Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.10.1999
Aktenzeichen: T-191/96
Rechtsgebiete: VO 1975/95, EWG, EG


Vorschriften:

VO 1975/95 Art. 1
EWG Art. 173 Abs. 4
EWG Art. 40 Abs. 3
EWG Art. 39
EG Art. 230
EG Art. 33
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung können nur dann geltend machen, individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) betroffen zu sein, wenn die in Rede stehende Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.

Eine im Rahmen der Durchführung einer Nahrungsmittelhilfe erlassene Entscheidung, mit der die Kommission die Ersetzung der in der Ausschreibungsbekanntmachung ursprünglich vorgesehenen Äpfel und Orangen durch Pfirsiche als Form der Bezahlung der Zuschlagsempfänger vorsieht, sowie die Änderung der in einer früheren Entscheidung fetsgelegten Äquivalenzköffizienten für diese Früchte ist gegenüber der früher getroffenen Entscheidung als eigenständige Entscheidung anzusehen, die eine der wesentlichen Bedingungen der Ausschreibung ändert. Eine solche Entscheidung betrifft einen nicht berücksichtigten Bieter individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages. Ein solcher Bieter ist nämlich nicht nur durch die Entscheidung der Kommission über Annahme oder Ablehnung jedes auf die Ausschreibung unterbreiteten Angebots individuell betroffen, sondern er hat ausserdem weiterhin ein individuelles Interesse daran, daß die in dieser Ausschreibungsbekanntmachung genannten Bedingungen in der Durchführungsphase dieser Ausschreibung selbst eingehalten werden.

2 Eine von der Kommission im Rahmen der Durchführung einer Maßnahme der Nahrungsmittelhilfe durch Ausschreibung nach Überprüfung einer früheren Entscheidung erlassene Entscheidung, in der andere Ausschreibungsbedingungen als in jener festgelegt werden und die auf der Grundlage neuer Gesichtspunkte erlassen wird, kann nicht als reine Bestätigung der früheren Entscheidung angesehen werden. Die Nichtigkeitsklage gegen eine solche Entscheidung kann daher nicht deshalb für unzulässig erklärt werden, weil die frühere Entscheidung nicht fristgerecht angefochten wurde.

3 Selbst wenn eine Vergabeentscheidung zugunsten anderer Bewerber vollständig durchgeführt sein sollte, behält ein Bieter doch ein Interesse an der Aufhebung einer solchen Entscheidung, sei es, um eine angemessene Berichtigung seiner Rechtssituation durch die Kommission zu erreichen, sei es, um die Kommission zu veranlassen, das Ausschreibungssystem für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, falls festgestellt werden sollte, daß es bestimmten rechtlichen Anforderungen nicht genügt.

4 Im Rahmen des mit der Verordnung Nr. 228/96 zur Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren für die Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan durchgeführten Ausschreibungsverfahrens muß das Verfahren zum Vergleich der Angebote in jedem Abschnitt sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren, damit alle Bieter bei der Aufstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Die ausschreibende Stelle ist verpflichtet, in der Ausschreibungsbekanntmachung Gegenstand und Bedingungen der Ausschreibung klar zu beschreiben und sich streng daran zu halten.

Eine Entscheidung mit der die Kommission den Zuschlagsempfängern der betreffenden Lieferung ermöglicht, andere als die in der Ausschreibungsbekanntmachung angegebenen Früchte, als Bezahlung für ihre Lieferungen zu übernehmen, obwohl eine solche Ersetzung in dieser Bekanntmachung nicht vorgesehen ist, wie aus der genannten Verordnung hervorgeht, und die Äquivalenzköffizienten für die Ersatzfrüchte und die ersetzten Früchte unter Bezugnahme auf nach der Ausschreibung eingetretene Umstände festlegt, verstösst gegen die Ausschreibungsbekanntmachung sowie gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung.

5 Der Beginn der Klagefrist für die Nichtigkeitsklage kann nicht auf den Zeitpunkt festgelegt werden, zu dem der Kläger nach eigenen Angaben Kenntnis vom vollständigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung erlangt hat, wenn nachgewiesen ist, daß er Kenntnis von ihrem Vorliegen hatte und eine angemessene Frist zur Anforderung des Entscheidungswortlauts zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich überschritten war. Denn es obliegt demjenigen, der vom Vorliegen einer ihn betreffenden Handlung erfährt, deren vollständigen Wortlaut binnen angemessener Frist anzufordern.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 14. Oktober 1999. - CAS Succhi di Frutta SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Gemeinsame Agrarpolitik - Nahrungsmittelhilfe - Ausschreibungsverfahren - Bezahlung der Bieter mit anderen als den in der Bekanntmachung über die Ausschreibung angegebenen Früchten. - Verbundene Rechtssachen T-191/96 und T-106/97.

Entscheidungsgründe:

1 Am 4. August 1995 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1975/95 über Maßnahmen zur unentgeltlichen Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse an die Bevölkerung von Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan (ABl. L 191, S. 2). Die ersten beiden Begründungserwägungen dieser Verordnung haben folgenden Wortlaut: "Um die Versorgungsbedingungen in Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan zu verbessern, sollten diesen Ländern landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind die unterschiedlichen örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, und es darf zu keiner Beeinträchtigung der Entwicklung einer durch den Markt bestimmten Versorgung kommen." "In der Gemeinschaft stehen infolge von Interventionsmaßnahmen Bestände an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zur Verfügung. Diese sollten ausnahmsweise zur Durchführung der geplanten Maßnahmen bevorzugt eingesetzt werden."

2 Artikel 1 der Verordnung Nr. 1975/95 lautet:

"Gemäß dieser Verordnung werden Maßnahmen zur unentgeltlichen Belieferung von Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan mit noch zu bestimmenden landwirtschaftlichen Erzeugnissen durchgeführt, die aufgrund von Interventionsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Soweit zeitweise keine Interventionserzeugnisse zur Verfügung stehen, können sie auf dem Gemeinschaftsmarkt beschafft werden, um die Verpflichtungen der Gemeinschaft zu erfuellen."

3 Artikel 2 der Verordnung Nr. 1975/95 bestimmt:

"(1) Die Erzeugnisse werden in unverändertem Zustand oder nach Verarbeitung geliefert.

(2) Die Maßnahmen können Nahrungsmittel einbeziehen, die zur Verfügung stehen, oder auf dem Markt erworben werden können, indem als Zahlung Erzeugnisse aus Interventionsbeständen geliefert werden, die zu der gleichen Gruppe von Erzeugnissen gehören.

