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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: T-191/98 R II
Rechtsgebiete: EGV, Beschluss 88/591/ EGKS, EWG, Euratom, Entscheidung 1999/243/EG


Vorschriften:

EGV Art. 242
EGV Art. 243
Beschluss 88/591/ EGKS, EWG, Euratom Art. 4
Entscheidung 1999/243/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

28. Juni 2000 (1)

"Wettbewerb - Zahlung einer Geldbuße - Bankbürgschaft - Dringlichkeit - Abwägung der Interessen"

Parteien:

In der Rechtssache T-191/98 R II

Cho Yang Shipping Co. Ltd mit Sitz in Seoul (Südkorea), Prozeßbevollmächtigte: Solicitors N. Bromfield und C. Thomas, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte De Bandt, Van Hecke, Lagae und Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung 1999/243/EG der Kommission vom 16. September 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 und Artikel 86 EG-Vertrag (Sache IV/35.134 - Trans-Atlantic Conference Agreement) (ABl. 1999, L 95, S. 1), soweit der Antragstellerin in Artikel 8 und 10 dieser Entscheidung eine Geldbuße von 13 750 000 EUR auferlegt wird,

erläßt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluß

Entscheidungsgründe:

1. Die Antragstellerin war eine der fünfzehn Reedereien, die an dem Trans-Atlantic Agreement (im folgenden: TAA), einer am 31. August 1992 in Kraft getretenen Vereinbarung über die Linienschiffahrt auf der Transatlantikroute zwischen Nordeuropa und den USA, beteiligt waren.

2. Die Kommission erließ am 19. Oktober 1994 die Entscheidung 94/980/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 des EG-Vertrags (IV/34.446 - Trans-Atlantic Agreement) (ABl. L 376, S. 1), in der sie einerseits feststellte, daß bestimmte Vorschriften des TAA, insbesondere die Vorschriften über bestimmte Landtransportdienste innerhalb der Gemeinschaft, gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) verstoßen, und es andererseits ablehnte, auf diese Vorschriften Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag und Artikel 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 175, S. 1) anzuwenden. Mit der Entscheidung 94/980 wurden den betroffenen Unternehmen vor allem Preisabsprachen, die den gleichen oder einen ähnlichen Zweck oder die gleiche oder eine ähnliche Wirkung wie die in dem TAA enthaltenen Bestimmungen haben, untersagt.

3. Nach Abschluß zahlreicher Unterredungen mit der Kommission meldeten die Mitglieder des TAA am 5. Juli 1994 bei der Kommission eine neue Vereinbarung mit der Bezeichnung Trans-Atlantic Conference Agreement (im folgenden: TACA) an, die das TAA ersetzen sollte und am 24. Oktober 1994 in Kraft trat.

4. Die Kommission erließ am 16. September 1998 die Entscheidung 1999/243/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 und Artikel 86 EG-Vertrag (Sache IV/35.134 - Trans-Atlantic Conference Agreement) (ABl. 1999, L 95, S. 1; im folgenden: Entscheidung).

5. Nach den Artikeln 1, 2 und 3 der Entscheidung haben die Mitglieder des TACA gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, Artikel 53 Absatz 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 verstoßen, indem sie eine Vereinbarung getroffen haben, durch die sie verschiedene wettbewerbswidrige Tätigkeiten entfalteten.

6. Nach den Artikeln 5 und 6 der Entscheidung haben die Antragstellerin und die anderen Mitglieder des TACA gegen Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) und Artikel 54 EWR-Abkommen verstoßen, indem sie die Wettbewerbsstruktur des Marktes in einer Weise verändert haben, daß ihre gemeinsame beherrschende Stellung verstärkt wurde, und indem sie die Verfügbarkeit und inhaltliche Gestaltung von Servicekontrakten Einschränkungen unterworfen haben.

7. Artikel 8 der Entscheidung setzt gegen die Mitglieder des TACA wegen der in den Artikeln 5 und 6 der Entscheidung festgestellten Verstöße eine Geldbuße fest, die sich der Antragstellerin gegenüber auf 13 750 000 EUR beläuft. Artikel 10 der Entscheidung sieht vor, daß die in Artikel 8 festgesetzten Geldbußen binnen drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung einzuzahlen sind. Vom Ablauf dieser Frist an werden automatisch 7,5 % Zinsen geschuldet.

