liege in Wirklichkeit in der 10%-Grenze selbst, von der die Verordnung keine Ausnahme gestatte. Außerdem habe sich dieses System sehr stark zugunsten der Klägerin ausgewirkt, wenn man die Höhe ihrer Geldbuße mit dem eigentlich angemessenen Betrag von 8 Millionen ECU vergleiche.

282 Die Klägerin könne sich daher nicht auf eine Benachteiligung bei der Gewichtung der Geldbuße anhand der Dauer berufen. Auch von einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte könne keine Rede sein, denn sowohl die Klägerin als auch Tarco und Dansk Rørindustri hätten die nach der Verordnung Nr. 17 höchstmögliche Geldbuße zahlen müssen, obwohl der Koeffizient für die Dauer bei ihr niedriger gewesen sei als bei den beiden anderen Unternehmen. In Wirklichkeit seien alle diese Unternehmen angesichts des Systems der Verordnung Nr. 17 in einer vergleichbaren Lage gewesen. Da bei allen betroffenen Unternehmen der eigentlich angemessene Betrag über den Hoechstbetrag nach der Verordnung Nr. 17 hinausgegangen sei und alle Unternehmen diesen Hoechstbetrag bezahlt hätten, sei der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt worden.

283 Insoweit mache die Klägerin zu Unrecht geltend, dass die in der Entscheidung "Karton" verwendete Methode, die sich auf den "relevanten" Umsatz stütze, im Gegensatz zu den Leitlinien in jedem Fall die notwendige Differenzierung anhand individueller Faktoren wie der Dauer der Beteiligung erlaubt hätte. Eine solche Methode schließe nicht aus, dass der Betrag einer Geldbuße über 10 % des relevanten Umsatzes liege. Wenn der relevante Umsatz und der Gesamtumsatz identisch seien, gewährleiste im Übrigen auch diese Methode nicht die geforderte Differenzierung.

284 Eine Diskriminierung könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Geldbuße der Klägerin proportional höher sei als die von ABB. Auf ABB seien nämlich dieselben Kriterien angewandt worden wie auf die Klägerin, wobei im Hinblick auf die besondere Situation von ABB zusätzliche Faktoren zu einer Erhöhung ihrer Geldbuße geführt hätten. Ausgehend von dem Ausgangsbetrag von 20 Millionen ECU sei zunächst, wie bei der Klägerin, die wirtschaftliche Fähigkeit von ABB, den Wettbewerb spürbar zu beeinflussen, sowie ihre relative Bedeutung auf dem betreffenden Markt berücksichtigt worden. Angesichts der Stellung von ABB als einem der größten Industriekonzerne in Europa habe die Kommission den Ausgangsbetrag nach oben angepasst, um für eine hinreichend abschreckende Wirkung zu sorgen. Neben diesen Erwägungen, die zu einem Ausgangsbetrag von 50 Millionen ECU für die Berechnung der Geldbuße von ABB geführt hätten, hätten bei ABB - anders als bei der Klägerin - auch der Koeffizient für die Dauer sowie erschwerende Umstände in vollem Umfang zur tatsächlichen Erhöhung der Geldbuße beigetragen.

285 Schließlich sei der Vergleich mit der Entscheidung "Karton" nicht relevant, da die Kommission vorliegend gerade nicht derselben Berechnungsmethode gefolgt sei wie in jener Entscheidung. Der vorliegende Fall sei zudem aufgrund mehrerer Elemente - insbesondere der in Randnummer 165 der Entscheidung aufgezählten Tatumstände, nämlich des betrügerischen Verfahrens bei der Angebotsabsprache und der aggressiven Durchsetzung des gemeinsamen Planes - nicht unmittelbar mit dem Fall vergleichbar, der zur Entscheidung "Karton" geführt habe. Außerdem hätte die Kommission, wäre sie bei der Berechnungsmethode der Entscheidung "Karton" geblieben, das Niveau von 7,5 % des relevanten Umsatzes als offenkundig unzureichend ansehen können, um im vorliegenden Fall die abschreckende Wirkung der Geldbußen zu sichern. Die Klägerin habe sich nämlich selbst nach Erlass und Veröffentlichung der Entscheidung "Karton" noch an den Aktivitäten des Kartells beteiligt.

2. Würdigung durch das Gericht

286 Die Klägerin macht erstens eine Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geltend, die darin bestehen soll, dass sich die Kommission durch den Erlass ihrer Leitlinien ihres durch diese Bestimmung insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung und etwaiger mildernder Umstände eingeräumten Ermessens begeben habe. Zweitens trägt sie vor, die Kommission habe durch die Anwendung der Leitlinien einen Ermessensmissbrauch begangen und gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen.

- Zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 durch die Leitlinien

287 Wie oben in den Randnummern 222 bis 230 ausgeführt wurde, ist die von der Kommission in ihren Leitlinien ankündigte Methode zur Berechnung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 innerhalb des durch diese Bestimmung gesteckten rechtlichen Rahmens geblieben.

288 Zudem ist oben in den Randnummern 223 bis 227 festgestellt worden, dass die Leitlinien vorsehen, dass bei der Berechnung der Geldbußen ein Ausgangsbetrag anhand sowohl der Schwere als auch der Dauer der Zuwiderhandlung ermittelt wird, der gegebenenfalls zu gewichten ist, um erschwerenden oder mildernden Umständen und der Kooperation des Unternehmens im Verwaltungsverfahren Rechnung zu tragen. Daher kann nicht behauptet werden, die Kommission habe bei der Erstellung der Leitlinien die Rechtsprechung außer Acht gelassen, nach der die Schwere einer Zuwiderhandlung anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (siehe oben, Randnr. 236).

289 Entgegen der Behauptung der Klägerin nehmen die Leitlinien der Kommission nicht den ihr in der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Ermessensspielraum.

290 Die Klägerin macht geltend, diese Leitlinien erlaubten es der Kommission, anhand der Schwere der Zuwiderhandlung einen so hohen Ausgangspunkt für die Berechnung der Geldbuße festzusetzen, dass sich im Hinblick darauf, dass die Geldbuße nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 keinesfalls die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigen dürfe, andere Faktoren wie die Dauer oder mildernde oder erschwerende Umstände bisweilen nicht mehr auf die Höhe der Geldbuße auswirken könnten.

291 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der vorsieht, dass die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann, ist die Geldbuße, die letztlich gegen ein Unternehmen festgesetzt wird, herabzusetzen, falls sie 10 % von dessen Umsatz übersteigt, unabhängig von Zwischenberechnungen, mit denen Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung getragen werden soll.

292 Folglich verbietet Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt.

293 Dahin gehen im Übrigen auch die Leitlinien, denn darin heißt es: "Gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 darf der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen" (Nr. 5 Buchstabe a).

