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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.06.2000
Aktenzeichen: T-172/98
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, EG-Vertrag, RiLi 98/43


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 4
EG-Vertrag Art. 90
EG-Vertrag Art. 100a
EG-Vertrag Art. 5 Abs. 2
EG-Vertrag Art. 177
RiLi 98/43 Art. 3 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine Nichtigkeitsklage von Unternehmen, die andere Produkte als Tabakerzeugnisse unter dem Namen von Tabakerzeugnissen in den Verkehr bringen, und Unternehmen, die auf dem Markt der Werbung für Tabakerzeugnisse tätig sind, gegen die Richtlinie 98/43 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen ist unzulässig.

Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) sieht nämlich für den einzelnen keine direkte Klage vor dem Gemeinschaftsrichter gegen Richtlinien vor. Selbst wenn man - entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung - davon ausgeht, daß die Richtlinien den Verordnungen gleichgesetzt werden können, um eine Klage gegen eine "als" Richtlinie ergangene Entscheidung zuzulassen, stellt die Richtlinie 98/43 keine "verschleierte" Entscheidung dar und enthält keine speziellen Vorschriften, die den Charakter einer individuellen Entscheidung hätten. Es handelt sich tatsächlich um eine normative Handlung, denn sie betrifft allgemein und abstrakt alle Wirtschaftsteilnehmer der Mitgliedstaaten, die von einem bestimmten Zeitpunkt an die dort festgelegten Bedingungen erfuellen, und sie muß außerdem durch nationale Durchführungsbestimmungen in die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt werden, um innerhalb der Mitgliedstaaten anwendbar zu sein.

Außerdem kann zwar ein normativer Akt, der für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, einzelne von ihnen unmittelbar und individuell betreffen, jedoch ist dies bei der in Rede stehenden Richtlinie nicht der Fall. Ein unmittelbares Betroffensein der Klägerinnen verlangt nämlich, daß die angefochtene Gemeinschaftsmaßnahme sich auf ihre Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum läßt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß dabei weitere Vorschriften angewandt werden. Jedoch kann die Richtlinie 98/43, die die Mitgliedstaaten zwingt, den Wirtschaftsteilnehmern Verpflichtungen aufzuerlegen, nicht selbst diese Verpflichtungen zu Lasten der Klägerinnen begründen und diese daher nicht unmittelbar betreffen. Subsidiär ist festzustellen, daß sie den Mitgliedstaaten einen solchen Ermessensspielraum läßt, daß ein unmittelbares Betroffensein der Klägerinnen durch sie ausgeschlossen ist. Folglich hat sie als solche keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerinnen.

Schließlich kann die von den Klägerinnen erhobene Nichtigkeitsklage nicht deshalb für zulässig erklärt werden, weil infolge des Fehlens interner Rechtsschutzmöglichkeiten, die gegebenenfalls eine Überprüfung der Gültigkeit der angefochtenen Richtlinie im Wege einer auf Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) gestützten Vorlage zur Vorabentscheidung ermöglichten, kein hinreichender Rechtsschutz gegeben sei, da der Grundsatz der Gleichheit aller Rechtsunterworfenen hinsichtlich der Voraussetzungen für den Zugang zu den Gemeinschaftsgerichten mittels einer Nichtigkeitsklage verlangt, daß diese Voraussetzungen nicht von den Gegebenheiten abhängig sind, die dem Gerichtssystem des jeweiligen Mitgliedstaats eigen sind; sie kann auch nicht wegen der fehlenden Effektivität des Vorabentscheidungsersuchens gegenüber der direkten Nichtigkeitsklage für zulässig erklärt werden, da dieser Umstand, selbst wenn er bewiesen wäre, das Gericht nicht ermächtigen kann, sich an die Stelle des Verfassungsgebers der Gemeinschaft zu setzen, um eine Änderung des in den Artikeln 173 und 177 EG-Vertrag sowie in Artikel 178 EG-Vertrag (jetzt Artikel 235 EG) geregelten Rechtsschutz- und Verfahrenssystems vorzunehmen, das dem Gerichtshof und dem Gericht die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe überträgt.

Im übrigen ist den Klägerinnen nicht jedes Klagerecht gegen die etwaigen Auswirkungen der Richtlinie 98/43 genommen. Denn soweit die Betroffenen der Ansicht sind, daß ihnen aus diesem Rechtsakt unmittelbar ein Schaden entstanden ist, können sie diesen Rechtsakt jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens wegen außervertraglicher Haftung nach Artikel 178 EG-Vertrag und 215 EG-Vertrag (jetzt Artikel 288 EG) in Frage stellen. (vgl. Randnrn. 27-28, 30, 52, 70-71, 74-75, 77)


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 27. Juni 2000. - Salamander AG, Una Film "City Revue" GmbH, Alma Media Group Advertising SA & Co. Partnership, Panel Two and Four Advertising SA, Rythmos Outdoor Advertising SA, Media Center Advertising SA, Zino Davidoff SA und Davidoff & Cie SA gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. - Nichtigkeitsklage - Richtlinie 98/43/EG - Verbot von Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen - Zulässigkeit. - Verbundene Rechtssachen T-172/98, T-175/98 bis T-177/98.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98

Salamander AG mit Sitz in Kornwestheim (Deutschland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. W. Brouwer, Amsterdam und Brüssel, und F. P. Louis, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts M. Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

Una Film "City Revue" GmbH mit Sitz in Wien (Österreich), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Borgelt, Düsseldorf, im Beistand von M. Dauses, Professor an der Universität Bamberg, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Reding und Felten, 2, rue Jean-Pierre Brasseur, Luxemburg,

Alma Media Group Advertising SA & Co. Partnership,

Panel Two and Four Advertising SA,

Rythmos Outdoor Advertising SA,

Media Center Advertising SA,

alle mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Papaconstantinou, Athen, É. Morgan de Rivery, Paris, und J. Derenne, Paris und Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. Schmitt, 7, Val Sainte-Croix, Luxemburg,

Zino Davidoff SA mit Sitz in Fribourg (Schweiz)

und

Davidoff & Cie SA mit Sitz in Genf (Schweiz),

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Wägenbaur, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,

Klägerinnen,

unterstützt durch

Markenverband eV mit Sitz in Wiesbaden (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Bauer, Köln, im Beistand von M. Dauses, Professor an der Universität Bamberg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts M. Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

und

Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli SpA mit Sitz in Valdagno (Italien), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Magrone Furlotti, Rom, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. Schmitt, 7, Val Sainte-Croix, Luxemburg,

Streithelfer in der Rechtssache T-172/98,

sowie

Lancaster BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Wägenbaur, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,

