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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.05.2003
Aktenzeichen: T-179/02
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VO (EG) Nr. 45/2001


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 236
VO (EG) Nr. 45/2001 Art. 2a
VO (EG) Nr. 45/2001 Art. 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 20. Mai 2003. - Jan Pflugradt gegen Europäische Zentralbank. - Personal der Europäischen Zentralbank - Beurteilung - Klage auf Aufhebung. - Rechtssache T-179/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-179/02

Jan Pflugradt, wohnhaft in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt N. Pflueger, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank, vertreten durch V. Saintot und T. Gilliams als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der Beurteilung des Klägers für das Jahr 2001

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, der Richterin P. Lindh und des Richters J. D. Cooke,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die Sitzung vom 6. März 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1 Der Kläger ist seit dem 1. Juli 1998 bei der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: EZB) beschäftigt. Im Jahr 2001 war er als "Senior Systems Support Expert" in der Generaldirektion Informationssysteme (im Folgenden: GD IS) tätig.

2 Am 26. November 2001 übermittelte die EZB dem Kläger einen Entwurf seiner Beurteilung für das Jahr 2001.

3 Am 20. Dezember 2001 nahm der Kläger gegenüber der EZB zu dem Entwurf seiner Beurteilung schriftlich Stellung, wobei er dem Entwurf im Wesentlichen widersprach.

4 Am 21. Dezember 2001 versah der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, Herr Glenn Scott, der als Erstbeurteiler tätig wurde, den Entwurf der Beurteilung mit einem ergänzenden Kommentar.

5 Am 14. Januar 2002 gab der Abteilungsleiter des Klägers, Herr Dickman, eine Zweitbeurteilung ab.

6 Am 14. Februar 2002 wurde dem Kläger die endgültige Fassung seiner Beurteilung für das Jahr 2001 (im Folgenden: Beurteilung für 2001) ausgehändigt. Sie enthielt die Kommentare beider Beurteiler und, als Anlage, in Kopie mehrere zwischen dem Kläger und den Beurteilern gewechselte E-Mails, die deren Kommentare veranschaulichen sollten.

7 Am 25. Februar 2002 reichte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines Verwaltungsvorverfahrens hinsichtlich seiner Beurteilung für 2001 ein. Er richtete diesen Antrag an den Leiter der Generaldirektion Verwaltung und Personal, Herrn Scheller.

8 Mit Schreiben vom 21. März 2002 teilte die EZB dem Kläger mit, dass sein Antrag auf Durchführung eines Verwaltungsvorverfahrens an den Generaldirektor der GD IS weitergeleitet worden sei und bis zum 8. April 2002 beschieden werde.

9 Am 5. April 2002 reichte der Kläger eine Beschwerde ein.

10 Mit Schreiben vom 8. April 2002 lehnte der Generaldirektor der GD IS den Antrag auf Durchführung eines Verwaltungsvorverfahrens ab.

11 Mit Schreiben vom 2. Mai 2002 wies der Präsident der EZB die Beschwerde zurück.

12 Mit Klageschrift, die am 13. Juni 2002 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, hat der Kläger auf der Grundlage des Artikels 236 EG und des Artikels 36.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB die vorliegende Klage erhoben.

13 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

14 Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

15 Der Kläger beantragt,

- die Beurteilung für 2001 aufzuheben;

- der EZB die Kosten aufzuerlegen.

16 Die EZB beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

17 Der Kläger macht im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten rügt er, dass seine Beurteilung für 2001 in einem fehlerhaften Verfahren erlassen worden sei. Mit dem zweiten beanstandet er verschiedene fehlerhafte Tatsachenfeststellungen, infolge deren die Beurteilung für 2001 nichtig sei.

Zum ersten Klagegrund: Fehlerhaftes Verfahren

Vorbringen der Parteien

18 Der Kläger wirft der EZB im Wesentlichen vor, dass sie für die jährliche Beurteilung für 2001 ohne sein Wissen seine E-Mail-Korrespondenz gesammelt habe, um sie dann in der Beurteilung zu verwenden. Mit der Verwertung von Tatsachen, die sich aus diesen E-Mails ergäben, habe die EZB seine Privatsphäre verletzt und gegen die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) sowie gegen die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8, S. 1) verstoßen.

