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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: T-198/03 R
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 17/62, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 3
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 21
EG-Vertrag Art. 81
EG-Vertrag Art. 82
EG-Vertrag Art. 230
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 7. November 2003. - Bank Austria Creditanstalt AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Zulässigkeit - Wettbewerb - Veröffentlichung einer Bußgeldentscheidung - Keine Dringlichkeit. - Rechtssache T-198/03 R.

Parteien:

In der Rechtssache T-198/03 R

Bank Austria Creditanstalt AG mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Zschocke und J. Beninca,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Rating als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Anhörungsbeauftragten der Kommission vom 5. Mai 2003, die nicht vertrauliche Fassung der Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 2002 in der Sache COMP/36.571/D-1 - Österreichische Banken (Lombard Club") zu veröffentlichen,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), kann die Kommission, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG oder Artikel 82 EG feststellt, die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen".

2 Artikel 20 der Verordnung Nr. 17, der das Berufsgeheimnis betrifft, sieht vor, dass die bei Anwendung verschiedener Bestimmungen dieser Verordnung erlangten Kenntnisse nur zu dem mit der Auskunft oder Nachprüfung verfolgten Zweck verwertet werden [dürfen]" (Absatz 1), dass die Kommission und ihre Beamten und sonstigen Bediensteten verpflichtet [sind], Kenntnisse nicht preiszugeben, die sie bei Anwendung dieser Verordnung erlangt haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen" (Absatz 2), und dass schließlich die Vorschriften der Absätze 1 und 2 der Veröffentlichung von Übersichten oder Zusammenfassungen, die keine Angaben über einzelne Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen enthalten, nicht entgegen[stehen]" (Absatz 3).

3 Nach Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 hat die Kommission die Entscheidungen, die sie nach den Artikeln 2, 3, 6, 7 und 8 erlässt", zu veröffentlichen. Gemäß Absatz 2 erfolgt die Veröffentlichung unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung" und muss den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen".

4 Der Beschluss 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162, S. 21) bestimmt in Artikel 9:

Besteht die Absicht, Informationen offen zu legen, die Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen enthalten könnten, wird das betroffene Unternehmen schriftlich hiervon unterrichtet. Ihm wird eine Frist gesetzt, innerhalb deren es sich hierzu schriftlich äußern kann.

Erhebt das betroffene Unternehmen Einwand gegen die Offenlegung der Informationen und besteht die Auffassung, dass die Informationen nicht geschützt sind und deshalb offen gelegt werden dürfen, wird dieser Standpunkt schriftlich in einer mit Gründen versehenen Entscheidung niedergelegt, die dem betroffenen Unternehmen zugestellt wird. Die Entscheidung nennt den Tag, ab dem die Informationen offen gelegt werden. Die Offenlegung darf frühestens eine Woche nach Mitteilung der Entscheidung erfolgen.

Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Offenlegung von Informationen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften."

Sachverhalt und Verfahren

5 Mit Entscheidung vom 11. Juni 2002, die im Rahmen der Sache COMP/36.571/D-1 - Österreichische Banken (Lombard Club") erging, stellte die Kommission fest, dass sich die Antragstellerin vom 1. Januar 1995 bis 24. Juni 1998 an einer Absprache mit mehreren anderen österreichischen Banken beteiligt habe (Artikel 1), und beschloss deshalb (Artikel 3), gegen sie ebenso wie gegen die anderen von dem Verfahren betroffenen Banken eine Geldbuße zu verhängen (im Folgenden: Bußgeldentscheidung).

6 Mit Schreiben vom 12. August 2002 übermittelte die Kommission der Antragstellerin den Entwurf einer nicht vertraulichen Fassung der Bußgeldentscheidung und bat sie um Zustimmung zur Veröffentlichung dieser Fassung.

