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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.1992
Aktenzeichen: T-20/91
Rechtsgebiete: Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften, EWG/EAGBeamtStat


Vorschriften:

Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2
EWG/EAGBeamtStat Art. 72
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Sowohl Artikel 72 des Statuts als auch Artikel 3 der Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften gehen von dem Gedanken aus, daß der Ehegatte eines Beamten, der einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgeht, soweit irgend möglich die Erstattung seiner Krankheitskosten im Rahmen der Krankenversicherungsregelung zu verlangen hat, die ihm aufgrund seiner eigenen Erwerbstätigkeit Deckung des Krankheitsrisikos bietet, da die Krankheitsfürsorge des gemeinsamen Systems ihm lediglich ergänzend gewährleistet wird.

Weder Artikel 72 Absatz 1 des Statuts noch Artikel 3 Absatz 1 der genannten Regelung machen die ergänzende Krankheitsfürsorge des Ehegatten, der einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgeht, nach dem gemeinsamen System davon abhängig, daß dieser aufgrund der Erwerbstätigkeit nach Maßgabe anderer Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Rahmen einer obligatorischen Versicherung gegen diese Risiken versichert ist. Artikel 3 Absatz 1 der Regelung ist vielmehr dahin auszulegen, daß er sowohl den Fall erfasst, daß die berufliche Erwerbstätigkeit des Ehegatten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften in seiner Person eine Pflicht zur Krankenversicherung entstehen lässt, als auch den Fall, daß ihm seine Erwerbstätigkeit aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften das Recht zu freiwilliger Versicherung gegen diese Risiken eröffnet.

2. Vertrauensschutz kann jeder Bürger geltend machen, bei dem die Verwaltung begründete Erwartungen geweckt hat.

Ein Beamter kann keinen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen, wenn die Verwaltung ihm keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat. Ebensowenig können Zusagen, die den Bestimmungen des Statuts nicht Rechnung tragen, beim Adressaten ein berechtigtes Vertrauen begründen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 17. DEZEMBER 1992. - HELMUT HOLTBECKER GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - KRANKHEITSFUERSORGE DER GEMEINSCHAFTEN - MITANGESCHLOSSENER EHEGATTE DES VERSICHERTEN. - RECHTSSACHE T-20/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Kläger ist Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Gemeinsamen Forschungsstelle in Ispra (nachstehend: GFS Ispra) zugewiesen, wo er auch wohnhaft ist. Die Ehefrau des Klägers, Ursula Holtbecker, wohnt seit dem 1. Mai 1987 in Zuerich und hat dort eine berufliche Tätigkeit aufgenommen. Sie ist nicht gegen Krankheit versichert.

2 Am 11. Mai 1988 stellte der Leiter der Abteilung "Verwaltung und Personal" der GFS Ispra dem Kläger auf dessen Ersuchen eine Bescheinigung aus, in der bestätigt wurde, daß Frau Ursula Holtbecker dem gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: gemeinsames System) angeschlossen sei.

3 Im Lauf der Jahre 1987 bis 1990 beantragte der Kläger mehrfach die Erstattung von Krankheitskosten seiner Ehefrau in relativ geringfügiger Höhe, die ihm von der Verwaltung auch anstandslos gewährt wurde.

4 Im Jahre 1990 hingegen wies die Abrechnungsstelle der GFS Ispra zwei vom Kläger eingereichte Anträge auf Erstattung bereits verauslagter oder noch zu verauslagender Krankheitskosten von Frau Holtbecker zurück. Bei dem ersten Antrag vom 28. März 1990 handelte es sich um einen Antrag auf vorherige Genehmigung einer am 26. März 1990 verordneten Kur, die vom 28. März bis zum 18. April 1990 in einer Klinik in Leukerbad (Schweiz) durchgeführt werden sollte. Diese Genehmigung wurde am 8. Mai 1990 mit folgender Begründung versagt: "Nicht rechtzeitig beantragt. Es fehlen auch Belege der Hauptkrankenversicherung."

5 Der zweite Antrag vom 26. Mai 1990 betraf die Erstattung von Kosten eines Krankenhausaufenthaltes von Frau Holtbecker vom 8. bis 17. Mai 1990 in einer Klinik in Varese (Italien). Mit einer Note vom 10. Juli 1990 teilte der Leiter der Abrechnungsstelle der GFS Ispra dem Kläger mit, dieser Antrag sei aus folgenden Gründen abgelehnt worden: "Gemäß den Artikeln 3 und 6 der Regelung zu Artikel 72 des Statuts hätte Frau Holtbecker vor Beantragung der Erstattung irgendwelcher Krankheitskosten selbst nach Maßgabe der Ergänzungsregelung einer anderen öffentlichen Krankheitsversicherung angeschlossen sein und ferner zunächst bei ihrer Versicherung die Erstattung der Krankheitskosten oder die von dieser gedeckten Leistungen beantragen müssen."

