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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: T-201/04 R (1)
Rechtsgebiete: EG, EWR


Vorschriften:

EG Art. 82
EWR Art. 54
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

22. Dezember 2004

"Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Artikel 82 EG"

Parteien:

In der Rechtssache T-201/04 R

Microsoft Corp., mit Sitz in Redmond, Washington (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt J.-F. Bellis und I. S. Forrester, QC,

Antragstellerin,

unterstützt durch

The Computing Technology Industry Association, Inc., mit Sitz in Oakbrook Terrace, Illinois (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. van Gerven und T. Franchoo sowie B. Kilpatrick, Solicitor,

Association for Competitive Technology, Inc., mit Sitz in Washington, DC (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Ruessmann und P. Hecker,

TeamSystem SpA, mit Sitz in Pesaro (Italien), und

Mamut ASA, mit Sitz in Oslo (Norwegen),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Berrisch,

DMDsecure.com BV, mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

MPS Broadband AB, mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Pace MicroTechnology plc, mit Sitz in Shipley, West Yorkshire (Vereinigtes Königreich),

Quantel Ltd, mit Sitz in Newbury, Berkshire (Vereinigtes Königreich), und

Tandberg Television Ltd, mit Sitz in Southampton, Hampshire (Vereinigtes Königreich),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Bourgeois, sowie

Exor AB, mit Sitz in Uppsala (Schweden), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Martínez Lage, H. Brokelman und R. Allendesalazar Corcho,

Streithelferinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Wainwright, W. Mölls, F. Castillo de la Torre und P. Hellström als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

unterstützt durch

RealNetworks, Inc., mit Sitz in Seattle, Washington (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Winckler, M. Dolmans und T. Graf,

Software & Information Industry Association, mit Sitz in Washington, DC, Prozessbevollmächtigter: C. A. Simpson, Solicitor, und

Free Software Foundation Europe eV, mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Piana,

Streithelfer,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Artikel 4, 5 Buchstaben a bis c und 6 Buchstabe a der Entscheidung C(2004) 900 endg. der Kommission vom 24. März 2004 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG (Sache COMP/C-3/37.792 - Microsoft)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Microsoft Corp. (im Folgenden: Microsoft) entwickelt und vertreibt verschiedene Software, insbesondere Betriebssysteme für Server und "Kunden-PCs".

2. Am 10. Dezember 1998 legte Sun Microsystems Inc. (im Folgenden: Sun Microsystems), ein Unternehmen mit Sitz in Kalifornien (Vereinigte Staaten von Amerika), das u. a. Server-Betriebssysteme liefert, bei der Kommission Beschwerde ein. Sun Microsystems machte in dieser Beschwerde geltend, Microsoft habe sich geweigert, ihr die Technologie zugänglich zu machen, die erforderlich sei, um die Interoperabilität ihres Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver mit dem Windows-Client-PC-Betriebssystem herstellen zu können. Sun Microsystems war der Ansicht, die von ihr beanspruchte Technologie sei erforderlich, um auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrieren zu können.

3. Am 2. August 2000 sandte die Kommission an Microsoft eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Diese Mitteilung der Beschwerdepunkte betraf im Wesentlichen Fragen der Interoperabilität der Windows-Client-PC-Betriebssysteme mit den Server-Betriebssystemen anderer Anbieter (Client-Server-Interoperabilität). Microsoft antwortete auf diese erste Mitteilung der Beschwerdepunkte am 17. November 2000.

4. Am 29. August 2001 sandte die Kommission an Microsoft eine zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte. In dieser Mitteilung wiederholte die Kommission ihre früheren Beschwerdepunkte hinsichtlich der Client-Server-Interoperabilität. Sie griff ferner bestimmte Fragen zur Interoperabilität zwischen Arbeitsgruppenservern (Server-Server-Interoperabilität) auf. Schließlich wies sie auf bestimmte Fragen hin, die die Integration des Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem betrafen. Die Mitteilung des letztgenannten Beschwerdepunkts war das Ergebnis einer von der Kommission im Februar 2000 eingeleiteten Untersuchung. Microsoft antwortete auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte am 16. November 2001.

5. Am 6. August 2003 sandte die Kommission an Microsoft eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die beiden vorhergehenden Mitteilungen ergänzen sollte. Mit Schreiben vom 17. und 31. Oktober 2003 antwortete Microsoft auf diese ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte.

6. Eine Anhörung wurde von der Kommission am 12., 13. und 14. November 2003 durchgeführt. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 äußerte sich Microsoft zu den Fragen, die die Kommission, die Beschwerdeführerin und die beteiligten Dritten bei der Anhörung gestellt hatten. Nach einem letzten Schriftwechsel zwischen der Kommission und Microsoft erließ die Kommission am 24. März 2004 eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 EG in der Sache COMP/C-3/37.792 - Microsoft (im Folgenden: Entscheidung).

Die Entscheidung

7. Gemäß der Entscheidung hat Microsoft durch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung in zwei Fällen gegen Artikel 82 EG und gegen Artikel 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen.

8. Die Kommission stellte in einem ersten Schritt drei gesonderte Produktmärkte fest und vertrat die Auffassung, dass Microsoft auf zweien dieser Märkte eine beherrschende Stellung einnehme. In einem zweiten Schritt stellte die Kommission auf diesen Märkten zwei missbräuchliche Verhaltensweisen von Microsoft fest. Die Kommission verhängte daher eine Geldbuße gegen Microsoft und ordnete bestimmte Abhilfemaßnahmen an.

I - Die in der Entscheidung aufgeführten relevanten Märkte und die beherrschende Stellung von Microsoft auf zweien dieser Märkte

A - Die in der Entscheidung aufgeführten relevanten Märkte

9. Der erste in der Entscheidung aufgeführte Produktmarkt ist der Markt der Client-PC-Betriebssysteme (Randnrn. 324 bis 342). Ein Betriebssystem ist ein Softwareprodukt, das die Grundfunktionen eines Computers steuert und dem Anwender die Nutzung des Computers und den Einsatz von Anwendungsprogrammen auf diesem Computer ermöglicht. Kunden-PCs sind Multifunktionscomputer, die für die Nutzung jeweils nur einer Person konzipiert sind und an ein Netzwerk angeschlossen werden können.