7 Am 3. September 2002 hat die Antragstellerin (ebenso wie die meisten anderen betroffenen Banken) Nichtigkeitsklage gegen die Bußgeldentscheidung erhoben, die unter dem Aktenzeichen T-260/02 in das Register eingetragen worden ist. Mit dieser Klage bestreitet die Antragstellerin nicht den von der Kommission in der fraglichen Entscheidung festgestellten Sachverhalt, sondern wendet sich nur gegen die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße.

8 Mit Schreiben vom 10. September 1992 verlangte die Antragstellerin von der Kommission im Anschluss an die Bitte um Zustimmung zur Veröffentlichung vom 12. August 2002, die Bußgeldentscheidung ohne die in Randnummer 7 enthaltene Sachverhaltsdarstellung für das Jahr 1994 zu veröffentlichen und die Randnummern 8 bis 12 der Entscheidung durch einen von ihr vorgeschlagenen Textbaustein zu ersetzen.

9 Am 7. Oktober 2002 fand ein Treffen der zuständigen Dienststellen der Kommission mit den Anwälten aller Adressaten der Bußgeldentscheidung statt. Sie konnten sich jedoch insbesondere nicht über den Antrag der Antragstellerin vom 10. September 2002 einigen. Unter Bezugnahme auf diesen Antrag richtete die zuständige Direktorin der Generaldirektion für Wettbewerb der Kommission am 22. Oktober 2002 ein Schreiben an die Antragstellerin, in dem sie den Standpunkt der Kommission zur Veröffentlichung der Bußgeldentscheidung wiederholte und ihr eine überarbeitete nicht vertrauliche Fassung dieser Entscheidung übermittelte.

10 Die Antragstellerin wandte sich am 6. November 2002 an die Anhörungsbeauftragte und ersuchte sie, ihrem Antrag vom 10. September 2002 stattzugeben.

11 Die Anhörungsbeauftragte vertrat mit Schreiben vom 20. Februar 2003 die Ansicht, dass der genannte Antrag unbegründet sei, und legte der Antragstellerin eine neue nicht vertrauliche Fassung der Bußgeldentscheidung vor.

12 Mit Schreiben vom 28. Februar 2003 teilte die Antragstellerin mit, dass sie an ihrem Widerspruch gegen die Veröffentlichung dieser nicht vertraulichen Fassung festhalte.

13 Mit Schreiben vom 5. Mai 2003 beschloss die Anhörungsbeauftragte unter Vorlage einer überarbeiteten nicht vertraulichen Fassung der Bußgeldentscheidung, den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Veröffentlichung dieser Entscheidung zurückzuweisen (im Folgenden: streitige Entscheidung). Gemäß Artikel 9 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462 erklärte die Anhörungsbeauftragte, dass diese Fassung der Bußgeldentscheidung (im Folgenden: streitige Fassung) keine Informationen enthalte, die unter die im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Garantie vertraulicher Behandlung fielen.

14 Mit Klageschrift, die am 6. Juni 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben.

15 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat sie einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung bis zum Erlass der Entscheidung zur Hauptsache gestellt und hilfsweise beantragt, der Kommission die Veröffentlichung der streitigen Fassung bis zu diesem Zeitpunkt zu untersagen.

16 Die Kommission hat am 30. Juni 2003 schriftlich zum Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen. Die Anhörung vor dem Richter der einstweiligen Anordnung hat am 12. September 2003 stattgefunden.

Rechtliche Würdigung

17 Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

18 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts muss ein Antrag auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, so dass ein Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30).

19 Im Rahmen seiner Gesamtprüfung verfügt der Richter der einstweiligen Anordnung über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 22).

Zur Zulässigkeit

20 Die Kommission hält die Klage in der vorliegenden Rechtssache für unzulässig. Ihres Erachtens ist die streitige Entscheidung keine anfechtbare Handlung.

