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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: T-164/02
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 40/94
Vorschriften:
VO (EWG) Nr. 40/94 Art. 42 Abs. 1 | |
VO (EWG) Nr. 40/94 Art. 59 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 10. November 2004. - Kaul GmbH gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung des Wortzeichens ARCOL als Gemeinschaftsmarke - Wortzeichen CAPOL als ältere Gemeinschaftsmarke - Umfang der Prüfung durch die Beschwerdekammer - Würdigung des Vorbringens vor der Beschwerdekammer. - Rechtssache T-164/02.
Parteien:
In der Rechtssache T-164/02
Kaul GmbH mit Sitz in Elmshorn (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte G. Würtenberger und R. Kunze,
Klägerin,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. von Mühlendahl und G. Schneider als Bevollmächtigte,
Beklagter,
Bayer AG mit Sitz in Leverkusen (Deutschland),
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des HABM vom 4. März 2002 (Sache R 782/2000-3) betreffend ein Widerspruchsverfahren zwischen der Kaul GmbH und der Bayer AG
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal, des Richters M. Vilaras und der Richterin I. Wiszniewska-Biaecka,
Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom
30. Juni 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1. Die Atlantic Richfield (Atlantic Richfield Co.) stellte am 3. April 1996 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) einen Antrag auf Eintragung einer Gemeinschaftsmarke nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1) in der geänderten Fassung.
2. Bei der zur Eintragung angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen ARCOL.
3. Die Marke wurde für Waren der Klassen 1, 17 und 20 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet. Unter den Waren der Klasse 1 befinden sich chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln.
4. Die Markenanmeldung wurde am 20. Juli 1998 im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.
5. Am 20. Oktober 1998 erhob die Klägerin nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln der Klasse 1. Der Widerspruch wurde auf das Bestehen einer am 24. Februar 1998 unter der Nummer 49106 eingetragenen älteren Gemeinschaftsmarke gestützt. Diese Marke besteht aus dem Wortzeichen CAPOL und deckt Waren der Klasse 1 mit der Bezeichnung Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, nämlich Rohstoffe zum Glätten und Konservieren von Lebensmittelfertigprodukten, insbesondere Süßwaren ab. Die Klägerin stützte ihren Widerspruch auf das relative Eintragungshindernis des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94.
6. Mit Bescheid vom 30. Juni 2000 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass selbst bei Warenidentität eine Verwechslungsgefahr zwischen den fraglichen Zeichen aufgrund der zwischen ihnen bestehenden schriftbildlichen und lautlichen Unterschiede ausgeschlossen werden könne.
7. Am 24. Juli 2000 legte die Klägerin nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.
8. Die Bayer AG teilte dem HABM mit Schreiben vom 17. Juli 2000, das am 24. Juli 2000 bei diesem einging, mit, dass die Markenanmeldung der Atlantic Richfield Co. für ARCOL auf sie übertragen worden sei. Der Rechtsübergang wurde am 17. November 2000 nach den Artikeln 17 Absatz 5 und 24 der Verordnung Nr. 40/94 in das Register für Gemeinschaftsmarken eingetragen.
9. Am 30. Oktober 2000 reichte die Klägerin beim HABM die in Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene schriftliche Begründung der Beschwerde ein.
10. Mit Entscheidung vom 4. März 2002, die der Klägerin am 25. März 2002 zugestellt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), wies die Dritte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Ansicht, das Vorbringen, dass die ältere Marke eine erhöhte Unterscheidungskraft besitze, weil sie bekannt sei, könne nicht mehr in Betracht gezogen werden, da diese Behauptung zum ersten Mal vor der Beschwerdekammer vorgetragen worden sei. Außerdem habe die Klägerin in Wirklichkeit kein neues Argument vorgebracht, sondern vielmehr ihren Widerspruch auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, nämlich auf Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94, der notorisch bekannte Marken betreffe. Trotz der Identität der Waren bestehe auch keine Verwechslungsgefahr zwischen den fraglichen Wortzeichen, da zwischen diesen erhebliche schriftbildliche und lautliche Unterschiede bestuenden, der Markt der betroffenen Waren sehr spezialisiert sei und beim typischen Verbraucher dieser Waren Fachkenntnisse wahrscheinlich seien.
Verfahren und Anträge der Parteien
11. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 24. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Das HABM hat am 16. Oktober bei der Kanzlei des Gerichts eine Klagebeantwortung eingereicht.
12. Mit am 7. November 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Klägerin gemäß Artikel 135 § 2 der Verfahrensordnung beantragt, ihr das Einreichen einer Erwiderung zu gestatten.
13. Das Gericht (Vierte Kammer) hat am 20. November 2002 entschieden, dass ein zweiter Schriftsatzwechsel nicht erforderlich ist, und die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie in der mündlichen Verhandlung weitere Ausführungen zu ihren Klagegründen und Argumenten machen und auf die Klagebeantwortung des HABM erwidern könne.
14. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.
15. Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 30. Juni 2004 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
16. Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
17. Das HABM beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Zur Begründetheit
18. Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf vier Klagegründe, erstens einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Prüfung ihres vor der Beschwerdekammer angeführten Vorbringens, zweitens einen Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94, drittens einen Verstoß gegen die in den Mitgliedstaaten anerkannten verfahrensrechtlichen Grundsätze und die für Verfahren vor dem HABM geltenden Regeln und viertens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.
19. Zunächst ist der erste Klagegrund zu prüfen.
Vorbringen der Parteien
20. Nach Ansicht der Klägerin ist die Bewertung der Beschwerdekammer, dass das Vorbringen neuer Tatsachen nach dem Ende des Widerspruchsverfahrens nicht mehr statthaft sei, das Ergebnis eines rechtsfehlerhaften Verständnisses der Funktion des Beschwerdeverfahrens. Das Verfahren vor der Beschwerdekammer sei vielmehr als zweite Tatsacheninstanz zu betrachten, in deren Rahmen die Parteien neue Tatsachen vortragen könnten. Die Beschwerdekammer habe es daher im vorliegenden Fall zu Unrecht abgelehnt, bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr das Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 30. Oktober 2000 zur hohen Kennzeichnungskraft der älteren Marke CAPOL zu prüfen, das aus einer eidesstattlichen Erklärung ihres Geschäftsführers bestanden habe, der eine Liste ihrer Kunden beigefügt gewesen sei. Das HABM habe damit gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verstoßen.
21. Die Klägerin habe außerdem entgegen den Behauptungen des HABM keineswegs Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 als Rechtsgrundlage ihres Widerspruchs fallen lassen, um ihn durch Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe c dieser Verordnung zu ersetzen. Die mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 eingereichten Unterlagen dienten nicht dem Vorbringen neuer Tatsachen, sondern der Ergänzung der bereits im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgten Ausführungen.
22. Das HABM entgegnet, dass der Standpunkt der Klägerin auf einem Fehlverständnis des durch die Verordnung Nr. 40/94 zur Verfügung gestellten und in einer ständigen Entscheidungspraxis von den Beschwerdekammern angewandten Rechtsschutzsystems beruhe. Dass die Beschwerdekammern in funktionaler Kontinuität zu den Widerspruchsabteilungen tätig seien, bedeute, dass die Folgen der Nichteinhaltung der von der Widerspruchsabteilung gesetzten Fristen nicht durch die schlichte Beschwerdeeinlegung gegenstandslos würden. Daher lehnten es die Beschwerdekammern, von einigen Ausnahmen abgesehen, durchweg ab, neuen Sachvortrag, der nicht innerhalb dieser Fristen vorgebracht worden sei, zu berücksichtigen.
23. Dass die Klägerin auf dem Markt für Chemikalien zum Glätten und Konservieren von Lebensmitteln führend und die Marke CAPOL bei den angesprochenen Verkehrskreisen notorisch bekannt sei, sei jedoch zum ersten Mal vor der Beschwerdekammer vorgetragen worden. Es handle sich dabei um neue Tatsachen und hinsichtlich der Verwendung des Begriffes notorisch bekannt sogar um eine Änderung der Rechtsgrundlage des Widerspruchs zugunsten des Artikels 8 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94.
24. Außerdem hätte selbst die Berücksichtigung der Marktposition der Klägerin und damit einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Marke nicht zur Feststellung einer Verwechslungsgefahr geführt.
Würdigung durch das Gericht
25. Zunächst ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin vor der Beschwerdekammer aus einer eidesstattlichen Erklärung ihres Geschäftsführers und einer Liste ihrer Kunden besteht.
26. Diese Unterlagen, die die Intensität der Benutzung der Marke der Klägerin betreffen, wurden von dieser zur Stützung ihrer bereits vor der Widerspruchsabteilung angeführten - und seinerzeit nur auf Erwägungen zum fehlenden beschreibenden Charakter ihrer Marke beruhenden - Argumentation vorgelegt, wonach diese Marke einen hohen Grad an Kennzeichnungskraft besitze und daher verstärkten Schutz genießen müsse.
27. Die Beschwerdekammer hat in den Randnummern 10 bis 12 der angefochtenen Entscheidung, das HABM dann in Randnummer 30 seiner Klagebeantwortung die Auffassung vertreten, dass dieser neue Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt werden könne, da er nach Ablauf der durch die Widerspruchsabteilung festgelegten Fristen erfolgt sei.
28. Diese Ansicht ist jedoch nicht mit der funktionalen Kontinuität zwischen den Dienststellen des HABM vereinbar, die das Gericht sowohl für Ex-Parte-Verfahren (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T163/98, Procter & Gamble/HABM [BABY-DRY], Slg. 1999, II2383, Randnrn. 38 bis 44, das insoweit durch das Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 2001 in der Rechtssache C383/99 P, Procter & Gamble/HABM [BABY-DRY], Slg. 2001, I6251, nicht aufgehoben worden ist, und Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T63/01, Procter & Gamble/HABM [Form einer Seife], Slg. 2002, II5255, Randnr. 21) als auch für Inter-partes-Verfahren bejaht hat (Urteil des Gerichts vom 23. September 2003 in der Rechtssache T308/01, Henkel/HABM LHS [UK] [KLEENCARE], Slg. 2003, I0000, Randnrn. 24 bis 32).