8. Mit Schreiben vom 25. September 1998 gab die Kommission der Antragstellerin die Entscheidung bekannt. Sie wies in diesem Schreiben darauf hin, daß sie im Fall einer Klageerhebung durch die Antragstellerin während der Dauer der Anhängigkeit der Rechtssache beim Gericht von einer Beitreibung der Geldbuße absehen würde, sofern die Forderung vom Ablauf der Zahlungsfrist an zu 5,5 % verzinst und spätestens zu diesem Zeitpunkt eine ihren Anforderungen entsprechende Bankbürgschaft für die Hauptschuld zuzüglich Zinsen gestellt würde.

9. Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 2. Dezember 1998, davon befreit zu werden, eine Bankbürgschaft stellen oder die Geldbuße zahlen zu müssen.

10. Mit Klageschrift, die am 7. Dezember 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin zusammen mit elf anderen am TACA beteiligten Reedereien nach Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben (Rechtssache T-191/98).

11. Die Kommission lehnte den Antrag mit Schreiben vom 9. Juni 1999 ab, erklärte aber, daß sie bereit sei, folgendes zu akzeptieren:

"a) eine zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristete Bankbürgschaft, die unter Verwendung des beigefügten Musters für eine Bankbürgschaft gestellt wird;

b) eine Regelung, wonach die Gesellschaft zur Ratenzahlung berechtigt ist, vorausgesetzt, es werden Verzugszinsen berechnet und für die Restschuld besteht eine normale Bankbürgschaft".

12. Das dem Schreiben als Anlage beigefügte Bankbürgschaftsmuster sieht vor, daß die Bürgschaft zunächst eine Dauer von einem Jahr hat und sich automatisch um jeweils ein Jahr verlängert, wenn sie nicht von der Bank widerrufen wird. Im Fall des Widerrufs hat die Antragstellerin innerhalb von 15 Tagen die Geldbuße zuzüglich der fälligen Zinsen zu zahlen.

13. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz, der am 19. Oktober 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, nach Artikel 242 EG beantragt,

- den Vollzug der Entscheidung 1999/243, soweit ihr in deren Artikel 8 eine Geldbuße in Höhe von 13,75 Mio. EUR auferlegt wird, bis zum Erlaß der endgültigen Entscheidung in der Rechtssache T-191/98 und in jedem damit im Zusammenhang stehenden Rechtsmittelverfahren und bis zum Erlaß des Beschlusses, der das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschließt, auszusetzen;

- die Kommission zur Tragung der Kosten dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu verurteilen.

14. Darüber hinaus beantragt die Antragstellerin, Ausführungen zur Behandlung vertraulicher Angaben, die der dieses Verfahren abschließende Beschluß enthalten könnte, machen zu dürfen.

15. Die Kommission hat am 29. Oktober 1999 eine schriftliche Stellungnahme eingereicht.

16. Der Richter der einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin aufgefordert, in der mündlichen Verhandlung bestimmte schriftliche Fragen zu beantworten.

17. Die Parteien haben am 12. November 1999 mündlich verhandelt. Während der Verhandlung ist die Antragstellerin aufgefordert worden, ihre Antworten auf die ihr gestellten schriftlichen Fragen zu ergänzen. Am 3. Dezember 1999 hat die Kommission eine Stellungnahme zu den ergänzenden Antworten, die die Antragstellerin am 26. November 1999 bei der Kanzlei eingereicht hat, abgegeben.

18. Am 7. Dezember 1999 hat der Richter der einstweiligen Anordnung die Antragstellerin aufgefordert, sich ihrerseits zu bestimmten Fragen zu äußern, die die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 3. Dezember 1999 aufgeworfen hat.Die Antragstellerin hat mit Schreiben, das am 15. Dezember 1999 bei der Kanzlei eingegangen ist, geantwortet.