294 In einem Fall, in dem die Kommission bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzieht, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, kann ihr somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich bestimmte bei ihrer Berechnung berücksichtigte Faktoren nicht auf den Endbetrag der Geldbuße auswirkten, da dies die Folge des in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Verbots der Überschreitung von 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens ist.

295 Zudem erlauben die Leitlinien es der Kommission entgegen der Behauptung der Klägerin, erforderlichenfalls die besondere Situation zu berücksichtigen, in der sich die kleinen und mittleren Unternehmen im Vergleich zu den Unternehmen befinden, die auf dem relevanten Markt oder insgesamt gesehen einen höheren Umsatz erzielen.

296 Bei der Anwendung der Leitlinien kann der Umsatz der betroffenen Unternehmen eine Rolle spielen, wenn die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber in erheblichem Umfang zu schädigen, und das Erfordernis zu berücksichtigen sind, eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, oder wenn der Tatsache Rechnung zu tragen ist, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über ausreichende Ressourcen an juristischem und wirtschaftlichem Sachverstand verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind (siehe oben, Randnr. 224). Der Umsatz der betroffenen Unternehmen kann auch bei der Ermittlung des jeweiligen Gewichts und damit der tatsächlichen Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb eine Rolle spielen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von ganz unterschiedlicher Größe beteiligt waren (siehe oben, Randnr. 225). Ferner kann der Umsatz der Unternehmen einen Anhaltspunkt für die eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile oder andere besondere Merkmale der Beteiligten an dem Verstoß geben, die je nach den Umständen zu berücksichtigen sind (siehe oben, Randnr. 228).

297 Zudem kann nach den Leitlinien der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise gegebenenfalls dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, ohne dass dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Teil A Absatz 7).

298 Soweit sich die Klägerin auf die Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 stützt, ist ihre Rüge daher zurückzuweisen.

- Zum Ermessensmissbrauch und zum Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung

299 Zu dem auf einen Ermessensmissbrauch und einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gestützten Vorbringen ist vorab festzustellen, dass im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kommission eine sehr schwere Zuwiderhandlung begangen wurde, für die normalerweise eine Geldbuße von 20 Millionen ECU zu verhängen wäre (Randnr. 165 der Entscheidung).

300 Um der unterschiedlichen Größe der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Rechnung zu tragen, hat die Kommission spezifische Ausgangspunkte festgelegt, um die Geldbußen zunächst anhand der Bedeutung dieser Unternehmen auf dem relevanten Markt zu berechnen, vorbehaltlich von Anpassungen, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten (Randnr. 166 Absätze 2 bis 4 der Entscheidung). Aus den Randnummern 168 bis 183 der Entscheidung geht hervor, dass bei den vier Kategorien je nach ihrer Bedeutung spezifische Ausgangspunkte von 20 Millionen, 10 Millionen, 5 Millionen und 1 Million ECU für die Berechnung der Geldbußen gewählt wurden.

301 Zu den spezifischen Ausgangspunkten hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts erläutert, diese Beträge spiegelten die Bedeutung jedes Unternehmens im Fernwärmesektor unter Berücksichtigung seiner Größe und seines Gewichts im Verhältnis zu ABB im Kontext des Kartells wider. Dabei habe sie nicht nur den Umsatz der Unternehmen auf dem fraglichen Markt, sondern auch die relative Bedeutung berücksichtigt, die die Mitglieder des Kartells ausweislich der nach Anhang 60 der Mitteilung der Beschwerdepunkte innerhalb des Kartells vereinbarten Quoten und der nach den Anhängen 169 bis 171 der Mitteilung der Beschwerdepunkte für 1995 geplanten und erzielten Ergebnisse jedem von ihnen beimäßen.

302 Darüber hinaus hat die Kommission den spezifischen Ausgangspunkt für die Berechnung bei ABB auf 50 Millionen ECU erhöht, um deren Stellung als einem der größten Industriekonzerne in Europa Rechnung zu tragen (Randnr. 168 der Entscheidung).

303 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann nicht davon die Rede sein, dass sie allein deshalb gegenüber ABB benachteiligt wurde, weil die gegen sie verhängte Geldbuße gemessen an ihrem Umsatz höher ist als die Geldbuße von ABB.

304 Bei der Geldbuße von ABB hat die Kommission einen zehnmal höheren Ausgangspunkt gewählt als im Fall der Klägerin, bei der er 5 Millionen ECU betrug. Angesichts aller bei der Festlegung der spezifischen Ausgangspunkte berücksichtigter relevanter Faktoren ist davon auszugehen, dass der Unterschied zwischen den bei der Klägerin und bei ABB gewählten Ausgangspunkten objektiv gerechtfertigt ist. Da die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nicht dafür zu sorgen braucht, dass die Endbeträge der Geldbußen, zu denen ihre Berechnung bei den betroffenen Unternehmen führt, jeden Unterschied bei deren Umsatz zum Ausdruck bringen, kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, dass bei ihr ein Ausgangspunkt gewählt worden sei, der zu einer Geldbuße geführt habe, die gemessen an ihrem Umsatz höher sei als bei ABB.

305 Unter diesen Umständen kann die Klägerin der Kommission auch nicht vorwerfen, ihren spezifischen Ausgangspunkt nicht so festgelegt zu haben, dass sich die individuellen Unterschiede bei der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung und ihrer Rolle im Kartell auf die Höhe ihrer Geldbuße auswirkten.

306 Die Behauptung der Klägerin, dass die Kommission einen Fehler bei der Beurteilung der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder ihrer Rolle im Kartell begangen habe, greift ebenfalls nicht durch. Zur Dauer der Zuwiderhandlung genügt ein Hinweis auf die obige Feststellung, dass die Kommission der Klägerin zu Recht eine Beteiligung von Dezember 1990 bis März oder April 1996 unter Berücksichtigung eines Zeitraums der Aussetzung des Kartells zur Last gelegt und dass sie zudem in Randnummer 178 der Entscheidung angesichts der geringeren Dauer der Zuwiderhandlung und der Unregelmäßigkeit ihrer Mitwirkung vor 1994 ihre Geldbuße um den Faktor 1,33 und nicht wie bei ABB, Løgstør, Tarco und Dansk Rørindustri um den Faktor 1,4 erhöht hat. Zur Rolle der Klägerin im Vergleich zur Rolle von ABB und Henss/Isoplus ist festzustellen, dass die Kommission bei letzteren erschwerende Umstände berücksichtigt hat, die zu einer Erhöhung der Geldbuße um 50 % bzw. 30 % führten, während der Klägerin nur die bewusste Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach der Untersuchung als erschwerender Umstand angelastet wurde, der lediglich zu einer Erhöhung um 20 % führte. Die Klägerin hat nicht angegeben, inwiefern sie durch diese nach unten und nach oben vorgenommenen Gewichtungen benachteiligt worden sein soll.