Streithelferin in der Rechtssache T-177/98,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch C. Pennera, Abteilungsleiter im Juristischen Dienst, sowie in den Rechtssachen T-172/98 und T-176/98 M. Moore und in den Rechtssachen T-175/98 und T-177/98 M. Berger, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, Luxemburg-Kirchberg,

und

Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Gosalbo Bono, Direktor im Juristischen Dienst, sowie in der Rechtssache T-172/98 A. P. Feeney und in den Rechtssachen T-175/98, T-176/98 und T-177/98 S. Marquardt und A. P. Fenney, beide Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Generaldirektor A. Morbilli, Direktion für Rechtsfragen der Europäischen Investitionsbank, 100, boulevard Konrad Adenauer, Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä, Rechtsberaterin im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, und H. Rotkirch als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Finnische Botschaft, 2, rue Heinrich Heine, Luxemburg,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, in den Rechtssachen T-175/98 und T-177/98 vertreten durch U. Wölker und I. Martinez del Peral und in den Rechtssachen T-172/98 und T-176/98 durch Martinez del Peral und M. Schotter, alle Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Britische Botschaft, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

und

Französische Republik, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Leiterin der Abteilung für internationales Wirtschaftsrecht und Gemeinschaftsrecht in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und R. Losli-Surrans, Chargé de mission, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 213, S. 9)

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Azizi und M. Jaeger,

Kanzler: H. Jung

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 213, S. 9; im folgenden: Richtlinie 98/43 oder streitige Richtlinie) bestimmt u. a.:

"Artikel 1

Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Werbung und das Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie sind

1. "Tabakerzeugnisse": alle Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen;

2. "Werbung": alle Angaben im geschäftlichen Verkehr, deren Ziel oder deren direkte oder indirekte Wirkung die Verkaufsförderung für ein Tabakerzeugnis ist, einschließlich der Werbung, die, ohne unmittelbar auf das Tabakerzeugnis hinzuweisen, das Werbeverbot dadurch zu umgehen versucht, daß sie Namen, Marken, Symbole oder andere Unterscheidungsmerkmale von Tabakerzeugnissen verwendet;

3. "Sponsoring": jeder - öffentliche oder private - Beitrag zu einer Veranstaltung oder Aktivität, dessen Ziel oder dessen direkte oder indirekte Wirkung die Verkaufsförderung für ein Tabakerzeugnis ist;

4. "Tabakverkaufsstelle": jeder Ort, an dem Tabakerzeugnisse zum Verkauf angeboten werden.

Artikel 3

(1) Unbeschadet der Richtlinie 89/552/EWG ist jede Form der Werbung und des Sponsoring in der Gemeinschaft verboten.

(2) Absatz 1 hindert einen Mitgliedstaat nicht zu gestatten, daß ein Name, der bereits guten Glaubens sowohl für Tabakerzeugnisse als auch für andere Erzeugnisse oder Dienstleistungen verwendet wird, die von ein und demselben Unternehmen oder von verschiedenen Unternehmen vor dem 30. Juli 1998 in Verkehr gebracht oder angeboten wurden, in der Werbung für die anderen Erzeugnisse oder Dienstleistungen verwendet wird.

Dieser Name darf jedoch nur unter einem Aspekt, der sich von dem für das Tabakerzeugnis herangezogenen Aspekt deutlich unterscheidet, und ohne sonstige für ein Tabakerzeugnis bereits benutzte Unterscheidungsmerkmale verwendet werden.

...

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, spätestens am 30. Juli 2001 in Kraft. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

...

Artikel 8

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft."

Sachverhalt und Verfahren

2 Die Salamander AG, Klägerin in der Rechtssache T-172/98, ist ein Unternehmen deutschen Rechts, das mit der Herstellung von Schuhen und Stiefeln befaßt ist. Seit 1978 ist sie Inhaberin einer von der Gesellschaft R. J. R. Nabisco, Inhaberin der Marke "Camel", vergebenen Lizenz, die sie berechtigt, Schuhe unter der Marke "Camel Boots" herzustellen und in den Verkehr zu bringen. Der Anteil dieses Erzeugnisses am Jahresumsatz der Klägerin beträgt annähernd 20 % und macht etwa 30 % des Bruttogewinns aus.

3 Die Una Film "City Revue" GmbH (im folgenden: Una Film), Klägerin in der Rechtssache T-175/98, ist ein Unternehmen österreichischen Rechts, dessen Tätigkeit darin besteht, in Filmtheatern Werbefilme zu zeigen. Ihren Angaben zufolge ist sie die einzige Vertragspartnerin des Unternehmens österreichischen Rechts Austria Tabak, das über die ausschließlichen Rechte für Werbefilme für Tabakerzeugnisse in Österreich verfügt. Die Klägerin sei daher dort das einzige Unternehmen für den Vertrieb von Kinowerbefilmen für Tabakerzeugnisse.

4 Die Alma Media Group Advertising SA & Co. Partnership, die Panel Two and Four Advertising SA, die Rythmos Outdoor Advertising SA und die Media Center Advertising SA (im folgenden: Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe), Klägerinnen in der Rechtssache T-176/98, sind sämtlich der Alma-Media-Gruppe zugehörige Unternehmen griechischen Rechts, die sich mit dem Verkauf von Werbeflächen an öffentlichen Orten in den drei griechischen Städten Athen, Saloniki und Kalamaria befassen. Sie haben mit diesen Städten Konzessionsverträge geschlossen, nach denen sie dafür zu sorgen haben, daß Werbetafeln und dem öffentlichen Nutzen dienendes Straßenmobiliar aufgestellt und unterhalten werden, die unter bestimmten Bedingungen für Werbung, u. a. und zu einem erheblichen Teil für Tabakerzeugnisse, genutzt werden können. Nach eigener Darstellung sind sie mit einem Anteil von 90 % am betreffenden Markt in Griechenland die bedeutendsten Unternehmen, die Werbefläche auf hierfür vorgesehenen Tafeln und unter Verwendung von Straßenmobiliar zur Verfügung stellen; dabei werde in Griechenland hauptsächlich auf diesem Weg für Tabakerzeugnisse geworben.

