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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 24.10.1991
Aktenzeichen: T-2/89
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages
Vorschriften:
EWG Art. 85 Abs. 1 | |
EWG Art. 190 | |
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages Art. 15 |
1. Die Entscheidung, die die Kommission an Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag richtet, darf weder Vorwürfe, die gegenüber denen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte neu sind, noch Beweismittel, die gegenüber den in dieser Mitteilung oder deren Anlagen genannten neu sind, enthalten. Ausserdem muß die Entscheidung zwar die für die Überzeugung der Kommission maßgeblichen Beweismittel anführen, muß aber nicht alle verfügbaren Beweismittel erschöpfend wiedergeben, sondern darf global darauf Bezug nehmen.
2. Der Umstand, daß dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen und der Komission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, kann nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn die Fassung dieser Niederschrift für ihre Adressaten in einem wesentlichen Punkt irreführend gewesen wäre.
3. Die Wahrung der Verteidigungsrechte verlangt nicht, daß die von einem Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Möglichkeit haben, den Bericht des Anhörungsbeauftragten zu kommentieren. Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist nämlich rechtlich hinreichend sichergestellt, wenn die bei der Ausarbeitung der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen korrekt über die Argumentation der Unternehmen informiert worden sind, die diese in Beantwortung der ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkte und gegenüber den von der Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismitteln vorgetragen haben. Der Bericht des Anhörungsbeauftragten ist ein rein internes Schriftstück der Kommission, das nur den Wert eines Gutachtens hat und nicht dem Zweck dient, das Vorbringen der Unternehmen zu ergänzen oder zu korrigieren, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die Unternehmen zu liefern.
4. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dies ist der Fall, wenn es zwischen mehreren Unternehmen zu einer Willensübereinstimmung im Hinblick auf Preis- und Verkaufsmengenziele kommt.
5. Artikel 85 EWG-Vertrag ist auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen.
6. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, anhand deren sich der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise bestimmen lässt, sind im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.
Die Teilnahme an Sitzungen, deren Zweck es ist, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen, und in denen die Wettbewerber Informationen über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigen, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen oder über ihre Verkaufszahlen austauschen, stellt eine abgestimmte Verhaltensweise dar, denn die an den Sitzungen teilnehmenden Unternehmen berücksichtigen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens zwangsläufig auch die auf diese Weise mitgeteilten Informationen.
7. Da Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag für eine komplexe Zuwiderhandlung, die jedoch einheitlich ist, weil sie in einem durch ein einziges Ziel gekennzeichneten kontinuierlichen Verhalten besteht und sowohl Einzelakte aufweist, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" darstellen, keine spezifische Subsumtion vorschreibt, kann eine solche Zuwiderhandlung als "Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert werden, ohne daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich wäre, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt.
8. Ein Unternehmen ist als an einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise, die geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, beteiligt anzusehen, und verstösst damit gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, wenn das Verhalten der beteiligten Unternehmen insgesamt, unabhängig von der Auswirkung des individuellen Beitrags dieses Unternehmens, zu einem solchen Ergebnis führen kann.
URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 24. OKTOBER 1991. - PETROFINA SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - BEGRIFF DER VEREINBARUNG UND DER ABGESTIMMTEN VERHALTENSWEISE - KOLLEKTIVE VERANTWORTLICHKEIT. - RECHTSSACHE T-2/89
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1 Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Entscheidung der Kommission, mit der fünfzehn Herstellern von Polypropylen wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag eine Geldbusse auferlegt wurde. Das von der angefochtenen Entscheidung (nachstehend: Entscheidung) erfasste Erzeugnis ist eines der wichtigsten thermoplastischen Polymere. Polypropylen wird von den Herstellern an die Verarbeiter zur Weiterverarbeitung zu Fertig- und Halbfertigerzeugnissen verkauft. Die wichtigsten Hersteller von Polypropylen verfügen über eine Palette von mehr als hundert verschiedenen Sorten für einen breiten Fächer von Verwendungszwecken. Die wichtigsten Polypropylengrundsorten sind Raffia, Homopolymer für Spritzguß, Kopolymer für Spritzguß, hochschlagfestes Kopolymer und Folien. Alle Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, sind grosse Hersteller petrochemischer Erzeugnisse.
2 Der westeuropäische Polypropylenmarkt wird fast ausschließlich von europäischen Produktionsstätten beliefert. Vor 1977 wurde dieser Markt von zehn Herstellern beliefert, nämlich von den Unternehmen Montedison (die spätere Montepolimeri SpA und jetzige Montedipe SpA), Hoechst AG, Imperial Chemical Industries PLC und Shell International Chemical Company Ltd (den sogenannten "vier Grossen"), die zusammen 64 % des Marktes innehatten, Enichem Anic SpA in Italien, Rhône-Poulenc SA in Frankreich, Alcudia in Spanien, Chemische Werke Hüls und BASF AG in Deutschland sowie Chemie Linz AG in Österreich. Nach dem Auslaufen der Hauptpatente von Montedison traten 1977 in Westeuropa sieben neue Hersteller auf: Amoco und Hercules Chemicals NV in Belgien, ATO Chimie SA und Solvay & Cie SA in Frankreich, SIR in Italien, DSM NV in den Niederlanden und Taqsa in Spanien. Der norwegische Hersteller Saga Petrokjemi AS & Co. und die Petrofina SA nahmen ihre Tätigkeit Mitte 1978 beziehungsweise im Jahre 1980 auf. Das Auftreten neuer Hersteller mit einer nominalen Kapazität von rund 480 000 t bewirkte ein erhebliches Anwachsen der Produktionskapazität in Westeuropa, die mehrere Jahre lang nicht durch einen entsprechenden Anstieg der Nachfrage ausgeglichen wurde. Dies hatte einen geringen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zur Folge; zwischen 1977 und 1983 soll der Auslastungsgrad jedoch schrittweise von 60 % auf 90 % gestiegen sein. Nach der Entscheidung sollen sich Angebot und Nachfrage von 1982 an im grossen und ganzen im Gleichgewicht befunden haben. Während des grössten Teils des Untersuchungszeitraums (1977-1983) sei der Polypropylenmarkt jedoch durch eine niedrige Rentabilität oder durch erhebliche Verluste gekennzeichnet gewesen, und zwar namentlich wegen der Bedeutung der fixen Kosten und des Anstiegs des Preises des Ausgangsstoffes Propylen. Nach Randnummer 8 der Entscheidung beliefen sich 1983 die europäischen Marktanteile der Montepolimeri SpA auf 18 %, der Imperial Chemical Industries, der Shell International Chemical Company Ltd und Hoechst AG auf jeweils 11 %, der Hercules Chemicals NV auf knapp 6 %, der ATO Chimie SA, der BASF AG, der DSM NV, der Chemische Werke Hüls, der Chemie Linz AG, der Solvay & Cie. SA und der Saga Petrokjemi AS & Co. auf jeweils 3 bis 5 % und der Petrofina SA auf etwa 2 %. Der Polypropylenhandel zwischen Mitgliedstaaten sei groß gewesen, da jeder der damals in der Gemeinschaft niedergelassenen Hersteller in die meisten, wenn nicht in alle Mitgliedstaaten verkauft habe.
3 Die Klägerin wurde auf dem Polypropylenmarkt erst 1980 über Montefina, eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit Montepolimeri, tätig und verkaufte bis März 1982 lediglich über Montefina, die den Verkauf für die beiden Muttergesellschaften durchführte. Sie war ein sehr kleiner Hersteller auf dem Polypropylenmarkt mit einem Marktanteil zwischen 0,2 und 2,1 %.
4 Am 13. und 14. Oktober 1983 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, S. 204; nachstehend: Verordnung Nr. 17) gleichzeitig Nachprüfungen bei den folgenden, den Markt der Gemeinschaft beliefernden Herstellern von Polypropylen durch:
- ATO Chimie SA, jetzt Atochem (nachstehend: ATO);
- BASF AG (nachstehend: BASF);
- DSM NV (nachstehend: DSM);
- Hercules Chemicals NV (nachstehend: Hercules);
- Hoechst AG (nachstehend: Hoechst);
- Chemische Werke Hüls (nachstehend: Hüls);
- Imperial Chemical Industries PLC (nachstehend: ICI);
- Montepolimeri SpA, jetzt Montedipe (nachstehend: Monte);
- Shell International Chemical Company Ltd (nachstehend: Shell);
- SA Solvay & Cie. (nachstehend: Solvay);
- BP Chimie (nachstehend: BP).
Keine Nachprüfungen erfolgten bei Rhône-Poulenc SA (nachstehend: Rhône-Poulenc) und bei der Enichem Anic SpA.
5 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (nachstehend: Auskunftsverlangen) nicht nur an die genannten, sondern auch an folgende Unternehmen:
- Amoco;
- Chemie Linz AG (nachstehend: Linz);
- Saga Petrokjemi AS & Co., jetzt Teil von Statoil (nachstehend: Statoil);
- Petrofina SA (nachstehend: Petrofina oder Klägerin);
- Enichem Anic SpA (nachstehend: Anic).
Linz, ein österreichisches Unternehmen, bestritt die Zuständigkeit der Kommission und weigerte sich, dem Auskunftsverlangen nachzukommen. Gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 führten Kommissionsbeamte anschließend Nachprüfungen bei Anic und bei der Saga Petrochemicals UK Ltd, der englischen Tochter von Saga, sowie bei den Verkaufsgesellschaften von Linz im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland durch. An Rhône-Poulenc erging kein Auskunftsverlangen.
6 Anhand des im Rahmen dieser Nachprüfungen und Auskunftsverlangen entdeckten Beweismaterials gelangte die Kommission zu der vorläufigen Auffassung, die Hersteller hätten von 1977 bis 1983 unter Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag durch eine Reihe von Preisinitiativen regelmässig Zielpreise festgesetzt und ein System jährlicher Mengenkontrolle entwickelt, um den verfügbaren Markt nach vereinbarten Prozentsätzen oder Mengen unter sich aufzuteilen. Am 30. April 1984 beschloß die Kommission deshalb, ein Verfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 einzuleiten. Im Mai 1984 übermittelte sie den genannten Unternehmen mit Ausnahme von Anic und Rhône-Poulenc die schriftliche Mitteilung der Beschwerdepunkte. Alle Adressaten äusserten sich dazu schriftlich.
7 Am 24. Oktober 1984 traf der von der Kommission ernannte Anhörungsbeauftragte mit den Rechtsberatern der Adressaten der Beschwerdepunkte zusammen, um Vereinbarungen über den Ablauf der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgesehenen Anhörung zu treffen, deren Beginn für den 12. November 1984 vorgesehen war. In dieser Sitzung teilte die Kommission den Unternehmen ausserdem zu den in den Antworten auf die Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumenten mit, sie werde ihnen in Kürze ergänzende Unterlagen zu den bereits übermittelten Beweismitteln bezueglich der Durchsetzung der Preisinitiativen zuleiten. Demgemäß übersandte sie den Rechtsberatern der Unternehmen am 31. Oktober 1984 eine Reihe von Unterlagen, die Kopien der einschlägigen Preisinstruktionen der Hersteller für ihre Verkaufsstellen einschließlich der Tabellen enthielten, in denen diese Belege zusammengefasst waren. Um die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu gewährleisten, verband die Kommission diese Übermittlung mit bestimmten Auflagen; insbesondere durften die übersandten Unterlagen nicht an die kaufmännischen Abteilungen der Unternehmen weitergegeben werden. Die Anwälte einiger Unternehmen lehnten diese Auflagen ab und schickten die Unterlagen vor der mündlichen Anhörung zurück.
8 Aufgrund der Angaben in den schriftlichen Antworten auf die Beschwerdepunkte beschloß die Kommission, das Verfahren auf Anic und Rhône-Poulenc auszudehnen. Demgemäß übersandte sie diesen Unternehmen am 25. Oktober 1984 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der den anderen fünfzehn Unternehmen übersandten Mitteilung ähnlich war.
9 Eine erste Reihe von Anhörungen fand vom 12. bis zum 20. November 1984 statt. In ihr wurden mit Ausnahme von Shell (die sich geweigert hatte, an einer Anhörung teilzunehmen) sowie Anic, ICI und Rhône-Poulenc (die sich nicht in der Lage sahen, ihre Unterlagen vorzubereiten) alle Unternehmen angehört.
10 Bei diesen Anhörungen weigerten sich mehrere Unternehmen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die in den ihnen am 31. Oktober 1984 übersandten Unterlagen angeschnitten worden waren, da die Kommission die gesamte Bewertung des Falles geändert habe; sie müssten zumindest Gelegenheit erhalten, sich hierzu schriftlich zu äussern. Andere machten geltend, sie hätten nicht genügend Zeit gehabt, die betreffenden Unterlagen vor der Anhörung zu prüfen. Die Anwälte von BASF, DSM, Hercules, Hoechst, ICI, Linz, Monte, Petrofina und Solvay übersandten der Kommission am 28. November 1984 ein gemeinsames Schreiben in diesem Sinne. In einem Schreiben vom 4. Dezember 1984 schloß sich Hüls dieser Linie an.
11 Daraufhin leitete die Kommission den Unternehmen am 29. März 1985 eine neue Serie von Dokumenten zu, die die Preisanweisungen der Unternehmen an ihre Verkaufsbüros wiedergaben, begleitet von Preistabellen, sowie eine Zusammenfassung der Beweise für alle Preisinitiativen, für die Unterlagen verfügbar waren. Die Unternehmen wurden aufgefordert, sich dazu schriftlich und in einer weiteren mündlichen Anhörung zu äussern. Die ursprünglichen Auflagen bezueglich der Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen hob die Kommission auf.
12 In einem weiteren Schreiben gleichen Datums ging die Kommission auf das Vorbringen der Anwälte ein, sie habe die Rechtsnatur des angeblichen Kartells nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht eindeutig definiert. Sie forderte die Unternehmen auf, sich hierzu schriftlich und mündlich zu äussern.
13 Eine zweite Reihe von Anhörungen fand vom 8. bis zum 11. Juli 1985 und am 25. Juli 1985 statt. Dabei äusserten sich Anic, ICI und Rhône-Poulenc; die anderen Unternehmen (mit Ausnahme von Shell) nahmen zu den von der Kommission in den beiden Schreiben vom 29. März 1985 angesprochenen Fragen Stellung.
14 Der Entwurf der Niederschrift über die Anhörungen sowie alle anderen entscheidungserheblichen Unterlagen wurden den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen (nachstehend: Beratender Ausschuß) am 19. November 1985 übergeben und den Unternehmen am 25. November 1985 zugesandt. Der Beratende Ausschuß gab seine Stellungnahme in seiner 170. Sitzung vom 5. und 6. Dezember 1985 ab.
15 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die streitige Entscheidung vom 23. April 1986. Der verfügende Teil dieser Entscheidung lautet wie folgt:
"Artikel 1
Anic SpA, ATO Chemie SA (heute Atochem), BASF AG, DSM NV, Hercules Chemicals NV, Hoechst AG, Chemische Werke Hüls (jetzt Hüls AG), ICI PLC, Chemische Werke Linz, Montepolimeri SpA (jetzt Montedipe), Petrofina SA, Rhône-Poulenc SA, Shell International Chemical Co. Ltd, Solvay & Cie und Saga Petrokjemi AG & Co. (jetzt Teil der Statoil) haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie:
- im Fall von Anic von etwa November 1977 bzw. 1978 bis weit ins Jahr 1982 oder Anfang 1983;
- im Fall von Rhône-Poulenc von etwa November 1977 bis Ende 1980;
- im Fall von Petrofina von 1980 bis mindestens November 1983;
- im Fall von Hoechst, ICI, Montepolimeri und Shell von etwa Mitte 1977 bis mindestens November 1983;
- im Fall von Hercules, Linz, Saga und Solvay von etwa November 1977 bis mindestens November 1983;
- im Fall von ATO von mindestens 1978 bis mindestens November 1983;
- im Fall von BASF, DSM und Hüls von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 bis mindestens November 1983
an einer von Mitte 1977 stammenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, durch die die Gemeinschaft mit Polypropylen beliefernden Hersteller:
a) miteinander Verbindung hatten und sich regelmässig (von Anfang 1981 an zweimal monatlich) in einer Reihe geheimer Sitzungen trafen, um ihre Geschäftspolitik zu erörtern und festzulegen;
b) von Zeit zu Zeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse in jedem Mitgliedstaat der EWG Ziel- (oder Mindest-)preise festlegten;
c) verschiedene Maßnahmen trafen, um die Durchsetzung dieser Zielpreise zu erleichtern, (vor allem) unter anderem durch vorübergehende Absatzeinschränkungen, den Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, die Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab Ende 1982 ein System der 'Kundenführerschaft' zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden;
d) gleichzeitige Preiserhöhungen vornahmen, um die besagten Ziele durchzusetzen;
e) den Markt aufteilten, indem jedem Hersteller ein jährliches Absatzziel bzw. eine Quote (1979, 1980 und zumindest für einen Teil des Jahres 1983) zugeteilt wurde oder, falls es zu keiner endgültigen Vereinbarung für das ganze Jahr kam, die Hersteller aufgefordert wurden, ihre monatlichen Verkäufe unter Bezugnahme auf einen vorausgegangenen Zeitraum einzuschränken (1981, 1982).
Artikel 2
Die in Artikel 1 genannten Unternehmen sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie es noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Polypropylengeschäfte von allen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen. Dazu gehört der Austausch von Informationen, die normalerweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und durch die die Teilnehmer direkt oder indirekt über Produktion, Absatz, Lagerhaltung, Verkaufspreise, Kosten oder Investitionspläne anderer Hersteller informiert oder aufgrund deren sie in die Lage versetzt werden, die Befolgung ausdrücklicher oder stillschweigender Preis- oder Marktaufteilungsabsprachen innerhalb der Gemeinschaft zu kontrollieren. Ein Verfahren zum Austausch allgemeiner Informationen, dem sich die Hersteller anschließen (wie FIDES), muß unter Ausschluß sämtlicher Informationen geführt werden, aus denen sich das Marktverhalten einzelner Hersteller ableiten lässt. Die Unternehmen dürfen insbesondere untereinander keine zusätzlichen wettbewerbsrelevanten Informationen austauschen, die ein solches System nicht erfasst.
Artikel 3
Gegen die in dieser Entscheidung genannten Unternehmen werden wegen des in Artikel 1 festgestellten Verstosses folgende Geldbussen festgesetzt:
i) Anic SpA, eine Geldbusse von 750 000 ECU bzw. 1 103 692 500 LIT;
ii) Atochem, eine Geldbusse von 1 750 000 ECU bzw. 11 973 325 FF;
iii) BASF AG, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 5 362 225 DM;
iv) DSM NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 6 657 640 HFL;
v) Hercules Chemicals NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 120 569 620 BFR;
vi) Hoechst AG, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 19 304 010 DM;
vii) Hüls AG, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 5 898 447,50 DM;
viii) ICI PLC, eine Geldbusse von 10 000 000 ECU bzw. 6 447 970 UKL;
ix) Chemische Werke Linz, eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 1 471 590 000 LIT;
x) Montedipe, eine Geldbusse von 11 000 000 ECU bzw. 16 187 490 000 LIT;
xi) Petrofina SA, eine Geldbusse von 600 000 ECU bzw. 26 306 100 BFR;
xii) Rhône-Poulenc SA, eine Geldbusse von 500 000 ECU bzw. 3 420 950 FF;
xiii) Shell International Chemical Co. Ltd, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 5 803 173 UKL;
xiv) Solvay & Cie, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 109 608 750 BFR;
xv) Statoil Den Norske Stats Oljeselskap AS (nunmehr einschließlich Saga Petrokjemi), eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 644 797 UKL.
Artikel 4 und 5
[nicht wiedergegeben]"
16 Am 8. Juli 1986 wurde den Unternehmen die endgültige Niederschrift über die Anhörungen mit den von ihnen verlangten Berichtigungen, Zusätzen und Streichungen übermittelt.
Verfahren
17 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 23. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Dreizehn der vierzehn übrigen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssachen T-1/89, T-3/89 und T-6/89 bis T-15/89).
18 Das gesamte schriftliche Verfahren ist vor dem Gerichtshof abgelaufen.
19 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof diese und die dreizehn übrigen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988) an das Gericht verwiesen.
20 Gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 hat der Präsident des Gerichts einen Generalanwalt bestellt.
21 Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien zur Teilnahme an einer informellen Sitzung aufgefordert, um die Einzelheiten der Durchführung der mündlichen Verhandlung festzulegen. Diese Sitzung hat am 28. Juni 1990 stattgefunden.
22 Mit Schreiben vom 9. Juli 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien gebeten, sich zu einer eventuellen Verbindung der Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89 und T-6/89 bis T-15/89 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu äussern. Keine der Parteien hat hiergegen Einwände erhoben.
23 Mit Beschluß vom 25. September 1990 hat das Gericht die genannten Rechtssachen wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs nach Artikel 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend galt, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.
24 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat das Gericht über die von den Klägerinnen in den Rechtssachen T-2/89, T-3/89, T-9/89, T-11/89, T-12/89 und T-13/89 gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung entschieden und ihnen teilweise stattgegeben.
25 Mit Schreiben, die zwischen dem 9. Oktober und dem 29. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien die ihnen vom Gericht mit Schreiben des Kanzlers vom 19. Juli 1990 gestellten Fragen beantwortet.
26 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
27 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 10. bis 15. Dezember 1990 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
28 Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge in der Sitzung vom 10. Juli 1991 vorgetragen.