10. Der zweite in der Entscheidung aufgeführte Produktmarkt ist der Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 343 bis 401). Die Entscheidung definiert die "Arbeitsgruppendienste" als die Infrastrukturdienste in einem Netzwerk, die die Büroangestellten bei ihrer täglichen Arbeit für drei Reihen unterschiedlicher Dienste nutzen, nämlich erstens für die gemeinsame Nutzung der auf Servern gespeicherten Dateien, zweitens für die gemeinsame Nutzung von Druckern und drittens für die "Verwaltung" des Zugriffs der Nutzer und Nutzergruppen auf die Netzwerkdienste ("Nutzer- und Nutzergruppenverwaltung") (Randnr. 53). Die letztgenannte Reihe von Diensten besteht insbesondere darin, den gesicherten Zugriff und die gesicherte Nutzung der Netzwerkressourcen zu garantieren, indem u. a. zunächst der Nutzer authentifiziert wird und sodann dessen Befugnis für die Ausführung einer bestimmten Maßnahme geprüft wird (Randnr. 54).

11. Gemäß der Entscheidung sind die in der vorstehenden Randnummer bezeichneten dreierlei Dienste innerhalb der Server-Betriebssysteme eng miteinander verbunden (Randnr. 56). Die Entscheidung fügt hinzu, dass die "Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver" Betriebssysteme seien, die entwickelt und vermarktet würden, um für eine relativ begrenzte Zahl von Kunden-PCs, die einem kleinen bis mittelgroßen Netzwerk angeschlossen seien, die genannten dreierlei Dienste gemeinsam anzubieten (Randnrn. 53 und 345 bis 368). Dass es auf der Nachfrageseite keine anderen austauschbaren Produkte gebe, werde zum einen durch die Preisstrategie von Microsoft (Randnrn. 369 bis 382) und zum anderen durch die Bedeutung bestätigt, die die Interoperabilität der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit den Kunden-PCs habe (Randnrn. 383 bis 386). Die Kommission stellt ferner fest, dass auf der Angebotsseite Ersatzprodukte für die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur beschränkt vorhanden seien (Randnrn. 388 bis 400). Sie schließt hieraus, dass diese Betriebssysteme einen gesonderten Produktmarkt bilden.

12. Der dritte in der Entscheidung aufgeführte Markt ist der Markt der kontinuierlich arbeitenden multimedialen Abspielsoftware (Randnrn. 402 bis 425). Multimediale Abspielsoftware ist ein Softwareprodukt, das Ton- und Bildinhalte im Digitalformat lesen kann, d. h. die entsprechenden Daten entschlüsseln und in Befehle für die Hardware (Lautsprecher, Bildschirm) übersetzen kann. Kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware kann Inhalte lesen, die kontinuierlich aus dem Internet übertragen werden.

13. In der Entscheidung vertritt die Kommission die Auffassung, dass, erstens, kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware sich von Betriebssystemen unterscheide (Randnrn. 404 bis 406), dass, zweitens, kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware keinem Wettbewerbsdruck durch nicht kontinuierlich arbeitende Abspielsoftware ausgesetzt sei (Randnrn. 407 bis 410), dass, drittens, nur von multimedialer Abspielsoftware mit ähnlicher Funktionalität ein Wettbewerbsdruck auf Windows Media Player ausgehe (Randnrn. 411 bis 415), und im Wesentlichen dass, viertens, austauschbare Produkte auf der Nachfrageseite nur beschränkt vorhanden seien (Randnrn. 416 bis 424). Die Kommission leitet hieraus ab, dass die kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware einen gesonderten Produktmarkt bilde.

14. Was die räumliche Ausdehnung der vorher ermittelten Produktmärkte anbelangt, vertritt die Kommission die Auffassung, dass diese weltweites Ausmaß hätten (Randnr. 427).

B - Beherrschende Stellung von Microsoft auf dem Markt für Client-PC-Betriebssysteme und auf dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver

15. Erstens stellt die Kommission fest, dass Microsoft auf dem Markt für Client-PC-Betriebssysteme mindestens seit 1996 eine beherrschende Stellung einnehme, die sich insbesondere daraus ergebe, dass sie Marktanteile von mehr als 90 % halte (Randnrn. 430 bis 435) und dass es aufgrund mittelbarer Auswirkungen des Netzwerks sehr hohe Marktzutrittsschranken gebe (siehe insbesondere Randnrn. 448 bis 452). Die mittelbaren Auswirkungen des Netzwerks hätten ihren Grund in zwei Faktoren, nämlich zum einen darin, dass die Endverbraucher Plattformen schätzten, von denen aus sie eine große Anzahl von Anwendungen nutzen könnten, und zum anderen darin, dass die Softwareentwickler für die PC-Betriebssysteme Anwendungen entwickelten, die bei den Verbrauchern sehr beliebt seien.

16. Zweitens ist die Kommission der Ansicht, dass sich Microsofts Anteil an dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bei vorsichtiger Schätzung auf mindestens 60 % belaufe (Randnrn. 473 bis 499).

17. Für diesen Markt nimmt die Kommission auch eine Bewertung der Stellung der drei wichtigsten Konkurrenten von Microsoft vor. Erstens habe Novell mit ihrer Software Netware einen Marktanteil von 10 bis 15 %. Zweitens entfalle auf die Linux-Produkte ein Marktanteil von 5 bis 15 %. Linux sei ein "freies" Betriebssystem, das unter einer "GNU GPL (General Public Licence)" vertrieben werde. Aus Randnummer 87 der Entscheidung geht hervor, dass Linux eine beschränkte Anzahl der typischen Aufgaben eines Betriebssystems ausführe, dass Linux aber mit anderer Software zu einem "Linux-Betriebssystem" verknüpft werden könne. Linux werde auf dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver in Verbindung mit Samba-Software angeboten, die ebenfalls unter der "GNU GPL"-Lizenz vertrieben werde (Randnrn. 294, 506 und 598). Drittens entfalle auf die UNIX-Produkte, die mehrere Betriebssysteme mit bestimmten gemeinsamen Leistungsmerkmalen vereinigten (Randnr. 42), ein Marktanteil von 5 bis 15 %.