6 Mit Note, die am 22. August 1990 bei der Verwaltung einging, legte der Kläger gegen die Entscheidung vom 10. Juli 1990 Beschwerde ein. Er wies darauf hin, daß er der Verwaltung stets, seit seine Frau in der Schweiz berufstätig sei, die verlangten Belege vorgelegt habe, daß niemand ihn jemals darauf aufmerksam gemacht habe, daß seine Frau bei einer anderen öffentlichen Krankenversicherung versichert sein müsse, und daß seinen früheren Anträgen auf Erstattung von Krankheitskosten seiner Ehefrau im Lauf der letzten Jahre stets anstandslos entsprochen worden sei, so daß bei ihm keine Zweifel an der Ordnungsmässigkeit der Situation hätten aufkommen können. Die von dem Leiter der Abrechnungsstelle herangezogenen Vorschriften berücksichtigten die Lage in der Schweiz nicht; seine Frau könne sich dort nicht einem öffentlichen Kankenversicherungsträger anschließen, weil es in diesem Land lediglich private Krankenversicherer gebe, die im übrigen lediglich teilweise Deckung gewährten. Er verlange daher die Aufhebung der ihm mit Note vom 10. Juli 1990 mitgeteilten Entscheidung des Leiters der Abrechnungsstelle (nachstehend: Entscheidung vom 10. Juli 1990).

7 Diese Beschwerde wurde von der Verwaltung nicht beantwortet.

Verfahren

8 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 25. März 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung vom 10. Juli 1990, Feststellung der Rechtswidrigkeit des Artikels 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: die Regelung) und auf Verurteilung der Kommission zur Erstattung der streitigen Krankheitskosten, hilfsweise zur Wiedergutmachung des ihm angeblich entstandenen Schadens.

9 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Mit Schreiben seines Kanzlers vom 1. April 1992 hat das Gericht indessen die Beklagte aufgefordert, verschiedene Schriftstücke vorzulegen, insbesondere die Rechtsvorschriften, aufgrund deren Frau Holtbecker die Möglichkeit gehabt haben soll, sich einer Krankenversicherung anzuschließen, sowie eine Frage zu beantworten, die auf Verdeutlichung der in der Entscheidung vom 10. Juli 1990 behandelten Erstattungsanträge abzielte.

10 Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. Mai 1992 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Das Gericht hat die Beklagte um Vorlage von Schriftstücken ersucht, aus denen sich für Frau Holtbecker die Möglichkeit ergibt, einer Krankenkasse im Kanton Zuerich beizutreten.

11 Am 15. und 19. Juni 1992 hat die Beklagte mehrere Schriftstücke vorgelegt, hierunter zwei Schreiben der Krankenkassen Helvetia und Winterthur, in denen diese erklären, daß jede in der Schweiz wohnhafte Person, die das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht habe, Mitglied bei ihnen werden könne.

12 In seinen gemeinsam mit anderen Schriftstücken am 30. Juni 1992 vorgelegten Bemerkungen hat der Kläger bezueglich dieser Schreiben geltend gemacht, die Versicherungsträger Helvetia und Winterthur könnten Krankheitsrisiken von Personen, die nicht zwngsversichert seien, lediglich in Form einer freiwilligen, privaten Krankenversicherung abdecken.

13 Mit Beschluß vom 17. September 1992 hat der Präsident der vierten Kammer die mündliche Verhandlung geschlossen.

14 Der Kläger beantragt,

1) die angefochtene Entscheidung aufzuheben, weil sie in dem besonderen Zusammenhang des vorliegenden Falles der in Artikel 72 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) vorgesehenen Pflicht zur Krankheitsfürsorge widerspreche, und Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Regelung für rechtswidrig zu erklären;

2) die Entscheidung auch wegen ihrer offensichtlichen Ungerechtigkeit aufzuheben, weil sie in ihren Wirkungen den Grundsatz des Vertrauensschutzes missachte;

3) die Kommission zu verurteilen, gemäß Artikel 72 des Statuts die in der angefochtenen Entscheidung bezeichneten Krankheitskosten nebst Verzugszinsen für die Zeit von der Stellung des Erstattungsantrags bis zur Zahlung zu erstatten;