5 Die Zino Davidoff SA und die Davidoff & Cie SA (im folgenden: Davidoff-Gesellschaften), Klägerinnen in der Rechtssache T-177/98, sind Gesellschaften schweizerischen Rechts. Die Zino Davidoff SA ist Inhaberin der Rechte an der Marke "Davidoff" außerhalb des Tabakbereichs. Aufgrund dessen vergibt sie Lizenzen an andere Unternehmen zur wirtschaftlichen Nutzung von Diversifizierungserzeugnissen wie Kosmetikprodukten und Lederartikeln unter der Marke "Davidoff" und den angeschlossenen Marken. Die Davidoff & Cie SA ist Inhaberin der Rechte an der Marke "Davidoff" in bezug auf Tabakprodukte unter Einschluß von Raucherartikeln (Feuerzeugen, Zigarrenabschneidern und Humidoren).

6 Salamander, Una Film, die Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe und die Davidoff-Gesellschaften haben mit Klageschriften, die am 19., 23. und 26. Oktober 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, Klagen erhoben, die unter den Nummern T-172/98, T-175/98, T-176/98 und T-177/98 in das Register eingetragen worden sind.

7 Die Davidoff-Gesellschaften beschränken ihre Klage auf das Verbot des Sponsoring und der Werbung für Marken, die vor dem 30. Juli 1998, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Richtlinie, in der Werbung für andere Produkte als Tabakerzeugnisse verwendet wurden.

8 Das Parlament und der Rat haben mit besonderen Schriftsätzen, die am 15. Dezember 1998, 21. Dezember 1998, 8. Januar 1999, 14. Januar 1999 und 15. Januar 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts in den vier genannten Rechtssachen die Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

9 Mit am 10. März 1999, 6. April 1999 und 15. April 1999 eingegangenen Schriftsätzen haben Salamander, Una Film, die Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe und die Davidoff-Gesellschaften zu dieser Einrede Stellung genommen.

10 Mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu einer Aussetzung der Verfahren oder ihrer Abgabe an den Gerichtshof angesichts des Umstands Stellung zu nehmen, daß am 19. Oktober 1998 beim Gerichtshof eine von der Bundesrepublik Deutschland eingereichte Klage auf Nichtigerklärung der Richtlinie 98/43 erhoben worden ist (Rechtssache C-376/98). Salamander und die Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe (mit am 7. Januar 1999 eingegangenen Schriftsätzen), das Parlament (mit in der Rechtssache T-172/98 am 5. Januar 1999 und in der Rechtssache T-176/98 am 8. Januar 1999 eingegangenem Schriftsatz) und der Rat (mit in den Rechtssachen T-172/98 und T-176/98 am 8. Januar 1999 eingegangenen Schriftsätzen) haben dieser Aufforderung Folge geleistet und darauf hingewiesen, daß sämtliche Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe zu dieser Frage bereits in Schriftsätzen im Anhang zu den Klageschriften oder zu den Schriftsätzen, mit denen die Einrede der Unzulässigkeit erhoben worden sei, Stellung genommen hätten.

11 Am 2. März 1999 hat der britische High Court of Justice ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Richtlinie 98/43 an den Gerichtshof gerichtet, das unter der Nummer C-74/99 in das Register eingetragen worden ist.

12 Mit am 4., 17., 19., 23. und 25. März 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben die Republik Finnland, die Kommission, das Vereinigte Königreich und die Französische Republik beantragt, in den Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 2., 5. und 7. Juli 1999 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesen Anträgen stattgegeben.

13 Mit am 15. April und 30. Mai 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben der Markenverband eV und die Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli SpA beantragt, in der Rechtssache T-172/98 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschlüssen vom 7. und 21. Juli 1999 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesen Anträgen stattgegeben.

14 Mit am 17. März 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Vereinigung International Chamber of Commerce beantragt, in der Rechtssache T-177/98 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen zu werden. Mit Beschluß vom 7. Juli 1999 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesen Antrag zurückgewiesen.

15 Mit am 18. März 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Lancaster BV beantragt, in der Rechtssache T-177/98 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen zu werden. Mit Beschluß vom 2. Juli 1999 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

16 Das Gericht hat die Streithelfer in den Rechtssachen T-172/98, T-175/98, T-176/98 und T-177/98 aufgefordert, auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkte Schriftsätze einzureichen.

17 Die Französische Republik und das Vereinigte Königreich haben von der Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes in den vier genannten Rechtssachen abgesehen.

18 Die Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli SpA hat von der Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes in der Rechtssache T-172/98 abgesehen.

19 Die Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Republik Finnland, des Vereinigten Königreichs und der Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli SpA haben in für jede Rechtssache gesondert abgehaltenen Sitzungen vom 25. November 1998 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

20 Gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung sind die Rechtssachen T-172/98, T-175/98, T-176/98 und T-177/98 nach Anhörung der Parteien zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

Anträge der Parteien

21 Die Klägerinnen, unterstützt durch die Streithelfer Markenverband und Lancaster, beantragen,

- die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

- die Richtlinie 98/43 für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, in den Rechtssachen T-172/98 und T-175/98, Artikel 3 der Richtlinie 98/43 für nichtig zu erklären;

- den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22 Außerdem bitten sie das Gericht, die Rechtssache an den Gerichtshof abzugeben, bei dem die Rechtssache C-376/98 anhängig ist.

23 Die Beklagten, unterstützt durch die Streithelferinnen Republik Finnland und Kommission, beantragen,

- die Klagen als unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, das Verfahren bis zur Entscheidung über die Klage in der Rechtssache C-376/98 auszusetzen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zulässigkeit

24 Das Parlament und der Rat, unterstützt durch die Republik Finnland, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission, haben gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung die Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Sie machen geltend, die Klagen seien wegen der Rechtsnatur des angefochtenen Rechtsakts und deswegen unzulässig, weil die Klägerinnen durch diesen weder unmittelbar noch individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) betroffen seien.

Zu dem Umstand, daß die Klagen gegen eine Richtlinie gerichtet sind

25 Der Rat trägt unter Hinweis auf den Beschluß des Gerichts vom 20. Oktober 1994 in der Rechtssache T-99/94 (Asocarne/Rat, Slg. 1994, II-871), der Gegenstand eines durch Beschluß des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P (Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149) zurückgewiesenen Rechtsmittels gewesen sei, vor, daß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages für den einzelnen keine direkte Klage vor dem Gemeinschaftsrichter gegen Richtlinien vorsehe. Selbst wenn man - entgegen dem Wortlaut der genannten Vorschrift - davon ausgehe, daß die Richtlinien den Verordnungen gleichgesetzt werden könnten, um eine Klage gegen eine "als" Richtlinie ergangene Entscheidung zuzulassen, stelle die streitige Richtlinie keine "verschleierte" Entscheidung dar und enthalte keine speziellen Vorschriften, die den Charakter einer individuellen Entscheidung gegenüber den Klägerinnen hätten.