21 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht zu prüfen ist, damit der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgegriffen wird. Wird geltend gemacht, dass die dem Antrag auf einstweilige Anordnung zugrunde liegende Klage offensichtlich unzulässig sei, so kann es sich jedoch als erforderlich erweisen, das Vorliegen bestimmter Anhaltspunkte festzustellen, aus denen auf den ersten Blick auf die Zulässigkeit der Klage geschlossen werden kann (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 27. Januar 1988 in der Rechtssache 376/87 R, Distrivet/Rat, Slg. 1988, 209, Randnr. 21; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II-1961, Randnr. 121 [im Folgenden: Beschluss Pfizer], im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-329/99 P[R], Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, I-8343, und vom 11. April 2003 in der Rechtssache T-392/02 R, Solvay Pharmaceuticals/Rat, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53).

22 Daher ist zu prüfen, ob es Anhaltspunkte gibt, aus denen auf den ersten Blick auf die Zulässigkeit der Klage geschlossen werden kann.

Vorbringen der Parteien

23 In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung hebt die Antragstellerin die Anfechtbarkeit der streitigen Entscheidung hervor. Da diese Entscheidung ein Verwaltungsverfahren über das Ob und die Art und Weise der Veröffentlichung einer Bußgeldentscheidung beende, habe sie abschließenden Charakter und könne somit angefochten werden. Nach Artikel 20 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 17 habe die Antragstellerin Anspruch darauf, dass die Bußgeldentscheidung unter Beachtung der Voraussetzungen des Artikels 21 Absätze 1 und 2 dieser Verordnung veröffentlicht werde. Die detaillierten Sachverhaltsdarstellungen, die die Kommission veröffentlichen wolle, seien nicht nur unüblich, sondern auch unnötig, da die Antragstellerin schon 1998 und damit von Anfang an die ihr zur Last gelegten wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen eingeräumt habe. Deren Veröffentlichung würde die Antragstellerin und ihre Mitarbeiter bloßstellen.

24 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung unter Hinweis darauf, dass die streitige Entscheidung die Antragstellerin nicht beschwere. Ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung bestimmter Teile einer solchen Entscheidung bestehe nur unter zwei Voraussetzungen. Erstens müssten die fraglichen Teile Geschäftsgeheimnisse oder entsprechend geschützte Angaben sein, und zweitens müsse das Interesse des Unternehmens am Schutz dieser Angaben das öffentliche Interesse an ihrer Veröffentlichung überwiegen. Die Antragstellerin habe aber weder ein Geschäftsgeheimnis noch eine entsprechend geschützte Angabe genannt, die in der streitigen Fassung enthalten sein sollten. Folglich habe sie kein Interesse an der Anfechtung der streitigen Entscheidung.

25 Überdies folge die Veröffentlichung nicht aus der streitigen Entscheidung, sondern unmittelbar aus Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17. Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung sei keine Anspruchsgrundlage zur Verhinderung der Veröffentlichung einer Entscheidung der fraglichen Art oder bestimmter Teile davon, sondern beschreibe nur zugunsten Dritter die Informationen, zu deren Veröffentlichung die Kommission verpflichtet sei.

26 Die Rüge hinsichtlich der Schilderung des Verhaltens der Antragstellerin im Jahr 1994 betreffe im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der Bußgeldentscheidung (die Gegenstand der Rechtssache T-260/02 sei) und sei somit im Rahmen der Klage in der vorliegenden Rechtssache verspätet erhoben worden. Da es sich nicht um die Veröffentlichung eines Geschäftsgeheimnisses oder einer entsprechend geschützten Angabe handele, fehle jedenfalls auch ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin.

27 In der Anhörung hat sich die Antragstellerin gegen die Analyse der Kommission gewandt. Insbesondere unter Bezugnahme auf Artikel 9 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462 hat sie geltend gemacht, diese Bestimmung gelte auch für die Veröffentlichung von Informationen durch die Kommission, die keine Geschäftsgeheimnisse seien. Im Fall des Widerspruchs gegen eine zur Veröffentlichung vorgesehene Angabe sei das Verfahren des Artikels 9 Absatz 3 des Beschlusses anzuwenden. Nach diesem Verfahren dürfe die Kommission im Einklang mit Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 u. a. bei den nach Artikel 3 der Verordnung erlassenen Entscheidungen nur deren wesentlichen Inhalt veröffentlichen. Der wesentliche Inhalt einer Entscheidung könne nicht mit der gesamten Entscheidung gleichgesetzt werden. Folglich habe die Antragstellerin ein Interesse daran, die von ihr als nicht wesentlich angesehenen Elemente der streitigen Fassung zu beanstanden.

