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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: T-184/04
Rechtsgebiete: EG, Satzung Gerichtshof, VerfO Gerichtshof
Vorschriften:
EG Art. 232 | |
Satzung Gerichtshof Art. 19 Abs. 3 | |
Satzung Gerichtshof Art. 19 Abs. 4 | |
Satzung Gerichtshof Art. 21 Abs. 1 | |
VerfO Gerichtshof Art. 43 § 1 Abs. 1 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte Kammer) vom 13. Januar 2005. - Sulvida - Companhia de alienação de terrenos, Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Offensichtliche Unzulässigkeit - Untätigkeitsklage. - Rechtssache T-184/04.
Parteien:
In der Rechtssache T-184/04
Sulvida - Companhia de alienação de terrenos, L da , mit Sitz in Lagoa (Portugal), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N. Buchbinder,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beklagte,
wegen Verurteilung der Kommission, den Vorschlag einer Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapital- und Personengesellschaften zu unterbreiten,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie des Richters J. Azizi und der Richterin E. Cremona,
Kanzler: H. Jung,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
Verfahren
1. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 26. Mai 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, unter Berufung auf Artikel 232 EG gegen die Kommission die vorliegende Untätigkeitsklage erhoben. Sie hat beantragt, festzustellen, dass die Kommission verpflichtet ist, Regelungen gegenüber den Mitgliedstaaten zu erlassen, die die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapital- und Personengesellschaften erlauben und ermöglichen, ohne dass die nationalen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten dies erschweren oder unmöglich machen können, insbesondere den ihr vorliegenden Vorschlag für eine Vierzehnte Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgebenden Rechtes in Form einer Richtlinie umzusetzen.
2. Die Klägerin ist eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, die durch ihren Geschäftsführer N. Buchbinder vertreten wird. Sie hat die Pro-Videntia Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, vertreten durch ihren alleinvertretungsberechtigten Vorstand, Rechtsanwalt N. Buchbinder, als Prozessbevollmächtigte benannt. Rechtsanwalt N. Buchbinder ist mit dem Geschäftsführer der Klägerin personenidentisch. Die Klageschrift ist von Herrn Buchbinder in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vorstand der Pro-Videntia Rechtsanwaltsaktiengesellschaft unterzeichnet.
Entscheidungsgründe
3. Nach Artikel 111 der Verfahrensordnung des Gerichts kann das Gericht, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist oder ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.
4. Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt, von Amts wegen in Anbetracht des unheilbaren Formmangels, der der Klageschrift anhaftet, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
5. In Artikel 19 Absätze 3 und 4 der Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 53 dieser Satzung auch für das Gericht gilt, heißt es:
Die... Parteien müssen durch einen Anwalt vertreten sein.
Nur ein Anwalt, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten, kann vor dem Gerichtshof als Vertreter oder Beistand einer Partei auftreten.
6. Außerdem bestimmt Artikel 21 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes:
Die Klageerhebung beim Gerichtshof erfolgt durch Einreichung einer an den Kanzler zu richtenden Klageschrift. Die Klageschrift muss Namen und Wohnsitz des Klägers [und] die Stellung des Unterzeichnenden... angeben.
7. Schließlich heißt es in Artikel 43 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung:
Die Urschrift jedes Schriftsatzes ist vom Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen.
8. Aus diesen Bestimmungen, insbesondere aus der Verwendung des Begriffes vertreten in Artikel 19 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes, ergibt sich, dass eine Partei im Sinne dieses Artikels für die Erhebung einer Klage vor dem Gericht die Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen muss, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten (Beschluss des Gerichtshofs vom 5. Dezember 1996 in der Rechtssache C-174/96 P, Lopes/Gerichtshof, Slg. 1996, I-6401, Randnr. 11; Beschluss des Gerichts vom 29. November 1999 in der Rechtssache T-131/99, Shaw u. a./Kommission, nicht in der Sammlung veröffentlicht, Randnr. 11).
9. Dieses Erfordernis, sich eines Dritten zu bedienen, entspricht der Vorstellung von der Funktion des Rechtsanwalts, nach der dieser als Mitarbeiter der Rechtspflege betrachtet wird, der in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die der Mandant benötigt. Diese Vorstellung entspricht den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten und hat, wie sich gerade aus Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes ergibt, auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung ihren Niederschlag gefunden (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79, AM & S/Kommission, Slg. 1982, 1575, Randnr. 24, und Beschluss des Gerichts vom 8. Dezember 1999 in der Rechtssache T-79/99, Euro-Lex/HABM, Slg. 1999, II-3555, Randnr. 28).
