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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: T-18/03
Rechtsgebiete: EG, EWR-Abkommen, EWGVO-17/1962


Vorschriften:

EG Art. 81 Abs. 1
EWR-Abkommen Art. 53 Abs. 1
EWGVO-17/1962 Art. 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

30. April 2009

"Wettbewerb - Vereinbarungen - Markt für Nintendo-Videospielkonsolen und -Spielkassetten - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Beschränkung von Parallelexporten - Beweis für das Bestehen einer Vereinbarung zur Beschränkung des Parallelhandels - Geldbußen - Differenzierende Behandlung - Mildernde Umstände"

Parteien:

In der Rechtssache T-18/03

CD-Contact Data GmbH mit Sitz in Burglengenfeld (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. de Pree und R. Wesseling,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, X. Lewis und O. Beynet als Bevollmächtigte

Beklagte,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/675/EG der Kommission vom 30. Oktober 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 - PO Video Games, COMP/35.706 - PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 - Omega - Nintendo) (ABl. 2003, L 255, S. 33)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Betroffene Unternehmen

1 Die Nintendo Co., Ltd (im Folgenden: NCL oder Nintendo), eine an der Börse notierte Gesellschaft mit Sitz in Kyoto (Japan), steht an der Spitze der Nintendo-Unternehmensgruppe, die auf die Herstellung und den Vertrieb von Konsolen für Videospiele und von Spielkassetten für diese Konsolen spezialisiert ist.

2 Nintendos Geschäftstätigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wird in manchen Gebieten von ihr zu 100 % gehörenden Tochtergesellschaften betrieben, unter denen die wichtigste die Nintendo of Europe GmbH (im Folgenden: NOE oder Nintendo) ist. Zur Zeit der fraglichen Vorgänge koordinierte NOE bestimmte Geschäftstätigkeiten von Nintendo in Europa und war ihre Alleinvertriebshändlerin in Deutschland.

3 In anderen Absatzgebieten hatte Nintendo unabhängige Alleinvertriebshändler eingesetzt. So wurde die The Games Ltd, ein Geschäftsbereich der John Menzies Distribution Ltd, die wiederum als Tochtergesellschaft zu 100 % der John Menzies plc gehört, von Nintendo im August 1995 als Alleinvertriebshändlerin für das Vereinigte Königreich und Irland eingesetzt und blieb dies mindestens bis zum 31. Dezember 1997.

4 Die Klägerin, die CD-Contact Data GmbH, war ihrerseits die Alleinvertriebshändlerin von Nintendo für Belgien und Luxemburg von April 1997 bis mindestens 31. Dezember 1997.

2. Verwaltungsverfahren

Untersuchung im Bereich der Videospielindustrie (Sache IV/35.587 - PO Videospiele)

5 Im März 1995 leitete die Kommission eine Untersuchung ein, die die Videospielindustrie betraf (Sache IV/35.587 - PO Videospiele). Im Rahmen dieser Untersuchung richtete die Kommission am 26. Juni und 19. September 1995 gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), an Nintendo Auskunftsverlangen, um Informationen u. a. über ihre Vertriebshändler und Tochtergesellschaften, die mit diesen förmlich geschlossenen Vertriebsverträge und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzuholen. NOE antwortete auf diese Auskunftsverlangen mit Schreiben vom 31. Juli und 26. September 1995.

Ergänzende Untersuchung speziell zum Vertriebssystem von Nintendo (Sache IV/35.706 - PO Nintendo-Vertrieb)

6 Als Ergebnis ihrer vorläufigen Feststellungen leitete die Kommission im September 1995 eine ergänzende Untersuchung speziell zum Vertriebssystem von Nintendo (Sache IV/35.706 - PO Nintendo-Vertrieb) ein.

7 Im Rahmen dieser Untersuchung richtete die Kommission an Nintendo am 9. Oktober 1995 ein Auskunftsverlangen. Es fanden mehrere Zusammenkünfte von Vertretern Nintendos und der Kommission statt, deren Thema die Vertriebspolitik von Nintendo war. Nintendo legte außerdem verschiedene Versionen der Verträge vor, die sie mit bestimmten ihrer Vertriebshändler geschlossen hatte.

Untersuchung infolge der Beschwerde der Omega Electro BV (Sache IV/36.321 - Omega - Nintendo)

8 Am 26. November 1996 reichte die Omega Electro BV, eine im Bereich der Einfuhr und des Verkaufs von elektronischen Spielen tätige Gesellschaft, gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 17 eine Beschwerde ein, die im Wesentlichen den Vertrieb von Nintendo-Spielkassetten und -konsolen betraf und zu deren Begründung insbesondere geltend gemacht wurde, dass Nintendo in den Niederlanden den Parallelhandel behindere und ein System festgelegter Wiederverkaufspreise praktiziere. Auf diese Beschwerde hin erweiterte die Kommission ihre Untersuchung (Sache IV/36.321 - Omega - Nintendo). Am 7. März 1997 sandte sie ein Auskunftsverlangen an Nintendo und an John Menzies. In ihrem Antwortschreiben vom 16. Mai 1997 räumte Nintendo ein, dass bestimmte ihrer Vertriebsverträge und ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Beschränkungen des Parallelhandels innerhalb des EWR enthielten. Im Oktober 1997 richtete die Kommission an John Menzies ein weiteres Auskunftsverlangen, das diese mit einem Schreiben vom 1. Dezember 1997 beantwortete, in dem sie verschiedene Angaben zu der streitigen Vereinbarung machte.

9 Mit Schreiben vom 23. Dezember 1997 teilte Nintendo der Kommission mit, ihr sei "ein schwerwiegendes Problem in Bezug auf den Parallelhandel innerhalb der Gemeinschaft" bekannt geworden, und gab ihrem Wunsch Ausdruck, mit der Kommission zusammenzuarbeiten.

10 Am 13. Januar 1998 machte John Menzies weitere Angaben. Am 21. Januar, 1. April und 15. Mai 1998 übermittelte Nintendo der Kommission Hunderte von Schriftstücken. Am 15. Dezember 1998 fand eine Zusammenkunft zwischen der Kommission und Vertretern von Nintendo statt, in der die Frage einer etwaigen Entschädigung der durch die streitige Absprache geschädigten Dritten angesprochen wurde.

11 Nach ihrem Geständnis ergriff Nintendo ferner Maßnahmen, die die künftige Einhaltung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten sollten, und leistete an die durch ihr Handeln finanziell geschädigten Dritten Ausgleichszahlungen.

12 Mit Schreiben vom 9. Juni 1999 forderte die Kommission die Klägerin auf, ihr mitzuteilen, ob die zu den Akten genommenen Unterlagen, soweit sie sie betrafen, vertrauliche Angaben enthielten. In diesem Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass die Kommission die Eröffnung eines förmlichen Verfahrens gegen verschiedene Unternehmen, darunter die Klägerin, beabsichtige.

13 Am 26. April 2000 sandte die Kommission an Nintendo und die anderen betroffenen Unternehmen, darunter die Klägerin, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen). Nintendo und die übrigen betroffenen Unternehmen gaben zu den Beschwerdepunkten der Kommission schriftliche Stellungnahmen ab, in denen Nintendo und einige andere dieser Unternehmen die Anwendung der Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) beantragten. Keine der Beteiligten beantragte eine förmliche Anhörung. Der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegte Sachverhalt wurde von Nintendo nicht bestritten.

14 Im Fall der Klägerin wurde die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte am 13. Juli 2000 an die Kommission übersandt. Am 16. Oktober 2000 fand eine informelle Zusammenkunft zwischen der Klägerin und den Dienststellen der Kommission statt. Auf dieses Treffen hin reichte die Klägerin am 6. November 2000 eine zusätzliche Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ein.

3. Die streitige Entscheidung

15 Am 30. Oktober 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/675/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 - PO Video Games, COMP/35.706 - PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 - Omega - Nintendo) (ABl. 2003, L 255, S. 33, im Folgenden: Entscheidung). Die Entscheidung wurde der Klägerin am 8. November 2002 zugestellt.

16 Die Entscheidung enthält insbesondere folgende Bestimmungen:

"Artikel 1

Die nachstehenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie in den erwähnten Zeiträumen an einer Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen auf den Märkten für Spielkonsolen und für mit Nintendo-Konsolen kompatiblen Spielkassetten beteiligt waren, wodurch die Parallelausfuhren von Nintendo-Spielkonsolen und -Spielkassetten eingeschränkt werden sollten und tatsächlich eingeschränkt wurden.

...

- [die Klägerin] vom 28. Oktober 1997 bis Ende Dezember 1997.

...

Artikel 3

Gegen die in Artikel 1 genannten Unternehmen werden wegen der darin festgestellten Zuwiderhandlung folgende Geldbußen festgesetzt:

...

- [die Klägerin] eine Geldbuße von 1 Mio. EUR.

..."

