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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 26.02.1992
Aktenzeichen: T-17/89
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 64
Beamtenstatut Art. 65
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen kann nur dann in Betracht kommen, wenn die Höhe der Hauptforderung bestimmt oder zumindest anhand feststehender objektiver Faktoren bestimmbar ist. Der Rat verfügt bei der Wahrnehmung der ihm nach Artikel 65 des Statuts zustehenden Befugnisse zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten und zur Festsetzung der auf diese Bezuege anzuwendenden Berichtigungsköffizienten über einen Ermessensspielraum, und es besteht daher keine Gewißheit über die Höhe dieser Angleichungen und Festsetzungen, bevor der Rat diese Befugnisse ausgeuebt und die vorgesehene Verordnung erlassen hat; da diese Voraussetzung nicht erfuellt ist, sind auf die Gehaltsnachzahlungen, sofern sie unverzueglich nach Erlaß dieser Verordnung ausgezahlt werden, keine Verzugszinsen zu zahlen.

2. Aus Artikel 65 Absatz 2 des Beamtenstatuts geht hervor, daß die Entscheidungen über die Angleichung der Berichtigungsköffizienten, die auf die Dienstbezuege angewendet werden, unverzueglich zu treffen sind. Jede unentschuldbare Verzögerung beim Erlaß der Regelung in diesem Bereich ist daher als pflichtwidrig anzusehen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verzögerung ungerechtfertigt ist, ist zu berücksichtigen, daß die Organe je nach der Lage des Falles und der Komplexität des Vorgangs über eine angemessene Zeitspanne verfügen müssen, um ihre Vorschläge oder ihre Entscheidungen auszuarbeiten.

Ist eine Regelung über die Angleichung der Berichtigungsköffizienten nach einem übermässig und ungerechtfertigt langen Vorbereitungsverfahren erlassen worden, so kann ihre rückwirkende Anwendung nicht den Schaden ausgleichen, der den Betroffenen durch den Kaufkraftverlust der mit einer Verspätung von mehreren Jahren ausgezahlten rückständigen Dienstbezuege entstanden ist. Ein solcher durch die pflichtwidrige Verzögerung von seiten der Verwaltung verursachter Schaden begründet einen Anspruch auf Ersatz des Geldentwertungsschadens.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 26. FEBRUAR 1992. - AUGUSTO BRAZZELLI LUALDI UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - DIENSTBEZUEGE - VERZUGS- UND AUSGLEICHSZINSEN. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-17/89, T-21/89 UND T-25/89.

Entscheidungsgründe:

Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt

1 Augusto Brazelli Lualdi, Cleto Bartolo, Helga Alex sowie eine Reihe andere Beamte und sonstige Bedienstete der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die bei der Gemeinsamen Forschungsstelle in Ispra (Varese/Italien) tätig sind, haben mit Klageschriften, die am 23. Dezember 1986, am 1. Oktober 1987 und am 10. Februar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, nach Ausschöpfung des Vorverfahrens eine Klage erhoben, mit der sie beantragen, einige ihrer im Jahre 1986 und 1987, soweit in ihnen die Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 3619/86 des Rates vom 26. November 1986 zur Berichtigung der Berichtigungsköffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften in Dänemark, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich anwendbar sind (ABl. L 336, S. 1, im folgenden: Verordnung Nr. 3619/86), zur Anwendung gelangt ist, erstellten Gehaltsmitteilungen aufzuheben und ihnen Verzugszinsen sowie Ersatz für den finanziellen Schaden zuzuerkennen, den sie angeblich durch die Verzögerung erlitten haben, die nach ihrer Ansicht bei der Anpassung der auf ihre Dienstbezuege anwendbaren Berichtigungsköffizienten nach der fünfjährlichen Überprüfung von 1981 eingetreten ist.

Da die gemeinschaftsrechtliche Regelung der periodischen Anpassung der Dienstbezuege der Beamten kompliziert ist, ist es angezeigt, vor der Beschreibung der verschiedenen Verfahren, die der streitigen fünfjährlichen Anpassung vorausgegangen sind, den Inhalt der einschlägigen Bestimmungen darzustellen.

Der rechtliche Rahmen der Rechtssache

2 Die Artikel 64 und 65 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) sehen vor, daß die Dienstbezuege der Beamten in regelmässigen Abständen angepasst werden. Diese Vorschriften gelten gemäß den Artikeln 20 und 64 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften auch für Bedienstete auf Zeit und Hilfskräfte.

Die genannten Artikel des Statuts lauten, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erheblich sind, wie folgt:

"Artikel 64

Auf die Dienstbezuege des Beamten, die auf belgische Franken lauten, wird nach Abzug der nach dem Statut und dessen Durchführungsverordnungen einzubehaltenden Beträge ein Berichtigungsköffizient angewandt, der je nach den Lebensbedingungen am Ort der dienstlichen Verwendung 100 v. H. oder einen höheren oder niedrigeren Hundertsatz beträgt.

...

Artikel 65

(1) Der Rat überprüft jährlich das Besoldungsniveau der Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften. Diese Überprüfung erfolgt im September an Hand eines gemeinsamen Berichts der Kommission, dem ein vom Gemeinsamen statistischen Amt im Einvernehmen mit den statistischen Ämtern der einzelnen Mitgliedstaaten aufgestellter gemeinsamer Index zugrunde liegt; für diesen Index ist für jedes Land der Gemeinschaften der Stand am 1. Juli maßgebend.

