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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.09.1991
Aktenzeichen: T-163/89
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 90
EWG/EAG BeamtStat Art. 45
EWG/EAG BeamtStat Art. 7
EWG/EAG BeamtStat Art. 27
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Selbst wenn die Verpflichtung der Organe zur Einhaltung der Vorschriften des Statuts für die Besetzung von Stellen mit ihrem Personal im allgemeinen Interesse liegt, ist ein Beamter doch nicht befugt, im Interesse des Gesetzes oder der Organe tätig zu werden, und kann zur Begründung einer Klage nur die Beschwerdepunkte geltend machen, die ihn persönlich betreffen.

2. Die Gemeinschaftsorgane stellen ihren Stellenplan selbständig auf und verfügen bei der Organisation ihrer Dienststellen über ein weites Ermessen, um die verschiedenen Verwaltungseinheiten unter Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren, wie etwa der Art und des Umfangs der ihnen übertragenen Aufgaben und der haushaltsmässigen Möglichkeiten, zu strukturieren.

Die Verwaltung ist einem Beamten gegenüber nicht verpflichtet, die Dienststelle, der er zugewiesen ist, so zu strukturieren, daß ihm die Möglichkeit garantiert wird, bestimmte Tätigkeiten auszuüben und somit eine Beförderung zu erhalten.

3. Artikel 7 Absatz 2 des Statuts gibt der Anstellungsbehörde die Befugnis, einen Beamten vorübergehend mit der Verwaltung eines Dienstpostens einer höheren Laufbahngruppe zu betrauen, erlegt ihr aber keine Verpflichtung dazu auf. Trifft die Anstellungsbehörde eine entsprechende Entscheidung, verfügt sie über ein weites Ermessen, das sie nach den Umständen des Einzelfalls ausübt.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 25. SEPTEMBER 1991. - ELFRIEDE SEBASTIANI GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - INTERIM - BEFOERDERUNG - ZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE T-163/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin, seit 1981 Beamtin des Europäischen Parlaments, wurde durch Entscheidung vom 27. Februar 1984 mit Wirkung vom 1. Januar 1984 in der Besoldungsgruppe B 5 der Laufbahn Verwaltungsinspektor (B 5/B 4) ernannt und von der Generaldirektion V, Wissenschaft und Dokumentation, in die Generaldirektion I, Parlamentarische Kanzlei und Allgemeine Angelegenheiten, versetzt. Bei der Generaldirektion I wurde sie mit der Organisation und Leitung des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung betraut. Durch Verfügung vom 30. Oktober 1985 wurde sie mit Wirkung vom 1. Oktober 1985 in die Besoldungsgruppe B 4 ihrer Laufbahn befördert.

2 Bevor die Klägerin mit der Organisation und Leitung des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung betraut wurde, war die Beamtin, die den Dienstposten der Leiterin dieses Pools bekleidete und als solche eine im Organigramm dieses Pools ausgewiesene B-3-Planstelle innehatte, unter Beibehaltung ihrer Planstelle in eine andere Dienststelle versetzt worden. Seit diesem Zeitpunkt war in der Sprachabteilung der Klägerin keine B-3-Planstelle mehr verfügbar.

3 Am 14. Dezember 1988 stellte die Klägerin beim Generalsekretär des Parlaments einen Antrag auf Erlaß einer Entscheidung nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut). Sie verlangte ihre Beförderung in die Besoldungsgruppe 3 der Laufbahngruppe B rückwirkend zumindest auf den Zeitpunkt, zu dem eine entsprechende Beförderung im Schreibpool der französischen Übersetzungsabteilung erfolgt war.