(3) Die Lieferkosten einschließlich der Transportkosten sowie gegebenenfalls der Verarbeitungskosten werden durch Ausschreibung oder, bei Dringlichkeit oder Beförderungsschwierigkeiten, durch freihändige Vergabe bestimmt.

..."

4 Im Anschluß daran erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 2009/95 vom 18. August 1995 mit Durchführungsbestimmungen zur in der Verordnung Nr. 1975/95 vorgesehenen unentgeltlichen Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Interventionsbeständen nach Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kirgistan und Tadschikistan (ABl. L 196, S. 4).

5 Die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2009/95 lautet:

"Die unentgeltlichen Lieferungen erfolgen in Form unverarbeiteter landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Interventionsbeständen, aber auch in Form anderer, verwandter Nahrungsmittel, die sich nicht in der Intervention befinden. Es sind daher besondere Bestimmungen für die Lieferungen von Verarbeitungserzeugnissen festzulegen. Insbesondere ist vorzusehen, daß die Vergütung dieser Lieferungen in Form der entsprechenden Ausgangserzeugnisse aus Interventionsbeständen erfolgen kann."

6 Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2009/95 bestimmt:

"Die Ausschreibung kann sich auf die Menge der Erzeugnisse beziehen, die aus Interventionsbeständen als Zahlung für die Lieferung artverwandter Verarbeitungserzeugnisse auf der in der Ausschreibungsbekanntmachung bezeichneten Lieferstufe zu übernehmen sind."

7 Gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e Nummer 1 der Verordnung Nr. 2009/95 sind Angebote bei Anwendung von Artikel 2 Absatz 2 nur gültig "mit Angabe der Angebotsmenge in Tonnen Nettogewicht im Austausch für eine Tonne (netto) des Enderzeugnisses zu den in der Ausschreibungsbekanntmachung genannten Bedingungen und auf der darin bezeichneten Lieferstufe".

8 Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2009/95 lautet:

"Angebote, die den Bestimmungen dieses Artikels nicht entsprechen, die den Bedingungen der Ausschreibungsverordnung nur teilweise genügen oder die andere als in dieser Verordnung festgesetzte Bedingungen enthalten, können abgelehnt werden."

9 Nach Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2009/95 werden in den Ausschreibungsbekanntmachungen insbesondere festgelegt:

"- Ergänzende Klauseln und Bestimmungen;

- die Definition der Partien

...

- die wichtigsten physischen und technischen Merkmale der einzelnen Partien;

..."

10 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2009/95 nennt die Ausschreibungsbekanntmachung im Fall einer Ausschreibung gemäß Artikel 2 Absatz 2 insbesondere

"- die als Zahlung der Lieferung zu übernehmende Partie oder Gruppe von Partien;

- die Merkmale der zu liefernden Verarbeitungserzeugnisse: Art, Menge, Qualität, Aufmachung usw."

11 Die Kommission erließ danach die Verordnung (EG) Nr. 228/96 vom 7. Februar 1996 zur Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren für die Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan (ABl. L 30, S. 18).

12 Die ersten beiden Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 228/96 lauten:

"Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1975/95 können die Maßnahmen zur Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse Nahrungsmittel einbeziehen, die auf dem Markt vorhanden sind oder beschafft werden können, indem als Bezahlung Erzeugnisse abgegeben werden, die aufgrund von Interventionsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Um dem Ersuchen der Empfängerländer nach Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren nachzukommen, ist es angebracht, eine Ausschreibung zur Bestimmung der günstigsten Lieferbedingungen für solche Erzeugnisse zu eröffnen. Dabei ist vorzusehen, daß der Zuschlagsempfänger als Bezahlung Obstmengen erhält, die im Rahmen von Rücknahmevorgängen nach den Artikeln 15 und 15a der Verordnung (EWG) Nr. 1035/72 des Rates vom 18. Mai 1972 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse [ABl. L 118, S. 1], zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1363/95 der Kommission [ABl. L 132, S. 8] aus dem Markt genommen wurden."

13 Artikel 1 der Verordnung Nr. 228/96 hat folgenden Wortlaut:

"Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2009/95, insbesondere Artikel 2 Absatz 2, sowie gemäß den besonderen Bestimmungen der vorliegenden Verordnung wird eine Ausschreibung über die in Anhang I beschriebene Lieferung einer Hoechstmenge von 1 000 Tonnen Fruchtsaft, 1 000 Tonnen konzentriertem Fruchtsaft und 1 000 Tonnen Fruchtkonfitüre eröffnet."

14 Anhang I zur Verordnung Nr. 228/96 enthält die folgenden näheren Angaben:

Partie Nr. 1 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen Apfelsaft Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Äpfel

Partie Nr. 2 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen zu 50 % konzentrierter Apfelsaft

Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Äpfel

Partie Nr. 3 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen Orangensaft Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Orangen

Partie Nr. 4 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen zu 50 % konzentrierter Orangensaft

Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Orangen

Partie Nr. 5 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen verschiedener Fruchtkonfitüren

Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Äpfel

Partie Nr. 6 Zu lieferndes Erzeugnis: 500 Netto-Tonnen verschiedener Fruchtkonfitüren

Abzuholendes Rücknahmeerzeugnis: Orangen.

Für sämtliche Partien war als Liefertermin der 20. März 1996 festgelegt.

15 Mit Schreiben vom 15. Februar 1996 gab die Klägerin für die Partien Nr. 1 und Nr. 2 ein Angebot des Inhalts ab, als Bezahlung der Lieferung ihrer Erzeugnisse für die beiden Partien 12 500 Tonnen bzw. 25 000 Tonnen Äpfel zu übernehmen.

16 Die Trento Frutta SpA (im folgenden: Trento Frutta) und die Loma GmbH (im folgenden: Loma) boten an, 8 000 Tonnen Äpfel für die Partie Nr. 1 bzw. 13 500 Tonnen Äpfel für die Partie Nr. 2 zurückzunehmen. Für den Fall, daß die Äpfel nicht ausreichten, erklärte sich Trento Frutta ausserdem zur Annahme von Pfirsichen bereit.

17 Am 6. März 1996 richtete die Kommission an die Azienda di Stato per gli Interventi nel Mercato Agricolo (italienische Interventionsstelle; im folgenden: AIMA) mit Kopie an Trento Frutta die Note Nr. 10663 mit der Mitteilung, daß sie der letztgenannten den Zuschlag für die Partien Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5 und Nr. 6 erteilt habe. Nach dieser Note sollte Trento Frutta als Bezahlung vorzugsweise folgende Mengen aus dem Markt genommener Früchte erhalten:

Partie Nr. 1 8 000 Tonnen Äpfel oder, alternativ, 8 000 Tonnen Pfirsiche;

Partie Nr. 3 20 000 Tonnen Orangen oder, alternativ, 8 500 Tonnen Äpfel oder 8 500 Tonnen Pfirsiche;

Partie Nr. 4 32 000 Tonnen Orangen oder, alternativ, 13 000 Tonnen Äpfel oder 13 000 Tonnen Pfirsiche;

Partie Nr. 5 18 000 Tonnen Äpfel oder, alternativ, 18 000 Tonnen Pfirsiche;

Partie Nr. 6 45 000 Tonnen Orangen oder, alternativ, 18 000 Tonnen Äpfel oder 18 000 Tonnen Pfirsiche.