Der Rat prüft hierbei, ob im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gemeinschaften eine Angleichung der Bezuege angebracht ist. Berücksichtigt werden insbesondere etwaige Erhöhungen der Gehälter im öffentlichen Dienst sowie die Erfordernisse der Gewinnung von Personal.

(2) Im Falle einer erheblichen Änderung der Lebenshaltungskosten beschließt der Rat innerhalb von höchstens zwei Monaten Maßnahmen zur Angleichung der Berichtigungsköffizienten und gegebenenfalls über deren Rückwirkung.

(3)..."

3 Zur praktischen Anwendung dieser Regeln beschloß der Rat eine Anpassungsmethode. Die Einzelheiten dieser Methode wurden für den Zeitraum vom 1. Juli 1981 bis zum 30. Juni 1991 durch den Beschluß 81/1061/Euratom, EGKS, EWG vom 15. Dezember 1981 zur Änderung des Verfahrens zur Angleichung der Dienstbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 386, S. 6, im folgenden: Beschluß von 1981) festgelegt. Nach diesem Beschluß werden die Berichtigungsköffizienten für andere Länder der dienstlichen Verwendung als Belgien und Luxemburg regelmässig der Entwicklung der Lebenshaltungskosten in den verschiedenen Mitgliedstaaten angepasst [Anhang zum Beschluß, Abschnitt II.4.c) letzter Gedankenstrich]. Aus dem Beschluß geht hervor, daß zwischen jährlichen und fünfjährlichen Anpassungen zu unterscheiden ist. Der Rat nimmt nach diesen Regeln die jährlichen Anpassungen aufgrund von Vorschlägen der Kommission vor, die sich auf Angaben der nationalen statistischen Ämter stützen. Diese Angaben spiegeln die Konsumgewohnheiten der Bevölkerung im allgemeinen und die Preise in den Hauptstädten der einzelnen Mitgliedstaaten wider. Da diese Methode jedoch manchmal, gemessen an den wirklichen Lebensbedingungen der europäischen Beamten an ihren Dienstorten, zu Verzerrungen führt, sieht der Beschluß, um dem abzuhelfen, vor, daß die Kommission alle fünf Jahre Untersuchungen über die Konsumgewohnheiten der europäischen Beamten und über die von diesen gezahlten Preise vornimmt, um die "Lebensbedingungen am Ort der dienstlichen Verwendung" erfassen zu können, wie es Artikel 64 des Statuts vorschreibt (Anhang, Abschnitt II, 1.1.1. Absatz 2). Auf der Grundlage eines auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen gestützten Vorschlags der Kommission nimmt der Rat dann gegebenenfalls die fünfjährliche Anpassung der Berichtigungsköffizienten vor.

Die der vorliegenden Klage vorausgehenden Verwaltungs-, Rechtsetzungs- und Gerichtsverfahren

4 Am 26. November 1986 erließ der Rat die Verordnung Nr. 3619/86, mit der er in zwei Punkten von dem Vorschlag der Kommission abwich, den diese nach dem in Randnummer 3 dargestellten Verfahren unterbreitet hatte. Die Kommission erhob daraufhin am 15. Januar 1987 vor dem Gerichtshof gegen den Rat Klage auf Nichtigerklärung dieser Verordnung (Rechtssache 7/87).

5 Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt, insbesondere das Verwaltungsverfahren, das zum Erlaß der genannten Verordnung führte, wurde im Sitzungsbericht des Berichterstatters wie folgt zusammengefasst (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 1988 in der Rechtssache 7/87, Kommission/Rat, Slg. 1988, 3401, 3403):

"a) Zur Überprüfung der Berichtigungsköffizienten nach Ablauf des Zeitraums vom 1. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 1980 stellte die Kommission 1980 und 1981 Untersuchungen an. Diese bezogen sich bei allen Faktoren mit Ausnahme der Wohnkosten auf die Preise in den Hauptstädten für die Waren und Dienstleistungen, die die Konsumgewohnheiten der europäischen Beamten widerspiegeln. Da für die von den europäischen Beamten gezahlten Mieten keine Zahlen vorlagen, wurde der Faktor Wohnkosten nach den in allen Mitgliedstaaten von der Allgemeinbevölkerung bezahlten Durchschnittsmieten bemessen. Diese Methode hatte die Kommission bereits bei früheren Überprüfungen angewandt.

b) Am 17. Juli 1984, also dreieinhalb Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraumes, auf den sich die Überprüfung bezog, übermittelte die Kommission dem Rat einen Vorschlag zur Anpassung der Berichtigungsköffizienten.

c) In der Begründung dieses Vorschlags erläuterte die Kommission, daß die sich aus den Untersuchungen ergebenden Zahlen ihrer Meinung nach die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften nur unvollständig wiederspiegelten, insbesondere wegen der für die Berechnung des Faktors Wohnkosten angewandten Methode. Die Zweifel der Kommission rührten daher, daß die Ergebnisse, zu denen sie gelangt war, für einige Mitgliedstaaten erheblich von denen abwichen, zu denen man gekommen wäre, wenn man den Faktor Wohnkosten völlig ausser acht gelassen oder statt der Mieten die Baukosten angesetzt hätte.