307 Aus all diesen Gründen ist das Vorbringen der Klägerin auch insoweit zurückzuweisen, als es auf einen Ermessensmissbrauch oder einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gestützt wird.

D - Zur fehlerhaften Würdigung der mildernden und erschwerenden Umstände

1. Vorbringen der Parteien

308 Die Klägerin rügt, dass die Kommission bei ihr keine mildernden Umstände berücksichtigt habe, obwohl sie im Laufe des Verwaltungsverfahrens verschiedene Gesichtspunkte angeführt habe, die als mildernde Umstände hätten berücksichtigt werden müssen.

309 Erstens hätte die Kommission der schwierigen Lage in der Fernwärmebranche Rechnung tragen müssen. Im relevanten Zeitraum sei der Markt durch Überkapazitäten gekennzeichnet gewesen. Zwischen den Wettbewerbern sei es vor allem auf dem deutschen Markt zu erbitterten Preiskriegen gekommen, die dazu geführt hätten, dass das Preisniveau in einer für kleinere und mittlere Hersteller wie die Klägerin existenzgefährdenden Weise gefallen sei. In der Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (IV/35.814 - Legierungszuschlag) (ABl. L 100, S. 55, im Folgenden: Entscheidung "Legierungszuschlag") seien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Sektors als mildernder Umstand mit einer Herabsetzung um bis zu 30 % berücksichtigt worden.

310 Zweitens seien ihre Lohnkosten höher gewesen als die ihrer Wettbewerber, da sie der einzige Hersteller von Fernwärmerohrsystemen gewesen sei, dessen Produktionskapazitäten sich hauptsächlich in Deutschland und in der Schweiz befunden hätten. Angesichts existenzbedrohender finanzieller Verluste habe sie nur durch die Zuführung zusätzlicher Finanzmittel auf dem Markt fortbestehen können.

311 Drittens habe sie im Kartell keine führende Rolle gespielt, was auch die Kommission einzuräumen scheine, die als Anführer nur ABB, Løgstør und die Gruppe Henss/Isoplus nenne.

312 Viertens habe ihre Entscheidung, ihre Aktivitäten auf den dänischen Markt auszudehnen, maßgeblich zur Beendigung des Kartells in Dänemark beigetragen, an dem sie nicht beteiligt gewesen sei.

313 Fünftens habe sie keine Maßnahmen gegen Powerpipe ergriffen, sich nicht an solchen Maßnahmen beteiligt und diese auch nicht gefördert oder unterstützt. Die Kommission habe aber die Geldbuße von KWH um 20 % herabgesetzt, weil diese sich nicht am Boykott von Powerpipe beteiligt habe.

314 Sechstens habe die Klägerin nach der Beendigung des Kartells Anfang 1996 alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Fortdauer der Verstöße oder neue Verstöße zu verhindern. Mit ihren wichtigsten Mitarbeitern sei ein Compliance Program durchgeführt worden, bei dem diese umfassend über kartellrechtlich unzulässige Wettbewerbshandlungen aufgeklärt worden seien.

315 Siebtens handele es sich vorliegend um das erste Verfahren, in dem Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag im Bereich der Fernwärmeindustrie angewandt worden sei.

316 Zu beanstanden sei auch, dass die Kommission die Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach Abschluss der Untersuchung als erschwerenden Umstand berücksichtigt habe, der eine Erhöhung der Geldbuße rechtfertige. Es entspreche ständiger Verwaltungspraxis der Kommission, die Beendigung einer Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen als mildernden Umstand zu berücksichtigen, der eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertige.

317 Nach Auffassung der Beklagten sind alle Argumente zu den angeblichen mildernden Umständen zurückzuweisen.

2. Würdigung durch das Gericht

318 Die Kommission war im vorliegenden Fall zu der Annahme berechtigt, dass in Bezug auf die Klägerin kein mildernder Umstand vorlag.

319 Zunächst kann sich die Klägerin nicht auf die schwierige Situation, in der sich der Fernwärmesektor befunden habe, und insbesondere den durch die Überkapazitäten ihrer Konkurrenten verursachten Preisverfall berufen. Anders als in dem zur Entscheidung "Legierungszuschlag" führenden Fall, in dem eine Erhöhung der Rohstoffpreise die Situation in der Branche entscheidend verschlechtert hatte, waren für die von der Klägerin angeführten Überkapazitäten die Unternehmen selbst verantwortlich. Da die Klägerin die Feststellung der Kommission, dass die Preise von Rohmaterial zwischen 1990 und Mitte 1994 um 20 % gesunken seien (Randnr. 125 Absatz 4 der Entscheidung), nicht in Abrede gestellt hat, kann der von der Klägerin behauptete Anstieg dieser Preise gegen Ende des genannten Zeitraums - selbst wenn er nachgewiesen wäre - nicht zu einer Herabsetzung ihrer Geldbuße führen.

320 Jedenfalls kann allein aus der Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße als mildernde Umstände angesehen hat, nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wäre, dies in einer späteren Entscheidung ebenfalls zu tun (Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 368).

321 Die Klägerin kann sich auch nicht auf ihre namentlich auf höhere Lohnkosten zurückzuführende besondere finanzielle Situation berufen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission nicht verpflichtet, bei der Bemessung der Geldbuße die schlechte Finanzlage eines betroffenen Unternehmens zu berücksichtigen, da die Anerkennung einer solchen Verpflichtung darauf hinauslaufen würde, den am wenigsten den Marktbedingungen angepassten Unternehmen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnrn. 54 und 55; Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-319/94, Fiskeby Board/Kommission, Slg. 1998, II-1331, Randnrn. 75 und 76, und T-348/94, Enso Española/Kommission, Slg. 1998, II-1875, Randnr. 316; Urteil Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 630). Aus dem gleichen Grund kann der Kommission nicht auferlegt werden, die finanzielle Situation zu berücksichtigen, in der sich ein Unternehmen während seiner Beteiligung an der fraglichen Zuwiderhandlung befand.

322 Ferner kann die Klägerin nicht geltend machen, ihre Geldbuße hätte herabgesetzt werden müssen, da sie nicht zu den Anführern des Kartells gehört habe, denn damit verweist sie nur auf das Fehlen eines erschwerenden Umstands. Wie sich aus den Randnummern 171, 176 und 179 Absatz 3 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission bei den Unternehmen, die eine wichtige Rolle im Kartell spielten, diese Rolle zu Recht als erschwerenden Umstand herangezogen, der zu einer Erhöhung ihrer Geldbuße führte.