18. Die Kommission vertritt sodann die Auffassung, der Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver werde durch zahlreiche Marktzutrittsschranken (Randnrn. 515 bis 525) und durch besondere Verbindungen zum Markt der Client-PC-Betriebssysteme charakterisiert (Randnrn. 526 bis 540). Die Kommission schließt hieraus, dass Microsoft auf dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver über eine beherrschende Stellung verfüge.

II - In der Entscheidung festgestellte missbräuchliche Verhaltensweisen

A - In der Entscheidung festgestellte Weigerung

19. Die erste, in den Randnummern 546 bis 791 der Entscheidung beschriebene missbräuchliche Verhaltensweise von Microsoft liegt in der - von Oktober 1998 bis zum Erlass der Entscheidung dauernden - Weigerung von Microsoft, ihren Konkurrenten die "Informationen zur Interoperabilität" zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten, die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrieren (Artikel 2 Buchstabe a der Entscheidung). "Informationen zur Interoperabilität" im Sinne der Entscheidung sind "die vollständigen und fehlerfreien Spezifikationen für alle Protokolle, die in Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver implementiert und von Windows-Arbeitsgruppenserver genutzt werden, um den Windows- Arbeitsgruppennetzwerken Daten- und Druckdienste sowie Nutzer- und Nutzergruppenverwaltungsdienste einschließlich der Dienste des Windows Domain Controllers, des Active Directory und der Group Policy zur Verfügung zu stellen" (Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung). "Protokolle" werden definiert als "eine Reihe von Regeln für die gegenseitige Verbindung und den Dialog zwischen verschiedenen Instanzen der Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und Windows-Client-PC-Betriebssysteme, die in einem Windows-Arbeitsgruppennetzwerk auf unterschiedlichen Rechnern installiert sind" (Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung).

20. Zur Feststellung dieser Verhaltensweise hebt die Entscheidung insbesondere hervor, dass sich die genannte Weigerung nicht auf Teile von Microsofts Quellcode, sondern ausschließlich auf Spezifikationen der betreffenden Protokolle erstrecke, d. h., im Gegensatz zu den "Implementierungen", die die Umsetzung des Codes auf dem Rechner seien, auf eine Beschreibung dessen, was von der Software erwartet werde (Randnrn. 24 und 569). Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass das Verhalten von Microsoft Teil einer allgemeinen Vorgehensweise sei (Randnrn. 573 bis 577), dass es ein Absinken des früheren Lieferniveaus nach sich ziehe (Randnrn. 578 bis 584), dass es den Wettbewerb auszuschalten drohe (Randnrn. 585 bis 692) und dass es sich zum Schaden der Verbraucher negativ auf die technische Entwicklung auswirke (Randnrn. 693 bis 708). Die Kommission weist auch das Vorbringen von Microsoft zurück, die Weigerung sei objektiv gerechtfertigt (Randnrn. 709 bis 778).

B - In der Entscheidung festgestellter gekoppelter Verkauf

21. Die Kommission stellt eine zweite missbräuchliche Verhaltensweise fest, die in den Randnummern 792 bis 989 der Entscheidung beschrieben wird. Nach Auffassung der Kommission liegt diese missbräuchliche Verhaltensweise darin, dass Microsoft von Mai 1999 bis zum Erlass der Entscheidung die Bereitstellung des Windows-Client-PC-Betriebssystems vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig gemacht hat (Artikel 2 Buchstabe b der Entscheidung).

22. Die Kommission ist der Auffassung, das Verhalten von Microsoft erfülle die Voraussetzungen eines missbräuchlichen gekoppelten Verkaufs im Sinne des Artikels 82 EG (Randnrn. 794 bis 954). Erstens nehme Microsoft eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Client-PC-Betriebssysteme ein (Randnr. 799). Zweitens seien die kontinuierlich arbeitende multimediale Abspielsoftware und die Client-PC-Betriebssysteme als eigenständige Produkte anzusehen (Randnrn. 800 bis 825). Drittens lasse Microsoft den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, Windows ohne den Windows Media Player zu kaufen (Randnrn. 826 bis 834). Viertens beeinträchtige der von der Kommission festgestellte gekoppelte Verkauf den Wettbewerb auf dem Markt für multimediale Abspielsoftware (Randnrn. 835 bis 954).

23. Im Rahmen der Prüfung dieser vierten Voraussetzung weist die Kommission darauf hin, dass sie und der Gemeinschaftsrichter in den klassischen Fällen eines gekoppelten Verkaufs "der Auffassung waren, dass das Angebot eines eigenständigen Produkts, das mit dem beherrschenden Produkt gebündelt wird, Indiz für die Ausschlusswirkung dieser Praxis auf die konkurrierenden Verkäufer sei" (Randnr. 841). Gleichwohl vertrat die Kommission in der Entscheidung die Auffassung, dass es, da sich die Nutzer in gewissem Umfang - teilweise gratis - über das Internet multimediale Abspielsoftware besorgten, die mit dem Windows Media Player konkurriere, vorliegend gute Gründe gebe, nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der gekoppelte Verkauf des Windows Media Player eine Handlung sei, die von Natur aus geeignet sei, den Wettbewerb einzuschränken (Randnr. 841).