Anträge der Parteien
29 Die Klägerin beantragt,
1) die Entscheidung der Beklagten vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen) für nichtig zu erklären;
2) hilfsweise, die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse von 600 000 ECU herabzusetzen;
3) der Beklagten die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Kommission beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
30 Nach Auffassung des Gerichts sind zuerst die Rügen zu prüfen, mit denen die Klägerin eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend macht, weil die Kommission ihr Schriftstücke verspätet übermittelt und in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht alle Vorwürfe angeführt habe, auf die die Entscheidung gestützt sei (1), weil die Kommission vor dem Gericht Schriftstücke verwandt habe, die in der Entscheidung nicht aufgeführt worden seien (2), weil die endgültige Fassung der Niederschrift über die Anhörungen weder den Mitgliedern der Kommission noch den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses übermittelt worden sei (3) und weil der Klägerin der Bericht des Anhörungsbeauftragten nicht übermittelt worden sei (3); zweitens die Rügen bezueglich der Feststellung der Zuwiderhandlung, die sich zum einen auf die von der Kommission getroffenen Tatsachenfeststellungen (1) und zum anderen auf die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen (2) beziehen, da die Kommission die Zuwiderhandlung nicht richtig qualifiziert habe (A), die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht zutreffend gewürdigt habe (B) und die Klägerin einer kollektiven Verantwortlichkeit unterwerfe (C); drittens die Rügen bezueglich der Begründung der Entscheidung, weil diese unzureichend (1), widersprüchlich (2) und unzutreffend (3) sei; viertens die Rügen bezueglich der Festsetzung der Geldbusse, die weder der Dauer (1) noch der Schwere (2) der behaupteten Zuwiderhandlung angemessen sei.
Zu den Verteidigungsrechten
1. Verspätete Übermittlung von Schriftstücken und neue Vorwürfe
31 Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission den Unternehmen in der Anlage zu einem Schreiben vom 31. Oktober 1984, das heisst weniger als zwei Wochen vor der ersten Reihe von Anhörungen, verschiedene neue Tabellen und Schriftstücke übersandt habe, ohne die Erfordernisse nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, S. 2268, nachstehend: Verordnung Nr. 99/63) zu beachten. Die Klägerin habe sich daher nicht verteidigen können, zumal die Kommission den kaufmännischen Abteilungen der Unternehmen untersagt habe, von diesen Schriftstücken Kenntnis zu nehmen.
32 Sie bringt weiterhin vor, die Übermittlung von Schreiben mit neuen Beweismitteln und einer neuen Argumentation seitens der Kommission stelle, da die Unternehmen bereits zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung genommen hätten, zum einen eine Verletzung des Grundsatzes dar, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte alle Beweismittel gegen die betreffenden Unternehmen enthalten müsse, falls nicht ein neues Verfahren notwendig werden solle, und zum anderen eine Verletzung des Artikels 2 Absatz 4 und des Artikels 4 der Verordnung Nr. 99/63.
33 Nach Darstellung der Kommission dienten die beanstandeten Sendungen lediglich der Vervollständigung der Argumentation der Kommission in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ohne daß neue Vorwürfe erhoben worden wären. Auch wenn sie zu einer wirklichen Neugestaltung der Beschwerdepunkte geführt hätten, wäre das Verfahren hierdurch nicht rechtswidrig geworden, weil die Unternehmen zur Abgabe ihrer Stellungnahme innerhalb angemessener Frist aufgefordert worden seien, die zweite Reihe von Anhörungen mehrere Monate später stattgefunden habe und die Beschränkungen bezueglich der Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen aufgehoben worden seien.
34 Das Gericht stellt fest, daß der erste Punkt dieser Rüge der tatsächlichen Grundlage entbehrt, weil die Kommission im Anschluß an die Kritik der Klägerin und anderer Hersteller vom 8. bis 11. Juli 1985 und am 25. Juli 1985 eine zweite Reihe von Anhörungen durchgeführt hat, nachdem sie den betroffenen Unternehmen mit Schreiben vom 29. März 1985 noch einmal die gesamten ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel übersandt und mit gleicher Post die Beschränkungen betreffend deren Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen aufgehoben hatte.
35 Bezueglich des zweiten Punkts dieser Rüge ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin in einem Schreiben vom 29. Mai 1985 in Beantwortung der Schreiben der Kommission vom 29. März 1985 die Auffassung vertreten hat, daß "es in der Tat legitim und logisch ist, davon auszugehen, daß der Schriftwechsel der Kommission vom 29. März 1985, der auf ein Verfahren folgt, das alle Aspekte dieser Angelegenheit offengelegt hat, den Rahmen des Ermittlungsverfahrens sowohl bezueglich der Beschwerdepunkte als auch der rechtlichen Argumente absteckt", ohne daß sie den Einwand erhoben hätte, daß die Schreiben vom 29. März 1985 neue Vorwürfe enthielten, die die Einleitung eines neuen Verfahrens notwendig machten.
36 Im übrigen hat die Klägerin gegenüber dem Gericht nicht dargelegt, inwiefern diese Schreiben neue Vorwürfe enthielten, auch wenn sie in ihrer Erwiderung darauf hingewiesen hat, daß die Kommission in ihren Schreiben vom 29. März 1985 ihre Argumentation fortan auf das Vorliegen einer oder mehrerer Vereinbarungen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ausgerichtet habe, ohne allerdings bestimmte Merkmale einer abgestimmten Verhaltensweise auszuschließen. Das Gericht stellt fest, daß diese zweifache Qualifikation bereits in der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte an die Klägerin enthalten war (vgl. insbesondere deren Punkte 127 und 128).
37 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
2. Verwendung von in der Entscheidung nicht angeführten Schriftstücken vor dem Gericht
38 Die Klägerin macht in ihrer Erwiderung geltend, die Kommission habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, da sie sich im vorliegenden Verfahren erstmals in ihrer Klagebeantwortung auf eine Reihe von Anlagen, die von Dritten stammten, sowie auf ein Fernschreiben von Petrofina vom 11. März 1982 bezogen habe, um diese Schriftstücke gegen die Klägerin zu verwenden, die zwar der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt gewesen, nicht aber in der Entscheidung erwähnt worden seien, so daß man habe annehmen können, die Kommission habe sich von den Erklärungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren überzeugen lassen.
39 Das Gericht ist der Auffassung, daß die Entscheidung zwar die für die Überzeugung der Kommission maßgeblichen Beweismittel anführen, nicht aber alle verfügbaren Beweismittel erschöpfend wiedergeben muß, sondern global darauf Bezug nehmen darf. Die Entscheidung darf weder Vorwürfe, die gegenüber denen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin neu sind, noch Beweismittel, die gegenüber den in dieser Mitteilung oder deren Anlagen genannten neu sind, enthalten. Vorliegend ist nicht vorgetragen worden, daß die Entscheidung neue Vorwürfe enthalte, auf neue Beweismittel gestützt sei oder die für die Überzeugung der Kommission maßgeblichen Beweismittel nicht anführe. Was insbesondere das Fernschreiben vom 11. März 1982 betrifft, so genügt der Hinweis, daß seine Nichterwähnung in der Entscheidung der Kommission nicht bedeutet, daß die Kommission es nicht als Beweismittel betrachtet hat, denn die Vorwürfe, zu deren Stützung es während des Verwaltungsverfahrens herangezogen worden war, sind in der Entscheidung aufrechterhalten worden.
40 Diese Rüge ist demnach zurückzuweisen.
3. Keine Übermittlung der Niederschrift über die Anhörungen
41 Die Klägerin behauptet, die Mitglieder der Kommission und die Mitglieder des Beratenden Ausschusses hätten entschieden, ohne im Besitz der endgültigen Fassung der Niederschrift über die Anhörungen bei der Kommission zu sein, obwohl diese Fassung sehr wichtige Gesichtspunkte für Petrofina enthalten habe. Ferner habe den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses die vorläufige Fassung der Anhörungsniederschrift erst eine Woche vor Abgabe ihrer Stellungnahme zur Verfügung gestanden.
42 Die Kommission macht geltend, daß die Verordnung Nr. 99/63 nicht regele, welchen Stellen die vorläufige oder die endgültige Fassung der Anhörungsniederschrift zu übermitteln sei. Auf jeden Fall hätten die Mitglieder der Kommission und die Mitglieder des Beratenden Ausschusses in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden können, so daß die Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre, wenn der von der Klägerin behauptete Verfahrensfehler nicht vorgekommen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnr. 26). Der Beratende Ausschuß habe zwar tatsächlich nur über eine vorläufige Anhörungsniederschrift verfügt, aber die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten hätten den Anhörungen beiwohnen können, was die meisten von ihnen im vorliegenden Fall auch getan hätten. Zudem behaupte Petrofina nicht, daß diese vorläufige Fassung der Niederschrift die Anhörungen nicht getreulich und genau wiedergegeben habe. Die Mitglieder der Kommission hätten ihrerseits nicht nur über die vorläufige Fassung der Niederschrift, sondern auch über die Bemerkungen der Unternehmen zu dieser Niederschrift verfügt.
43 Das Gericht stellt fest, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Umstand, daß dem Beratenden Ausschuß und der Kommission eine vorläufige Anhörungsniederschrift vorgelegen hat, nur dann einen Fehler des Verwaltungsverfahrens darstellen kann, der die Rechtswidrigkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung nach sich ziehen könnte, wenn die Fassung dieser Niederschrift für ihre Adressaten in einem wesentlichen Punkt irreführend gewesen wäre (Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, 733, Randnr. 17).
44 Zu der der Kommission vorgelegten Niederschrift ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission mit der vorläufigen Niederschrift die Bemerkungen und Stellungnahmen der Unternehmen zu dieser Niederschrift erhalten hat und daß daher davon auszugehen ist, daß die Mitglieder der Kommission vor Erlaß der Entscheidung über alle erheblichen Umstände informiert waren.
45 Zu der dem Beratenden Ausschuß zugeleiteten vorläufigen Niederschrift ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargelegt hat, inwiefern diese Niederschrift den Inhalt der Anhörungen nicht korrekt und genau wiedergeben soll, und daß sie daher nicht nachgewiesen hat, daß dieses Schriftstück so abgefasst war, daß es die Mitglieder des Beratenden Ausschusses in einem wesentlichen Punkt irregeführt hat.
46 Im übrigen ist festzuhalten, daß die Klägerin ebenfalls nicht dargelegt hat, inwiefern die Frist von einer Woche, die den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses eingeräumt worden war, um sich eingehend mit der vorläufigen Fassung der Niederschrift zu befassen, nicht ausreichend gewesen ist und sie in einem wesentlichen Punkt irregeführt hat.
47 Diese Rüge ist demzufolge zurückzuweisen.
4. Keine Übermittlung des Berichts des Anhörungsbeauftragten
48 Die Klägerin macht geltend, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten an die Mitglieder der Kommission und an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses hätte verteilt werden müssen. Die betroffenen Unternehmen hätten in die Lage versetzt werden müssen, ihn zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihm zu äussern. Es handele sich hierbei um eine für die Unabhängigkeit und die konstruktive Rolle des Anhörungsbeauftragten unerläßliche Voraussetzung.
49 Die Kommission weist auf Rolle und Aufgabe des Anhörungsbeauftragten hin und führt aus, dieser trage zur internen Willensbildung der Kommission bei und solle sicherstellen, daß diese über alle Umstände des Falles vollständig informiert sei. Eine Übermittlung seines Berichts an die Unternehmen beeinträchtigte seine Unabhängigkeit und den konstruktiven Charakter seiner Rolle. Die Übermittlung des Berichts an die Kommission stehe im Ermessen des für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglieds, das auf Antrag des Anhörungsbeauftragten dessen Stellungnahme dem Entscheidungsentwurf beifügen könne. Die Kommission legt abschließend dar, daß die Übermittlung des Berichts an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses nicht zweckmässig sei.
50 Die einschlägigen Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten im Anhang des Dreizehnten Berichts über die Wettbewerbspolitik lauten wie folgt:
"Artikel 2
Der Anhörungsbeauftragte hat die Aufgabe, für einen geregelten Ablauf der Anhörung Sorge zu tragen und dadurch zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch der späteren Entscheidung beizutragen. Er wacht insbesondere darüber, daß alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig, ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu kartellrechtlichen Entscheidungen der Kommission angemessen berücksichtigt werden. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit achtet der Anhörungsbeauftragte darauf, daß die Rechte der Verteidigung gewahrt bleiben; er berücksichtigt dabei zugleich die Notwendigkeit, die Wettbewerbsregeln in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften und den vom Gerichtshof entwickelten Rechtsgrundsätzen in wirksamer Weise anzuwenden.
Artikel 5
Der Anhörungsbeauftragte berichtet dem Generaldirektor für Wettbewerb über den Ablauf der Anhörung und über die Schlußfolgerungen, die er aus ihr zieht. Er äussert sich zu dem weiteren Verlauf des Verfahrens; dabei kann er die Einholung von weiteren Auskünften, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Mitteilung zusätzlicher Beschwerdepunkte anregen.
Artikel 6
Zur Erfuellung der ihm in Artikel 2 übertragenen Aufgaben kann der Anhörungsbeauftragte seine Bemerkungen unmittelbar dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission vortragen, sobald diesem der für den Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen bestimmte Entscheidungsentwurf unterbreitet worden ist.
Artikel 7
Um zu gewährleisten, daß die Kommission über alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles unterrichtet ist, bevor sie ihre Entscheidung trifft, kann das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission auf Antrag des Anhörungsbeauftragten anordnen, daß dessen abschließende Stellungnahme dem Entscheidungsentwurf beigefügt wird."
51 Schon aus dem Wortlaut der Bestimmungen über das Mandat des Anhörungsbeauftragten ergibt sich, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten weder dem Beratenden Ausschuß noch der Kommission übermittelt werden muß. So sieht keine Bestimmung die Zuleitung dieses Berichts an den Beratenden Ausschuß vor. Zwar muß der Anhörungsbeauftragte dem Generaldirektor für Wettbewerb berichten (Artikel 5) und kann seine Bemerkungen unmittelbar dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission vortragen (Artikel 6), das auf Antrag des Anhörungsbeauftragten anordnen kann, daß dessen abschließende Stellungnahme dem Entscheidungsentwurf beigefügt wird (Artikel 7), doch gibt es keine Bestimmung, die den Anhörungsbeauftragten, den Generaldirektor für Wettbewerb oder das für Wettbewerbsfragen zuständige Mitglied der Kommission verpflichtet, der Kommission den Bericht des Anhörungsbeauftragten zu übermitteln.
52 Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten nicht den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses oder den Mitgliedern der Kommission übermittelt worden ist.
53 Nach Auffassung des Gerichts verlangt es die Wahrung der Verteidigungsrechte im übrigen nicht, daß die von einem Verfahren nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Möglichkeit haben, den Bericht des Anhörungsbeauftragten, der ein rein internes Schriftstück der Kommission ist, zu kommentieren. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, daß dieser Bericht für die Kommission den Wert eines Gutachtens hat, daß sie in keiner Weise an ihn gebunden ist und daß der Bericht deshalb kein entscheidender Faktor ist, den der Gemeinschaftsrichter bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hätte (Beschluß vom 11. Dezember 1976 in der Rechtssache 212/86 R, ICI/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 5 bis 8). Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist nämlich rechtlich hinreichend sichergestellt, wenn die bei der Ausarbeitung der endgültigen Entscheidung zusammenwirkenden Stellen korrekt über die Argumentation der Unternehmen informiert worden sind, die diese in Beantwortung der ihnen von der Kommission mitgeteilten Beschwerdepunkte und gegenüber den von der Kommission zur Erhärtung dieser Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismitteln vorgetragen haben (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 7).
54 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der Bericht des Anhörungsbeauftragten nicht dem Zweck dient, das Vorbringen der Unternehmen zu ergänzen oder zu korrigieren, neue Beschwerdepunkte zu formulieren oder neue Beweismittel gegen die Unternehmen zu liefern.
55 Folglich können die Unternehmen aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte keinen Anspruch darauf ableiten, daß ihnen der Bericht des Anhörungsbeauftragten zur Kommentierung übermittelt wird (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 25).
56 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.
Zur Feststellung der Zuwiderhandlung
57 Nach Randnummer 80 Absatz 1 der Entscheidung haben sich die Polypropylenhersteller, die die Gemeinschaft beliefern, seit 1977 an einer ganzen Reihe von Plänen, Absprachen und Maßnahmen beteiligt, die im Rahmen eines Systems regelmässiger Sitzungen und ständiger Kontakte beschlossen worden seien. Der allgemeine Plan der Hersteller sei es gewesen, sich über spezifische Angelegenheiten zu einigen (Entscheidung, Randnr. 80 Absatz 2).
58 Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob der Kommission rechtlich der Beweis für ihre tatsächlichen Feststellungen betreffend zum einen den Zeitraum von 1980 bis zum März 1982 (I) und zum anderen den Zeitraum von März 1982 bis zum November 1983 (II) hinsichtlich des Systems der regelmässigen Sitzungen (A), der Preisinitiativen (B), der Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen (C) und der Festsetzung von Absatzzielen und Quoten (D) gelungen ist; dabei sind jeweils zunächst die angefochtene Handlung (a) und das Vorbringen der Parteien (b) darzulegen und sodann zu würdigen (c). Danach ist die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen zu überprüfen.
1. Die tatsächlichen Feststellungen
I - Für die Zeit von 1980 bis März 1982
A - Angefochtene Handlung
59 In der Entscheidung (Randnr. 105 Absatz 3) heisst es, daß Petrofina (über Montefina) erst 1980 auf den Markt gekommen sei und daß das Unternehmen, selbst wenn seine Vertreter erst im März 1982 regelmässig an den Sitzungen teilzunehmen begonnen hätten (Petrofinas Stellung sei in dieser Hinsicht unklar), doch ab 1980 an den Quotenregelungen beteiligt gewesen sei.
60 Nach Randnummer 33 der Entscheidung nahm Petrofina jedoch an zwei Sitzungen im Januar 1981 teil, in denen beschlossen worden sei, eine im Dezember 1980 für den 1. Februar 1981 festgelegte Preisanhebung auf 1,75 DM/kg für Raffia in zwei Stufen vorzunehmen: Die ab 1. Februar geltenden Zielpreise von 1,75 DM/kg seien aufrechterhalten worden, und die Zielpreise von 2,00 DM/kg hätten "ausnahmslos" ab 1. März eingeführt werden müssen. Für sechs Hauptsorten sei eine Tabelle der Zielpreise in sechs nationalen Währungen aufgestellt worden, die am 1. Februar beziehungsweise 1. März 1981 habe in Kraft treten sollen.
61 Bis zum März 1982 habe Petrofina keinen eigenen Vertrieb ausserhalb von Montefina gehabt. Diese habe nämlich die Erzeugnisse der ihr gehörenden Feluy-Fabrik im Auftrag der beiden Muttergesellschaften Montepolimeri und Fina veräussert. Für die Quotenberechnung allerdings sei der Anspruch jeder einzelnen Muttergesellschaft in der Regel während dieser Zeit getrennt behandelt worden. So sei Petrofina ab 1980 ein eigenständiger Teilnehmer an den Quotenregelungen gewesen. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre Petrofina für die Beteiligung von Montefina am Kartell bis März 1982 mitverantwortlich gewesen (Entscheidung, Randnr. 102 Absatz 3; vgl. auch Randnr. 78 Absätze 5 und 8).
62 Ende Februar 1980 seien von den Herstellern für 1980 in Tonnen ausgedrückte Ziele auf der Grundlage eines voraussichtlichen Marktes von 1 390 000 Tonnen vereinbart worden. Bei ATO und ICI seien mehrere Tabellen sichergestellt worden, die die für jeden Hersteller für 1980 "vereinbarten Ziele" enthalten hätten (Entscheidung, Randnr. 55). Da sich die ursprüngliche Marktschätzung als zu optimistisch herausgestellt habe, habe die Quote der Hersteller auf eine jährliche Gesamtnachfrage von nur 1 200 000 Tonnen nach unten revidiert werden müssen. Mit Ausnahme von ICI und DSM hätten die Verkaufsergebnisse weitgehend ihrem Ziel entsprochen.
63 Die Marktteilung für 1981 sei Gegenstand langer, komplizierter Verhandlungen gewesen. Bei den Sitzungen im Januar 1981 sei als einstweilige Maßnahme vereinbart worden, daß jeder Hersteller zur Durchsetzung der Preisinitiative im Februar und März seine monatlichen Verkäufe auf 1/12 von 85 % des "Ziels" von 1980 beschränke. Um ein längerfristiges System vorzubereiten, habe jeder Hersteller in der Sitzung die Tonnage mitgeteilt, die er 1981 habe verkaufen wollen. Diese "Zielvorstellungen" sämtlicher Hersteller hätten aber bei weitem die voraussichtliche Gesamtnachfrage überschritten (Entscheidung, Randr. 56). Trotz verschiedener, von Shell und ICI vorgeschlagener Kompromißformeln sei keine endgültige Quotenvereinbarung für 1981 geschlossen worden. Als Notbehelf hätten die Hersteller auf ihre Vorjahresquote zurückgegriffen und in der Sitzung über ihre tatsächlichen monatlichen Absatzergebnisse berichtet. So seien die tatsächlichen Verkäufe vor dem Hintergrund einer theoretischen Teilung des verfügbaren Marktes auf der Grundlage der Quoten von 1980 überwacht worden (Entscheidung, Randr. 57).
B - Vorbringen der Parteien
64 Die Klägerin macht zunächst geltend, daß sie an einigen der beanstandeten Sitzungen erst ab Mai 1982 teilgenommen habe.
65 Sie legt dar, daß die Kommission keine Beweise für ihre Beteiligung an der Festlegung von Zielpreisen vorgelegt habe, indessen in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts habe einräumen müssen, daß Petrofina an den Sitzungen im Januar 1981 nicht teilgenommen habe.