4 Da die Klägerin keine Antwort erhalten hatte, legte sie am 14. Juli 1989 Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. In dieser Beschwerde trug sie erstens vor, daß sie durch Manipulationen des Organigramms der Dienststellen des Parlaments und durch Mißwirtschaft der Verwaltung sowohl gegenüber ihrer Kollegin, die einen vergleichbaren Dienstposten im französischen Pool bekleide, als auch gegenüber ihrer Vorgängerin im deutschen Pool diskriminiert worden sei. Zweitens machte sie einen Verstoß gegen Artikel 45 des Statuts, der die Chancengleichheit und Gerechtigkeit bei den Beförderungen für alle Beamten derselben Laufbahngruppe vorsehe, sowie gegen Artikel 7 Absatz 2 des Statuts über die Interimsbeförderungen geltend.

5 Am 6. September 1989 beantwortete der Generalsekretär des Parlaments den Antrag, den die Klägerin am 14. Dezember 1988 an ihn gerichtet hatte. Er teilte ihr mit, daß er den Generaldirektor der Generaldirektion I gebeten habe, ihm einen Vorschlag zur Umorganisation der Übersetzungsabteilungen zu unterbreiten, und daß im Haushaltsplan 1990 bereits eine B-3-Planstelle für den Schreibpool der deutschen Übersetzungsabteilung vorgeschlagen worden sei.

6 Eine Planstelle der Besoldungsgruppe 3 der Laufbahngruppe B wurde dem Schreibpool der deutschen Übersetzungsabteilung zum 1. Januar 1990 zugewiesen. Durch Verfügung des Generalsekretärs des Parlaments vom 18. Mai 1990 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. April 1990 in die Besoldungsgruppe B 3 befördert.

Verfahren

7 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 4. Dezember 1989 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

8 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen.

9 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Parteien aufgefordert, verschiedene Dokumente vorzulegen.

10 Die mündliche Verhandlung hat am 24. Januar 1991 stattgefunden, und der Präsident hat sie am Ende der Sitzung für geschlossen erklärt.

11 Die Klägerin beantragt,

1) ihr Ersatz des finanziellen Schadens, zuzueglich banküblicher Zinsen, der ihr durch die verweigerte Interimsbeförderung entstanden ist, zuzusprechen;

2) ihr durch entsprechende rückwirkende Beförderung oder entsprechend höhere Beförderung in die zu ihrem Dienstposten gehörende B-3-Planstelle den Ersatz des finanziellen Schadens, zuzueglich banküblicher Zinsen, den die Klägerin im Vergleich zu ihrer vergleichbaren Kollegin der französischen Sektion (französische Poolleiterin) durch diese Beförderungsbenachteiligung hatte, zuzusprechen;

3) zusätzlich, die Anstellungsbehörde zu verurteilen, die diskriminierende Personalpolitik gegen einzelne EG-Nationen durch ungerechte Planstellenvergabe, die sich nicht an Artikel 27 des Statuts orientiert, zu korrigieren und so die Rahmenbedingungen für eine gerechte Personalpolitik im Sinne der Artikel 27 und 45 durch gerechte Planstellenvergaben und Beförderungen im Generalsekretariat des Europäischen Parlaments zu schaffen;

4) dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

12 Das Parlament beantragt, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

13 Das Parlament erhebt eine Einrede, mit der die Unzulässigkeit der Klageanträge geltend gemacht wird.

Der erste Klageantrag

14 Nach Ansicht des Parlaments ist dieser Klageantrag unzulässig, weil die Klägerin keinen finanziellen Schaden erlitten habe und ein solcher Schaden nicht aufgrund der Ablehnung einer Interimsbeförderung behauptet werden könne. Eine Prüfung der Situation zeige, daß keine B-3-Planstelle in der Dienststelle der Klägerin verfügbar gewesen sei und die Anstellungsbehörde die Klägerin, auch nachdem sie beförderungsfähig geworden sei, somit nicht in die Besoldungsgruppe B 3 habe befördern können.

15 Die Klägerin macht geltend, sie hätte - gemäß den Artikeln 7, 27 und 45 des Statuts - seit Jahren ebenso wie ihre Kolleginnen auf vergleichbaren Dienstposten in den anderen Sprachabteilungen befördert werden müssen.