4) hilfsweise, die Kommission bis zur Höhe der in Punkt 3 genannten Erstattungsbeträge zur Wiedergutmachung des Schadens zu verurteilen, den der Kläger durch das fehlerhafte Verhalten der Verwaltung erlitten habe;

5) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15 Die Beklagte beantragt,

1) die Klage als unbegründet abzuweisen;

2) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

16 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, daß er mit seiner Klage die Aufhebung der Entscheidung vom 10. Juli 1990 nur insoweit begehre, als in dieser der Antrag auf Erstattung vom 26. Mai 1990 betreffend die Krankheitskosten seiner Ehefrau in der Klinik "La Quiete" in Varese abgelehnt worden sei.

Zur Begründetheit

Zu den Anträgen auf Aufhebung

17 Der Kläger stützt seine Klage auf drei Klagegründe: erstens auf eine Verletzung des Artikels 72 des Statuts, zweitens auf eine das Diskriminierungsverbot verletzende offensichtliche Ungerechtigkeit und drittens auf eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

18 Es sind zunächst die Vorschriften anzuführen, die den rechtlichen Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bilden.

19 Artikel 72 Absatz 1 des Statuts lautet:

"In Krankheitsfällen wird dem Beamten, seinem Ehegatten ° soweit dieser nicht nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in derselben Höhe erhalten kann °, seinen Kindern und den sonstigen unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Anhang VII Artikel 2 nach einer von den Organen der Gemeinschaft im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des Statutsbeirats beschlossenen Regelung Ersatz der Aufwendungen bis zu 80 v.H. gewährleistet."

20 Artikel 3 Absatz 1 der Regelung in der zur Zeit der streitigen Tatsachen geltenden Fassung bestimmte:

"Durch die angeschlossene Person mitangeschlossen sind:

1. der Ehegatte, sofern dieser der Krankheitsfürsorge nicht selbst angeschlossen ist und

° keine berufliche Erwerbstätigkeit ausübt oder

° wenn er eine berufliche Erwerbstätigkeit ausübt, einer öffentlichen Krankheitsfürsorge angeschlossen ist und sein Einkommen aus dieser Tätigkeit vor Abzug der Steuern nicht mehr als das Jahresgrundgehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe B 4, Dienstaltersstufe 3 beträgt, auf den der Berichtigungsköffizient für das Land angewandt wird, in dem der Ehegatte seine berufliche Tätigkeit ausübt."

21 Artikel 6 Absatz 1 der Regelung lautet:

"1. Hat eine angeschlossene Person oder eine durch sie mitangeschlossene Person Anspruch auf Kostenerstattung durch eine andere gesetzliche Krankenversicherung, so hat die angeschlossene Person

a) dies der Abrechnungsstelle anzugeben;

b) zunächst die Erstattung bei der anderen Krankenversicherung zu beantragen oder beantragen zu lassen;

c) jedem Erstattungsantrag bei der Krankheitsfürsorge der Gemeinschaften eine Aufstellung der Erstattungen mit entsprechenden Belegen beizufügen, die die angeschlossene Person oder die durch sie mitangeschlossene Person von der anderen Krankenversicherung erhalten hat."

Zum ersten Klagegrund der Verletzung des Artikels 72 des Statuts

Vorbringen der Parteien

22 Der Kläger macht geltend, seine Ehefrau sei nach der zwingenden Vorschrift des Artikels 72 des Statuts gegen Krankheit im Rahmen des gemeinsamen Systems versichert, weil sie nicht "nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in derselben Höhe erhalten" könne. Dieser Begriff beziehe sich auf die öffentlichen Krankenversicherungssysteme mit Anschlußzwang nach Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, wie sie in den meisten Ländern der Gemeinschaft bestuenden. Das Kriterium des Bestehens von Verwaltungsvorschriften allein sei nicht entscheidend, weil alle Versicherungssysteme ° gleichgültig, ob öffentlich oder privat ° den nationalen Rechten nicht nur ihre Regeln, sondern auch ein öffentliches Kontroll- und Garantiesystem zugunsten des Versicherten entnähmen. Diese Auslegung werde auch durch die "Vorschriften zur Auslegung der Regelung" (vgl. Verwaltungsnachrichten, Sondernummer "Interorgane", vom 31.12.1990) bekräftigt, die zu Artikel 3 Absatz 1 unter Buchstabe d) bestimmten: "Die Abrechnungsstellen sind im Besitz der Liste der öffentlichen Krankenversicherungen in den Ländern der Gemeinschaft. Der entscheidende Gesichtspunkt, der für ein solches System maßgebend ist, ist die Versicherungspflicht."

