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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 13.04.2000
Aktenzeichen: T-18/98
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 4 Anhangs VII
EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Einzelrichter) vom 13. April 2000. - Peter Reichert gegen Europäisches Parlament. - Beamte - Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts - Auslandszulage - Ort der Ausübung der hauptberuflichen Tätigkeit. - Rechtssache T-18/98.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nach Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Anhang VII des Statuts) steht den Beamten eine Auslandszulage zu.

2 Gemäß Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels wird die Auslandszulage nur den Beamten gewährt, "die die Staatsangehörigkeit des Staates, in dessen Hoheitsgebiet sie ihre Tätigkeit ausüben, nicht besitzen und nicht besessen haben" (erster Gedankenstrich) und "während eines sechs Monate vor ihrem Dienstantritt ablaufenden Zeitraums von fünf Jahren in dem europäischen Hoheitsgebiet des genannten Staates weder ihre ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt noch ihren ständigen Wohnsitz gehabt haben" (zweiter Gedankenstrich).

3 Nach Artikel 21 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften gelten die Bestimmungen des Statuts betreffend die Auslandszulage auch für die Bediensteten auf Zeit.

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

4 Der Kläger, ein Journalist mit deutscher Staatsangehörigkeit, war vom 1. April 1989 bis zum 30. Juni 1991 bei der VWD-Vereinigte Wirtschaftsdienste GmbH (im folgenden: VWD) beschäftigt. Zunächst war er vom 1. April bis zum 31. Oktober 1989 dem Zentralen Nachrichtentisch in Eschborn und anschließend, vom 1. November 1989 bis zum 30. Juni 1991, der VWD-Redaktion Brüssel zugewiesen.

5 Vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Mai 1996 arbeitete er als Korrespondent für die "Wirtschaftswoche" in Brüssel.

6 Er ist seit dem 17. Juli 1991 "mit seinem Wohnsitz" im Melderegister der belgischen Gemeinde Wezembeek-Oppem eingetragen, hat aber parallel dazu seinen früheren Wohnsitz in Aachen (Deutschland) beibehalten.

7 Im Mai 1993 erwarben er und seine Ehefrau ein Haus in Overijse (Belgien), wo sie sich zwei Monate später niederließen.

8 Seit dem 1. Juni 1996 nimmt er beim Europäischen Parlament (im folgenden: Parlament) als Bediensteter auf Zeit im Pressereferat der Sozialistischen Fraktion die Aufgaben eines Verwaltungsrats wahr.

9 Mit Entscheidung vom 31. Januar 1997 verweigerte ihm das Parlament die Gewährung der Auslandszulage gemäß Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts.

10 Am 29. April 1997 legte der Kläger nach einem Schriftwechsel mit dem Parlament gegen die genannte Entscheidung Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein.

11 Das Parlament wies mit Entscheidung vom 21. Oktober 1997 die Beschwerde als unbegründet zurück.

Verfahren

12 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 19. Januar 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

13 Nach Anhörung der Parteien am 20. Dezember 1999 hat das Gericht (Vierte Kammer) die vorliegende Rechtssache durch Beschluß an den Berichterstatter als Einzelrichter verwiesen.

14 Der Einzelrichter hat beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15 Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Februar 2000 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Einzelrichters beantwortet.

Anträge der Parteien

16 Der Kläger beantragt,

- den ablehnenden Beschwerdebescheid vom 21. Oktober 1997 sowie die Festsetzung der Dienstbezuege in den monatlichen Individualabrechnungen seit dem 1. Juni 1996, soweit sie keine Auslandszulage enthalten, aufzuheben;

- das Parlament bzw. seine zuständige Anstellungsbehörde zu verurteilen, dem Kläger seit seinem Dienstantritt beim Parlament die Auslandszulage nach den einschlägigen Bestimmungen zuzueglich gerichtsüblicher Zinsen für die Vergangenheit seit dem 1. Juni 1996 zu gewähren;

- dem Parlament die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Der Beklagte beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- über die Kosten entsprechend den geltenden Bestimmungen zu entscheiden.

Entscheidungsgründe

18 Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts wird die Auslandszulage nur gewährt, wenn der Beamte in dem sechs Monate vor dem Dienstantritt ablaufenden fünfjährigen Bezugszeitraum weder seinen ständigen Wohnsitz in dem Land des Dienstorts gehabt noch dort seine ständige hauptberufliche Tätigkeit ausgeuebt hat (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Oktober 1984 in der Rechtssache 188/83, Witte/Parlament, Slg. 1984, 3465, Randnr. 8).

19 Ist eine der beiden Voraussetzungen nicht erfuellt, kann die Auslandszulage nicht gewährt werden.

20 Der Kläger stützt seine Anträge allein auf den Klagegrund der Verletzung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs VII des Statuts. Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Der erste ist auf Feststellung eines Beurteilungsfehlers bei der Bestimmung des Ortes der Ausübung seiner hauptberuflichen Tätigkeit gerichtet und der zweite auf Feststellung eines Beurteilungsfehlers bei der Bestimmung seines ständigen Wohnsitzes.