17 Zu den Vorgängen in Belgien und Luxemburg führte die Kommission u. a. aus, "es sei [der Klägerin] klar [gewesen], dass [sie] dafür sorgen musste, dass [ihre] Abnehmer nicht parallel exportierten". Dies ergebe sich aus einem Fax der Klägerin an NOE vom 28. Oktober 1997, in dem sie versichert habe, dass sie keine Exporte wolle (vgl. Randnrn. 195 und 196 der Entscheidung). Nach Ansicht der Kommission zeigte dieses Schreiben, mit dem ein Schreiben von NOE beantwortet worden sei, in dem diese angefragt hätte, ob ein Kunde der Klägerin möglicherweise Nintendo-Erzeugnisse an Kunden der Nintendo France SARL verkauft habe, dass die Klägerin und Nintendo "zu der 'Willensübereinstimmung' gelangt waren, dass keine Exporte ... stattfinden sollten und dass [die Klägerin] Lieferungen an Abnehmer ..., von denen Ausfuhren zu erwarten waren, überwachen sollte" (vgl. Randnr. 317 der Entscheidung).

18 Die Kommission erwähnte auch, dass die Klägerin von September bis Dezember 1997 mit NOE einen Schriftwechsel über Parallelimporte in ihr Absatzgebiet geführt habe, weil sie erwartet habe, dass dieses "Problem" gelöst würde (vgl. Randnr. 197 der Entscheidung).

19 Für die Berechnung der Geldbußen folgte die Kommission in der Entscheidung der Methode, die festgelegt ist in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien). Wegen des vertikalen Charakters des Verstoßes wandte sie hingegen nicht die Mitteilung über Zusammenarbeit an.

20 In einem ersten Schritt setzte die Kommission den Grundbetrag der Geldbußen nach Maßgabe der Schwere und Dauer des Verstoßes fest.

21 Insoweit befand die Kommission zunächst, dass die betroffenen Unternehmen angesichts der Art der Zuwiderhandlung, ihrer konkreten Auswirkungen auf den Markt und der Größe des räumlich relevanten Markts einen sehr schweren Verstoß begangen hätten.

22 Die Kommission stellte sodann fest, dass angesichts der Beteiligung mehrerer Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe an einem einzigen ununterbrochenen Verstoß eine unterschiedliche Behandlung dieser Unternehmen angebracht sei, um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen. Hierfür wurden die betreffenden Unternehmen nach Maßgabe ihrer relativen Bedeutung gegenüber Nintendo als Vertriebshändler der Produkte im EWR in drei Gruppen unterteilt. Der Vergleich wurde nach dem Anteil jedes Unternehmens an dem im Jahr 1997, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, im EWR für Vertriebszwecke gekauften Gesamtvolumen an Nintendo-Spielkonsolen und -Spielkassetten vorgenommen. Auf dieser Grundlage wurde nur Nintendo in die erste Gruppe eingeordnet und nur John Menzies in die zweite. Hinsichtlich dieser Unternehmen legte die Kommission den Grundbetrag der Geldbuße unter Berücksichtigung der Schwere im Fall von Nintendo vorläufig auf 23 Millionen Euro und im Fall von John Menzies vorläufig auf 8 Millionen Euro fest. Im Fall der übrigen betroffenen Unternehmen wurde ein vorläufiger Grundbetrag in Höhe von 1 Million Euro festgelegt.

23 Um zum einen eine ausreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen und zum anderen der Größe und den Gesamtressourcen von Nintendo, John Menzies und der Itochu Corp. Rechnung zu tragen, erhöhte die Kommission diese Grundbeträge. Im Fall von Nintendo war nach Auffassung der Kommission außer dem Umstand, dass Nintendos Größe deutlich geringer sei als die von Itochu, zu berücksichtigen, dass Nintendo der Hersteller der von der Zuwiderhandlung betroffenen Erzeugnisse sei. Aufgrund dieser Gesichtspunkte wandte die Kommission auf die festgelegten Beträge einen Multiplikator von 3 im Fall von Nintendo und Itochu sowie von 1,25 im Fall von John Menzies an, so dass die Grundbeträge im Fall von Nintendo auf 69 Millionen Euro, im Fall von John Menzies auf 10 Millionen Euro und im Fall von Itochu auf 3 Millionen Euro festgesetzt wurden.

24 Wegen der Dauer der Zuwiderhandlung der einzelnen Unternehmen wurde der Grundbetrag um 10 % pro Jahr erhöht. Im Fall der Klägerin war nach Auffassung der Kommission, da die Klägerin nur etwas mehr als zwei Monate an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, der Grundbetrag der gegen sie festgesetzten Geldbuße nicht zu erhöhen.

25 Infolgedessen setzte die Kommission den Grundbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße auf 1 Million Euro fest.

26 In einem zweiten Schritt wurde wegen erschwerender Umstände der Grundbetrag der Geldbuße gegen Nintendo zunächst um 50 % heraufgesetzt, weil das Unternehmen die Zuwiderhandlung angeführt und angestiftet habe, und sodann ein weiteres Mal um 25 %, weil das Unternehmen die Zuwiderhandlung nach den ersten Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Untersuchung der Kommission im Juni 1995 fortgesetzt habe. Der Grundbetrag der Geldbuße gegen John Menzies wurde um 20 % erhöht, wovon 10 % dem Umstand Rechnung tragen sollten, dass John Menzies die Zuwiderhandlung nach Beginn der Untersuchung der Kommission fortgesetzt habe, und die übrigen 10 % der Weigerung des Unternehmens, mit der Kommission zusammenzuarbeiten.

27 In einem dritten Schritt hielt es die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung der mildernden Umstände zunächst für gerechtfertigt, die Geldbuße gegen eines der betroffenen Unternehmen, die Concentra - Produtos para crianças SA (im Folgenden: Concentra), bei der es sich um die Alleinvertriebshändlerin von Nintendo für Portugal handelte, wegen ihrer rein passiven Rolle während der meisten Zeit herabzusetzen. Sodann gewährte die Kommission Nintendo eine Herabsetzung um 300 000 Euro wegen des finanziellen Ausgleichs, den Nintendo den durch die streitige Vereinbarung Geschädigten gezahlt hatte, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ermittelt worden waren. Schließlich wurde wegen tatsächlicher Zusammenarbeit mit der Kommission John Menzies eine Herabsetzung um 40 % und Nintendo eine Herabsetzung um 25 % gewährt. Im Fall der übrigen Unternehmen wurde hingegen kein mildernder Umstand anerkannt.

Verfahren und Anträge der Parteien

28 Mit Klageschrift, die am 17. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

29 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) die mündliche Verhandlung eröffnet.

30 In der Sitzung am 21. Mai 2008 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

31 In dieser Sitzung hat die Kommission auf Ersuchen des Gerichts eine Anzahl von Schriftstücken vorgelegt. Der Klägerin ist Gelegenheit gegeben worden, sich dazu zu äußern. Mit am 26. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie zu diesen Schriftstücken nichts zu bemerken habe. Nach Eingang dieses Schreibens hat das Gericht die mündliche Verhandlung geschlossen.

32 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung, soweit sie an sie gerichtet ist, ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, insbesondere ihre Art. 1 und 3;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

33 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

34 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 81 EG, eine Verletzung der Begründungspflicht und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler. Der zweite Klagegrund hat eine Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie eine Verletzung der Begründungspflicht zum Gegenstand.

35 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ferner geltend gemacht, dass der gegen sie festgesetzte Bußgeldbetrag angesichts der Länge sowohl des Verwaltungsverfahrens als auch des gerichtlichen Verfahrens wenigstens herabzusetzen sei.

1. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 EG, Verletzung der Begründungspflicht und offensichtlicher Beurteilungsfehler

Vorbringen der Parteien

36 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission auf der Grundlage der von ihr in der Entscheidung angeführten Schriftstücke nicht den Schluss hätte ziehen dürfen, dass zwischen der Klägerin und Nintendo eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweisen existiert hätten. Daher habe die Kommission nicht nur Art. 81 EG fehlerhaft angewandt, sondern auch ihre Begründungspflicht aus Art. 253 EG verkannt.

37 Die Klägerin verweist zunächst darauf, dass ihr Vertriebsvertrag mit Nintendo vom April 1997 gemäß seiner Ziffer 4.6 "passive Ausfuhren" erlaubt und keine den Handel entgegen Art. 81 EG beschränkende Klausel enthalten habe.

38 Die Klägerin macht sodann geltend, dass sie niemals eine Vereinbarung geschlossen oder sich an einer Vereinbarung beteiligt habe, die auf eine Behinderung des Parallelhandels abgezielt habe. Sie trägt dazu vor, dass sie Nintendo-Erzeugnisse passiv in großem Umfang exportiert habe und in voller Kenntnis der Sachlage Kunden beliefert habe, die diese Erzeugnisse an außerhalb von Belgien und Luxemburg ansässige Kunden wiederverkauft hätten oder die selbst außerhalb dieser beiden Länder ansässig gewesen seien. Aus der Kommissionsakte ergebe sich keinerlei Hinweis darauf, dass den Kunden der Klägerin eine Belieferung verweigert worden wäre, weil sie außerhalb von Belgien und Luxemburg ansässig gewesen seien oder weil die gelieferten Erzeugnisse anschließend ausgeführt würden.