24. Im Rahmen dieser näheren Untersuchung vertritt die Kommission die Auffassung, dass, erstens, der fragliche gekoppelte Verkauf dem Windows Media Player weltweit eine allgegenwärtige Präsenz bei den Kunden-PCs verschaffe, die durch die alternativen Vertriebswege nicht gefährdet werden könne (Randnrn. 843 bis 877), dass, zweitens, die allgegenwärtige Präsenz für Informationslieferanten ein Anreiz sei, ihre Inhalte in Windows-Media-Formaten zu übertragen, und für die Softwareentwickler, ihre Produkte so zu konzipieren, dass sie sich auf bestimmte Funktionalitäten des Windows Media Player stützten (Randnrn. 879 bis 896), dass, drittens, die allgegenwärtige Präsenz Auswirkungen auf bestimmte angrenzende Märkte habe (Randnrn. 897 bis 899) und dass schließlich, viertens, die verfügbaren Marktstudien unveränderlich den Trend erkennen ließen, dass Windows Media Player und Windows-Media-Formate zum Nachteil ihrer Hauptkonkurrenten genutzt würden (Randnrn. 900 bis 944). Die Kommission schließt aus all diesen Erwägungen, dass der fragliche gekoppelte Verkauf mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu einer Schwächung des Wettbewerbs führe, so dass die Aufrechterhaltung einer wirksamen Wettbewerbsstruktur in naher Zukunft nicht mehr gewährleistet sei (Randnr. 984).

25. Schließlich weist die Kommission das Vorbringen von Microsoft zurück, der fragliche gekoppelte Verkauf bringe zum einen Effizienzgewinne mit sich, die die von der Kommission festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen aufwiegen könnten (Randnrn. 955 bis 970), und biete zum anderen keinen Anreiz zur Einschränkung des Wettbewerbs (Randnrn. 971 bis 977).

III - Abhilfemaßnahmen und gegen Microsoft verhängte Geldbußen

26. Die beiden von der Kommission in der Entscheidung festgestellten Verstöße wurden mit einer Geldbuße in Höhe von 497 196 304 Euro geahndet (Artikel 3 der Entscheidung).

27. Ferner ist Microsoft gemäß Artikel 4 der Entscheidung verpflichtet, die in Artikel 2 festgestellten Verstöße gemäß den Artikeln 5 und 6 der Entscheidung zu beenden. Microsoft muss jedes in Artikel 2 bezeichnete Verhalten und jedes Verhalten unterlassen, das den gleichen oder einen ähnlichen Zweck verfolgt oder das sich gleich oder ähnlich auswirkt.

28. Als Maßnahmen zur Abhilfe gegen die in der Entscheidung festgestellte missbräuchliche Weigerung gibt Artikel 5 der Entscheidung Microsoft auf:

"a) Microsoft ... stellt binnen einer Frist von 120 Tagen ab der Mitteilung dieser Entscheidung allen Unternehmen, die ein Interesse daran haben, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben, die Informationen zur Interoperabilität zur Verfügung; Microsoft gestattet diesen Unternehmen unter vernünftigen und nicht diskriminierenden Bedingungen die Nutzung dieser Informationen für die Entwicklung und den Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver.

b) Microsoft ... aktualisiert die zur Verfügung gestellten Informationen zur Interoperabilität nach Bedarf und unverzüglich.

c) Microsoft ... richtet binnen einer Frist von 120 Tagen ab der Mitteilung dieser Entscheidung einen Bewertungsmechanismus ein, der es den interessierten Unternehmen wirksam ermöglicht, sich über den Umfang und die Bedingungen der Nutzung der Informationen zur Interoperabilität zu unterrichten. Microsoft ... darf vernünftige und nicht diskriminierende Bedingungen festlegen, um sicherzustellen, dass der in diesem Rahmen gewährte Zugang zu den Informationen nur zu Bewertungszwecken genutzt wird.

..."

29. Die in Artikel 5 der Entscheidung gesetzte Frist von 120 Tagen lief am 27. Juli 2004 ab.

30. Im Hinblick auf den in der Entscheidung festgestellten missbräuchlichen gekoppelten Verkauf sieht Artikel 6 der Entscheidung als Abhilfemaßnahme vor:

"a) Microsoft ... bietet binnen einer Frist von 90 Tagen ab der Mitteilung dieser Entscheidung eine voll funktionsfähige Version des Windows-Client-PC-Betriebssystems ohne integrierten Windows Media Player an. Microsoft ... darf weiterhin das Windows-Client-PC-Betriebssystem in Koppelung mit dem Windows Media Player anbieten.

..."

31. Die in Artikel 6 der Entscheidung gesetzte Frist von 90 Tagen lief am 28. Juni 2004 ab.

Verfahren wegen Verstoßes gegen amerikanisches Kartellrecht

32. Parallel zur Untersuchung der Kommission fand gegen Microsoft eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das amerikanische Kartellrecht statt.

33. 1998 erhoben die Vereinigten Staaten von Amerika sowie 20 Bundesstaaten Klage gegen Microsoft aufgrund des Sherman Act. Die Klagen betrafen die Maßnahmen, die Microsoft gegen den Internet-Browser "Netscape Navigator" von Netscape und die "Java"-Technologien von Sun Microsystems ergriffen hatte. Die 20 Bundesstaaten erhoben gegen Microsoft auch Klage wegen Verstoßes gegen ihre eigenen Kartellgesetze.

34. Nach Erlass des Urteils des United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit (im Folgenden: Court of Appeals), das am 28. Juni 2001 auf die Berufung von Microsoft gegen das Urteil des United States District Court for the District of Columbia (im Folgenden: District Court) vom 3. April 2000 ergangen war, schloss Microsoft im November 2001 mit dem Justizministerium der Vereinigten Staaten und den Attorneys General von neun Staaten einen Vergleich (im Folgenden: US-amerikanischer Vergleich), in dem Microsoft Verpflichtungen zweierlei Art übernahm.

35. Erstens erklärte sich Microsoft bereit, die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle zu erstellen, die die Windows-Server-Betriebssysteme benutzten, um "interoperieren" zu können, d. h. um diese Betriebssysteme mit den Windows-Client-PC-Betriebssystemen kompatibel zu machen, und Dritten zu bestimmten Bedingungen für diese Spezifikationen Lizenzen zu erteilen.

36. Zweitens sieht der US-amerikanische Vergleich vor, dass Microsoft den Geräteherstellern und den Endverbrauchern die Möglichkeit gibt, den Zugriff auf Microsofts Middleware-Produkte zu aktivieren oder zu beseitigen. Der Windows Media Player ist eines der Produkte, die zu dieser Kategorie, wie sie im US-amerikanischen Vergleich definiert wird, gehören. Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, dass die Middleware-Lieferanten Produkte entwickeln und vertreiben können, die mit Windows ohne Probleme laufen.