d) Die Kommission war jedoch der Auffassung, daß sie den Faktor Wohnkosten wegen seiner Bedeutung innerhalb des Konsummusters der europäischen Beamten (20 % der Ausgaben) in ihrem Vorschlag nicht ausser acht lassen dürfe.

e) Sie beschloß daher, die Zahlen zugrunde zu legen, die sich bei der Berücksichtigung der von der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Mitgliedsstaaten gezahlten Durchschnittsmieten ergaben, auch wenn diese Zahlen wenig aussagekräftig waren. Da die auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse zwangsläufig unzulänglich waren, schlug die Kommission dem Rat vor, die Berichtigungsköffizienten nur dann nach oben oder unten abzuändern, wenn die Änderung 2,5 % übersteigt.

f) Der Rat nahm den Vorschlag der Kommission nicht an. Nach seiner Ansicht steht die Einführung einer Anpassungsschwelle nicht im Einklang mit Artikel 64 des Statuts, weil nach dieser Bestimmung jede noch so geringfügige Änderung der Lebensbedingungen nach oben oder nach unten zu berücksichtigen sei.

g) Die Kommission beschloß daraufhin, eine Erhebung über die Mieten durchzuführen, die von den europäischen Beamten für Standardwohnungen in den Hauptstädten gezahlt wurden. Dazu befragte sie Ende 1984, Anfang 1985 Maklerbüros. Sie errechnete aus den für 1984 und 1985 gewonnenen Zahlen die Mieten, die in den Hauptstädten am 1. Januar 1981 verlangt worden waren, indem sie die den Mieten für 1984 und 1985 entsprechenden Zahlen unter Zugrundelegung der Entwicklung des Mietpreisindex seit dem 1. Januar 1981 herabsetzte.

h) Die Kommission war der Meinung, daß die auf diese Weise errechneten Berichtigungsköffizienten in zufriedenstellendem Masse denen entsprächen, die man erhielte, wenn man von dem Faktor Wohnkosten völlig absähe oder aber statt der Mieten die Baukosten ansetze.

i) Am 23. Dezember 1985 unterbreitete sie daher dem Rat einen neuen Vorschlag, der den Ergebnissen der Erhebung über die Mieten Rechnung trug und als Zeitpunkt des Inkrafttretens den 1. Januar 1981 vorsah.

j) Am 26. November 1986, d. h. fast sechs Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, auf den sich die Überprüfung bezog, erließ der Rat die angefochtene Verordnung. Diese weicht von dem Vorschlag der Kommission in zwei Punkten ab.

k) Erstens hat der Rat als Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Berichtigungsköffizienten nicht den 1. Januar 1981, sondern den 1. Juli 1986 festgesetzt. Er hat diese Entscheidung folgendermassen gerechtfertigt: 'In Anbetracht der Zeitpunkte, zu denen der ursprüngliche Vorschlag und der geänderte Vorschlag übermittelt worden sind, sowie der Schwierigkeiten, die sich für eine genaue Berechnung des Faktors Mietkosten ergeben haben, ist es nicht möglich, mit hinreichender Genauigkeit die Situation zu ermitteln, die am 1. Januar 1981 gegeben war. Daher empfiehlt es sich, den ersten geeigneten Zeitpunkt nach Übermittlung des geänderten Vorschlags, im vorliegenden Fall den 1. Juli 1986, vorzusehen.'

l) Aus dem von der Arbeitsgruppe 'Statut' des Rates dem Ausschuß der Ständigen Vertreter am 30. Juni 1986 vorgelegten Bericht ergibt sich, daß die Entscheidung für den 1. Juli 1986 sich daraus erklärt, daß der Beschluß von 1981 am 1. Juli 1981 in Kraft trat und eine fünfjährliche Überprüfung der Berichtigungsköffizienten vorsieht. Der 1. Juli 1986 stellte somit das Ende des ersten in dem Beschluß von 1981 vorgesehenen Fünfjahreszeitraumes dar. Die angefochtene Verordnung enthält diese Erklärung jedoch nicht.

m) Zweitens wies der Rat die Ergebnisse der Erhebung über die Mieten mit der Begründung zurück, daß sich diese 'nicht auf eine wirklich repräsentative Auswahl von Wohnungen erstreckt' habe. Weiter heisst es dann: 'Zudem hätte diese Erhebung im Einklang mit Abschnitt II Nummer 1.1 Absatz 2 des Anhangs zu dem Beschluß 81/1061/Euratom, EGKS, EWG im Einvernehmen mit den statistischen Ämtern der Mitgliedsstaaten durchgeführt werden müssen.' Daher beschloß der Rat, 'bei der früheren Methode, die die nationalen Mietdurchschnittswerte aus den Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung heranzog, zu bleiben, bis die Kommission eine Untersuchung über die Möglichkeit einer Verbesserung der anzuwendenden Methode durchgeführt hat'."

6 In dem Verfahren der Rechtssache 7/87 (Kommission/Rat, s. o.) ersuchte der Gerichtshof die Kommission um Beantwortung zweier Fragen.

Die erste Frage an die Kommission lautete wie folgt:

"Warum wurde der erste Vorschlag zur Berichtigung der Berichtigungsköffizienten auf der Grundlage der Situation am 1. Januar 1981 dem Rat erst am 17. Juli 1984 übermittelt?"