18 Am 13. März 1996 richtete die Kommission an die AIMA die Note Nr. 11832 und teilte ihr mit, daß sie Loma gegen Rücknahme von 13 500 Tonnen Äpfeln den Zuschlag für die Partie Nr. 2 erteilt habe.

19 Die AIMA ergriff gemäß der Verordnung Nr. 228/96 die zur Durchführung der Noten Nr. 10663 und Nr. 11832 der Kommission erforderlichen Maßnahmen durch Rundschreiben Nr. 93/96 vom 21. März 1996, das den Inhalt dieser Noten wiedergab.

20 Am 14. Juni 1996 erließ die Kommission die Entscheidung C(96) 1453 über die Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren für die Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan gemäß der Verordnung Nr. 228/96 (im folgenden: Entscheidung vom 14. Juni 1996). Nach der zweiten Begründungserwägung dieser Entscheidung waren die seit der Ausschreibung aus dem Markt genommenen Mengen der betreffenden Erzeugnisse im Verhältnis zu den erforderlichen Mengen verschwindend gering, obwohl die Rücknahmekampagne praktisch abgeschlossen sei. Um diesen Vorgang zu Ende zu bringen, sei es daher erforderlich, den Unternehmen unter den Zuschlagsempfängern, die dies wünschten, zu ermöglichen, anstelle von Äpfeln und Orangen andere aus dem Markt genommene Früchte nach zuvor festgelegten Anteilen, die die entsprechenden Verarbeitungsmengen der fraglichen Erzeugnisse widerspiegelten, als Zahlung anzunehmen.

21 Artikel 1 der Entscheidung vom 14. Juni 1996 bestimmt, daß die aus dem Markt genommenen Erzeugnisse auf Antrag den Zuschlagsempfängern (d. h. Trento Frutta und Loma) nach folgenden Äquivalenzköffizienten zur Verfügung gestellt werden:

a) 1 Tonne Pfirsiche für 1 Tonne Äpfel,

b) 0,667 Tonnen Aprikosen für 1 Tonne Äpfel,

c) 0,407 Tonnen Pfirsiche für 1 Tonne Orangen,

d) 0,270 Tonnen Aprikosen für 1 Tonne Orangen.

22 Diese Entscheidung war an die Italienische Republik, die Französische Republik, die Hellenische Republik und das Königreich Spanien gerichtet.

23 Am 22. Juli 1996 erließ die Kommission die Entscheidung C(96) 1916 über die Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren für die Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan gemäß der Verordnung Nr. 228/96 (im folgenden: Entscheidung vom 22. Juli 1996). Nach der dritten Begründungserwägung dieser Entscheidung reichten die verfügbaren Mengen an Pfirsichen und Aprikosen nicht aus, um den Vorgang abzuschließen; es sei angebracht, darüber hinaus die Möglichkeit zu eröffnen, die von den Zuschlagsempfängern zu übernehmenden Äpfel durch Nektarinen zu ersetzen.

24 Nach Artikel 1 der Entscheidung vom 22. Juli 1996 werden die aus dem Markt genommenen Erzeugnisse Trento Frutta und Loma auf Verlangen nach dem Äquivalenzköffizienten von 1,4 Tonnen Nektarinen für 1 Tonne Äpfel zur Verfügung gestellt.

25 Diese Entscheidung war an die Italienische Republik gerichtet.

26 Mit einer beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio erhobenen und der AIMA am 24. Juli 1996 zugestellten Klage begehrte die Klägerin die Nichtigerklärung des genannten Rundschreibens Nr. 93/96 der AIMA.

27 Am 26. Juli 1996 trug die Klägerin auf einer auf ihren Wunsch einberufenen Sitzung mit den Dienststellen der Generaldirektion Landwirtschaft der Kommission (GD VI) ihre Einwände gegen die von der Kommission gebilligte Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch andere Früchte vor und erhielt ein Exemplar der Entscheidung vom 14. Juni 1996.

28 Am 2. August 1996 leitete die Klägerin der Kommission den vom Dipartimento Territorio e Sistemi Agro-Forestali der Universität Padua erstellten technischen Bericht Nr. 94 über die Koeffizienten der wirtschaftlichen Äquivalenz bestimmter Früchte für die Zwecke der Verarbeitung zu Saft zu.

29 Am 6. September 1996 erließ die Kommission die Entscheidung C(96) 2208 zur Änderung der Entscheidung der Kommission vom 14. Juni 1996 über die Lieferung von Fruchtsäften und Fruchtkonfitüren für die Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan gemäß der Verordnung Nr. 228/96 (im folgenden: Entscheidung vom 6. September 1996). Nach der zweiten Begründungserwägung dieser Entscheidung erschien es angebracht, die in der Entscheidung vom 14. Juni 1996 festgelegten Koeffizienten zu ändern, um über den gesamten Zeitraum der Rücknahme von Pfirsichen eine ausgeglichenere Ersetzung der für die Lieferung von Fruchtsaft an die Bevölkerungen des Kaukasus verwendeten Äpfel und Orangen auf der einen durch die als Bezahlung für diese Lieferungen aus dem Markt genommenen Pfirsiche auf der anderen Seite zu erreichen. Die neuen Koeffizienten sollten nur auf Erzeugnisse Anwendung finden, die von den Zuschlagsempfängern noch nicht als Zahlung für die Lieferungen abgeholt worden waren.

30 Nach Artikel 1 der Entscheidung vom 6. September 1996 wurde Artikel 1 Buchstaben a und c der Entscheidung vom 14. Juni 1996 wie folgt geändert:

"a) 0,914 Tonnen Pfirsiche für 1 Tonne Äpfel,

...

c) 0,372 Tonnen Pfirsiche für 1 Tonne Orangen".

31 Diese Entscheidung war an die Italienische Republik, die Französische Republik, die Hellenische Republik und das Königreich Spanien gerichtet.

32 Mit am 25. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 6. September 1996 erhoben. Diese Rechtssache ist unter der Nummer T-191/96 eingetragen worden.