19. Mit Beschluß vom selben Tag in der Rechtssache T-191/98 R II (Cho Yang Shipping/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) hat der Richter der einstweiligen Anordnung den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zum Erlaß des Beschlusses, der das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschließt, ausgesetzt und die Vorlage des von einem international angesehenen Wirtschaftsprüfungsunternehmen geprüften und bestätigten Jahresabschlusses für das am 31. Dezember 1999 beendete Wirtschaftsjahr einschließlich eines Schreibens des genannten Unternehmens verlangt, in dem bestätigt wird, daß der betreffende Jahresabschluß den Betrag der in der Entscheidung 1999/243 gegen die Antragstellerin festgesetzten Geldbuße einschließlich Zinsen wiedergibt. In Nummer 3 des Tenors dieses Beschlusses ist festgestellt worden, daß auf die gegen die Antragstellerin festgesetzte Geldbuße bis zum Abschluß dieses Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes weiterhin gemäß Artikel 10 der Entscheidung 1999/243 Zinsen in Höhe von 7,5 % fällig werden.

20. Am 31. März 2000 hat die Antragstellerin in der Kanzlei den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Seo Il & Company eingereicht, der ihren Jahresabschluß für das Wirtschaftsjahr 1999 enthält. Die Kommission hat mit Schreiben, das am 19. April 2000 bei der Kanzlei eingegangen ist, zu diesem Jahresabschluß Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

21. Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/ EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

22. Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen die Anträge auf einstweilige Anordnungen die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so daß der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30).

23. Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluß des Präsidenten desGerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C-107/99 R, Italien/Kommission, Slg. 1999, I-4011, Randnr. 59).

Vorbringen der Parteien

Zum Fumus boni iuris

24. Zur Glaubhaftmachung der Begründetheit ihrer Anträge bringt die Antragstellerin drei Antragsgründe vor; sie rügt eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler bei der Beurteilung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Artikel 86 EG-Vertrag und die Rechtswidrigkeit der auferlegten Geldbuße. Sie verweist auf das Vorbringen der DSR-Senator Lines im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, das zum Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 21. Juli 1999 in der Rechtssache T-191/98 R (Senator Lines/Kommission, Slg. 1999, II-2531) geführt hat.

25. Die Kommission bestreitet nicht das Vorliegen eines Fumus boni iuris.

Zur Dringlichkeit

26. Nach Auffassung der Antragstellerin rechtfertigen es besondere Umstände, die Verpflichtung zur Zahlung der mit der Entscheidung auferlegten Geldbuße auszusetzen, ohne diese Aussetzung an die sofortige Stellung einer Bankbürgschaft zu knüpfen. Sie macht geltend, sie habe 1997 wegen der Wirtschaftskrise in Asien erhebliche Verluste erlitten und befinde sich trotz der seither vorgenommenen Umstrukturierung weiterhin in einer prekären finanziellen Lage. Sie verfüge nicht über die nötigen flüssigen Geldmittel, um der Kommission eine Bankbürgschaft stellen zu können; ihre Aktionäre könnten ihr keine Hilfe leisten; eine sofortige Zahlung der Geldbuße würde ihre Existenz gefährden.

27. 1997 sei sie in einem für den Seefrachtverkehr ungünstigen Umfeld durch die Wirtschafts- und Finanzkrise in Asien, deren Wirkungen in Korea durch die weitverbreitete Übung der wechselseitigen Bürgschaften zwischen den Unternehmen eines Konzerns und durch die hohe Verschuldung der Unternehmen verstärkt worden seien, schwer beeinträchtigt worden. Als sie jenes Wirtschaftsjahr mit einem Reinverlust von 429 Mrd. koreanischen Won (KRW) (284 Mio. EUR) abgeschlossen habe, habe sie ihr Kapital durch die Ausgabe neuer Aktien in Höhe von insgesamt 19 Mrd. KRW (12 Mio. EUR) erhöht, die zum größten Teil von neuen Investoren, der Krota Sea-Land Transportation Ltd und der Pieris Investment Pte. Ltd, sowie zu einem geringeren Teil von alten Aktionären der Gesellschaft, den Mitgliedern der Familie Park und Herrn Lee Dongjoo, gezeichnet worden seien.