16 Vorab bemerkt das Gericht, daß die Klägerin in ihrem im Schreiben vom 14. Dezember 1988 enthaltenen Antrag auf Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts hervorgehoben hat, sie habe eine "krasse, unseriöse" Benachteiligung aufgrund der Tatsache erlitten, daß ihr die Verwaltung ohne Begründung eine Beförderung verweigert habe, und sie behalte sich die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde sowie die Erhebung einer Schadensersatzklage vor. In ihrer im Schreiben vom 14. Juli 1989 enthaltenen Beschwerde hat die Klägerin einen Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 2 des Statuts geltend gemacht, der sich daraus ergebe, daß ihr die Ausgleichszulage für den von ihr bekleideten B-3-Dienstposten seit Jahren nicht gewährt werde. Der Klageantrag ist nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung dieser Ausführungen auszulegen.

17 Artikel 7 Absatz 2 Sätze 1 und 2 des Statuts lautet folgendermassen:

"Der Beamte kann vorübergehend mit der Verwaltung eines Dienstpostens in einer Laufbahn seiner Laufbahngruppe oder seiner Sonderlaufbahn betraut werden, die höher ist als seine eigene Laufbahn. Von Beginn des vierten Monats dieser vorübergehenden Verwendung an erhält er eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Dienstbezuegen nach seiner Besoldungsgruppe und seiner Dienstaltersstufe und den Dienstbezuegen nach der Dienstaltersstufe, die er in der Eingangsbesoldungsgruppe erhalten würde, wenn er ständig in der Laufbahn verwendet würde, in der er vorübergehend einen Dienstposten verwaltet."

Diese Bestimmung betrifft also nicht den Fall einer "Interimsbeförderung", sondern einer vorübergehenden Verwendung auf einem freien Dienstposten. Da sich die Klägerin in ihrer Klageschrift auf Artikel 7 Absatz 2 des Statuts berufen hat, ist das Gericht der Auffassung, daß sich dieser Klageantrag vernünftigerweise nicht anders als in dem Sinne verstehen lässt, daß die Klägerin Ersatz des finanziellen Schadens, zuzueglich banküblicher Zinsen, verlangt, der ihr durch die Weigerung entstanden ist, sie vorübergehend auf dem einer B-3-Planstelle entsprechenden Dienstposten der Leiterin des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung zu verwenden. Im übrigen ist festzustellen, daß das Parlament diesen Klageantrag auch nicht anders ausgelegt hat.

18 Nach Ansicht des Gerichts hat die Klägerin also eine ablehnende Entscheidung der Anstellungsbehörde anfechten wollen, die geeignet war, ihre statutarische Stellung unmittelbar zu beeinträchtigen, und da die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts geregelten vorprozessualen Mechanismen die Überprüfung einer solchen Maßnahme durch den Gemeinschaftsrichter sicherstellen sollen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1976 in der Rechtssache 129/75, Hirschberg/Kommission, Slg. 1976, 1259), ist dieser Klageantrag zulässig.

Der zweite Klageantrag

19 Das Parlament macht, ebenso wie es das gegenüber dem ersten Klageantrag getan hat, geltend, daß zur Zeit der fraglichen Ereignisse in der Dienststelle der Klägerin keine B-3-Planstelle verfügbar gewesen sei und die Verwaltung die Klägerin, auch nachdem sie beförderungsfähig geworden sei, somit nicht in die Besoldungsgruppe B 3 habe befördern können. Der Antrag der Klägerin auf Ersatz des finanziellen Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, daß sie nicht zum gleichen Zeitpunkt wie ihre Kollegin, die Leiterin des Schreibpools der französischen Übersetzungsabteilung, in die Besoldungsgruppe B 3 befördert worden sei, obwohl beide die gleichen Aufgaben wahrgenommen hätten, sei unzulässig, weil ein finanzieller Schaden weder bestehe noch behauptet werden könne.

20 Die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen zu diesem Teil der vom Parlament erhobenen Unzulässigkeitseinrede nicht ausdrücklich Stellung genommen.

