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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 29.06.1995
Aktenzeichen: T-183/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 822/87, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 822/87 Art. 39
EG-Vertrag Art. 184
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Rechtsakt verliert seine allgemeine Geltung und damit seinen Normcharakter nicht dadurch, daß sich die Rechtssubjekte, auf die er zu einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, solange feststeht, daß diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt im Zusammenhang mit seiner Zielsetzung umschrieben ist. Diese Rechtssubjekte können nur dann als individuell betroffen angesehen werden, wenn sie durch die angefochtene Handlung in ihrer Rechtsstellung aufgrund von Umständen betroffen sind, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten.

Bei der Festsetzung der zu destillierenden Tafelweinmenge für die Region 4, Italien, für das Wirtschaftsjahr 1993/94 durch die Verordnung Nr. 343/94 und des in diesem Zeitraum von den betroffenen Erzeugern zur Destillation zu liefernden Prozentsatzes ihrer Erzeugung durch die Verordnung Nr. 610/94 wurden jedoch objektive Angaben zugrunde gelegt, die von den nationalen Behörden hinsichtlich der Daten für das fragliche Wirtschaftsjahr geliefert wurden, ohne daß auf eine bei den Tafelweinerzeugern der Region Venezien bestehende besondere Situation abgestellt wurde. Diese werden durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Tafelweinerzeuger ebenso wie alle anderen in diesem Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmer betroffen, so daß sie die Bestimmungen nicht mit der Nichtigkeitsklage anfechten können, da die Voraussetzungen nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages nicht erfuellt sind.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE ERWEITERTE KAMMER) VOM 29. JUNI 1995. - CANTINA COOPERATIVE FRA PRODUTTORI VITIVINICOLI DI TORRE DI MOSTO UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - LANDWIRTSCHAFT - GEMEINSAME MARKTORGANISATION FUER WEIN - REGELUNG DER OBLIGATORISCHEN DESTILLATION - ZULAESSIGKEIT - DURCH EINE VERORDNUNG INDIVIDUELL BETROFFENER KLAEGER. - RECHTSSACHE T-183/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

1 Mit Klageschrift, die am 29. April 1994 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, haben 43 Genossenschaften, Zusammenschlüsse von Weinbauern und als Einzelpersonen handelnde Weinbauern gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: EG-Vertrag) Klage auf Nichtigerklärung mehrerer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften betreffend die obligatorische Destillation auf dem Weinsektor erhoben.

2 Der Zweck der Maßnahmen zur obligatorischen Destillation von Tafelwein im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Wein ergibt sich aus der Grundverordnung auf diesem Gebiet, der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 des Rates vom 16. März 1987 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl. L 84, S. 1), deren 44. Begründungserwägung lautet: "Die obligatorische Destillation erscheint als die geeignetste Maßnahme zum Abbau der Tafelweinüberschüsse auf dem Markt. Diese Maßnahme sollte deshalb ausgelöst werden, sobald ein schwerwiegendes Marktungleichgewicht deutlich wird. Ausserdem sind für die Beurteilung dieses Ungleichgewichts genaue Kriterien festzulegen."

3 Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung Nr. 822/87 lautet:

"(1) Ergibt sich während eines Weinwirtschaftsjahres auf dem Markt der Tafelweine und der zur Gewinnung von Tafelwein geeigneten Weine ein schwerwiegendes Ungleichgewicht, so wird eine obligatorische Destillation von Tafelwein beschlossen.

Ein schwerwiegendes Ungleichgewicht des Marktes im Sinne des Unterabsatzes 1 liegt vor, wenn

a) die zu Beginn des Wirtschaftsjahres festgestellten vorhandenen Mengen den normalen Verbrauch um mehr als vier Monate übersteigen;

b) die Erzeugung den normalen Verbrauch um mehr als 9 % übersteigt oder

c) das gewogene Mittel der repräsentativen Preise für alle Tafelweinarten zu Beginn eines Wirtschaftsjahres während eines noch festzulegenden Zeitraums unter 82 % des Orientierungspreises bleibt."

4 Nach Artikel 39 Absatz 2 der Verordnung Nr. 822/87 legt die "Kommission... die Mengen fest, die zur obligatorischen Destillation geliefert werden müssen, um die Erzeugungsüberschüsse zu beseitigen und so insbesondere hinsichtlich der für das Ende des Wirtschaftsjahres vorhersehbaren vorhandenen Mengen und der Preise wieder eine normale Marktlage herzustellen."

5 In Artikel 39 Absatz 3 der Verordnung Nr. 822/87 heisst es:

"Die zu destillierende Gesamtmenge, die nach Absatz 2 zu bestimmen ist, wird auf die verschiedenen Erzeugungsregionen der Gemeinschaft aufgeteilt, die nach Mitgliedstaaten aufgegliedert werden.

Die hinsichtlich jeder Erzeugungsregion zu destillierende Menge ist proportional zu dem festgestellten Unterschied zwischen

° der Erzeugung von Tafelwein und festzulegenden Ausgangsstoffen für die Tafelweinerzeugung der betreffenden Region im jeweiligen Wirtschaftsjahr einerseits und

° einem einheitlichen Prozentsatz des Durchschnitts der Erzeugung von Tafelwein und von festzulegenden Ausgangsstoffen für die Tafelweinerzeugung der betreffenden Region in drei aufeinanderfolgenden Bezugsweinwirtschaftsjahren andererseits."

6 In Artikel 39 Absatz 4 der Verordnung Nr. 822/87 heisst es:

"Die zu destillierende Menge, die nach Absatz 3 festgelegt wird, wird auf die einzelnen Tafelweinerzeuger jeder Erzeugungsregion aufgeteilt.