28. Im März 1998 habe ihre Hausbank, die Seoul Bank, gemäß den vom Internationalen Währungsfonds und der koreanischen Regierung festgelegten Maßnahmen ihr eine "Vereinbarung zur Verbesserung ihrer Finanzstruktur"aufgezwungen, die insbesondere die schrittweise Abschaffung der wechselseitigen Bankbürgschaften zwischen den Unternehmen des Cho Yang-Konzerns und die Veräußerung mehrerer Vermögensgegenstände vorgesehen habe. Zur Erfüllung dieser Vereinbarung habe sie zusammen mit der Samik Express, einem Unternehmen des Cho Yang-Konzerns, und den Mitgliedern der Familie Park am 19. Juli 1999 der Allianz AG ihre Anteile an dem koreanischen Versicherungsunternehmen First Life Insurance Co. Ltd (im folgenden: First Life) übertragen. Den Erlös aus diesem Verkauf habe sie zur Verringerung ihrer Schulden verwendet. Außerdem habe sie eine Beteiligung zu 100 % an einer ehemaligen Tochtergesellschaft von First Life, der Hansin Mutual Saving & Finance Co. Ltd, erworben. Am 6. August 1999 habe die Samik Express ihr den Erlös aus dem Verkauf von 28,37 % des Kapitals von First Life gezahlt. Nachdem sie die Hälfte ihrer Flotte verkauft habe, gehörten ihr jetzt nur noch sieben Schiffe. Zwar habe der Verkauf der Schiffe zur Senkung ihrer Schulden beigetragen, aber auch zu einer Erhöhung ihrer Betriebskosten geführt, denn sie sei gezwungen gewesen, zusätzliche Schiffe zu chartern, um ihre Tätigkeit fortführen zu können. Zur Umstrukturierung des Unternehmens habe sie 1998 eine Kooperationsvereinbarung mit DSR-Senator Lines, Hanjin Shipping und der United Arab Shipping Company getroffen.

29. Am Ende des Wirtschaftsjahres 1998 habe sich ihr Reinverlust auf ungefähr 47 Mrd. KRW (30 Mio. EUR), ihre Zinsbelastung auf 113 Mrd. KRW (72 Mio. EUR) und ihr nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag auf 427 Mrd. KRW (273 Mio. EUR) belaufen. Am Ende des ersten Halbjahres 1999 schätze sie ihren Reinverlust für das laufende Wirtschaftsjahr auf 9 Mrd. KRW (7 Mio. EUR), und ihre Jahresbilanz müsse voraussichtlich Aktiva in Höhe von 630 Mrd. KRW (484 Mio. EUR), Passiva von ungefähr 570,1 Mrd. KRW (438 Mio. EUR) und Eigenkapital von ungefähr 59,9 Mrd. KRW (46 Mio. EUR) ausweisen.

30. Trotz dieser Verbesserung sei ihre Lage prekär. Alle ihre Schiffe und ihr Immobilienvermögen seien mit Gläubigerrechten belastet und ihre Konzernbeteiligungen verpfändet. Wegen der Cash-flow-Schwierigkeiten hätten Dritte die Schiffe, die sie betreibe, aufgrund dieser Schiffsgläubigerrechte beschlagnahmen lassen. Zwar sei es ihr gelungen, die Banken dazu zu bewegen, nicht die Zwangsvollstreckung zu betreiben, seit 1998 habe sie aber wegen ihrer geringen Zahlungsfähigkeit keine neuen Kredite erhalten. So hätten die Seoul Bank, die Korea Development Bank, die Korea First Bank und die Hana Bank zwischen dem 27. November 1998 und dem 2. August 1999 mangels Vermögens und insbesondere mangels ausreichender flüssiger Geldmittel wiederholt die Gewährung einer Bankbürgschaft verweigert.

31. Die Fähigkeit eines Unternehmens, kurzfristig eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, werde nach seinem Liquiditätsgrad (flüssige Aktiva/laufende Verbindlichkeiten) bemessen, und sie verfüge nicht über die nötigen "Reserven", um 13,75 Mio. EUR (18 Mrd. KRW) zu zahlen. Um diese Summe sofortaufzubringen, wäre sie gezwungen, ihre Schiffe oder andere Ertrag abwerfende Vermögensgegenstände zu verkaufen. Da ihre Aktiva als Sicherheiten für Schulden dienten, deren Höhe die der Geldbuße bei weitem übersteige, würden Erlöse aus ihrer Veräußerung in erster Linie zur Befriedigung der vorrangigen Gläubiger verwendet. Eine solche Veräußerung würde ihre Fähigkeit, Einkommen zu erzielen, gefährden und könnte ihre Gläubiger dazu verleiten, ihren Konkurs zu betreiben, ohne daß sich die konkreten Inkassochancen der Kommission dadurch erhöhen würden.