323 Zum Eindringen der Klägerin in den dänischen Markt ist festzustellen, dass dies nicht der einzige Grund für den vorübergehenden Zusammenbruch des dortigen Kartells im Jahr 1993 war. Wie sich aus den Angaben von ABB und Løgstør ergibt, waren die Spannungen, die zu dieser Zeit zum Zusammenbruch des Kartells führten, auch auf das aggressive Verhalten von Løgstør zurückzuführen, die einen höheren Marktanteil forderte (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und Antwort von ABB). Da nach den obigen Feststellungen in den Randnummern 50 bis 57 die betroffenen Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehörte, im Anschluss an Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf den dänischen Markt Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes aufnahmen, konnte das Verhalten der Klägerin keinen mildernden Umstand darstellen.

324 Die Klägerin kann auch keine Herabsetzung der Geldbuße wegen ihrer Nichtteilnahme am Boykott von Powerpipe beanspruchen. Wie oben in den Randnummern 120 bis 133 ausgeführt, hat die Klägerin an der Vereinbarung über den Boykott von Powerpipe teilgenommen.

325 Insoweit kann die Klägerin nicht den gleichen Nachlass wie KWH verlangen, da KWH Ungehorsam gegenüber der Vereinbarung vom 24. März 1995 zeigte und so die mit diesem Ungehorsam verbundene Gefahr von Konflikten und Pressionen einging.

326 Ferner kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie die Durchführung eines internen Programms zur Befolgung des Gemeinschaftsrechts durch die Klägerin nicht als mildernden Umstand berücksichtigt hat. Es ist zwar wichtig, dass die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, um künftige erneute Zuwiderhandlungen ihrer Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts an der Tatsache der Zuwiderhandlung, die vorliegend festgestellt worden ist (vgl. Urteil Hercules Chemicals/Kommission vom 17. Dezember 1991, Randnr. 357). Außerdem zeigt nach der Rechtsprechung die Einführung eines Programms zur Befolgung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zwar, dass das fragliche Unternehmen gewillt ist, künftige Zuwiderhandlungen zu verhindern, und stellt somit einen Faktor dar, der der Kommission die Erfuellung ihrer Aufgabe erleichtert, die u. a. darin besteht, im Bereich des Wettbewerbs die im Vertrag verankerten Grundsätze anzuwenden und die Unternehmen entsprechend anzuleiten; die bloße Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis in einigen Fällen die Einführung eines solchen Programms als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet jedoch nicht, dass sie verpflichtet wäre, in einem bestimmten Fall ebenso vorzugehen (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, Randnr. 83, und in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 417). Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine Zuwiderhandlung in Form einer Preisabsprache und einer Marktaufteilung handelt, die einen offenkundigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 Buchstaben a und c EG-Vertrag darstellt.

327 Da die Unvereinbarkeit des fraglichen Kartells mit den Wettbewerbsregeln in Artikel 85 Absatz 1 Buchstaben a und c EG-Vertrag ausdrücklich festgestellt und durch eine ständige Rechtsprechung bestätigt wird, kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass Artikel 85 EG-Vertrag bislang noch nicht auf den Fernwärmesektor angewandt worden sei. Unter diesen Umständen musste der Klägerin nämlich die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bekannt sein.

328 Schließlich ist zur Berücksichtigung der Fortsetzung der Zuwiderhandlung nach den Untersuchungen der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht bestreitet, ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach diesen Untersuchungen fortgesetzt zu haben.

329 Die Tatsache, dass die Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Tätigwerden der Kommission als mildernder Umstand berücksichtigt werden kann, bedeutet entgegen der Behauptung der Klägerin nicht, dass die Fortsetzung einer Zuwiderhandlung in einer solchen Situation nicht als erschwerender Umstand angesehen werden kann. Die Reaktion eines Unternehmens auf eine Untersuchung seiner Tätigkeiten kann nur unter Heranziehung des speziellen Kontexts des konkreten Falles beurteilt werden. Da die Kommission somit grundsätzlich weder zur Einstufung der Fortsetzung einer Zuwiderhandlung als erschwerender Umstand noch zur Berücksichtigung der Beendigung einer Zuwiderhandlung als mildernder Umstand verpflichtet sein kann, nimmt ihr die Möglichkeit, die Beendigung im Einzelfall als mildernden Umstand zu werten, nicht die Befugnis, die Fortsetzung in einem anderen Fall als erschwerenden Umstand zu behandeln.

330 Daher kann der Rüge einer fehlerhaften Würdigung der mildernden und erschwerenden Umstände nicht gefolgt werden.

E - Zur fehlerhaften Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit

1. Vorbringen der Parteien

331 Die Klägerin macht geltend, die Herabsetzung der Geldbuße um 20 %, die ihr für ihre Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren gewährt worden sei, weiche erheblich von der Verwaltungspraxis in der Entscheidung "Karton" ab. Die Kommission habe zudem ihre eigene Mitteilung über Zusammenarbeit fehlerhaft und diskriminierend angewandt.

332 Die Klägerin habe für ihre aktive Kooperation weniger erhalten als die Unternehmen im Verfahren "Karton", in dem die Geldbußen einiger Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden seien, weil sie die gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht angefochten hätten, und die Geldbußen anderer Unternehmen wegen ihres spontanen Eingeständnisses der Zuwiderhandlung und der Kommission überlassener detaillierter Beweismittel oder wegen der freiwilligen Überlassung wichtiger Unterlagen sogar um zwei Drittel herabgesetzt worden seien. Dies sei unvereinbar mit der Feststellung in Randnummer 180 der Entscheidung, wonach sich die Klägerin "wohl auf der Grenzlinie zwischen aktiver Zusammenarbeit mit der Kommission und dem bloßen Eingeständnis nicht mehr zu verheimlichender Tatbestände bei der Beantwortung von Nachfragen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17" befunden habe.

333 Da die Klägerin schon sehr früh, nämlich bei der Beantwortung des ersten Auskunftsverlangens, den Kern des ihr angelasteten Sachverhalts nicht bestritten habe, hätte die Kommission keine geringere Herabsetzung der Geldbuße vornehmen dürfen als die Senkung um ein Drittel, die sie in der Entscheidung "Karton" für das bloße Nichtbestreiten des Kerns der Vorwürfe nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewährt habe.

334 Außerdem habe die Klägerin in größerem Umfang und erheblich früher mit der Kommission zusammengearbeitet als diejenigen Unternehmen, deren Geldbußen in der Entscheidung "Karton" wegen ihrer aktiven Kooperation um zwei Drittel herabgesetzt worden seien. Sie habe sich bereits nach dem Auskunftsverlangen der Kommission vom 13. März 1996 zur Zusammenarbeit bereit erklärt, weit über die reine Beantwortung der Fragen hinausgehende Angaben gemacht, auch unzulässige Fragen beantwortet und bis zur mündlichen Anhörung an ihrer konstruktiven Haltung festgehalten. Sie habe die Sachverhalte und Beweismittel nicht beanstandet, die die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zutreffend festgestellt habe. Sie habe nur diejenigen Folgerungen angefochten, die auf einem unzutreffend ermittelten Sachverhalt und/oder unzutreffend gewürdigten Beweismitteln beruht hätten, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung und des Vorwurfs der Behinderung der Tätigkeit von Powerpipe.