Die Kommission erläuterte in ihrer Antwort, daß die Ergebnisse der von ihren Dienststellen 1980 und 1981 durchgeführten Untersuchungen im Januar 1982 vorgelegen hätten, was für die Übermittlung und Auswertung der Ergebnisse ein normaler Zeitraum sei. Die Vertreter des Personals hätten die für die Entwicklung des Faktors Mietkosten ermittelten Zahlen für unzutreffend gehalten, weil sie nicht mit der allgemeinen Preisentwicklung übereingestimmt hätten. Erst nach vielen Sitzungen sei mit den Personalvertretern Einvernehmen über die Zahlen erzielt worden, die die Kommission schließlich ihrem ersten Vorschlag zugrunde gelegt habe.

Die zweite Frage an die Kommission lautete wie folgt:

"War der Zeitpunkt 1. Januar 1981 für das Inkrafttreten der neuen Berichtigungsköffizienten zwingend geboten, obwohl der Beschluß des Rates vom 15. Dezember 1981 zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwendbar war und das seinerzeit geltende Verfahren (Beschluß des Rates vom 26. Juni 1976) nur eine 'regelmässige' und nicht eine fünfjährliche Überprüfung vorsah?"

Die Kommission führte dazu aus, daß das vor Erlaß des Beschlusses von 1981 geltende Verfahren zwar nur eine "regelmässige" Überprüfung vorgesehen habe, diese Überprüfung aber tatsächlich im Fünfjahresrhytmus erfolgt sei. Der Beschluß von 1981 habe nur eine Praxis bestätigt, die der Rat selbst in seinen Schriftsätzen als verbindlich anerkannt habe.

7 Mit Urteil vom 28. Juni 1988 in der Rechtssache 7/87 (Kommission/Rat, a. a. O.) erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 3619/86 für nichtig, da sie insoweit gegen Artikel 64 des Statuts verstieß,

a) als durch sie Berichtigungsköffizienten festgesetzt worden waren, die in bezug auf den Faktor Wohnkosten nach den Kosten berechnet worden waren, die in dem jeweiligen gesamten Mitgliedstaat der Allgemeinbevölkerung für ihre Unterkunft entstanden waren, statt sie nach den allein von den europäischen Beamten zu tragenden Wohnkosten zu bemessen, und

b) als durch die Verordnung als Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Berichtigungsköffizienten der 1. Juli 1986 anstelle des 1. Januar 1981, auf den sich die Überprüfung bezog, festgesetzt worden war.

8 Der Rat ergriff die sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen, indem er auf Vorschlag der Kommission vom 5. Juli 1988 die Verordnung (EGKS, EWG, Euratom) Nr. 3294/88 vom 24. Oktober 1988 erließ, durch die die auf die Dienstbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften u. a. in Italien anwendbaren Berichtigungsköffizienten mit Wirkung vom 1. Januar 1981 berichtigt wurden (ABl. L 293, S. 1). Durch die Verordnung (EGKS, EWG, Euratom) Nr. 3295/88 vom selben Tage änderte der Rat mit Wirkung vom 1. Januar 1986 auch die im Rahmen des folgenden Zeitraums von fünf Jahren geltenden Berichtigungsköffizienten (ABl. L 293, S. 5). Die Änderung der Berichtigungsköffizienten durch die Verordnung Nr. 3295/88 ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

9 Nach dem Erlaß dieser beiden Verordnungen durch den Rat nahm die Kommission im November 1988 die Festsetzung und die Zahlung der aufgrund dieser Verordnungen geschuldeten rückständigen Dienstbezuege vor. Im Rahmen einer gütlichen Einigung, die in mehreren der vorliegenden Rechtssache gleichgelagerten Verfahren erzielt wurde, erklärte sich die Kommission dazu bereit, den Beamten Verzugszinsen für die Zeit von Dezember 1986 bis zur tatsächlichen Vornahme der Nachzahlungen zu gewähren, aber nur in bezug auf die Nachzahlungen, die aufgrund der Verordnung Nr. 3294/88 geschuldet wurden und sich aus der im Jahre 1981 durchgeführten fünfjährlichen Überprüfung ergaben.

10 In der mündlichen Verhandlung in den vorliegenden Rechtssachen haben die Kläger eine Übersicht zum Ablauf der Verwaltungs- und Verordnungsverfahren, die zum Erlaß der Verordnungen über die Angleichung der Berichtigungsköffizienten im Anschluß an die fünfjährlichen Überprüfungen von 1976 und 1981 geführt hatten, vorgelegt, in der auch die wegen dieser Verordnungen anhängigen oder schon erledigten Gerichtsverfahren aufgeführt sind. Daraus geht hervor, daß bezueglich der Überprüfung von 1976 zwischen dem Erlaß der betreffenden Verordnung (Verordnung [EWG, Euratom, EGKS] Nr. 3681/83 des Rates vom 19. Dezember 1983, ABl. L 368) und dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (1. Januar 1976) ein Zeitraum von sieben Jahren und elf Monaten vergangen ist. In diesem Zeitraum soll die Kaufkraft der LIT um 30,1 % zurückgegangen sein. Die Kläger haben in diesem Zusammenhang daran erinnert, daß der Gerichtshof bereits Ansprüche von Beamten auf Verzugszinsen in Höhe von 6 % jährlich von dem Zeitpunkt an, an dem ein Anspruch bei der Verwaltung geltend gemacht worden sei, anerkannt habe, daß hingegen entsprechende Ansprüche auf Schadensersatz vom Gerichtshof als unzulässig abgelehnt worden seien (Urteile vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 158/79, Roumengous Carpentier/Kommission, Slg. 1985, 39; in den verbundenen Rechtssachen 532/79, 534/79, 567/79, 600/79, 618/79, 660/79 und 543/79, Amesz/Kommission, Slg. 1985, 55, und in der Rechtssache 737/79, Battaglia/Kommission, Slg. 1985, 71). Bezueglich der Überprüfung von 1981 geht aus der genannten Übersicht hervor, daß zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Verordnung (24. Oktober 1988) und dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (1. Januar 1981) ein Zeitraum von sieben Jahren und neun Monaten vergangen war, in dem sich die Kaufkraft der LIT angeblich um 48,5 % verringert hat. Um diesen Zeitraum geht es bei der vorliegenden Klage.