33 Mit Beschluß vom 26. Februar 1997 in der Rechtssache T-191/96 R (CAS Succhi di Frutta/Kommission, Slg. 1997, II-211) hat der Präsident des Gerichts einen von der Klägerin am 16. Januar 1997 gestellten Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung vom 6. September 1996 zurückgewiesen.

34 Mit am 9. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 22. Juli 1996 erhoben und geltend gemacht, sie habe erst am 30. Januar 1997 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Exemplar dieser Entscheidung erhalten. Diese Rechtssache ist unter der Nummer T-106/97 eingetragen worden.

35 Mit Beschluß vom 20. März 1998 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts einen Antrag der Allione Industria Alimentare SpA auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin in der Rechtssache T-191/96 (Slg. 1998, II-575) zurückgewiesen.

36 Mit Beschluß vom 14. Oktober 1998 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die Verbindung der Rechtssachen T-191/96 und T-106/97 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung angeordnet.

37 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Kommission aufgefordert, vor der Sitzung schriftlich mitzuteilen, welchen Umfang die bei den Interventionsstellen verfügbaren Lagerbestände an Äpfeln im entscheidungserheblichen Zeitpunkt hatten. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. Die Sitzung hat am 10. Februar 1999 stattgefunden.

Anträge

38 In der Rechtssache T-191/96 beantragt die Klägerin,

- die Entscheidung vom 6. September 1996 zur Änderung der Entscheidung vom 14. Juni 1996 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

39 In der Rechtssache T-106/97 beantragt die Klägerin,

- die Entscheidung vom 22. Juli 1996 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

40 In beiden Rechtssachen beantragt die Kommission,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtssache T-191/96

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

41 Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin durch die Entscheidung vom 6. September 1996 nicht unmittelbar und individuell betroffen sei und weil sie keinerlei Interesse daran habe, deren Nichtigerklärung zu erwirken.

42 Die Kommission trägt zunächst vor, die Klägerin beanstande nicht die Vergabe der Partien, für die sie ein Angebot abgegeben habe. Sie macht geltend, der hier angefochtene Rechtsakt habe nicht die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche vorgesehen, sondern ändere lediglich die Äquivalenzköffizienten für diese Früchte, deren Ersetzung durch die Entscheidung vom 14. Juni 1996 erlaubt worden sei.

43 Der Umstand aber, daß diese Äquivalenzköffizienten für die Zuschlagsempfänger mehr oder minder günstig seien, könne nur diese individuell betreffen. Die Lage der Klägerin unterscheide sich im Hinblick auf die Entscheidung vom 6. September 1996 in nichts von der irgendeines anderen Marktbeteiligten des betroffenen Sektors, der keinen Zuschlag erhalten habe (vgl. u. a. Beschluß des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-183/94, Cantina cooperativa fra produttori vitivinicoli di Torre di Mosto/Kommission, Slg. 1995, II-1941, Randnr. 49).

44 Die Rechtsprechung zur Beanstandung von Vergabeverfahren, insbesondere das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78 (Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777), sei nicht einschlägig. Die Entscheidung vom 6. September 1996 sei ein von der Ausschreibungsbekanntmachung unabhängiger Rechtsakt, der nach der Auftragsvergabe erlassen worden sei und der an dieser Vergabe nichts geändert habe. Bei den Zuschlagsempfängern handele es sich nämlich um die Bieter, die die Übernahme der geringsten Menge Äpfel als Bezahlung angeboten hätten. Somit verleihe die Teilnahme der Klägerin an der fraglichen Ausschreibung ihr im Hinblick auf die Entscheidung vom 6. September 1996 im Vergleich zu jedem beliebigen Dritten keinerlei besondere Eigenschaft.

45 Im übrigen könne allein die Tatsache, daß eine Maßnahme geeignet sei, die auf dem betroffenen Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse zu beeinflussen, nicht ausreichen, jeden Marktbeteiligten, der in irgendeiner Wettbewerbsbeziehung zum Adressaten der Maßnahme stehe, als durch diese unmittelbar und individuell betroffen anzusehen (Urteil des Gerichtshofes vom 10. November 1969 in den Rechtssachen 10/68 und 18/68, Eridania/Kommission, Slg. 1969, 459, Randnr. 7).

46 Da die angefochtene Entscheidung zudem die in der Entscheidung vom 14. Juni 1996 festgelegten Äquivalenzköffizienten in dem von der Klägerin gewünschten Sinne geändert habe, habe diese kein Interesse, deren Nichtigerklärung zu fordern, da diese Nichtigerklärung dazu führen würde, die früheren Koeffizienten wiederherzustellen (vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-6/95 R, Cantine dei colli Berici/Kommission, Slg. 1995, II-647, Randnr. 29, und vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-6/95, Cantine dei colli Berici/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 46).

47 Die Kommission trägt schließlich vor, die von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe hätten gegen die für sie ungünstigere Entscheidung vom 14. Juni 1996 gerichtet werden können, die sie jedoch nicht fristgerecht angefochten habe.

48 Die Klägerin vertritt die Ansicht, sie sei durch die beanstandete Entscheidung unmittelbar betroffen. Diese Entscheidung betreffe sie auch individuell, und zwar erstens als Bieterin (Urteil Simmenthal/Kommission, Randnrn. 25 und 26) und zweitens wegen des äusserst schweren wirtschaftlichen Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, daß Mitbewerbern Ersatzfrüchte, und zwar in übergrosser Menge, als Zahlung der Lieferungen zugeteilt worden seien. Sie hebt hervor, daß die streitige Entscheidung im Anschluß an eine umfassende Überprüfung der Situation, die die Kommission auf ihren Wunsch durchgeführt habe, erlassen worden sei.

49 Die Klägerin führt weiter aus, ihr Interesse, die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung weiterzuverfolgen, bestehe noch fort, auch wenn die Auftragsvergabe an ihre Mitbewerber vollständig durchgeführt sei (Urteil Simmenthal/Kommission, Randnr. 32).

Würdigung durch das Gericht

50 Nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) können natürliche oder juristische Personen Anfechtungsklage gegen sie ergangene Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

51 Nach ständiger Rechtsprechung können andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann geltend machen, individuell im Sinne dieser Bestimmung betroffen zu sein, wenn die in Rede stehende Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213; vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache T-86/96 Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und Hapag Lloyd Fluggesellschaft/Kommission, Slg. 1999, II-179, Randnr. 42, und die angeführte Rechtsprechung).

52 Es ist unstreitig, daß sich die Klägerin im vorliegenden Fall an der Ausschreibung der Partien Nr. 1 und Nr. 2 beteiligt hat und daß die Partie Nr. 1 Trento Frutta zugeschlagen worden ist.