19 Die EZB sei zur Einhaltung der Verordnung Nr. 45/2001 verpflichtet. Da diese E-Mails aus der Zeit vom 9. Januar bis 24. September 2001 namentlich gezeichnet seien, handele es sich bei ihnen um personenbezogene Daten im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 45/2001. Die EZB habe den Kläger jedoch nicht, wie in Artikel 11 der Verordnung Nr. 45/2001 vorgeschrieben, über die Zwecke der Verarbeitung, für die die Daten bestimmt seien, nämlich die Erstellung der Beurteilung, unterrichtet. Ein Bediensteter der EZB verfüge auch im Bereich seiner Dienstausübung über eine Privatsphäre; eine Sammlung von Daten hinter seinem Rücken zum Zweck einer bestimmten Verarbeitung sei durch die Verordnung Nr. 45/2001 untersagt und verletze seinen Anspruch auf Schutz der Privatsphäre.

20 Die EZB weist diese Rügen zurück. Sie macht geltend, dass die Richtlinie 95/46 hier nicht anwendbar sei. Die Verordnung Nr. 45/2001 diene nach ihrem Artikel 1 dem Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft. Die vorliegende Klage betreffe jedoch offensichtlich nicht die Privatsphäre des Klägers, sondern ausschließlich seine berufliche Tätigkeit. Somit sei es selbstverständlich, dass sie die E-Mails des Klägers für seine Beurteilung für 2001 herangezogen habe. Sie seien ein objektives Beweismittel.

21 Selbst wenn die fraglichen E-Mails in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 45/2001 fallen würden, wären sie jedenfalls keine personenbezogenen Daten, und es liege auch keine Erhebung von Daten im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung vor.

22 Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 45/2001 definiere personenbezogene Daten nämlich als "alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person". Bei den fraglichen E-Mails handele es sich jedoch um Informationen von einer natürlichen Person, die gerade für den dienstlichen Gebrauch bestimmt gewesen seien und sich an Kollegen und Vorgesetzte gerichtet hätten. Deshalb könnten die in Frage stehenden E-Mails auch ohne Weiteres zu dienstlichen Zwecken verwendet werden, wozu auch die Erstellung der jährlichen Beurteilungen zähle.

23 Die EZB verweist auf die nachteiligen Folgen, die eine Anwendung der Verordnung Nr. 45/2001 auf E-Mails haben könne. Sie wäre dann nämlich gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstaben a bis f dieser Verordnung verpflichtet, jeden Verfasser einer E-Mail über deren "Erhebung" zu unterrichten. Dies würde in kurzer Zeit zum Stillstand ihrer Verwaltungstätigkeit führen.

Würdigung durch das Gericht

24 Das Recht auf Achtung des Privatlebens ist ein von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht (Urteile des Gerichtshofes vom 8. April 1992 in der Rechtssache C-62/90, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-2575, Randnr. 23, und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-404/92 P, X/Kommission, Slg. 1994, I-4737, Randnr. 17).

25 Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 45/2001 haben die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, darunter die EZB, "den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten [zu gewährleisten]" und "dürfen den freien Verkehr personenbezogener Daten untereinander oder mit Empfängern, die dem in Anwendung der Richtlinie 95/46/EG erlassenen einzelstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten unterliegen, weder beschränken noch untersagen".

26 Nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 45/2001 muss der für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche eines Organs oder einer Einrichtung der Gemeinschaft dafür sorgen, dass eine Person, bei der sie betreffende Daten erhoben werden, zumindest die nachstehenden Informationen erhält, sofern diese bei ihr noch nicht vorliegen:

- die "Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen";

- die "Zwecke der Verarbeitung, für die die Daten bestimmt sind";

- "die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der Daten";

- einen "Hinweis darauf, ob die Beantwortung der Fragen obligatorisch oder freiwillig ist, sowie mögliche Folgen einer unterlassenen Beantwortung";

- "das Bestehen von Auskunfts- und Berichtigungsrechten bezüglich sie betreffender Daten";

- "weitere Informationen wie

i) die Rechtsgrundlage der Verarbeitung, für die die Daten bestimmt sind,

ii) die zeitliche Begrenzung der Speicherung der Daten,

iii) das Recht, sich jederzeit an den Europäischen Datenschutzbeauftragten zu wenden,

sofern sie unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände, unter denen die Daten erhoben werden, notwendig sind, um gegenüber der betroffenen Person eine Verarbeitung nach Treu und Glauben zu gewährleisten".