23 Zum Beweis, daß seine Ehefrau einer Pflichtversicherung in der Schweiz nicht angehöre, legt der Kläger eine Bescheinigung des Leiters des "Amtes für Sozialversicherung der Stadt Zuerich" vom 15. Oktober 1990 vor, aus der hervorgeht, daß Frau Holtbecker nach den Vorschriften der "Verordnung über die obligatorische Krankenversicherung" der Stadt Zuerich einer Versicherungspflicht nicht unterliege und daher nicht gezwungen sei, sich einer Pflichtversicherung anzuschließen. Seine Ehefrau könne nicht einmal auf ihren Antrag einem solchen Versicherungssystem beitreten, da diese Möglichkeit allein den Personen vorbehalten sei, die das 60. bzw. 65. Lebensjahr erreicht hätten und bestimmte Voraussetzungen erfuellten.

24 Ausserdem sei seine Ehefrau als deutsche Staatsangehörige auch in Deutschland keiner öffentlichen Krankenversicherung angeschlossen, weil sie ihre Berufstätigkeit in der Schweiz ausübe.

25 Artikel 72 des Statuts könne ferner nicht dahin ausgelegt werden, daß er dem Ehegatten des Beamten die Pflicht zum Abschluß einer Privatversicherung auferlege. Der Kläger verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 58/88 (Olbrechts/Kommission, Slg. 1989, 2661), in dem dieser entschieden habe, daß der Ehegatte, um in den Genuß der Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System als über einen Beamten mitangeschlossene Person zu kommen, nicht verpflichtet sei, sich unter allen Umständen um soziale Sicherung nach anderen Rechtsvorschriften zu bemühen.

26 Angesichts der Bedeutung des Artikels 72 des Statuts sei Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Regelung insoweit rechtswidrig, als er bei wörtlicher Auslegung den Ehegatten eines Beamten, der entsprechende Leistungen aus einer anderen Pflichtversicherung nicht beanspruchen könne, von der Sicherung durch das gemeinsame System ausschließe. Artikel 3 der Regelung könne nämlich als Durchführungsvorschrift zu Artikel 72 des Statuts von diesem Artikel nicht abweichen.

27 Die Beklagte legt dar, daß Artikel 72 Absatz 1 des Statuts und Artikel 3 Absatz 1 der Regelung den Ehegatten eines Beamten, der keine berufliche Erwerbstätigkeit ausübe, und andererseits unter bestimmten Voraussetzungen auch den Ehegatten, der eine solche berufliche Erwerbstätigkeit ausübe, gegen Krankheitsrisiken in gleichem Umfang wie den Beamten selbst sichern solle. Diese Voraussetzungen bedeuteten, daß die betreffende Erwerbstätigkeit kein höheres Einkommen als einen bestimmten Betrag erbringen dürfe und daß der Ehegatte gegen die gleichen Risiken "nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften" abgesichert sein müsse. Mit diesen Vorschriften seien diejenigen des Staates gemeint, in dem der Betreffende seiner beruflichen Erwerbstätigkeit nachgehe. Der Begriff der "Rechts- und Verwaltungsvorschriften" sei weit dahin auszulegen, daß damit Vorschriften eines öffentlichen Rechtsträgers unter Ausschluß rein vertraglicher Regelungen gemeint seien. Der Betreffende müsse somit die Möglichkeit haben, sich gegen Krankheit in einem Versicherungssystem zu versichern, dessen maßgebliche Rechtsquelle Rechts- und Verwaltungsvorschriften und nicht nur ein privatrechtlicher Vertrag seien. Damit solle vermieden werden, daß ein Ehegatte, der nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Staates einem Krankenversicherungssystem beitreten könne, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache und damit ausschließlich dem gemeinsamen System zur Last falle.

28 Unter Bezugnahme auf das Urteil in der Rechtssache Olbrechts/Kommission legt die Beklagte dar, daß der Gerichtshof mit der Feststellung, daß die Absicherung des Ehegatten über die Person des angeschlossenen Beamten nach dem gemeinsamen System nicht davon abhängig sei, daß es diesem absolut unmöglich sei, sich unter Anwendung anderer Vorschriften Leistungen der gleichen Art und in der gleichen Höhe zu sichern, nicht die Verpflichtung des Betreffenden verneint habe, sich gegen Krankheitsrisiken in Anwendung anderer "Rechts- und Verwaltungsvorschriften" zu versichern, sondern lediglich den Umfang dieser Verpflichtung habe verdeutlichen wollen, die nur in angemessenen Grenzen bestehe.