28 Die Kommission hat dazu gemeint, dass, während sich Artikel 9 Absätze 1 und 2 des Beschlusses 2001/462 ausdrücklich auf die Offenlegung von Informationen beziehe, die Geschäftsgeheimnisse... enthalten könnten", Artikel 9 Absatz 3 die Veröffentlichung solcher Informationen betreffe. Folglich sei eine auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung ergangene Entscheidung des Anhörungsbeauftragten nur anfechtbar, soweit es um Geschäftsgeheimnisse gehe.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

29 Nach Artikel 230 Absatz 4 EG kann [j]ede natürliche oder juristische Person... gegen die an sie ergangenen Entscheidungen... Klage erheben".

30 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die streitige Entscheidung an die Antragstellerin ergangen ist. Zu prüfen ist jedoch, ob diese Entscheidung auf den ersten Blick eine anfechtbare Handlung darstellt.

31 Nach ständiger Rechtsprechung können Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne des Artikels 230 EG solche Handlungen oder Entscheidungen sein, die verbindliche Rechtsfolgen haben, die die Interessen des Klägers dadurch beeinträchtigen, dass sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9; Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92 bis T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 28, und Beschluss des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-219/01, Commerzbank/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53).

32 Wie aus dem Vorbringen vor dem Richter der einstweiligen Anordnung hervorgeht, hält die Kommission die Klage im Wesentlichen deshalb für unzulässig, weil die Antragstellerin keineswegs dargetan habe, dass die streitige Fassung Geschäftsgeheimnisse enthalte. Die Antragstellerin habe folglich kein Rechtsschutzinteresse, weil die Offenlegung der von ihr beanstandeten Informationen ihre Rechtsstellung nicht in qualifizierter Weise verändern könne.

33 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Artikel 287 EG und Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 nur die Preisgabe von Informationen verbieten, die unter das Berufsgeheimnis" fallen und von denen die Kommission bei einer gemäß dieser Verordnung durchgeführten Untersuchung Kenntnis erlangt. Wie sich aus Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergibt, hat die Kommission eine entsprechende Verpflichtung bei Entscheidungen über die Veröffentlichung der in diesem Artikel genannten Entscheidungen im Amtsblatt. Folglich entfaltet eine Entscheidung, in der die Kommission sich weigert, im Hinblick auf eine solche Veröffentlichung anzuerkennen, dass bestimmte Informationen, deren vertrauliche Behandlung ein Betroffener verlangt, Geschäftsgeheimnisse darstellen, für diese Person Rechtswirkungen (vgl. analog dazu Urteil des Gerichtshofes vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 53/85, AKZO/Kommission, Slg. 1986, 1965, Randnrn. 17 und 18, Beschluss des Gerichts vom 2. Mai 1997 in der Rechtssache T-90/96, Peugeot/Kommission, Slg. 1997, II-663, Randnrn. 34 und 36, Beschluss Commerzbank/Kommission, Randnrn. 69 und 70, sowie Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Dezember 2001 in der Rechtssache T-213/01 R, Österreichische Postsparkasse/Kommission, Slg. 2001, II-3963, Randnr. 49).

34 Dass die Entscheidung, eine solche Veröffentlichung vorzunehmen, wie im vorliegenden Fall im Namen der Kommission von der Anhörungsbeauftragten auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462 getroffen wird, ist zumindest auf den ersten Blick irrelevant (vgl. analog dazu Beschluss Commerzbank/Kommission, Randnrn. 69 und 70).