39 Nach Ansicht der Klägerin unterscheidet sich ihr eigener Fall in tatsächlicher Hinsicht eindeutig von denen der übrigen Vertriebshändler, an die die Entscheidung gerichtet worden sei. Die Feststellungen, die die Kommission über das Verhalten der Klägerin getroffen habe, hätten nämlich nur einen sehr begrenzten Umfang. Der von der Kommission gezogene Schluss, es lägen hinreichende Beweise für eine Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung mit Nintendo oder an einer mit dieser abgestimmten Verhaltensweise zur Beschränkung von Parallelausfuhren vor, scheine mehr auf den Feststellungen zu beruhen, die sich auf die Vertriebspolitik von Nintendo Anfang der neunziger Jahre bezögen, als auf einer einzelfallbezogenen und objektiven Auswertung der Schriftstücke, die die Klägerin beträfen.

40 Nach Ansicht der Klägerin hat es die Kommission insbesondere versäumt, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie erst im April 1997 Vertriebshändler für die fraglichen Erzeugnisse geworden sei, also in einer Zeit, in der Nintendo ihre generelle Vertriebspolitik überprüft und sich um Einhaltung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln bemüht habe. In einem solchen Kontext hätte sich die Kommission nicht lediglich auf die Überzeugung stützen dürfen, dass die neu benannten Vertriebshändler einfach in das vorher geschaffene Vertriebskonzept integriert worden seien.

41 Im vorliegenden Fall gebe es keinen Beweis für eine Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und Nintendo oder für eine stillschweigende oder ausdrückliche Zustimmung der Klägerin zu der einseitig von Nintendo betriebenen Politik. Die Kommission habe die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Beweisanforderungen an eine Vereinbarung verkannt. Die Klägerin betont, dass die die Existenz einer horizontalen Vereinbarung belegenden Faktoren, wie sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht habe, jedenfalls nicht als ausreichend angesehen werden könnten, um die Existenz einer vertikalen Vereinbarung zu beweisen. Insbesondere seien zwischen Lieferanten und Vertriebshändlern Kontakte aus der Sicht des Wettbewerbsrechts logisch und akzeptabel, was für horizontale Beziehungen zwischen Wettbewerbern dagegen nicht gelte.

42 Was erstens die Beweise für eine Behinderung von Parallelausfuhren aus Belgien oder Luxemburg angehe, habe sich die Kommission auf ein einziges Schriftstück gestützt, nämlich ein Fax der Klägerin an NOE vom 28. Oktober 1997. Die Kommission habe aber dieses Schreiben nur partiell und in angreifbarer Weise ausgewertet. Mit dem Fax habe die Klägerin Nintendo einfach darüber unterrichten wollen, dass die Verkäufe für den französischen Markt, über die sich Nintendo beschwert habe, der Sache nach nicht als "aktive Verkäufe" über einen in Belgien ansässigen Großhändler hätten angesehen werden können. Das Fax habe sich ausschließlich auf die "einseitige" Entscheidung der Klägerin über die Aufteilung des Absatzes der fraglichen Produkte bezogen, weil ihr von diesen nur begrenzte Mengen zur Verfügung gestanden hätten. Hingegen enthalte das Fax keinerlei Bezugnahme auf irgendeine Vereinbarung oder Verpflichtung der Klägerin, die Ausfuhren zu beschränken. In ihrer Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, dass sie Nintendo wegen der Befürchtung, diese könnte ihre Belieferung einschränken oder ihren Alleinvertriebshändlervertrag beenden, den Eindruck habe vermitteln müssen, dass sie ihre Erzeugnisse nicht in andere Gebiete ausführe.

43 Was zweitens die Beweise für das Verbot von Paralleleinfuhren nach Belgien und Luxemburg betreffe, habe die Kommission die fraglichen Schriftstücke, nämlich eine Reihe von Schreiben der Klägerin an Nintendo, ebenfalls voreingenommen und unvollständig ausgewertet. Mit diesen Schreiben habe sich die Klägerin nur vergewissern wollen, dass der von ihr für die fraglichen Erzeugnisse an Nintendo gezahlte Preis nicht zu hoch sei.

44 Was drittens den Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise anbelange, zeigten die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schriftstücke eindeutig, dass sich die Klägerin nicht an einer abgestimmten Verhaltensweise beteiligt habe, mit der eine Behinderung der Parallelausfuhr von Nintendo-Erzeugnissen bezweckt worden wäre. Insbesondere weise keines dieser Schriftstücke darauf hin, dass die Klägerin, außer bei Erschöpfung ihrer Lagerbestände, ihre Verkäufe an außerhalb von Belgien und Luxemburg ansässige Kunden beschränkt hätte. Vielmehr zeigten diese Schriftstücke, dass sie ein aktiver Parallelexporteur von Nintendo-Erzeugnissen gewesen sei und sich am Parallelhandel mit diesen Produkten beteiligt habe.

45 Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Klägerin entgegen.

Würdigung durch das Gericht

Zum Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG

46 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG nur, aber auch schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T-7/89, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 256, und vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T-41/96, Slg. 2000, II-3383, Randnr. 67; vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86).

47 Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Abmachung Ausdruck des Willens der betreffenden Unternehmen ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (Urteil Bayer/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 68; vgl. in diesem Sinne auch Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 112, und van Landewyck u. a./Kommission, oben in Randnr. 46 angeführt, Randnr. 86).

48 Der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG, wie er in der Rechtsprechung ausgelegt worden ist, ist durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt. Diese Willensübereinstimmung kann sich sowohl aus den Klauseln eines Vertrags, etwa eines Vertriebsvertrags, als auch aus dem jeweiligen Verhalten der in Frage stehenden Unternehmen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2006, Kommission/Volkswagen, C-74/04 P, Slg. 2006, I-6585, Randnr. 39).

49 Hinsichtlich der Beweisführung für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist darauf hinzuweisen, dass es der Kommission obliegt, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der Tatsachen, die eine Zuwiderhandlung darstellen, rechtlich hinreichend zu belegen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 58, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 86). Insoweit muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise für das Vorliegen der Zuwiderhandlung beibringen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T-62/98, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Was schließlich den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (Urteil des Gerichts vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T-325/01, Slg. 2005, II-3319, Randnr. 81; vgl. in diesem Sinne auch Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, Slg. 1985, 2545, Randnr. 34, und vom 17. November 1987, BAT und Reynolds/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 62).

51 Vor der Prüfung des von der Kommission im vorliegenden Fall zugrunde gelegten Sachverhalts ist klarzustellen, dass sich entgegen der Auffassung der Kommission nichts daraus herleiten lässt, dass Nintendo als andere Beteiligte an der Vereinbarung in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich erklärt habe, die von der Kommission in dieser Mitteilung gegebene Tatsachendarstellung zu akzeptieren, und dass sie damit das Bestehen einer Vereinbarung mit der Klägerin und von mit dieser abgestimmten Verhaltensweisen unumschränkt eingeräumt habe. Das etwaige Eingeständnis bestimmter Tatsachen durch Nintendo, der anderen Partei des Vertriebsvertrags, kann nämlich keineswegs das Recht der Klägerin in Frage stellen, diese Tatsachen vor dem Gericht zu bestreiten. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gerade bestritten hat, dass sie in irgendeiner Hinsicht gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen habe.

52 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, anders als die Klägerin in ihren Schriftsätzen offenbar dartun will, für ihren Schluss, dass eine gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende Vereinbarung bestanden habe, nicht auf den Wortlaut des Vertriebsvertrags zwischen Nintendo und der Klägerin als solchen gestützt hat. Insoweit hat die Kommission in Randnr. 196 der Entscheidung ausgeführt, dass "[d]er Wortlaut des Vertriebsvertrags zwischen [der Klägerin] und Nintendo ... es [der Klägerin gestattete], passiv zu exportieren". Anders als im Fall mancher von der Entscheidung betroffener Vertriebshändler festgestellt, enthielt nämlich der Vertriebsvertrag zwischen der Klägerin und Nintendo, der zwei Jahre nach Beginn der Untersuchung der Kommission geschlossen wurde und das betroffene Vertriebssystem betraf, als solcher keine durch Art. 81 Abs. 1 EG verbotene Klausel.

53 Es ist ferner klarzustellen, dass sich die Kommission im Gegensatz zum Vorbringen der Klägerin in deren Fall keineswegs auf das Bestehen einer zwischen der Klägerin und Nintendo abgestimmten Verhaltensweise bezogen hat, sondern nur auf den Abschluss eines gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden "[V]ertrags" (vgl. Randnr. 196 der Entscheidung). Das Vorbringen der Klägerin, es habe keine abgestimmte Verhaltensweise gegeben, geht daher ins Leere.

54 Da es keinen unmittelbaren Urkundenbeweis für den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Nintendo und der Klägerin über die Beschränkung oder Reduzierung von Passivausfuhren gab, nahm die Kommission an, dass die Beteiligung der Klägerin an einer Art. 81 Abs. 1 EG verletzenden Vereinbarung durch ihr Verhalten belegt werde, so wie es in dem von ihr geführten Schriftwechsel zum Ausdruck gelangt sei.