11 In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine Übersicht vorgelegt, in der die einzelnen Schritte der fünfjährlichen Überprüfung von 1981 wie folgt dargestellt werden:

18. Januar 1982 Eingang der Dokumente des Statistischen Amtes (im folgenden: SAEG) bei der Generaldirektion Personal und Verwaltung

10. Februar 1982 Informelle technische Zusammenkunft der Gewerkschaften und Berufsverbände (im folgenden: GuBV) und SAEG

23. Februar 1982 Offizielle Mitteilung der Ergebnisse der fünfjährlichen Überprüfung an die GuBV

16. März 1982 Informelle technische Zusammenkunft von GuBV und SAEG

18. Juni 1982 technische Beratung

7. Juli 1982 Arbeitssitzung

15. Oktober 1982 technische Beratung - Einrichtung einer paritätischen Arbeitsgruppe unter Leitung des SAEG (Tagung erst Anfang 1983 wegen Verhinderung der Leitung) - Abwarten des Urteils des Gerichtshofes zum Berichtigungsköffizienten für Varese

8. Februar 1983 technische Beratung (fünfjährliche Überprüfung und Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1982) - Einrichtung einer kleineren paritätischen Arbeitsgruppe zur Untersuchung des Berichts des SAEG und Erarbeitung eines Vorschlags an den Rat

15. März 1983 Tagung der Arbeitsgruppe

6. Oktober 1983 technische Beratung - Berichtigungsköffizient für Varese

6. April 1984 technische Beratung - Einigung über den Vorschlag an den Rat zur Berichtigung der Berichtigungsköffizienten für Dänemark, Deutschland, Irland und das Vereinigte Königreich

26. Juli 1984 Vorlage des Vorschlags an den Rat

12. November 1984 negative Stellungnahme des Juristischen Dienstes des Rates

13. November 1984 technische Beratung - Entscheidung, eine "Ad-hoc- Erhebung Wohnkosten" einzuleiten

1985 Überprüfung der Wohnkostenparität der Hauptstädte durch den SAEG

23. Dezember 1985 Vorlage des Vorschlags zur Angleichung der Berichtigungsköffizienten für Dänemark, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande und das Vereinigte Königreich.

Das Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht

12 Nach Klageerhebung sind die Verfahren in den vorliegenden Rechtssachen bis zum Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Kommission/Rat (7/87, a. a. O.), ausgesetzt worden.

13 Nachdem in der zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofes erlassenen Verordnung Nr. 3294/88 des Rates bestimmte Forderungen der Kläger erfuellt worden waren, haben diese ihre Anträge auf Aufhebung bestimmter Gehaltsmitteilungen zurückgenommen.

14 Das schriftliche Verfahren hat ausschließlich vor dem Gerichtshof stattgefunden, der die Rechtssachen mit Beschlüssen vom 15. November 1989 gemäß dem Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen hat.

15 Mit Beschluß vom 2. April 1990 hat das Gericht die Rechtssachen zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

16 Auf Vorschlag der für die Rechtssache zuständigen Dritten Kammer hat das Gericht am 6. Dezember 1990 beschlossen, die Rechtssache an eine Kammer mit fünf Richtern, und zwar an die Zweite Kammer, zu verweisen.

17 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne Beweisaufnahme zu eröffnen.

18 Die Parteien haben in der Sitzung vom 29. Mai 1991 mündlich verhandelt. Der Vorsitzende hat am Ende der Sitzung die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

Anträge der Parteien

19 Die Kläger beantragen,

a) die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz wegen des erlittenen Kaufkraftverlustes der den Klägern nach der Verordnung Nr. 3294/88 ausgezahlten Gehaltsrückstände sowie

b) zur Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der Gehaltsrückstände bis zum Zeitpunkt der erfolgten Nachzahlung zu verurteilen;

c) der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

a) die Klagen abzuweisen,

b) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Begründetheit

Verzugszinsen

20 Zur Begründung ihres Antrags auf Verzugszinsen haben die Kläger einen einzigen Klagegrund geltend gemacht: die nicht gerechtfertigte Verspätung, mit der die Kommission die ihnen geschuldeten rückständigen Dienstbezuege gezahlt habe.