37. Die Bestimmungen wurden am 1. November 2002 vom District Court genehmigt, der auch die Abhilfemaßnahmen zurückwies, die von den neun Staaten, die den US-amerikanischen Vergleich nicht angenommen hatten, vorgeschlagen worden waren.

38. Auf die Berufung des Commonwealth of Massachusetts bestätigte der Court of Appeals die Entscheidung des District Courts am 30. Juni 2004.

39. Gemäß dem US-amerikanischen Vergleich wurde im August 2002 das Microsoft Communications Protocol Program (im Folgenden: MCPP) aufgelegt. Aus der dem Gericht vorgelegten Dokumentation geht hervor, dass von August 2002 bis Juli 2004 17 Lizenznehmer das MCPP in Anspruch nahmen.

Verfahren

40. Mit Klageschrift, die am 7. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Microsoft gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage erhoben und beantragt, die Entscheidung für nichtig zu erklären, hilfsweise, die verhängte Geldbuße aufzuheben oder erheblich herabzusetzen.

41. Mit gesondertem Schriftsatz, der am 25. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Microsoft gemäß Artikel 242 EG beantragt, den Vollzug der Artikel 4, 5 Buchstaben a bis c und 6 Buchstabe a der Entscheidung auszusetzen. Im selben Schriftsatz hat Microsoft ferner nach Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, den Vollzug dieser Bestimmungen auszusetzen, bis über den Antrag auf einstweilige Anordnung entschieden worden ist.

42. Am selben Tag hat der Präsident des Gerichts als Richter der einstweiligen Anordnung die Kommission aufgefordert, darzulegen, ob sie beabsichtige, die Entscheidung zwangsweise zu vollstrecken, bevor über den Antrag auf einstweilige Anordnung entschieden worden ist.

43. Mit Schreiben, das am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission mitgeteilt, dass sie die Artikel 5 Buchstaben a bis c und 6 Buchstabe a der Entscheidung nicht zwangsweise vollstrecken werde, solange das Verfahren der einstweiligen Anordnung anhängig sei.

44. Mit Schriftsatz, der am 25. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Novell Inc. (im Folgenden: Novell) mit Sitz in Waltham, Massachussets (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: C. Thomas, M. Levitt, V. Harris, Solicitors, und Rechtsanwalt A. Müller-Rappard, beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

45. Mit Schriftsatz, der am 30. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die RealNetworks Inc. (im Folgenden: RealNetworks) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

46. Mit Schriftsatz, der am 30. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Computer & Communications Industry Association (im Folgenden: CCIA) mit Sitz in Washington, DC (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: J. Flynn, QC, sowie Rechtsanwälte D. Paemen und N. Dodoo, beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

47. Mit Schriftsatz, der am 1. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Software & Information Industry Association (im Folgenden: SIIA) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

48. Mit Schriftsatz, der am 1. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Computing Technology Industry Association Inc. (im Folgenden: CompTIA) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen zu werden.

49. Mit Schriftsatz, der am 2. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Association for Competitive Technology (im Folgenden: ACT) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen zu werden.

50. Mit Schriftsatz, der am 5. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Digimpro Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), die TeamSystem SpA, die Mamut ASA und die CODA Group Holdings Ltd mit Sitz in Chippenham, Wiltshire (Vereinigtes Königreich), beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen zu werden.

51. Mit Schriftsatz, der am 5. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die DMDsecure.com BV, die MPS Broadband AB, die Pace Micro Technology plc, die Quantel Ltd und die Tandberg Television Ltd (im Folgenden zusammen: DMDsecure.com u. a.) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen zu werden.

52. Mit Schriftsatz, der am 8. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die IDE Nätverkskonsulterna AB mit Sitz in Stockholm, die Exor AB, T. Rogerson, wohnhaft in Harpenden, Hertfordshire (Vereinigtes Königreich), P. Setka, wohnhaft in Sobeslav (Tschechische Republik), D. Tomicic, wohnhaft in Nürnberg (Deutschland), M. Valasek, wohnhaft in Karlsbad (Tschechische Republik), R. Rialdi, wohnhaft in Genua (Italien), und B. Nati, wohnhaft in Paris (Frankreich), beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen zu werden.

53. Mit Schriftsatz, der am 13. Juli 2004 eingegangen ist, hat die Free Software Foundation Europe (im Folgenden: FSF-Europe) beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

54. Diese Streithilfeanträge sind der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gemäß Artikel 116 § 1 der Verfahrensordnung zugestellt worden, die je nach Lage des Falles innerhalb der gesetzten Fristen Stellung genommen oder sich nicht geäußert haben. Mit Schreiben vom 6. und 8. Juli 2004 hat Microsoft beantragt, diejenigen in der Entscheidung enthaltenen Angaben, für die die Kommission zugesichert habe, dass sie in der auf ihrer Website verfügbaren Fassung nicht veröffentlicht würden, gegenüber allen Beteiligten, die als Streithelfer zugelassen werden könnten, vertraulich zu behandeln.

55. Die Kommission hat mit Schreiben vom 21. Juli 2004 zum Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen. Diese Stellungnahme ist Microsoft am selben Tag zugestellt worden.

56. Mit Beschluss vom 26. Juli 2004 hat der Präsident des Gerichts CompTIA, ACT, TeamSystem SpA, Mamut ASA, DMDsecure.com u. a., Exor AB, Novell, RealNetworks, CCIA und SIIA als Streithelferinnen zugelassen und die Anträge von Digimpro Ltd, CODA Group Holdings Ltd, IDE Nätverkskonsulterna AB, T. Rogerson, P. Setka, D. Tomicic, M. Valasek, R. Rialdi und B. Nati auf Zulassung als Streithelfer zurückgewiesen. Der Präsident des Gerichts hat ferner angeordnet, dass die nicht vertrauliche Fassung der Schriftstücke des Verfahrens den Streithelfern zugestellt wird, und sich seine Entscheidung über die Begründetheit des Antrags auf vertrauliche Behandlung vorbehalten.