55 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Kommission in Anbetracht des Wortlauts dieses Schriftwechsels rechtlich hinreichend bewiesen hat, dass zwischen der Klägerin und Nintendo eine Willensübereinstimmung hinsichtlich der Beschränkung des Parallelhandels zustande gekommen ist.

56 Insoweit ist in Erinnerung zu rufen, dass die Kommission in der Entscheidung eine Reihe von Schriftstücken als Beweismittel angeführt hat, insbesondere ein Fax der Klägerin an NOE vom 28. Oktober 1997. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass mit diesem Fax auf eine am 24. Oktober 1997 von Nintendo France an NOE gerichtete Beschwerde reagiert wurde, die u. a. die Ausfuhr von Erzeugnissen aus Belgien betraf, wo die Klägerin der zugelassene Vertriebshändler von Nintendo war.

57 In dieser Beschwerde hieß es insbesondere:

"Auch wenn es solche grauen Einfuhren immer geben wird, meinen wir, dass NOE verschiedene Mittel besitzt, um [Nintendo France] bei der Begrenzung dieser Probleme zu helfen. Die wirksamsten sind:

1. ...

2. Verhandlungen mit den Vertriebshändlern, um solche Einfuhren zu vermeiden.

Manche (wir wissen dies positiv für Belgien und Italien) organisieren dies inoffiziell geradezu mit manchen Großhändlern oder sogar Einzelhändlern. Was würde passieren, wenn wir das Gleiche täten, indem wir ein sehr gefragtes Produkt mit Preisnachlass an ihre Kunden exportierten?"

58 In ihrem auf diese Beschwerde hin übersandten Fax an NOE vom 28. Oktober 1997 erklärte die Klägerin, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, bestimmte Produktmengen an BEM zu liefern, einen in Belgien ansässigen Großhändler, der möglicherweise Parallelhandel betrieb. In diesem in Randnr. 195 der Entscheidung erwähnten Fax hieß es:

"Ich habe Ihre Angaben überprüft und keine Übereinstimmung mit unseren Informationen festgestellt.

1) [BEM] hat bisher in mehreren Lieferpartien 960 Stück von Lylat Wars erhalten. Das ist gerade genug, um ihre etwa 100 Kunden im französischen Teil von Belgien zu beliefern.

2) Angesichts der Tatsache, dass [BEM] beim Start von Contact Data Belgium Konsolen nach Frankreich lieferte, sind wir mit diesem Kunden sehr vorsichtig und würden ihm niemals große Mengen liefern.

3) Wir haben nur 7 000 Stück von Lylat Wars erhalten und sind nicht in der Lage, 5 000 Stück Software an einen einzigen Kunden zu liefern.

...

Wie letzte Woche mit Ihnen diskutiert, sind wir mit unseren Lieferungen sehr vorsichtig, da wir keine Exporte wünschen, weil wir diese Waren für unseren belgischen Markt benötigen."

59 Entgegen dem Vorbringen der Kommission ergibt sich aus dem Wortlaut dieses Fax nicht eindeutig, dass der Klägerin bekannt war, dass sie Parallelexporte unterbinden sollte, und dass sie sich gegen die Behauptungen von Nintendo France über Parallelausfuhren aus Belgien verteidigen wollte. Insbesondere lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit der Schluss ziehen, dass durch die von der Klägerin erwähnte "Vorsicht" gegenüber generell mit Ausfuhren befassten Kunden belegt würde, dass sie die streitige Politik der Einschränkung des Parallelhandels billigte. Deshalb lässt sich nicht von vornherein die Darstellung der Klägerin verwerfen, dass sie sich auf die ihr zur Verfügung stehenden begrenzten Produktmengen im Sinne einer Information darüber bezogen habe, dass ihr aktive Verkäufe über einen in Belgien ansässigen Großhändler faktisch unmöglich gewesen seien.

60 Jedoch war das Fax vom 28. Oktober 1997, wie oben in Randnr. 58 ausgeführt, eine unmittelbare Reaktion auf das Schreiben vom 24. Oktober 1997, in dem sich Nintendo France über Parallelausfuhren aus Belgien - dem damaligen Alleinvertriebsgebiet der Klägerin für die fraglichen Produkte - beschwert und NOE gebeten hatte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Nintendo France aus diesen Ausfuhren entstehenden "Probleme" zu beheben. Die Klägerin hielt es deshalb, auf diese Beschwerde über Parallelexporte aus Belgien hin, für notwendig, sich hinsichtlich der ihr verfügbaren Mengen sowie der Bedingungen zu rechtfertigen, zu denen sie die fraglichen Erzeugnisse exportierte.

61 Was die Schriftstücke zu Paralleleinfuhren nach Belgien und Luxemburg angeht, stützte sich die Kommission darauf, dass zwischen Nintendo und bestimmten ihrer zugelassenen Vertriebshändler, darunter der Klägerin, im Hinblick auf den Parallelhandel ein System der praktischen Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs geschaffen worden sei. Die Beteiligung der Klägerin an dem System des Informationsaustauschs ergab sich nach Auffassung der Kommission aus mehreren in Randnr. 197 der Entscheidung angeführten Schreiben.

62 Der Wortlaut dieser verschiedenen Schreiben erlaubt, unter Weiterführung der vorstehenden Erwägungen, den Schluss, dass mit ihnen die Paralleleinfuhren von Nintendo-Erzeugnissen nach Belgien beanstandet werden sollten und dass sie sich dem von Nintendo geschaffenen System des Informationsaustauschs einfügten.

63 In ihrem vor dem relevanten Zeitraum an NOE gerichteten Schreiben vom 4. September 1997 führte die Klägerin aus:

"Unsere Kunden stornieren ihre Bestellungen von N64-Konsolen, weil sie sie offensichtlich preiswerter in Frankreich bekommen können. ... Dies ist eindeutig die Hauptpriorität für unsere Gespräche in Monaco. In diesem Kontext ist ohne Zweifel sofortiges Handeln geboten."

64 In dem ebenfalls in Randnr. 197 der Entscheidung angeführten Schreiben der Klägerin an NOE vom 3. November 1997 hieß es u. a.:

"Folgendes Angebot ist derzeit auf dem belgischen Markt. 1 420 Stück N64 HW ... mit deutschem Handbuch."

65 Im Fax der Klägerin vom 12. November 1997 an Nintendo France, die für die Festsetzung des Verkaufspreises der Erzeugnisse nicht zuständig war, wurde ausgeführt:

"Wir haben soeben eine Broschüre von Toys'R'Us erhalten, die den SNES Donkey Kong Country 3 in Belgien zu einem Endverkaufspreis von 1 495 [belgische Franken] (ca. 249 [französische Franc]) anbietet, obwohl er in Ihrer letzten Preisliste zu 372 [französische Franc] [ohne Steuern] angeboten wird. Handelt es sich um Paralleleinfuhren oder um ein Sonderangebot für diesen Artikel?"

66 Bei dem Schreiben von NOE an die Klägerin vom 4. Dezember 1997 handelte es sich um eine Bitte um Information über parallelimportierte Waren.

67 Der Umstand, dass sich die Klägerin in der Praxis am Parallelhandel beteiligte, indem sie Erzeugnisse an außerhalb von Belgien und Luxemburg ansässige Kunden exportierte, ist nicht geeignet, die oben in Randnr. 62 getroffene Feststellung in Frage zu stellen. Dass ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer nach Art. 81 Abs. 1 EG rechtswidrigen Abstimmung erwiesen ist, sich auf dem Markt nicht in der mit seinen Konkurrenten vereinbarten Weise verhalten hat, ist nämlich nicht zwangsläufig zu berücksichtigen. Ein Unternehmen, dass trotz der Abstimmung mit seinen Konkurrenten eine andere als die vereinbarte Politik verfolgt, versucht möglicherweise nur, die Vereinbarung zu seinem Vorteil auszunutzen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, Union Pigments/Kommission, T-62/02, Slg. 2005, II-5057, Randnr. 130).

68 Was schließlich die Beweise für das Verbot von Paralleleinfuhren nach Belgien und Luxemburg anbelangt, kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von der Kommission angeführten Schreiben (vgl. oben, Randnrn. 63 bis 66) fehlerhaft ausgelegt worden seien, weil sie sich mit diesen nur habe vergewissern wollen, dass der von ihr an Nintendo gezahlte Preis für die Produkte nicht zu hoch gewesen sei. Eine Gesamtschau dieser Schreiben, insbesondere des Fax vom 12. November 1997 (vgl. oben, Randnr. 65), ergibt nämlich, dass diese Schreiben die Frage der Produktpreise in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der Existenz von Paralleleinfuhren behandelten.

69 Nach alledem ist die Kommission fehlerfrei zu dem Schluss gelangt, dass sich die Klägerin an einer Vereinbarung beteiligte, mit der eine Beschränkung des Parallelhandels bezweckt wurde.

70 Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG ist deshalb zurückzuweisen.

Zum Vorliegen einer Verletzung der Begründungspflicht

71 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission nicht die Situation jedes einzelnen Vertriebshändlers dargestellt habe. Ausgangspunkt der Kommission sei damit die Annahme gewesen, dass alle Vertriebshändler mit Nintendo eine Behinderung des Parallelhandels vereinbart hätten, und zwar unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen die Vertriebsverträge geschlossen worden seien.