335 Sollte das Gericht dennoch der Auffassung sein, dass die Kommission zu Recht entgegen ihrer bisherigen Verwaltungspraxis die Kriterien in der Mitteilung über Zusammenarbeit herangezogen habe, so habe diese dadurch einen Beurteilungsfehler begangen, dass sie die Geldbuße der Klägerin trotz des Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen von Abschnitt D dieser Mitteilung nur um 20 % herabgesetzt habe. Die Klägerin habe der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen und Beweismittel geliefert, die zur Feststellung des Vorliegens des Verstoßes beigetragen hätten, und sie habe nach Erhalt dieser Mitteilung den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Vorwürfe stütze, nicht bestritten. Es sei kein Fall denkbar, in dem eine Kooperation nach Abschnitt D der Mitteilung umfangreicher sein könnte. Da in Abschnitt D eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % bis 50 % vorgesehen sei, habe die Kommission einen Ermessensfehler begangen, als sie nicht den dort genannten Hoechstsatz von 50 % angewandt habe.

336 In ihrer Entscheidung "Legierungszuschlag" habe die Kommission für eine im Umfang vergleichbare, aber erheblich spätere Kooperation die Geldbuße gemäß Abschnitt D der Mitteilung um 40 % herabgesetzt.

337 Die Herabsetzung der Geldbuße der Klägerin um 20 % stelle eine Benachteiligung gegenüber ABB, Løgstør, Tarco, KWH und Brugg dar, die für ihre Kooperation, die sich nach Art und Umfang nicht von der der Klägerin unterschieden habe, eine Herabsetzung um 30 % erhalten hätten. Diese Unternehmen hätten weder zu einem früheren Zeitpunkt noch in größerem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet; sie hätten auch keinen umfassenderen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Beschleunigung des Verfahrens geleistet. Dabei könne es keine Rolle spielen, ob der relevante Sachverhalt mit oder ohne Vorlage weiterer schriftlicher Belege offenbart werde, denn ob ein Unternehmen zum Beweis des von ihm geschilderten Sachverhalts noch Dokumente beifüge, hänge nicht zuletzt davon ab, ob die Kommission bei ihren Nachprüfungen bereits solche Dokumente gefunden habe.

338 Eine weitere Benachteiligung der Klägerin bestehe darin, dass die Geldbuße der KE KELIT Kunststoffwerk Ges.mbH (im Folgenden: KE KELIT) um 20 % herabgesetzt worden sei, weil sie die Beschwerdepunkte im Wesentlichen nicht angefochten habe. Dass die Zusammenarbeit der Klägerin über ein bloßes Nichtbestreiten hinausgegangen sei, werde in der Entscheidung selbst anerkannt, in der ihre Kooperation an der Grenzlinie zwischen aktiver Zusammenarbeit und bloßem Eingeständnis nicht mehr zu verheimlichender Tatbestände angesiedelt werde. Eine frühzeitig begonnene aktive Kooperation unmittelbar im Anschluss an das Auskunftsverlangen der Kommission habe deren Arbeit erleichtert und mehr zur Beschleunigung des Verfahrens beigetragen als ein bloßes Nichtbestreiten der wesentlichen Vorwürfe in den Beschwerdepunkten. Die Kommission hätte daher die aktive Kooperation der Klägerin mit einer stärkeren Herabsetzung als im Fall von KE KELIT honorieren müssen.

339 Die Beklagte hält dem entgegen, dass sie nicht verpflichtet sei, eine bestimmte in einer früheren Entscheidung vorgenommene Herabsetzung auch im vorliegenden Fall zu gewähren. Ihr könne nicht vorgeworfen werden, dass sie die neue Mitteilung über Zusammenarbeit sofort nach deren Veröffentlichung angewandt habe.

340 Die Mitteilung habe es ihr nicht ermöglicht, im vorliegenden Fall die Geldbuße irgendeines Unternehmens um zwei Drittel herabzusetzen. Die Situation der Klägerin sei jedenfalls nicht mit der der Unternehmen vergleichbar, deren Geldbuße in der Entscheidung "Karton" um zwei Drittel herabgesetzt worden sei.

341 Eine Herabsetzung der Geldbuße der Klägerin um 20 % sei in Anbetracht der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht ermessensfehlerhaft gewesen. So habe keines der von ihr vorgelegten Dokumente der Kommission einen zusätzlichen Nutzen bei der Aufdeckung des Kartells oder der Beteiligung der Klägerin gebracht. Alle diese Dokumente seien im Übrigen von der Kommission im Rahmen ihres Auskunftsverlangens angefordert worden. Eine Herabsetzung der Geldbuße könne nicht allein dafür gewährt werden, dass ein Unternehmen seinen Verpflichtungen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 nachkomme. Die Situation der Klägerin sei daher nicht mit der vergleichbar, in der sich die Unternehmen befunden hätten, deren Geldbuße in der Entscheidung "Legierungszuschlag" um 40 % herabgesetzt worden sei.

342 Schließlich könne von einer Benachteiligung der Klägerin weder hinsichtlich der Herabsetzung der Geldbuße von ABB, Brugg, Løgstør, KWH und Tarco um 30 % noch hinsichtlich der Herabsetzung um 20 % bei KE KELIT die Rede sein.

2. Würdigung durch das Gericht

343 Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegt, unter welchen Voraussetzungen gegen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, keine oder niedrigere Geldbußen festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

344 In Abschnitt E 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit heißt es, diese habe berechtigte Erwartungen geweckt, auf die sich die Unternehmen, die der Kommission ein Kartell melden wollten, berufen würden. Angesichts des berechtigten Vertrauens, das die zur Zusammenarbeit mit der Kommission bereiten Unternehmen aus dieser Mitteilung ableiten konnten, war die Kommission daher verpflichtet, sich bei der Beurteilung der Kooperation der Klägerin im Rahmen der Bemessung ihrer Geldbuße an die Mitteilung zu halten.

345 Der Fall der Klägerin fällt unstreitig weder in den Anwendungsbereich von Abschnitt B der Mitteilung, der Fälle betrifft, in denen ein Unternehmen der Kommission eine geheime Absprache anzeigt, bevor diese eine Nachprüfung vorgenommen hat (und in denen die Geldbuße um mindestens 75 % herabgesetzt werden kann), noch in den Anwendungsbereich von Abschnitt C der Mitteilung, der sich auf ein Unternehmen bezieht, das eine geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat (dann kann die Geldbuße um 50 % bis 75 % herabgesetzt werden).