53 Die Kommission bestreitet im übrigen nicht, daß ihre erwähnte Note Nr. 10663 vom 6. März 1996 Bestandteile enthält, die mit den in der Ausschreibungsbekanntmachung gemäß der Verordnung Nr. 228/96 aufgestellten Bedingungen insoweit nicht im Einklang stehen, als darin insbesondere die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche als Form der Bezahlung der Lieferungen von Trento Frutta vorgesehen ist. Diese Note ändert somit die Zahlungsmodalitäten für die einzelnen Partien.

54 Die Änderung der Zahlungsmodalitäten für die einzelnen Partien wurde durch die Entscheidung vom 14. Juni 1996 für alle Zuschlagsempfänger bestätigt. Im Anschluß daran forderte die Klägerin die Kommission auf, diese Entscheidung zu überprüfen. Zu diesem Zweck fand am 26. Juli 1996 eine Sitzung der Dienststellen der GD VI und der Klägerin statt, nach der die Klägerin der Kommission den technischen Bericht Nr. 94 zuleitete (oben, Randnrn. 27 und 28).

55 Im Licht der ihr so zur Kenntnis gebrachten neuen Gesichtspunkte und einer Überprüfung der gesamten Situation, insbesondere des von ihren Dienststellen Mitte August 1996 festgestellten Niveaus der Pfirsichpreise auf dem Markt der Gemeinschaft (siehe Arbeitsdokument der GD VI, Anlage 11 zur Klagebeantwortung), erließ die Kommission die streitige Entscheidung vom 6. September 1996 mit neuen Äquivalenzköffizienten für Pfirsiche auf der einen und Äpfel und Orangen auf der anderen Seite.

56 Dementsprechend ist die streitige Entscheidung als eigenständige Entscheidung anzusehen, die nach einer Aufforderung durch die Klägerin auf der Grundlage neuer Gesichtspunkte erlassen wurde, und sie ändert die Ausschreibungsbedingungen insoweit, als sie mit anderen Äquivalenzköffizienten die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche als Form der Bezahlung der Zuschlagsempfänger vorsieht und dies trotz der Kontakte, die in der Zwischenzeit zwischen den Beteiligten stattgefunden hatten.

57 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Klägerin durch die angefochtene Entscheidung individuell betroffen ist. Sie ist es in erster Linie in ihrer Eigenschaft als nicht berücksichtigte Bieterin insoweit, als eine der wesentlichen Bedingungen der Ausschreibung - diejenige in bezug auf die Form der Bezahlung der betreffenden Lieferungen - nachträglich von der Kommission geändert wurde. Ein solcher Bieter ist nämlich nicht nur durch die Entscheidung der Kommission über Annahme oder Ablehnung jedes auf die Ausschreibung unterbreiteten Angebots individuell betroffen (Urteil Simmenthal/Kommission, Randnr. 25). Er hat ausserdem weiterhin ein individuelles Interesse daran, daß die in der Ausschreibungsbekanntmachung genannten Bedingungen in der Durchführungsphase der Ausschreibung selbst eingehalten werden. Denn der fehlende Hinweis der Kommission in der Ausschreibungsbekanntmachung auf die Möglichkeit der Zuschlagsempfänger, andere als die zur Bezahlung ihrer Lieferungen vorgesehenen Früchte zu erhalten, hat der Klägerin die Möglichkeit genommen, ein anderes Angebot abzugeben als das, das sie unterbreitet hatte, und somit über die gleiche Chance zu verfügen wie Trento Frutta.

58 Zweitens ist die Klägerin unter den hier gegebenen besonderen Umständen deshalb durch die angefochtene Entscheidung individuell betroffen, weil diese Entscheidung nach einer auf ihren Wunsch vorgenommenen Überprüfung der gesamten Situation und u. a. im Licht der ergänzenden Angaben, die sie der Kommission gegenüber gemacht hat, erlassen wurde.

59 Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung auch unmittelbar betroffen, da die Kommission den staatlichen Behörden hinsichtlich der Modalitäten für die Durchführung dieser Entscheidung keinen Entscheidungsspielraum gelassen hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70, 42/70, 43/70 und 44/70, International Fruit Company/Kommission, Slg. 1971, 411, Randnrn. 25 bis 28).

60 Im übrigen ist das Vorbringen zurückzuweisen, die Klägerin habe die Entscheidung vom 14. Juni 1996 nicht fristgerecht angefochten, da die streitige Entscheidung lediglich als reine Bestätigung jener Entscheidung anzusehen sei. Es wurde bereits festgestellt, daß die Kommission auf Wunsch der Klägerin bereit war, ihre Entscheidung vom 14. Juni 1996 zu überprüfen, und daß die streitige Entscheidung im Anschluß an diese Überprüfung erlassen wurde. Ausserdem legt die streitige Entscheidung andere Äquivalenzköffizienten fest und stützt sich auf neue Gesichtspunkte. Somit kann die von der Klägerin erhobene Klage nicht aus diesem Grund für unzulässig erklärt werden (vgl. Urteile des Gerichts vom 3. März 1994 in der Rechtssache T-82/92, Cortes Jimenez u. a./Kommission, Slg. ÖD 1994, II-237, Randnr. 14, vom 15. Oktober 1997 in der Rechtssache T-331/94, IPK/Kommission, Slg. 1997, II-1665, Randnr. 24, vom 8. Juli 1998 in der Rechtssache T-130/96, Aquilino/Rat, Slg. ÖD 1998, II-1017, Randnr. 34, und vom 21. Oktober 1998 in der Rechtssache T-100/96, Vicente-Nuñez/Kommission, Slg. ÖD 1998, II-1779, Randnrn. 37 bis 42).

61 Darüber hinaus ist das Vorbringen zurückzuweisen, die Klägerin habe kein Rechtsschutzinteresse, da die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung nur dazu führen würde, die für sie ungünstigeren Äquivalenzköffizienten gemäß der Entscheidung vom 14. Juni 1996 wiederherzustellen.

62 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Klage ist nämlich nicht davon auszugehen, daß ein Urteil über die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 6. September 1996 nur dazu führen würde, die Äquivalenzköffizienten gemäß der Entscheidung vom 14. Juni 1996 wiederaufleben zu lassen; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung der Kommission, gemäß Artikel 176 EG-Vertrag (jetzt Artikel 233 EG) die Maßnahmen zu treffen, die die Durchführung des vorliegenden Urteils umfasst (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, Asteris/Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnrn. 27 bis 32).