66 Sie führt weiter aus, daß sie nie bei der Festlegung von Quoten mitgewirkt habe; die Erwähnung von Petrofina in einer Reihe bei ICI und ATO aufgefundener Tabellen (Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte, Anlagen 55 bis 61, nachstehend: gem. Bpkte., Anl.), in denen für jedes Unternehmen Angaben hinsichtlich der Verkaufszahlen und der "targets" ("Ziele") für die Jahre 1980 und 1981 enthalten seien, reiche nicht aus, ihre Beteiligung an einem Kartell nachzuweisen. Dies gelte umso mehr, als die Zahlen in den von der Kommission vorgelegten Tabellen schwere Fehler bezueglich ihrer Umsatzzahlen und ihrer tatsächlichen Kapazität aufwiesen, was deutlich mache, daß diese Zahlen nicht von der Klägerin geliefert worden seien.
67 Die Kommission weist darauf hin, daß sie in der Entscheidung (Randnr. 105 Absatz 3) dargelegt habe, daß die Stellung von Petrofina im Hinblick auf die Sitzungen für den Zeitraum vor März 1982 unklar sei, weil für ihren Polypropylenabsatz damals Montefina zuständig gewesen sei, die als gemeinsame Vertriebsgesellschaft für Petrofina und Monte tätig gewesen sei. Auch wenn nicht sicher sei, daß Petrofina auf den Sitzungen vor März 1982 getrennt vertreten gewesen sei, deute der Umstand, daß ihr Fall bei den Plänen für die Marktaufteilung im allgemeinen getrennt von Monte behandelt worden sei, wohl darauf hin, daß sie seit 1980 an dem Kartell beteiligt gewesen sei.
68 Die Beteiligung der Klägerin an dem Kartell ergebe sich demnach für den betreffenden Zeitraum aus ihrer Teilnahme an dem Quotensystem in dieser Zeit.
69 Die Kommission trägt dazu vor, die Teilnahme der Klägerin an dem Quotensystem ergebe sich aus der Erwähnung ihres Namens in verschiedenen Zahlentabellen über die Quotenzuteilung für 1980 und 1981.
70 Für das Jahr 1980 handele es sich in erster Linie um eine bei ATO aufgefundene Tabelle vom 26. Februar 1980 mit der Bezeichnung "Polypropylene - Sales target 1980 (kt)" ["Polypropylen - Verkaufsziele 1980 (kt)"] (gem. Bpkte., Anl. 60), in der für alle westeuropäischen Hersteller ein "1980 target" ("Ziel 1980"), "opening suggestions" ("Ausgangsvorschläge"), "proposed adjustments" ("vorgeschlagene Berichtigungen") und "agreed targets 1980" ("vereinbarte Ziele 1980") verglichen würden. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dargelegt, die Beteiligung von Petrofina bei der Erstellung dieser Tabelle ergebe sich aus der Bezugnahme dort auf eine von Petrofina ausgehende Anpassung ("Based on 1979 + Petrofina adjust"; "Grundlage 1979 + Anpassung Petrofina"). Die Petrofina in dieser Tabelle zugewiesene Quote entspreche der in einer zweiten, von ICI stammenden Tabelle vom 8. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57), in der für alle westeuropäischen Hersteller die "1980 Nameplate Capacity" ("nominale Kapazität 1980") mit der "1980 quota" ("Quote 1980") verglichen werde.
71 Für das Jahr 1981 gehe es zum einen um eine von ICI stammende Tabelle vom 9. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 58), in der für alle westeuropäischen Hersteller miteinander verglichen worden seien: für das Jahr 1980 die "effective capacity" ("tatsächliche Kapazität"), die "aspirations" ("Zielvorstellungen"), die "market shares" ("Marktanteile"), die "hence actuals" ("tatsächliche Zahlen, von jetzt an") und die "hence loading" ("Auslastung, von jetzt an") in Prozenten der "effective capacity" und für das Jahr 1981 die "effective capacity" ("tatsächliche Kapazität"), die "market share proposal ICI 1981" ("Vorschlag ICI Marktanteile 1981"), die "1981 sales at 1980 loading of 1981 cap." ("Absatz 1981 in Auslastungsgrad 1980 der Kapazitäten 1981"), die "tonnages of 1980 share" ("Mengen des Anteils 1980") und die "Pro-rated to 1981 market" ("dem vereinbarten Anteil am Markt 1981 entsprechende Zahlen"). ICI habe in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zu dieser Tabelle ausgeführt:
"The document was prepared within ICI as an internal working document in order to make an estimate of the volume 'aspirations' of the West European polypropylene producers for 1981, and to compare such 'aspirations' with previous 'Target Tonnages' and 'actual' sales achievements thus enabling ICI to take part in discussions on 'Target Tonnages' for 1981.
The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves. However, figures for Amoco/Hercules, and certain other producers eg the reference to 'Spanish' , would have been estimated from industry figures generally available from FIDES.
The hand written figures in the 1980 'actual' column: detailed precisely actual sales for the year 1980 (in contrast to the rounded figures given in the typed column); clarified the Amoco/Hercules figures; and corrected a mistaken figure for Petrofina."
("Das Schriftstück wurde von ICI als internes Arbeitspapier erstellt, um die mengenmässigen 'Zielvorstellungen' der westeuropäischen Polypropylenhersteller für 1981 einzuschätzen und diese 'Zielvorstellungen' mit früheren 'Zielmengen' und 'tatsächlichen' Umsätzen zu vergleichen und dadurch ICI in die Lage zu versetzen, sich an Diskussionen über 'Zielmengen' für 1981 zu beteiligen.
Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein. Die Zahlen für Amoco/Hercules und bestimmte andere Hersteller [vgl. die Angabe für 'Spanische' ] müssen allerdings anhand von Wirtschaftsdaten geschätzt worden sein, die allgemein über FIDES zugänglich sind.
Die handgeschriebenen Zahlen in der Spalte 'tatsächlich' für 1980 gaben genau die tatsächlichen Umsätze für 1980 wieder [im Gegensatz zu den geschätzten Zahlen in der maschinengeschriebenen Spalte], stellten die Amoco/Hercules-Zahlen klar und verbesserten eine falsche Zahl für Petrofina.")
Zum anderen gehe es um eine bei ICI aufgefundene Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 59), in der für alle Hersteller deren Verkäufe in Mengen und Marktanteilen unter folgenden Rubriken verglichen würden: "1979 actual", "1980 target", "(1980) actual" und "1981 aspirations". Die für Petrofina in diesen beiden Tabellen angeführten Verkaufsziele stimmten überein.
72 Auch wenn sich die Verkaufszahlen in diesen Tabellen als falsch erweisen sollten, wie die Klägerin behaupte, bestreite diese doch nicht die als Ziele genannten Zahlen in den verschiedenen Tabellen, die einander bestätigten. Selbst wenn man annähme, daß die Zahlen für Petrofina in den Tabellen der Anlagen 58, 61 und 65 bis 67 der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte nicht mit den von ihr tatsächlich erzielten Ergebnissen übereinstimmten, bedeutete dies doch keineswegs, daß keine Abstimmung vorgelegen habe. Die Abstimmung ergebe sich bereits aus der Existenz dieser Tabellen und hänge nicht davon ab, ob die in ihnen aufgestellten Ziele auf dem Markt tatsächlich verwirklicht worden seien. Deshalb schmälere eine eventuell fehlende Übereinstimmung zwischen diesen Zahlen und den von Petrofina auf dem Markt tatsächlich verzeichneten Ergebnissen nicht den Beweiswert der Tabellen, die diese Zahlen enthielten. Ausserdem handele es sich bei den bestrittenen Zahlen nur um wenige Angaben in den betreffenden Tabellen. Deshalb könnten sie die Tabellen, in denen sie vorkämen, nicht insgesamt in Frage stellen.
C - Würdigung durch das Gericht
73 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung wie zuvor bereits in Randnummer 78 Absatz 8 der Entscheidung eingeräumt hat, daß sie über keinen Beweis für die Teilnahme von Petrofina an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller vor März 1982 verfüge und die Erwähnung von Petrofina in Randnummer 33 Absatz 3 der Entscheidung als Teilnehmerin an zwei Sitzungen im Januar 1981 auf einem Schreibversehen beruhe.
74 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Teilnahme der Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zwischen 1980 und März 1982, die von Petrofina in ihrer Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung bestritten worden ist, nicht bewiesen ist und daß die Antwort der ICI auf das Auskunftsverlangen insoweit tatsächlich einen Fehler enthält, wie dies die Klägerin ohne Widerspruch seitens der Kommission dargelegt hat.
75 Da es für den betreffenden Zeitraum sowohl an einer Teilnahme der Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller als auch an Hinweisen über ihr Preisverhalten fehlt, ist ebenfalls nicht bewiesen, daß die Klägerin mit anderen Polypropylenherstellern zwischen 1980 und März 1982 an der Festsetzung von Zielpreisen mitgewirkt hat.
76 Es ist daher zu prüfen, ob, wie die Kommission meint, die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung zwischen 1980 und März 1982 gleichwohl wegen der Nennung ihres Namens in den Tabellen mit den Verkaufsmengenzielen für diesen Zeitraum nachgewiesen werden kann.
77 Wie sich aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken ergibt (gem. Bpkte., Anl. 57 bis 61 und 65 bis 67), sind unter den Herstellern Geschäftsdaten ausgetauscht und in den Sitzungen im Hinblick auf die Festsetzung von Verkaufsmengenzielen erörtert worden. Die in diesen Schriftstücken verwandte Terminologie (wie "opening suggestions" ["Ausgangsvorschläge"], "proposed adjustments" ["vorgeschlagene Berichtigungen"] und "agreed targets" ["vereinbarte Ziele"]) lässt den Schluß zu, daß es zwischen den Herstellern zu einer Willensübereinstimmung gekommen ist. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0002.1
78 Angesichts des Fehlens jeglichen Beweises für die Teilnahme von Petrofina an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller in dem betreffenden Zeitraum stellt das Gericht indessen fest, daß die Kommission nicht den Nachweis dafür erbracht hat, daß die Klägerin an der Erstellung der Tabellen über die Verkaufsmengenziele und damit an der Festsetzung dieser Ziele mitgewirkt hätte. Die Nennung des Namens der Klägerin oder von Montefina in diesen Tabellen kann nämlich nicht als ausreichendes Indiz gewertet werden, weil zum einen die gesamte Polypropylenerzeugung von Petrofina damals durch Montefina, die gemeinsame Tochtergesellschaft der Klägerin und von Monte, vertrieben wurde, und zum anderen die Daten bezueglich der Produktionskapazität und des Absatzes von Montefina sowie der Zielvorstellungen von Petrofina ihrem Partner in der gemeinsamen Tochtergesellschaft zwangsläufig bekannt waren und von diesem in den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller vorgelegt werden mussten, um bei der Festsetzung der Verkaufsmengenziele erfolgreich mitwirken zu können. Das Gericht stellt hierzu fest, daß in der Tabelle vom 8. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57) neben dem Namen von Montefina als "1980 Quota" ("Quote 1980") der Vermerk steht: "20 to Petrofina - balance included in Montedison" ("20 für Petrofina - Überschuß bei Montedison"). Es ist anzunehmen, daß das letztgenannte Unternehmen, dem die Vereinbarung zur Aufteilung der Verkaufsmengen zwischen ihm und der Klägerin innerhalb der gemeinsamen Tochtergesellschaft bekannt war, diese Regelung einfach bei der der Klägerin zukommenden Quote zugrundegelegt hat, indem es nach Abschluß der Erörterungen, an denen es teilgenommen hatte, aufgrund der ihm innerhalb der Gesamtproduktion von Montefina zustehenden Quote die Quote der Klägerin errechnet hat.
79 Im übrigen hat die Entscheidung die Teilnahme des Unternehmens Montefina als selbständige Einheit an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller oder auch an der Festsetzung von Preis- oder Verkaufsmengenzielen nicht festgestellt und demzufolge auch nicht bewiesen. Somit ist der Kommission rechtlich nicht der Beweis gelungen, daß Petrofina "an den Quotenregelungen ab 1980" beteiligt gewesen ist (Entscheidung, Randnr. 102 Absatz 3), und die Klägerin kann für eine solche Beteiligung nicht "mitverantwortlich" sein. Dies gilt umso mehr, als die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, Ziel des letzten Satzes der Randnummer 102 Absatz 3 der Entscheidung sei es gewesen, die Klägerin nicht für die etwaigen wettbewerbswidrigen Handlungen ihres Partners in der gemeinsamen Tochtergesellschaft Montefina mitverantwortlich zu machen, von denen sie über Montefina profitiert habe, sondern für die Handlungen von Montefina selbst, die eine Teilnahme an der von der Entscheidung der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung bedeutet hätten.
80 Nach alledem ist der Kommission rechtlich nicht der Beweis gelungen, daß die Klägerin oder das Unternehmen Montefina an dem System der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, die insbesondere der Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen dienten, teilgenommen oder gemeinsam mit anderen Polypropylenherstellern an der Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen für den Zeitraum von 1980 bis März 1982 mitgewirkt hat.
II - Für die Zeit von März 1982 bis November 1983
A - Das System der regelmässigen Sitzungen
a) Angefochtene Handlung
81 In Randnummern 18 und 105 Absätze 3 und 4 der Entscheidung wird Petrofina vorgeworfen, an dem System regelmässiger Sitzungen der Polypropylenhersteller durch regelmässige Teilnahme an den Sitzungen zwischen März 1982 und September 1983 beteiligt gewesen zu sein, wobei als erste Sitzung für den betreffenden Zeitraum die vom 10. März 1982 angegeben wird (Entscheidung, Randnr. 58 Absatz 2).
82 Nach Randnummer 21 der Entscheidung war Zweck dieser regelmässigen Sitzungen insbesondere die Festsetzung von Preiszielen und Verkaufsmengenzielen sowie die Kontrolle ihrer Einhaltung durch die Hersteller.
b) Vorbringen der Parteien
83 Die Klägerin bestreitet, an einer Sitzung der Hersteller vom 10. März 1982 teilgenommen zu haben, und meint, ihre Abwesenheit in dieser Sitzung ergebe sich aus dem bei Hercules aufgefundenen Bericht über diese Sitzung (gem. Bpkte., Anl. 23). Dieser enthalte nämlich einen schweren Fehler bezueglich der Produktionskapazität von Petrofina (50 statt 30 kt jährlich). Im übrigen will sie auch an zwei weiteren Sitzungen vom 20. August und 2. November 1982 nicht teilgenommen haben.
84 Wenn sie an Sitzungen teilgenommen habe, sei ihre Beteiligung passiv und einzig darauf ausgerichtet gewesen, Informationen zu sammeln, um sich auf dem Markt einen Platz zu sichern. Dies werde durch ihr wettbewerbsorientiertes Marktverhalten bestätigt, wie zahlreiche Schriftstücke belegten, in denen ihre Wettbewerber ihr Verhalten im Hinblick auf Preise oder Verkaufsmengen als aggressiv oder störend bezeichnet hätten. Diese Aussagen würden auch durch eine Untersuchung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Coopers & Lybrand (im folgenden: Untersuchung von Coopers & Lybrand), sowie durch ein ökonometrisches Gutachten über den deutschen Markt von Professor Albach, Universität Bonn, bestätigt.
85 Die Kommission führt aus, Petrofina habe regelmässig an den Sitzungen teilgenommen und in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (Anlage 1 der Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte an Petrofina; nachstehend: ind. Bpkte. Petrofina, Anl.) eingeräumt, daß ab März 1982 verschiedene Angestellte der Chemical Sales Division der Gesellschaft an den Sitzungen teilgenommen hätten. Die erste Sitzung, an der Petrofina teilgenommen habe, sei die vom 10. März 1982 gewesen (gem. Bpkte., Anl. 23).
c) Würdigung durch das Gericht
86 Das Gericht stellt fest, daß es in der Antwort von Petrofina auf das Auskunftsverlangen heisst: "Von März 1982 an haben verschiedene Angestellte der Chemical Sales Division unserer Gesellschaft an den von Ihnen in Ihrem Schreiben genannten Sitzungen teilgenommen" (ind. Bpkte. Petrofina, Anl. 1); ferner werden dort 25 Sitzungen aufgezählt - gegenüber 29 angeblich abgehaltenen -, die zwischen dem 18. Mai 1982 und dem 30. September 1983 stattgefunden haben und für die die Klägerin ihre Teilnehmer namhaft gemacht hat.
87 Bezueglich der Teilnahme der Klägerin an der Sitzung vom 10. März 1982 ist zum einen darauf hinzuweisen, daß diese Sitzung zwar nicht in dem Verzeichnis der Sitzungen zu finden ist, hinsichtlich deren die Klägerin ihre Vertreter namhaft gemacht hat, sie aber doch in den Zeitraum fällt, für den die Klägerin eine Teilnahme an den Sitzungen zugestanden hat ("von März 1982 an"), zum anderen darauf, daß die Klägerin nicht bestreitet, an einer anderen Sitzung, der vom 13. Mai 1982, teilgenommen zu haben, die ebenfalls nicht in dem Verzeichnis von Petrofina auftaucht, für die die Kommission in Randnummer 37 Absatz 2 der Entscheidung aber eine Teilnahme von Petrofina behauptet.
88 Der Fehler bezueglich der Produktionskapazität von Petrofina in dem Bericht über die Sitzung vom 10. März 1982 (gem. Bpkte., Anl. 23) ist nicht geeignet, die Schlußfolgerungen der Kommission in Frage zu stellen, weil der gleiche Fehler sich in zahlreichen anderen Schriftstücken findet, die sich auf Zeiträume beziehen, für die Petrofina eine Teilnahme an Sitzungen eingeräumt hat. Insoweit lässt sich in der Preisinstruktion der Klägerin vom 11. März 1982, da sie mit dem in dieser Sitzung festgelegten Zielpreis übereinstimmt, ein zusätzliches Indiz für die Anwesenheit von Petrofina in dieser Sitzung sehen.
89 Es ist daher davon auszugehen, daß die Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zwischen März 1982 und Ende September 1983 regelmässig teilgenommen hat, auch wenn sie bestreitet, an den Sitzungen vom 20. August und 2. November 1982 teilgenommen zu haben.
90 Die Kommission hat auf der Grundlage der Angaben von ICI in deren Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), die durch zahlreiche Sitzungsberichte bestätigt worden sind, zu Recht angenommen, daß Zweck der Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preiszielen zum einen und von Verkaufsmengenzielen zum anderen war. So heisst es in dieser Antwort: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." sowie: "A number of proposals for the volume of individual producers were discussed at meetings" ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..." und "Eine Reihe von Vorschlägen zum Verkaufsvolumen der einzelnen Hersteller wurde in Sitzungen erörtert").
91 Zudem hat die Kommission aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in der es heisst: "Only 'Bosses' and 'Experts' meetings came to be held on a monthly basis... By late 1978/early 1979 it was determined that the 'ad hoc' meetings of Senior Managers should be supplemented by meetings of lower level managers with more marketing knowledge" ("Nur die 'Chef' - und 'Experten' -Sitzungen wurden auf monatlicher Grundlage abgehalten... Ende 1978/Anfang 1979 wurde beschlossen, die ad-hoc-Sitzungen der Senior Manager durch Sitzungen von rangniedrigeren Managern mit mehr Marketingkenntnis zu ergänzen"), sowie aus der Identität von Art und Zweck der Sitzungen ebenfalls zu Recht geschlossen, daß diese Teil eines Systems regelmässiger Sitzungen waren.
92 Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß der passive Charakter der Teilnahme von Petrofina an den Sitzungen widerlegt wird durch die Erklärungen der Klägerin selbst, die einräumt, bisweilen bestimmte Angaben zu ihren monatlichen Verkaufsmengen gemacht zu haben, durch die Berichte über bestimmte Sitzungen, zum Beispiel die vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24), in deren Verlauf Petrofina ihre internen Beziehungen zu Monte innerhalb der gemeinsamen Tochtergesellschaft Montefina dargelegt hat, sowie durch den von einem Angestellten der ICI gefertigten Vermerk vom 8. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 77) über ein Telefongespräch zwischen ICI und Hercules wegen eines Vorschlags von Petrofina zu den Quoten für das erste Quartal 1983.
93 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin regelmässig an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zwischen März 1982 und September 1983 teilgenommen hat, daß Zweck dieser Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen war, daß sie Teil eines Systems waren und daß die Klägerin an diesen Sitzungen nicht nur passiv teilgenommen hat.
B - Die Preisinitiativen
a) Angefochtene Handlung
94 Nach der Randnummer 28 der Entscheidung wurde ein System zur Festsetzung von Preiszielen mittels Preisinitiativen angewandt.
95 Nach Randnummern 37 bis 39 der Entscheidung war Petrofina an der Preisinitiative von Juni bis Juli 1982 beteiligt, die im Kontext einer Rückkehr des Marktes zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gestanden habe. Diese Initiative sei in der Herstellersitzung vom 13. Mai 1982 beschlossen worden, an der Petrofina teilgenommen habe und in der eine ausführliche Tabelle der Preisziele zum 1. Juni für verschiedene Polypropylensorten in verschiedenen nationalen Währungen (2,00 DM/kg für Raffia) erarbeitet worden sei.
96 Auf die Sitzung vom 13. Mai 1982 seien Preisinstruktionen von ATO, BASF, Hoechst, Hercules, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell erfolgt, die, von einigen unerheblichen Ausnahmen abgesehen, den in dieser Sitzung festgelegten Zielpreisen entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 39). In der Entscheidung wird eingeräumt, daß Preisinstruktionen der Klägerin fehlten. In der Sitzung vom 9. Juni 1982 hätten die Hersteller nur von bescheidenen Preisanhebungen berichten können.