35 Soweit die streitige Fassung Informationen enthalten würde, die Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin darstellen könnten, hätte ihre Veröffentlichung in Durchführung der streitigen Entscheidung die unausweichliche wie auch irreversible Folge, dass diese Geheimnisse Dritten preisgegeben würden. Die Antragstellerin wäre daher berechtigt, die Gültigkeit dieser Entscheidung in Frage zu stellen.

36 Im vorliegenden Fall macht die Kommission jedoch gerade geltend, dass die fraglichen Informationen eindeutig keine Geschäftsgeheimnisse seien. Der Richter der einstweiligen Anordnung hat zwar im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht die Richtigkeit dieser Erklärung zu prüfen, doch geht insbesondere aus den mündlichen Erläuterungen der Antragstellerin hervor, dass sie diese Erklärung der Kommission de facto nicht bestreitet. Daher ist zu prüfen, ob sie gleichwohl berechtigt ist, die Gültigkeit der streitigen Entscheidung in Frage zu stellen.

37 Dazu ist festzustellen, dass im Licht der oben in Randnummer 33 zitierten Rechtsprechung die von der Kommission vertretene Auslegung des Artikels 21 der Verordnung Nr. 17, wonach sie verpflichtet sei, zumindest den wesentlichen Inhalt jeder u. a. auf der Grundlage von Artikel 3 der Verordnung erlassenen Entscheidung zu veröffentlichen, auf den ersten Blick eher überzeugend erscheint. Es ist nicht unerheblich, dass diese Auslegung der von der Kommission seit vielen Jahren verfolgten Veröffentlichungspraxis entspricht, während die von der Antragstellerin befürwortete Auslegung auf einem Umkehrschluss dahin gehend beruht, dass jede Veröffentlichung, zu der die Kommission nicht ausdrücklich verpflichtet ist, rechtswidrig wäre.

38 Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die Verpflichtung der Kommission zur Veröffentlichung einer Entscheidung gemäß Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nur auf die Veröffentlichung ihres wesentlichen Inhalts" erstreckt. Denkbar ist, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber im Hinblick auf die allgemeine Verpflichtung der Kommission, nur nicht vertrauliche Fassungen ihrer Entscheidungen zu veröffentlichen, d. h. Fassungen, die keine Bezugnahme auf Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Adressaten enthalten, den Adressaten der gemäß den Artikeln 2, 3, 6, 7 und 8 der Verordnung Nr. 17 erlassenen Entscheidungen ein spezielles Recht einräumen wollte, sich dagegen zu wehren, dass die Kommission im Amtsblatt (und gegebenenfalls auch auf ihren Internetseiten) Informationen veröffentlicht, die, wenn auch nicht vertraulich, für das Verständnis des verfügenden Teils dieser Entscheidungen nicht wesentlich" sind.

39 Dass es sich dabei auf den ersten Blick um eine ernst zu nehmende Auslegung des Artikels 21 der Verordnung Nr. 17 handelt, wird in gewissem Umfang durch den bei erster Betrachtung mehrdeutigen Wortlaut von Artikel 9 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462 (siehe oben, Randnr. 4) bestätigt. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Bestimmung, wie die Antragstellerin geltend macht, für die Veröffentlichung von Informationen im Allgemeinen und nicht nur von Geschäftsgeheimnissen gilt und dass die Antragstellerin folglich berechtigt ist, gegen die Veröffentlichung von nach ihrer Ansicht sensiblen Informationen vorzugehen, die für das Verständnis der Entscheidung der Kommission, um deren Veröffentlichung es geht, nicht wesentlich sind.

40 Da eine solche Auslegung des Artikels 9 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462, falls sie der Richter der Hauptsache zugrunde legt, für die Informationen in den Randnummern 8 bis 12 der streitigen Fassung gelten würde, ist nicht auszuschließen, dass sie sich auch auf alle Informationen in Randnummer 7 dieser Fassung erstrecken würde. Da diese Informationen das Jahr 1994 betreffen, lässt sich kaum ausschließen, dass ihre Veröffentlichung für das Verständnis der Begründung einer Entscheidung wie der Bußgeldentscheidung, mit der nach Artikel 1 ihres verfügenden Teils eine Zuwiderhandlung für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 24. Juni 1998 festgestellt wird, nicht wesentlich" ist.