29 Wenn der Kläger den Vorschriften zur Auslegung der Regelung insbesondere entnehmen wolle, daß entscheidendes Merkmal eines öffentlichen Krankenversicherungssystems die Versicherungspflicht sei, so sei zu sagen, daß diese Vorschrift lediglich die Krankenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft betreffe, mithin im vorliegenden Fall nicht maßgeblich sei, weil Frau Holtbecker in der Schweiz berufstätig sei.

30 In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte drauf, daß Frau Holtbecker aufgrund der in Zuerich geltenden Vorschriften ohne Schwierigkeiten einer der zahlreichen von den Schweizer Behörden zugelassenen Krankenversicherungen hätte beitreten können, auch wenn sie nach Maßgabe dieser Bestimmungen nicht dazu verpflichtet gewesen sei. Der Beitritt zu einer dieser Krankenkassen, die nicht nur einfache privatrechtliche Versicherungsgesellschaften, sondern vom Staat kontrollierte und subventionierte und an die Einhaltung genauer gesetzlicher Pflichten gebundene Organisationen seien, habe auf seiten der Ehefrau des Klägers keine besondere Informationsbemühung erforderlich gemacht und einen Fall von normaler Bedeutung dargestellt.

31 Somit verlange sie nicht, daß die Ehefrau des Angeschlossenen einen privatrechtlichen Versicherungsvertrag abschließe, um in den Genuß der ergänzenden Krankheitsfürsorge des gemeinsamen Systems zu gelangen, sondern daß sie sich einer ° fakultativen oder obligatorischen ° Krankenversicherung anschließe, die auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufgebaut sei, d. h. ganz oder teilweise von Vorschriften des öffentlichen Rechts beherrscht werde.

32 Die Beklagte ist daher der Auffassung, daß Frau Holtbecker nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System in Artikel 72 des Statuts sowie in Artikel 3 Absatz 1 der Regelung erfuellt habe, der ihres Erachtens Artikel 72 Absatz 1 des Statuts in der gebotenen Auslegung entspreche.

Würdigung durch das Gericht

33 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 72 des Statuts dem Ehegatten eines Beamten, sofern er nicht nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in derselben Höhe wie der Beamte selbst erhalten kann, unter den in einer zu beschließenden Regelung festgelegten Voraussetzungen im Krankheitsfall Ersatz der Aufwendungen gewährleistet wird.

34 Artikel 3 Absatz 1 der Regelung legt fest, daß der Ehegatte eines Angeschlossenen, der eine berufliche Erwerbstätigkeit ausübt, nur dann mitangeschlossen ist, wenn er gegen die gleichen Risiken aufgrund anderer Rechts- und Verwaltungsvorschriften versichert ist und nicht aus seiner beruflichen Erwerbstätigkeit ein Einkommen bezieht, das einen bestimmten Betrag überschreitet.

35 Sowohl Artikel 72 des Statuts als auch Artikel 3 der Regelung gehen von dem Gedanken aus, daß der Ehegatte eines Beamten, der einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgeht, soweit irgend möglich die Erstattung seiner Krankheitskosten im Rahmen der Krankenversicherungsregelung zu verlangen hat, die ihm aufgrund seiner eigenen Erwerbstätigkeit Deckung des Krankheitsrisikos bietet, da die Krankheitsfürsorge des gemeinsamen Systems ihm lediglich ergänzend gewährleistet wird.

36 Weder Artikel 72 Absatz 1 des Statuts noch Artikel 3 Absatz 1 der Regelung machen die Krankheitsfürsorge des Ehegatten, der einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgeht, nach dem gemeinsamen System davon abhängig, daß dieser aufgrund der Erwerbstätigkeit nach Maßgabe anderer Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Rahmen einer obligatorischen Versicherung gegen diese Risiken versichert ist. Artikel 3 Absatz 1 der Regelung ist vielmehr dahin auszulegen, daß er sowohl den Fall erfasst, daß die berufliche Erwerbstätigkeit des Ehegatten aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften in seiner Person eine Pflicht zur Krankenversicherung entstehen lässt, als auch den Fall, daß ihm seine Erwerbstätigkeit aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften das Recht zu freiwilliger Versicherung gegen diese Risiken eröffnet.