97 Nach Randnummer 40 der Entscheidung nahm die Klägerin auch an der Preisinitiative von September bis November 1982 teil, die in der Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 beschlossen worden sei und mit der ein Preis von 2,00 DM/kg zum 1. September und von 2,10 DM/kg zum 1. Oktober habe erreicht werden sollen, denn sie sei in den meisten, wenn nicht allen Sitzungen anwesend gewesen, die zwischen Juli und November 1982 stattgefunden hätten, als diese Initiative geplant und kontrolliert worden sei (Entscheidung, Randnr. 45). In der Sitzung vom 20. August 1982 sei die für den 1. September geplante Preisanhebung auf den 1. Oktober verschoben worden; dieser Beschluß sei in der Sitzung vom 2. September 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 41).
98 Nach den Sitzungen vom 20. August und 2. September 1982 hätten ATO, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell Preisinstruktionen erteilt, die dem in diesen Sitzungen festgelegten Zielpreis entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 43).
99 In der Sitzung vom 21. September 1982 seien die Maßnahmen zur Erreichung des zuvor gesetzten Ziels geprüft worden, und die Unternehmen hätten generell einen Vorschlag zur Anhebung des Preises auf 2,10 DM/kg für November/Dezember 1982 unterstützt. Diese Anhebung sei in der Sitzung vom 6. Oktober 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 44).
100 Nach der Sitzung vom 6. Oktober 1982 hätten BASF, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Shell und Saga Preisinstruktionen erteilt, um die beschlossene Anhebung durchzusetzen (Entscheidung, Randnr. 44 Absatz 2).
101 Die Sitzung vom Dezember 1982 habe zu einer Vereinbarung geführt, der zufolge der November/Dezember-Stand von 2,10 DM/kg bis Ende Januar 1983 habe erreicht werden müssen (Entscheidung, Randnr. 46 Absatz 2).
102 Nach Randnummer 47 der Entscheidung hat die Klägerin schließlich auch an der Preisinitiative von Juli bis November 1983 teilgenommen. In der Sitzung vom 3. Mai 1983 sei vereinbart worden, nach Möglichkeit im Juni 1983 das Preisziel 2,00 DM/kg zu erreichen. In der Sitzung vom 20. Mai 1983 sei die Erreichung des festgelegten Ziels jedoch auf September verschoben und ein Zwischenziel für den 1. Juli (1,85 DM/kg) festgelegt worden. In einer Sitzung vom 1. Juni 1983 hätten die anwesenden Hersteller, darunter die Klägerin, sodann ihr Engagement zur Erhöhung auf 1,85 DM/kg bekräftigt. Bei dieser Gelegenheit sei vereinbart worden, daß Shell in einer Fachzeitschrift, der European Chemical News (im folgenden: ECN), öffentlich vorangehen werde.
103 Unmittelbar nach der Sitzung vom 20. Mai 1983 hätten ICI, DSM, BASF, Hoechst, Linz, Shell, Hercules, ATO, die Klägerin und Solvay ihren Verkaufsabteilungen Anweisungen erteilt, ab 1. Juli eine Preistabelle anzuwenden, in der Raffia mit 1,85 DM/kg ausgezeichnet gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 49). Bei ATO und Petrofina hätten nur bruchstückhafte Preisanweisungen gefunden werden können, die allerdings bestätigten, daß diese Hersteller die neuen Preise - Petrofina und Solvay etwas später - praktizierten. Mit Ausnahme von Hüls, für die für Juli 1983 keine Preisinstruktionen vorlägen, hätten also alle Hersteller, die an den Sitzungen teilgenommen bzw. ihre Unterstützung für das neue Preisziel von 1,85 DM/kg zugesagt hätten, Instruktionen erteilt, damit die neuen Preise praktiziert würden.
104 Weitere Sitzungen fanden nach Randnummer 50 der Entscheidung am 16. Juni, 6. und 21. Juli, 10. und 23. August sowie 5., 15. und 29. September 1983 statt; an ihnen hätten die üblichen Teilnehmer teilgenommen. Ende Juli und Anfang August 1983 hätten BASF, DSM, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Solvay, Monte und Saga ihren verschiedenen nationalen Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen mit Wirkung vom 1. September (auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 2,00 DM/kg) erteilt, während ein interner Vermerk von Shell vom 11. August über die Preise des Unternehmens im Vereinigten Königreich den Hinweis enthalte, daß die britische Tochter die ab 1. September geltenden Grundpreise "unterstützte", die den Preiszielen der anderen Hersteller entsprochen hätten. Ende des Monats habe Shell jedoch die britische Verkaufsabteilung angewiesen, mit der Erhöhung so lange zu warten, bis die anderen Hersteller die gewünschten Grundpreise aufgestellt hätten. Diese Instruktionen seien, abgesehen von einigen unerheblichen Ausnahmen, für jeden Typ und jede Währung identisch.
105 Die von den Herstellern erhaltenen Preisinstruktionen zeigten, daß später beschlossen worden sei, die Preisbewegung vom September aufrechtzuerhalten und für Raffia mit 2,10 DM/kg ab 1. Oktober und 2,25 DM/kg ab 1. November weitere Erhöhungen durchzuführen (Entscheidung, Randnr. 50, letzter Absatz). BASF, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay hätten ihren Verkaufsabteilungen für die Monate Oktober und November identische Preise übermittelt, während Hercules zunächst etwas niedrigere Preise festgesetzt habe (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 1).
106 ATO und Petrofina hätten an allen diesen Sitzungen teilgenommen, behaupteten aber, daß irgendwelche internen Preisinstruktionen für den Zeitraum der Preisinitiative von Juli bis November 1983, wenn überhaupt, mündlich erteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 51 Absätze 2 und 3). Ein bei ATO sichergestellter interner Vermerk vom 28. September 1983 enthält nach der Entscheidung jedoch eine Tabelle mit der Überschrift "Erinnerung des Cota-Preises (sic)", die für verschiedene Länder Preise für die drei Hauptpolypropylensorten im September und Oktober angebe, die mit den Preisen von BASF, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay übereinstimmten. Während der Nachprüfungen bei ATO im Oktober 1983 hätten die Vertreter des Unternehmens bestätigt, daß diese Preise den Verkaufsbüros mitgeteilt worden seien.
107 Die Zuwiderhandlung habe, wann immer die letzte Sitzung stattgefunden haben möge, bis zum November 1983 angedauert, da die Vereinbarung mindestens bis zu diesem Zeitpunkt ihre Wirkungen entfaltet habe; der November sei der letzte Monat, für den nachweislich Zielpreise vereinbart und Preisinstruktionen erteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 105 Absatz 4).
108 Abschließend wird in der Entscheidung (Randnr. 51, letzter Absatz) darauf hingewiesen, daß sich die Polypropylenpreise Ende 1983 laut Berichten der Fachpresse stabilisiert haben sollen, wobei für Raffia ein Preis von 2,08 bis 2,15 DM/kg (gegenüber dem Ziel 2,25 DM/kg) erreicht worden sei.
b) Vorbringen der Parteien
109 Die Klägerin macht geltend, die Kommission könne wegen des passiven Charakters ihrer Anwesenheit in den Sitzungen nicht auf eine Beteiligung an den Preisabsprachen schließen.
110 Zudem habe sie nie ihre Preise nach Maßgabe der Zielpreise festgelegt und mit dem von der Kommission angeführten Beweismaterial lasse sich nicht das Gegenteil beweisen.
111 Erstens sei die Klägerin in der Sitzung vom 10. März 1982 nicht anwesend gewesen, in der nach Meinung der Kommission ein Preisziel von 2,00 DM/kg zum 1. April festgesetzt worden sei; infolgedessen habe ihr Fernschreiben vom 11. März 1982 an ihre Verkaufsabteilungen (ind. Bpkte. Petrofina, Anl. 2) nichts mit dieser Sitzung zu tun gehabt.
112 Zweitens habe die Kommission den Bericht über die Sitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30) falsch verstanden, und das Marktverhalten der Klägerin nach dieser Sitzung zeige, daß ihre Teilnahme an den Sitzungen ohne Auswirkung geblieben sei.
113 Drittens habe ihr Fernschreiben vom 20. Juli 1983 an ihre Verkaufsabteilungen (ind. Bpkte. Petrofina, Anl. 5) nichts mit dem in der Sitzung vom 20. Mai 1983 genannten Preisziel (gem. Bpkte., Anl. 39) zu tun gehabt, weil der Inhalt dieses Fernschreibens mit einer technischen Panne zu erklären sei.
114 Die Kommission habe ausserdem keine mit den Preiszielen übereinstimmenden Preisinstruktionen von Petrofina als Beweis für deren Durchführung vorlegen können. Zahlreiche Schriftstücke belegten, daß die Klägerin, solange sie auf dem Polypropylenmarkt tätig gewesen sei, stets als "persistant trouble maker" ("ewiger Störenfried") betrachtet worden sei; die von ihr vorgelegten Grafiken zeigten, daß sie in 97 % der Fälle ihre tatsächlichen Preise nicht an den Zielpreisen ausgerichtet habe und daß der Preisabstand nach unten im Verhältnis zu den Zielpreisen bis zu 30 % betragen habe; die Klägerin verweist dazu auf die Untersuchung von Coopers & Lybrand.
115 Schließlich stehe die Feststellung, daß sie an der Festsetzung von Preiszielen durch die Polypropylenhersteller beteiligt gewesen sei, im Widerspruch dazu, daß Amoco und BP in der Entscheidung von jedem Verdacht freigesprochen würden, obwohl es dort heisse, daß diese Unternehmen ihre Preise anscheinend gelegentlich an die in diesen Sitzungen beschlossenen Zielpreise angepasst hätten (Entscheidung, Randnr. 78, letzter Absatz).
116 Im übrigen dürfe der Zeitraum von Oktober bis November 1983 nicht berücksichtigt werden. Spätestens von Mitte Oktober an seien die Sitzungen abgeschafft worden, und die Preiserhöhungen zum Jahresende seien, wie das Gutachten von Professor Albach gezeigt habe, völlig unabhängig von den zuvor durchgeführten Sitzungen der Hersteller.
117 Die Kommission legt dar, daß sich die Entscheidung für den Nachweis der Teilnahme der Klägerin an den Preisinitiativen für 1982 und 1983 auf zahlreiche Beweismittel stütze. Ganz allgemein werde die Beteiligung von Petrofina an Preisabsprachen durch ihre Teilnahme an Sitzungen bewiesen, deren Zweck die Festsetzung von Preiszielen gewesen sei, wie sich aus den Sitzungsberichten ergebe.
118 Zunächst zeige der Bericht über die Sitzung vom 10. März 1982 (gem. Bpkte., Anl. 23), an der Petrofina teilgenommen habe, daß ein Zielpreis von 2,00 DM/kg zum 1. April 1982 vereinbart worden sei. Diese Vereinbarung sei von Petrofina am nächsten Tag durch ein Fernschreiben an ihre Verkaufsabteilungen in Deutschland durchgeführt worden, das die Anwendung dieses Preises ab 1. April 1982 angeordnet habe. Der den Verkäufern gegenüber den Kunden zugestandene Verhandlungsspielraum spreche nicht gegen die Durchführung der Vereinbarung, weil die "Zielpreise" lediglich als einheitliche Basis für die Verhandlungen mit Kunden gedient hätten.
119 Weiterhin beweise der Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) die Teilnahme von Petrofina an der Festsetzung eines Preisziels von 2,00 DM/kg zum 1. Juni 1982.
120 Ferner zeige der Bericht über die Sitzung vom 21. September 1982, daß Petrofina an einer Absprache zur Unterstützung von Zielpreisen mitgewirkt habe. Petrofina habe nämlich in dieser Sitzung mitgeteilt, daß sie lediglich zwei Ausnahmen von den Zielpreisen zugestanden habe, und zwar deshalb, weil die Preise niedrigeren, in der Sitzung bestätigten Preisen entsprochen hätten.
121 Schließlich beweise der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983, daß Petrofina der Absprache eines Preisziels von 1,85 DM/kg zum 1. Juli 1983 zugestimmt habe, weil bei dieser Sitzung "those present reaffirmed complete commitment to the 1.85 move to be achieved by 1st July" ("die Anwesenden erneut die volle Unterstützung der zum 1. Juli geplanten Erhöhung auf 1.85 bestätigten").
122 Ausserdem habe Petrofina am 20. Juli 1983 eine dem in dieser Sitzung festgesetzten Preisziel entsprechende Preisinstruktion erteilt, die ihre Mitwirkung an der Durchsetzung der Preisziele belege.
123 Zur Untersuchung von Coopers & Lybrand bemerkt die Kommission, sie habe niemals behauptet, daß die Hersteller allesamt einen einheitlichen Kartellpreis festgelegt hätten, so daß dem Argument der Klägerin, zwischen den Preiszielen und den von ihr tatsächlich angewandten Preisen gebe es Unterschiede, keine Bedeutung zukomme.
124 In ihrer Gegenerwiderung macht die Kommission weiterhin geltend, daß die Deutung, die Petrofina verschiedenen vorgenannten Schriftstücken zu geben versuche, für sich betrachtet vielleicht einleuchtend sei, jedoch unerheblich, sobald man den konkreten Zusammenhang berücksichtige, in dem diese Schriftstücke ständen, das heisst die umfassende Preis- und Quotenvereinbarung, wie sie in der Entscheidung beschrieben sei.
125 Dem Argument der Klägerin, daß sie anders behandelt worden sei als die Unternehmen Amoco und BP, hält die Kommission entgegen, daß bei letzteren, die nicht an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen hätten, der "Schwerpunkt" des Beweises für ihre Beteiligung an der angeführten Preisabsprache fehle.
126 Obwohl die Sitzungen nach dem September 1983 eingestellt worden seien, habe das Kartell im Oktober und November 1983 noch Wirkungen entfaltet, so daß diese Monate hätten berücksichtigt werden müssen.
c) Würdigung durch das Gericht
127 Das Gericht stellt fest, daß die Berichte über die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zeigen, daß die Hersteller, die an diesen Sitzungen teilgenommen haben, dort die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen vereinbart haben. So heisst es in dem Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24):
"Everyone felt that there was a very good opportunity to get a price rise through before the holidays + after some debate settled on DM 2.00 from 1st June (UK 14th June). Individual country figures are shown in the attached table."
("Alle glaubten, daß die Gelegenheit für die Durchsetzung einer Preiserhöhung vor den Ferien günstig war, und einigten sich nach Diskussion auf 2,00 DM mit Wirkung vom 1. Juni (14. Juni für das Vereinigte Königreich). Die Zahlen nach Ländern finden sich in der beigefügten Tabelle.")
128 Da bewiesen ist, daß die Klägerin ab März 1982 regelmässig an diesen Sitzungen teilgenommen hat, kann sie nicht behaupten, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt zu haben, ohne Anhaltspunkte für die Erhärtung dieser Behauptung vorzutragen. Fehlen nämlich solche Anhaltspunkte, so gibt es keinen Grund für die Annahme, daß die Klägerin diesen Initiativen im Unterschied zu den anderen Teilnehmern der Sitzungen nicht zugestimmt hat.
129 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin zwei Argumente vorgetragen hat, die zeigen sollen, daß sie den beschlossenen Preisinitiativen nicht zugestimmt hat. Erstens sei ihre Beteiligung an den Sitzungen nur passiv gewesen, und zweitens habe sie die Ergebnisse der Sitzungen in keiner Weise bei der Festlegung ihres Marktverhaltens bezueglich der Preise berücksichtigt.
130 Keines dieser beiden Argumente kann als Indiz gewertet werden, das die Behauptung der Klägerin bestätigte, daß sie den beschlossenen Preisinitiativen nicht zugestimmt habe. Das Gericht erinnert daran, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen nicht nur passiv war, so daß das erste Argument der Klägerin in den Tatsachen keine Stütze findet. Bezueglich des zweiten Arguments ist darauf hinzuweisen, daß es, selbst wenn es durch Tatsachen untermauert würde, die Beteiligung der Klägerin an der Festsetzung der Zielpreise in den Sitzungen nicht in Frage stellen könnte, sondern höchstens dem Nachweis diente, daß die Klägerin das Ergebnis dieser Sitzungen nicht in die Tat umgesetzt hat. In der Entscheidung wird an keiner Stelle behauptet, daß die Klägerin Preise verlangt habe, die stets den in den Sitzungen vereinbarten Zielpreisen entsprochen hätten; dies zeigt, daß die angefochtene Handlung auch nicht auf die Durchführung der Sitzungsergebnisse durch die Klägerin gestützt wird, um ihre Beteiligung an der Festsetzung der Zielpreise zu beweisen.
131 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission weder die Analysen von Petrofina noch die Folgerungen aus der Untersuchung von Coopers & Lybrand bestreitet, die beträchtliche Unterschiede zwischen den tatsächlich angewandten Preisen und den Zielpreisen beweisen sollen; sie bestreitet ebensowenig, daß aus einigen von der Klägerin vorgelegten Schriftstücken hervorgeht, daß diese, solange sie auf dem Polypropylenmarkt tätig war, als "persistant trouble maker" ("ewiger Störenfried") betrachtet wurde. Die Analysen, die die Hersteller selbst in den Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982 zur Wirkung ihrer Preisinitiativen auf die am Markt angewandten Preise vorgenommen haben, scheinen jedoch darauf hinzudeuten, daß die Hersteller ihre Ergebnisse als insgesamt positiv ansahen (gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33).
132 Jedenfalls stellt das Gericht fest, daß die Klägerin das Ergebnis der Sitzungen in höherem Masse umgesetzt hat, als sie behauptet, auch wenn die Kommission lediglich eine schriftliche Preisinstruktion von Petrofina, ein Fernschreiben vom 11. März 1982, vorlegen konnte, die mit den festgelegten Preiszielen übereinstimmte. Die andere von der Kommission vorgelegte schriftliche Preisinstruktion, ein Fernschreiben vom 20. Juli 1983, muß unberücksichtigt bleiben, weil sie sich in der Tat durch eine technische Panne in einer Anlage von Petrofina erklären lässt, die angeblich zu einem vorübergehenden Produktionsrückgang führte, dessen Auswirkungen die Klägerin abzufangen versucht haben will, indem sie ihre Preise zur vorübergehenden Verringerung der Nachfrage erhöhte.
133 Zu dem ersten Fernschreiben ist zu bemerken, daß es am Tag nach der Sitzung, in der ein Preisziel für April festgelegt worden war und an der Petrofina entgegen ihrer Behauptung teilgenommen hatte, abgesandt wurde und diesem Preisziel völlig entspricht. Auch wenn ihm entnommen werden kann, daß Petrofina ihren Verkaufsabteilungen einen geringen Verhandlungsspielraum beließ, reicht es doch als Beweis dafür aus, daß sich die Klägerin der in den Sitzungen festgelegten Preisziele als Grundlage für die Preisverhandlungen mit ihren Kunden bediente.
134 Da die Klägerin erklärt, die Preisinstruktionen an ihre Verkaufsabteilungen seien mündlich erteilt worden, indessen keine Indizien angeführt hat, um glaubhaft zu machen, daß ihre mündlichen Instruktionen nicht dem Ergebnis der Sitzungen entsprochen hätten, steht das Gericht auf dem Standpunkt, daß die Kommission zu Recht aus der Übereinstimmung dieser einzigen schriftlichen Preisinstruktion der Klägerin mit dem in einer früheren Sitzung in Anwesenheit der Klägerin festgelegten Preisziel den Schluß gezogen hat, daß die mündlichen Preisinstruktionen der Klägerin insgesamt ebenfalls den Preiszielen entsprachen, wie sie in Sitzungen festgelegt worden waren, an denen die Klägerin teilgenommen hatte.
135 Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, daß der Fall der Klägerin mit dem der Unternehmen Amoco und BP nicht vergleichbar ist, weil die letztgenannten Unternehmen im Gegensatz zur Klägerin zwischen März 1982 und Ende September 1983 nicht an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen haben, so daß sie an den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht mitwirken konnten. Die Klägerin kann sich daher nicht auf die Behandlung dieser Unternehmen in der Entscheidung berufen, um geltend zu machen, ihre Beteiligung an diesen Initiativen sei rechtlich nicht bewiesen.
136 Ebenfalls zu Recht hat die Kommission aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), in der es heisst: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen -Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..."), abgeleitet, daß diese Initivativen Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen waren.
137 Das Gericht stellt schließlich fest, daß die letzte Herstellersitzung, die die Kommission nachgewiesen hat, zwar die Sitzung vom 29. September 1983 ist, daß jedoch verschiedene Hersteller (BASF, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Solvay und Saga) zwischen dem 20. September und dem 25. Oktober 1983 übereinstimmende Preisinstruktionen (Schreiben vom 29. März 1985, Anl. I) versandt haben, die am 1. November 1983 in Kraft treten sollten, und daß die Kommission deshalb vernünftigerweise davon ausgehen durfte, daß die Herstellersitzungen ihre Wirkungen bis zum November 1983 weiter entfaltet haben.
138 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die in den Randnummern 37 bis 51 der Entscheidung genannten Preisinitiativen gerichtet waren, daß diese Preisinitiativen Teil eines Systems waren und daß deren Wirkungen bis zum November 1983 angehalten haben.
C - Die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen
a) Angefochtene Handlung
139 In der Entscheidung (Artikel 1 Buchstabe c und Randnr. 27; siehe auch Randnr. 42) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe mit den anderen Herstellern verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Durchsetzung der Preisziele zu erleichtern, wie vorübergehende Absatzeinschränkungen, Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab September 1982 ein System des "Kundenmanagements" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden.