26 Die Klägerinnen tragen unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T-135/96 (UEAPME/Rat, Slg. 1998, II-2335, Randnr. 63) vor, daß eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nicht allein deshalb unzulässig sei, weil sie gegen eine Richtlinie erhoben worden sei. Salamander ergänzt, es sei auch zu berücksichtigen, daß das Hauptvorbringen der Klägerinnen dahin gehe, daß die Beklagten mit dem Erlaß der Richtlinie 98/43 insoweit ihre Befugnisse überschritten hätten, als jene eine Materie regele, die nicht Gegenstand einer Richtlinie sein könne. Die Annahme, die Klägerinnen seien nur deshalb nicht befugt, den betreffenden Rechtsakt anzufechten, weil es sich um eine Richtlinie handele, sei daher nicht hinnehmbar. Die Zulässigkeit der Klage hänge allein davon ab, ob die Klägerinnen als von der Richtlinie 98/43 unmittelbar und individuell betroffen anzusehen seien.

27 Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages sieht für den einzelnen keine direkte Klage vor dem Gemeinschaftsrichter gegen Richtlinien vor.

28 Selbst wenn man - entgegen dem Wortlaut von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages - davon ausgeht, daß die Richtlinien den Verordnungen gleichgesetzt werden können, um eine Klage gegen eine "als" Richtlinie ergangene Entscheidung zuzulassen, stellt die streitige Richtlinie hier keine "verschleierte" Entscheidung dar und enthält keine speziellen Vorschriften, die für die Klägerinnen den Charakter einer individuellen Entscheidung hätten. Diese haben im übrigen nicht geltend gemacht, daß die Richtlinie 98/43 als solche nicht den Anforderungen des Artikels 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 EG) genüge. Es handelt sich tatsächlich um eine normative Handlung, denn sie betrifft allgemein und abstrakt alle Wirtschaftsteilnehmer der Mitgliedstaaten, die vom 30. Juli 2001 an die dort festgelegten Bedingungen erfuellen, und sie muß außerdem durch nationale Durchführungsbestimmungen in die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung umgesetzt werden, um innerhalb der Mitgliedstaaten anwendbar zu sein.

29 Richtlinien stellen zwar, selbst wenn sie grundsätzlich nur für ihre Adressaten, die Mitgliedstaaten, verbindlich sind, normalerweise eine Form der mittelbaren Gesetzgebung oder Regelung dar. Auch hat sie der Gerichtshof mehrfach als allgemeingültige Handlungen qualifiziert (Urteile des Gerichtshofes vom 22. Februar 1984 in der Rechtssache 70/83, Kloppenburg, Slg. 1984, 1075, Randnr. 11, und vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-298/89, Gibraltar/Rat, Slg. 1993, I-3605, Randnr. 16; Beschlüsse des Gerichtshofes vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 160/88 R, Fédération européenne de la santé animale u. a./Rat, Slg. 1988, 4121, Randnr. 28, und vom 23. November 1995 in der genannten Rechtssache Asocarne/Rat, Randnr. 29).

30 Doch selbst ein normativer Akt, der für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, kann unter bestimmten Umständen einzelne von ihnen unmittelbar und individuell betreffen (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki/Kommission, Slg. 1985, 207, Randnrn. 11 bis 32, vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnrn. 11 bis 13, vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C-358/89, Extramet Industrie/Rat, Slg. 1991, I-2501, Randnrn. 13 bis 18, und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnrn. 19 bis 22).

31 Es ist daher zu prüfen, ob die streitige Richtlinie die Klägerinnen unmittelbar und individuell betrifft.

Zu der Frage, ob die Klägerinnen durch die Richtlinie 98/43 unmittelbar betroffen sind

Vorbringen der Parteien

32 Die Klägerinnen tragen im wesentlichen vor, das Erfordernis, durch den angefochtenen Rechtsakt unmittelbar betroffen zu sein, beziehe sich auf die Natur dieses Rechtsakts; er müsse so klar und unbedingt sein, daß er selbst Verpflichtungen auferlege und sie so in ihren individuellen Rechten berühre. Nach ihrer Auffassung hat die streitige Richtlinie diese Eigenschaft.

33 Die Richtlinie 98/43 berühre bereits gegenwärtig, d. h. schon vor der bis spätestens 30. Juli 2001 vorgesehenen Umsetzung in die innerstaatlichen Rechtsordnungen, ihre Stellung in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht.

34 Die Richtlinie entfalte bereits jetzt Rechtswirkungen.

35 Aus der jüngeren Rechtsprechung gehe, so trägt der Markenverband vor, hervor, daß die Mitgliedstaaten während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie alles zu unterlassen hätten, was geeignet sei, deren Ziele ernstlich in Frage zu stellen (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-129/96, Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411, Randnr. 45). Dieses Verbot jeder mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbaren Handlung sei als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzusehen, der sowohl von den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen der Mitgliedstaaten als auch von allen Privatrechtssubjekten wie den Klägerinnen beachtet werden müsse.

36 Außerdem befinde sich Una Film, so macht diese geltend, in einer besonderen Rechtslage, die sie verpflichte, die Richtlinie 98/43 bereits vor ihrer Umsetzung zu beachten. Una Film führt hierzu aus, daß die Richtlinien zwar keine Verpflichtungen für einen einzelnen begründen und daher nicht gegenüber einzelnen in Anspruch genommen werden könnten (Urteile des Gerichtshofes vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986, 723, Randnr. 48, und vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 24), daß jedoch etwas anderes gelte, wenn das Rechtssubjekt, gegenüber dem eine Richtlinie in Anspruch genommen werde, unabhängig von seiner Rechtsform der staatlichen Sphäre zuzurechnen sei. Diese Lösung sei vor kurzem auf Privatunternehmen angewandt worden, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstuenden oder mit besonderen Rechten ausgestattet seien, die über diejenigen hinausgingen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gälten (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89, Foster u. a., Slg. 1990, I-3313, Randnrn. 18 und 20). Im übrigen hätten der Staat und die Einrichtungen, die ihm auf der Grundlage der erwähnten Rechtsprechung gleichzustellen seien, während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet seien, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45).