Zur Bestimmung des Ortes der Ausübung seiner hauptberuflichen Tätigkeit

Vorbringen der Parteien

21 Nach Ansicht des Klägers befand sich der Ort der Ausübung seiner hauptberuflichen Tätigkeit bei seiner Einstellung durch das Parlament und in den fünf Jahren und sechs Monaten davor ausserhalb Belgiens. Hierfür macht er folgendes geltend: Sein Beruf als Journalist habe es erfordert, sich ständig in andere Länder der Europäischen Union, insbesondere nach Frankreich und nach Luxemburg, zu begeben. Angesichts seiner häufigen Reisen von Brüssel aus sei die Zeit, die er während seiner Berufsjahre als Journalist in Brüssel ausserhalb Belgiens verbracht habe, länger als die dort verbrachte Zeit. Deshalb könne man nicht behaupten, daß er seine hauptberufliche Tätigkeit in dem sechs Monate vor seinem Dienstantritt beim Parlament ablaufenden Fünfjahreszeitraum in Belgien ausgeuebt habe. Bei der Anwendung dieser Voraussetzung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich des Anhangs VII des Statuts im konkreten Fall müsse man sich also auf ein zeitliches Kriterium stützen.

22 In der Sitzung hat der Kläger ausserdem vorgebracht, daß in einer Situation wie der seinen, wo die Tätigkeit für eine Leserschaft ausgeuebt werde, die sich nicht notwendigerweise am Tätigkeitsort aufhalte, für die Gewährung der Auslandszulage auch die intellektuellen und geistigen Bindungen an das Land der Leser und des Verlagshauses zu berücksichtigen seien, für das die Berichte bestimmt seien, in seinem Fall also Deutschland.

23 Der Beklagte wendet dagegen ein, daß in den von den früheren Arbeitgebern des Klägers ausgestellten Bescheinigungen eindeutig Brüssel als Tätigkeitsort angegeben sei. Ausserdem habe der Kläger immer ein Quartier und ein Büro in Brüssel gehabt, was beweise, daß er dort fest etabliert gewesen sei.

24 In der Sitzung hat der Beklagte zudem geltend gemacht, daß über die Gewährung der Auslandszulage entgegen den Behauptungen des Klägers anhand objektiver Kriterien und konkreter Anhaltspunkte zu entscheiden sei und nicht auf der Grundlage nicht greifbarer Nachweise wie der "geistigen" Bindungen an ein bestimmtes Land.

Würdigung durch das Gericht

25 Nach ständiger Rechtsprechung soll die Auslandszulage nach Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts die besonderen Belastungen und Nachteile ausgleichen, die der Dienstantritt bei den Gemeinschaften für die Beamten mit sich bringt, die hierdurch gezwungen sind, von ihrem Wohnland in das Dienstland umzuziehen und sich in eine neue Umgebung zu integrieren. Indem diese Vorschrift für die Bestimmung der Fälle, in denen eine Auslandszulage gewährt wird, auf die Begriffe des ständigen Wohnsitzes und der hauptberuflichen Tätigkeit des Beamten im Hoheitsgebiet des Staates, in dem er seine Tätigkeit ausübt, während eines bestimmten Bezugszeitraums abstellt, will sie einfache und objektive Kriterien aufstellen, die den Schluß zulassen, daß der Beamte so in die Umgebung, in der er tätig sein soll, integriert ist, daß ausgeschlossen werden kann, daß er dort objektiv als fremd erscheint (vgl. zuletzt Urteil des Gerichts vom 8. April 1992 in der Rechtssache T-18/91, Costacurta Gelabert/Kommission, Slg. 1992, II-1655, Randnr. 42).

26 Der Kläger hatte während des gesamten Bezugszeitraums einen Vertrag als Redakteur mit VWD. Dieser sah vor, daß er der Niederlassung von VWD in Brüssel zugewiesen war, um dort mindestens 38,5 Stunden in der Woche tätig zu sein. Zudem übte er keine andere Berufstätigkeit aus als diejenige aufgrund dieses Vertrages. Schließlich besaß er auch ein Büro und eine Wohnung in Brüssel, während er bei seinen Reisen nach Frankreich und Luxemburg dort weder Quartier noch Büro hatte.

27 Aus alledem folgt, daß der Mittelpunkt der hauptberuflichen und ständigen Tätigkeit des Klägers während des Bezugszeitraums in Brüssel lag.

28 Selbst wenn man im übrigen mit dem Kläger ein zeitliches Kriterium anwenden wollte, so führten auch die aus den Akten hervorgehenden Tatsachen zu der Erkenntnis, daß er in Wirklichkeit die meiste Zeit in Brüssel arbeitete: Der Kläger hat erklärt, von seinen 305 in der genannten Zeit verfassten Berichten hätten 120 Brüssel betroffen, 113 andere allgemein interessierende Themen und nur 90 andere Länder der Europäischen Union. Schließlich hat er in der Sitzung eingeräumt, daß er selbst bei seinen Reisen nach Frankreich oder Luxemburg selten dort blieb.

29 Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, daß der Kläger während des Bezugszeitraums seine hauptberufliche Tätigkeit in Belgien ausübte.

30 Da die Auslandszulage nach Artikel 4 des Anhangs VII des Statuts nur gewährt wird, wenn die beiden darin aufgeführten Voraussetzungen erfuellt sind, ist die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen wäre, ob die zweite Voraussetzung erfuellt ist, ob also der Kläger während des Bezugszeitraums tatsächlich seinen ständigen Wohnsitz ausserhalb Belgiens hatte.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

32 Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

33 Im vorliegenden Fall trägt deshalb jede Partei ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Einzelrichter)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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