140 Im System des "Kundenmanagements", das später (seit Dezember 1982) in weiterentwickelter Form als "Kundenführung" (account leadership) bezeichnet worden sei, sei die Klägerin wie alle Hersteller für mindestens einen Großkunden zum Koordinator oder Führer ernannt worden mit dem Auftrag, dessen Geschäfte mit seinen Lieferanten heimlich zu koordinieren. In Anwendung dieses Systems seien in Belgien, Italien, Deutschland und im Vereinigten Königreich Kunden bestimmt worden, für die jeweils ein "Koordinator" ernannt worden sei. Im Dezember 1982 sei eine umfassendere Annahme dieses Systems vorgeschlagen worden, wonach für jeden Großkunden ein Kundenführer ernannt worden sei, der "die Preisbewegungen [habe] lenken, erörtern und organisieren" sollen. Andere Hersteller, die in regelmässigen Geschäftsbeziehungen zu dem Kunden gestanden hätten, seien als "Wettbewerber" bezeichnet worden und hätten mit dem Kundenführer bei der Preisfestsetzung für den betreffenden Kunden zusammenarbeiten sollen. Zum "Schutz" des Kundenführers und der Wettbewerber hätten andere Hersteller, an die sich die Kunden gewandt hätten, einen Preis fordern sollen, der über dem gewünschten Niveau gelegen habe. Entgegen den Behauptungen von ICI, das System sei nach nur wenigen Monaten, in denen es nur teilweise und ineffizient funktioniert habe, zusammengebrochen, werde aus dem Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 deutlich, daß zu dieser Zeit über Einzelkunden und Preisangebote jedes einzelnen Herstellers an sie sowie Lieferungen und Bestellungen eingehend diskutiert worden sei.
141 In Randnummer 20 der Entscheidung wird Petrofina ebenfalls vorgeworfen, sie habe an lokalen Sitzungen teilgenommen, in denen die landesweite Durchführung von Vereinbarungen erörtert worden sei, die in den Vollsitzungen getroffen worden seien.
b) Vorbringen der Parteien
142 Die Klägerin bringt vor, sie habe, da ihre Rolle stets passiv gewesen sei, das System der "Kundenführung" nicht durchgeführt und dies auch nie beabsichtigt. Sie versucht deshalb, verschiedene der von der Kommission zur Stützung ihrer Anschuldigungen angeführten Beweismittel zu widerlegen.
143 Zunächst erklärt sie zu dem Bericht über die Sitzung vom 2. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29), in dem sie nach den Darlegungen der Kommission als "Kundenführer" für drei ihrer Kunden genannt werde, daß sie, wie die Untersuchung von Coopers & Lybrand belege, Ostend Stores stets zu Wettbewerbspreisen beliefert habe; Fibrilo sei im September 1982 nicht mehr ihr Kunde gewesen, und Waltex habe nie zu ihren Kunden gezählt. Dies werde durch einen internen Vermerk von ICI von Ende Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 35) bestätigt, in dem es heisse: "despite the appointment of A/C leaders, there dös not appear to have been any improvement in December over November" ("trotz der Ernennung von Kundenführern scheint im Dezember keine Verbesserung gegenüber November eingetreten zu sein").
144 Weiterhin sei der Bericht über die Sitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30), wonach die Hersteller sich gegenseitig über Preise und Mengen ihrer für Oktober eingegangenen Verpflichtungen informiert hätten, nicht glaubwürdig, soweit es sie angehe, weil die sie betreffenden Angaben ungenau seien, da ihre Verkäufe in Deutschland zu wesentlich niedrigeren als den angegebenen Preisen erfolgt seien.
145 Ferner erklärt sie zu dem Bericht über eine Sitzung vom Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl. 37), wonach Petrofina bestimmte Kunden nicht beliefert haben soll, daß dies aus Gründen geschehen sei, die nichts mit der Anwendung eines Systems der "Kundenführung" zu tun gehabt hätten. Bei Steen sei Petrofina, wie die Untersuchung von Coopers & Lybrand zeige, von der Konkurrenz, bei Adolff wegen der Qualität einer früheren Lieferung ausgeschaltet worden; Ostend Stores sei von ihr im März mit solchen Mengen beliefert worden, daß dieser Kunde vor Juni nicht mehr habe versorgt zu werden brauchen; bei Boussac lasse der Bericht selbst erkennen, daß hier aus Kreditgründen nicht geliefert worden sei.
146 Bei bestimmten Kunden, die sie beliefert habe, habe sie allerdings in den Sitzungen Mengen und Preise der Lieferungen mitgeteilt, bisweilen jedoch falsche Angaben gemacht, wie der Vergleich mit der Untersuchung von Coopers & Lybrand zeige.
147 Auch der Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24), in der es heisse: "Petrofina - have reduced sales following new agreement with MP" ("Petrofina - hat Verkäufe nach einer neuen Vereinbarung mit MP reduziert"), habe nicht die Bedeutung, die die Kommission ihm in der Entscheidung beimesse, weil das dort genannte "new agreement" keine Quotenvereinbarung, sondern lediglich eine Absprache über einen Kapazitätsaustausch mit Monte innerhalb von Montefina, ihrer gemeinsamen Tochtergesellschaft, gewesen sei, und sie somit ihre Produktion nicht zeitweilig herabgesetzt habe, um die Anwendung von Preiszielen zu erleichtern.
148 Die Kommission verweist auf die einzelnen Beweismittel, die sie zur Erhärtung ihrer Behauptung herangezogen hat, daß Petrofina an verschiedenen Maßnahmen teilgenommen habe, die die Durchführung von Preisinitiativen hätten erleichtern sollen.
149 Der Bericht über die Sitzung vom 2. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29) belege die Teilnahme von Petrofina am System der "Kundenführung", weil sie dort als "Kundenführer" für drei ihrer Kunden genannt werde und weil die Feststellung der Entscheidung, wonach alle Hersteller zu "Kundenführern" von Kunden ernannt worden seien (Randnr. 27 Absatz 3), sich insbesondere auf den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 stütze (gem. Bpkte., Anl. 33). Die Berichte über eine Sitzung vom Frühjahr 1983 (gem. Bpkte., Anl. 37) und eine Sitzung vom 3. Mai 1983 (gem. Bpkte., Anl. 38) bewiesen die Teilnahme von Petrofina am System der "Kundenführung", weil sie zeigten, daß Petrofina die konkrete Situation ihrer Kunden und ihre Lieferungen in den Sitzungen erörtert habe.
150 Nach Ansicht der Kommission beweist der Bericht über die Sitzung vom 21. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 30), daß Petrofina an einem im Vormonat verabredeten Informationsaustausch der Hersteller beteiligt gewesen sei, bei dem es um Verpflichtungen der Hersteller für Oktober und ihre bei den Bestellungen zugrundegelegten Preise gegangen sei.
151 Schließlich belege der Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1992 (gem. Bpkte., Anl. 24) die Beteiligung von Petrofina an einer Maßnahme, derzufolge man zur Unterstützung der Preisinitiative in Deutschland und Frankreich nicht unter 1,85 DM/kg verkauft habe; selbst wenn die Erklärung von Petrofina sich als zutreffend erweisen sollte, beweise doch allein die Tatsache, daß Petrofina in einer Sitzung der Hersteller begonnen habe, ihre internen Beziehungen zu Monte in der gemeinsamen Tochtergesellschaft Montefina und deren Einfluß auf ihr Marktverhalten zu erläutern, in aller Deutlichkeit, daß ihre Rolle in den Sitzungen nicht nur passiv gewesen sei und sie mit ihren Konkurrenten Informationen bezueglich ihrer Kunden ausgetauscht habe.
c) Würdigung durch das Gericht
152 Bezueglich der Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen ist darauf hinzuweisen, daß die Argumente der Klägerin nicht zeigen sollen, daß solche Maßnahmen nicht vereinbart wurden, sondern daß sie insoweit keine Verpflichtung übernommen und nicht an der Durchführung der Maßnahmen nicht teilgenommen hat.
153 Hierzu stellt das Gericht anhand der Sitzungsberichte, deren Bedeutung zwischen den Parteien umstritten ist (gem. Bpkte., Anl. 29, 30, 33, 37 und 38) fest, daß Petrofina Auskünfte über ihre Kunden und die von ihr angewandten Preise im Vergleich zu den festgelegten Zielen erteilt hat und zum "Kundenführer" mehrerer ihrer Kunden ernannt worden ist. Die Klägerin hat ferner in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (ind. Bpkte. Petrofina, Anl. 1) eingeräumt, an lokalen Sitzungen teilgenommen zu haben.
154 Zu der Frage, ob sie mit einer Einschränkung ihrer Verkäufe einverstanden war, ist zu bemerken, daß der Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24), mag er auch vielleicht nicht die Bedeutung haben, die die Kommission ihm in ihren Schriftsätzen beigemessen hat (Einschränkung der Verkäufe aufgrund einer neuen Absprache), zumindest doch belegt, daß Petrofina in dieser Sitzung glaubhaft zu machen versucht hat, daß sie ihre Verkäufe aufgrund einer Absprache über einen Kapazitätsaustausch mit Monte innerhalb von Montefina reduziert ("Have reduced sales comparing with 1981 following new agreement with M.P."; "hat Verkäufe im Vergleich zu 1981 nach einer neuen Vereinbarung mit M.P. reduziert") und Geschäfte in Deutschland und Frankreich unterhalb von 1,85 DM/kg abgelehnt habe ("Refused busineß in Germany + France below DM 1,85"; "lehnte Geschäfte in Deutschland + Frankreich unter 1,85 DM ab"). Dieser Bericht spricht ferner von einer Ankündigung der Klägerin, sie werde ihre Produktionsanlage im August für 20 Tage schließen ("Plant will be shut down for 20 days in August"; "Betrieb wird im August für 20 Tage geschlossen").
155 Aufgrund dieser verschiedenen Beweismittel gelangt das Gericht zu der Auffassung, daß die Klägerin ihre Behauptung, sie habe nicht wie andere Polypropylenhersteller Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen ab März 1982 zugestimmt, nicht tatsächlich belegt hat. Mit ihrer Argumentation sucht sie darüberhinaus darzutun, daß sie einige dieser Maßnahmen, insbesondere bezueglich der "Kundenführung", nur unvollständig durchgeführt habe, doch kann ein solcher Umstand, selbst wenn man ihn für erwiesen hält, nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Klägerin als aktive Teilnehmerin an Sitzungen, in denen Maßnahmen zur Förderung der Durchsetzung der Preisinitiativen vereinbart wurden, gemeinsam mit anderen Polypropylenherstellern diesen Maßnahmen zugestimmt hat.
156 Weiterhin ist zu betonen, daß Randnummer 27 der Entscheidung im Lichte der Randnummer 26 Absatz 2 so auszulegen ist, daß dort nicht jedem einzelnen Hersteller vorgeworfen wird, sich individuell verpflichtet zu haben, alle dort genannten Maßnahmen zu treffen, sondern daß jedem einzelnen dieser Hersteller der Vorwurf gemacht wird, in den Sitzungen zu verschiedenen Zeiten mit den anderen Herstellern einen Komplex von in der Entscheidung aufgeführten Maßnahmen vereinbart zu haben, mit denen insbesondere durch eine künstliche Verknappung des Polypropylenangebots günstige Voraussetzungen für eine Preisanhebung geschaffen werden sollten, wobei die Durchführung der einzelnen Maßnahmen einvernehmlich auf die verschiedenen Hersteller nach Maßgabe ihrer spezifischen Lage verteilt worden sei.
157 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin seit März 1982 zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die Maßnahmen gerichtet waren, mit denen die Durchführung der in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gefördert werden sollte.
D - Absatzziele und Quoten
a) Angefochtene Handlung
158 Nach Randnummer 58 der Entscheidung unterbreiteten die Hersteller für 1982 komplizierte Quotenvorschläge, bei denen versucht worden sei, unterschiedliche Faktoren wie frühere Leistungen, Marktziele und vorhandene Kapazität in Einklang zu bringen. Der aufzuteilende Gesamtmarkt sei auf 1 450 000 Tonnen geschätzt worden. Einige Hersteller hätten ausgeklügelte Pläne für eine Marktteilung vorgelegt, während sich andere damit zufriedengegeben hätten, lediglich ihre Zielvorstellungen mitzuteilen. In der Sitzung vom 10. März 1982 hätten Monte und ICI versucht, eine Einigung zu erzielen. Wie 1981 sei es jedoch auch 1982 nicht zu einer endgültigen Vereinbarung gekommen, so daß im ersten Halbjahr die monatlichen Verkäufe der Hersteller in den Sitzungen mitgeteilt und anhand der Vorjahresanteile überwacht worden seien (Entscheidung, Randnr. 58, letzter Absatz). In der Sitzung vom August 1982 seien die Gespräche zur Erreichung einer Vereinbarung über die Quoten für 1983 fortgesetzt worden; ICI habe mit jedem Hersteller bilaterale Gespräche über das neue System geführt. Bis zur Einführung eines solchen Quotensystems hätten die Hersteller jedoch im zweiten Halbjahr 1982 versuchen sollen, ihre monatlichen Verkäufe auf dieselben prozentualen Anteile am Gesamtmarkt zu beschränken, die jeder von ihnen im ersten Halbjahr 1982 erreicht habe. So hätten sich 1982 die Marktanteile in einem relativen Gleichgewicht befunden und seien für die meisten Hersteller im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben (Entscheidung, Randnr. 59).
159 Nach Randnummer 60 der Entscheidung forderte ICI für 1983 die Hersteller auf, ihre Quotenvorstellungen mitzuteilen und Vorschläge für die prozentualen Zuteilungen an die anderen Hersteller zu unterbreiten. Monte, Anic, ATO, DSM, Linz, Saga und Solvay sowie die deutschen Hersteller (letztere durch BASF) hätten ausführliche Vorschläge gemacht. Die verschiedenen Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der mit den durchschnittlichen Bestrebungen ("aspirations") der einzelnen Hersteller verglichen worden sei. Anhand dieser Vorarbeiten habe ICI Leitlinien für eine neue Rahmenvereinbarung für 1983 angeregt. Diese Vorschläge seien in den Sitzungen vom November und Dezember 1982 diskutiert worden. Ein zunächst auf das erste Quartal des Jahres beschränkter Vorschlag sei in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 erörtert worden. Aus dem von ICI erstellten Bericht über diese Sitzung gehe hervor, daß ATO, DSM, Hoechst, Hüls, ICI, Monte und Solvay sowie Hercules die ihnen zugeteilte Quote als "akzeptabel" angesehen hätten (Entscheidung, Randnr. 63). Dies werde durch den Vermerk über ein Telefongespräch zwischen ICI und Hercules vom 3. Dezember 1982 bestätigt.
160 Nach Randnummer 63 Absatz 3 der Entscheidung bestätigt ein bei Shell gefundenes Schriftstück, daß eine Vereinbarung zustandegekommen sei, da sich dieses Unternehmen bemüht habe, seine Quote nicht zu überschreiten. Dieses Dokument bestätige auch, daß ein Mengenkontrollsystem im zweiten Quartal 1983 fortgesetzt worden sei, denn die nationalen Verkaufsunternehmen in der Shell-Gruppe seien angewiesen worden, ihre Verkäufe zu reduzieren, um ihre Marktanteile im zweiten Quartal bei 11 % zu halten. Das Bestehen dieser Vereinbarung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 bestätigt, der zwar keinen besonderen Hinweis auf Quoten enthalte, aber erwähne, daß die Experten Einzelheiten über die von ihnen im Vormonat verkauften Mengen ausgetauscht hätten, was darauf hindeuten würde, daß irgendeine Quotenregelung bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 64).
b) Vorbringen der Parteien
161 Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission ihre Beteiligung an einer Quotenregelung nicht bewiesen. Was die Kommission ihre Beteiligung an einem Marktteilungssystem nenne, sei in Wahrheit die vom Willen der Klägerin unabhängige Zuweisung von Absatzquoten durch andere Hersteller gewesen. Petrofina habe diesen Quoten niemals zugestimmt und sie auch niemals beachtet. Da sie als letzte auf den Markt gekommen sei, habe sie sich einen Kundenkreis sichern und ausbauen müssen, was mit jeglicher Produktionsbeschränkung unvereinbar sei.
162 Zum einen werde ihre Beteiligung an einer solchen Regelung durch den spektakulären Durchbruch widerlegt, den sie, gemessen an Marktanteilen, seit ihrem ersten Auftreten auf dem Markt erzielt habe, zum anderen seien die von der Kommission zum Beweis ihrer Beteiligung an einer solchen Regelung herangezogenen Tabellen ohne Beweiskraft, weil sie schwere Fehler bezueglich ihrer Absatzzahlen aufwiesen.
163 Hierzu macht die Klägerin geltend, der Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 (gem. Bpkte., Anl. 31) könne kein Beweis für ihre Beteiligung an der Quotenregelung sein, weil der Absatz von Petrofina um mehr als 12,5 % über der in dem Schriftstück angegebenen Zahl gelegen habe. Auch der Bericht über die Sitzung vom 2. November 1982 (gem. Bpkte., Anl. 32) könne kein Beweis für ihre Beteiligung an der Quotenregelung sein, weil sie an dieser Sitzung nicht teilgenommen habe. Schließlich sei der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982, insbesondere sein Anhang mit der Überschrift "1983 - Quarter 1 Proposal" ("1983 - Vorschlag für 1. Quartal"; gem. Bpkte., Anl. 33), soweit er Petrofina betreffe, aussergewöhnlich ungenau und sei nur ein Vorschlag gewesen, dem Petrofina nicht zugestimmt habe, weil sie nicht unter den Unternehmen zu finden sei, die diesen Vorschlag als "annehmbar" bezeichnet hätten.
164 Für 1983 führt die Klägerin aus, sie habe freiwillig nicht mehr an Verhandlungen teilgenommen, die wahrscheinlich zwischen bestimmten Herstellern stattgefunden hätten, um zu einer Marktteilung für dieses Jahr zu gelangen, und habe sich so ausdrücklich und unzweifelhaft von solchen Plänen losgesagt. Daher finde man in den Akten keinerlei Vorschlag von Petrofina, was auch erkläre, daß in der Tabelle, in der die Vorschläge der Hersteller zusammengestellt seien (gem. Bpkte., Anl. 85, S. 2), die für Petrofina bestimmte Spalte leer sei. Die davorstehende Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 85, S. 1) stamme nicht von Petrofina und scheine lediglich eine Überarbeitung der folgenden Tabelle zu sein. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0002.2
165 Ebenso liege eine irrtümliche Zurechnung gegenüber Petrofina vor, wenn die Kommission ein anderes Schriftstück mit dem Titel "Polypropylene Framework" ("Polypropylen-Rahmen"; gem. Bpkte., Anl. 87) anführe, das von einem Dritten und nicht von Petrofina stamme. Die Kommission befinde sich weiter im Irrtum, wenn sie die "revidierte" Zahl dieser Tabelle in Beziehung zu dem angeblichen "Ziel" von Petrofina in der Anlage 85 bringe, weil dort die Spalte "Fina" leer geblieben sei. Ein von ICI stammendes Schriftstück vom 8. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 77) sei nicht beweiskräftig, weil die dort dem Angestellten von Petrofina zugeschriebenen Äusserungen falsch seien. Die Auskunft, daß der zusätzlich von Petrofina übernommene Anteil von 5 % an der Produktion der Montefina gehörenden Feluy-Fabrik eine Verringerung des Anteils von Monte bedeute, habe nämlich nicht verhindert, daß die tatsächliche Kapazität von Monte 1983 ebenfalls zugenommen habe.
166 Die Kommission legt vorab dar, daß die Beteiligung der Petrofina an den Quotenvereinbarungen weder durch die ständige Vergrösserung ihres Marktanteils noch durch die Nichtbeachtung der Quoten widerlegt werde, weil die Vereinbarungen zwischen den Herstellern dynamischer Natur gewesen und daher von Zeit zu Zeit überarbeitet worden seien, um der Entwicklung der Marktbedingungen und insbesondere den Plänen von Neuankömmlingen wie Petrofina Rechnung zu tragen. Die Beteiligung von Petrofina an der Quotenregelung für 1982 ergebe sich aus verschiedenen Schriftstücken.
167 So belege der Bericht über die Sitzung vom 20. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28), daß Petrofina 1982 im Rahmen der vorläufigen Vereinbarung, nach der die Hersteller ihre Mengen auf den im Zeitraum Januar/Juni erzielten Marktanteil hätten begrenzen sollen, die Zahlen ihrer monatlichen Verkäufe bekanntgegeben habe. Auch aus den Berichten über die Sitzungen vom 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember (gem. Bpkte., Anl. 31, 32 und 33) ergebe sich, daß die Hersteller ihre im Vormonat getätigten Verkäufe mit den theoretischen Zielen verglichen hätten, die anhand der im ersten Halbjahr 1982 getätigten Verkäufe errechnet worden seien.
168 Die Beteiligung von Petrofina an der Ausarbeitung einer Quotenregelung für 1983 folge aus der Erwähnung ihres Namens in zwei Schriftstücken (gem. Bpkte., Anl. 85 und 87), die wohl vom Oktober oder November 1982 stammten und in Bezug auf jeden Hersteller augenscheinlich als Ergebnis einer Datenverarbeitung Angaben über Verkaufszahlen, vorgeschlagene Marktanteile, Durchschnittswerte, Bestrebungen und tatsächliche Marktanteile enthielten.