37 Una Film trägt vor, sie erfuelle die in dem genannten Urteil Foster u. a. festgelegten Voraussetzungen. Sie sei zwar kein öffentliches Unternehmen, dafür jedoch der einzige Vertragspartner der Austria Tabak, von der sie ein faktisches Monopol auf dem Markt der Tabakwerbung in den österreichischen Filmtheatern erhalten habe. Dieses Unternehmen habe aber in Österreich bis zu dessen Beitritt zur Gemeinschaft im Jahr 1995 das rechtliche Monopol für den Anbau, die Einfuhr und den Verkauf von Tabak gehabt; nach dem Beitritt sei das Entstehen weiterer Großhändler für Tabakerzeugnisse zugelassen worden. 1997 sei das Unternehmen teilprivatisiert worden, wobei der österreichische Staat 50,5 % des Aktienkapitals halte. Trotz der Aufhebung des rechtlichen Monopols und ihrer Teilprivatisierung habe Austria Tabak ihre beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt behalten und sei ein öffentliches Unternehmen im Sinne des Artikels 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 EG) geblieben. Una Film kommt zu dem Ergebnis, aufgrund dieser besonderen faktischen Lage sei sie ebenso wie die staatlichen Stellen verpflichtet, bereits jetzt die Richtlinie 98/43 zu beachten, auch wenn nationale Umsetzungsmaßnahmen fehlten.

38 Dieses Ergebnis werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß sich ihre Monopolstellung aus ihren Vertragsbeziehungen zur Austria Tabak, einer privatrechtlichen, aber staatlich kontrollierten Gesellschaft, ergebe. So habe der Gerichtshof im Urteil vom 24. November 1982 in der Rechtssache 249/81 (Kommission/Irland, Slg. 1982, 4005, Randnrn. 10 und 15) die Durchführung einer Werbekampagne für irische Produkte über eine zu diesem Zweck von der irischen Regierung gegründete Gesellschaft des Privatrechts als einen Irland zuzurechnenden Verstoß gegen das Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen und den Einwand Irlands, diese Werbeaktivität sei von einer durch ihre Rechtsform vom Staat verschiedene Rechtsperson ausgegangen, zurückgewiesen.

39 Die Richtlinie habe auch bereits jetzt praktische Auswirkungen.

40 So entstuenden Una Film, wie diese vorträgt, gegenwärtig, also bereits vor der Umsetzung der Richtlinie, Einbußen, die auf einen Rückgang des Auftragsvolumens zurückzuführen seien. Salamander und die Davidoff-Gesellschaften führen aus, daß die streitige Richtlinie mit ihrem grundsätzlichen, spätestens ab 30. Juli 2001 wirksamen Verbot der Werbung für unter dem Namen von Tabakerzeugnissen in den Verkehr gebrachten Artikeln vorbehaltlich einer von sehr einschränkenden Voraussetzungen abhängigen Ausnahme, bereits jetzt eine sehr große Unsicherheit über die Voraussetzungen für den Vertrieb dieser Artikel in unmittelbarer Zukunft hervorrufe. Dieser Vertrieb erfolge auf hart umkämpften Märkten, so daß sich die Einzelhändler schon jetzt entscheiden müßten, ob sie den Vertrieb dieser Artikel mit einem Verlustrisiko ab dem Inkrafttreten des Werbeverbots fortsetzen oder aber sich bei Konkurrenzunternehmen eindecken sollten, die Erzeugnisse auf den Markt brächten, die nicht unter das genannte Verbot fallen könnten. Nach Auffassung von Salamander und den Davidoff-Gesellschaften kann diese Situation zu einem Sinken des Verkaufsvolumens und somit zu einem massiven Rückgang ihres Umsatzes führen.

41 Lancaster weist darauf hin, daß ein Mitgliedstaat die Ausnahme nach Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 98/43 nur dann bewilligen dürfe, wenn der Name des Diversifizierungserzeugnisses "unter einem Aspekt, der sich von dem für das Tabakerzeugnis herangezogenen Aspekt deutlich unterscheidet, und ohne sonstige für ein Tabakerzeugnis bereits benutzte Unterscheidungsmerkmale verwendet" werde. Da diese Ausnahme vom Verbot der Werbung für Tabakerzeugnisse in bezug auf die Festlegung der Voraussetzungen für ihre Bewilligung teilweise der Einschätzung der Mitgliedstaaten überlassen sei, könne man gegenwärtig unmöglich wissen, ob die Mitgliedstaaten Änderungen der bisherigen Marken verlangen würden. Zu der durch diese Lage ausgelösten Unsicherheit kommt nach Ansicht von Lancaster hinzu, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Ausnahme höchstwahrscheinlich nicht einheitlich sein würden, was eine Behinderung der Werbung und damit des freien Dienstleistungs- und Warenverkehrs darstellen würde. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, sei es notwendig, eine Gegenseitigkeitsklausel vorzusehen, die gewährleiste, daß eine Marke, die von einem Mitgliedstaat als der Richtlinie 98/43 konform anerkannt werde, auch in den anderen Mitgliedstaaten zugelassen werde. Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 98/43 sehe eine solche Klausel jedoch nicht ausdrücklich vor, und sie lasse sich auch nicht aus seinem Wortlaut ableiten. Diese Rechtsunsicherheit mache das Entstehen von Rechtsstreitigkeiten und die Verhängung von Bußgeldern wahrscheinlich, so daß der Großhandel heute schon damit drohe, Bestellungen der umstrittenen Diversifizierungserzeugnisse zu stornieren.

42 Die Klägerinnen kommen insoweit zu dem Ergebnis, daß die Annahme, die Richtlinie 98/43 entfalte ihre Wirkungen erst im Zeitpunkt ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht, auf einem rein theoretischen Ansatz beruhe und der Wirklichkeit keineswegs Rechnung trage.

43 Weiter tragen die Klägerinnen vor, die streitige Richtlinie würde sie nach ihrer Umsetzung unmittelbar, also unabhängig von nationalen Umsetzungsmaßnahmen, berühren.

44 Das gelte für Una Film und die Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe wegen der Werbung, die sie für Tabakerzeugnisse durchführten. Denn die Richtlinie 98/43 verbiete diese Werbung, ohne den Mitgliedstaaten irgendein Ermessen in bezug auf die Formen der verbotenen Werbung und den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Verbotes zu lassen.

45 Das gelte außerdem für Salamander, die Davidoff-Gesellschaften und wiederum für Una Film in bezug auf die Werbung für andere Produkte als Tabakerzeugnisse, die unter dem Namen eines Tabakerzeugnisses in den Verkehr gebracht würden. Dieses Ergebnis werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Mitgliedstaaten die Möglichkeit hätten, eine Ausnahme auf der Grundlage von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 98/43 zu bewilligen.

46 Abgesehen von dieser Ausnahme sei die Werbung für andere Produkte als Tabakerzeugnisse, die unter einem für Tabakerzeugnisse verwendeten Namen in den Verkehr gebracht würden, nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 98/43 nämlich vollständig und unbedingt verboten. Die Durchsetzung dieses Verbotes setze daher keine spezielle Entscheidung des betreffenden Mitgliedstaats voraus.