32. Die Aktionäre und die Unternehmen des Konzerns, zu dem die Antragstellerin gehöre, würden durch ihre jeweiligen Interessen und Finanzlagen daran gehindert, ihr Unterstützung zu gewähren. Daher sei über den vorliegenden Antrag ohne Anwendung einer willkürlichen Regel zu entscheiden, nach der von einem oder mehreren ihrer Aktionäre "zu verlangen" sei, ihr Unterstützung zu gewähren.

33. Nach Auffassung der Kommission ist keine Dringlichkeit gegeben.

34. Zwischen 1997 und 1999 habe die Antragstellerin trotz ihrer Zahlungsunfähigkeit die Unterstützung ihrer Gläubiger, ihrer Aktionäre und neuer Investoren genossen, die nach Auffassung der Kommission auf die langfristige Gesundung des Unternehmens setzen. Es sei unwahrscheinlich, daß sie kurzfristig das Risiko eingingen, die Antragstellerin in Konkurs gehen zu lassen und endgültig jede Möglichkeit auf Eintreibung ihrer Außenstände zu verlieren. Die Überschuldung der Antragstellerin habe bereits vor dem Erlaß der Entscheidung bestanden. Daher könne die Beitreibung der Geldbuße, die im Vergleich zur Gesamtheit ihrer Schulden einen geringen Betrag darstelle, nicht zum Konkurs der Antragstellerin führen. Die Aussetzung der Beitreibung der Geldbuße oder der Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft liefe darauf hinaus, dem Gemeinschaftssteuerzahler die Risiken aufzubürden, die ansonsten die Gläubiger der Antragstellerin zu tragen hätten.

35. Bei der Prüfung des vorliegenden Antrags sei die Unterstützung zu berücksichtigen, die die Unternehmen des Konzerns, zu dem die Antragstellerin gehöre, leisten könnten (Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 7. Mai 1982 in der Rechtssache 86/82 R, Hasselblad/Kommission, Slg. 1982, 1555, Randnr. 4; Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 21. Dezember 1994 in der Rechtssache T-295/94 R, Buchmann/Kommission, Slg. 1994, II-1265). Daher sei zu prüfen, ob die Antragstellerin mit der Unterstützung der Mitglieder des Konzerns, zu dem sie gehöre, in der Lage sei, die geforderte Bürgschaft zu stellen. Die Umstrukturierungsvereinbarung zwischen der Seoul Bank und dem Cho Yang-Konzern beweise hinreichend die Existenz eines Konzerns.

36. Die Lage der Antragstellerin sei jedenfalls nicht mehr so schlecht wie 1997 oder 1998, so daß zum jetzigen Zeitpunkt für sie kein Konkursrisiko mehr bestehe. Nach Prüfung des Abschlusses der Antragstellerin für das Wirtschaftsjahr 1999 ist die Kommission der Auffassung, daß die Antragstellerin in der Lage sei, die Geldbußeselbst zu zahlen oder eine Bankbürgschaft zu stellen. Außerdem bezweifelt sie, daß dieser Abschluß den Anforderungen des Beschlusses Cho Yang Shipping/Kommission genüge, da in ihm die Geldbuße nur in einer Fußnote erwähnt werde.

Zur Abwägung der Interessen

37. Nach Auffassung der Antragstellerin hat ihr die Kommission mit der Entscheidung eine Geldbuße nicht wegen ihres individuellen Verhaltens, sondern wegen der mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Vertragsparteien des TACA auferlegt. Der vorliegende Antrag beziehe sich zwar nur auf 13,75 Mio. EUR, mithin auf 5 % der Geldbußen in Höhe von 272,98 Mio. EUR, die den Vertragsparteien des TACA insgesamt auferlegt worden seien. Die Transatlantikroute sei für sie ein neuer Markt gewesen, zu dem sie mittels Kooperationsvereinbarungen mit anderen Reedereien Zugang erhalten habe. 1999 habe sie sich vom TACA zurückgezogen. Daher sei das finanzielle oder wettbewerbspolitische Gemeinschaftsinteresse an der Beitreibung der Geldbuße im vorliegenden Fall äußerst gering, während der Konkurs der Antragstellerin den Wettbewerb auf der Atlantikroute berühren würde.