169 Die Beteiligung von Petrofina an der Ausarbeitung einer Quotenregelung für 1983 ergebe sich ebenfalls aus einem von ICI stammenden Vermerk vom 8. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 77), dem ein Vorschlag von Petrofina zu den Quoten für das erste Quartal 1983 zu entnehmen sei. Diesem Vermerk zufolge habe Petrofina daran erinnert, daß sie einen zusätzlichen Anteil von 5 % der Produktion der Feluy-Fabrik übernehme und daß die 37,5 kt, die auf Jahresbasis errechnet worden seien, somit 9,8 kt für das erste Quartal entsprächen. Petrofina habe ferner angekündigt, daß sie in der nächsten Sitzung auf diesen Punkt zurückkomme, wobei sie bestätigt habe, daß ihre Forderung eine Verringerung des Anteils von Monte bedeute.
170 Eine Vereinbarung für die ersten beiden Quartale 1983 ergebe sich aus einem internen, bei Shell aufgefundenen Vermerk (gem. Bpkte., Anl. 90). Nach diesem Vermerk habe Shell ihre nationalen Verkaufsgesellschaften angewiesen, zur Einhaltung der ihr zugeteilten Quote ihre Verkäufe zu reduzieren. Auch der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) zeige, daß Informationen über die Verkaufsmengen für den Monat Mai ausgetauscht worden seien.
c) Würdigung durch das Gericht
171 Das Gericht erinnert daran, daß die Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, in denen die Verkaufsmengen der verschiedenen Hersteller diskutiert und Informationen hierüber ausgetauscht worden sind, seit März 1982 bis 30. September 1983 regelmässig teilgenommen hat. Die eventuelle Fehlerhaftigkeit bestimmter ausgetauschter Informationen ist ohne Einfluß, weil die Fehler zum einen unbedeutend und zum anderen möglicherweise auf die Absicht von Petrofina zurückzuführen sind, ihre richtigen Zahlen geheimzuhalten, um ihre Wettbewerber zu täuschen.
172 Neben der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen wird ihr Name in verschiedenen Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 71, 85 und 87) genannt, deren Inhalt eindeutig darauf hinweist, daß sie zur Festlegung von Verkaufsmengenzielen bestimmt waren. Die meisten Klägerinnen haben in ihren Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt, daß es nicht möglich gewesen sei, die bei ICI, ATO und Hercules aufgefundenen Tabellen auf der Grundlage der Statistiken des Fides-Systems zu erstellen. ICI hat im übrigen in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zu einer dieser Tabellen erklärt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves" ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein"). Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die in diesen Tabellen enthaltenen Angaben von der Klägerin im Rahmen der Sitzungen gemacht worden waren, an denen sie teilgenommen hatte.
173 Die ständige Vergrösserung des Marktanteils von Petrofina und die systematische Überschreitung der zugewiesenen Quoten lassen sich nicht als Beweismittel dafür heranziehen, daß die Klägerin von einer Beteiligung an den Quotenverhandlungen mit Vorbedacht Abstand genommen hat, weil weder das eine noch das andere in den Sitzungen offenkundig geworden zu sein scheint und die Klägerin daher, wenn sie die vereinbarten Ziele nicht beachtet hat, zumindest doch den Eindruck hat entstehen lassen, daß sie sich an sie halte.
174 Für 1982 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr teilgenommen hätten, daß sie in diesem Rahmen ihre Bestrebungen im Hinblick auf die Verkaufsmengen mitgeteilt hätten, daß sie in Ermangelung einer endgültigen Vereinbarung in den Sitzungen ihre monatlichen Verkaufszahlen für das erste Halbjahr mitgeteilt und mit dem im Vorjahr erzielten prozentualen Anteil verglichen hätten und daß sie sich während des zweiten Halbjahrs bemüht hätten, ihre monatlichen Verkäufe auf den prozentualen Anteil des Gesamtmarkts zu beschränken, den sie in der ersten Hälfte dieses Jahres erzielt hätten.
175 Die für das erste Halbjahr 1982 getroffenen Maßnahmen werden durch den Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) bewiesen, in dem es unter anderem heisst:
"To support the move a number of other actions are needed a) limit sales volume to some agreed prop. of normal sales."
("Zur Unterstützung dieses Schritts ist eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich a. Begrenzung des Verkaufsvolumens auf einen bestimmten, vereinbarten Teil der üblichen Verkäufe.")
Die Durchführung dieser Maßnahmen wird bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 9. Juni 1982 (gem. Bpkte., Anl. 25), dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für jeden Hersteller die Verkaufszahlen "actual" für die Monate Januar bis April 1982, verglichen mit einer als "theoretical based on 1981 av[erage] market share" ("theoretisch, gestützt auf den durchschnittlichen Marktanteil 1981") bezeichneten Zahl genannt wird, sowie durch den Bericht über die Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 (gem. Bpkte., Anl. 26) für den Zeitraum Januar bis Mai 1982 und durch den Bericht über die Sitzung vom 20. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28) für den Zeitraum Januar bis Juli 1982.
176 Die für das zweite Halbjahr 1982 getroffenen Maßnahmen werden bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 (gem. Bpkte., Anl. 31), in dem es zum einen heisst: "In October this would also mean restraining sales to the Jan/June achieved market share of a market estimated at 100 kt" ("im Oktober würde dies auch eine Begrenzung der Verkäufe auf den Anteil bedeuten, der im Zeitraum Januar/Juni bei einem auf 100 kt geschätzten Markt erzielt wurde") und zum anderen: "Performance against target in September was reviewed" ("das Verhältnis zwischen erreichtem Ergebnis und Ziel im September wurde geprüft"). Diesem Bericht ist eine Tabelle mit der Bezeichnung "September provisional sales versus target (based on Jan-June market share applied to demand est[imated] at 120 kt)" ("voraussichtliche Verkäufe im September im Verhältnis zum Ziel [auf der Grundlage des Marktanteils Januar/Juni bei einer geschätzten Nachfrage von 120 kt"]) beigefügt. Die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen wird durch den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) bestätigt, dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für den November 1982 die Verkäufe "Actual" mit den Zahlen "Theoretical", berechnet auf der Basis "J-June % of 125 kt" ("J-Juni Prozentsatz von 125 kt"), verglichen werden.
177 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission für die beiden Halbjahre des Jahres 1982 aus der Tatsache, daß in den regelmässigen Sitzungen eine gegenseitige Überwachung der Durchführung eines Systems zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum stattgefunden hat, zu Recht gefolgert hat, daß dieses System von den Teilnehmern an den Sitzungen angenommen worden war.
178 Für das Jahr 1983 stellt das Gericht fest, daß sich aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken (gem. Bpkte., Anl. 33, 77, 85 und 87) ergibt, daß die Polypropylenhersteller Ende 1982 und Anfang 1983 eine Quotenregelung für das Jahr 1983 erörtert haben, daß die Klägerin an den Sitzungen, in denen diese Diskussionen stattgefunden haben, teilgenommen hat und daß sie bei dieser Gelegenheit Angaben über ihre Verkäufe gemacht hat.
179 Folglich hat die Klägerin an den Verhandlungen zur Erreichung einer Quotenregelung für 1983 teilgenommen.
180 Zu der Frage, ob diese Verhandlungen für die ersten beiden Quartale des Jahres 1983 erfolgreich waren, wie in der Entscheidung behauptet wird (Randnrn. 63 Absatz 3 und 64), weist das Gericht darauf hin, daß sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) ergibt, daß die Klägerin wie auch neun andere Unternehmen in dieser Sitzung ihre Verkaufszahlen für den Monat Mai genannt hat. Ferner heisst es in dem Bericht über eine interne Sitzung der Shell-Gruppe vom 17. März 1983 (gem. Bpkte., Anl. 90):
"... and would lead to a market share of approaching 12 % and well above the agreed Shell target of 11 %. Accordingly the following reduced sales targets were set and agreed by the integrated companies."
("... und würde zu einem Marktanteil führen, der nahe bei 12 % und damit deutlich über dem vereinbarten Shell-Ziel von 11 % läge. Demgemäß wurden die folgenden reduzierten Verkaufsziele von den Unternehmen der Gruppe festgelegt und vereinbart.")
Nach Angabe der neuen Mengen heisst es weiter:
"This would be 11.2 Pct of a market of 395 kt. The situation will be monitored carefully and any change from this agreed plan would need to be discussed beforehand with the other PIMS members."
("Das wären 11,2 % eines Marktes von 395 kt. Die Lage wird aufmerksam beobachtet, und jede Abweichung von diesem vereinbarten Plan muß im voraus mit den anderen PIMS-Mitgliedern erörtert werden.")
181 Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Kommission aus diesen beiden, im Zusammenhang miteinander gesehenen Schriftstücken zu Recht gefolgert hat, daß die Verhandlungen zwischen den Herstellern zur Einführung einer Quotenregelung geführt haben. So zeigt der interne Vermerk der Shell-Gruppe, daß dieses Unternehmen seine nationalen Verkaufsgesellschaften aufgefordert hat, ihre Verkäufe zu reduzieren, und zwar nicht, um das Gesamtverkaufsvolumen der Shell-Gruppe zu verringern, sondern um den Gesamtmarktanteil dieser Gruppe auf 11 % zu begrenzen. Eine solche Begrenzung auf einen bestimmten Marktanteil lässt sich nur im Rahmen einer Quotenregelung erklären. Darüber hinaus stellt der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 einen zusätzlichen Anhaltspunkt für das Bestehen einer solchen Regelung dar, denn ein Austausch von Informationen über die monatlichen Verkäufe der einzelnen Hersteller dient in erster Linie der Kontrolle der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen.
182 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl von 11 % als Marktanteil für Shell nicht nur in dem internen Vermerk von Shell, sondern auch in zwei anderen Schriftstücken genannt wird, nämlich zum einen in einem internen Vermerk von ICI, in dem diese darauf hinweist, daß Shell diese Zahl für sich selbst, für Hoechst und für ICI vorschlägt (gem. Bpkte., Anl. 87), und zum anderen in dem von ICI verfassten Bericht über ein Treffen vom 29. November 1982 zwischen ICI und Shell, bei dem an diesen Vorschlag erinnert worden ist (gem. Bpkte., Anl. 99).
183 Zudem ist die Kommission in Anbetracht des Umstands, daß mit den verschiedenen Maßnahmen zur Begrenzung der Verkaufsmengen dasselbe Ziel - Verringerung des von dem Überangebot ausgehenden Drucks auf die Preise - verfolgt wurde, zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß diese Maßnahmen Teil eines Quotensystems waren.
184 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin seit März 1982 zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die Begrenzung ihrer monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum (bis Ende 1982) und über die in der Entscheidung genannten Verkaufsmengenziele für die erste Hälfte des Jahres 1983 gekommen ist, die Teil eines Quotensystems waren.
2. Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag
A - Rechtliche Qualifizierung
a) Angefochtene Handlung
185 Nach Randnummer 81 Absatz 1 der Entscheidung stellt die Gesamtheit der Regelungen und Absprachen, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen wurden, eine einzige fortdauernde "Vereinbarung" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar.
186 Im vorliegenden Fall hätten die Hersteller dadurch, daß sie sich zu dem gemeinsamen Plan verbunden hätten, die Preise und den Absatz auf dem Polypropylenmarkt zu regeln, an einer umfassenden Rahmenvereinbarung teilgenommen, die in mehreren von Zeit zu Zeit abgesprochenen Einzelvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe (Entscheidung, Randnr. 81 Absatz 3).
187 Bei der eingehenden Ausarbeitung des Gesamtplans sei es in vielen Bereichen zu einer ausdrücklichen Vereinbarung wie den einzelnen Preisinitiativen und jährlichen Quotensystemen gekommen (Entscheidung, Randnr. 82 Absatz 1). In einigen Fällen hätten die Hersteller möglicherweise keinen Konsens über ein endgültiges Schema - wie über die Quoten für 1981 und 1982 - erzielt. Doch die Verabschiedung von flankierenden Maßnahmen, einschließlich des Informationsaustauschs und der Überwachung der tatsächlichen monatlichen Verkäufe im Verhältnis zum Verkaufsergebnis in einigen vorausgegangenen Referenzperioden, sei nicht nur ein Zeichen für eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, derartige Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen, sondern auch ein Zeichen für eine stillschweigende Vereinbarung darüber, die jeweilige Stellung der Hersteller nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten.
188 An der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege, ändere auch die Tatsache nichts, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans erstreckten sich über mehrere Monate, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 1).
189 Das Funktionieren des Kartells auf der Grundlage eines gemeinsamen und ausführlichen Plans stelle eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 1).
190 Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise seien unterschiedliche Begriffe, doch gebe es Fälle, in denen Absprachen Elemente beider Formen verbotener Zusammenarbeit enthielten (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 2).
191 Eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise beziehe sich auf eine Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zwar nicht den Grad einer Vereinbarung im eigentlichen Sinne erreicht habe, aber dennoch bewusst die Risiken des Wettbewerbs ausschalte und durch eine praktische Zusammenarbeit ersetze (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 3).
192 In Randnummer 87 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, das durch den Vertrag geschaffene getrennte Konzept der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen solle verhindern, daß Unternehmen sich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 entzögen, indem sie in einer wettbewerbswidrigen Weise ohne eine endgültige Vereinbarung absprächen, sich zum Beispiel gegenseitig im voraus über ihr künftiges Verhalten in Kenntnis zu setzen, so daß jeder seine Geschäftspolitik in der Gewißheit regele, daß sich die Wettbewerber entsprechend verhielten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619).
193 Der Gerichtshof habe im Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663) festgestellt, daß die in seiner Rechtsprechung niedergelegten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die keineswegs die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans voraussetzten, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen seien, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen habe, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenke. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitige nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Wettbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es stehe jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 2). Ein Verhalten könne also als aufeinander abgestimmte Verhaltensweise unter Artikel 85 Absatz 1 fallen, auch wenn sich die Partner vorher nicht über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hätten, sondern lediglich Absprachen träfen oder sich an Absprachen beteiligten, die die Koordinierung kommerziellen Verhaltens erleichterten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 3 Satz 1).
194 Ausserdem wird in der Entscheidung (Randnr. 87 Absatz 3 Satz 3) darauf hingewiesen, daß es in einem komplexen Kartell möglich sei, daß einige Hersteller zeitweise einem von den anderen Herstellern vereinbarten besonderen Verhalten nicht uneingeschränkt zustimmten, aber dennoch die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. In mancher Hinsicht trügen die fortgesetzte Zusammenarbeit und Absprache der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung Zuege einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 4 Satz 2).
195 Die Bedeutung des Konzepts einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ergebe sich also nicht so sehr aus der Unterscheidung zwischen dieser Verhaltensweise und einer Vereinbarung als vielmehr aus der Unterscheidung zwischen den Formen der Absprache, die unter Artikel 85 Absatz 1 fielen, und einem rein parallelen Verhalten ohne jedwedes Element der Absprache. Nichts hänge daher im vorliegenden Fall von der genauen Form ab, die die abgesprochenen Vereinbarungen angenommen hätten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 4).
196 In der Entscheidung (Randnr. 88 Absätze 1 und 2) wird festgestellt, daß die meisten Hersteller, die während des Verwaltungsverfahrens behauptet hätten, daß ihr Verhalten in bezug auf die angeblichen Preisinitiativen nicht das Ergebnis irgendeiner Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 gewesen sei (siehe Randnr. 84 der Entscheidung), ausserdem behaupteten, daß dieses Verhalten nicht die Grundlage sein könne, um eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise festzustellen, weil dieses Konzept irgendeinen offenen Akt am Markt voraussetze, der im vorliegenden Fall völlig fehle; Preislisten oder Zielpreise seien den Kunden nie mitgeteilt worden. In der Entscheidung wird dieses Vorbringen mit der Begründung zurückgewiesen, daß, wäre es im vorliegenden Fall notwendig, eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zu beweisen, dieses Erfordernis für einige Schritte der Teilnehmer zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Zielsetzung tatsächlich gegeben sei. Die verschiedenen Preisinitiativen seien Gegenstand von Aufzeichnungen. Ausserdem sei unbestreitbar, daß die einzelnen Hersteller gleichzeitige Aktionen unternommen hätten, um die Preisinitiativen durchzuführen. Die von den Herstellern sowohl einzeln als auch gemeinsam getroffenen Maßnahmen ergäben sich aus Dokumenten: Sitzungsberichten, internen Vermerken, Anweisungen und Rundschreiben an Verkaufsabteilungen und Schreiben an Kunden. Dabei sei irrelevant, ob sie Preislisten veröffentlicht hätten. Die Preisinstruktionen als solche seien nicht nur das beste verfügbare Beweismittel für die von jedem Hersteller durchgeführte Aktion zur Verwirklichung des gemeinsamen Ziels, sondern erhärteten aufgrund ihres Inhalts und ihrer zeitlichen Abfolge den Beweis der Absprache.
b) Vorbringen der Parteien
197 Die Klägerin bemerkt vorab, daß die Kommission Geist und Buchstaben des Artikels 85 Absatz 1 verletze, wenn sie weder eine Vereinbarung noch eine abgestimmte Verhaltensweise nachweise und das Vorliegen einer "Absprache", die Elemente des einen wie des anderen Begriffs enthalte, für ausreichend halte. Im übrigen habe die Kommission hinsichtlich der Qualifikation des Verstosses während des Verfahrens laufend ihren Standpunkt geändert, um letztendlich die Meinung zu vertreten, daß die rechtliche Qualifikation der Zuwiderhandlung von untergeordneter Bedeutung sei. Die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweisen" müssten sorgfältig getrennt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O.); die Kommission habe nachzuweisen, daß die für die eine oder die andere Form verbotener Zusammenarbeit maßgebenden Tatbestandsmerkmale im Falle der Klägerin erfuellt seien.
198 Eine Vereinbarung setze voraus, daß eine wirkliche Willensübereinstimmung zwischen den Beteiligten über Rechte und gegenseitige Pflichten vorliege. Wenn ein Bindungswille nicht nachgewiesen sei, könne er lediglich anhand der Durchführung der Vereinbarung festgestellt werden. Die Klägerin bestreite ausdrücklich, an einer Vereinbarung beteiligt gewesen zu sein; die Kommission habe nicht bewiesen, daß sie sich zu einer Beschränkung des Wettbewerbs durch Mitwirkung an gemeinsamen Vereinbarungen verpflichtet habe.
199 Die abgestimmte Verhaltensweise setze ihrerseits voraus, daß das Verhalten der Unternehmen auf dem Markt Wirkungen entfalte. Wenn man sich auch ohne Schwierigkeit vorstellen könne, daß eine abgestimmte Verhaltensweise sowohl vom Zweck als auch von der Wirkung her wettbewerbswidrig sei, sei doch schwer denkbar, daß eine abgestimmte Verhaltensweise zwar vom Zweck, nicht aber von der Wirkung her wettbewerbswidrig sein könne. Es handele sich dann nicht mehr um eine "Verhaltensweise", sondern um eine stillschweigende Übereinkunft, die unter den Begriff der Vereinbarung falle. Wenn die Kommission das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Wirkung auf den Markt für nicht notwendig halte, qualifiziere sie letztlich die blosse Teilnahme eines Unternehmens an Sitzungen von Wettbewerbern als abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 EWG-Vertrag, und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen sich den wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen angeschlossen habe, und auch dann, wenn solche Verhaltensweisen nicht durchgeführt worden seien und irgendwelche Auswirkungen auf den Markt fehlten. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Schlussanträge, S. 675 bis 677, und in der Rechtssache 49/69, BASF/Kommission, Slg. 1972, 713, Randnrn. 22 bis 33, vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 567 bis 576, vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Schlussanträge, S. 3310, vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Pioneer/Kommission, Slg. 1983, 1825, und vom 3. Juli 1985 in der Rechtsache 243/83, Binon, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17) und auf die amerikanische Rechtsprechung zum Sherman Act macht die Klägerin geltend, daß für eine abgestimmte Verhaltensweise drei Voraussetzungen erfuellt sein müssten: Erstens müsse ein Parallelverhalten mehrerer Unternehmen auf dem Markt nachgewiesen sein, zweitens ein darauf gerichteter gemeinsamer Wille, der aus einem Komplex von Tatsachen abgeleitet werden könne, wobei aber die blosse Anwesenheit eines Unternehmensvertreters bei einer Sitzung nicht ausreiche, und drittens eine Verknüpfung zwischen dem auf diese Weise festgestellten Marktverhalten und dem gemeinsamen Willen der Unternehmen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission weder bewiesen, daß das angebliche Kartell Auswirkungen auf den Markt gehabt habe und daß die Klägerin ein Marktverhalten gezeigt habe, das als Beweis ihrer Beteiligung an einer abgestimmten Verhaltensweise geeignet wäre, noch daß sie einem wettbewerbswidrigen Ziel zugestimmt habe.
200 Mithin obliege der Kommission der Nachweis, daß die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung oder aber einer abgestimmten Verhaltensweise im Fall der Klägerin erfuellt seien; diesen Nachweis habe die Kommission jedoch nicht erbracht, da sie eine "Absprache" angenommen habe, die Merkmale des einen wie des anderen Begriffs aufweise.
201 Nach Ansicht der Kommission ist dagegen die Frage, ob es sich bei einer Absprache oder einem Kartell rechtlich um eine Vereinbarung oder um eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag handele oder ob die Absprache Elemente einer Vereinbarung sowie einer abgestimmten Verhaltensweise enthalte, von untergeordneter Bedeutung. Die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweise" umfassten nämlich alle Arten von Absprachen, durch die Konkurrenten aufgrund von direkten oder indirekten Kontakten untereinander sich gegenseitig die Aktionsfreiheit am Markt beschnitten, statt völlig unabhängig voneinander ihr künftiges Wettbewerbsverhalten zu bestimmen.