27 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die EZB in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen hat, indem sie seine E-Mails ohne sein Wissen für die jährliche Beurteilung für 2001 sammelte.

28 Aus der Prüfung des Sachverhalts ergibt sich jedoch, dass die EZB diese E-Mails nicht ohne Wissen des Klägers sammelte, so dass der erste Klagegrund nicht durchgreifen kann.

29 Aus den der Beurteilung für 2001 beigefügten Schriftstücken geht nämlich hervor, dass alle fraglichen E-Mails vom Kläger oder einem der beiden Verfasser der Beurteilung für 2001 oder beiden abgesandt oder empfangen wurden. Ganz überwiegend wurden diese E-Mails im Übrigen unmittelbar zwischen diesen drei Personen gewechselt. Die E-Mails standen den Beurteilern als Absendern oder Empfängern weiterhin zur Verfügung. Somit stand es ihnen frei, sich in der Beurteilung auf die E-Mails zu beziehen, denn es handelte sich dabei um objektiv nachprüfbare Belege, anhand deren sie ihre Bewertung der vom Kläger erbrachten Arbeit veranschaulichen konnten. Aus diesen Umständen ergibt sich auch, dass die EZB diese E-Mails nicht sammelte; sie wurden von den Personen vorgelegt, an die sie gerichtet waren oder die sie verfasst hatten. Dass die fraglichen Mitteilungen elektronisch ausgetauscht wurden, ist nicht entscheidend. Dieser Umstand begründet keinen wesentlichen Unterschied gegenüber der Lage, in der sich die Beurteiler und der Kläger befunden hätten, wenn es sich um brieflich gewechselte Mitteilungen gehandelt hätte.

30 Diese Mitteilungen sind außerdem rein dienstlichen und bankinternen Charakters; sie beziehen sich alle auf die Erledigung der dienstlichen Aufgaben der Korrespondenten. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass diese Korrespondenz persönlicher oder privater Art oder aber vertraulich gewesen wäre oder dass sie in irgendeiner Hinsicht dem Erfordernis unterläge, seine Privatsphäre zu achten.

31 Es ist weiterhin unstreitig, dass die EZB diese Mitteilungen nicht verbreitet oder Dritten übermittelt hat. Als Verfasser oder Empfänger dieser Mitteilungen verwendeten die beiden Beurteiler sie ausschließlich zu dem Zweck, die Beurteilung für 2001 zu erstellen. Da die jährliche Beurteilung des Klägers nur das Verhältnis zwischen ihm und seinem Arbeitgeber betrifft, war diese Verwendung der Mitteilungen mit keinerlei Weitergabe von Daten an natürliche oder juristische Personen außerhalb der EZB verbunden (vgl. entsprechend, zu einer Entscheidung über die Versagung der Haushaltszulage, Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-122/99 P und C-125/99 P, D und Schweden/Rat, Slg. 2001, I-4319, Randnrn. 59 bis 61).

32 Demnach ist festzustellen, dass die der Beurteilung für 2001 beigefügten, im Intranet der EZB gewechselten E-Mails nicht ohne Wissen des Klägers gesammelt wurden und dass mit ihrer anschließenden Heranziehung für diese Beurteilung weder in die Privatsphäre des Klägers eingegriffen noch gegen die Verordnung Nr. 45/2001 oder die Richtlinie 95/46/EG verstoßen worden ist.

33 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Fehlerhafte Tatsachenfeststellungen

Vorbringen der Parteien

34 Der Kläger macht geltend, dass die Beurteilung für 2001 aufzuheben sei, weil sie auf unzutreffenden Tatsachenbehauptungen beruhe. Sein Verhalten stelle keine kontinuierliche Schlechtleistung dar. Er habe vielmehr seinen vertraglichen Leistungspflichten gegenüber der EZB Genüge getan, und sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten sei nicht zu bemängeln.

35 Die Beurteilung für 2001 sei rechtswidrig. Der Kläger wendet sich hinsichtlich aller der Beurteilung beigefügten E-Mails aus der Zeit vom 9. Januar bis 24. September 2001 gegen deren jeweilige Auslegung durch die EZB.