21 Die Kläger machen zur Stützung dieses Klagegrundes geltend, daß die genannten Rückstände im Jahre 1981 und nicht erst im November 1988 geschuldet gewesen seien; die Kommission habe daher die genannten Beträge über einen Zeitraum von sieben Jahren für sich behalten und mit erheblichem Vorteil nutzen können. Die einzige Möglichkeit eines angemessenen Ausgleichs der Parteiinteressen bestehe darin, die Kommission zur Zahlung von Zinsen ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der Hauptschuld bis zum Zeitpunkt der Nachzahlung zu verurteilen. Hierbei verweisen die Kläger auf das Urteil vom 27. April 1989 in der Rechtssache 271/87 (Fedeli/Parlament, Slg. 1989, 993), in dem der Gerichtshof der Klägerin Verzugszinsen zuerkannt habe, "um den Zustand herzustellen, den die Klägerin von Rechts wegen hätte beanspruchen können". Die Umstände der vorliegenden Rechtssache lägen völlig anders als die, über die der Gerichtshof in der Sache Delhez u. a./Kommission (Urteil vom 30. September 1986 in der Rechtssache 264/83, Slg. 1986, 2749) und in fünf Parallelverfahren habe entscheiden müssen. Die Verspätung, mit der die geschuldeten Rückstände im vorliegenden Fall festgesetzt worden seien, erreiche das Rekordmaß von sieben Jahren. Damit enthalte der vorliegende Fall in erschwerter Form die Entscheidungselemente der Rechtssache Roumengous/Kommission und der genannten Parallelverfahren, in denen der Gerichtshof den Klägern Verzugszinsen für alle Rückstände von einem Zeitpunkt an zuerkannt habe, der vor dem Erlaß der entsprechenden Verordnung durch den Rat gelegen habe.

22 Die Kommission erwidert, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könnten Verzugszinsen nur für bereits dem Betrag nach bestimmte und fällige Gehaltsrückstände gefordert werden. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erst mit Inkrafttreten der Verordnung des Rates Nr. 3294/88 vom 24. Oktober 1988 erfuellt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt seien die hiernach geschuldeten Beträge ohne Verzögerung ausgezahlt worden, so daß eine Verspätung auf seiten der Kommission nicht vorliege. Auch der Rat sei seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 1988 ohne Säumnis nachgekommen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verzugszinsen seien daher entsprechend der Entscheidung Delhez u. a./Kommission (a. a. O.) im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Die Entscheidung Fedeli/Parlament (a. a. O.) beruhe darauf, daß in diesem Fall das betreffende Organ einen Amtsfehler gegenüber der Klägerin begangen habe.

23 Das Gericht stellt erstens fest, daß vor dem 24. Oktober 1988, dem Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung Nr. 3295/88 durch den Rat, kein Gemeinschaftsorgan wusste, ob die geltenden Berichtigungsköffizienten berichtigt werden würden und, wenn ja, welche neuen Koeffizienten Anwendung finden würden. Daraus folgt, daß die Kläger vor diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf die Nachzahlung von Dienstbezuegen erworben hatten und daß dementsprechend für die Gemeinschaftsorgane weder die Verpflichtung noch die Möglichkeit bestand, derartige Nachzahlungen vorzunehmen. Unter diesen Umständen konnte es bis zu diesem Zeitpunkt keinen Verzug bei der Begleichung einer fälligen Schuld geben.

24 Dieser Gedankengang wird durch das Urteil des Gerichtshofes vom 30. September 1986 in der Rechtssache 174/83 (Ammann u. a./Rat, Slg. 1986, 2647) bestätigt. In diesem Urteil hat der Gerichtshof in Vollsitzung entschieden, eine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen könne nur dann in Betracht kommen, wenn die Höhe der Hauptforderung bestimmt oder zumindest anhand feststehender objektiver Faktoren bestimmbar sei. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß der Rat bei der Wahrnehmung der ihm nach Artikel 65 des Statuts zustehenden Befugnisse zur Angleichung der Dienst- und Versorgungsbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten und zur Festsetzung der auf diese Bezuege anzuwendenden Berichtigungsköffizienten über einen Ermessensspielraum verfüge und daß daher keine Gewißheit über die Höhe dieser Angleichungen und Festsetzungen bestehe, bevor der Rat diese Befugnisse ausgeuebt und die vorgesehene Verordnung erlassen habe. Der Gerichtshof hat ausserdem ausgeführt, er habe zwar in einem früheren Urteil (dem Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 59/81, Kommission/Rat, Slg. 1982, 3329), durch das er eine erste rechtswidrige Verordnung des Rates für nichtig erklärt habe, festgestellt, daß der Rat in Ausübung seines Ermessens bestimmte Faktoren zu berücksichtigen habe; jedoch habe er weder die dem Personal gemäß Artikel 65 des Statuts effektiv zu zahlenden Beträge bestimmt noch die objektiven Faktoren festgelegt, anhand deren diese Beträge mit hinreichender Sicherheit hätten ermittelt werden können.

25 Zu dem von den Klägern angeführten Urteil des Gerichtshofes vom 27. April 1989 (Fedeli/Parlament, a. a. O.) ist demgegenüber festzustellen, daß in dem dort gegebenen Fall die Höhe der Hauptforderung im Unterschied zum vorliegenden Fall bestimmt war und daher nicht bestritten werden konnte.

26 Das Gericht stellt zweitens fest, daß die Kommission, nachdem der Rat am 24. Oktober 1988 die Verordnung Nr. 3294/88 erlassen hatte, im November 1988 die aufgrund dieser Verordnung fälligen rückständigen Dienstbezuege festgesetzt und ausgezahlt hat. Die Kommission ist damit, sobald feststand, daß und in welcher Höhe diese Rückstände zu zahlen waren, ihrer Zahlungsverpflichtung ohne schuldhaftes Zögern nachgekommen. Unter diesem Gesichtspunkt kann ihr daher kein Verzug angelastet werden.