346 Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit sieht Folgendes vor: "Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle [in den Abschnitten B und C genannten] Voraussetzungen erfuellt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt." Weiter heißt es dort:

"Dies gilt insbesondere, wenn

- ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;

- ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet."

347 Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Kommission - die anerkannt hat, dass die Klägerin den Kern der ihr angelasteten Tatbestände nicht bestritten hat (Randnr. 180 Absatz 3 der Entscheidung) - ihre Geldbuße über die ihr gewährten 20 % hinaus hätte herabsetzen müssen.

348 In dem Teil der Entscheidung, der die gegen die einzelnen Unternehmen festgesetzten Geldbußen betrifft, hat die Kommission in Bezug auf die von ABB angebotene Zusammenarbeit ausgeführt, dass ABB die nach Abschnitt D mögliche Verringerung um 50 % nicht zugestanden werden könne, da sie erst zur Zusammenarbeit bereit gewesen sei, nachdem die Kommission eingehende Auskunftsersuchen versandt habe (Randnr. 174 Absätze 3 und 4). Auch wenn diese Angaben in Bezug auf die Klägerin in der Entscheidung nicht wiederholt werden, zeigen sie, dass die Kommission nicht bereit war, die Geldbuße eines Unternehmens, das ihr nicht vor Erhalt eines Auskunftsverlangens Informationen übermittelt hatte, um 50 % herabzusetzen. Die Klägerin hat der Kommission aber unstreitig erst nach Erhalt eines solchen Auskunftsverlangens Unterlagen zur Verfügung gestellt.

349 Zum Vergleich mit den Herabsetzungen um 30 % bei ABB, Brugg, KWH, Løgstør und Tarco ergibt sich aus den Akten, dass alle diese Unternehmen der Kommission im Gegensatz zur Klägerin wichtige Informationen lieferten, die die von ihr bei den Nachprüfungen erlangten Beweise ergänzten. Wie durch die in der Entscheidung und im vorliegenden Urteil erwähnten schriftlichen Beweise bestätigt wird, ergaben sich die wesentlichen Aspekte des Kartells, insbesondere soweit sie die Beteiligung der Klägerin betreffen, nicht aus Informationen oder Unterlagen, die die Klägerin nach den Nachprüfungen lieferte, sondern aus anderen Beweisstücken und namentlich aus Unterlagen, die von diesen anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden.

350 Unter diesen Umständen kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie die Geldbußen dieser anderen Unternehmen stärker herabgesetzt hat. Selbst wenn man unterstellt, dass die Kommission die Geldbuße eines anderen Unternehmens zu stark herabgesetzt hätte, ist darauf hinzuweisen, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile SCA Holding/Kommission, Randnr. 160, und Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 334).

351 Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Geldbuße von KE KELIT, weil diese den ihr zur Last gelegten Sachverhalt nicht bestritten habe, ebenfalls um 20 % herabgesetzt worden sei, obwohl sie sich erst nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Zusammenarbeit bereit erklärt habe. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (Urteil SCA Holding/Kommission, Randnr. 36; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 393, und vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 271, und T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 325). Da die Klägerin erst nach Erhalt eines Auskunftsverlangens kooperiert hat, trug sie zur Erleichterung der Arbeit der Kommission nicht wesentlich mehr bei als KE KELIT.

352 Zum Vergleich des vorliegenden Falles mit der früheren Praxis der Kommission ist festzustellen, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (siehe oben, Randnr. 326).

353 Unter diesen Umständen hat die Kommission bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit keinen rechtlichen oder tatsächlichen Fehler begangen. Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

F - Zur falschen Ermittlung des Umsatzes der Klägerin

1. Vorbringen der Parteien

354 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße bei der Ermittlung der Grenze von 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes rechtsfehlerhaft einen Betrag von 1 910 000 ECU zugrunde gelegt.

355 Die Kommission sei von einem Gesamtumsatz in Höhe von 37 526 242 DM ausgegangen, was nach Angaben der Kommission rund 18,9 Millionen ECU entspreche; diesen Betrag habe die Klägerin in ihrer Antwort vom 19. März 1998 auf das Auskunftsverlangen vom 24. Februar 1998 angegeben. In diesem Schreiben habe die Klägerin jedoch darauf hingewiesen, dass im Gesamtumsatz "Innenumsätze" aus Handelsbeziehungen innerhalb des Konzerns in Höhe von 5 211 500 DM enthalten seien. Diese Innenumsätze dürften nicht berücksichtigt werden, da sich das wahre wirtschaftliche Gewicht eines Unternehmens aus dessen Außenumsätzen ergebe. Da die Innenumsätze in Wirklichkeit 5 363 850 DM betragen hätten, belaufe sich der für die Obergrenze der Geldbuße nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 relevante Betrag auf 32 162 392 DM, also auf rund 16,2 Millionen ECU.

356 Die Differenzierung zwischen konzerninternen Umsätzen und Außenumsätzen entspreche einer ständigen Entscheidungspraxis der Kommission. So habe sie in ihrer Mitteilung über die Berechnung des Umsatzes im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1998, C 66, S. 25) zwischen Innen- und Außenumsätzen differenziert. Diese Differenzierung sei auch durch das Gericht im Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92 (Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549) bestätigt worden, in dem der Außenumsatz zur Festsetzung der Geldbuße herangezogen worden sei.

357 Die Beklagte vertritt die Auffassung, bei der Anwendung der 10%-Grenze nach Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 seien auch "Innenumsätze" zu berücksichtigen. Die Lieferungen an Tochter- und Schwestergesellschaften seien für die Beurteilung der Steuerkraft des Unternehmens, die sich in der 10%-Grenze der Verordnung Nr. 17 widerspiegle, ebenso bedeutsam wie Umsätze mit dritten Gesellschaften.

2. Würdigung durch das Gericht

358 Nach der Rechtsprechung kann die Kommission bei der Ermittlung der Höhe einer Geldbuße einen Umsatz heranziehen, der nicht nur den durch den Verkauf des von der Zuwiderhandlung betroffenen Erzeugnisses an Dritte erzielten Umsatz umfasst, sondern auch den Wert interner Lieferungen dieses Erzeugnisses an Betriebe, die, da sie dem Unternehmen gehören, keine eigenen juristischen Personen darstellen (Urteil Europa Carton/Kommission, Randnrn. 121 und 122).