21 Das Gericht stellt fest, daß der zweite Klageantrag keinen anderen Zweck hat als den, der Klägerin durch den Gemeinschaftsrichter eine Beförderung in die Besoldungsgruppe 3 der Laufbahngruppe B gewähren zu lassen. Es weist darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsrichter keine Anordnungen hinsichtlich der statutarischen Stellung eines Beamten oder in bezug auf die allgemeine Organisation seiner dienstlichen Tätigkeit bei einem Gemeinschaftsorgan erteilen könnte, ohne in die Vorrechte der Anstellungsbehörde einzugreifen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen einer Schadensersatzklage. Daraus ergibt sich, daß die Klägerin nicht die Verurteilung des Parlaments verlangen kann, ihr zum Ersatz des von ihr geltend gemachten Schadens eine Beförderung zu gewähren. Somit ist dieser Klageantrag unzulässig.

Der dritte Klageantrag

22 Das Parlament hält diesen Klageantrag für unzulässig, weil die Artikel 90 Absatz 1 und 91 Absatz 1 des Statuts ausdrücklich vorsähen, daß das Beschwerde- und das Gerichtsverfahren dem Beamten nur bei Entscheidungen, die ihn persönlich beträfen, und Maßnahmen, die ihn beschwerten, offenstuenden. Im vorliegenden Fall sei es der Klägerin darauf angekommen, über ihren Einzelfall hinaus, die allgemeine Personalpolitik der Verwaltung zu rügen. Ihre Ausführungen zu dieser Frage seien deshalb als für die Klage unerheblich ausser acht zu lassen.

23 Die Klägerin hält dem entgegen, daß die Planstellenmißwirtschaft, deren Folgen sie persönlich zu spüren bekommen habe, darauf zurückzuführen sei, daß die Anstellungsbehörde gegenüber den Angehörigen einzelner Mitgliedstaaten (darunter des ihren) bei der Vergabe der Beamtenstellen eine ungerechte Politik betreibe, die gegen Artikel 27 des Statuts verstosse. Diese Maßnahmen beschwerten sie als Angehörige eines der - wie behauptet - benachteiligten Mitgliedstaaten. In allen vergleichbaren Dienststellen, in denen die Dienstposten von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten besetzt würden und deren B-3-Dienstposten- und -Planstellenstrukturen identisch seien, seien diese Strukturen aufrechterhalten worden, nur nicht in der deutschen Abteilung. Die Klägerin könne sich deshalb auf einen Verstoß gegen Artikel 27 des Statuts berufen und vom Gemeinschaftsrichter eine Verurteilung dieser ungerechten Politik verlangen, weil auf ihre nach Artikel 90 des Statuts unternommenen Schritte nichts geschehen sei.

24 Nach Ansicht des Gerichts ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. Juni 1983 in der Rechtssache 85/82 (Schloh/Rat, Slg. 1983, 2105) entschieden hat, daß "selbst wenn... die Verpflichtung der Organe zur Einhaltung der Vorschriften für die Besetzung von Stellen im allgemeinen Interesse liegt,... der Kläger doch nicht befugt [ist], im Interesse des Gesetzes oder der Organe tätig zu werden, und... zur Begründung einer Klage auf Aufhebung... nur die Beschwerdepunkte geltend machen [kann], die ihn persönlich betreffen".

25 Die in der Beschwerde und mit der vorliegenden Klage im Rahmen des dritten Klageantrags erhobenen Beschwerdepunkte betreffen aber nicht die persönliche statutarische Stellung der Klägerin, sondern die allgemeine, angeblich diskriminierende Personalpolitik in den Dienststellen des Parlaments, deren Opfer die Klägerin geworden sei. Diese Beschwerdepunkte betreffen somit die Klägerin nicht persönlich, weshalb dieser Klageantrag als unzulässig abzuweisen ist.

26 Das Gericht fügt hinzu, daß dieser Klageantrag auch deshalb als unzulässig abzuweisen ist, weil die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Schadensersatzklage nicht verlangen kann, daß das beklagte Organ zum Erlaß bestimmter Maßnahmen verurteit wird und ihm aus diesem Grund Anordnungen erteilt werden.