29. Aus der funktionalen Kontinuität zwischen den Dienststellen des HABM ergibt sich nämlich, dass die Beschwerdekammer im Anwendungsbereich von Artikel 74 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ihre Entscheidung auf das gesamte tatsächliche und rechtliche Vorbringen des Beschwerdeführers sowohl im Verfahren vor der Stelle, die in erster Instanz entschieden hat, als auch, wobei sich eine Einschränkung nur aus Artikel 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt, im Beschwerdeverfahren zu stützen hat (Urteil KLEENCARE, Randnr. 32). Die zwischen den verschiedenen Dienststellen des HABM bestehende funktionale Kontinuität hat also, anders als das HABM in Bezug auf das Inter-partes-Verfahren geltend macht, nicht zur Folge, dass eine Partei, die vor der Stelle, die in erster Instanz entschieden hat, ein bestimmtes tatsächliches oder rechtliches Vorbringen nicht innerhalb der im Verfahren vor dieser Stelle geltenden Fristen eingeführt hat, mit diesem Vorbringen nach Artikel 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 vor der Beschwerdekammer nicht mehr gehört werden könnte. Die funktionale Kontinuität bewirkt vielmehr, dass diese Partei vor der Beschwerdekammer, vorbehaltlich der Beachtung von Artikel 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 im Verfahren vor dieser Stelle, mit dem betreffenden Vorbringen zu hören ist.
30. Da das streitige tatsächliche Vorbringen im vorliegenden Fall nicht verspätet im Sinne von Artikel 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94, sondern in Form einer Anlage zu dem am 30. Oktober 2000 von der Klägerin bei der Beschwerdekammer eingereichten Schriftsatz, d. h. innerhalb der durch Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 gewährten Frist von vier Monaten, eingeführt wurde, konnte die Beschwerdekammer die Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht verweigern.
31. Die Beschwerdekammer hat außerdem unter Übernahme der Behauptung der Markenanmelderin in deren Schriftsatz vom 27. Dezember 2000, die Klägerin versuche in Wirklichkeit zu beweisen, dass ihre Marke eine renommierte oder notorisch bekannte Marke sei, in Randnummer 13 der angefochtenen Entscheidung hilfsweise angeführt, die Klägerin habe als Rechtsgrundlage ihres Widerspruchs Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 durch Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe c dieser Verordnung ersetzt.
32. Dieses hilfsweise vorgebrachte Argument geht fehl.
33. Die Klägerin hat nämlich zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet, dass sie ihren Widerspruch auf eine andere Vorschrift als Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 stütze. Sie beruft sich vielmehr seit dem Verfahren vor der Widerspruchsabteilung und dann vor der Beschwerdekammer auf dieser Rechtsgrundlage auf die hohe Kennzeichnungskraft ihrer Marke und die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Bedeutung dieser Erwägung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94.
34. Aus alledem folgt, dass die Beschwerdekammer nicht ohne Verstoß gegen Artikel 74 der Verordnung Nr. 40/94 die Prüfung des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 30. Oktober 2000 ablehnen konnte, mit dem diese den hohen Grad an Kennzeichnungskraft der älteren Marke nachweisen wollte, der sich aus der von ihr behaupteten Benutzung dieser Marke auf dem Markt ergebe.
35. Da die Verwechslungsgefahr um so größer ist, je stärker die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist, genießen Marken, die, von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt, eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, nach der Rechtsprechung jedoch einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist. Daher kann trotz eines geringen Grades der Ähnlichkeit zwischen den Marken Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn die Ähnlichkeit zwischen den von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen groß und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke hoch ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I3819, Randnrn. 20 und 21 sowie die dort zitierte Rechtsprechung).
36. Da die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall festgestellt hat, dass die Waren, auf die sich die einander gegenüberstehenden Zeichen bezögen, identisch seien und dass es gewisse Ähnlichkeiten zwischen diesen Zeichen gebe, konnte sie sich somit nicht, wie sie es getan hat, zum Bestehen einer Verwechslungsgefahr äußern, ohne alle relevanten Beurteilungsgesichtspunkte zu berücksichtigen, zu denen das Vorbringen der Klägerin zur hohen Kennzeichnungskraft der älteren Marke gehört.
37. Folglich hat die Beschwerdekammer dadurch, dass sie das Vorbringen der Klägerin im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt hat, gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihr im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 obliegen. Es ist nicht Sache des Gerichts, sich bei der vom HABM vorzunehmenden Beurteilung des fraglichen Vorbringens an dessen Stelle zu setzen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die übrigen Klagegründe bedürfte.
Kostenentscheidung:
Kosten
38. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden::
1. Die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 4. März 2002 (Sache R 782/2000-3) wird aufgehoben.
2. Das HABM trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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