38. Aus dem Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 107/82 R (AEG/Kommission, Slg. 1982, 1549) gehe hervor, daß die Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft dazu diene, von der Erhebung von Verschleppungsklagen abzuschrecken. Die Tatsache, daß die Klage kollektiv erhoben worden sei, und das Zurückgehen der Inflation seit Erlaß des Beschlusses AEG/Kommission schlössen jede Verschleppung ihrerseits aus.

39. In ihrem Antrag hat die Antragstellerin vorgeschlagen, die Aussetzung der Vollziehung an folgende Bedingungen zu knüpfen:

- die Zahlung von Zinsen aus 13,75 Mio. EUR in Höhe von jährlich 5,5 %;

- die Verpflichtung ihrerseits, für die Dauer der Aussetzung nach Genehmigung ihres Halbjahres- und ihres Jahresabschlusses mit mindestens drei Banken in Kontakt zu treten, um eine Bankbürgschaft für den Betrag von 13,75 Mio. EUR zuzüglich Zinsen entsprechend der üblichen Bankbürgschaft, die die Kommission verlange, zu erhalten;

- die Mitteilung der Ergebnisse ihrer Bemühungen um die Bankbürgschaft im September und im April jedes Jahres;

- das Erlöschen der früheren Verpflichtungen mit Vorlage der eventuellen Bankbürgschaft an die Kommission.

40. Die Kommission weist darauf hin, daß die Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur dazu diene, die Unternehmen, gegen die Geldbußen verhängt worden seien, von der Erhebung von Verschleppungsklagen abzuhalten, sondern hauptsächlich dazu, die finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu schützen und alle Unternehmen gleich zu behandeln. Da aber keine Dringlichkeit vorliege, sei keine Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Im übrigen weist sie den Vorschlag der Antragstellerin zurück.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

41. Erstens ist der Antrag auf einstweilige Anordnungen für die Zeit bis zum Erlaß der endgültigen Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-191/98 als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen. Der Richter der einstweiligen Anordnung ist nämlich nicht zuständig für den Erlaß einstweiliger Anordnungen, die Wirkungen erzeugen sollen, bis ein Urteil des Gerichtshofes über ein eventuelles Rechtsmittel gegen ein Endurteil des Gerichts ergeht.

42. Ferner ist der Zweck des vorliegenden Antrags genau zu bestimmen. Die Antragstellerin beantragt die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, soweit ihr in deren Artikel 8 eine Geldbuße in Höhe von 13,75 Mio. EUR auferlegt wird. Es steht fest, daß die Kommission in ihrem Bekanntgabeschreiben vom 25. September 1998 darauf hingewiesen hat, daß sie im Fall einer Klage von einer Beitreibung der Geldbuße absehen würde, wenn die Antragstellerin eine Bankbürgschaft über den Betrag der Geldbuße einschließlich Zinsen stellen würde. Daher kann der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs sinnvollerweise nur auf eine Befreiung von der Obliegenheit gerichtet sein, zur Abwendung der sofortigen Beitreibung einer von der Kommission verhängten Geldbuße eine Bankbürgschaft zu stellen. Wenn nicht der Grundsatz des Artikels 242 EG, daß Klagen keine aufschiebende Wirkung haben, ausgehöhlt werden soll, kann dem vorliegenden Antrag nur stattgegeben werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes in der Rechtssache AEG/Kommission und vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-364/99 P[R], DSR-Senator Lines/Kommission, Slg. 1999, I-8733, Randnr. 48).

43. Da die Kommission im vorliegenden Fall das Vorliegen eines Fumus boni iuris bejaht hat (siehe Randnr. 25 dieses Beschlusses), ist zu prüfen, ob die Antragstellerin den Beweis dafür erbracht hat, daß es ihr unmöglich ist, die geforderte Bankbürgschaft zu stellen, ohne ihre Existenz zu gefährden, und ob damit die Dringlichkeit gegeben ist. Zu diesem Zweck ist anhand der objektiven wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin zu prüfen, ob die Schreiben, mit denen die Banken die Übernahme der beantragten Bürgschaft abgelehnt haben, erheblich sind.