Für die der Verpflichtung unterliegenden Erzeuger entspricht die zu destillierende Menge einem noch festzulegenden Prozentsatz seiner in der Erzeugungsmeldung genannten Tafelweinmenge und von Ausgangsstoffen der Tafelweinerzeugung.

Dieser Prozentsatz

° ergibt sich aus einer progressiv gestaffelten Skala, die nach Maßgabe des Hektarertrags erstellt wird;

° kann je nach den bisher erzielten Erträgen von einer Region zur anderen unterschiedlich sein;

° kann bei denjenigen Erzeugern 0 % betragen, deren Hektarerträge unter einem noch festzulegenden Niveau liegen.

Die von jedem Erzeuger zur Destillation zu liefernde Tafelweinmenge entspricht der gemäß Unterabsatz 3 festzulegenden Menge..."

7 In Artikel 39 Absatz 5 der Verordnung Nr. 822/87 heisst es:

"Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission gemäß Absatz 9 die in jeder abgegrenzten Erzeugungsregion hergestellten Tafelweinmengen, gegliedert nach Ertragsklasse, mit. Diese Angaben werden aufgrund der in Artikel 3 vorgesehenen Erzeugungsmeldungen zusammengestellt.

Aufgrund dieser Mitteilungen wird

a) die Gesamtmenge, die in der Gemeinschaft zu destillieren ist, festgelegt;

b) diese Menge auf die in Absatz 3 genannten Erzeugungsregionen aufgeteilt;

c) gemeinsam mit den betreffenden Mitgliedstaaten der Prozentsatz festgesetzt, der auf die Erzeugung jedes der Verpflichtung unterliegenden Erzeugers anzuwenden ist, damit der für jede Region vorgesehene Umfang der Destillation erreicht wird."

8 Gemäß Artikel 39 Absatz 11 der Verordnung Nr. 822/87 werden, wenn "Schwierigkeiten [auftreten], welche die Durchführung oder eine ausgewogene Anwendung der in Absatz 1 genannten obligatorischen Destillation gefährden könnten,... nach dem Verfahren des Artikels 83 die erforderlichen Maßnahmen beschlossen, um sicherzustellen, daß die Destillation tatsächlich durchgeführt wird". Es handelt sich dabei um ein Verfahren, in dem der Verwaltungsausschuß für Wein mit der in Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages geregelten Mehrheit entscheidet.

9 In Artikel 39 Absatz 9 der Verordnung Nr. 822/87 heisst es:

"Nach dem Verfahren des Artikels 83 wird folgendes festgelegt:

°...

°...

° die Durchführung der Destillation gemäß Absatz 1;

° die Durchführungsbestimmungen zu Absatz 2 und die gemäß diesem Absatz zu destillierende Gesamtmenge;

° die Kriterien für die Abgrenzung der in Absatz 3 genannten Erzeugungsgebiete, die nach Mitgliedstaaten aufgegliedert werden, sowie die Abgrenzung dieser Gebiete;

° der einheitliche Prozentsatz, die aufeinanderfolgenden Bezugswirtschaftsjahre sowie nach Mitgliedstaaten aufgegliedert die Aufteilung der zu destillierenden Mengen auf die Regionen gemäß Absatz 3;

° die progressive gestaffelte Skala und die Prozentsätze gemäß Absatz 4..."

10 Gemäß Artikel 1 Absatz 6 der Verordnung Nr. 822/87 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1734/91 des Rates vom 13. Juni 1991 (ABl. L 163, S. 6) ist unter einem Weinwirtschaftsjahr der Zeitraum zwischen dem 1. September eines jeden Jahres und dem 31. August des darauffolgenden Jahres zu verstehen.

11 In Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3929/87 der Kommission vom 17. Dezember 1987 über die Ernte-, Erzeugungs- und Bestandsmeldungen für Erzeugnisse des Weinsektors (ABl. L 369, S. 59) heisst es: "Die Mitgliedstaaten schätzen den Hektarertrag der Tafelweinerzeugung in ihrem Hoheitsgebiet. Sie teilen der Kommission bis 20. Januar die Ergebnisse dieser Schätzungen nach... Ertragsklassen mit"; in dieser Vorschrift werden sieben Ertragsklassen festgelegt.

12 In Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 441/88 der Kommission vom 17. Februar 1988 mit Durchführungsbestimmungen für die obligatorische Destillation gemäß Artikel 39 der Verordnung Nr. 822/87 (ABl. L 45, S. 15) sind die Erzeugungsregionen der Gemeinschaft geregelt: Region 4 entspricht Italien.

13 Gemäß Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung Nr. 441/88 erfolgt die Lieferung des Tafelweins "spätestens

° am 31. Juli, wenn der Wein an eine Brennerei geliefert wird,

° am 15. Juli, wenn der Wein an einen Brennweinhersteller geliefert wird.

Die Lieferung kann bis zu 15 Tage nach Ablauf der vorgenannten Fristen erfolgen. In diesem Fall wird der Ankaufspreis der betreffenden Mengen um einen Betrag gekürzt, der 50 % der für das betreffende Wirtschaftsjahr festgesetzten Beihilfe entspricht. Die Beihilfe sowie der Preis für den gewonnenen und an die Interventionsstelle gelieferten Alkohol werden um denselben Betrag gekürzt."

Gemäß Artikel 12 Absatz 5 der Verordnung dürfen die Destillationsmaßnahmen nicht nach dem 31. August 1994 durchgeführt werden.

14 In diesem Zusammenhang wurde die Verordnung (EG) Nr. 343/94 der Kommission vom 15. Februar 1994 zur Eröffnung der obligatorischen Destillation gemäß Artikel 39 der Verordnung Nr. 822/87 und zur Abweichung von diesbezueglichen Durchführungsbestimmungen für das Wirtschaftsjahr 1993/94 (ABl. L 44, S. 9) erlassen. In Artikel 1 dieser Verordnung heisst es:

"(1) Es wird beschlossen, die in Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 vorgesehene Destillation für das Wirtschaftsjahr 1993/94 durchzuführen.