47 Im übrigen sei die Bewilligung einer Ausnahme von in der streitigen Richtlinie festgelegten sehr engen Voraussetzungen abhängig, die das Ermessen der Mitgliedstaaten begrenzten. Denn erstens gelte das Verbot der Werbung für solche Erzeugnisse absolut, wenn der Hersteller von Tabakerzeugnissen nicht vor dem 30. Juli 1998 Diversifizierungserzeugnisse in den Verkehr gebracht habe. Zweitens könne ein Mitgliedstaat eine Freistellung vom Werbeverbot für Diversifizierungserzeugnisse nur erteilen, wenn die Diversifizierung guten Glaubens vor dem 30. Juli 1998 erfolgt sei. Drittens sei ein Mitgliedstaat, wenn er von dieser Möglichkeit Gebrauch mache, gemäß Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 98/43 gehalten, dafür zu sorgen, daß der Name des Diversifizierungserzeugnisses "nur unter einem Aspekt, der sich von dem für das Tabakerzeugnis herangezogenen Aspekt deutlich unterscheidet, und ohne sonstige für ein Tabakerzeugnis bereits benutzte Unterscheidungsmerkmale verwendet werden" dürfe.

48 Salamander und die Davidoff-Gesellschaften führen aus, selbst wenn die Mitgliedstaaten von der Freistellungsmöglichkeit Gebrauch machten, seien sie jedenfalls verpflichtet, die Marken, die sie in Lizenz verwerteten oder deren Inhaber sie seien und die dazu dienten, andere Erzeugnisse als Tabakerzeugnisse in den Verkehr zu bringen, graphisch umzugestalten. Diese Marken würden daher wertlos und die Klägerinnen würden praktisch enteignet. Diese Anforderung, die Marken, die gegenwärtig dazu dienten, Diversifizierungserzeugnisse in den Verkehr zu bringen, umzugestalten, stelle einen gravierenden und ungerechtfertigten Eingriff in das Markenrecht, das Eigentum und das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung dar.

49 Lancaster fügt zur Unterstützung der Davidoff-Gesellschaften hinzu, auch wenn diese die Marke "Davidoff" tatsächlich vor dem 30. Juli 1998 diversifiziert hätten, seien sie vom Verbot jeglicher neuer Diversifizierung in der streitigen Richtlinie betroffen. Ihre Geschäftspolitik habe nämlich darin bestanden, seit fünfzehn Jahren alle drei Jahre ein neues Diversifizierungserzeugnis in den Verkehr zu bringen. Nach Ansicht von Lancaster ist das Weiterverfolgen dieser Politik jetzt in Frage gestellt, weil kein möglicher Vertragspartner der Klägerinnen sich darauf einlassen werde, einen Lizenzvertrag abzuschließen, wenn er nicht sicher sei, vom Bekanntheitsgrad der Marke "Davidoff" Profit ziehen zu können.

50 Schließlich weist der Markenverband darauf hin, daß der Gerichtshof kürzlich entschieden habe, daß es der unmittelbaren Wirkung einer aufgrund von Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) erlassenen Richtlinie nicht entgegenstehe, daß die Mitgliedstaaten aufgrund der Rechtsgrundlage der Richtlinie die Möglichkeit hätten, einen Antrag auf Abweichung von der Durchführung dieser Richtlinie zu stellen (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-319/97, Kortas, Slg. 1999, I-3143, Randnrn. 22 und 23).

51 Die Beklagten und die sie unterstützenden Streithelfer sind der Ansicht, daß die Klägerinnen von der streitigen Richtlinie nicht unmittelbar betroffen seien.

Würdigung durch das Gericht

52 Die Voraussetzung, daß der einzelne von der angefochtenen Maßnahme der Gemeinschaft unmittelbar betroffen sein muß, verlangt, daß diese Maßnahme sich auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum läßt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß dabei weitere Vorschriften angewandt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P, Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309, Randnr. 43).

53 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob sich die streitige Richtlinie aus sich heraus auf die Rechtsstellung der Klägerinnen auswirkt.

54 Eine Richtlinie kann nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen, so daß ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (Urteile des Gerichtshofes Marshall, Randnr. 48, vom 8. Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Randnr. 9, Faccini Dori, Randnr. 25, und vom 7. Mai 1996 in der Rechtssache C-192/94, El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281, Randnr. 15). Folglich ist eine Richtlinie, die - wie im vorliegenden Fall - die Mitgliedstaaten zwingt, den Wirtschaftsteilnehmern Verpflichtungen aufzuerlegen, nicht vor dem Erlaß staatlicher Maßnahmen und unabhängig von diesen geeignet, die Rechtsstellung dieser Wirtschaftsteilnehmer im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar zu berühren.

55 Die Klägerinnen machen jedoch geltend, die streitige Richtlinie berühre sie bereits vor ihrer Umsetzung unmittelbar.

56 Gestützt auf das erwähnte Urteil Inter-Environnement Wallonie tragen sie erstens vor, es gebe einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach sowohl öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Mitgliedstaaten als auch alle Privatrechtssubjekte während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie Maßnahmen zu unterlassen hätten, die geeignet seien, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen.

57 Insoweit genügt der Hinweis, daß diese Verpflichtung, die nach dem erwähnten Urteil Inter-Environnement Wallonie die Mitgliedstaaten trifft, nicht auf einzelne ausgedehnt werden kann. Denn sie findet ihre Grundlage in Artikel 5 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 Absatz 2 EG), wonach die Mitgliedstaaten "alle Maßnahmen [unterlassen], welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten", und in Artikel 189 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249 Absatz 3 EG), der bestimmt, daß "[d]ie Richtlinie... für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich [ist],... jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel [überläßt]" (Urteil Inter-Environnement Wallonie, Randnr. 45); sie beruht somit auf Bestimmungen, deren Adressaten allein die Mitgliedstaaten und nicht einzelne sind. Eine Ausdehnung der in dem genannten Urteil entwickelten Lösung auf die einzelnen hieße, der Gemeinschaft die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der einzelnen Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlaß von Verordnungen zugewiesen ist (Urteil Faccini Dori, Randnr. 24). Wie oben in Randnummer 54 ausgeführt, kann eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen.

58 Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

59 Una Film ist zweitens der Meinung, sie sei ungeachtet ihrer Stellung als Privatunternehmen der österreichischen staatlichen Sphäre zuzurechnen und daher im Einklang mit der in dem erwähnten Urteil Inter-Environnement Wallonie zugrunde gelegten Lösung verpflichtet, die Richtlinie 98/43 während der Frist für ihre Umsetzung zu beachten. Sie stützt dieses Vorbringen mit einem Hinweis auf das erwähnte Urteil Foster u. a..