57. Am 27. Juli 2004 hat der Präsident des Gerichts als Richter der einstweiligen Anordnung eine informelle Sitzung anberaumt, zu der außer Microsoft und der Kommission auch die durch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 26. Juli 2004 als Streithelferinnen zugelassenen Beteiligten sowie FSF-Europe geladen worden sind. In dieser Sitzung hat der Richter der einstweiligen Anordnung FSF-Europe vorläufig als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission im Verfahren der einstweiligen Anordnung zugelassen und den Beteiligten den zeitlichen Ablauf der einzelnen Abschnitte dieses Verfahrens der einstweiligen Anordnung erläutert.

58. Mit Beschluss vom 6. September 2004 ist FSF-Europe als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

59. Alle als Streithelfer zugelassenen Verfahrensbeteiligten haben innerhalb der hierfür gesetzten Fristen schriftliche Erklärungen eingereicht.

60. In Übereinstimmung mit dem, was in der informellen Sitzung vom 27. Juli 2004 beschlossen worden ist, hat Microsoft am 19. August 2004 auf die Stellungnahme der Kommission vom 21. Juli 2004 geantwortet.

61. Mit Schriftsatz, der am 31. August 2004 eingegangen ist, hat die unter der Firma VideoBanner handelnde Audiobanner.com (im Folgenden: VideoBanner) mit Sitz in Los Angeles, Kalifornien (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Alvizar Ceballos, beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Da keine der beiden Parteien den Anträgen auf Zulassung als Streithelferin entgegengetreten ist, ist VideoBanner vorläufig als Streithelferin zugelassen und aufgefordert worden, ihre Stellungnahme bei der Anhörung abzugeben.

62. Als Reaktion auf Microsofts Stellungnahme vom 19. August 2004 hat die Kommission am 13. September 2004 eine weitere Stellungnahme eingereicht.

63. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin haben sich am 13. September 2004 auch zu den Streithilfeanträgen geäußert.

64. Im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen hat der Präsident des Gerichts als Richter der einstweiligen Anordnung Microsoft, der Kommission und bestimmten Streithelfern schriftliche Fragen gestellt. Die Antworten auf diese Fragen, die innerhalb der hierfür gesetzten Fristen eingereicht wurden, sind allen Beteiligten zugestellt worden.

65. Alle Beteiligten einschließlich VideoBanner haben bei einer Anhörung, die am 30. September und 1. Oktober 2004 stattgefunden hat, Erklärungen abgegeben.

66. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2004 hat RealNetworks bei der Kanzlei bestimmte Erläuterungen eingereicht, um die das Gericht sie bei der Anhörung gebeten hatte. Den übrigen Beteiligten ist dieses Schreiben mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt worden.

67. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 hat Microsoft zu dem Schreiben von RealNetworks vom 8. Oktober 2004 Stellung genommen. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

68. Mit Schriftsätzen vom 10. und 19. November 2004 haben CCIA und Novell dem Gericht mitgeteilt, dass sie ihre Streithilfeanträge im vorliegenden Rechtsstreit zurücknähmen. Die Kommission, Microsoft und die Streithelfer haben zur der Rücknahme der Streithilfeanträge innerhalb der hierfür gesetzten Frist Stellung genommen.

69. Aufgrund der Rücknahmeerklärungen von CCIA und Novell hat am 25. November 2004 in Anwesenheit aller Beteiligten eine informelle Sitzung stattgefunden, um bestimmte prozessuale Folgen der Rücknahmen zu erörtern. Das Protokoll dieser Sitzung ist allen Beteiligten am 26. November 2004 übersandt worden.

Rechtliche Würdigung

70. Nach Artikel 242 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

71. Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung hat ein Antrag auf einstweilige Anordnung die Umstände anzuführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni juris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ; ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs ist zurückzuweisen, sofern eine von ihnen nicht erfüllt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30). Im Verfahren der einstweiligen Anordnung erfolgt gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C-445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I-1461, Randnr. 73).

72. Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt das Gericht über ein weites Ermessen bei der Bestimmung der Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen im Hinblick auf die Besonderheiten jeden Einzelfalls zu prüfen sind (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. Januar 1997 in der Rechtssache C-393/96 P[R], Antonissen/Rat und Kommission, Slg. 1997, I-441, Randnr. 28).

73. Nach Artikel 107 § 1 der Verfahrensordnung "[ergeht] [d]ie Entscheidung ... durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist". Das Gericht hat jedoch nicht ausdrücklich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Punkte einzugehen, die im Laufe dieses Verfahrens erörtert worden sind. Insbesondere genügt es, dass die von ihm als erster Instanz angeführten Gründe angesichts der Umstände des Einzelfalls seinen Beschluss tragen und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen (Beschluss SCK und FNK/Kommission, zitiert oben in Randnr. 71, Randnr. 52, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 25. Juni 1998 in der Rechtssache C-159/98 P[R], Niederländische Antillen/Rat, Slg. 1998, I-4147, Randnr. 70).

74. Da Microsoft unterschiedliche Fälle von Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorgeworfen werden, was sich sowohl aus der Struktur der Entscheidung als auch aus dem Aufbau des Vorbringens der Antragstellerin ergibt, erscheint es zweckmäßig, den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 5 Buchstaben a bis c in Verbindung mit Artikel 4 der Entscheidung (des Teils, der sich mit der Frage der Informationen zur Interoperabilität befasst) und den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 6 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 4 der Entscheidung (des Teils, der sich mit der Frage des gekoppelten Verkaufs des Windows-Betriebssystems und des Windows Media Player befasst) getrennt zu prüfen. Dieser Prüfung vorangehen wird eine Untersuchung des Antrags auf vertrauliche Behandlung, des Streithilfeantrags von VideoBanner, der Auswirkungen der Rücknahmeerklärungen von CCIA und Novell sowie der Einhaltung der Formvorschriften für die Schriftsätze.

I - Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

75. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung sind gegenüber den als Streithelfer zugelassenen Verfahrensbeteiligten die in der Entscheidung enthaltenen Angaben, für die die Kommission zugesichert hat, dass sie in der auf ihrer Website verfügbaren Fassung nicht veröffentlicht würden, vertraulich zu behandeln, da diese Informationen auf den ersten Blick als geheim oder vertraulich im Sinne des Artikels 116 § 2 der Verfahrensordnung angesehen werden können.

II - Zum Streithilfeantrag von VideoBanner

76. Wie oben in Randnummer 61 ausgeführt, hat VideoBanner beantragt, im Verfahren der einstweiligen Anordnung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

77. Da dieser Antrag gemäß Artikel 115 § 2 der Verfahrensordnung gestellt worden ist und die Parteien keine Einwände erhoben haben, ist ihm gemäß Artikel 40 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 53 Absatz 1 dieser Satzung auf das Gericht Anwendung findet, stattzugeben.

III - Zu den Auswirkungen der Rücknahmeerklärungen einzelner Streithelferinnen

78. Nachdem CCIA und Novell dem Gericht mitgeteilt hatten, dass sie ihre Anträge auf Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zurücknähmen, hat der Präsident des Gerichts eine informelle Sitzung für alle Beteiligten anberaumt, um bestimmte prozessuale Folgen der Rücknahmeerklärungen zu erörtern.

79. Wie aus dem Protokoll dieser Sitzung hervorgeht, haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass, erstens, die von CCIA und Novell im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vorgelegten Schriftstücke einschließlich aller Anlagen zu ihrem schriftlichen Vortrag sowie ihr Vorbringen bei der Anhörung weiterhin zu den Akten des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung gehören, dass, zweitens, alle Beteiligten sowie das Gericht sich für das Vorbringen bzw. für die Würdigung auf dieses Material stützen können und dass, drittens, die Beteiligten über das gesamte zu den Akten des vorliegenden Rechtsstreits genommene Material streitig verhandelt haben.

80. RealNetworks hat ferner in ihrer Stellungnahme zur Rücknahme des Streithilfeantrags der CCIA geltend gemacht, die CCIA sei nicht befugt gewesen, den Streithilfeantrag im vorliegenden Rechtsstreit zurückzunehmen.

81. Das Gericht hat diese Rüge von RealNetworks nicht zu prüfen, da es zum einen nicht zur Entscheidung befugt ist, ob die Geschäftsleitung von CCIA ihre Beschlüsse satzungsgemäß gefasst hat, und da zum anderen CCIA den Streithilfeantrag gemäß der Verfahrensordnung des Gerichts zurückgenommen hat.

IV - Zur Einhaltung der Formvorschriften für die Schriftsätze

82. Die Kommission und einzelne Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission haben geltend gemacht, dass, erstens, bestimmte Verweise auf Dokumente, die der Klageschrift von Microsoft beigefügt sind, unzulässig seien, dass, zweitens, die Vorlage bestimmter Unterlagen durch Microsoft im Laufe des Verfahrens unzulässig sei, dass, drittens, für bestimmte Behauptungen der Nachweis fehle und dass, viertens, andere Formvorschriften nicht eingehalten worden seien.

A - Zur Bezugnahme auf die Klageschrift

83. In ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2004 führt die Kommission die Randnummern der Antragsschrift an, in denen zum einen auf die Klageschrift und zum anderen auf die dieser Klage beigefügten Unterlagen verwiesen wird, die dem Antrag auf einstweilige Anordnung nicht beigefügt waren (Anlagen A.9, A.9.1, A.9.2, A.11, A.12.1, A.17, A.18, A.19, A.20, A.21, A.22 und A.24). Die Kommission leitet hieraus ab, dass sich Microsoft nicht auf diese Schriftstücke stützen könne.

84. In ihrer Stellungnahme vom 13. September 2004 fügt die Kommission hinzu, dass die erneuten Verweise auf die Klageschrift in Microsofts Stellungnahme vom 19. August 2004, insbesondere bezüglich des Übereinkommens der Welthandelsorganisation (WTO) über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPs-Übereinkommen), ebenso wie die vorstehend genannten Verweise unberücksichtigt bleiben müssten. Die Beifügung der entsprechenden Abschnitte der Klageschrift als Anlage zur Stellungnahme (Anlage T.9) erlaube nicht den Schluss, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung als solcher schlüssig sei.

85. In der informellen Sitzung vom 27. Juli 2004 (siehe oben Randnr. 57) hatte das Gericht Microsoft darauf hingewiesen, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zahlreiche Bezugnahmen auf die Klageschrift enthalte, und Microsoft hierzu befragt. Ausweislich des Protokolls der genannten Sitzung hat Microsoft daraufhin Folgendes erklärt: "Die Antragstellerin bestätigt, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung als in sich vollständig anzusehen ist und dass die in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung enthaltenen zahlreichen Bezugnahmen auf die Anlagen zur Klageschrift für das Verfahren der einstweiligen Anordnung außer Betracht bleiben können."

86. Diese Stellungnahme stimmt mit Abschnitt VII Absatz 1 der Praktischen Anweisungen für die Parteien (ABl. 2002, L 87, S. 48) überein, in denen es heißt, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung "aus sich selbst heraus und ohne Bezugnahme auf die Klageschrift verständlich sein [muss]".

87. Die Begründetheit des Antrags auf einstweilige Anordnung von Microsoft kann daher nur anhand der tatsächlichen und rechtlichen Angaben beurteilt werden, die sich aus der Antragsschrift und den Unterlagen ergeben, die der Antragsschrift beigefügt sind und ihren Inhalt erläutern sollen (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. Mai 2002 in der Rechtssache T-306/01 R, Aden u. a./Rat und Kommission, Slg. 2002, II-2387, Randnr. 52). Zwar rechtfertigt dies nicht den Schluss, dass jedes Vorbringen, das auf ein dem Antrag auf einstweilige Anordnung nicht beigefügtes Schriftstück gestützt wird, von der Berücksichtigung im Verfahren zwangsläufig ausgeschlossen werden muss, gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Nachweis für dieses Vorbringen erbracht ist, wenn die fragliche Behauptung von der anderen Partei oder von einem Streithelfer zur Unterstützung dieser Partei bestritten wird.