41 In diesem Fall wäre - sollte der Richter der Hauptsache die Existenz des von der Antragstellerin beanspruchten Rechts, sich einer Veröffentlichung dieser Informationen zu widersetzen, bestätigen - eine solche Veröffentlichung, die offensichtlich irreversibel wäre, geeignet, die Rechtsstellung der Antragstellerin in qualifizierter Weise zu verändern.

42 Es gibt somit Anhaltspunkte, die auf den ersten Blick den Schluss zulassen, dass die streitige Entscheidung eine anfechtbare Handlung darstellt und dass die Antragstellerin somit berechtigt ist, ihre Nichtigerklärung gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG zu beantragen. Da die Zulässigkeit des Hauptantrags der Antragstellerin somit nicht ausgeschlossen werden kann, ist kurz die Zulässigkeit des Hilfsantrags zu prüfen, mit dem eine Aussetzung der Veröffentlichung der Bußgeldentscheidung begehrt wird. Da der Hilfsantrag de facto den gleichen Gegenstand hat wie der Hauptantrag, nämlich das vorläufige Verbot der Veröffentlichung der streitigen Informationen, ist er nicht gesondert zu behandeln.

43 Unter diesen Umständen ist in Bezug auf den Hauptantrag auf Aussetzung der streitigen Entscheidung zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfuellt ist.

Zur Dringlichkeit

Vorbringen der Parteien

44 Nach Ansicht der Antragstellerin ist die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall erfuellt. Sie trägt dazu vor, dass sie materielle und immaterielle Schäden erleiden würde, die auch nach der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung nicht wieder gutgemacht werden könnten.

45 Hinsichtlich der materiellen Schäden verweist die Antragstellerin auf eine in den Vereinigten Staaten bereits erhobene Sammelklage. In der Anhörung hat sie erläutert, dass in dieser Sache für den 24. Oktober 2003 in New York eine mündliche Verhandlung anberaumt sei. Ferner befürchtet sie, dass gegen sie und die übrigen österreichischen Banken, an die sich die Bußgeldentscheidung richte, in Österreich Schadensersatzklagen erhoben werden könnten. Sie macht geltend, die amerikanischen und österreichischen Kläger würden vermutlich von den ihnen durch die Veröffentlichung der genannten Entscheidung zur Verfügung gestellten sensiblen Informationen Gebrauch machen. Denkbar sei auch, dass die österreichischen Strafverfolgungsbehörden aufgrund der Veröffentlichung der Bußgeldentscheidung Mitarbeiter der Antragstellerin und der anderen betroffenen Banken identifizieren und diese Informationen im Rahmen der bereits laufenden Strafverfolgungsmaßnahmen verwenden könnten.

46 Zu den immateriellen Schäden trägt die Antragstellerin vor, die Aufdeckung der Identität ihrer Mitarbeiter könnte in gravierender Weise in deren Persönlichkeitsrechte eingreifen. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen habe sie die Interessen ihrer Mitarbeiter zu wahren. Die Veröffentlichung der in der streitigen Fassung enthaltenen sensiblen Informationen würde somit den Ruf der Antragstellerin schwer schädigen.

47 Diese Schäden könnten nicht rückgängig gemacht werden. Die spätere Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung könnte die Wirkungen der Veröffentlichung der streitigen Fassung nicht beseitigen, da die fraglichen sensiblen Informationen an die Öffentlichkeit gelangt wären. Dies gelte umso mehr, als weder das österreichische noch das amerikanische Recht Beweisverbote für die auf diese Weise rechtswidrig an die Öffentlichkeit gelangten Informationen vorsähen.