27 Die Anträge der Kläger auf Verzugszinsen sind daher zurückzuweisen.

Zu dem sich aus dem Kaufkraftverlust ergebenden Schaden

28 Zur Begründung dieses Antrags stützen sich die Kläger auf zwei Klagegründe, mit denen sie die Verletzung der Artikel 64 und 65 des Beamtenstatuts und die fehlerhafte Durchführung des Urteils 7/87 rügen.

29 Zum ersten Klagegrund führen die Kläger an, daß das Statut insbesondere in den Artikeln 64 und 65 die Gleichwertigkeit der Bezuege der Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich ihres Realwertes garantiere; die Kommission habe gegen die genannten Artikel verstossen, indem sie lediglich den berechneten Nominalwert der rückständigen Bezuege ausgezahlt habe, der jedoch nicht ausreichend sei, eine Gleichwertigkeit der Bezuege hinsichtlich ihrer Kaufkraft sicherzustellen.

30 Eine Berechnung auf der Grundlage von Indices des SAEG ergebe nämlich, daß 100 000 LIT im Januar 1981 einem Betrag von 201 180 LIT im November 1988 (Datum der Auszahlung der rückständigen Bezuege) entsprächen, oder umgekehrt, daß im November 1988 gezahlte 100 000 LIT im Januar 1981 lediglich 48 500 LIT entsprochen hätten. Die geschuldeten Gehaltsrückstände hätten daher, da sie statt im Jahre 1981 erst im Jahre 1988 ausgezahlt worden seien, einen Teil ihres Wertes aus dem Jahre 1981 eingebüsst; das stelle einen Schaden für die Kläger dar, von dem die übrigen Beamten nicht betroffen seien, und führe daher zu einer Ungleichbehandlung.

31 Im fraglichen Zeitraum habe darüber hinaus die Entwertung der LIT einen Höhepunkt erreicht, so daß die nationalen Stellen gezwungen gewesen seien, gewisse spezielle Indices für Löhne und Forderungen in italienischer Währung einzuführen.

32 Zum zweiten Klagegrund, wonach die Kommission die Entscheidung des Gerichtshofes vom 28. Juni 1988 fehlerhaft durchgeführt habe, berufen sich die Kläger insbesondere auf Randnummer 25 des Urteils, wo der Gerichtshof die Notwendigkeit einer rückwirkenden Anwendung der neuen Berichtigungsköffizienten betone, damit verhindert werde, "daß festgestellte Unterschiede in der Kaufkraft der Beamtenbezuege, die sich zum Teil über Jahre erstrecken können, dauerhaft bestehen bleiben, was mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar wäre".

33 Die dienstrechtlichen Grundsätze des Erhalts der Kaufkraft der Beamtenbezuege und der Garantie ihrer Gleichwertigkeit seien nur dann verwirklicht, wenn jeglicher Kaufkraftverlust ausgeglichen werde, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Die Kommission habe daher einen Amtsfehler begangen.

34 Die Kommission erwidert, daß die rückwirkende Angleichung der Berichtigungsköffizienten das Problem der Geldentwertung mit berücksichtige und auch Schäden durch Kaufkraftverlust umfasse. Artikel 64 sei daher im vorliegenden Fall nicht verletzt; das Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 1988 sei fehlerfrei durchgeführt worden. Die Tatsache, daß die erste Verordnung erst am 26. November 1986 erlassen worden sei, gehe auf eine Reihe aussergewöhnlicher Umstände zurück, für die die Kommission keine Verantwortung treffe.

35 Soweit die Kläger die Verurteilung zum Ersatz des Schadens beantragen, der angeblich durch den Kaufkraftverlust der ihnen aufgrund der Verordnung Nr. 3295/88 gezahlten rückständigen Dienstbezuege eingetreten ist, stellt das Gericht zunächst fest, daß "ein im Dienstverhältnis wurzelnder... [P]rozeß zwischen einem Beamten und dem Organ, dem er angehört..., im Rahmen des Artikels 179 des [EWG-]Vertrages sowie der Artikel 90 und 91 des Statuts" liegt (Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1975 in der Rechtssache 9/75, Meyer-Burckhardt/Kommission, Slg. 1975, 1171, 1181). Nach feststehender Rechtsprechung setzt ein Anspruch der Kläger auf Ersatz des Geldentwertungsschadens voraus, daß sie dartun, daß das Organ eine Pflichtverletzung begangen hat, daß tatsächlich ein bestimmter und meßbarer Schaden entstanden ist und daß zwischen der Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-20/89, Moritz/Kommission, Slg. 1990, II-769).

36 Der Beschluß des Rates von 1981 setzt zwar keine Frist fest, innerhalb deren die darin vorgesehene fünfjährliche Anpassung erfolgen muß. Artikel 65 Absatz 2 des Statuts, der für den Erlaß von Maßnahmen zur Angleichung der Berichtigungsköffizienten einen Zeitraum von höchstens zwei Monaten vorsieht, ist jedoch als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes anzusehen, wonach Entscheidungen in diesem Bereich unverzueglich zu treffen sind. Jede unentschuldbare Verzögerung beim Erlaß der Regelung, die als Rechtsgrundlage für die Anpassung der Dienstbezuege der Beamten und sonstigen Bediensteten dient, ist daher als pflichtwidrig anzusehen.