37 Aus diesen Feststellungen folgt, daß Artikel 72 des Statuts und Artikel 3 der Regelung sich nicht nur nicht widersprechen, sondern sich gegenseitig ergänzen, da sie das gleiche Ziel verfolgen.

38 Demzufolge ist zu prüfen, ob die im vorliegenden Fall von Frau Holtbecker in Zuerich ausgeuebte berufliche Erwerbstätigkeit aufgrund der am Ort ihrer Tätigkeit geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften in ihrer Person entweder eine Krankenversicherungspflicht oder aber ein Recht zu freiwilliger Krankenversicherung hat entstehen lassen.

39 Hierzu stellt das Gericht zunächst fest, daß sich aus der vom Kläger vorgelegten, von der Beklagten inhaltlich nicht bestrittenen Bescheinigung des Leiters des Amtes für Sozialversicherung der Stadt Zuerich ergibt, daß Frau Holtbecker aufgrund des Umstands, daß sie in Zuerich einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgeht, keiner obligatorischen Krankenversicherung angehört.

40 Das Gericht stellt ferner aufgrund der von der Beklagten auf Ersuchen des Gerichts vorgelegten Schriftstücke, insbesondere des vom Schweizer Bundesamt für Sozialversicherungen in Bern herausgegebenen Heftes Nr. 2 mit der Überschrift "Krankenversicherung, Rechtsprechung Verwaltungspraxis" vom April 1970 fest, daß Artikel 5 Absatz 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911, der jedem Schweizer Bürger das Recht verleiht, einer Krankenkasse beizutreten, wenn er deren Aufnahmevoraussetzungen erfuellt, nach ständiger Praxis entsprechend auch auf Ausländer angewandt wird.

41 Das Gericht stellt schließlich fest, daß die Krankenkassen Helvetia und Winterthur, die von den Schweizer Behörden anerkannt sind und den Vorschriften des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung unterliegen, in ihren an die Kommission gerichteten und von dieser vorgelegten Schreiben vom 4. bzw. 9. Juni 1992 bestätigt haben, daß jede in der Schweiz wohnhafte oder niedergelassene Person, die das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, sich bei ihnen versichern kann. Aus diesen Bescheinigungen ergibt sich, daß jede Person in vergleichbarer Lage wie Frau Holtbecker die satzungsmässigen Voraussetzungen dieser Kassen für einen Beitritt erfuellt und ihr etwaiger Antrag auf Beitritt nicht zurückgewiesen werden darf.

42 Hieraus ergibt sich, daß Frau Holtbecker aufgrund ihrer beruflichen Erwerbstätigkeit und kraft der am Ort ihrer Tätigkeit geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften das Recht hatte, sich, ohne besondere Umsicht an den Tag zu legen, gegen Krankheit versichern zu lassen.

43 Hieraus ergibt sich, daß dieser Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist.

° Zum zweiten Klagegrund einer das Diskriminierungsverbot verletzenden offensichtlichen Ungerechtigkeit

Vorbringen der Parteien

44 Der Kläger führt aus, die von der Abrechnungsstelle zugrunde gelegte Auslegung des Artikels 3 der Regelung führe zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit. Dem Ehegatten eines Gemeinschaftsbeamten, der einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgehe und sich aufgrund der Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht einem obligatorischen nationalen Versicherungssystem anschließen könne, werde jede Krankheitsfürsorge aufgrund nationaler Rechtsvorschriften oder nach der Gemeinschaftsregelung vorenthalten, während der einem obligatorischen nationalen Versicherungssystem angeschlossene Ehegatte darüber hinaus noch in den Genuß der ergänzenden Krankheitsfürsorge des gemeinsamen Systems für den nach dem nationalen System nicht erstatteten Teil der Ausgaben komme.

45 Diese Auslegung sei ferner diskriminierend, weil sie die Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System von der Geltung eines obligatorischen Krankenversicherungssystems in den nationalen Rechtsordnungen abhängig mache. Auf diese Weise werde seine Ehefrau im Vergleich zu der Ehefrau eines anderen Beamten schwerstens diskriminiert, die, wenn sie zum Beispiel in Italien einer Erwerbstätigkeit nachgehe, von Rechts wegen einem gesetzlichen System in diesem Staat angehöre und der damit zugleich zwei Systeme des sozialen Schutzes zur Verfügung stuenden.