63 Jedenfalls behält ein Bieter nach Randnummer 32 des Urteils Simmenthal/Kommission, auch wenn eine Vergabeentscheidung zugunsten anderer Bewerber vollständig durchgeführt sein sollte, doch ein Interesse an der Aufhebung einer solchen Entscheidung, sei es, um eine angemessene Berichtigung seiner Rechtssituation durch die Kommission zu erreichen, sei es, um die Kommission zu veranlassen, das Ausschreibungssystem für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, falls festgestellt werden sollte, daß es bestimmten rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Diese Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden Fall um so eher übertragen, als feststeht, daß die in der betreffenden Ausschreibungsbekanntmachung genannten Vorgänge bei Erlaß der streitigen Entscheidung noch nicht vollständig durchgeführt waren.

64 Demnach ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit

65 Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 6. September 1996 auf sieben Klagegründe: 1. Verstoß gegen die Verordnung Nr. 228/96 sowie gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung; 2. Verstoß gegen die Verordnungen Nr. 1975/95 und Nr. 2009/95; 3. Mißbrauch von Befugnissen; 4. offensichtlicher Beurteilungsfehler; 5. Verstoß gegen Artikel 39 EG-Vertrag (jetzt Artikel 33 EG) und gegen Artikel 40 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 34 EG) sowie gegen die genannte Verordnung Nr. 1035/72 vom 18. Mai 1972; 6. Begründungsmangel; 7. offensichtliche Unangemessenheit des Ersetzungsmechanismus.

66 Zu prüfen ist der erste Klagegrund, Verstoß gegen die Verordnung Nr. 228/96 sowie gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung.

Vorbringen der Parteien

67 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe dadurch, daß sie den Zuschlagsempfänger ermächtigt habe, als Bezahlung der Lieferung ein anderes Erzeugnis als das gemäß der Verordnung Nr. 228/96 zu übernehmen, gegen diese Verordnung sowie gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung verstossen.

68 Die Kommission hebt zunächst hervor, der Zweck der in Rede stehenden Regelung bestehe darin, der Bevölkerung von Armenien und Aserbaidschan humanitäre Hilfe zu leisten, indem die von den Interventionsstellen aus dem Markt genommenen Erzeugnisse zur Stützung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse verwendet würden. In diesem Rahmen ergebe sich die Möglichkeit, die in Anhang I der Verordnung Nr. 228/96 genannten Früchte durch andere vom Markt genommene Früchte zu ersetzen, aus der ersten und der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung sowie aus den Verordnungen Nr. 1975/95 und Nr. 2009/95.

69 Die erste und die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 228/96 sowie die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1975/95 sähen nämlich lediglich vor, daß die als Bezahlung der Zuschlagsempfänger übernommenen Früchte aus Lagerbeständen von aufgrund von Interventionsmaßnahmen aus dem Markt genommenen Früchten stammen sollten, ohne genau anzugeben, daß diese als Zahlung an die Zuschlagsempfänger übergebenen Früchte in der Ausschreibungsbekanntmachung ausdrücklich genannt sein müssten. Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1975/95 und nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2009/95 sei es nicht erforderlich, daß die den Interventionsbeständen entnommenen Früchte die gleichen sein müssten wie die von den Zuschlagsempfängern zu liefernden, sondern lediglich, daß sie "zu der gleichen Gruppe von Erzeugnissen" gehören müssten.

70 Im übrigen wäre eine solche Verpflichtung nicht mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Empfängerstaaten der betreffenden Hilfe in Einklang zu bringen. Benötige z. B. der eine von ihnen Orangensaft und gebe es nicht genügend aus dem Markt genommene Orangen, liege es auf der Hand, daß die Zuschlagsempfänger mit anderen Früchten bezahlt würden. Dementsprechend sei das als Bezahlung der Lieferung verschiedener unter die Partien Nr. 5 und Nr. 6 fallender Fruchtkonfitüren zu übernehmende Erzeugnis Orangen oder Äpfel.

71 Die Ersetzung der als Bezahlung zu übernehmenden Früchte nach Zuschlagserteilung stelle keineswegs einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz dar, da sie keinerlei Einfluß auf den Ablauf des Ausschreibungsverfahrens gehabt habe. Denn für alle Bieter hätten die gleichen Wettbewerbsbedingungen geherrscht, nämlich die der Verordnung Nr. 228/96 und ihres Anhangs I. Da die Ersetzung der Früchte erst nach der Zuschlagserteilung erfolgt sei, habe sie nicht den geringsten Einfluß auf den Ablauf des Vorgangs gehabt.

Würdigung durch das Gericht

72 Zur Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5) hat der Gerichtshof entschieden, daß, wenn ein Auftraggeber in den Auftragsunterlagen Festlegungen getroffen hat, es der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter verlangt, daß alle Angebote diesen Festlegungen entsprechen, damit ein objektiver Vergleich der Angebote gewährleistet ist (Urteile des Gerichtshofes vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-243/89, Kommission/Dänemark, Slg. 1993, I-3353, Randnr. 37, und vom 25. April 1996 in der Rechtssache C-87/94, Kommission/Belgien, Slg. 1996, I-2043, Randnr. 70). Zudem wurde festgestellt, daß das Verfahren zum Vergleich der Angebote in jedem Abschnitt sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren muß, damit alle Bieter bei der Aufstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügen (Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 54).

73 Diese Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Demnach war die Kommission verpflichtet, in der Ausschreibungsbekanntmachung Gegenstand und Bedingungen der Ausschreibung klar zu beschreiben und sich streng an die genannten Bedingungen zu halten, damit alle Bieter bei der Aufstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügten. Insbesondere konnte die Kommission nicht nachträglich die Ausschreibungsbedingungen, darunter diejenigen, die das abzugebende Angebot betrafen, in einer in der Ausschreibungsbekanntmachung selbst nicht vorgesehenen Weise ändern, ohne den Grundsatz der Transparenz zu verletzen.

74 Wie oben festgestellt, ermöglicht die streitige Entscheidung den Zuschlagsempfängern, d. h. Trento Frutta und Loma, andere Früchte als in der Ausschreibungsbekanntmachung angegeben, insbesondere Pfirsiche anstelle von Äpfeln und Orangen als Bezahlung für ihre Lieferungen zu übernehmen.

75 Ausweislich der Verordnung Nr. 228/96 ist eine solche Ersetzung in der Ausschreibungsbekanntmachung nicht vorgesehen. Aus Anhang I zu dieser Verordnung, ausgelegt gemäß Artikel 15 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 2009/95 (oben, Randnrn. 9 bis 13) geht nämlich hervor, daß nur die aufgeführten Erzeugnisse, d. h. für die Partien Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 5 Äpfel und für die Partien Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 6 Orangen von den Zuschlagsempfängern als Bezahlung für die Lieferungen übernommen werden durften.