(2) Die zu destillierende Gesamtmenge Tafelwein beläuft sich auf 18 200 000 Hektoliter.

(3) In den in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 441/88 der Kommission vorgesehenen Gebieten sind folgende Mengen zu destillieren:

°...

° Gebiet 4: 12 150 000 hl..."

15 Die Artikel 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 465/94 der Kommission vom 1. März 1994 zur Festsetzung des zur obligatorischen Destillation gemäß Artikel 39 der Verordnung Nr. 822/87 zu liefernden Prozentsatzes der Tafelweinerzeugung für das Wirtschaftsjahr 1993/94 für die Regionen 3 und 6 (ABl. L 58, S. 2) enthalten folgende Regelung:

"Artikel 1

(1) In Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 441/88 wird die Erzeugung der Ernte 1993/94 [für die Regionen 3 und 6] nach [verschiedenen] Ertragsklassen aufgeschlüsselt...

(2) Der Durchschnittsertrag der Region 3 beträgt 62,7 Hektoliter, der der Region 6 26,2 Hektoliter je Hektar.

Artikel 2

Die Menge, die jeder Erzeuger zur Destillation zu liefern hat, wird bestimmt, indem auf die in Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 441/88 genannte Menge der Prozentsatz angewandt wird, der in der Tabelle im Anhang aufgeführt ist und dem Ertrag entspricht, der gemäß Artikel 7 der vorgenannten Verordnung bestimmt wird..."

16 In Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 610/94 der Kommission vom 18. März 1994 zur Änderung der Verordnung Nr. 465/94 (ABl. L 77, S. 12), in der festgestellt wird, daß Italien die Angaben zur Erzeugung von Tafelwein und deren Aufteilung nach Ertragsklassen übermittelt hat und folglich der zur Destillation zu liefernde Anteil an der Erzeugung der jeweiligen Lieferanten für die Region 4 festzusetzen ist, heisst es:

"Die Verordnung (EG) Nr. 465/94 wird wie folgt geändert:

1....

2. In Artikel 1 Absatz 1 wird der nachstehende Buchstabe c) angefügt:

' c) Region 4:

Erzeugung, die mit einem Hektoliter je Hektar ausgedrückten Ertrag von

° bis zu 45: 1 887 143 Hektoliter,

° mehr als 45, jedoch nicht mehr als 70: 8 394 081 Hektoliter,

° mehr als 70, jedoch nicht mehr als 90: 11 843 922 Hektoliter,

° mehr als 90, jedoch nicht mehr als 110: 10 209 474 Hektoliter,

° mehr als 110, jedoch nicht mehr als 125: 4 853 825 Hektoliter,

° mehr als 125, jedoch nicht mehr als 140:2 002 827 Hektoliter,

° mehr als 140, jedoch nicht mehr als 170: 1 261 827 Hektoliter,

° mehr als 170, jedoch nicht mehr als 200:195 041 Hektoliter,

° mehr als 200: 238 774 Hektoliter

erzielt wurde.'

3. In Artikel 1 Absatz 2 wird der nachstehende Unterabsatz angefügt:

' Der Durchschnittsertrag der Region 4 beträgt 77 Hektoliter je Hektar.'

4. Der Anhang wird durch den Anhang zur vorliegenden Verordnung ersetzt."

17 Die Kommission hat durch ihre Verordnung (EG) Nr. 1960/94 vom 27. Juli 1994 mit abweichenden Bestimmungen zur obligatorischen und unterstützenden Destillation des von den Erzeugern zu liefernden Tafelweins im Wirtschaftsjahr 1993/94 (ABl. L 198, S. 96) in Abweichung von Artikel 12 Absatz 4 erster Gedankenstrich und Absatz 5 der Verordnung Nr. 441/88 die Frist für die Lieferung von Tafelwein an eine Brennerei bis zum 27. August 1994 und die Frist für die Destillationsmaßnahmen bis zum 20. September 1994 verlängert.

18 Schließlich wurde durch Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3151/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 mit einer abweichenden Maßnahme betreffend eine zusätzliche Lieferung von Tafelwein im Rahmen der obligatorischen Destillation des Wirtschaftsjahres 1993/94 (ABl. L 332, S. 32) in der später berichtigten Fassung (ABl. L 341, S. 76) in Abweichung von der Verordnung Nr. 343/94 und von Artikel 12 Absatz 4 Unterabsatz 2 und Artikel 12 Absatz 5 der Verordnung Nr. 441/88 die Frist für die Lieferung des Weines zur obligatorischen Destillation für das Wirtschaftsjahr 1993/94 bis zum 29. Januar 1995 verlängert.

Verfahren und Anträge der Parteien

19 Die Cantina cooperativa fra produttori vitivinicoli di Torre di Mosto und 42 weitere Kläger haben in diesem Zusammenhang die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung folgender Bestimmungen erhoben:

° Artikel 1 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 343/94, der die in der "Region 4" zu destillierende Menge für das Wirtschaftsjahr 1993/94 auf 12 150 000 hl festlegt;

° Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 2 Unterabsatz 2 sowie Absatz 3 (Anhang soweit er Region 4 betrifft) der Verordnung Nr. 465/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 610/94, soweit die "Region 4" betroffen ist;

° alle weiteren mit diesen Bestimmungen zusammenhängenden und/oder diesen vorausgehenden Handlungen.

Inzidenter wird gemäß Artikel 184 EG-Vertrag die Ungültigkeit folgender Bestimmungen geltend gemacht:

° Artikel 39 Absatz 4 der Verordnung Nr. 822/87 wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, soweit diese Bestimmung als Menge, die für die einzelnen der Verpflichtung unterliegenden Erzeuger zu destillieren ist, einen Prozentsatz nach Maßgabe des "Hektarertrags" festlegt;

° Artikel 4 Absatz 2 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 441/88, der die "Region 4" betrifft, wegen Verletzung höherrangigen Rechts.