359 Zum einen gibt es nämlich keine Bestimmung, die die Berücksichtigung des Wertes interner Lieferungen an eine Gesellschaft bei der Ermittlung der Höhe der Geldbuße ausdrücklich untersagt. Zum anderen soll durch die für Geldbußen geltende Obergrenze, die 10 % des Umsatzes des Unternehmens beträgt, verhindert werden, dass die Geldbußen außer Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen; da dafür allein der Gesamtumsatz einen ungefähren Anhaltspunkt liefern kann, muss davon ausgegangen werden, dass sich der fragliche Prozentsatz auf den Gesamtumsatz bezieht (Urteil Europa Carton/Kommission, Randnrn. 123 bis 125).

360 Würde dem Wert interner Lieferungen nicht Rechnung getragen, so würden zwangsläufig die vertikal integrierten Unternehmen ungerechtfertigt begünstigt. Der aus dem Kartell gezogene Nutzen bliebe in einem solchen Fall unter Umständen unberücksichtigt, so dass das fragliche Unternehmen einer Sanktion entgehen würde, die seiner Bedeutung auf dem Markt der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Erzeugnisse angemessen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-248/98 P, KNP BT/Kommission, Slg. 2000, I-9641, Randnr. 62; Urteil Europa Carton/Kommission, Randnr. 128).

361 Zur Berufung auf die für Unternehmenszusammenschlüsse geltende Regelung genügt die Feststellung, dass der in einigen Bestimmungen von Artikel 5 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehene Ausschluss etwaiger "Innenumsätze" bei der Berechnung des Gesamtumsatzes der Unternehmen im Rahmen von Zusammenschlüssen darauf beruht, dass die Einbeziehung solcher Transaktionen zu einer doppelten Berücksichtigung des gleichen Umsatzes führen würde (Urteil Europa Carton/Kommission, Randnr. 130). Im vorliegenden Fall hat aber keine solche doppelte Berücksichtigung stattgefunden.

362 Schließlich führt auch das Urteil Parker Pen/Kommission zu keiner anderen Auslegung, da es sich nicht auf die Frage der Berücksichtigung von Innenumsätzen einer Gesellschaft bezieht.

363 Daher ist der Klagegrund zurückzuweisen, soweit er auf eine falsche Ermittlung des Umsatzes der Klägerin gestützt wird.

IV - Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht bei der Bemessung der Geldbuße

A - Vorbringen der Parteien

364 Die Klägerin weist zunächst darauf hin, dass die Kommission in ihrer Entscheidung nicht auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen Bezug genommen habe, wie sie es hinsichtlich der Mitteilung über Zusammenarbeit ausdrücklich getan habe. Die Kommission habe auch versäumt, eine Begründung für die rückwirkende Anwendung der Leitlinien zu geben.

365 Zudem habe die Kommission nicht angegeben, aus welchen Gründen die Geldbuße der Klägerin gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit nur um 20 % herabgesetzt worden sei, während bei ABB, Brugg, KWH, Løgstør und Tarco eine Herabsetzung um 30 % vorgenommen worden sei. Die Kommission habe keine Begründung dafür gegeben, dass sich die Klägerin "wohl auf der Grenzlinie zwischen aktiver Zusammenarbeit mit der Kommission und dem bloßen Eingeständnis nicht mehr zu verheimlichender Tatbestände bei der Beantwortung von Nachfragen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17" befunden habe. Die Entscheidung enthalte auch keine Begründung für die von der Entscheidung "Legierungszuschlag" abweichende Behandlung der Klägerin.

366 Schließlich hätte die Kommission darlegen müssen, warum sie das Vorliegen mildernder Umstände verneint und die von der Klägerin in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen und später in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Gesichtspunkte nicht als mildernde Umstände anerkannt habe.

367 Die Beklagte macht geltend, sie habe in Bezug auf die Bemessung der Geldbuße ihrer Begründungspflicht genügt, indem sie die angewandten Kriterien und die Methode zur Berechnung der Geldbuße in der Entscheidung dargelegt habe.

B - Würdigung durch das Gericht

368 Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63).

369 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Ermittlung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

370 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung zunächst allgemeine Feststellungen zur Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung getroffen und die besonderen Aspekte des Kartells dargestellt, auf deren Grundlage sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich hier um einen sehr schweren Verstoß handele, für den die voraussichtlichen Geldbußen mindestens 20 Millionen ECU betragen dürften (Randnrn. 164 und 165 der Entscheidung). Sodann führt sie aus, dass dieser Betrag anhand der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, und des Erfordernisses, eine hinreichend abschreckende Geldbuße festzusetzen, anzupassen sei (Randnr. 166 der Entscheidung). Ferner kündigt sie an, dass sie bei der Festsetzung der Geldbußen erschwerende oder mildernde Umstände berücksichtigen und erwägen werde, ob die Mitteilung über Zusammenarbeit auf die jeweiligen Unternehmen Anwendung finden könne (Randnr. 167 der Entscheidung).

371 Hinsichtlich der gegen die Klägerin festzusetzenden Geldbuße führt die Kommission aus, bei der Klägerin sowie bei Dansk Rørindustri, Henss/Isoplus und Tarco müsse der spezifische Ausgangspunkt angesichts ihrer Bedeutung auf dem Markt und der Auswirkung ihres Verhaltens auf den Wettbewerb bei 5 Millionen ECU liegen (Randnr. 178 Absatz 1 der Entscheidung). Anschließend nennt sie die Gesichtspunkte für die Gewichtung der gegen die Klägerin festzusetzenden Geldbuße anhand der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 178 Absätze 2 und 3 der Entscheidung). Weiter führt sie in Bezug auf die Klägerin aus, dass sie die bewusste Fortführung des Kartells nach Abschluss der Untersuchung als erschwerenden Umstand berücksichtigt habe und dass es keine mildernden Umstände gebe (Randnr. 179 der Entscheidung). Sie fügt hinzu, da die eigentlich angemessenen Geldbußen den Hoechstbetrag von 10 % des Gesamtumsatzes in dem dem Erlass der Entscheidung vorangehenden Geschäftsjahr übersteigen würden, würden die Geldbußen so festgesetzt, dass sie die zulässige Hoechstgrenze nicht überstiegen, nämlich auf 1 910 000 ECU für die Klägerin (Randnr. 179 Absätze 7 und 8 der Entscheidung). Schließlich nennt sie die Gründe, aus denen die Geldbuße der Klägerin gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit um 20 % gesenkt werde (Randnr. 180 Absatz 3 der Entscheidung).

372 Bei einer Auslegung der Entscheidung im Licht des jedem Adressaten zur Last gelegten Sachverhalts enthalten ihre Randnummern 164 bis 167 und 178 bis 180 ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung von Schwere und Dauer der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil KNP BT/Kommission, Randnr. 42).