72 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. In der Entscheidung sind nämlich klar die tatsächlichen Umstände dargelegt, die im Fall jedes einzelnen Vertriebshändlers vorlagen. Speziell zur Klägerin enthält die Entscheidung zahlreiche Einzelangaben, die sich insbesondere auf die Vorgänge in Belgien und Luxemburg (Randnrn. 194 bis 197) sowie das Vorbringen zum Bestehen einer verbotenen Vereinbarung und zum Umfang der Zuwiderhandlung beziehen (Randnrn. 313 bis 330).

73 Im Übrigen muss die durch Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung nach ständiger Rechtsprechung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink's France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63, und des Gerichts vom 20. März 2002, Lögstör Rör/Kommission, T-16/99, Slg. 2002, II-1633, Randnr. 368).

74 Insoweit ist festzustellen, dass die Entscheidung, wie aus der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes hervorgeht, die Überlegungen der Kommission klar und eindeutig zum Ausdruck bringt und dass die Klägerin ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen konnte.

75 Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

76 Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission bei der Festsetzung eines Bußgeldbetrags wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG die Lage jedes betroffenen Unternehmens stets gesondert würdigen müsse. Die Kommission müsse insbesondere den Unterschieden Rechnung tragen, die zwischen den jeweiligen Rollen der fraglichen Unternehmen bei dem Verstoß bestanden hätten, sowie den Unterschieden in Ausmaß oder Dauer des Tatbeitrags. Die Kommission habe diese Grundsätze verkannt, indem sie gegen die Klägerin einen Bußgeldbetrag festgesetzt habe, der ebenso hoch gewesen sei wie im Fall der anderen Vertriebshändler von Nintendo oder sogar höher, obwohl die angeblich von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung nach Auswirkungen und Dauer begrenzter gewesen sei.

77 Überdies habe die Kommission gegenüber der Klägerin weder bestimmte mildernde Umstände, die die Leitlinien vorsähen, noch die speziellen Gegebenheiten ihres Falles berücksichtigt.

78 Insoweit macht die Klägerin zunächst geltend, in ihrem Verhalten zeige sich weder eine Absicht noch der Vorsatz, einen Verstoß zu begehen. Sie habe niemals an einer förmlichen Vereinbarung zur Beschränkung von Parallelimporten teilgenommen, Fragebogen erhalten oder Sitzungen besucht, in denen die Problematik der Parallelimporte diskutiert worden wäre. Die Klägerin betont, dass sie ein kleiner Vertriebshändler gewesen sei, der über keine rechtlich-wirtschaftlichen Kenntnisse und Infrastrukturen verfügt habe, die es größeren Unternehmen erlaubten, den rechtswidrigen Charakter ihres Verhaltens zu erkennen.

79 Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie, wenn man ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung unterstelle, nur eine passive Rolle gespielt hätte, was nach den Leitlinien zu einer Herabsetzung des gegen sie festgesetzten Bußgeldbetrags führen müsse. Die Kommission habe nämlich nicht nachgewiesen, dass sie mit der Unterrichtung von Nintendo über Paralleleinfuhren von Nintendo-Erzeugnissen eine aktive Rolle gespielt hätte. Die Klägerin habe sogar gegen die angebliche Vereinbarung gehandelt, indem sie die Erzeugnisse an Unternehmen im Ausland geliefert habe oder an Unternehmen ihres Vertriebsgebiets im Wissen darum, dass die Erzeugnisse später ausgeführt werden würden. Zudem habe sie zur Zeit der angeblichen Beschränkungen des Parallelhandels nicht zu den Vertriebshändlern von Nintendo gehört und sei darum über diese Beschränkungen nicht unterrichtet gewesen.

80 Die Klägerin meint, dass diese Umstände das Gericht veranlassen müssten, die gegen sie verhängte Geldbuße, wenn nicht für nichtig zu erklären, so doch nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung um 50 % herabzusetzen. Eine solche Herabsetzung sei Concentra zugutegekommen, obgleich ihre Rolle nicht weniger aktiv als die der Klägerin gewesen sei. In ihrer Erwiderung weist die Klägerin insbesondere darauf hin, dass Concentra, wie sie selbst, Informationen an NOE übermittelt habe.

81 Die Klägerin betont weiter, dass ihre angebliche Zuwiderhandlung jedenfalls nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. Sie habe die behauptete Vereinbarung nicht angewandt, und die ihr vorgeworfene Zuwiderhandlung sei, insbesondere im Vergleich zum Verhalten der übrigen Vertriebshändler, von sehr kurzer Dauer gewesen.

82 Die Klägerin wirft der Kommission im Übrigen vor, dass sie durch die Einteilung der Urheber der Zuwiderhandlung in drei Gruppen den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe. Insoweit rügt sie, dass sie hinsichtlich des Ausgangsbetrags der Geldbuße zu Unrecht in dieselbe Gruppe eingeordnet worden sei wie mehrere Vertriebshändler, die an der angeblichen Zuwiderhandlung wesentlich länger und im Gegensatz zu ihr aktiv teilgenommen hätten. Die Kommission habe den Gleichbehandlungsgrundsatz missachtet, weil sie unterschiedliche Fälle gleich behandelt habe, indem sie gegen diese Unternehmen den gleichen Grundbetrag in Höhe von 1 Million Euro festgesetzt habe.

83 In ihrer Erwiderung verweist die Klägerin insbesondere darauf, dass die Unterschiede zwischen den Marktanteilen der Unternehmen der dritten Gruppe größer seien als die zwischen den Marktanteilen der Unternehmen der drei Gruppen. Es sei deshalb schwer verständlich, dass angesichts der jeweiligen durchschnittlichen Anteile der betroffenen Unternehmen am Verkauf der fraglichen Produkte Concentra, die Linea GIG SpA, die Nortec AE, die Bergsala AB, Itochu und die Klägerin in ein und dieselbe Gruppe eingeordnet worden seien, John Menzies und Nintendo hingegen in verschiedene Gruppen. Dieser Unterschied sei erst recht nicht nachvollziehbar, wenn man die für jede dieser Gruppen festgesetzten Bußgeldgrundbeträge betrachte.

84 Die Kommission habe sich bei der Klassifizierung der fraglichen Unternehmen in drei Gruppen überdies zu Unrecht allein auf deren Marktanteile gestützt, was erkennen lasse, dass die tatsächlichen Auswirkungen ihres jeweiligen Verhaltens nicht berücksichtigt worden seien.

85 Ferner verletzt es nach Auffassung der Klägerin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass gegen einen abhängigen und kleinen Vertriebshändler wegen einer angeblichen Vereinbarung mit einer Geltungsdauer von höchstens zwei Monaten, die niemals angewandt und in Wirklichkeit fortwährend verletzt worden sei, eine Geldbuße in Höhe von 1 Million Euro verhängt worden sei.

86 Die Klägerin rügt ferner, dass die Kommission sie nicht schon am 9. Juni 1999 kontaktiert habe, als die Untersuchung vor ihrem Abschluss gestanden habe. Damit habe ihr die Kommission die Möglichkeit genommen, zu kooperieren und dadurch wegen Zusammenarbeit eine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um mindestens 40 % zu erlangen. Dass es die Kommission nicht für zweckmäßig gehalten habe, sie über die Untersuchung zu unterrichten und von ihr Auskünfte einzuholen, weise auf ihre begrenzte Rolle in dem von Nintendo geschaffenen System hin.

87 Schließlich habe die Kommission den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Verteidigungsrechte verletzt, da sie ihr nicht die Möglichkeit gegeben habe, sich in einer förmlichen Anhörung in Anwesenheit Dritter zu äußern. Die betroffenen Unternehmen müssten die Möglichkeit haben, zu den gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten und dem diesen zugrunde liegenden Aktenmaterial Stellung zu nehmen. Das Recht der Beteiligten, in einer förmlichen Anhörung unter Leitung eines unabhängigen Anhörungsbeauftragten gehört zu werden, sei im Rahmen der Anwendung der Vertragsbestimmungen über den Wettbewerb von besonderer Bedeutung; es handele sich dabei nämlich um die einzige Gelegenheit, sich gegenüber unabhängigen Dritten zu äußern, die die Entscheidung der Kommission beeinflussen könnten.

88 Im vorliegenden Fall habe die Kommission "missbräuchlich Einfluss" auf die Klägerin ausgeübt, damit sie auf ihr Recht auf Anhörung in Anwesenheit unabhängiger Dritter verzichte. Auch wenn die Kommission sie nicht ausdrücklich unter Druck gesetzt habe, damit sie auf ihren Anspruch auf eine förmliche Anhörung verzichte, habe die Kommission sie doch mit der Begründung, dass diese Möglichkeit Zeit und Aufwand ersparen könne, stark gedrängt, sich mit einer formlosen Anhörung zu begnügen. Faktisch habe die Kommission damit die Verteidigungsrechte der Klägerin im Verwaltungsverfahren beschränkt. Die Klägerin unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass trotz ihres Verzichts auf diesen Anspruch, weil die Kommission betont habe, sie wolle so rasch wie möglich eine Entscheidung erlassen, zwischen ihrem Antrag und dem Erlass der Entscheidung mehr als zwei Jahre vergangen seien. Die Klägerin meint ferner, dass die Kommission jedenfalls ihre Kooperation, die in dem Absehen von der Beantragung einer förmlichen Anhörung bestanden habe, hätte berücksichtigen und demgemäß den gegen sie festgesetzten Bußgeldbetrag hätte herabsetzen müssen.