76 Im übrigen sind nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e Nummer 1 der Verordnung Nr. 2009/95 (oben, Randnr. 7) nur solche Angebote gültig, die die Angabe der Menge an Erzeugnissen enthalten, die der Bieter als Bezahlung für die Lieferung der Verarbeitungserzeugnisse zu den in der Ausschreibungsbekanntmachung genannten Bedingungen fordert.

77 Die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche als Bezahlung der betreffenden Lieferungen sowie die Festlegung von Äquivalenzköffizienten für diese Früchte stellen daher eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Bedingung der Ausschreibungsbekanntmachung dar, nämlich der Modalitäten für die Bezahlung der zu liefernden Erzeugnisse.

78 Jedoch ermächtigt entgegen den Behauptungen der Kommission keine der von ihr angeführten Bestimmungen, insbesondere nicht die erste und die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 228/96 und Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1975/95 (oben, Randnrn. 3 und 12), und sei es auch nur stillschweigend, zu einer solchen Ersetzung. Eine Ersetzung ist auch nicht in dem von der Kommission vorgetragenen Fall vorgesehen, daß die Mengen an Früchten in den Interventionsbeständen nicht ausreichen und die als Bezahlung der Zuschlagsempfänger gelieferten Ersatzfrüchte zu der "gleichen Gruppe von Erzeugnissen" gehören wie deren Lieferungen.

79 Im übrigen sieht die streitige Entscheidung nicht nur die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche vor, sondern sie legt auch unter Bezugnahme auf nach der Ausschreibung eingetretene Umstände, nämlich das Preisniveau der betreffenden Früchte auf dem Markt Mitte August 1996, Äquivalenzköffizienten fest, obwohl die Berücksichtigung solcher, sich nach der Ausschreibung ergebender Gesichtspunkte bei der Festlegung der auf die betreffenden Lieferungen anzuwendenden Zahlungsmodalitäten in der Ausschreibungsbekanntmachung an keiner Stelle vorgesehen ist.

80 Ausserdem belegen die von der Kommission im Laufe des Verfahrens gemachten Angaben (siehe Anlage 3 zur Klagebeantwortung und Antwort der Kommission auf die Fragen des Gerichts) nicht, daß zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung in den Interventionsbeständen so wenig Äpfel zur Verfügung standen, daß dies die Durchführung der in der Ausschreibungsbekanntmachung genannten Vorgänge hätte verhindern können.

81 Aber selbst wenn auf Gemeinschaftsebene keine Äpfel zur Übernahme verfügbar gewesen sein sollten, wäre es zur Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung Sache der Kommission gewesen, in der Ausschreibungsbekanntmachung die genauen Bedingungen für eine Ersetzung der als Bezahlung der betreffenden Lieferungen vorgesehenen Früchte durch andere zu nennen. Da sie dies nicht getan hat, musste die Kommission ein neues Ausschreibungsverfahren einleiten.

82 Demnach verstösst die streitige Entscheidung gegen die Ausschreibungsbekanntmachung gemäß der Verordnung Nr. 228/96 sowie gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung und ist daher für nichtig zu erklären, ohne daß über die übrigen von der Klägerin vorgetragenen Klagegründe entschieden zu werden braucht.

Rechtssache T-106/97

83 Zu prüfen ist die Zulässigkeit der Klage.

Vorbringen der Parteien

84 Die Kommission trägt vor, die am 9. April 1997 eingereichte Klage sei nach Ablauf der Frist gemäß Artikel 173 Absatz 5 des Vertrages erhoben worden, die am 31. Oktober 1996 in Lauf gesetzt worden sei.

85 Die Klägerin habe nämlich mit Sicherheit in der Sitzung des Tribunale amministrativo regionale del Lazio vom 31. Oktober 1996 Kenntnis vom Inhalt der Entscheidung vom 22. Juli 1996 gehabt. An diesem Tag (und nach dem Schriftsatz der AIMA sogar zehn Tage früher, also am 21. Oktober 1996) habe die AIMA die Note Nr. 29903 der Kommission vom 23. Juli 1996 (Anlage 11 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-106/97) zu den Akten des bei diesem Gericht anhängigen Verfahrens gegeben. Diese Note habe den Inhalt der Entscheidung vom 22. Juli 1996, insbesondere den für das Verhältnis von Äpfeln und Nektarinen geltenden Äquivalenzköffizienten, wiedergegeben. Der Wortlaut der Entscheidung sei ihr sogar beigefügt gewesen.

86 In ihrer am 25. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift in der Rechtssache T-191/96 (Randnr. 12) habe die Klägerin im übrigen ausgeführt, ihres Wissens sei am 22. Juli 1996 eine Entscheidung der Kommission erlassen worden, die die "Möglichkeit der Ersetzung" von Früchten gegenüber der Entscheidung vom 14. Juni 1996 erweitert habe. Daß sie den Inhalt der Entscheidung vom 22. Juli 1996 gekannt habe, habe die Klägerin ausserdem dadurch gezeigt, daß sie in Nummer 23 der Klageschrift in der Rechtssache T-191/96 ausdrücklich auf die "fraglichen Früchte (Äpfel und Orangen auf der einen, Pfirsiche und Aprikosen und Nektarinen auf der anderen Seite)" Bezug genommen habe.

87 Daß die Klägerin in dem Verfahren vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio keine Ausfertigung der Note Nr. 29903 vom 23. Juli 1996 verlangt und sich nicht um die Übermittlung dieses Schriftstücks an sie gekümmert habe, obwohl sie gegen die AIMA eine die fragliche Ausschreibung betreffende Klage erhoben hatte, sei grob fahrlässig und könne nicht geltend gemacht werden, um die Nichteinhaltung der Klagefrist in der vorliegenden Rechtssache zu rechtfertigen.

88 Falls die Klägerin tatsächlich keine Kenntnis vom vollständigen Wortlaut der Entscheidung vom 22. Juli 1996 gehabt habe, hätte sie ihn jedenfalls bei der Kommission förmlich anfordern müssen (Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991 in der Rechtssache T-12/90, Bayer/Kommission, Slg. 1991, II-219; Beschlüsse des Gerichtshofes vom 5. März 1993 in der Rechtssache C-102/92, Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission, Slg. 1993, I-801, Randnrn. 17 ff., und des Gerichts vom 10. Februar 1994 in der Rechtssache T-468/93, Frinil/Kommission, Slg. 1994, II-33, Randnrn. 31 ff.).

89 Die Klägerin macht geltend, sie habe vom Wortlaut der Entscheidung vom 22. Juli 1996 erst Kenntnis erlangt, als die Kommission am 30. Januar 1997 ihre Klagebeantwortung in der Rechtssache T-191/96 vorgelegt habe.