202 Die Verwendung der verschiedenen in Artikel 85 EWG-Vertrag enthaltenen Begriffe verfolge das Ziel, die gesamte Bandbreite wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zu erfassen, ohne für die verschiedenen Tatbestandsmerkmale unterschiedliche Rechtsfolgen vorzusehen. Es sei deshalb belanglos, wo genau die Grenze zwischen diesen Begriffen verlaufe, deren Sinn allein darin liege, in ihrer Gesamtheit die ganze Skala verbotener Wettbewerbsbeschränkungen zu erfassen. Der mit der Aufnahme des Begriffs "abgestimmte Verhaltensweise" in Artikel 85 verfolgte Gesetzeszweck sei nämlich, neben den Vereinbarungen Arten der Absprachen zu erfassen, die lediglich als tatsächliche Koordinierung oder als praktische Zusammenarbeit in Erscheinung träten, aber dennoch geeignet seien, den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnrn. 64 bis 66).
203 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174) gehe es darum, jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen zu verhindern, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe. Eine abgestimmte Verhaltensweise liege also immer schon dann vor, wenn zwischen den Wettbewerbern eine Fühlungnahme stattfinde, die ihrem Verhalten auf dem Markt vorangehe.
204 Eine abgestimmte Verhaltensweise sei gegeben, wenn die Unabhängigkeit der Unternehmen voneinander durch eine Abstimmung eingeschränkt werden solle, selbst wenn sich auf dem Markt kein tatsächliches Verhalten feststellen lasse. Der Streit drehe sich in Wirklichkeit um den Begriff "Verhalten". Die Kommission widerspricht der Ansicht der Klägerin, daß dieser Begriff in dem engen Sinne von "Verhalten am Markt" zu verstehen sei. Der Begriff könne die blosse Beteiligung an Kontakten erfassen, sofern mit diesen eine Beschränkung der Selbständigkeit der Unternehmen bezweckt werde.
205 Verlangte man für eine abgestimmte Verhaltensweise beides, Abstimmung und Marktverhalten, so fiele ein ganzes Spektrum von Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des Artikels 85 heraus, die eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten, aber nicht unbedingt bewirkten. Insoweit würde Artikel 85 unanwendbar. Ausserdem stehe die Auffassung von Petrofina nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff der abgestimmten Verhaltensweise (Urteile vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnr. 66, vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnr. 26, und vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Zuechner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 14). Wenn in dieser Rechtsprechung immer von Verhaltensweisen am Markt die Rede sei, so handele es sich dabei nicht um ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung, wie die Klägerin meine, sondern um einen tatsächlichen Umstand, der den Schluß auf eine Abstimmung zulasse. Nach dieser Rechtsprechung sei ein tatsächliches Verhalten am Markt nicht erforderlich. Erforderlich sei nur die Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern als wesentliches Merkmal für ihren Verzicht auf die notwendige Selbständigkeit. Die amerikanische Rechtsprechung zum Sherman Act gehe in die gleiche Richtung.
206 Somit sei es für einen Verstoß gegen Artikel 85 nicht erforderlich, daß die Unternehmen in der Praxis auch durchgeführt hätten, worüber sie sich abgestimmt hätten. Der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 sei in vollem Umfang erfuellt, wenn die Absicht, den mit Risiken verbundenen Wettbewerb durch eine Zusammenarbeit zu ersetzen, in einer Abstimmung zutage trete, auch wenn sich anschließend nicht unbedingt Verhaltensweisen am Markt feststellen ließen.
207 Folglich könnten die Vereinbarung und die abgestimmte Verhaltensweise sowohl durch direkte Beweise als auch durch Indizienbeweise bewiesen werden. Im vorliegenden Fall brauche die Kommission nicht auf Indizienbeweise wie das Parallelverhalten auf dem Markt zurückzugreifen, da sie insbesondere mit den Sitzungsberichten über unmittelbare Beweise für die Absprache verfüge.
208 Die Kommission stellt abschließend fest, daß sie berechtigt gewesen sei, den Verstoß in erster Linie als Vereinbarung und hilfsweise, soweit notwendig, als abgestimmte Verhaltensweise zu bezeichnen.
c) Würdigung durch das Gericht
209 Es ist festzustellen, daß die Kommission entgegen den Behauptungen der Klägerin jeden der Klägerin zur Last gelegten tatsächlichen Einzelakt entweder unter den Begriff der Vereinbarung oder den der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag subsumiert hat. Wie sich nämlich aus Randnummer 80 Absatz 2 in Verbindung mit den Randnummern 81 Absatz 3 und 82 Absatz 1 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission jeden dieser verschiedenen Einzelakte in erster Linie als "Vereinbarung" gewertet.
210 Ebenso ergibt sich aus Randnummer 86 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Randnummer 87 Absätze 3 und 4 und Randnummer 88 der Entscheidung, daß die Kommission die Einzelakte der Zuwiderhandlung hilfsweise unter den Begriff der "abgestimmten Verhaltensweise" subsumiert hat, wenn sie entweder nicht den Schluß zuließen, daß sich die Partner vorher über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hatten, sondern nur, daß sie Absprachen getroffen oder sich an Absprachen beteiligt hatten, die die Koordinierung ihrer Geschäftspolitik erleichterten, oder wenn sie wegen des komplexen Charakters des Kartells nicht die Feststellung erlaubten, daß einige Hersteller einem von den anderen Herstellern vereinbarten Verhalten uneingeschränkt zugestimmt hatten, sondern nur, daß diese die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. Daraus wird in der Entscheidung der Schluß gezogen, daß die fortgesetzte Zusammenarbeit und Kollusion der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung in mancher Hinsicht Zuege einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise trügen.
211 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (siehe Urteile vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 86). Das Gericht stellt deshalb fest, daß die Kommission die Willensübereinstimmungen zwischen der Klägerin und anderen Polypropylenherstellern, für die sie den Beweis erbracht hat und die auf Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe für die Zeit von März 1982 bis Ende 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum sowie auf Verkaufsmengenziele für das erste Halbjahr 1983 gerichtet waren, zu Recht als Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen hat.
212 Da der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Wirkungen der Preisinitiativen bis November 1983 angehalten haben, ist sie auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung mindestens bis November 1983 angedauert hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist Artikel 85 nämlich auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen (Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83, a. a. O., Randnr. 17).
213 Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise ist anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu bestimmen. Hiernach sind die von ihr zuvor aufgestellten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174).
214 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin an Sitzungen teilgenommen, deren Zweck es war, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen; in diesen Sitzungen tauschten die Wettbewerber Informationen über die Preise aus, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigten, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen, über ihre Verkaufszahlen oder über die Identität ihrer Kunden. Durch ihre Teilnahme an diesen Sitzungen hat sich die Klägerin mit ihren Wettbewerbern an einer Abstimmung beteiligt, deren Zweck es war, deren Marktverhalten zu beeinflussen und offenzulegen, welches Marktverhalten die einzelnen Hersteller selbst in Erwägung zogen.
215 Damit hat die Klägerin nicht nur das Ziel verfolgt, im voraus die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber zu beseitigen, sondern sie musste bei der Festlegung der Politik, die sie auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen. Auch ihre Wettbewerber mussten bei der Festlegung der Politik, die sie verfolgen wollten, zwangsläufig unmittelbar oder mittelbar die Informationen berücksichtigen, die ihnen die Klägerin über das Marktverhalten gegeben hatte, das sie selbst für sich beschlossen hatte oder in Erwägung zog.
216 Folglich hat die Kommission die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, an denen die Klägerin zwischen März 1982 und September 1983 teilgenommen hat, wegen ihres Zwecks zu Recht hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen.
217 Zu der Frage, ob die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß eine einzige, in Artikel 1 der Entscheidung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" bezeichnete Zuwiderhandlung vorliegt, weist das Gericht darauf hin, daß die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen und Vereinbarungen, die von den Beteiligten eingehalten und abgeschlossen wurden, wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmässiger Sitzungen zur Festsetzung von Preis- und Quotenzielen waren.
218 Diese Systeme waren wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt zu verfälschen. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und aus ihm mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu konstruieren. Tatsächlich hat sich die Klägerin - jahrelang - an einem Komplex integrierter Systeme beteiligt, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen. Diese einheitliche Zuwiderhandlung hat sich nach und nach sowohl durch rechtswidrige Vereinbarungen als auch durch rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweisen entwickelt.
219 Die Kommission hat diese einheitliche Zuwiderhandlung auch zu Recht als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert, da diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufwies, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Angesichts einer komplexen Zuwiderhandlung ist die von der Kommission in Artikel 1 der Entscheidung vorgenommene doppelte Subsumtion nicht so zu verstehen, daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt. Sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarungen und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Subsumtion vorschreibt.
220 Die von der Klägerin erhobene Rüge ist daher zurückzuweisen.
B - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten
a) Angefochtene Handlung
221 In Randnummer 93 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, daß die Vereinbarung zwischen den Herstellern geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.
222 Im vorliegenden Fall habe die Vereinbarung, die sich tatsächlich auf den gesamten Handel der Gemeinschaft (und anderer westeuropäischer Länder) mit einem wichtigen Industrieprodukt erstreckt habe, angesichts ihrer allumfassenden Natur zwangsläufig dazu führen müssen, daß sich die Handelsströme anders entwickelt hätten als ohne die Vereinbarung (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 3). Die vereinbarte Festsetzung von Preisen auf einem künstlichen Niveau statt Preisbildung am Markt habe die Wettbewerbsstruktur in der gesamten Gemeinschaft beeinträchtigt. Die Unternehmen hätten sich so der unmittelbaren Notwendigkeit entzogen, auf die Marktkräfte zu reagieren und sich mit dem Problem der Überkapazität, auf das sie sich beriefen, auseinanderzusetzen (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 4).
223 In Randnummer 94 der Entscheidung heisst es, daß durch die Festsetzung von Zielpreisen für jeden Mitgliedstaat mit Sicherheit sowohl die Handelsbedingungen als auch die Wirkungen der zwischen den Herstellern bestehenden Leistungsunterschiede auf die Preise verzerrt worden seien, auch wenn dabei den herrschenden lokalen Bedingungen, die im einzelnen in nationalen Sitzungen erörtert worden seien, habe Rechnung getragen werden müssen. Das System der Kundenführerschaft, bei der die Kunden bestimmten Herstellern zugewiesen worden seien, habe die negative Wirkung der Preisvereinbarungen noch erhöht. Obwohl die Hersteller Quoten und Mengenziele nicht nach Mitgliedstaaten oder Regionen festgelegt hätten, seien Quoten beziehungsweise Mengenziele als solche darauf angelegt, die Handlungsspielräume eines Herstellers einzuschränken.
b) Vorbringen der Parteien
224 Die Klägerin legt dar, daß ihre Beteiligung an einem Kartell mit einer spürbaren Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht bewiesen sei und durch das spektakuläre Vordringen der Klägerin auf dem Markt von fünf Mitgliedstaaten innerhalb von fünf Jahren widerlegt werde.
225 Die Kommission entgegnet, selbst wenn ein spektakuläres Vordringen der Klägerin auf dem Markt verschiedener Mitgliedstaaten als bewiesen unterstellt werde, sei doch der Schluß zulässig, daß der zwischenstaatliche Handel und die Struktur des Wettbewerbs in dem Masse beeinträchtigt worden seien, wie das Kartell die Handelsströme, die sich ohne sein Bestehen gebildet hätten, zwangsläufig umgelenkt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 172).
c) Würdigung durch das Gericht
226 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission entgegen der Darstellung der Klägerin nicht verpflichtet war, darzutun, daß sich die Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgewirkt hat. Nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag müssen nämlich die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen lediglich geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Insoweit ist festzustellen, daß die beobachteten Wettbewerbsbeschränkungen geeignet waren, die Handelsströme aus der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 172).
227 Folglich ist der Kommission in den Randnummern 93 und 94 der Entscheidung rechtlich der Beweis gelungen, daß die Zuwiderhandlung, an der die Klägerin beteiligt war, geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, ohne daß sie darzutun brauchte, daß der individuelle Tatbeitrag der Klägerin diesen Handel beeinträchtigt hat.
228 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
C - Kollektive Verantwortlichkeit
a) Angefochtene Handlung
229 In Randnummer 83 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, die Tatsache, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten, ändere nichts an der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans hätten sich über mehrere Monate erstreckt, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache. In jedem Fall sei es allgemein üblich gewesen, daß die Abwesenden über die in den Sitzungen gefassten Beschlüsse unterrichtet worden seien. Alle Unternehmen, an die diese Entscheidung gerichtet sei, hätten sich an der Ausarbeitung von Gesamtplänen und an den ausführlichen Erörterungen beteiligt, und der Umfang ihrer Verantwortung werde nicht dadurch geschmälert, daß sie bei einer einzelnen Tagung nicht (oder - im Falle von Shell - nicht bei allen Vollsitzungen) anwesend gewesen seien.
230 Das Wesentliche des vorliegenden Falls sei das lange Zeit andauernde Zusammenwirken der Hersteller in Richtung auf ein gemeinsames Ziel, und jeder Teilnehmer sei verantwortlich, nicht nur für seine eigene unmittelbare Rolle, sondern auch für das Funktionieren der Vereinbarung insgesamt. Der Umfang der Beteiligung jedes Herstellers sei dadurch nicht auf den Zeitraum begrenzt, für den zufällig Preisinstruktionen von ihm vorgelegen hätten, sondern erstrecke sich auf die gesamte Zeit, während deren er an dem gemeinsamen Unterfangen beteiligt gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 2).
231 Diese Erwägung gelte auch für Anic und für Rhône-Poulenc, die den Polypropylensektor verlassen hätten, bevor die Kommission ihre Untersuchungen aufgenommen habe. Bei diesen beiden Unternehmen hätten überhaupt keine Preisinstruktionen an die Verkaufsabteilungen gefunden werden können. Ihre Teilnahme an Sitzungen und ihre Beteiligung am Mengenziel und an den Quotenregelungen lasse sich jedoch aus den schriftlichen Unterlagen nachweisen. Die Vereinbarung müsse als Ganzes gesehen werden, und ihre Beteiligung sei nachgewiesen, auch wenn keine Preisinstruktionen von ihnen gefunden worden seien (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 3).
b) Vorbringen der Parteien
232 Die Klägerin rügt, die Kommission habe ihr die Verteidigung ihrer Rechte unmöglich gemacht, indem sie ihr mit dem Hinweis "Jeder Teilnehmer ist verantwortlich nicht nur für seine eigene unmittelbare Rolle, sondern auch für das Funktionieren der Vereinbarung insgesamt" (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 2) eine kollektive Verantwortlichkeit angelastet habe, während sie doch zu dem Nachweis verpflichtet gewesen sei, daß im Fall der Klägerin alle Tatbestandsmerkmale eines Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag erfuellt gewesen seien. In Wahrheit habe die Kommission ihr eine Global- und Kollektivverantwortung wegen des Verhaltens anderer Hersteller aufgebürdet.
233 Die Kommission hält den Nachweis für erbracht, daß die Klägerin alle Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung erfuellt habe und sie mithin nicht für das Verhalten anderer Hersteller verantwortlich gemacht worden sei.
c) Würdigung durch das Gericht
234 Die Würdigung der von der Kommission getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der von ihr vorgenommenen Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag durch das Gericht hat ergeben, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin sämtliche Tatbestandsmerkmale der ihr in der Entscheidung zur Last gelegten Zuwiderhandlung erfuellt hat, und daß die Kommission die Klägerin somit nicht für das Verhalten anderer Hersteller verantwortlich gemacht hat.
235 Randnummer 83 Absätze 2 und 3 der Entscheidung steht dieser Feststellung nicht entgegen, da dort in erster Linie die Feststellung der Zuwiderhandlung gegenüber Unternehmen gerechtfertigt werden soll, für die die Kommission keine Preisinstruktionen für die gesamte Dauer ihrer Beteiligung am System der regelmässigen Sitzungen gefunden hat.
236 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.
3. Ergebnis
237 Aus alldem ergibt sich, daß Artikel 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit dort festgestellt wird, daß sich die Klägerin von Anfang 1980 bis März 1982 an der Zuwiderhandlung beteiligt hat, da der Beweis für die von der Kommission zu Lasten der Klägerin getroffenen tatsächlichen Feststellungen für diese Zeit nicht erbracht ist. Im übrigen sind die Rügen der Klägerin gegen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und gegen die dort vorgenommene Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuweisen.
Zur Begründung
1. Unzureichende Begründung
238 Die Klägerin bringt vor, die Entscheidung sei wegen der Allgemeinheit ihrer Feststellungen unzureichend begründet, weil sie auf die von Petrofina vorgetragenen besonderen Argumente, insbesondere das Fehlen eigener Preisinstruktionen, das Fehlen einer Beteiligung an einer Quotenabsprache und ihre blosse Beobachterrolle in den Sitzungen nicht eingegangen sei.
239 Die Kommission ist der Auffassung, daß zur Widerlegung dieser Rüge die Entscheidungsbegründung in materiellrechtlicher Hinsicht zu untersuchen sei, was sie bei ihren Ausführungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung bereits getan habe.
240 Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der dort vorgenommenen Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ergibt, daß die Kommission die Argumente der Klägerin bezueglich des angeblichen Fehlens eigener Preisinstruktionen sowie einer Beteiligung an einer Quotenabsprache und bezueglich ihrer blossen Beobachterrolle in den Sitzungen durchaus berücksichtigt hat. Es ist festzustellen, daß die Kommission diese Argumente insbesondere in den Randnummern 83 Absatz 2 letzter Satz, 52 ff. und 84 Absatz 1 der Entscheidung zu Recht verworfen hat. Diese Rüge muß daher zurückgewiesen werden.
2. Widersprüchliche Begründung
241 Die Klägerin macht geltend, die Begründung der Entscheidung sei an zwei Stellen widersprüchlich. Erstens habe die Kommission, die zumindest stillschweigend anerkannt habe, daß sie entweder eine förmliche Zustimmung zu einem wettbewerbsbeschränkenden Plan oder aber ein Marktverhalten zur Durchführung dieses Plans nachweisen müsse, weder die eine noch die andere Alternative bewiesen und widerspreche sich, wenn sie behaupte: "Den Beispielen einer angeblich vorpreschenden bzw. undisziplinierten Preispolitik, die von Zeit zu Zeit ein einzelner Hersteller betrieb, um seine Marktposition auf Kosten der anderen (vor die der Zuwiderhandelnde zitiert werden konnte, um Erklärungen abzugeben) zu festigen, steht ein erdrückendes Beweismaterial dafür gegenüber, daß es einen konzertierten Plan zur Marktregulierung gab" (Entscheidung, Randnr. 85 Absatz 2). Dieser Widerspruch in der Begründung sei für Petrofina von besonderer Bedeutung, weil sie wegen ihres aggressiven Marktverhaltens von den anderen Unternehmen als Störenfried betrachtet worden sei. Die Kommission habe sich zweitens widersprochen, indem sie zunächst eingeräumt habe, daß Petrofina keine Preisinstruktionen gegeben habe (Entscheidung, Randnr. 45 Absatz 2), dann aber behauptet habe, daß alle Hersteller ihren Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen erteilt hätten und gerade diese Preisinstruktionen den Beweis für die Durchführung der Preisinitiativen erbrächten (Entscheidung, Randnr. 90).
242 Die Kommission ist der Auffassung, daß zur Widerlegung dieses Arguments die Entscheidungsbegründung in materiellrechtlicher Hinsicht zu untersuchen sei, was sie bei ihren Ausführungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung bereits getan habe.
243 Das Gericht stellt fest, daß das Argument der Klägerin auf einem Verständnis der Entscheidung beruht, das in künstlicher Weise einzelne ihrer Gründe herausgreift, obwohl jeder einzelne Grund der Entscheidung, da sie ein Ganzes bildet, im Lichte der anderen Gründe betrachtet werden muß, um die scheinbaren Widersprüche in der Entscheidung aufzulösen.
244 Aus der Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung durch das Gericht ergibt sich, daß die Begründung der Entscheidung nicht widersprüchlich ist und die Rüge folglich zurückgewiesen werden muß.
3. Unzutreffende Begründung
245 Nach Auffassung der Klägerin enthält die Entscheidung eine unzutreffende Begründung, weil die Kommission erklärt habe, daß "Quoten bzw. Mengenziele als solche darauf angelegt (sind), die Handlungsspielräume eines Herstellers einzuschränken" (Entscheidung, Randnr. 94), obwohl Petrofina dargelegt habe, daß sie den Markt im Bezugszeitraum durch ihr entschiedenes Wettbewerbsverhalten in spektakulärer Weise durchdrungen habe.
246 Die Kommission ist der Meinung, daß sie diese Rüge bereits mit ihren Ausführungen zur Feststellung der Zuwiderhandlung widerlegt habe.
247 Das Gericht hat bereits entschieden, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Somit handelt es sich hier nicht um eine unzutreffende Begründung. Diese Rüge ist folglich nicht begründet.
Zur Geldbusse
248 Die Klägerin rügt, daß die Entscheidung Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verletze, weil die Dauer und die Schwere der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung nicht zutreffend gewürdigt worden seien.
1. Die Dauer der Zuwiderhandlung
249 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei der Festsetzung der Geldbusse die Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht zutreffend berücksichtigt; diese sei viel kürzer gewesen, da sie insbesondere bei Beginn der Ermittlungen der Kommission und nicht im November 1983 geendet habe.
250 Die Kommission führt aus, sie habe die Dauer der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Geldbusse zutreffend berücksichtigt.
251 Das Gericht stellt fest, daß seine Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung durch die Kommission ergeben hat, daß die zu Lasten der Klägerin festgestellte Zuwiderhandlung von kürzerer Dauer als in der Entscheidung festgestellt war, da sie im März 1982 und nicht Anfang 1980 begonnen hat. Diese Würdigung hat jedoch auch ergeben, daß die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, daß die Zuwiderhandlung bis zum November 1983 angedauert hat.