37 Was die Frage angeht, wann eine Verzögerung vorliegt und ob eine solche Verzögerung ungerechtfertigt ist, so ist zu berücksichtigen, daß die Organe über eine je nach der Lage des Falles und der Komplexität des Vorgangs über eine angemessene Zeitspanne verfügen müssen, um ihre Vorschläge oder ihre Entscheidungen auszuarbeiten. Es ist daher nicht möglich, allgemein eine Frist festzusetzen, innerhalb deren eine Regelung der hier streitigen Art zu erlassen ist.

38 Im vorliegenden Fall jedoch hätte die Rechtsgrundlage für die fünfjährliche Anpassung spätestens im Jahre 1986 geschaffen sein müssen, da der Rat zu diesem Zeitpunkt über alle notwendigen Gesichtspunkte für den Erlaß einer den Anforderungen des Statuts genügenden Verordnung verfügte.

39 Selbst wenn der Rat jedoch bis 1986 eine solche Verordnung beschlossen hätte, wäre das Verfahren, das zu den verschiedenen Vorschlägen der Kommission an den Rat geführt hatte, bereits zuvor übermässig lang gewesen. Erklärt sich diese Verzögerung auch zum Teil aus der Vielzahl der technischen Beratungen zwischen der Kommission und den Gewerkschaften und Berufsverbänden sowie aus der Komplexität der behandelten Fragen, so hat doch auch das Verhalten des Rates dazu beigetragen. Die Prüfung der Verfahrensschritte, die schließlich zum Erlaß der betreffenden Verordnung geführt haben - insbesondere die Tatsache, daß die Kommission bereits im Januar 1982 über die entsprechenden Dokumente des SAEG verfügt hat, sowie der Umstand, daß grosse zeitliche Abstände zwischen einzelnen vorbereitenden Sitzungen lagen, was zu einer Verzögerung dieses Verfahrensabschnitts geführt hat - macht deutlich, daß die genannte Verordnung bereits zum 1. Januar 1984 hätte beschlossen werden können und daher auch hätte beschlossen werden müssen. Es stellt daher einen Amtsfehler dar, daß eine gültige Verordnung erst im Oktober 1988 nach einer übermässig und ungerechtfertigt langen Vorbereitungszeit erlassen wurde.

40 Das Gericht sieht es als erwiesen an, daß den Klägern durch diese pflichtwidrige Verzögerung ein Schaden entstanden ist, und zwar in Gestalt des Kaufkraftverlustes ihrer rückständigen Bezuege, die ihnen bereits im Jahre 1984 und nicht erst Jahre später hätten ausgezahlt werden müssen. Zwar wäre es ausser bei Vorliegen besonderer Umstände unmöglich zu klären, für welche Zwecke die Kläger ihre Gehaltsnachzahlungen verwendet hätten, wenn sie ihnen zum angemessenen Zeitpunkt ausgezahlt worden wären. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht darum, individuelle Schäden nachzuweisen, sondern darum, das Vorliegen objektiver, anhand genauer und veröffentlichter Daten belegbarer Tatsachen festzustellen. Durch Vorlage entsprechender statistischer Daten, deren Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat, haben die Kläger daher den Beweis für das Vorliegen eines Verlustes der Kaufkraft ihrer rückständigen Bezuege für den fraglichen Zeitraum rechtlich hinreichend erbracht.

41 Nicht gefolgt werden kann hingegen der These der Kommission, wonach die in der Verordnung Nr. 3294/88 beschlossenen, rückwirkend angewandten Berichtigungsköffizienten bereits den Schaden aus eingetretener Geldentwertung berücksichtigt hätten. Hierbei wird nämlich ausser acht gelassen, daß die den Klägern geschuldeten rückständigen Bezuege trotz einer Verspätung von mehreren Jahren lediglich mit ihrem Nominalwert ausgezahlt wurden.

42 Den Anträgen der Kläger auf Schadensersatz ist daher stattzugeben, soweit sie sich auf den Zeitraum ab 1. Januar 1984 beziehen. Es bleibt den Parteien überlassen, im gegenseitigen Einvernehmen auf der Grundlage amtlicher Statistiken der Gemeinschaften den genauen Betrag zu bestimmen, der an die Kläger zu zahlen ist; bei nicht erzieltem Einvernehmen teilen die Parteien bis spätestens 1. Juni 1992 dem Gericht die zur Bestimmung der fraglichen Beträge erforderlichen Daten mit.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Nach der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, hat sie ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten der Kläger zu tragen, die lediglich in einem Punkt unterlegen sind.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Kommission wird verurteilt, den Klägern Schadensersatz für den vom 1. Januar 1984 bis zum November 1988 entstandenen Kaufkraftverlust der nachgezahlten Gehaltsrückstände zu zahlen.

2) Die Höhe des Schadensersatzes ist auf der Grundlage amtlicher Statistiken der Europäischen Gemeinschaften zur Kaufkraftentwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu ermitteln und in gegenseitigem Einvernehmen festzusetzen.

3) Bei nicht erzieltem Einvernehmen legen die Parteien dem Gericht bis spätestens 1. Juni 1992 die zur Ermittlung der Höhe des Schadensersatzes erforderlichen Daten vor.

4) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten der Kläger.

Ende der Entscheidung

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