20 Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 25. Mai 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Kläger haben ihre Erklärungen zu dieser Unzulässigkeitseinrede am 5. Juli 1994 eingereicht.

21 Daneben haben die Kläger mit Schriftsatz, der am 24. Mai 1994 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Bestimmungen eingereicht (Aktenzeichen T-183/94 R), mit dem sie beantragen, "die Aussetzung des Vollzugs der fraglichen Bestimmungen in den angegebenen Grenzen anzuordnen". Mit Schriftsatz, der am 20. Juni 1994 in das Register eingetragen worden ist, haben die Kläger diesen Antrag zurückgenommen. Mit Beschluß vom 11. Juli 1994 hat der Präsident des Gerichts die Streichung der Rechtssache T-183/94 R im Register des Gerichts angeordnet und den Klägern die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auferlegt.

22 Der Rat hat mit Schriftsatz, der am 11. Juli 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden; die Kläger und die Kommission haben mit Schriftsätzen, die am 2. und am 8. August 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, erklärt, daß sie hiergegen keine Einwendungen erhöben.

23 Der Rat hat, nachdem er durch Beschluß des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer vom 16. September 1994 als Streithelfer zugelassen worden war, am 17. Oktober 1994 seinen Streithilfeschriftsatz eingereicht, zu dem die Kläger mit Schriftsatz vom 14. November 1994 Stellung genommen haben.

24 Die Kläger haben am 1. Februar 1995 einen ergänzenden Schriftsatz gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung über neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im Laufe des Verfahrens vorgebracht werden können, eingereicht. Mit am 21. und am 24. Februar 1995 eingegangenen Schriftsätzen haben die Kommission und der Rat zu diesem neuen rechtlichen Vorbringen Stellung genommen.

25 Die Kläger beantragen,

° die angefochtenen Handlungen für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26 Die Kommission beantragt,

° die Klage für unzulässig zu erklären;

° den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

27 In ihren Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit beantragen die Kläger,

° zur Prüfung der Begründetheit der Klage überzugehen;

° der Klage stattzugeben und die angefochtenen Handlungen für nichtig zu erklären sowie der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der Klage

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

28 Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, da die Kläger Weinerzeuger seien, die ihre Tätigkeit als Einzelpersonen oder als Zusammenschlüsse von Erzeugern in einem Teil des italienischen Hoheitsgebiets, nämlich in Venezien, ausübten. Sie wendeten sich im Kern gegen das System der obligatorischen Destillation nach Artikel 39 der Verordnung Nr. 822/87, das auf der Grundlage des Begriffes des "Hektarertrags" angewendet werde, wie er zuletzt in den Artikeln 1 der Verordnungen Nr. 343/94 und 465/94 zur Anwendung komme. Die Handlungen, deren Nichtigerklärung die Kläger beantragten, beträfen sie jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts weder mittelbar noch individuell, da sie Verordnungen seien.

29 Im vorliegenden Fall würden die Kläger durch keine der angefochtenen Bestimmungen in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt oder als Adressaten einer Handlung bezeichnet. Daß sie durch die angefochtenen Bestimmungen betroffen seien, beruhe vielmehr auf einem tatsächlichen Umstand, ihrer Eigenschaft als Weinerzeuger. Die Weinbauern der Region Venezien könnten eindeutig nicht als Adressaten der angefochtenen Bestimmungen angesehen werden. Gewiß beträfen diese zweifellos auch die Erzeuger von Venezien, dies aber nur insofern, als diese Erzeuger eben Weinbauern seien, die zu einer Kategorie von Wirtschaftsteilnehmern gehörten, die anhand objektiver Umstände definiert werden könnten.

30 Im Hinblick auf den von den Klägern angeführten Umstand, daß sie durch einige der angefochtenen Bestimmungen individuell betroffen seien, da sie als gewissenhafte Wirtschaftsteilnehmer in den vergangenen Jahren die gesamte ihnen auferlegte Menge destilliert hätten und folglich eine zusätzliche Destillation vornehmen müssten, um von anderen Wirtschaftsteilnehmern des Weinsektors nicht destillierte Mengen auszugleichen, führt die Kommission aus, angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts könne dieser Umstand die Rechtsstellung der Kläger nicht gegenüber derjenigen der anderen Wirtschaftsteilnehmer des Sektors abheben.

31 Schließlich stellten die angefochtenen Handlungen jedenfalls in formeller und in materieller Hinsicht Verordnungen dar, die Vorschriften von allgemeiner Tragweite festlegten und auf eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern zur Anwendung kämen, die sich anhand ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer des Sektors der Weinerzeugung abstrakt definieren ließen. Sowohl die Verordnung Nr. 343/94, mit der die Gesamtmengen des in den verschiedenen Regionen zu destillierenden Tafelweins für das Wirtschaftsjahr 1993/94 festgelegt würden, als auch die Verordnung Nr. 465/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 610/94, mit der der zur obligatorischen Destillation zu liefernde Prozentsatz der Tafelweinerzeugung für die einzelnen Erzeuger der verschiedenen Regionen nach Maßgabe des Hektarertrags festgesetzt werde, beträfen offensichtlich die Gesamtheit der Weinerzeuger der Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer des Sektors. Die Mechanismen, auf deren Grundlage die Gesamtmenge des destillierten Tafelweins für die einzelnen Regionen der Gemeinschaft und die Prozentsätze des Tafelweins, die der jeweilige Erzeuger zur Destillation zu liefern habe, festgesetzt würden, entsprächen allgemeinen und abstrakten Kriterien, und beträfen die Weinerzeuger aufgrund eines objektiven Kriteriums, das abstrakt auf jeden Erzeuger Anwendung finde, bei dem die ° durch den Ort und den Hektarertrag seiner Erzeugung genau festgelegten ° objektiven Bedingungen der Erzeugung vorlägen.