Zur Begründetheit

Der erste Klageantrag

27 Wie das Gericht oben bereits ausgeführt hat, ist dieser Klageantrag dahin zu verstehen, daß die Klägerin Ersatz des finanziellen Schadens, zuzueglich banküblicher Zinsen, verlangt, der ihr durch die rechtswidrige Weigerung entstanden sein soll, sie vorübergehend auf dem einer B-3-Planstelle entsprechenden Dienstposten der Leiterin des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung zu verwenden.

28 Zur Stützung dieses Antrags führt die Klägerin folgende Klagegründe an: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, Verstoß gegen Artikel 5 des Statuts und Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 2 des Statuts.

29 Jeder dieser vier Klagegründe ist darauf zu prüfen, ob einer oder mehrere von ihnen die Entscheidung tragen können, daß die angebliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Verwaltung geeignet war, deren Haftung auszulösen und somit den vermögensrechtlichen Antrag der Klägerin zu rechtfertigen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

30 Die Klägerin macht geltend, sie sei durch die diskriminierende Personalpolitik des Parlaments gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten und einzelnen Gemeinschaftsbeamten benachteiligt und finanziell geschädigt worden. Diese Diskriminierungen beruhten auf der allgemeinen Unfähigkeit der Anstellungsbehörde, für eine gerechte Verteilung der Beamtenstellen auf die verschiedenen Mitgliedstaaten zu sorgen und insbesondere im Fall der Klägerin eine gerechte Personalpolitik zu verwirklichen sowie diese Politik gegebenenfalls durch eine angemessene Verteilung der Planstellen und Beförderungen gemäß den Artikeln 27, 45 Absatz 1 und 7 Absatz 1 des Statuts aufrechtzuerhalten.

31 Nach Ansicht der Klägerin ergibt sich die unterschiedliche hierarchische Struktur in den verschiedenen Schreibpools der Übersetzungsabteilungen, die dem Parlament zufolge ihre Beförderung verhindert habe, aus Handlungen und Unterlassungen der Anstellungsbehörde, deren Unfähigkeit, ihren Pflichten nachzukommen und eine gerechte hierarchische Struktur aufrechtzuerhalten, nicht dazu führen dürfe, die Klägerin zu benachteiligen. Artikel 45 des Statuts habe nur wegen dieser "Manipulation" der Anstellungsbehörde, die im Widerspruch zu einer gerechten Stellenvergabe stehe, nicht auf sie angewandt werden können, obwohl sie die in diesem Artikel verlangten Kriterien erfuellt habe. Dieser Artikel setze die "Fähigkeit" der Anstellungsbehörde, für eine gerechte Planstellenstruktur zu sorgen, als conditio sine qua non für seine Anwendung voraus und könne deshalb nicht in einer rechtlichen Argumentation als "Begründung" für die Diskriminierung der Klägerin bei ihren Beförderungsansprüchen verwendet werden. Die Vorgehensweise der Anstellungsbehörde, vorhandene gerechte Planstellenstrukturen zu Lasten eines Mitgliedstaats zu zerstören, zugunsten der anderen Mitgliedstaaten aber bestehenzulassen, werde vom Statut nicht legitimiert. Dies führe zu einer Diskriminierung der durch diese Maßnahme betroffenen Beamten eines Mitgliedstaats, die durch diesen Verstoß gegen Artikel 45 Absatz 1 des Statuts finanziell geschädigt würden.

32 Das Parlament beschränkt sich auf die Feststellung, daß die Klägerin eine Versetzung beanstande, bei der die versetzte Person die fragliche Planstelle behalten habe. Dieser Verwaltungsvorgang habe sich auf eine andere Beamtin bezogen, sei zu einer anderen Zeit erfolgt und betreffe daher nicht die Klägerin.