36 Der Kläger trägt schließlich weiter vor, da der vorliegende Klagegrund nur auf unzutreffende Tatsachenbehauptungen gestützt sei, dürfe die gerichtliche Überprüfung nicht auf das Vorliegen eines offenkundigen Irrtums beschränkt werden. Er sei nicht dafür beweispflichtig, dass die von der EZB auf der Grundlage der E-Mails erhobenen Tatsachenbehauptungen unzutreffend seien. Vielmehr obliege dieser Nachweis der EZB; diese habe jedoch die Richtigkeit der den E-Mails zu entnehmenden Tatsachenbehauptungen nicht belegt.

37 Die EZB tritt diesen Argumenten entgegen. Sie verweist zunächst auf die Grenzen der gerichtlichen Überprüfung dienstlicher Beurteilungen und macht geltend, dass es nach der Rechtsprechung nicht Sache des Gerichts sei, die Richtigkeit einer Beurteilung, die die Verwaltung über die berufliche Befähigung eines Beamten abgebe, nachzuprüfen, wenn diese Beurteilung komplexe Werturteile enthalte, die ihrer Natur nach keiner objektiven Nachprüfung zugänglich seien (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache T-63/89, Latham/Kommission, Slg. 1991, II-19, Randnr. 19, und vom 9. März 1999 in der Rechtssache T-212/97, Hubert/Kommission, Slg. ÖD 1999, I-A-41 und II-185).

38 Demgemäß dürfe das Gericht eine Beurteilung nach ständiger Rechtsprechung nur auf etwaige Form- oder Verfahrensfehler, offensichtliche Tatsachenirrtümer bei den Werturteilen der Verwaltung und Ermessensmissbrauch überprüfen (z. B. Urteil Latham/Kommission und Urteile des Gerichts vom 10. Dezember 1992 in der Rechtssache T-33/91, Williams/Rechnungshof, Slg. 1992, II-2499, Randnr. 43, und vom 15. Mai 1996 in der Rechtssache T-326/94, Dimitriadis/Rechnungshof, Slg. ÖD, I-A-217 und II-613, Randnr. 104).

39 Die Beweislast für sein Vorbringen obliege dem Kläger.

40 Im vorliegenden Fall habe der Kläger diese Grundsätze nicht beachtet.

41 Die Beurteilung für 2001 enthalte nicht nur kritische Werturteile, sondern auch positive Bewertungen der dienstlichen Leistungen des Klägers. Die der Beurteilung beigefügten E-Mails bildeten die objektive Grundlage für die dienstliche Beurteilung des Klägers, und ihre Beifügung bringe den von der EZB verfolgten Transparenzgrundsatz zum Ausdruck. Der Kläger könne damit erkennen, in welchen Bereichen er sich besonders bemühen müsse.

42 Der Kläger habe bereits aus dem Beurteilungsentwurf vom 26. November 2001 ersehen können, dass der Erstbeurteiler mit seinen dienstlichen Leistungen nicht zufrieden gewesen sei. In dem Entwurf sei auf Kommunikationsdefizite und bestimmte Fälle, in denen der Kläger seine Kompetenzen überschritten habe, klar hingewiesen worden.

43 Soweit der Kläger unzutreffende Tatsachenbehauptungen rüge, seien seine Ausführungen und Argumente nicht substanziiert. Der Kläger habe die von ihm behauptete Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptungen nicht nachgewiesen. Auch wenn er mit der Bewertung seiner dienstlichen Leistungen durch die EZB nicht einverstanden sei, unterliege diese doch nicht der gerichtlichen Nachprüfung.

44 Jedenfalls habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass die Beurteilung für 2001 einen offensichtlichen Irrtum enthalte. Seine Ausführungen gäben lediglich Meinungsverschiedenheiten mit der EZB über arbeitsorganisatorische Fragen wieder; der Kläger wünsche, dass sich die Generaldirektion seinen Vorstellungen zu diesen Fragen anschließe. Er verkenne die Rechtsprechung, wonach die EZB bei der Organisation ihrer Dienststellen und bei der Verwendung des ihr zur Verfügung stehenden Personals über ein weites Ermessen verfüge (Urteil des Gerichts vom 6. März 2001 in der Rechtssache T-100/00, Campoli/Kommission, Slg. ÖD 2001, I-A-71 und II-347).

45 Die fraglichen E-Mails zeigten, dass der Kläger die hierarchische Struktur nicht hinreichend beachte; tatsächlich stelle er das Organisationsermessen der EZB in Frage. Dadurch, dass er Entscheidungen ohne Absprache mit seinen unmittelbaren Vorgesetzten treffe, greife er in das Organisationsermessen der EZB ein.