44. Eine solche Prüfung ist mit einer aufwendigen Analyse zahlreicher buchhalterischer und finanzieller Daten verbunden. Zu diesem Zweck und unter Berücksichtigungdes kurz bevorstehenden Abschlusses des Wirtschaftsjahres 1999 wurde die Antragstellerin in Nummer 2 des Tenors des oben angeführten Beschlusses Cho Yang Shipping/Kommission aufgefordert, vor dem 1. April 2000 den Abschluß für das vergangene Wirtschaftsjahr unter den in Randnummer 19 des vorliegenden Beschlusses aufgeführten Bedingungen vorzulegen.

45. Selbst wenn das Gericht trotz der Zweifel der Kommission feststellen würde, daß die Antragstellerin den Anforderungen des genannten Beschlusses Cho Yang Shipping/Kommission genügt hat, so ist doch festzuhalten, daß sie keinen ihr drohenden Schaden glaubhaft gemacht hat, der die Aussetzung des Vollzugs rechtfertigen würde.

46. Es ist darauf hinzuweisen, daß die Antragstellerin seit 1995 stark überschuldet war. 1995 entsprachen ihre Verbindlichkeiten dem Vierzehnfachen, 1996 dem Neunundzwanzigfachen ihres Eigenkapitals. In diesen Wirtschaftsjahren betrug ihr Betriebsergebnis (operating income) nur ungefähr 63 Mrd. KRW. Nach einem Reingewinn (net income) von 3 Mrd. KRW 1995 erlitt sie im darauffolgenden Wirtschaftsjahr einen Reinverlust von über 7,9 Mrd. KRW. Angesichts dieser Verschlechterung wies die Antragstellerin, die 1995 einen nicht ausgeschütteten Gewinn in Höhe von über einer Milliarde KRW vorgetragen hatte (unappropriated retained earnings carried over), in ihrem Abschluß für das Wirtschaftsjahr 1996 einen Verlustvortrag (loss carried over) von mehr als 6,7 Mrd. KRW aus.

47. In dieser Phase der Verschlechterung ihrer Lage wurde die Antragstellerin 1997 von der Wirtschafts- und Finanzkrise in Asien erfaßt. Im Laufe des Wirtschaftsjahres 1997 wuchs ihr Verlust um 44 % auf 1 027 Mrd. KRW an. Ihr Betriebsergebnis, das 1996 noch in einem Gewinn von 63 Mrd. KRW bestanden hatte, wurde zu einem Verlust von ungefähr 163 Mrd. KRW. Mit dem Verlustvortrag (loss carried over) von ungefähr 434 Mrd. KRW wurde das Eigenkapital der Antragstellerin aufgezehrt und fiel auf minus 379 Mrd. KRW. Alldem ist zu entnehmen, daß die Schwierigkeiten, auf die sich die Antragstellerin beruft, auf Ereignisse zurückzuführen sind, die vor Erlaß der Entscheidung 1999/243 liegen.

48. Im übrigen verbesserte sich die Lage der Antragstellerin seit 1998 erheblich. Zunächst baute sie 1997 und 1998 ihre Verbindlichkeiten um mehr als 16 % und 1998 und 1999 um mehr als 34 % ab. 1999 betrugen sie 557 Mrd. KRW, also etwa die Hälfte derer im Wirtschaftsjahr 1997. Auch war die Antragstellerin dank des Umstrukturierungsplans am Ende des Wirtschaftsjahres 1999 in der Lage, den Verlustvortrag von 480 Mrd. KRW aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr auszugleichen, und konnte ein Betriebsergebnis von 46 Mrd. KRW und einen Reingewinn von mehr als 253 Mrd. KRW vorweisen. Im Lauf dieses Wirtschaftsjahres wuchs ihr Eigenkapital von minus 427 Mrd. KRW auf ungefähr 96 Mrd. KRW an, wodurch ihr Verschuldungsgrad (Verbindlichkeiten/Eigenkapital) auf 6 sank und damit fast fünfmal niedriger war als der 1996 ermittelte. IhreZinslast ging von 117 Mrd. KRW auf 73 Mrd. KRW zurück. Aus den Akten geht auch hervor, daß sie im Lauf des zweiten Halbjahres 1999 bessere Ergebnisse zu verzeichnen hatte, als sie bei der Stellung ihres Antrags auf Aussetzung des Vollzugs erwartet hatte.