33 Das Gericht weist darauf hin, daß jedes Gemeinschaftsorgan seinen Stellenplan selbständig aufstellt und bei der Organisation seiner Dienststellen über ein weites Ermessen verfügt (Urteil des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1982 in den verbundenen Rechtssachen 198/81 bis 202/81, Micheli/Kommission, Slg. 1982, 4145). Ausserdem ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof den Gemeinschaftsorganen einen grossen Spielraum zuerkannt hat, um die verschiedenen Verwaltungseinheiten unter Berücksichtigung einer Reihe von Faktoren, wie etwa der Art und des Umfangs der ihnen übertragenen Aufgaben und der haushaltsmässigen Möglichkeiten, zu strukturieren; der Gerichtshof hat entschieden, daß die Verwaltung daher einem Beamten gegenüber nicht verpflichtet ist, die Dienststelle, der er zugewiesen ist, so zu strukturieren, daß ihm die Möglichkeit garantiert wird, bestimmte Tätigkeiten auszuüben und somit eine Beförderung zu erhalten (Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 178/80, Bellardi-Ricci u. a./Kommission, Slg. 1981, 3187).

34 Angesichts des den Gemeinschaftsorganen damit zuerkannten weiten Handlungsspielraums hat die Klägerin für den vorliegenden Klagegrund keine hinreichend genauen konkreten Tatsachen angeführt, die dem Gericht die Schlußfolgerung erlauben, daß die Anstellungsbehörde aufgrund eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers oder eines Ermessensmißbrauchs - zu Lasten der persönlichen statutarischen Stellung der Klägerin - den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten der Gemeinschaften dadurch verletzt hat, daß sie sich wegen des Fehlens eines Dienstpostens in einer Laufbahn der Laufbahngruppe der Klägerin, die höher ist als deren eigene Laufbahn, geweigert hat, diese vorübergehend mit der Verwaltung eines solchen Dienstpostens zu betrauen.

35 Infolgedessen ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

36 Die Klägerin ist der Ansicht, die Anstellungsbehörde habe ganz entgegen aller bisher üblichen Verwaltungspraxis in diesem Bereich der vorher auf dem betreffenden Dienstposten tätigen Poolleiterin bei ihrer Versetzung die B-3-Planstelle "mitgegeben", obwohl zu diesem Zeitpunkt die Klägerin bereits mit sehr guten Beurteilungen auf diesem Dienstposten tätig gewesen sei. Eine solche Änderung der gerechten Planstellenstruktur, die bis dahin in der deutschen Abteilung bestanden habe, sei also sachlich nicht gerechtfertigt gewesen, weil in den Sprachabteilungen der anderen Mitgliedstaaten die vorhandene gerechte Verteilung der B-3-Planstellen für diesen Dienstposten aufrechterhalten worden sei. Mehrere ihrer Vorgesetzten hätten ihr wiederholt versichert, daß, wenn sie die notwendigen Dienstaltersvoraussetzungen erfuelle, um die zu ihrem Dienstposten gehörende B-3-Planstelle zu erhalten, ein Planstellentausch vorgenommen werde, damit sie nicht gegenüber ihren Kolleginnen anderer Nationalitäten auf vergleichbaren Dienstposten benachteiligt werde.

37 Das Parlament trägt vor, der Verwaltungsvorgang der Versetzung der Beamtin, die vorher den Dienstposten der Poolleiterin bekleidet und als solche eine B-3-Planstelle innegehabt habe und die dann mit Übertragung ihrer Planstelle in eine andere Dienststelle versetzt worden sei, beziehe sich auf eine andere Person und betreffe nicht die Klägerin.