46 Die Beklagte verweist erneut darauf, daß Frau Holtbecker, um in den Genuß der Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System zu kommen, einem der Systeme nach den Schweizer Vorschriften und, wenn sie in Italien einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre, dort ebenfalls dem im italienischen Recht vorgesehenen Krankenversicherungssystem hätte beitreten müssen. In beiden Fällen hätte für Frau Holtbecker keinerlei Beitrittsverpflichtung nach den geltenden Rechtsvorschriften dieser Staaten bestanden, da das italienische wie das Schweizer System für im Inland wohnhafte Ausländer lediglich eine Möglichkeit ° und keine Pflicht ° des Beitritts zu einer Krankenkasse vorsähen, so daß von Diskriminierung keine Rede sein könne. Eine Diskriminierung wäre indessen in dem Fall gegeben, daß ein Ehegatte in der Lage von Frau Holtbecker nicht gezwungen wäre, sich einem nationalen Krankenversicherungssystem anzuschließen. In diesem Fall wäre er nämlich im Verhältnis zu einem in Italien erwerbstätigen Ehegatten italienischer Staatsangehörigkeit wirtschaftlich im Vorteil, weil dieser nämlich gesetzlich verpflichtet sei, der nationalen Krankenversicherung beizutreten und Beiträge zu entrichten.

Würdigung durch das Gericht

47 Das Gericht stellt fest, daß das Vorbringen des Klägers zur Stützung des zweiten Klagegrunds auf der bereits dem ersten Klagegrund zugrunde liegenden Vorstellung beruht, daß der erwerbstätige Ehegatte eines Gemeinschaftsbeamten in den Genuß der Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System nur gelangen kann, wenn am Ort seiner Erwerbstätigkeit eine obligatorische Krankenversicherung besteht. Das Gericht hat indessen bereits bei der Behandlung des ersten Klagegrundes entschieden, daß die Erweiterung der Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System auf den erwerbstätigen Ehegatten nicht notwendig voraussetzt, daß dieser einem obligatorischen System angeschlossen ist, sondern lediglich, daß er aufgrund von Rechts- und Verwaltungsvorschriften das Recht haben muß, sich einem Krankenversicherungssystem anzuschließen. Der Ehegatte eines Beamten, der berechtigt ist, sich einem solchen System anzuschließen, kommt damit zugleich in den Genuß der Krankenversicherung nach den nationalen Rechtsvorschriften und zusätzlich der ergänzenden Krankheitsfürsorge des gemeinsamen Systems. Unter diesen Umständen kann von einer gegen das Diskriminierungsverbot verstossenden offensichtlichen Ungerechtigkeit nicht die Rede sein und muß dieser Klagegrund zurückgewiesen werden.

° Zum dritten Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

Vorbringen der Parteien

48 Der Kläger legt zunächst dar, daß die Verwaltung bis zu der eine Erstattung ablehnenden Entscheidung, die den Gegenstand dieses Rechtsstreits bilde, alle Krankheitskosten seiner Ehefrau erstattet habe, und zwar in voller Kenntnis des Umstands, daß sie einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachgehe, wie den von ihm abgegebenen jährlichen Erklärungen an die Verwaltung zu entnehmen gewesen sei. Diese Haltung der Verwaltung habe ihn in seiner Überzeugung bestärkt, daß seine Ehefrau nach dem gemeinsamen System krankenversichert gewesen sei, zumal alle früheren Erstattungen aufgrund einer Primär- und nicht nur ergänzenden Versicherung erfolgt seien. Unter diesen Umständen habe er davon ausgehen dürfen, daß die mit dem Grenzfall seiner Ehefrau befasste Verwaltung der Statutsvorschrift des Artikels 72 Vorrang habe einräumen wollen, der seines Erachtens bestimme, daß der Ehegatte, der nicht durch ein anderes obligatorisches System abgesichert werden könne, die Krankheitsfürsorge nach dem gemeinsamen System beanspruchen dürfe. Auf jeden Fall hätte die Verwaltung ihn rechtzeitig auf ihren Standpunkt aufmerksam machen müssen, um ihm den Abschluß einer Privatversicherung und die Vermeidung des durch die Erstattungsverweigerung entstehenden Schadens zu ermöglichen.

49 Der Kläger beruft sich ferner auf die entsprechend seinem Ersuchen vom Leiter der Abteilung "Verwaltung und Personal" der GFS Ispra ausgestellte Bescheinigung vom 11. Mai 1988, daß seine Ehefrau dem gemeinsamen System angeschlossen sei. Diese Bescheinigung sei vom Leiter der Verwaltung in voller Kenntnis der Sachlage und ohne jeden Vorbehalt unterzeichnet worden, so daß er versichern könne, er sei von ihrer Richtigkeit überzeugt gewesen.