32 In ihren Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit machen die Kläger demgegenüber geltend, diese Einrede solle den Gemeinschaftsrichter dazu veranlassen, seine Aufgabe als Sachurteilsgericht nicht wahrzunehmen. Die angefochtenen Bestimmungen seien ein Bündel individueller Bestimmungen, die sie unmittelbar beträfen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70 und 44/70, Fruit Company/Kommission, Slg. 1971, 411). Die Kläger seien ferner eine Gesamtheit landwirtschaftlicher Genossenschaften, deren Rechtsstellung durch die Verfassung der Italienischen Republik, insbesondere durch ihre Artikel 2 und 45 gewährleistet sei, sie bewirtschafteten als solche selbst den Boden und seien damit Landwirte im eigentlichen Sinn, da nur Landwirte im eigentlichen Sinn Mitglieder der landwirtschaftlichen Genossenschaften sein könnten. Aufgrund all dieser Faktoren hätten die Kläger gegenüber der Gesamtheit der Weinerzeuger im Rahmen der Gemeinschaft oder im nationalen italienischen Rahmen eine spezifische und andersartige Stellung.

33 Zudem ermögliche nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nur eine eingehende Prüfung des Sachverhalts unter Zugrundelegung der gesamten einschlägigen Rechtsvorschriften die Feststellung, welcher Art die angefochtenen Handlungen tatsächlich seien (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Juli 1956 und vom 29. November 1956 in der Rechtssache 8/55, Fédération charbonnière de Belgique/Hohe Behörde, Slg. 1956, 199 und 297). Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bestimmungen sei die Tafelweinmenge, auf die die Destillationsmaßnahme anzuwenden gewesen sei, aufgrund der Meldungen der Kläger bekannt und im voraus bestimmt gewesen.

34 Sie hätten ihren Antrag auf einstweilige Anordnung zurückgenommen, weil sie vor dem nationalen Gericht, dem Tribunale Amministrativo Regionale del Lazio, das Ergebnis erreicht hätten, das sie mit ihrem Antrag an den Gemeinschaftsrichter im Verfahren der einstweiligen Anordnung angestrebt hätten, nämlich die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidungen bis zum Erlaß einer Gerichtsentscheidung in der Sache. Damit habe das nationale Gericht konkludent anerkannt, daß die vom Gemeinschaftsgericht zu erlassende Entscheidung die Begründetheit des Rechtsstreit betreffen werde. Folglich stelle ein auf die Prüfung der Zulässigkeit der Klage beschränktes Urteil des Gerichts eine Rechtsverweigerung gegenüber den Klägern dar.

35 Die Kläger gehen auch in ihrer Klageschrift auf die Frage der Zulässigkeit ihrer Klage ein. Sie bezeichnen sich insoweit, als die "Unternehmen und Einzelpersonen, die die Gesamtheit der Wirtschaftsteilnehmer der Region Venezien" auf dem Gebiet der Tafelweinerzeugung darstellten und damit als "die Betroffenen und hauptsächlichen Adressaten der gemeinsamen Agrarpolitik... und der damit verbundenen gemeinsamen Marktorganisation... für Wein"; die Bestimmungen, deren Nichtigerklärung sie beantragten, beträfen sie daher, obwohl sie in der Form einer Verordnung ergangen seien, unmittelbar und individuell.

36 Die streitigen Verordnungen beruhten auf von den Klägern selbst gelieferten Informationen und würden auch auf dieser Grundlage angewendet. Diese Informationen (Ernte-, Erzeugungs- und Bestandsmeldungen) seien für die Höhe der gesamten und der regionalen Destillationsverpflichtungen maßgeblich. Die Menge von 12 150 000 hl sei auf der Grundlage einer Vorbilanz festgesetzt worden, für die die Mitgliedstaaten die Meldungen der Erzeuger und der Händler gemäß der Verordnung Nr. 3929/87 übermitteln müssten. Auch die regionale Aufschlüsselung nach Ertragsklassen beruhe auf der in Artikel 8 dieser Verordnung geregelten Übersicht über die Meldungen der Weinbauern nach den Artikeln 1 und 2 dieser Verordnung.

37 Die Adressaten der streitigen Verordnungen seien bei deren Erlaß bereits bestimmt gewesen, da die im Wirtschaftsjahr 1993/94 tätigen Erzeuger Betriebe gewesen seien, die zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hätten und deren Identität bekannt gewesen sei. So regelten diese Verordnungen unmittelbar Verpflichtungen für konkrete bereits bestimmte Personen, auch wenn die genaue Höhe der Destillationsverpflichtungen von einem noch nicht feststehenden Gesichtspunkt, nämlich der genauen Erzeugung des Jahres, abhänge.

38 Die streitigen Verordnungen beträfen daher keine potentielle, allgemeine und abstrakte Kategorie von Personen oder Unternehmen, sondern bestimmte Rechtssubjekte, die eine feststehende Gruppe bildeten.

39 Folglich erlitten die ° durch die streitigen Verordnungen unmittelbar betroffenen ° Kläger, da sie ihre Destillationsverpflichtung für das Wirtschaftsjahr 1993/94 in vollem Umfang erfuellt hätten, aufgrund der Bestimmungen, deren Nichtigerklärung beantragt werde, einen individuellen Schaden, weil ihnen durch diese Bestimmungen im Verhältnis zu den Weinbauern im allgemeinen in unabwendbarer und spezifischer Weise zusätzliche und nicht gerechtfertigte Belastungen auferlegt würden. Nach der Gemeinschaftsrechtsprechung rechtfertige daher die Besonderheit der Situation der Kläger in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht, die sie aus der Allgemeinheit der Adressaten der streitigen Maßnahmen heraushebe, ihre Klagebefugnis, und zwar insbesondere deshalb, weil die Kläger sich in Anbetracht der "Trägheit" der nationalen Behörden an das Gericht wenden müssten, um den Eintritt einer schwerwiegenden Diskriminierung zu ihren Lasten zu verhindern.