89 In ihrer Erwiderung erläutert die Klägerin, sie habe nicht vorgetragen, dass die Kommission direkt oder explizit Druck auf sie ausgeübt habe, um sie dazu zu bewegen, auf ihre Verteidigung im Rahmen einer förmlichen Anhörung unter Leitung eines Anhörungsbeauftragten zu verzichten. Sie habe auch nicht behauptet, dass die Kommission sie über ihren Anspruch auf eine förmliche Anhörung nicht belehrt habe. Die Klägerin räumt ebenso ein, dass es Sache der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei, eine förmliche Anhörung zu beantragen. Sie macht jedoch geltend, dass sie auf dieses Recht verzichtet habe, weil ihr der für die Sache zuständige Beamte erklärt habe, dass die anderen Beteiligten auf dieses Recht bereits verzichtet hätten und dass die Dienststellen der Kommission so schnell wie möglich zu einer Entscheidung gelangen wollten. Diese Vorgehensweise der Kommission widerspreche Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18) in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162, S. 21), dem zufolge Anhörungen von einem Anhörungsbeauftragten durchgeführt würden. Aus diesen Vorschriften gehe hervor, dass alle Fragen, die den Anspruch der Beteiligten auf eine Anhörung beträfen, vom Anhörungsbeauftragten und nicht von den zuständigen, über die Sache entscheidenden Beamten der Kommission geprüft werden müssten. Die zuständigen Beamten seien daher nicht befugt, die Beteiligten zu kontaktieren, um mit ihnen darüber zu diskutieren, ob die Abhaltung einer Anhörung zweckmäßig sei. Falls eine solche Verletzung wesentlicher Förmlichkeiten nicht schon als solche zur Nichtigerklärung der davon betroffenen Entscheidung führen müsse, wäre sie doch wenigstens von der Kommission bei der Bußgeldzumessung zu berücksichtigen gewesen.

90 Die Kommission tritt allen von der Klägerin erhobenen Rügen entgegen.

Würdigung durch das Gericht

91 Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes trägt die Klägerin verschiedene Argumente vor, die sich zum einen auf die Art und Weise beziehen, in der der gegen sie festgesetzte Bußgeldbetrag bemessen wurde, und zum anderen auf den Ablauf des Verwaltungsverfahrens.

92 Diese Rügen werfen die Fragen auf, ob, erstens, bei der Festsetzung der Bußgeldbeträge die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit eingehalten wurden, ob, zweitens, in dem dem Erlass der Entscheidung vorangegangenen Verwaltungsverfahren die Verteidigungsrechte gewahrt wurden und ob, drittens, die Begründungspflicht erfüllt wurde.

Zur Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit bei der Bemessung des gegen die Klägerin festgesetzten Bußgeldbetrags

93 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ausweislich der Randnrn. 366 bis 464 der Entscheidung die Geldbußen, die sie wegen der festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen verhängte, auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 festsetzte und ihre Höhe, wie sie in ihrer Klagebeantwortung ausdrücklich bestätigt hat, nach der in den Leitlinien festgelegten Methode bemaß.

94 Auch wenn die Leitlinien nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden können, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, stellen sie doch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95 Mit ihrem Vorbringen, die Kommission habe es versäumt, in den verschiedenen Stadien der Bemessung des Bußgeldbetrags ihre besondere Situation zu berücksichtigen, vermengt die Klägerin jedoch weitgehend die Beurteilung der konkreten Auswirkungen eines Verstoßes auf den Markt zur Ermittlung der Schwere des Verstoßes (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien), in deren Rahmen die Auswirkungen des gesamten Verstoßes und nicht das tatsächliche Verhalten jedes Unternehmens zu berücksichtigen sind, mit der Beurteilung des individuellen Verhaltens jedes Unternehmens zur Bewertung erschwerender oder mildernder Umstände (Nrn. 2 und 3 der Leitlinien), in deren Rahmen nach dem Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen die relative Schwere des Tatbeitrags des Unternehmens zu prüfen ist.

96 Stützt sich die Kommission nämlich bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 und 2 der Leitlinien auf ihre Auswirkungen, so sind die Auswirkungen der gesamten Zuwiderhandlung, an der alle Unternehmen beteiligt waren, zu berücksichtigen, so dass es auf das individuelle Verhalten oder spezielle Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens insoweit nicht ankommt (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181, Randnr. 203).

97 Wird eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen, ist nach der Rechtsprechung indessen die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 150), um zu ermitteln, ob in ihrem Fall erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

98 Dies ist die logische Folge des Grundsatzes der Individualität von Strafen und Sanktionen, wonach ein Unternehmen nur für Handlungen bestraft werden darf, die ihm individuell zur Last gelegt werden; dieser Grundsatz gilt für alle Verwaltungsverfahren, die zu Sanktionen nach den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft führen können (Urteil Union Pigments/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 119; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T-45/98 und T-47/98, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 63).

99 Die Nrn. 2 und 3 der Leitlinien sehen insoweit eine Änderung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe bestimmter erschwerender und mildernder Umstände vor, die sich auf den Einzelfall jedes Unternehmens beziehen.

100 Das Vorbringen der Klägerin ist daher je nachdem, ob es sich auf die Festsetzung des Grundbetrags nach Maßgabe der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung oder auf die Feststellung bestimmter mildernder Umstände bezieht, gesondert zu prüfen.

- Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße: Einteilung der betroffenen Unternehmen zur Festsetzung des jeweiligen Bußgeldgrundbetrags und Dauer des Tatbeitrags

101 Nach der in den Leitlinien festgelegten Methode nimmt die Kommission zum Ausgangspunkt ihrer Berechnung der gegen die betroffenen Unternehmen festzusetzenden Bußgeldbeträge einen Betrag, der nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung festgelegt wird. Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und seine konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1). In diesem Rahmen sind die Verstöße in drei Gruppen unterteilt, nämlich die "minder schweren Verstöße", für die die in Betracht kommenden Bußgeldbeträge zwischen 1 000 bis 1 Million Euro betragen, die "schweren Verstöße", für die Bußgeldbeträge zwischen 1 Million und 20 Millionen Euro in Betracht kommen, und die "besonders schweren Verstöße" mit in Betracht kommenden Bußgeldbeträgen oberhalb von 20 Millionen Euro (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 2 erster bis dritter Gedankenstrich). Innerhalb dieser einzelnen Kategorien ermöglicht laut den Leitlinien die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 3). Es ist nach den Leitlinien außerdem nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und den Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen und die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4).

102 Innerhalb der drei so festgelegten Kategorien von Verstößen sollen die festgesetzten Beträge nach den Leitlinien in bestimmten Fällen gewichtet werden, um - vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren - das jeweilige Gewicht und damit die tatsächlichen Auswirkungen des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen und folglich den Ausgangspunkt des Grundbetrags entsprechend dem jeweiligen Gewicht des einzelnen Unternehmens anzupassen (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 6).

103 Im vorliegenden Fall wendet sich die Klägerin weder gegen die Feststellung, dass es sich um einen besonders schweren Verstoß handele, noch die Erwägungen, auf deren Grundlage die Kommission den Verstoß als besonders schwer einstufte und die sich auf die Art des Verstoßes, seine tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt und auf den Umfang des betroffenen räumlichen Marktes bezogen (Randnrn. 374 bis 384 der Entscheidung). Die Klägerin stellt auch nicht den Grundsatz, nach dem die Teilnehmer an einer Vereinbarung in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, als solchen in Frage. Die Klägerin wirft der Kommission vielmehr vor, sie habe die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verkannt, indem sie zum einen die Klägerin in dieselbe Kategorie wie andere, größere Unternehmen eingeordnet und zum anderen nicht ordnungsgemäß gewürdigt habe, dass die Tatbeiträge der verschiedenen Unternehmen nach Dauer und Intensität unterschiedlich gewesen seien.

104 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Methode, nach der die an einer Vereinbarung Beteiligten, um sie im Stadium der Festsetzung der Grundbeträge von Geldbußen differenzierend zu behandeln, in Kategorien eingeteilt werden und die im Übrigen vom Gericht, obwohl dabei die Größenunterschiede zwischen Unternehmen derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben, für grundsätzlich zulässig erklärt worden ist, zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen derselben Kategorie festgesetzten Grundbetrags führt (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T-26/02, Slg. 2006, II-713, Randnr. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105 Zwar muss bei einer solchen Einteilung in Kategorien der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden, wonach gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. Auch muss die Höhe der Geldbußen nach der Rechtsprechung zumindest in angemessenem Verhältnis zu den Faktoren stehen, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle gespielt haben. Jedoch muss sich das Gericht bei der Prüfung, ob die Einteilung der an einer Vereinbarung Beteiligten in Kategorien mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht, im Rahmen seiner Kontrolle, ob die Kommission das ihr in diesem Bereich zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat, darauf beschränken, zu überprüfen, ob die Einteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist, ohne die Beurteilung der Kommission sogleich durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (vgl. Urteil Daiichi Pharmaceutical/Kommission, oben in Randnr. 104 angeführt, Randnrn. 84 und 85).