Würdigung durch das Gericht

46 Nach ständiger Rechtsprechung ist die gerichtliche Überprüfung des Inhalts von Beurteilungen durch den Gemeinschaftsrichter auf die Überprüfung der Ordnungsgemäßheit des Verfahrens, der sachlichen Richtigkeit der Tatsachen und des Fehlens offensichtlicher Beurteilungsfehler oder eines Ermessensmissbrauchs beschränkt (Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1994 in der Rechtssache T-18/93 Marcato/Kommission, Slg. ÖD 1994, I-A-215 und II-681, Randnr. 45).

47 Diese Rechtsprechung ist auch auf die EZB anwendbar, soweit die Gültigkeit von Bewertungen in Frage steht, denen sie die dienstlichen Leistungen ihrer Mitarbeiter im Rahmen der jährlichen Beurteilung unterzieht.

48 Im vorliegenden Fall beruht die Beurteilung für 2001 auf der Feststellung, dass die dienstlichen Leistungen des Klägers mangelhaft gewesen seien. Die Verfasser der Beurteilung haben darüber komplexe Werturteile abgegeben, die ihrer Natur nach keiner objektiven Nachprüfung zugänglich sind.

49 Der Kläger macht jedoch geltend, dass die Beurteilung für 2001 auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen, wie etwa über seine angeblichen Kommunikationsdefizite oder seine angeblich negative Haltung gegenüber seinen Vorgesetzten, beruhe, die in den der Beurteilung beigefügten E-Mails enthalten seien. Der Kläger bestreitet nicht, dass diese E-Mails authentisch sind und ihr Inhalt den Tatsachen entspricht, sondern macht im Wesentlichen geltend, dass sie die von der EZB vorgenommenen Bewertungen nicht stützten, so dass der Beurteilung für 2001 sachlich unzutreffende Tatsachenfeststellungen zugrunde lägen.

50 Entgegen der Auffassung des Klägers richtet sich dieses Vorbringen jedoch gegen die in der Beurteilung für 2001 enthaltene Bewertung seiner Leistungen. Die fraglichen E-Mails sind nämlich nicht die Grundlage dieser Bewertung, sondern sollen sie nur veranschaulichen, um dem Kläger mit diesen Einzelbeispielen konkrete Hinweise zu geben, anhand deren er die an ihn gerichteten Beanstandungen besser nachvollziehen kann. Obgleich der Kläger geltend macht, dass die Beurteilung für 2001 auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen beruhe, bestreitet er in Wirklichkeit nicht Tatsachen, sondern wendet sich gegen die über ihn abgegebenen Werturteile.

51 Damit hat das Gericht nachzuprüfen, ob die in der Beurteilung für 2001 enthaltenen Bewertungen mit offensichtlichen Irrtümern behaftet sind. Nach den allgemeinen Beweisregeln trägt der Kläger für die von ihm geltend gemachten Irrtümer die Beweislast.

52 Insoweit lässt sich dem Wortlaut der Beurteilung für 2001 entnehmen, dass der Kläger nach Auffassung der EZB den ihm übertragenen technischen Aufgaben und seiner Verantwortung für die Gruppe der UNIX-Spezialisten zufriedenstellend nachgekommen war. Dazu heißt es in der Beurteilung für 2001:

"In line with previous years, Jan has continued to provide good service with regard to the support and maintenance of systems under the responsibility of the UNIX team.... Within the UNIX team itself the communication continues to work well with daily briefings sessions and "ad hoc" discussions on issues arising. Jan promotes this interaction and should continue to ensure this active dialogue.... With regard to his technical work, Jan spends a large amount of time co-ordinating the many issues in progress within the tem and discussing items with team members.... This high workload is well recognised, as is the fact that this often necessitates long working days."

53 Trotz dieser positiven Bewertung der technischen Leistung des Klägers im Rahmen der UNIX-Arbeitsgruppe werden in der Beurteilung für 2001 mehrere Probleme benannt, die sich bei der dienstlichen Tätigkeit des Klägers ergeben hätten, so insbesondere seine Schwierigkeiten in der Kommunikation mit der UNIX-Arbeitsgruppe nicht angehörenden Dritten wie seinen Vorgesetzten oder Mitarbeitern anderer Dienststellen der GD IS. Diese "Unfähigkeit zu einer effizienten Kommunikation mit seinen Vorgesetzten" wird als ein wesentlicher Mangel ("a major failing") des Klägers bewertet, und zwar solchen Gewichts, dass es der Erstbeurteiler für fraglich hielt, ob der Kläger, wenn nicht eine deutliche Verbesserung der Lage eintrete, fähig oder willens sei, seiner Verpflichtung zu einer effizienten Kommunikation mit seinen Vorgesetzten zu entsprechen.