40 Die Kläger beantragen, die Einrede der Unzulässigkeit zumindest im Hinblick auf die Genossenschaften uneingeschränkt zurückzuweisen.

41 In seinem Streithilfeschriftsatz schließt sich der Rat dem Vorbringen der Kommission an und führt insbesondere aus, daß die Kläger gemäß Artikel 184 des Vertrages die Rechtswidrigkeit von Artikel 39 Absatz 4 der Verordnung Nr. 822/87 und Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 441/88 nur geltend machen könnten, wenn ihre Klage die in Artikel 173 EG-Vertrag geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfuelle. Nach ständiger Rechtsprechung könnten Personen jedoch nur dann als individuell betroffen angesehen werden, wenn sie in ihrer Rechtsstellung aufgrund von Umständen betroffen seien, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushöben und sie in ähnlicher Weise individualisierten wie einen Adressaten (Beschluß des Gerichtshofes vom 21. Juni 1993 in der Rechtssache C-257/93, Van Parijs u. a./Rat und Kommission, Slg. 1993, I-3335). Die nach dieser Rechtsprechung bestehenden Voraussetzungen seien jedoch im vorliegenden Fall gewiß nicht erfuellt, da die Kläger durch die angefochtenen Bestimmungen nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmer, die eine wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Weinsektor ausübten, und in der gleichen Weise wie jede andere Person in der gleichen Lage betroffen seien.

42 Soweit die klagenden Genossenschaften Berufsverbände der der Destillationsverpflichtung unterliegenden Erzeuger seien, sei ihre Nichtigkeitsklage nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1962 in den Rechtssachen 16/62 und 17/62, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, Slg. 1962, 963; in den Rechtssachen 19/62 bis 22/62, Fédération nationale de la boucherie en gros et du commerce en gros des viandes u. a./Rat, Slg. 1962, 1005; vom 5. November 1986 in der Rechtssache 117/86, UFADE/Rat und Kommission, Slg. 1986, 3255, und vom 14. Januar 1988 in der Rechtssache 55/86, Arposol/Rat, Slg. 1988, 13).

43 In ihrem "ergänzenden Schriftsatz" vom 1. Februar 1995 machen die Kläger geltend, aufgrund der neuen Bestimmungen der Verordnung Nr. 3151/94, durch die die Fristen für die Lieferung von Tafelwein zur obligatorischen Destillation über das am 31. August 1994 endende Weinwirtschaftsjahr 1993/94 hinaus verlängert würden, seien die angefochtenen Bestimmungen auch deshalb ungültig, weil sie ihre Aufgabe nicht mehr erfuellten und nicht mehr der Notwendigkeit entsprächen, das Ungleichgewicht des Weinwirtschaftsjahres 1993/94 im Laufe desselben Wirtschaftsjahres zu beseitigen, sondern fortan vielmehr darauf gerichtet seien, dieses Ungleichgewicht dadurch auszugleichen, daß die Verpflichtung zur Lieferung von Tafelweinen zur Destillation im Laufe des folgenden Wirtschaftsjahres durchgeführt werde.

44 Die Kommission macht, unterstützt vom Rat, geltend, die Vorschriften der Verordnung Nr. 3151/94 könnten im Hinblick auf die vorliegende Rechtssache nicht als neue Gesichtspunkte angesehen werden, da mit ihnen lediglich eine Verlängerung der Frist für die Durchführung der Destillationsverpflichtung, die bereits in den mit der Klageschrift angefochtenen Bestimmungen geregelt sei, bezweckt werde.

45 Jedenfalls täten die Kläger nicht dar, inwiefern sich aus der Verordnung Nr. 3151/94 ein neuer Aspekt im Hinblick auf die in ihrer Klageschrift enthaltenen Ausführungen ergebe.

Würdigung durch das Gericht

46 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung wird über eine vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt; im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend, so daß die mündliche Verhandlung nicht eröffnet zu werden braucht.

47 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts kann der einzelne gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages gegen jede Entscheidung vorgehen, die ihn, obwohl sie als Verordnung ergangen ist, unmittelbar und individuell betrifft. Mit dieser Bestimmung soll insbesondere verhindert werden, daß die Gemeinschaftsorgane allein durch die Wahl der Form der Verordnung die Klage eines einzelnen gegen eine Entscheidung ausschließen können, die ihn unmittelbar und individuell betrifft; auf diese Weise soll klargestellt werden, daß die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Handlung nicht ändern kann (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juni 1980 in den Rechtssachen 789/79 und 790/79, Calpak/Kommission, Slg. 1980, 1949, und Beschluß des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-476/93, FRSEA und FNSEA/Rat, Slg. 1993, II-1187).