252 Folglich ist die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse aus diesem Grund herabzusetzen.
2. Die Schwere der Zuwiderhandlung
A - Die begrenzte Rolle der Klägerin
253 Die Klägerin macht geltend, die Zuwiderhandlung sei nicht so schwer gewesen, wie die Kommission behaupte, weil ihre Rolle in den Sitzungen nur die eines passiven Beobachters gewesen sei, der sich über die Marktbedingungen habe informieren wollen. Sie habe nie die Absicht gehabt, sich wettbewerbswidrig zu verhalten oder Maßnahmen zur praktischen Durchführung zu ergreifen, was dazu geführt habe, daß andere Hersteller ihr Verhalten als Auflehnung qualifiziert hätten.
254 Nach Ansicht der Kommission war das Kartell kalkuliert und vorsätzlich gebildet worden, sei ein besonders schwerer Fall gewesen (horizontale Preisfestsetzung und horizontale Marktaufteilung) und habe praktisch alle Polypropylenhersteller der Gemeinschaft umfasst und damit über eine beträchtliche Machtstellung verfügt. Die Passivität der Teilnahme von Petrofina, selbst wenn man sie als gegeben unterstelle, könne nicht dazu führen, von einer Geldbusse abzusehen. Der Gerichtshof habe nämlich erklärt, daß jede tatsächliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung - auch ein passives Verhalten, das eine Zuwiderhandlung erleichtere - für die Verhängung einer Geldbusse ausreiche (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, BMW Belgien/Kommission, Slg. 1979, 2345, Randnr. 49 ff., und vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller International Schallplatten/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 18).
255 Das Gericht stellt fest, daß seine Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung ergeben hat, daß die Kommission die Rolle, die die Klägerin bei der Zuwiderhandlung seit März 1982 gespielt hat, zutreffend festgestellt hat und daher in der Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, daß die passive Rolle der Klägerin nicht erwiesen sei.
256 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
B - Keine Individualisierung der Kriterien für die Festsetzung der Geldbusse
257 Die Klägerin legt dar, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 45/69, Böhringer Mannheim/Kommission, Slg. 1970, 769, Randnr. 55 ff., vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 50 ff., und vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 100) die Kommission die genauen Kriterien angeben müsse, die sie bei der Festsetzung der gegen jedes Unternehmen verhängten Geldbusse zugrundegelegt habe. Die Kommission müsse sowohl die Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung als auch die bei der Festsetzung der Geldbusse herangezogenen Kriterien im einzelnen anführen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission insoweit keine Angaben gemacht, vielmehr eingeräumt, daß die individuelle Bemessung der Geldbusse auf einer Gesamtheit sehr oft nicht quantifizierbarer Faktoren beruhe und sie deshalb keinen genauen Parameter für die Berechnung des einen oder anderen Faktors angeben könne. Da sie die Höhe der Geldbussen nicht mit auf dem Markt festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen habe verknüpfen können, habe sie keine andere Möglichkeit gehabt, als sich auf die Schwere der Zuwiderhandlung zu berufen, ohne sie genauer zu qualifizieren, um dann ohne ein anderes objektives Vergleichskriterium die schwersten von ihr jemals verhängten Geldbussen festzusetzen. Diese Vorgehensweise sei unvereinbar mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und grenze an Willkür, weil man das Verhältnis, das zwischen dem Grad der individuellen Teilnahme an der Zuwiderhandlung und der Auferlegung einer Geldbusse in entsprechender und gerechter Höhe notwendigerweise bestehen müsse, nicht überprüfen könne. Eine solche Individualisierung der Kriterien sei umso zwingender gewesen, als die Kommission selbst betone, daß die hohen Geldbussen vorliegend durch die besondere Schwere der Zuwiderhandlung gerechtfertigt seien.
258 Die Klägerin macht insbesondere geltend, die Kommission hätte vorliegend ihre sehr schweren Verluste, das Fehlen eigener Preisinstruktionen und die Unterschiede zwischen ihren Verkaufs- und den angeblichen "Zielpreisen", ihre aussergewöhnliche Marktdurchdringung, den Umfang der vorgenommenen Investitionen und schließlich ihre geringe Grösse auf dem Polypropylenmarkt berücksichtigen müssen.
259 Die Kommission weist darauf hin, daß sie im vorliegenden Fall bei der Festsetzung der Geldbussen in Übereinstimmung mit ihrer ständigen Praxis und mit den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen für die Bußgeldfestsetzung gehandelt habe. Seit 1979 sei es ihre Praxis, die Beachtung des Wettbewerbsrechts durch die Festsetzung höherer Geldbussen zu erreichen - insbesondere bei solchen Zuwiderhandlungen, die offenkundig gegen das Wettbewerbsrecht verstießen, und bei besonders schwerwiegenden Verstössen wie im vorliegenden Fall -, um namentlich die abschreckende Wirkung der Geldbussen zu erhöhen. Der Gerichtshof habe dieser Praxis zugestimmt (Urteile vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, a. a. O., Randnrn. 106 und 109) und auch wiederholt anerkannt, daß die Festsetzung von Geldbussen die Würdigung eines komplexen Sachverhalts voraussetze (Urteile vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, a. a. O., Randnr. 120, und vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, a. a. O., Randnr. 52).
260 Die Kommission sei besonders qualifiziert, eine solche Würdigung vorzunehmen, von der nur abgewichen werden könne, wenn in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Irrtum von wesentlicher Bedeutung vorliege. Der Gerichtshof habe ebenfalls bestätigt, daß die Kommission die von ihr für notwendig gehaltenen Sanktionen von Fall zu Fall unterschiedlich bemessen könne, selbst wenn die betreffenden Fälle ähnliche Gegebenheiten aufwiesen (Urteile vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, a. a. O., Randnr. 53, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., Randnrn. 111 ff.).
261 Zum vorliegenden Fall führt die Kommission noch aus, sie habe die Höhe der Geldbussen unter Berücksichtigung allgemeiner, in Randnummer 108 der Entscheidung beschriebener und spezifischer, in Randnummer 109 der Entscheidung beschriebener Erwägungen bestimmt. Erstere hätten bei der Festsetzung eines Gesamtbetrags der Geldbusse eine Rolle gespielt, letztere hätten der Kommission dazu gedient, diese Geldbusse gerecht und verhältnismässig auf die betroffenen Hersteller aufzuteilen. Die allgemeinen Erwägungen seien ihrem Wesen nach nicht individualisierbar. Im übrigen habe sie den von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkten Rechnung getragen. Auf die Argumente der Klägerin zu den spezifischen Erwägungen habe sie bereits geantwortet. Diese Vorgehensweise sei vom Gerichtshof gebilligt worden (Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 45/69, a. a. O., Randnr. 55).
262 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission bei der Bemessung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse zum einen die Kriterien für die Bestimmung des allgemeinen Niveaus der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 108) und zum anderen die Kriterien für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 109) festgelegt hat.
263 Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen die in Randnummer 108 der Entscheidung aufgeführten Kriterien bei weitem das allgemeine Niveau der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen. Insoweit ist besonders die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und insbesondere seine Buchstaben a, b und c hervorzuheben, die den vorsätzlich und unter grösster Geheimhaltung handelnden Polypropylenherstellern nicht unbekannt war.
264 Das Gericht hält auch die in Randnummer 109 der Entscheidung genannten vier Kriterien für sachgerecht und genügend, um zu einer gerechten Zumessung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen zu gelangen.
265 Bezueglich der Gesichtspunkte, deren Nichtbeachtung durch die Kommission die Klägerin rügt, ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission nicht individuell darzulegen brauchte, wie sie die erheblichen Verluste, die die verschiedenen Hersteller des Polypropylensektors ihren eigenen Angaben zufolge insbesondere wegen des Umfangs der vorgenommenen Investitionen erlitten haben, die angeblichen Unterschiede zwischen den Verkaufspreisen der Klägerin und den festgesetzten Preiszielen sowie ihre aussergewöhnliche Durchdringung des Polypropylenmarktes berücksichtigt hat, da es sich dabei um Gesichtspunkte handelt, die bei der Festlegung des vom Gericht für gerechtfertigt befundenen allgemeinen Niveaus der Geldbussen herangezogen wurden.
266 Bezueglich des angeblichen Fehlens von Preisinstruktionen der Klägerin ergibt sich aus der Würdigung des Gerichts bezueglich der tatsächlichen Feststellungen der Kommission im Rahmen der Feststellung der Zuwiderhandlung, daß diese Behauptung nicht bewiesen ist und die Kommission daher diesen Gesichtspunkt bei der Bemessung der Geldbusse nicht zu berücksichtigen brauchte.
267 Bezueglich der angeblichen Nichtberücksichtigung der geringen Grösse von Petrofina auf dem Polypropylenmarkt ist darauf hinzuweisen, daß der Argumentation der Klägerin, die zeigen soll, daß sie den Markt nicht beeinflussen konnte, nicht gefolgt werden kann. Die entscheidende Frage ist nämlich nicht, ob die Beteiligung der Klägerin geeignet war, den Markt zu beeinflussen, sondern ob die Zuwiderhandlung, an der sie beteiligt war, den Markt beeinflussen konnte. Insoweit hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts mit Recht bei den für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen maßgeblichen Kriterien den Umstand berücksichtigt, daß die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen nahezu den gesamten Markt darstellen, was hinlänglich belegt, daß die gemeinsam begangene Zuwiderhandlung den Markt beeinflusst haben muß. Soweit die Argumentation der Klägerin im übrigen zeigen soll, daß die Kommission ihre verhältnismässig unbedeutende Rolle auf dem Polypropylenmarkt nicht berücksichtigt habe, muß dies ebenfalls zurückgewiesen werden, weil die Kommission in Randnummer 109 der Entscheidung erklärt hat, sie habe als Zumessungskriterium für die gegen die einzelnen Unternehmen zu verhängenden Geldbussen deren jeweiligen Polypropylenabsatz in der Gemeinschaft berücksichtigt; die Klägerin hat keine Einwände dagegen erhoben, wie dieses Kriterium in ihrem Fall angewandt worden ist.
268 Zu den ersten beiden in Randnummer 109 der Entscheidung genannten Kriterien, der Rolle jedes Unternehmens bei den geheimen Absprachen sowie der Dauer seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung, ist festzustellen, daß die Gründe für die Bemessung der Geldbusse im Lichte der Entscheidungsbegründung insgesamt zu sehen sind und daß die Kommission somit die Berücksichtigung dieser Kriterien in bezug auf die Klägerin hinreichend individualisiert hat.
269 Zu den letzten beiden Kriterien, dem jeweiligen Polypropylenabsatz der einzelnen Hersteller in der Gemeinschaft sowie ihrem jeweiligen Gesamtumsatz, ist auf der Grundlage der Zahlen, die das Gericht von der Kommission angefordert hat und deren Richtigkeit von der Klägerin nicht bestritten worden ist, festzustellen, daß diese Kriterien bei der Bestimmung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse im Verhältnis zu den gegen andere Hersteller verhängten Geldbussen nicht unbillig angewandt worden sind.
270 Die von der Klägerin erhobene Rüge ist daher zurückzuweisen.
C - Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung
271 Nach Auffassung der Klägerin besagt ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß die Schwere eines Verstosses stets von seinen Wirkungen abhängt. Dieser Grundsatz finde seine Bestätigung in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Geldbussen bei Kartellabsprachen ( Urteile vom 15. Juli 1970 in den Rechtssachen 41/69, a. a. O., Randnrn. 175 ff., und 45/69, a. a. O., Randnrn. 52 ff.; vom 16. Dezember 1975 in der Rechtssache Suiker Unie/Kommission., a. a. O.; vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, a. a. O.; vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461; vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, a. a. O.; vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, a. a. O.; vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, a. a. O., Randnrn. 42 ff.; vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O.; vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, a. a. O., Randnrn. 89 ff.). Vorliegend habe die Kommission die Auswirkung des Kartells auf den Markt nicht bewiesen und insoweit sogar Zweifel geäussert. Die von Petrofina vorgelegten ökonometrischen Untersuchungen, die zeigten, daß das Kartell sich nicht auf den Markt ausgewirkt habe, seien von der Kommission nicht widerlegt worden.
272 Die Kommission verweist darauf, daß sie bei der Festlegung der Geldbusse schon berücksichtigt habe, daß das Kartell sein Ziel nicht voll erreicht habe, obwohl sie dazu wegen der Wettbewerbswidrigkeit des Kartells nicht verpflichtet gewesen sei.
273 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zwei Arten von Wirkungen der Zuwiderhandlung unterschieden hat. Die erste habe darin bestanden, daß sämtliche Hersteller, nachdem sie in den Sitzungen Zielpreise vereinbart hätten, ihre Verkaufsabteilungen angewiesen hätten, dieses Preisniveau durchzusetzen; die Ziele hätten so als Unterlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden gedient. Daraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß im vorliegenden Fall das Beweismaterial zeige, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 2 und Randnr. 90). Die zweite Art von Wirkungen der Zuwiderhandlung habe darin bestanden, daß die Entwicklung der Preise gegenüber Einzelkunden im Vergleich zu den im Laufe besonderer Preisinitiativen aufgestellten Zielpreisen mit der Darstellung übereinstimme, die hiervon in den bei ICI und anderen Herstellern über die Durchsetzung der Preisinitiativen gefundenen Schriftstücken gegeben werde (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 6).
274 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Kommission rechtlich der Beweis für den Eintritt der Wirkungen der ersten Art aufgrund der zahlreichen von den einzelnen Herstellern erteilten Preisinstruktionen gelungen ist, die miteinander und mit den in den Sitzungen festgelegten Preiszielen übereinstimmen, die ihrerseits offenkundig dazu bestimmt waren, als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden zu dienen.
275 Der Umstand, daß die Kommission nur eine Preisinstruktion der Klägerin gefunden hat, die das Ergebnis einer Sitzung, an der diese teilgenommen hatte, unmittelbar widerspiegelte, kann diese Feststellung nicht entkräften, denn die von der Kommission für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen berücksichtigten Auswirkungen sind nicht die, die sich aus dem tatsächlichen Verhalten, das ein Unternehmen an den Tag gelegt haben will, ergeben, sondern diejenigen, die sich aus der Zuwiderhandlung insgesamt ergeben, an der das Unternehmen mit anderen beteiligt war.
276 Zu den Wirkungen der zweiten Art ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Kommission keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen (siehe insbesondere die Berichte über die Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982, gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33) zu zweifeln, aus denen hervorgeht, daß die in den Sitzungen festgelegten Preisziele auf dem Markt weitgehend umgesetzt wurden. Wenn zum anderen die Untersuchung von Coopers & Lybrand sowie die von einigen Herstellern in Auftrag gegebenen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen ergeben sollten, daß die von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen unrichtig waren, so wäre diese Feststellung nicht geeignet, zu einer Herabsetzung der Geldbusse zu führen, da die Kommission in Randnummer 108, letzter Gedankenstrich, der Entscheidung darauf hingewiesen hat, daß sie bei der Festsetzung der Geldbussen mildernd berücksichtigt habe, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten und daß keine Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, um die Befolgung der Quoten beziehungsweise anderer Maßnahmen zu erzwingen.
277 Da die Begründung der Entscheidung bezueglich der Festsetzung der Geldbussen im Lichte der übrigen Begründung der Entscheidung zu sehen ist, ergibt sich, daß die Kommission zu Recht die Wirkungen der ersten Art in vollem Umfang berücksichtigt und der begrenzten Natur der Wirkungen der zweiten Art Rechnung getragen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, inwieweit im Hinblick auf eine Milderung der Geldbussen nicht ausreichend berücksichtigt worden sein soll, daß diese Wirkungen der zweiten Art begrenzt waren.
278 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
D - Unzureichende Begründung
279 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe sich bei der Festsetzung der Geldbussen nicht mit ihren Argumenten der wettbewerbsorientierten Einstellung, mit der sie an den Sitzungen teilgenommen und ihre Preise festgesetzt habe, ihrer spektakulären Marktdurchdringung und des Umstandes, daß sie nie die Rolle des "Kundenführers" oder eines "Wettbewerbers" übernommen sowie im Rahmen des ihr Möglichen zur Aufklärung der Angelegenheit beigetragen habe, auseinandergesetzt. Alle diese Gesichtspunkte hätten bei der Festlegung des Niveaus der Geldbusse berücksichtigt werden und die Entscheidung hätte angeben müssen, wie dies geschehen sei.
280 Nach Auffassung der Kommission wiederholt Petrofina damit nur bekannte Argumente oder versteift sich auf Faktoren, die die Kommission bei der Bemessung der verhängten Geldbusse bereits berücksichtigt habe.
281 Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung bezueglich der tatsächlichen Feststellungen der Kommission im Rahmen der Feststellung der Zuwiderhandlung ergibt, daß die einzelnen Argumente, deren Nichtbehandlung durch die Kommission die Klägerin rügt, der tatsächlichen Grundlage entbehren.
282 Zu dem letzten Argument der Klägerin ist festzustellen, daß der Entscheidung insgesamt zu entnehmen ist, daß die Klägerin nicht zu der in Randnummer 109 der Entscheidung genannten, sehr kleinen Zahl von Herstellern gehörte, die bei den Nachprüfungen kooperativ waren; sie wurde mit Recht nicht dazu gerechnet, weil sie nicht in einem über die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts hinausgehenden Masse zur Aufklärung der Angelegenheit beigetragen hat.
283 Folglich ist diese Rüge zurückzuweisen.
E - Widersprüchliche Begründung
284 Die Klägerin sieht einen Widerspruch in der Begründung, nach der zum einen die Rolle, die jedes Unternehmen bei den geheimen Vereinbarungen gespielt habe, die Dauer ihrer Beteiligung am Verstoß, ihr jeweiliger Polypropylenabsatz in der Gemeinschaft sowie ihr jeweiliger Gesamtumsatz erklärtermassen berücksichtigt worden seien (Entscheidung, Randnr. 109 Absatz 1), zum anderen aber abgelehnt werde, bei den kleineren Herstellern einen wesentlichen Unterschied nach dem Grad ihres individuellen Engagements bei der Durchführung der Absprachen zu machen.
285 Das Gericht stellt fest, daß zu unterscheiden ist zwischen der Rolle jedes Unternehmens bei den geheimen Vereinbarungen und dem Grad seines Engagements bei der Durchführung der Absprachen; bei ersterem geht es um die einzelnen Verstösse, an denen die Unternehmen beteiligt waren, bei letzterem hingegen um die Intensität ihrer Beteiligung an diesen Verstössen.
286 Die beiden Gründe der Entscheidung widersprechen sich folglich nicht, und die Rüge ist somit zurückzuweisen.
F - Der Grundsatz der Gleichbehandlung
287 Nach Meinung der Klägerin verstösst die Entscheidung gegen die Grundsätze der Billigkeit und der Nichtdiskriminierung, weil sie Amoco und BP anders als die Klägerin behandele. Die - im übrigen nur passive - Teilnahme von Petrofina an den Sitzungen - im Gegensatz zu diesen beiden Unternehmen - könne allein kein Grund für diese unterschiedliche Behandlung sein. Ferner könne die Kommission der Klägerin keine wettbewerbsbeschränkenden Absichten unterstellen, während sie auf der Grundlage des gleichen belastenden Beweismaterials im Falle von Amoco und BP keine unerlaubten Absichten festgestellt habe.
288 Die Kommission legt dar, daß die unterschiedliche Behandlung von Amoco und BP im Vergleich zur Klägerin dadurch gerechtfertigt werde, daß die erstgenannten Unternehmen nicht an den Sitzungen teilgenommen hätten und die Kommission daher ihnen gegenüber nicht über ausreichende Indizien verfügt habe, um ihnen wettbewerbsbeschränkende Absichten nachzuweisen.
289 Das Gericht stellt fest, daß eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes voraussetzt, daß vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt worden sind. Im vorliegenden Fall waren die Situation von Petrofina und die von Amoco und BP nicht vergleichbar, denn die Kommission konnte, weil die letztgenannten Unternehmen an keiner regelmässigen Sitzung der Polypropylenhersteller teilgenommen hatten, zu Recht davon ausgehen, daß im Gegensatz zur Klägerin keine ausreichenden Beweise für ihre Beteiligung an einer wettbewerbswidrigen Abstimmung vorlagen. Auf einer solchen Abstimmung beruht aber das der Entscheidung zugrundeliegende Beweissystem. Das Gericht stellt daher fest, daß die aufgezeigte unterschiedliche Situation der beiden Unternehmen und der Klägerin ihre unterschiedliche Behandlung rechtfertigt.
290 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
291 Aus alledem ergibt sich, daß die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse der Schwere des zu Lasten der Klägerin festgestellten Verstosses gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln angemessen ist, daß sie jedoch wegen der kürzeren Dauer dieses Verstosses auf die Hälfte herabzusetzen ist, weil der Verstoß, auch wenn sich seine Dauer um mehr als die Hälfte (um 26 von 47 Monaten) verkürzt hat, für die verbleibenden 21 Monate von grosser Intensität war.
Kostenentscheidung:
Kosten
292 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 kann das Gericht die Kosten jedoch teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage zum Teil stattgegeben worden ist und die Parteien beantragt haben, der jeweils anderen Partei die Kosten aufzuerlegen, hat jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1) Artikel 1 dritter Gedankenstrich der Entscheidung der Kommission vom 23. April 1986 (IV/31.149 - Polypropylen; ABl. L 230, S. 1) wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, daß die Klägerin zwischen 1980 und März 1982 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat.
2) Die in Artikel 3 dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängte Geldbusse wird auf 300 000 ECU bzw. 13 153 050 BFR festgesetzt.
3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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