48 Die Kommission führt aus, die von der Antragstellerin geltend gemachten materiellen Schäden hätten rein finanziellen Charakter. Falls diese Schäden einträten, seien sie nicht irreparabel oder auch nur schwer wieder gutzumachen. Es handele sich jedenfalls um rein hypothetische Schäden, da sie den Eintritt ungewisser Ereignisse voraussetzten.

49 Zu den von der Antragstellerin geltend gemachten immateriellen Schäden trägt die Kommission vor, die Antragstellerin liefere keine Anhaltspunkte, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Erwartung einer schweren und nicht wieder gutzumachenden Schädigung ihres Rufes begründen könnten. Etwaige Klagen ihrer Mitarbeiter gegen sie würden nur zu einem finanziellen und folglich wieder gutzumachenden Schaden führen. Zur angeblichen Schädigung des Rufes bestimmter Mitarbeiter mache die Antragstellerin keine näheren Angaben, so dass ein Kausalzusammenhang zwischen diesen Schäden und der etwaigen Beeinträchtigung ihres eigenen Rufes nicht dargetan sei.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

50 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 31. Juli 2003 in der Rechtssache C-208/03 P[R], Le Pen/Parlament, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 77). Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er den Ausgang des Hauptverfahrens nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I-8787, Randnr. 14, Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T-169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II-2951, Randnr. 43, und Beschluss Österreichische Postsparkasse/Kommission, Randnr. 66). Das unmittelbare Bevorstehen des Schadens braucht nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen zu werden, sondern es genügt, insbesondere wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, dass es mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 38, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-195/01 R und T-207/01 R, Government of Gibraltar/Kommission, Slg. 2001, II-3915, Randnr. 96).

51 Zwar ist es für den Nachweis eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens nicht erforderlich, dass der Eintritt des Schadens mit absoluter Sicherheit nachgewiesen wird, sondern es genügt, dass dieser mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist, doch hat der Antragsteller die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens begründen sollen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67, und Beschluss Griechenland/Kommission, Randnr. 15).

52 Die von der Antragstellerin geltend gemachten Schäden betreffen in erster Linie die mögliche Heranziehung der streitigen Fassung im Rahmen von Schadensersatzklagen gegen sie in den Vereinigten Staaten, in Österreich und, wie in der Anhörung ausgeführt wurde, auch in Deutschland. Wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, ist im vorliegenden Fall jedoch klar, dass Schäden, die daraus für die Antragstellerin entstehen könnten, rein finanzieller Natur wären. Dies gilt auch für die von der Antragstellerin angeführte Gefahr von Klagen ihrer Mitarbeiter gegen sie, falls diese zu der Auffassung gelangten, dass sie ihre Verpflichtung zur Wahrung der Interessen dieser Mitarbeiter verletzt habe.

53 In Bezug auf diese Schäden ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung ein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden kann, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C-471/00 P[R], Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, Slg. 2001, I-2865, Randnr. 113, und Beschluss Solvay Pharmaceuticals/Rat, Randnr. 106).

54 Nach diesem Grundsatz wäre die beantragte Aussetzung des Vollzugs nur dann gerechtfertigt, wenn das Unterbleiben einer solchen Maßnahme die Antragstellerin in eine Lage versetzen würde, in der möglicherweise ihre Existenz gefährdet wäre oder ihre Marktanteile irreversibel geändert würden (Beschlüsse Pfizer, Randnr. 138, und Solvay Pharmaceuticals/Rat, Randnr. 107).

55 Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt dargetan oder auch nur wirklich behauptet, dass der Vollzug der streitigen Entscheidung ihre Existenz gefährden würde. Sie hat auch nicht geltend gemacht, dass sie durch den Vollzug der streitigen Entscheidung Marktanteile verlieren würde.

56 Unter diesen Umständen können die geltend gemachten finanziellen Schäden die beantragte Aussetzung des Vollzugs nicht rechtfertigen.