48 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts verliert ein Rechtsakt im übrigen seine allgemeine Geltung und damit seinen Normcharakter nicht dadurch, daß sich die Rechtssubjekte, auf die er zu einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, solange feststeht, daß diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt im Zusammenhang mit seiner Zielsetzung umschrieben ist (Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1968 in der Rechtssache 6/68, Zuckerfabrik Watenstedt/Rat, Slg. 1968, 612, vom 16. April 1970 in der Rechtssache 64/69, Compagnie française commerciale et financière/Kommission, Slg. 1970, 221, vom 5. Mai 1977 in der Rechtssache 101/76, Koninklijke Scholten Honig/Rat und Kommission, Slg. 1977, 797, vom 16. März 1978 in der Rechtssache 123/77, UNICME u. a./Rat, Slg. 1978, 845, Calpak/Kommission, a. a. O., vom 30. September 1982 in der Rechtssache 242/81, Roquette Frères/Rat, Slg. 1982, 3213, vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86, Deutz und Geldermann/Rat, Slg. 1987, 941, vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris/Kommission, Slg. 1988, 2181; Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 160/88 R, Fédération européenne de la santé animale/Rat, Slg. 1988, 4121; Urteile des Gerichtshofes vom 24. November 1992 in den Rechtssachen C-15/91 und C-108/91, Buckl & Söhne u. a./Kommission, Slg. 1992, I-6061, vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-213/91, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1993, I-3177; Beschlüsse des Gerichtshofes vom 24. Mai 1993 in der Rechtssache C-131/92, Arnaud u. a./Rat, Slg. 1993, I-2573, vom 21. Juni 1993 in der Rechtssache C-288/93, Comaco/Rat, nicht in der Sammlung veröffentlicht; Beschluß des Gerichts in der Rechtssache FRSEA und FNSEA/Rat, a. a. O., Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853).

49 Nach ebenso ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts können Wirtschaftsteilnehmer nur dann als individuell betroffen angesehen werden, wenn sie durch die angefochtene Handlung in ihrer Rechtsstellung aufgrund von Umständen betroffen sind, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten (vgl. hierzu Beschlüsse Comaco/Rat, a. a. O., FRSEA und FNSEA/Rat, a. a. O., und Urteil des Gerichtshofes, Codorniu/Rat, a. a. O.).

50 Im vorliegenden Fall betreffen die Verordnungsbestimmungen, deren Nichtigerklärung direkt oder durch die Erhebung der Einrede der Rechtswidrigkeit des Artikels 39 Absatz 4 der Verordnung Nr. 822/87 oder des Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 441/88 beantragt wird, die Gesamtheit der Tafelweinerzeuger aufgrund objektiver Kriterien.

51 Die angefochtenen Bestimmungen betreffen die Kläger daher entgegen ihrem Vorbringen keineswegs wegen persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebender Umstände; vielmehr richten sie sich in abstrakten und allgemeinen Formulierungen an Gruppen von nicht bestimmten Personen und gelten für objektiv bestimmte Sachverhalte.

52 Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen richten sich nämlich nicht speziell an die Kläger und betreffen diese nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Tafelweinerzeuger ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer, der sich gegenwärtig oder zukünftig in der gleichen Situation befindet.

53 Was erstens den Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 1 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 343/94 anlangt, soweit mit dieser Bestimmung die in der Region 4, Italien, zu destillierende Menge für das Wirtschaftsjahr 1993/94 auf 12 150 000 hl festgelegt wird, ist darauf hinzuweisen, daß sich die Kommission für den Erlaß dieser Durchführungsverordnung zur Verordnung Nr. 822/87 auf die folgenden, sich aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 343/94 ergebenden objektiven Angaben gestützt hat: "Nach den der Kommission derzeit vorliegenden Angaben, insbesondere denen der vorläufigen Bilanz für das Weinwirtschaftsjahr 1993/94 ist im laufenden Wirtschaftsjahr der Markt für Tafelwein und Wein, der zur Herstellung von Tafelwein geeignet ist, durch ein Ungleichgewicht gekennzeichnet. Die Bedingungen gemäß Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 sind also erfuellt, um eine obligatorische Destillation zu beschließen. Damit die am Ende des Wirtschaftsjahres anzustrebenden Preise und Mengen tatsächlich erreicht werden, müssen in der Gemeinschaft 18 200 000 Hektoliter Tafelwein destilliert werden. Diese Destillationsmenge errechnet sich unter Zugrundelegung der vorläufigen Versorgungsbilanz, d. h. unter Berücksichtigung eines Ungleichgewichts. Dieses Ungleichgewicht ist insbesondere durch einen Übertrag gekennzeichnet, der über den Schätzungen liegt, die zur Feststellung der sich im Wirtschaftsjahr ergebenden Kosten angestellt worden sind..."

54 Aus dem Vorstehenden und aus dem Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 343/94 ergibt sich, daß die Kommission bei der Festsetzung der zu destillierenden Gesamtmenge und der in den einzelnen Regionen des Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 441/88 zu destillierenden Mengen Tafelwein objektive Kriterien zugrunde gelegt hat, indem sie die Gesamtheit der Erzeugung, der Bestände und der am Ende des Wirtschaftsjahres verfügbaren Mengen aller Wirtschaftsteilnehmer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und im Fall der Region 4 (Italien) aller Erzeuger dieses Mitgliedstaats und keineswegs nur der Erzeuger der Region Venezien, also der Kläger, berücksichtigt hat.

55 Was zweitens den gegen die Verordnung Nr. 610/94 (vgl. oben Randnr. 16) zur Änderung der Verordnung Nr. 465/94 (vgl. oben Randnr. 15) gerichteten Antrag auf Nichtigerklärung anlangt, ist festzustellen, daß es in den Begründungserwägungen dieser Verordnung heisst: "Gemäß Artikel 39 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 822/87 entspricht die zu destillierende Menge für den der Destillationspflicht unterliegenden Erzeuger einem festzulegenden Prozentsatz einer Tafelweinmenge. Dieser Prozentsatz ergibt sich aus einer progressiv gestaffelten Skala, die je nach dem Hektarertrag erstellt wird. Folglich ist der zur Destillation zu liefernde Prozentsatz der Erzeugung jedes der Verpflichtung unterliegenden Erzeugers festzusetzen. Diese Hundertsätze stützen sich auf objektive Kriterien, müssen jedoch der Lage einer jeden Region angepasst sein. Die Skala muß es ermöglichen, eine Tafelweinmenge, die der Verpflichtung gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 343/94 entspricht, aus einer bestimmten Region zu entfernen. In den Ertragsklassen sind also nur die Mengen aufzuführen, welche in den Erzeugungsmeldungen aufgeführt sind, auf deren Grundlage die Skala aufgestellt wurde... Für die Region 4 ist der zur Destillation zu liefernde Anteil an der Erzeugung der jeweiligen Lieferanten unter Berücksichtigung der italienischen Angaben zur Erzeugung von Tafelwein und deren Aufteilung nach Ertragsklassen festzusetzen. Diese Anteile sind gemäß der geltenden Skala mit zunehmenden Ertrag progressiv zu erhöhen. Zur Berücksichtigung der für die Region 4 geltenden Bestimmungen ist die Verordnung (EG) Nr. 465/94 zu ändern..."