50 Zu dem Vorbringen bezueglich der Erstattung früherer als der gegenwärtig in Streit befindlichen Krankheitskosten entgegnet die Beklagte, sie sei von der Abrechnungsstelle irrtümlich vorgenommen worden, weil diese angenommen habe, Frau Holtbecker sei Mitglied bei einer nationalen Krankenversicherung. Erst als die Erstattung höherer Beträge beantragt worden sei, habe es die Verwaltung für sinnvoll gehalten, die nach dem Statut erforderlichen Nachweise zu verlangen, und erst bei dieser Gelegenheit sei ihr aufgefallen, daß Frau Holtbecker keinem nationalen Versicherungssystem angehöre.

51 Ihr Verhalten habe in der Person des Klägers angesichts seiner Position kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen lassen. Als Beamter der Besoldungsgruppe A 2 und Leiter einer Verwaltungseinheit von 350 Personen dürfte er ihres Erachtens eine gewisse Kenntnis der einschlägigen Vorschriften gehabt haben.

52 Zu dem weiteren Vorbringen in Zusammenhang mit der Bescheinigung des Leiters der Einheit "Verwaltung und Personal" der GFS Ispra macht die Beklagte geltend, diese Erklärung enthalte keinen Hinweis auf die konkrete Situation von Frau Holtbecker. Unter diesen Umständen sei es Sache des Klägers gewesen, sich umsichtig zu zeigen und von der Krankenkasse eingehendere Informationen und eine aussagekräftigere Erklärung zu verlangen. Im übrigen könne nach der Rechtsprechung des Gerichts (Urteil vom 27. März 1990 in der Rechtssache T-123/89, Chomel/Kommission, Slg. 1990, II-131, Randnrn. 26 bis 30) eine Bestätigung der Verwaltung selbst dann, wenn einem Beamten irrigerweise die von ihm beanspruchten Rechte bestätigt würden, für sich genommen keine Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen sein.

Würdigung durch das Gericht

53 Zu dem Vorbringen bezueglich der Erstattung früherer als der gegenwärtig in Streit befindlichen Krankheitskosten ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere das Urteil des Gerichts vom 27. März 1990 in der Rechtssache Chomel/Kommission) jeder Bürger Vertrauensschutz geltend machen kann, bei dem die Verwaltung begründete Erwartungen geweckt hat. Demgegenüber kann ein Beamter keinen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen, wenn die Verwaltung ihm keine bestimmten Zusicherungen gemacht hat. Im vorliegenden Fall reicht der blosse Umstand, daß in der Vergangenheit bestimmte Krankheitskosten in verhältnismässig geringer Höhe anstandslos erstattet wurden, nicht aus, um in der Person des Klägers die Gewißheit der Zugehörigkeit seiner Ehefrau zum gemeinsamen Krankenfürsorgesystem entstehen zu lassen, noch stellt er einen Amtsfehler dar.

54 Zu dem weiteren Vorbringen in Zusammenhang mit der Bescheinigung des Leiters der Einheit "Verwaltung und Personal" der GFS Ispra vom 11. Mai 1988 kann unterstellt werden, daß dieser zum Zeitpunkt der Abfassung der Bescheinigung über die genaue Situation von Frau Holtbecker unterrichtet war. Auch wenn der Kläger nämlich von den Dienststellen der Kommission eine Bestätigung der von ihm beanspruchten Rechte erhalten hat, kann eine solche Bestätigung keine Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen sein, weil kein Beamter eines Gemeinschaftsorgans sich wirksam verpflichten kann, das Gemeinschaftsrecht nicht anzuwenden. Zusagen, die den Bestimmungen des Statuts nicht Rechnung tragen, können beim Adressaten nämlich ein berechtigtes Vertrauen nicht begründen (vgl. das Urteil des Gerichts vom 27. März 1990 in der Rechtssache Chomel/Kommission, a. a. O.).

55 Der Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes kann daher nicht durchgreifen.

56 Demzufolge sind die Anträge auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 10. Juli 1990 insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Zu den Zahlungsanträgen

57 Da die Anträge des Klägers auf Aufhebung als ungegründet zurückzuweisen waren, muß auch der Antrag auf Erstattung der Krankheitskosten der Ehefrau des Klägers abgewiesen werden.

58 Da die Sachverhaltsfeststellung des Gerichts einen Amtsfehler der Kommission nicht hat erkennen lassen, ist der Hilfsantrag des Klägers auf Wiedergutmachung des ihm angeblich entstandenen Schadens ebenfalls abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

59 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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