373 Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, den rechtlichen Rahmen des vorliegenden Falles und insbesondere die Anwendung der neuen Leitlinien nicht verdeutlicht zu haben. In der Begründung brauchen nicht alle einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Artikel 190 EG-Vertrag genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 63).

374 Insoweit hat sich die Kommission durch ihre Ankündigung in der Einleitung zu den Leitlinien, dass das "neue Verfahren für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße... auf folgendem Schema" beruhe, zu deren Anwendung bei der Ermittlung von Geldbußen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln verpflichtet. Da die Kommission nach der Veröffentlichung ihrer Leitlinien verpflichtet war, sich bei der Berechnung einer Geldbuße an sie zu halten, brauchte sie nicht zu erläutern, ob und aus welchen Gründen sie dies im Fall der Klägerin tat.

375 In dem der Anwendung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gewidmeten Teil der Entscheidung, insbesondere in den Randnummern 163 bis 168, hat die Kommission jedenfalls ausdrücklich auf Erwägungen zur Berechnung der Geldbuße zurückgegriffen, die den Erwägungen in den Leitlinien entsprechen.

376 Zur Herabsetzung der Geldbuße wegen der Kooperation der Klägerin genügt der Hinweis, dass in den Randnummern 174, 177, 180 und 183 der Entscheidung die jeweilige Bedeutung der Kooperation aller betroffenen Unternehmen dargelegt wurde; dabei wurden sowohl die Gründe angegeben, aus denen die Geldbuße der Klägerin um 20 % herabgesetzt wurde, als auch der Umfang, in dem jedes der Unternehmen, bei denen eine Herabsetzung um 30 % vorgenommen wurde, sachdienliche Informationen zur Ermittlung des Sachverhalts lieferte, auf dem die Entscheidung beruht. Diese Begründung ermöglichte auch die Prüfung, ob eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Entscheidung "Legierungszuschlag" vorlag.

377 Die Klägerin kann der Kommission auch nicht vorwerfen, ihre Berechnung der Geldbuße nicht anhand der als mildernde Umstände geltend gemachten Faktoren begründet zu haben.

378 Da die Kommission in ihrer Entscheidung ausgeführt hat, dass sie bei der Klägerin keinen mildernden Umstand berücksichtigt habe, hat sie alle nötigen Angaben geliefert, anhand deren die Klägerin erkennen konnte, ob die Entscheidung begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht.

379 Im Übrigen ist die Kommission zwar nach Artikel 190 EG-Vertrag verpflichtet, in den Gründen ihrer Entscheidungen die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die Erwägungen anzugeben, die sie zu ihrem Erlass veranlasst haben; diese Bestimmung zwingt sie jedoch nicht, auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die während des Verwaltungsverfahrens behandelt wurden (Urteile Michelin/Kommission, Randnrn. 14 und 15, und Fiskeby Board/Kommission, Randnr. 127).

380 Folglich ist der Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht zurückzuweisen.

V - Zum Klagegrund, mit dem ein überhöhter Zinssatz gerügt wird

A - Vorbringen der Parteien

381 Die Klägerin macht geltend, der in Artikel 4 der Entscheidung für Verzugszinsen festgelegte Satz von 7,5 % - der von der Europäischen Zentralbank in ihren Ecu-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats, in dem die Entscheidung erlassen wurde, angewandte Zinssatz zuzüglich 3,5 Prozentpunkten - müsse durch das Gericht auf eine angemessene Höhe zurückgeführt werden. Die Anwendung eines Zinssatzes, der die Geldbuße unangemessen erhöhe, zwinge die betroffenen Unternehmen, die Geldbußen auch dann zu zahlen, wenn sie - wie im Fall der Klägerin - die Entscheidung mit guten Gründen angriffen.

382 Nach Ansicht der Beklagten hat die Klägerin kein berechtigtes Interesse an einer Korrektur des Zinssatzes. Gemäß ihrem Schreiben an die Klägerin vom 12. November 1998 gelte für diese ein Zinssatz von 5,5 %. Vom gleichen Zinssatz sei auch bei der Bankbürgschaft ausgegangen worden, die die Klägerin aufgrund des Schreibens vom 12. November 1998 gestellt habe. Der angewandte Zinssatz gehe jedenfalls nicht über das zur Verhinderung von Verzögerungsmanövern Erforderliche hinaus.

B - Würdigung durch das Gericht

383 Die Erhebung von Verzugszinsen auf Geldbußen für Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen, gewährleistet die praktische Wirksamkeit des Vertrages. Diese Zinsen stärken die Befugnisse der Kommission im Rahmen der ihr durch Artikel 89 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 85 EG) übertragenen Aufgabe, auf die Verwirklichung der Wettbewerbsregeln zu achten, und sorgen dafür, dass die Vorschriften des Vertrages nicht durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen werden, die die Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbußen hinauszögern. Hätte die Kommission nicht das Recht, neben Geldbußen auch Verzugszinsen zu verlangen, so wären Unternehmen, die die Zahlung ihrer Geldbußen hinauszögern, gegenüber denen im Vorteil, die ihre Geldbußen zum festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen (Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1995 in der Rechtssache T-275/94, CB/Kommission, Slg. 1995, II-2169, Randnrn. 48 und 49).

384 Würde das Gemeinschaftsrecht Maßnahmen zum Ausgleich des Vorteils, den ein Unternehmen aus der verspäteten Zahlung einer Geldbuße ziehen kann, nicht zulassen, so schüfe dies einen Anreiz zur Erhebung offensichtlich unbegründeter Klagen, deren ausschließliches Ziel darin bestuende, die Zahlung der Geldbuße zu verzögern (Urteil AEG/Kommission, Randnr. 141).

385 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Kommission mit der Auferlegung eines Zinssatzes von 7,5 % - des von der Europäischen Zentralbank in ihren Ecu-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats, in dem die Entscheidung erlassen wurde, angewandten Zinssatzes zuzüglich 3,5 Prozentpunkten - das ihr bei der Wahl der Höhe der Verzugszinsen zustehende Ermessen nicht überschritten hat.

386 Der Zinssatz darf zwar nicht so hoch sein, dass er die Unternehmen effektiv zwingen würde, Geldbußen sofort zu zahlen, selbst wenn sie der Auffassung sind, dass sie gute Gründe haben, die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission anzugreifen; die Kommission darf jedoch eine Bezugsgröße wählen, die über dem üblichen durchschnittlichen Marktzins liegt, soweit dies erforderlich ist, um hinhaltenden Maßnahmen vorzubeugen (Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in den Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P, Urteil des Gerichtshofes vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365, Nr. 190).

387 Da die Kommission bei der Festlegung des Satzes der Verzugszinsen keinen Ermessensfehler begangen hat, ist der Klagegrund, dass dieser Satz überhöht sei, zurückzuweisen.

388 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

389 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem dahin gehenden Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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