106 Im vorliegenden Fall war die Kommission der Auffassung, dass "[d]ie beteiligten Unternehmen ... grundsätzlich aufgrund ihrer relativen Bedeutung gegenüber Nintendo ... als Vertriebshändler der Produkte (und zwar ausschließlich dieser Produkte) im EWR in drei Gruppen unterteilt werden [können]. Diese relative Bedeutung bestimmt sich nach dem Anteil jeder Partei an dem für Vertriebszwecke im EWR im Jahr 1997, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, gekauften Gesamtvolumen an Nintendo-Spielkonsolen und Spielkassetten" (Randnr. 386 der Entscheidung). So wurde Nintendo (mit einem geschätzten Marktanteil von [vertraulich](1) %) in die erste Gruppe und John Menzies (mit einem geschätzten Marktanteil von [vertraulich] %) in die zweite Gruppe eingeteilt. Die übrigen betroffenen Unternehmen (mit Marktanteilen von [vertraulich] % bis [vertraulich] %), darunter die Klägerin, wurden der dritten Gruppe zugeordnet.

107 Die Entscheidung der Kommission, die Unternehmen mit einem Marktanteil am Vertrieb der fraglichen Erzeugnisse unter [vertraulich] % zu einer Gruppe zusammenzufassen, kann nicht als willkürlich angesehen werden und überschreitet nicht die Grenzen des ihr in diesem Bereich zustehenden Ermessens.

108 Dass die Grundbeträge für die einzelnen Kategorien nicht strikt proportional zu den jeweiligen Marktanteilen der betroffenen Unternehmen sind, ist nicht zu beanstanden, weil dies nur das Ergebnis des Systems der Einteilung in Kategorien und der mit ihm verbundenen Pauschalierung der Beträge ist. Selbst wenn nämlich wegen der Einteilung in Gruppen gegen bestimmte Unternehmen trotz ihrer unterschiedlichen Größe der gleiche Grundbetrag festgesetzt wird, ist diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt, weil der Art der Zuwiderhandlung bei der Bestimmung ihrer Schwere ein sehr viel größeres Gewicht zukommt als der Unternehmensgröße (vgl. Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T-213/00, Slg. 2003, II-913, Randnr. 411 und die dort angeführte Rechtsprechung).

109 Auch wenn im vorliegenden Fall, relativ betrachtet, zwischen den Marktanteilen der derselben Gruppe zugeordneten Unternehmen Unterschiede bestehen, sind diese doch in absoluten Zahlen nicht so bedeutend, dass sie die Einordnung der Klägerin in eine andere Gruppe rechtfertigten. Insbesondere hat die von der Kommission verwendete Methode nicht zu einer grob verfälschenden Darstellung der fraglichen Märkte geführt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T-15/02, Slg. 2006, II-497, Randnr. 159). Denn der fragliche Markt, d. h. der Markt des Vertriebs der Nintendo-Erzeugnisse, wurde zur Zeit der fraglichen Vorgänge von Nintendo und ihren Tochtergesellschaften beherrscht. Die unabhängigen Vertriebshändler hatten, mit Ausnahme von John Menzies, im fraglichen Vertriebssystem nur eine relativ untergeordnete Stellung (vgl. Randnrn. 388 bis 390 der Entscheidung).

110 Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass das Bestehen relativ großer Unterschiede zwischen den Marktanteilen der in die letzte Kategorie eingeteilten Unternehmen, das dem System der Einteilung in Kategorien und der mit ihm verbundenen Pauschalierung innewohnt, objektiv gerechtfertigt ist. Der Befugnis der Kommission, eine Einteilung in Kategorien vorzunehmen, würde ein großer Teil ihrer Zweckmäßigkeit genommen, wenn jeder zwischen Marktanteilen bestehende Unterschied, der in relativen Zahlen bedeutend ist, obwohl er in Prozentpunkten eine sehr geringe Bedeutung hat, der Einteilung verschiedener Unternehmen in dieselbe Kategorie entgegenstünde.

111 Die Klägerin kann der Kommission in diesem Rahmen nicht vorwerfen, dass sie in diesem Stadium nicht die Unterschiede zwischen den Tatbeiträgen der einzelnen Unternehmen berücksichtigt habe, da diese Unterschiede nur im Stadium der Prüfung mildernder Umstände berücksichtigt werden können (vgl. oben, Randnrn. 97 bis 99).

112 Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, dass die Kommission eine Berücksichtigung der sehr kurzen Dauer des Tatbeitrags der Klägerin versäumt habe, genügt der Hinweis, dass nach der in den Leitlinien festgelegten Methode der Bußgeldbetrag nach Maßgabe der Dauer erst geändert wird, nachdem der Bußgeldbetrag nach Maßgabe der Schwere festgesetzt worden ist.

113 Im Übrigen hat die Kommission in Randnr. 404 der Entscheidung klar darauf hingewiesen, dass sie, da die Beteiligung der Klägerin nur etwas mehr als zwei Monate gedauert habe, aus diesem Grund den nach Maßgabe der Schwere vorläufig festgesetzten Bußgeldbetrag nicht unter dem Gesichtspunkt der Dauer erhöht habe. Folglich hat die Kommission die relativ kurze Dauer des Tatbeitrags der Klägerin ordnungsgemäß berücksichtigt.

- Zum Vorliegen mildernder Umstände und zur Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in diesem Zusammenhang

114 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob es die Kommission zu Recht ablehnte, im Fall der Klägerin bestimmte Umstände zu berücksichtigen, nämlich erstens den Umstand, dass sie nicht über Kenntnisse verfügt habe, die ihr die Einsicht ermöglicht hätten, dass ihr Verhalten eine Zuwiderhandlung sei, und zweitens den Umstand, dass sie bei der Zuwiderhandlung eine passive Rolle gespielt habe.

115 Der erste geltend gemachte Umstand kann, wie auch die Kommission hervorgehoben hat, nicht als ein mildernder Umstand im Sinne der Leitlinien angesehen werden. Dass es in Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien heißt, es könne "auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Großunternehmen in den meisten Fällen über juristischen und wirtschaftlichen Sachverstand und Ressourcen verfügen, anhand deren sie besser erkennen können, in welchem Maß ihre Vorgehensweise einen Verstoß darstellt und welche Folgen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu gewärtigen sind", bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass die Kommission verpflichtet wäre, die geringe Größe bestimmter Unternehmen zu berücksichtigen.

116 Hinsichtlich des zweiten geltend gemachten Umstands, d. h. der angeblich passiven Rolle der Klägerin bei der Zuwiderhandlung, ist daran zu erinnern, dass die Kommission in Randnr. 431 der Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin NOE spontan über Parallelimporte informiert habe und daher ihre Beteiligung als aktiv betrachtet werden müsse. Die Kommission verwies insoweit auf Randnr. 197 der Entscheidung, in der vier Schreiben der Klägerin vom 4. September, 3. November, 12. November und 4. Dezember 1997 erwähnt sind.

117 Das oben in Randnr. 63 zitierte Schreiben vom 4. September 1997 datiert aus der Zeit vor dem Zeitraum der Zuwiderhandlung und ist daher unerheblich. In den Schreiben an NOE vom 3. November und 4. Dezember 1997 wird das Vorliegen bestimmter Angebote von Nintendo-Erzeugnissen auf dem belgischen und dem luxemburgischen Markt mitgeteilt. Aus dem Schreiben vom 12. November 1997 geht hervor, dass sich die Klägerin mit Nintendo France, und nur mit dieser, wegen Spielkassetten in Verbindung setzte, hinsichtlich deren sie den Verdacht hegte, dass sie parallel importiert worden seien.

118 Was Concentra anbelangt, sind die der Feststellung ihrer passiven Rolle zugrunde liegenden Umstände in den Randnrn. 212, 213 und 421 der Entscheidung dargelegt. Es heißt dort u. a., zwar gebe es keine Beweise dafür, dass Concentra Parallelhandel verhindert oder zu verhindern versucht habe, jedoch existierten "Beweise dafür, dass Concentra NOE über Parallelimporte nach Portugal berichtete und deswegen an NOE appellierte" (vgl. Randnrn. 212 und 213 der Entscheidung). Es ist unstreitig, dass von den vier in Randnr. 213 der Entscheidung genannten Schreiben von Concentra an NOE oder an die Nintendo of America, Inc., drei der Beantwortung von Fragebogen dienten und eines spontan abgeschickt wurde. In dem spontan übersandten Schreiben vom 21. November 1997, das in Randnr. 213 der Entscheidung auszugsweise zitiert wird, teilte Concentra mit:

"Wir sind leider davon überzeugt, dass manche Einzelhändler der Versuchung nicht widerstehen werden, zusätzliche Gewinne mit N64 zu machen ... [weiter heißt es dort, als Appell an NOE:] Hoffentlich kann Nintendo sehr schnell eine Lösung finden."