49. Den schriftlichen Erläuterungen, die sie als Antwort auf die ihr in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen gegeben hat, ist indessen zu entnehmen, daß trotz dieser positiven Entwicklungen die Schiffe und das Immobilienvermögen der Antragstellerin nur einen Wert zwischen ... und ...(2) der Bankforderungen ausmachen, für die sie die Sicherheiten darstellen. Unter diesen Umständen steht fest, daß ihre sofortige Verwertung nicht genügend flüssige Mittel für die Zahlung der Geldbuße erbringen würde. Den Akten ist jedoch ebenfalls zu entnehmen, daß die Antragstellerin über Immobilienwerte verfügt, die im Rahmen des Umstrukturierungsplans zur ... Veräußerung vorgesehen sind. Es handelt sich dabei um die Beteiligungen an den Gesellschaften Dong Seoul und Dong Young Shipping, die die Geldgeber im Rahmen des Umstrukturierungsplans mit ... bewertet haben. Trotz des Hinweises der Antragstellerin, daß sie Schwierigkeiten bei der Veräußerung dieser Vermögenswerte habe, ist festzustellen, daß deren Wert den Betrag der Geldbuße bei weitem übersteigt.

50. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Antragstellerin nunmehr über einen positiven Cash-flow verfügt. Im Wirtschaftsjahr 1999 wurden Geldmittel in Höhe von 908 Mio. KRW (793 252 USD) erwirtschaftet. Die Unternehmenstätigkeit hat zu einem Cash-flow (cash flow from operating activities) von 91 Mrd. KRW geführt, der die Höhe ihrer Zinslast (73 Mrd. KRW) deutlich übersteigt. Zwar erreicht dieser Cash-flow nicht den Betrag, der für die Zahlung der Geldbuße erforderlich ist, müßte es aber der Antragstellerin nunmehr ermöglichen, sich eine Bankbürgschaft oder jedenfalls das nötige Kapital zu beschaffen, um die Geldbuße zahlen zu können. Die Weigerungen der Banken, an die sich die Antragstellerin gewandt hat, aus der Zeit vor der Veröffentlichung des Jahresabschlusses 1999 sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

51. Nach den vorstehenden Ausführungen deutet nichts darauf hin, daß die Antragstellerin in ihrer derzeitigen Lage keine Bankbürgschaft stellen könnte, ohne ihre Existenz zu gefährden. Bei der derzeitigen allgemeinen Verbesserung ihrer Lage wird der Vollzug der Entscheidung vor Erlaß des Urteils der Antragstellerin voraussichtlich keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen, wenn die Entscheidung durch das Gericht für nichtig erklärt wird. Daher liegt keine Dringlichkeit vor.

52. Im übrigen verbietet es die Interessenabwägung, dem Antrag der Antragstellerin stattzugeben.

53. Denn das Interesse der Antragstellerin an der Abwendung der sofortigen Beitreibung der Geldbuße für den Fall, daß sie keine Bankbürgschaft zu stellen vermag, ist gegen das finanzielle Interesse der Gemeinschaft an einer Beitreibung und, allgemeiner, das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln und an der abschreckenden Wirkung der von der Kommission verhängten Geldbußen abzuwägen.

54. Zu diesem letzten Aspekt ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission der Antragstellerin eine Geldbuße auferlegt hat, weil sie unter Verstoß gegen das in Artikel 86 EG-Vertrag enthaltene Verbot eine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausgenutzt hat; von dem genannten Verbot kann nach ständiger Rechtsprechung keine wie auch immer geartete Freistellung gewährt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 16. März 2000 in den Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P, Compagnie maritime belge u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365, Randnr. 135).

55. Unter den vorliegenden Umständen überwiegt das allgemeine Interesse an der Befolgung der Entscheidung 1999/243 das individuelle Interesse der Antragstellerin, der kein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden mehr droht. Der Antrag ist daher abzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin kann binnen 15 Tagen bei der Kanzlei einen Antrag auf vertrauliche Behandlung stellen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 28. Juni 2000

Ende der Entscheidung

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