38 Das Gericht weist darauf hin, daß die Klägerin aufgefordert worden ist, den Nachweis für die Verpflichtung vorzulegen, die nach ihrem Vorbringen die Anstellungsbehörde ihr gegenüber eingegangen ist, das heisst für die angebliche Zusicherung ihrer Vorgesetzten, einen Planstellentausch vorzunehmen, sobald die Klägerin die Dienstaltersvoraussetzungen erfuelle, um die ihrem Dienstposten entsprechende B-3-Planstelle zu erhalten. In ihrer Antwort auf diese Aufforderung hat die Klägerin lediglich geltend gemacht, daß ihre Vorgesetzten sich niemals schriftlich verpflichtet hätten, rechtzeitig einen Planstellentausch vorzunehmen. Zudem seien schriftliche Verpflichtungen eines einzelnen Vorgesetzten unüblich, wenn die Voraussetzungen einer Beförderung durch das Statut festgelegt seien und nicht durch eine schriftliche Verpflichtung eines Vorgesetzten geregelt werden könnten.

39 Das Gericht ist unter diesen Umständen jedenfalls der Auffassung, daß die angeblichen Versprechen und Zusicherungen ihrer Vorgesetzten nicht nachgewiesen sind und somit bei der Klägerin kein berechtigtes Vertrauen begründen konnten. Hinzu kommt, daß, wie bereits gesagt, jedes Gemeinschaftsorgan seinen Stellenplan selbständig aufstellt und bei der Organisation seiner Dienststellen über ein weites Ermessen verfügt. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, daß die Anstellungsbehörde von dieser Befugnis zu anderen Zwecken Gebrauch gemacht hätte als zu denen, für die sie ihr eingeräumt worden ist.

40 Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 45 des Statuts

41 Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei gegenüber ihren Kolleginnen mit dem entsprechenden Dienstposten, unter anderem denen der französischen und der dänischen Abteilung, schwerwiegend und grundlos benachteiligt worden, da sie erst Jahre später als diese in die Besoldungsgruppe B 3 befördert worden sei. Sie sieht hierin einen schweren Verstoß gegen Artikel 45 des Statuts, der die Kriterien für die Beförderungen festlege. Unter Zugrundelegung der in Artikel 45 Absatz 1 des Statuts aufgestellten Beförderungskriterien hätte sie spätestens zum gleichen Zeitpunkt wie ihre Kollegin in der französischen Abteilung in die Besoldungsgruppe B 3 befördert werden müssen, weil sie bei etwa gleich guten dienstlichen Beurteilungen sogar mehr "Verdienste", wie sie Artikel 45 verlange, gehabt habe, und zwar aufgrund einer wesentlich längeren Tätigkeit auf dem einer B-3-Planstelle entsprechenden Dienstposten der Poolleiterin der deutschen Abteilung.

42 Das Parlament macht geltend, in der Dienststelle der Klägerin sei eine B-3-Planstelle, in die sie habe befördert werden wollen, unstreitig nicht vorhanden gewesen. Der Antrag der Klägerin auf Beförderung habe an dieser Tatsache scheitern müssen, da die Verwaltung nur bestehende Stellen besetzen könne.

43 Das Gericht erinnert daran, daß nach Artikel 4 des Statuts Beförderungen nur zur Besetzung einer freien Planstelle vorgenommen werden dürfen. Infolgedessen muß vor jeder Beförderung eine freie Planstelle im Organigramm ausgewiesen sein. Da feststeht, daß bis zum 1. Januar 1990 im Organigramm des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung, zu der die Klägerin gehört, keine freie Planstelle der Besoldungsgruppe 3 der Laufbahngruppe B ausgewiesen war, war eine Besetzung einer solchen Planstelle durch Beförderung nicht möglich. Die Anstellungsbehörde hat somit weder gegen Artikel 45 des Statuts verstossen noch die Klägerin gegenüber ihren Kolleginnen, die in freie Planstellen befördert worden waren, benachteiligt.

44 Dieser Klagegrund ist folglich zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 7 Absatz 2 des Statuts

45 Die Klägerin macht geltend, sie habe in der Zeit, als sie noch nicht für eine Beförderung in die Besoldungsgruppe B 3 in Betracht gekommen sei, aber bereits tatsächlich den einer B-3-Planstelle entsprechenden Dienstposten der Leiterin des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung bekleidet habe, mehrfach eine "Interimsbeförderung" beantragt, die Artikel 7 des Statuts für solche Fälle vorsehe. Ihre Anträge seien stets abgelehnt worden, obwohl sie die erforderlichen Kriterien erfuellt habe. Diese Ablehnungen verstießen gegen Wortlaut und Zielsetzung des Artikels 7.