119 Es ist festzustellen, dass die von der Kommission angeführten Schriftstücke sowie die Umstände ihrer Übermittlung keinen deutlichen Unterschied zwischen der Rolle der Klägerin und der von Concentra bei dem Verstoß erkennen lassen. Die unterschiedliche Behandlung durch die Kommission ist umso weniger gerechtfertigt, als zum einen die Klägerin in den Markt, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden hat, besonders spät eingetreten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Randnr. 168 und die dort angeführte Rechtsprechung) und zum anderen Concentra mit Nintendo einen den Wettbewerb beschränkenden förmlichen Vertriebsvertrag geschlossen hatte, was bei der Klägerin nicht der Fall war.

120 Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzte, indem sie eine ausschließlich passive Rolle der Klägerin bei der Zuwiderhandlung verneinte, aber zugunsten von Concentra diesen mildernden Umstand anerkannte.

121 Demnach greift der vorliegende Klagegrund teilweise durch, und die Entscheidung ist entsprechend dahin abzuändern, dass der Klägerin wegen des mildernden Umstands, der im passiven Charakter der bei der streitigen Zuwiderhandlung gespielten Rolle liegt, der gleiche Satz der Herabsetzung der Geldbuße gewährt wird wie Concentra, d. h. eine Herabsetzung um 50 %. Die konkreten Folgen dieser Abänderung werden nachstehend dargelegt.

Zur Wahrung der Verteidigungsrechte der Klägerin und des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung

122 Zu der Behauptung, dass die Kommission die Klägerin dazu veranlasst habe, auf ihren Anspruch auf eine förmliche Anhörung zu verzichten, ist festzustellen, dass sie durch nichts gestützt wird. Die Klägerin hat nämlich vorgetragen, dass ihr die Kommission "am 3. Juli 2000 mitgeteilt [habe], dass alle anderen Adressaten auf ihr Recht auf eine Anhörung verzichtet hätten und dass die Kommission die Sache so rasch wie möglich voranbringen wolle", und dass sie hierdurch stillschweigend dazu gedrängt worden sei, sich ihres Anspruchs auf eine förmliche Anhörung zu begeben.

123 Dieser Vortrag vermag keine Verletzung der Verteidigungsrechte oder auch des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung zu belegen. Überdies hat die Kommission in dem Begleitschreiben zur Mitteilung der Beschwerdepunkte klar darauf hingewiesen, dass es nach der Verordnung Nr. 2842/98 Sache der Beteiligten sei, in ihren Schriftsätzen eine Darlegung ihres Vorbringens im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu beantragen.

124 Ebenso wenig kann das auf einer falschen Prämisse beruhende Argument durchgreifen, dass die Kommission Art. 10 der Verordnung Nr. 2842/98 in Verbindung mit Art. 4 des Beschlusses 2001/462 verkannt habe. Diese Bestimmungen sehen nämlich vor, dass "[d]ie Anhörungen ... vom Anhörungsbeauftragten durchgeführt [werden]" (Art. 10 der Verordnung Nr. 2842/98) und dass "[d]ie in den Durchführungsvorschriften zu Art. 81 [EG] und 82 [EG] ... vorgesehenen Anhörungen ... von dem Anhörungsbeauftragten ... vorbereitet und durchgeführt [werden]" (Art. 4 des Beschlusses 2001/462). Daraus ergibt sich keineswegs, dass nur die Anhörungsbeauftragten die beschuldigten Unternehmen kontaktieren dürfen, um mit ihnen die etwaige Abhaltung einer förmlichen Anhörung zu erörtern und sie darüber zu unterrichten. Eine solche Kontaktaufnahme, die sich in den Rahmen der laufenden Verwaltungstätigkeit einfügt, greift daher nicht in die dem Anhörungsbeauftragten übertragene Aufgabe ein.

125 Dass sich die Klägerin dafür entschied, keine mündliche Anhörung zu beantragen, kann im Übrigen nicht als eine Zusammenarbeit ausgelegt werden, aufgrund deren ihr eine Herabsetzung des gegen sie festgesetzten Bußgeldbetrags zugutekommen kann. Als eine Zusammenarbeit, die gegebenenfalls Anspruch auf eine Herabsetzung der Geldbuße nach Nr. 3 der Leitlinien gibt, kann nämlich nur eine "aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren" angesehen werden, d. h. ein Verhalten, das es der Kommission ermöglicht hat, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C-297/98 P, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 36, und vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C-328/05 P, Slg. 2007, I-3921, Randnr. 83). Der Verzicht auf eine mündliche Anhörung kann daher, selbst wenn man annähme, dass er der Kommission erlaubt hätte, den Erlass der Entscheidung nicht hinauszuschieben, nicht als eine Zusammenarbeit im Sinne von Nr. 3 der Leitlinien angesehen werden.

126 Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission ihr dadurch, dass sie sie nicht schon am 9. Juni 1999 über die Untersuchung unterrichtet habe, eine Möglichkeit der Zusammenarbeit genommen habe. Wie vorstehend in Randnr. 125 in Erinnerung gebracht, setzt nämlich eine etwaige Herabsetzung des Bußgeldbetrags gegen ein Unternehmen nach Nr. 3 der Leitlinien eine "aktive Mitwirkung" voraus. Im vorliegenden Fall weist jedoch nichts darauf hin, dass die Klägerin eine solche Mitwirkung hätte leisten können, da sie selbst geltend macht, sie habe von den inkriminierten Praktiken nichts gewusst.

127 Nach alledem sind die den Ablauf des Verwaltungsverfahrens betreffenden Rügen zurückzuweisen.

Zur Einhaltung der Begründungspflicht

128 Zu dem Vorbringen, dass die Entscheidung im Hinblick auf die besondere Situation der Klägerin nicht zureichend begründet worden sei, genügt der Hinweis, dass sich die Kommission ausweislich der Randnrn. 194 bis 197, 313 bis 330, 352, 359, 404, 430 und 431 der Entscheidung in klarer Weise auf die speziellen Gegebenheiten der Situation der Klägerin bezog. Eine solche Begründung genügt den Anforderungen des Art. 253 EG in seiner Auslegung durch die oben in Randnr. 73 angeführte Rechtsprechung.

3. Zu dem in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Klagegrund, der sich auf die Dauer des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens bezieht

129 Soweit die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass der gegen sie festgesetzte Bußgeldbetrag angesichts der Dauer des Verwaltungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens herabgesetzt werden müsse, kann ihrem Vorbringen gleichfalls nicht gefolgt werden.

130 Soweit mit diesem Klagegrund die Dauer des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission gerügt wird, ist er nämlich nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für unzulässig zu erklären, da dieser Klagegrund, der nicht in der Klageschrift geltend gemacht worden ist, nicht als eine Erweiterung eines bereits vorher ausdrücklich oder stillschweigend in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels angesehen werden kann und nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt ist, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Im Übrigen ist unter den Umständen des vorliegenden Falles der Klagegrund einer übermäßigen Dauer des Verfahrens vor der Kommission nicht von Amts wegen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1999, SGA/Kommission, T-189/95, T-39/96 und T-123/96, Slg. 1999, II-3587, Randnr. 46, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2000, SGA/Kommission, C-39/00 P, Slg. 2000, I-11201, Randnrn. 42 bis 45).

131 Zur Dauer des Verfahrens vor dem Gericht ist festzustellen, dass eine etwaige übermäßige Dauer des gerichtlichen Verfahrens nicht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung berühren kann, die das Gericht zu kontrollieren hat. Dieser Klagegrund geht folglich ins Leere.

4. Zur Festsetzung des Endbetrags der Geldbuße

132 Wie sich aus den obigen Randnrn. 116 bis 121 ergibt, ist die Entscheidung abzuändern, soweit darin der Klägerin die Anerkennung des mildernden Umstands ihrer ausschließlich passiven Rolle bei der Zuwiderhandlung versagt wurde, obgleich im Fall von Concentra dieser mildernde Umstand anerkannt wurde.

133 Im Übrigen bleiben die von der Kommission in der Entscheidung dargelegten Erwägungen sowie die im vorliegenden Fall angewandte Methode zur Berechnung der Geldbußen unberührt.

134 Der Endbetrag der Geldbuße ist daher wie folgt zu berechnen: Der Grundbetrag der gegen die Klägerin festzusetzenden Geldbuße (1 Million Euro) wird wegen des mildernden Umstands ihrer ausschließlich passiven Rolle bei der Zuwiderhandlung um 50 % herabgesetzt, was zu einem Endbetrag von 500 000 Euro führt.

Kostenentscheidung:

Kosten

135 Nach Art. 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Unter den Umständen des vorliegenden Falles sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Betrag der gegen die CD-Contact Data GmbH verhängten Geldbuße wird auf 500 000 Euro festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Wahl

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. April 2009.



Ende der Entscheidung

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