54 Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Kläger und seinen Vorgesetzten enthält die Beurteilung für 2001 die Feststellung, es bestehe ein konfliktbeladenes Arbeitsklima, das durch die mangelnde Kommunikation des Klägers hervorgerufen werde. Der Kläger lehne die von seinen Vorgesetzten getroffenen Entscheidungen offenbar ab und versäume es häufig, sie rechtzeitig über sein Vorgehen zu unterrichten, wodurch der geordnete Dienstbetrieb der EZB beeinträchtigt werde. In der Beurteilung für 2001 wird dem Kläger weiter zur Last gelegt, er neige zu Handlungen und Entscheidungen, die normalerweise in die Zuständigkeit seiner Vorgesetzten fielen. Diese Probleme störten den Dienstbetrieb. Dazu heißt es in der Beurteilung:

"Jan's failure to accept the common working practices followed within DG IS and his style of communication to other DG IS areas causes significant difficulties and presents major problems to his Principal and Head of Division. As a Senior System Support Expert with a co-ordinating role, communication, adherence to working practices and respect for reporting lines is a major element of the job. Given this, and notwithstanding his technical ability, it is clear that Jan fails to meet the requirements of his position."

55 Der Beurteilung für 2001 lässt sich auch entnehmen, dass sich diese Kommunikationsschwierigkeiten nicht nur innerhalb der EZB äußerten, sondern auch die Arbeitsbeziehungen des Klägers mit von der EZB in Anspruch genommenen Dienstleistern beeinträchtigten. In der Beurteilung wird insbesondere auf die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und der Firma IBM während der Durchführung bestimmter EDV-Vorhaben hingewiesen, bei der der Kläger gegenüber den von seinen Vorgesetzten getroffenen Entscheidungen Unnachgiebigkeit und Widerstreben an den Tag gelegt habe. Dies habe sich negativ auf die ordnungsgemäße Erledigung der der GD IS übertragenen Aufgaben sowie der EDV-Vorhaben, an denen die externen Dienstleister beteiligt gewesen seien, ausgewirkt.

56 Der Erstbeurteiler ist daher, trotz Anerkennung der großen technischen Kompetenz des Klägers, zu der Auffassung gelangt, dass sich der Kläger wegen seines Unvermögens, fruchtbare Arbeitsbeziehungen zu den anderen Bediensteten der EZB, insbesondere seinen Vorgesetzten, und zu externen Dienstleistern zu unterhalten, als unfähig erwiesen habe, seinen Aufgaben außerhalb des rein technischen Rahmens gerecht zu werden.

57 Der Zweitbeurteiler hat seinerseits hervorgehoben, dass es sich bereits um wiederholte Beanstandungen des Klägers handele, die auch für die beiden vorangegangenen Beurteilungszeiträume geäußert worden seien. Nach Prüfung einer Auswahl von E-Mails, die die Bewertung des Erstbeurteilers veranschaulichen sollten, hat der Zweitbeurteiler ausgeführt:

"Jan's performance is not satisfactory for someone exercising co-ordination functions. The flow of information between the UNIX team and the management is not properly ensured thereby putting at risk that the necessary decisions are taken by the management. The hierachical steps and the decision-making process are not adequately respected. This situation can no longer be tolerated and as a consequence, I have decided to escalate this issue via the Director Genereal IS to Director Personnel."

58 Es ist somit festzustellen, dass die Beurteilung für 2001 nicht willkürlich ist; die darin enthaltenen Bewertungen sind detailliert, umfassend und ordnungsgemäß begründet, ohne dass dem Kläger der Nachweis gelungen wäre, dass diese Werturteile offenkundig irrig sind.

59 Nach alledem hat der Kläger keinen rechtlich hinreichenden Nachweis für das Vorliegen offenkundiger Irrtümer erbracht, die die Gültigkeit der Beurteilung für 2001 beeinträchtigen könnten. Der zweite Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

60 Demgemäß ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

61 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst. Da der Kläger unterlegen ist, sind entsprechend dem Antrag der EZB jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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