57 Überdies sind die genannten Schäden weitgehend, wenn nicht ausschließlich, hypothetischer Natur, da sie auf dem Eintritt künftiger ungewisser Ereignisse beruhen. Derartige Schäden können die beantragte einstweilige Anordnung nicht rechtfertigen (vgl. Beschluss Government of Gibraltar/Kommission, Randnr. 101). Beim gegenwärtigen Stand der Dinge ist nicht vorhersehbar, welchen Einfluss oder welche Auswirkung die mögliche Verwendung der in der streitigen Fassung enthaltenen Informationen in den anhängigen und künftigen Zivilverfahren, auf die die Antragstellerin Bezug nimmt, auf den Ausgang dieser Verfahren haben könnte. Folglich ist die bloße Erhebung von Schadensersatz- oder anderen Klagen nicht dazu angetan, der Antragstellerin einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 17. Juli 2001 in der Rechtssache C-180/01 P[R], Kommission/NALOO, Slg. 2001, I-5737, Randnr. 57).

58 Was die angeblich in Österreich gegen die Antragstellerin und die übrigen betroffenen Banken eingeleiteten Strafverfolgungsmaßnahmen angeht, so ist es nicht Sache des Richters der einstweiligen Anordnung, Spekulationen darüber anzustellen, ob diese Verfahren auf der Bußgeldentscheidung beruhen. Der insoweit von der Antragstellerin geltend gemachte Schaden ist offensichtlich hypothetischer Natur. Im Übrigen hat die Antragstellerin in der Anhörung ausgeführt, dass die gegen sie eingeleiteten Verfahren wahrscheinlich beigelegt würden, ohne dass sie ein Verschulden einräumen müsse. Selbst wenn die nationalen Stellen diese Verfahren nicht beenden sollten und die Antragstellerin letztlich verurteilt würde, wäre ein dadurch entstehender Schaden jedenfalls im Wesentlichen finanzieller Art.

59 Was die geltend gemachten immateriellen Schäden betrifft, so liefert die Antragstellerin im Antrag auf einstweilige Anordnung nur sehr wenige Anhaltspunkte, die mit der Wahrscheinlichkeit, die nach der oben in den Randnummern 50 und 51 angeführten Rechtsprechung erforderlich ist, die Erwartung einer schweren und nicht wieder gutzumachenden Schädigung ihres Rufes begründen könnten. Wie sich insbesondere aus den Erläuterungen der Antragstellerin in der Anhörung ergibt, sind einige der in der streitigen Fassung enthaltenen Informationen sensibler Natur und könnten sowohl von Personen, die Zivilklagen gegen sie erheben wollen, als auch von denjenigen, die dies bereits getan haben, verwendet werden.

60 Die Antragstellerin behauptet aber nicht, dass die fraglichen Informationen vertraulich seien, und gibt nicht an, inwieweit deren etwaige Verwendung in Zivilklagen gegen sie ihren Ruf gravierend schädigen könnte. Sie erläutert insbesondere nicht, welchen Einfluss oder welche Auswirkung die Verwendung dieser Informationen auf den Ablauf der anhängigen oder zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten haben könnte. Daraus ist zu schließen, dass der fragliche immaterielle Schaden rein hypothetischer Natur ist.

61 Zur angeblichen Beeinträchtigung des Rufes ihrer Mitarbeiter ist zunächst festzustellen, dass die Kommission bestreitet, dass die fragliche Veröffentlichung es ermöglichen würde, die Identität solcher Mitarbeiter zu ermitteln. Da der Richter der einstweiligen Anordnung über diese Frage nicht befinden kann, genügt der Hinweis, dass die Antragstellerin, selbst wenn die Gefahr der Aufdeckung der Identität bestimmter natürlicher Personen bestehen sollte, nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür geliefert hat, wie dies mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit zu einer schweren Schädigung ihres Rufes führen könnte.

62 Aus dem Vorstehenden folgt, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, das Vorliegen der Voraussetzung der Dringlichkeit nachzuweisen.

63 Daher ist der Antrag zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Voraussetzung in Bezug auf den Fumus boni iuris erfuellt ist.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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