10. Daraus folgt, dass Rechtsanwalt Buchbinder, der die Klägerin vertritt, im vorliegenden Verfahren nicht als ein Dritter im Sinne des Beschlusses Lopes/Gerichtshof angesehen werden kann. Die Klageschrift ist nämlich im Namen der Klägerin von Herrn Buchbinder in seiner Funktion als Rechtsanwalt eingereicht worden. Aus dem Gesellschafterbeschluss vom 17. Feburar 2003 folgt jedoch, dass Herr Buchbinder ebenfalls Geschäftsführer der Klägerin ist und folglich die Funktion eines leitenden Organs derselben wahrnimmt. Unter diesen Umständen ist Herr Buchbinder nicht befugt, die Klägerin im vorliegenden Verfahren zu vertreten.
11. Da Rechtsanwalt Buchbinder die Klageschrift unterzeichnet hat, ist die vorliegende Klage nicht gemäß den Artikeln 19 Absätze 3 und 4 sowie 21 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und Artikel 43 § 1 der Verfahrensordnung erhoben worden.
12. Die Klage ist daher schon allein aus diesem Grund als offensichtlich unzulässig abzuweisen.
13. Darüber hinaus ist die Klage aber auch deshalb offensichtlich unzulässig, weil sich der Antrag der Klägerin darauf richtet, die Kommission zu verpflichten, einen inhaltlich bestimmten Vorschlag für Regelungen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Kapital- und Personengesellschaften gegenüber den Mitgliedstaaten zu unterbreiten. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der von ihm ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle aber nicht befugt, den Organen Anordnungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu setzen (vgl. insbesondere Urteile des Gerichts vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, verbundene Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 53, und vom 9. September 1999 in der Rechtssache T-127/98, UPS Europe/Kommission, Slg. 1999, II-2633, Randnr. 50).
14. Ferner wäre ein einfacher Vorschlag zum Erlass einer Richtlinie über die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapital- und Personengesellschaften, wie sie die Klägerin von der Kommission verlangt, kein Rechstakt, der verbindliche Rechtswirkungen für Dritte erzeugt, sondern eine bloß vorbereitende Zwischenmaßnahme. Eine solche kann jedoch weder mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 230 EG angefochten werden, noch kann deren Nichterlass mit einer Untätigkeitsklage gemäß Artikel 232 EG gerügt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1979 in der Rechtssache 90/78, Granaria/Rat und Kommission, Slg. 1979, 1081, Randnrn. 12 ff.; Beschlüsse des Gerichts vom 26. November 1996 in der Rechtssache T-167/95, Kuchlenz-Winter/Rat, Slg. 1996, II-1607, Randnrn. 20 ff., vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache T-175/96, Berthu/Kommission, Slg. 1997, II-811, Randnrn. 18 ff., und vom 1. Dezember 1999 in der Rechtssache T-198/99, Buchbinder und Nöcker/Kommission, nicht in der Sammlung veröffentlicht, Randnr. 11).
15. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsklage eines Einzelnen nicht zulässig ist, wenn sie sich gegen die Weigerung richtet, eine Verordnung mit allgemeiner Geltung zu erlassen (Beschluss des Gerichts vom 11. Dezember 1998 in der Rechtssache T-22/98, Scottish Soft Fruit Growers/Kommission, Slg. 1998, II-4219, Randnr. 41). Dieser Grundsatz ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Richtlinie, zu deren Vorschlag die Klägerin die Kommission verpflichten will, ebenfalls ein Gesetzgebungsakt mit allgemeiner Geltung wäre. Daraus folgt, dass eine Untätigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person, die darauf abzielt festzustellen, dass die Kommission es rechtswidrig unterlassen hat, einen Vorschlag für eine Richtlinie mit allgemeiner Geltung zu unterbreiten, ebenfalls unzulässig ist.
16. Nach alledem ist die vorliegende Klage als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, sie der Beklagten zuzustellen.
Kosten
17. Nach Artikel 87 § 1 der Verfahrensordnung hat die Klägerin ihre eigenen Kosten zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 13. Januar 2005.
Ende der Entscheidung
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