60 Jedoch kann sich Una Film nicht wirksam auf dieses letztgenannte Urteil berufen, in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, daß die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie "eine[r] Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gilt", entgegengehalten werden können (Urteil Foster u. a., Randnr. 20 und Tenor). Denn selbst wenn das Unternehmen Austria Tabak trotz der Aufhebung des rechtlichen Monopols für den Verkauf von Tabakerzeugnissen in Österreich und der Privatisierung des Unternehmens - gegebenenfalls gemäß dem vorerwähnten Urteil Kommission/Irland, auf das sich Una Film berufen hat, - als eine öffentliche Stelle im Sinne des genannten Urteils Foster u. a. anzusehen sein sollte, weist Una Film im vorliegenden Fall doch weder nach, noch behauptet sie es im übrigen, daß der Gegenstand ihrer in Rede stehenden Geschäftstätigkeit, nämlich der Vertrieb von Werbefilmen für Tabakerzeugnisse in den Filmtheatern, mit dem sie von Austria Tabak betraut sei, eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse sei, daß diese Tätigkeit nicht aufgrund privatrechtlicher Verträge, sondern kraft staatlichen Rechtsakts ausgeübt werde und daß sie hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet sei, die über das hinausgingen, was für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelte.

61 Dieses Vorbringen ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

62 Drittens verweisen die Klägerinnen auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, die sie wegen der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der streitigen Richtlinie belasteten oder zu belasten drohten. Selbst wenn diese Auswirkungen die unmittelbare Folge der Richtlinie und nicht die Folge der Vorwegnahme durch die Wirtschaftsteilnehmer bezüglich der Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten sein sollten, so treffen diese jedenfalls nicht die Rechtsstellung, sondern allein die faktische Lage der Klägerinnen.

63 Deshalb ist auch dieses Vorbringen zurückzuweisen.

64 Die Klägerinnen tragen weiter vor, die streitige Richtlinie werde sie nach ihrer Umsetzung unmittelbar, also unabhängig von nationalen Umsetzungsmaßnahmen berühren. Denn die Richtlinie 98/43 verbiete die Werbung für Tabakerzeugnisse, ohne den Mitgliedstaaten irgendein Ermessen zu lassen. Sie verbiete auch die Werbung für andere Produkte als Tabakerzeugnisse, die unter dem Namen eines Tabakerzeugnisses in den Verkehr gebracht würden, ließen allerdings den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine Ausnahme von dem Verbot zu machen. Das Verbot sei daher der Grundsatz, während die Ausnahme nur eine Möglichkeit sei, die von einer speziellen Entscheidung der Mitgliedstaaten und dem Zusammentreffen enger Voraussetzungen abhänge. So könne die Ausnahme auf ein Erzeugnis, das erstmals nach dem 30. Juli 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 98/43, unter dem Namen eines Tabakerzeugnisses in den Verkehr gebracht werde, keine Anwendung finden. Bei einer Ausnahmebewilligung müßten die Mitgliedstaaten jedenfalls eine graphische Umgestaltung der Marken verlangen, unter denen die Diversifizierungserzeugnisse in den Verkehr gebracht würden.

65 Das Gericht erinnert zunächst daran, daß die streitige Richtlinie nach der oben in Randnummer 54 angeführten Rechtsprechung nicht selbst eine Verpflichtung zu Lasten der Klägerinnen begründen kann, jede Werbung für Tabakerzeugnisse oder für Diversifizierungserzeugnisse zu unterlassen. Diese Verpflichtung kann sich nur aus von den Mitgliedstaaten erlassenen Umsetzungsakten ergeben.

66 Das hierzu dem erwähnten Urteil Kortas entnommene Argument ist nicht stichhaltig. Nach diesem Urteil steht es der unmittelbaren Wirkung einer - wie im vorliegenden Fall - aufgrund von Artikel 100a EG-Vertrag erlassenen Richtlinie nicht entgegen, daß die Mitgliedstaaten aufgrund der Rechtsgrundlage der Richtlinie die Möglichkeit haben, eine Abweichung zu beantragen, so wie sie im vorliegenden Fall die Möglichkeit haben, für die Diversifizierungserzeugnisse unter bestimmten Umständen eine Freistellung vom Werbeverbot zu bewilligen. Die in diesem Urteil gewählte Lösung bezieht sich aber nur auf die Möglichkeit, daß sich einzelne gegenüber einem Mitgliedstaat auf die Richtlinie berufen. Oben ist bereits festgestellt worden, daß eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen kann, so daß diesem gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist.

67 Ferner ist subsidiär zu bemerken, daß es den Mitgliedstaaten freisteht, die Werbung für andere Produkte als Tabakerzeugnisse, die unter dem Namen eines Tabakerzeugnisses guten Glaubens vor dem 30. Juli 1998 in den Verkehr gebracht worden sind, zu gestatten, was Salamander, die Davidoff-Gesellschaften und z. T. Una Film betrifft.

68 Für diese Erzeugnisse würde sich ein mögliches Werbeverbot in einem Mitgliedstaat daher jedenfalls nicht aus der streitigen Richtlinie, sondern aus der Ermessensentscheidung dieses Mitgliedstaats ergeben, von der durch diese Richtlinie eingeräumten Freistellungsmöglichkeit keinen Gebrauch zu machen.

69 Für die gleichen Erzeugnisse würde sich die Freistellung vom Werbeverbot durch einen Mitgliedstaat jedenfalls ebenso aus der Ermessensentscheidung dieses Mitgliedstaats ergeben, von der Freistellungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar ist der Mitgliedstaat in diesem Fall gemäß Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 der streitigen Richtlinie gehalten, dafür zu sorgen, daß der Name dieser Erzeugnisse "nur unter einem Aspekt, der sich von dem für das Tabakerzeugnis herangezogenen Aspekt deutlich unterscheidet", verwendet wird. Jedoch ist diese Verpflichtung des Mitgliedstaats nur eine unmittelbare Folge der erwähnten Ermessensentscheidung und ihre Wahrnehmung erfolgt angesichts des sehr allgemeinen Wortlauts der genannten Vorschrift im Rahmen eines weiten Ermessens des Mitgliedstaats.