56 Aus der Verordnung Nr. 465/94 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 610/94 ergibt sich, daß die Kommission bei der Feststellung der ° mit einem in Hektoliter je Hektar ausgedrückten Ertrag erzielten ° Erzeugung für die Region 4, Italien, und der Festsetzung des Durchschnittsertrags je Hektar der Region 4 umfassende und objektive Angaben zugrunde gelegt hat, die ihr von den Behörden dieses Mitgliedstaats hinsichtlich der Tafelweinerzeugung und der Aufschlüsselung dieser Erzeugung nach Ertragsklassen übermittelt worden waren. Aus den Akten ergibt sich keineswegs, daß bei der Festsetzung dieser Zahlen, die zum einen auf der Grundlage der Gesamtdaten für die der Gemeinschaft und zum anderen auf der Grundlage der Gesamtdaten für das ganze Hoheitsgebiet Italiens erstellt wurden, auf die besondere Situation der Tafelweinerzeuger der "Region Venezien" abgestellt wurde.

57 Das Vorbringen der Kläger, mit dem sie eine "Trägheit" ihrer nationalen Behörden, insbesondere bei der Übermittlung genauer und aktueller Angaben über den Hektarertrag in der Region Venezien rügen, kann diese Beurteilung nicht in Frage stellen.

58 Auch soweit die Kläger anscheinend geltend machen, sie seien durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen unmittelbar betroffen, da sie als besonders gewissenhafte Wirtschaftsteilnehmer in den vergangenen Jahren die gesamten ihnen auferlegten Mengen destilliert hätten, und folglich dazukaufen müssten, um eine zusätzliche Destillation durchzuführen, die ihnen ungerechtfertigterweise zum Ausgleich der von anderen ° in diesem Sektor in anderen italienischen Regionen tätigen ° Wirtschaftsteilnehmern nicht destillierten Mengen auferlegt worden sei, würde sie dieser Umstand, auch wenn er erwiesen wäre, in ihrer Rechtsstellung nicht ausreichend aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer des Weinsektors herausheben, um sie in ähnlicher Weise wie einen Adressaten der angefochtenen Verordnungen zu individualisieren.

59 Schließlich können sich die Kläger gegenüber der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit weder auf ihre Stellung nach dem Verfassungsrecht ihrer nationalen Rechtsordnung berufen noch geltend machen, daß die Abweisung ihrer Klage als unzulässig ihnen gegenüber eine Rechtsverweigerung darstellen würde. Auch ihr Vorbringen, eine Entscheidung eines nationalen Gerichts könne das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften im vorliegenden Fall zu einer Entscheidung in der Sache veranlassen, ist nicht begründet.

60 Nach alledem betreffen die angefochtenen Verordnungsbestimmungen die Kläger nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Tafelweinerzeuger ebenso wie alle anderen in diesem Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmer. Da die Kläger nicht nachgewiesen haben, daß sie durch die von ihnen angefochtenen Verordnungsbestimmungen individuell betroffen sind, greift die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit durch, ohne daß die vom Rat aufgeworfene Frage geprüft zu werden braucht, ob die klagenden Genossenschaften als Vertreter einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern selbst die Nichtigerklärung von Bestimmungen beantragen können, die die allgemeinen Interessen dieser Gruppe beeinträchtigen.

61 Ausserdem wird den Klägern damit jedenfalls nicht jede Möglichkeit genommen, ihre Rechte vor einem Gericht geltend zu machen. Es steht ihnen nämlich frei, die nationalen Maßnahmen zur Durchführung der angefochtenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vor dem zuständigen nationalen Gericht zu beanstanden, falls sie die Voraussetzungen hierfür als gegeben erachten. Es obliegt dann dem nationalen Gericht, dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag die Frage nach der Gültigkeit dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung vorzulegen und gegebenenfalls den Vollzug der zur Durchführung dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen erlassenen nationalen Maßnahmen unter den im Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1991 in den Rechtssachen C-143/88 und C-92/89 (Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Söst, Slg. 1991, I-415, Randnrn. 17 bis 33) genannten Voraussetzungen bis zum Erlaß der Vorabentscheidung des Gerichtshofes auszusetzen.

62 Da die Klage somit insgesamt unzulässig ist, sind die neuen Argumente, mit denen die Kläger geltend machen, daß die angefochtenen Bestimmungen wegen des ° nach der Klageerhebung erfolgten ° Erlasses der Verordnung Nr. 3151/94, mit der die Frist für die Destillation über das Weinwirtschaftsjahr 1993/94 hinaus verlängert wurde, rechtswidrig seien, nicht zu prüfen; jedenfalls braucht nicht über die Frage entschieden zu werden, ob diese neuen Argumente als neue Gründe im Sinne von Artikel 48 Absatz 2 der Verfahrensordnung angesehen werden können.

Kostenentscheidung:

Kosten

63 Nach Artikel 87 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihren Anträgen unterlegen sind und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

64 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Der Rat trägt daher seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

beschlossen:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3) Der Rat trägt seine eigenen Kosten.

Luxemburg, den 29. Juni 1995

Ende der Entscheidung

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