90 In der Sitzung vom 26. Juli 1996 mit den Dienststellen der GD VI habe die Klägerin ausdrücklich nachgefragt, ob es eine Entscheidung gebe, mit der die Möglichkeit der Ersetzung durch Früchte über die in der betreffenden Ausschreibungsbekanntmachung genannten hinaus ausgedehnt werde. Von den anwesenden Beamten habe sie jedoch keine näheren Angaben erhalten.

91 Obwohl in dem im Verfahren vor dem italienischen Verwaltungsgericht eingereichten Schriftsatz der AIMA in der Anlage die Note Nr. 22903 vom 23. Juli 1996 erwähnt sei, habe die Klägerin keine Ausfertigung dieses Schriftstücks erhalten, und sie habe auch nicht darum gebeten, da sie der Auffassung gewesen sei, daß es sich um eine Note wie die anderen, bei denen es um die Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch Pfirsiche und Aprikosen gegangen sei, gehandelt habe. Ausserdem habe es in der Stellungnahme der AIMA keinen Hinweis auf die Entscheidung vom 22. Juli 1996 gegeben, die auch in der Sitzung vom 31. Oktober 1996 nicht herangezogen worden sei.

92 Mit dem Antwortschreiben vom 5. September 1997 auf eine Anfrage der Klägerin habe die AIMA im übrigen erklärt, sie finde in ihren Unterlagen nichts zu "der Entscheidung der Kommission, die am 22. Juli 1996 erlassen worden sein soll" (Anlage 3 zur Erwiderung in der Rechtssache T-106/97).

Würdigung durch das Gericht

93 In Randnummer 12 ihrer Klageschrift in der Rechtssache T-191/96 hat die Klägerin bestätigt, daß sie in der Sitzung vom 26. Juli 1996 (oben, Randnr. 27) erfahren habe, daß die Kommission den Zuschlagsempfängern mit zwei verschiedenen Entscheidungen mit Datum vom 14. Juni bzw. 22. Juli 1996 erlaubt habe, als Bezahlung der betreffenden Lieferungen andere Früchte als die in der Ausschreibungsbekanntmachung angegebenen zu übernehmen; die zweite Entscheidung, die ihr nicht übermittelt worden sei, habe "die Möglichkeit der Ersetzung noch erweitert".

94 Demnach wusste die Klägerin am 26. Juli 1996, daß die Kommission am 22. Juli 1996 eine Entscheidung erlassen hatte, die die in der Entscheidung vom 14. Juni 1996 vorgesehene Möglichkeit der Ersetzung von Äpfeln und Orangen durch andere Früchte erweiterte.

95 Später hat die AIMA in ihrem beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio eingereichten Schriftsatz vom 21. Oktober 1996 (Anlage 4 zur Erwiderung in der Rechtssache T-191/96) ausgeführt:

"Tatsächlich ergeben sich die beanstandeten Umrechnungsgrössen für die zur Bezahlung der Lieferungen verwendeten Früchte (Äpfel, Orangen, Pfirsiche, Aprikosen und Nektarinen), die für Trento Frutta und Loma zugrunde zu legen sind, aus gemeinschaftlichen Entscheidungen (siehe Noten Nr. 24700 vom 20.6.96 und Nr. 29903 vom 23.7.96), die die AIMA anwenden und den Betroffenen mitteilen musste."

96 In diesem Schriftsatz heisst es, daß ihm die Note der Kommission Nr. 29903 vom 23. Juli 1996 beigefügt sei. Unstreitig gibt diese Note den Inhalt der Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 1996 wieder.

97 Die Sitzung vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio fand am 31. Oktober 1996 statt.

98 Demnach hatte die Klägerin spätestens am 31. Oktober 1996 zumindest davon Kenntnis, daß die Kommission eine Entscheidung erlassen hatte, die die Ersetzung der als Bezahlung der von Trento Frutta und Loma vorgenommenen Lieferungen vorgesehenen Früchte durch Nektarinen ermöglichte, und daß der Inhalt dieser Entscheidung in einer Note der Kommission Nr. 29903 vom 23. Juli 1996 wiedergegeben war.

99 Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, daß die Klägerin in Randnummer 23 ihrer am 25. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Klageschrift in der Rechtssache T-191/96 auf die Möglichkeit verwiesen hat, die in der Ausschreibungsbekanntmachung genannten Früchte durch Nektarinen zu ersetzen.

100 Selbst wenn die Klägerin, wie sie behauptet, vor dem 30. Januar 1997, dem Tag des Eingangs der Klagebeantwortung in der Rechtssache T-191/96, der eine Ausfertigung der Entscheidung vom 22. Juli 1996 beigefügt war, keine Kenntnis vom vollständigen Wortlaut dieser Entscheidung gehabt hätte, ist daran zu erinnern, daß es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes demjenigen, der vom Vorliegen einer ihn betreffenden Handlung erfährt, obliegt, deren vollständigen Wortlaut binnen angemessener Frist anzufordern (Beschluß Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission, Randnr. 18).

101 Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht dargetan, daß die Klägerin die Kommission, sei es nach der Sitzung vom 26. Juli 1996, sei es nach Einreichung des Schriftsatzes der AIMA beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio am 21. Oktober 1996 oder auch nach der Sitzung vor diesem Gericht vom 31. Oktober 1996 aufgefordert hat, ihr den vollständigen Wortlaut der Entscheidung vom 22. Juli 1996 zu übermitteln.

102 Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, der Beginn der Klagefrist müsse auf den 30. Januar 1997 festgelegt werden. Denn aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß eine angemessene Frist zur Anforderung des vollständigen Wortlauts der Entscheidung vom 22. Juli 1996 bereits vor diesem Zeitpunkt deutlich überschritten war.

103 Folglich ist die am 9. April 1997 eingereichte Klage verspätet und damit unzulässig.

Kostenentscheidung:

Kosten

104 Gemäß Artikel 87 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist.

105 Da die Kommission mit ihrem Vorbringen in der Rechtssache T-191/96 unterlegen ist und die Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind der Kommission die Kosten des Verfahrens in dieser Rechtssache aufzuerlegen. Was das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache T-191/96 R betrifft, sind im Licht des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts vom 26. Februar 1997 jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

106 Da in der Rechtssache T-106/97 die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind in dieser Rechtssache der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung C(96) 2208 der Kommission vom 6. September 1996 wird für nichtig erklärt.

2. Die Klage in der Rechtssache T-106/97 wird als unzulässig abgewiesen.

3. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens in der Rechtssache T-191/96. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten in der Rechtssache T-191/96 R. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in der Rechtssache T-106/97.

Ende der Entscheidung

Zurück