70 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Richtlinie 98/43, die die Mitgliedstaaten zwingt, den Wirtschaftsteilnehmern Verpflichtungen aufzuerlegen, nicht selbst diese Verpflichtungen zu Lasten der Klägerinnen begründen und diese daher nicht unmittelbar betreffen kann. Subsidiär ist festzustellen, daß sie den Mitgliedstaaten einen solchen Ermessensspielraum läßt, daß ein unmittelbares Betroffensein der Klägerinnen durch sie ausgeschlossen ist. Folglich hat sie, entgegen dem in dem genannten Urteil Dreyfus/Kommission festgelegten Kriterium, als solche keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerinnen.

71 Dementsprechend sind die Klagen unzulässig und daher abzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Klägerinnen von der streitigen Richtlinie individuell betroffen sind.

Zur Frage ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutzes

72 Die Klägerinnen tragen vor, falls ihre Klagen für unzulässig erklärt würden, könne ein ausreichender gerichtlicher Rechtsschutz für sie nicht im Rahmen von Klagen gegen nationale Umsetzungsgesetze oder Verwaltungsmaßnahmen zur Umsetzung gewährleistet werden.

73 Sie führen aus, in den meisten nationalen Gerichtssystemen gebe es keine oder jedenfalls keine effektiven Klagemöglichkeiten gegen die Rechtsakte zur Umsetzung einer Richtlinie und gegen deren Auswirkungen vor ihrer Umsetzung. Außerdem sei das Vorabentscheidungsverfahren, zu dem vor den nationalen Gerichten erhobene Klagen führen könnten, keine zufriedenstellende Alternative zu einer direkt gegen eine Richtlinie gerichteten Nichtigkeitsklage, die einen schnelleren und effektiveren Rechtsweg zum Schutz eines Rechts darstelle. Salamander und die Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe führen zudem aus, daß sie diese Lage daran hindere, die Frage der Gültigkeit der Richtlinie 98/43 binnen angemessener Frist prüfen zu lassen, und sie einer effektiven Klagemöglichkeit beraube, so daß ein Verstoß gegen die Artikel 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gegeben sei.

74 Zum Vorbringen über das Fehlen interner Rechtsschutzmöglichkeiten, die gegebenenfalls eine Überprüfung der Gültigkeit der angefochtenen Richtlinie im Wege einer auf Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) gestützten Vorlage zur Vorabentscheidung ermöglichten, ist zu bemerken, daß der Grundsatz der Gleichheit aller Rechtsunterworfenen hinsichtlich der Voraussetzungen für den Zugang zu den Gemeinschaftsgerichten mittels einer Nichtigkeitsklage verlangt, daß diese Voraussetzungen nicht von den Gegebenheiten abhängig sind, die dem Gerichtssystem des jeweiligen Mitgliedstaats eigen sind. Auch sind die Mitgliedstaaten in Anwendung des in Artikel 5 des Vertrages genannten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit gehalten, zur Vollständigkeit des durch den EG-Vertrag geschaffenen Rechtsschutz- und Verfahrenssystems beizutragen, innerhalb dessen dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane übertragen ist (Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23, und Beschluß des Gerichts vom 23. November 1999 in der Rechtssache T-173/98, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 62). Diese Gesichtspunkte können es jedoch nicht rechtfertigen, daß das Gericht von dem durch Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages geschaffenen Rechtsschutzsystem, wie es durch die Rechtsprechung näher dargelegt worden ist, abweicht und die durch diese Bestimmung gesetzten Grenzen seiner Zuständigkeit überschreitet.

75 Was das Argument der fehlenden Effektivität des Vorabentscheidungsersuchens gegenüber der direkten Nichtigkeitsklage angeht, so kann dieser Umstand, selbst wenn er bewiesen wäre, das Gericht nicht ermächtigen, sich an die Stelle des Verfassungsgebers der Gemeinschaft zu setzen, um eine Änderung des in den Artikeln 173 und 177 des Vertrages sowie in Artikel 178 EG-Vertrag (jetzt Artikel 235 EG) geregelten Rechtsschutz- und Verfahrenssystems vorzunehmen, das dem Gerichtshof und dem Gericht die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe überträgt. Keinesfalls kann deshalb eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person für zulässig erklärt werden, die nicht die in Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen erfuellt (Beschlüsse des Gerichtshofes Asocarne/Rat, Randnr. 26, und vom 24. April 1996 in der Rechtssache C-87/95 P, CNPAAP/Rat, Slg. 1996, I-2003, Randnr. 38).

76 Hinzu kommt, daß der Gerichtshof bereits jetzt, also schon vor Ablauf der Frist zur Umsetzung der streitigen Richtlinie mit einem am 2. März 1999 vom britischen High Court of Justice vorgelegten Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Richtlinie befaßt ist (Rechtssache C-74/99).

77 Im übrigen ist den Klägerinnen nicht jedes Klagerecht gegen die etwaigen Auswirkungen der Richtlinie 98/43 genommen. Denn soweit die Betroffenen der Ansicht sind, daß ihnen aus diesem Rechtsakt unmittelbar ein Schaden entstanden ist, können sie diesen Rechtsakt jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens wegen außervertraglicher Haftung nach Artikel 178 EG-Vertrag und 215 EG-Vertrag (jetzt Artikel 288 EG) in Frage stellen (Beschluß des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-409/96 P, Sveriges Betodlares und Henrikson/Kommission, Slg. 1997, I-7531, Randnr. 52).

78 Der allgemeine Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, daß jede Person, die in ihren Rechten und Freiheiten verletzt ist, Anspruch auf einen effektiven Rechtsbehelf hat, der sich an Artikel 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anlehnt, ist demnach im vorliegenden Fall eingehalten.

79 Folglich sind die von Salamander, Una Film, den Gesellschaften der Alma-Media-Gruppe und den Davidoff-Gesellschaften erhobenen Klagen als unzulässig abzuweisen.

80 Im Hinblick auf dieses Ergebnis sind die Anträge der Klägerinnen, das Gericht möge sich in den Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98 für unzuständig erklären, damit der Gerichtshof über die Nichtigkeitsklagen entscheidet, gegenstandslos.

Kostenentscheidung:

Kosten

81 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen des Parlaments und des Rates deren Kosten aufzuerlegen.

82 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Demnach haben die Republik Finnland, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission ihre eigenen Kosten zu tragen.

83 Da der Markenverband, die Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli und Lancaster keinen Antrag auf Verurteilung der Klägerinnen zur Tragung der mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten gestellt haben, haben sie ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

3. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten und als Gesamtschuldnerinnen die Kosten des Parlaments und des Rates.

4. Die Republik Finnland, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

5. Der Markenverband eV, die Manifattura Lane Gaetano Marzotto & Figli SpA und die Lancaster BV tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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