46 Das Parlament weist noch einmal darauf hin, daß, nachdem die Beamtin, die vor der Klägerin die Aufgaben der Poolleiterin wahrgenommen habe, mit Übertragung ihrer B-3-Planstelle in eine andere Dienststelle versetzt worden sei, in der Dienststelle der Klägerin kein B-3-Dienstposten mehr vorhanden gewesen sei, den die Klägerin vorübergehend hätte verwalten können. Wenn die Behörde beschlossen habe, die Klägerin nicht vorübergehend mit der Verwaltung eines Dienstpostens zu betrauen, so deshalb, weil ein Dienstposten nicht vorhanden gewesen sei, der vorübergehend hätte verwaltet werden können. Somit gebe es keinen finanziellen Schaden, den die Klägerin geltend machen könne.

47 Die Klägerin hält dem in ihrer Erwiderung entgegen, daß die Anstellungsbehörde durch ihre Planstellenmißwirtschaft oder -manipulation dafür gesorgt habe, daß die Planstelle, in die die Klägerin hätte eingewiesen werden sollen, nicht mehr verfügbar gewesen sei, obwohl die Klägerin die dieser Stelle entsprechenden Aufgaben wahrgenommen habe. Sie fügt hinzu, sie habe nach den Artikeln 7, 27 und insbesondere 45 des Statuts Anspruch auf eine "seriöse, gerechte" Personalpolitik, die in gerechten Planstellenstrukturen zum Ausdruck komme, damit die Anwendung der genannten Statutsbestimmungen nicht zu ihrem Schaden verhindert werde.

48 Das Gericht stellt fest, daß bis zum 1. Januar 1990 im Organigramm des Schreibpools der deutschen Übersetzungsabteilung, für dessen Organisation und Leitung die Klägerin seit ihrer Versetzung in diese Abteilung im Jahr 1984 zuständig ist, kein freier Dienstposten der Besoldungsgruppe 3 der Laufbahngruppe B vorhanden war. Deshalb wäre es der Anstellungsbehörde erst von diesem Zeitpunkt an, der nach dem der Klageerhebung liegt, möglich gewesen, eine Entscheidung über die Anwendung von Artikel 7 Absatz 2 des Statuts dahin gehend zu treffen, daß die Klägerin vorübergehend mit der Verwaltung eines Dienstpostens dieser Laufbahngruppe und dieser Besoldungsgruppe in der Übersetzungsabteilung, der sie zugewiesen war, betraut wurde. Das Parlament hat es deshalb zu Recht abgelehnt, die Klägerin vor diesem Zeitpunkt auf einem solchen Dienstposten zu verwenden. Jedenfalls gibt Artikel 7 Absatz 2 des Statuts der Anstellungsbehörde eine Befugnis, den Beamten vorübergehend zu verwenden, erlegt ihr aber keine Verpflichtung hierzu auf. Diese Entscheidung muß unter Berücksichtigung des weiten Ermessens, über das die Anstellungsbehörde auf diesem Gebiet verfügt, nach den Umständen des Einzelfalls getroffen werden.

49 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Klägerin keinen Klagegrund vorgetragen hat, der zur Aufhebung der ablehnenden Entscheidung führen könnte, die die Anstellungsbehörde ihr gegenüber getroffen hat.

50 Der Antrag der Klägerin auf Ersatz eines finanziellen Schadens, der ihr angeblich durch diese ablehnende Entscheidung entstanden ist, ist deshalb abzuweisen.

51 Nach alledem ist die Klage teils als unbegründet und teils als unzulässig abzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, die Vorlegung der von der Klägerin in ihrer Klageschrift verlangten Schriftstücke anzuordnen.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst. Daher hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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