88. Was die Bezugnahme auf Anlage T.9 angeht, so ist daran zu erinnern, dass ein Text zwar in einzelnen Punkten durch eine Bezugnahme auf bestimmte Passagen beigefügter Schriftstücke untermauert und vervollständigt werden kann, dass jedoch eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Antragsschrift beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Umstände in der Antragsschrift ausgleichen kann (Beschluss Aden u. a./Rat und Kommission, zitiert oben in Randnr. 87, Randnr. 52). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Abschnitt VII Absatz 2 der Praktischen Anweisungen, wo es heißt, dass der Antrag "in äußerst knapper und gedrängter Form ... die Begründetheit der Klage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen [hat]", nicht dahin verstanden werden darf, dass auf ein beigefügtes Dokument, aus dem das Vorbringen im Einzelnen hervorgeht, pauschal Bezug genommen werden kann; sonst würde diese Vorschrift umgangen.

89. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren wird ungeachtet der später zu den Akten gereichten Unterlagen sowie der Ausführungen in der Sitzung vor dem Gericht unter Ausschluss der Anlagen zur Klageschrift und der Anlage T.9 ergehen.

B - Zur Vorlage von Unterlagen im Laufe des Verfahrens

90. In ihrer Stellungnahme vom 13. September 2004 führt die Kommission zunächst aus, das Vorbringen von Microsoft in ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004, insbesondere das Vorbringen zu den Rechten des geistigen Eigentums, des in zwei Anlagen (Anlage T.3 - Stellungnahme Prescott, und T.6 - Stellungnahme Galloux) ausgeführt werde, gehe über das Vorbringen im Hauptsacheverfahren hinaus. Ferner sei nicht begründet worden, weshalb die Anlage T.3, ein Papier vom 3. Juni 2004, nicht bereits mit der Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung vorgelegt worden sei.

91. Die Kommission vertritt ferner die Auffassung, Microsoft habe ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004, erstens, eine Unterlage, die eine Anlage zur Klageschrift sei (Anlage A.21, jetzt Anlage T.5, Knauer, Aspekte des Patentrechts der [Entscheidung]), und, zweitens, eine Unterlage beigefügt, die mit einer Anlage zur Klageschrift offenbar inhaltlich identisch sei (Anlage T.8, Evans, Nichols und Padilla, Wirtschaftlicher Nachweis der von der Kommission angeführten Abschottungswirkungen der Lieferverweigerung und des gekoppelten Verkaufs, die der Anlage A.19 entspreche).

92. In ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts vor der Rücknahme ihrer Streithilfeanträge haben Novell und CCIA die Ansicht vertreten, dass bestimmte Unterlagen insoweit unzulässig seien, als sie bereits mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung hätten vorgelegt werden müssen, während sie tatsächlich erst später eingereicht worden seien (Anlagen T.3, T.5, T.8 und U.2, Campbell-Kelly, Kommentar zur Innovation im Active directory).

93. Das Gericht stellt fest, dass die Schriftstücke T.3, T.5, T.6 und T.8 der Stellungnahme von Microsoft vom 19. August 2004 beigefügt waren und den Inhalt dieser Stellungnahme untermauern sollen. Dass Microsoft detailliert auf das Vorbringen der Kommission in deren Stellungnahme vom 21. Juli 2004 erwidert hat, kann ihr daher nicht vorgeworfen werden, wobei es keine Rolle spielt, dass das beigefügte Schriftstück ein Datum trägt, das vor dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung liegt, und dass es mit einem Schriftstück, das der Klageschrift beigefügt ist, identisch ist oder diesem gleicht. Ferner konnte Microsoft aus denselben Gründen die Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen zu Recht auf Anlage U.2 stützen.

C - Zu den fehlenden Nachweisen

94. Die Kommission macht geltend, Anlage T.5 und Anlage T.8 beruhten auf Informationen, die ihr nicht zugänglich seien (Absatz 4 der Anlage T.5 nehme ohne nähere Erläuterungen Bezug auf Informationen von Microsoft; bezüglich Anlage T.8 seien die Berichte nicht beigefügt, auf die in Absatz 6 [Merrill Lynch und Forrester über die Daten zum Servermarkt], in Fußnote 35 [von Microsoft durchgeführte Studie], in den Fußnoten 42 und 43 ["Digital Media Tracker Untersuchung"], in Fußnote 48 ["Analyse der auf PCs installierten multimedialen Abspielsoftware"] und in Fußnote 50 ["NERA Mitteilung"] Bezug genommen werde).

95. Es ist Sache des Gerichts, gegebenenfalls zu entscheiden, ob den auf die oben genannten Gutachten und Informationen gestützten Darlegungen der Beweiswert fehlt.

D - Zur Nichteinhaltung bestimmter Formvorschriften

96. Die Kommission und CCIA vor ihrer Streithilferücknahme machen geltend, Microsoft nehme in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung Bezug auf Anlage R.6 (Carboni, Stellungnahme zum Markenrecht), ohne die Relevanz dieser Unterlagen zu begründen, so dass die Anlage nicht berücksichtigt werden dürfe.

97. Wie bereits oben in Randnummer 88 dargelegt, kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Antragsschrift beigefügt sind, nicht das Fehlen wesentlicher Umstände in der Antragsschrift ausgleichen. Im vorliegenden Fall soll Anlage R.6, auf die der Antrag auf einstweilige Anordnung Bezug nimmt, ein Vorbringen stützen, das die Gefahr einer Verletzung der Handelsmarken von Microsoft betrifft und wie folgt lautet: "Der sofortige Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung würde auch die Handelsmarken Microsoft und Windows ernsthaft schädigen, denn Microsoft müsste ein abgerüstetes Produkt verkaufen, das mit ihrem Grundkonzept nicht zu vereinbaren wäre." Da aus diesem Satz hinreichend deutlich hervorgeht, dass Anlage R.6 die dargelegte Gefahr erläutern soll, muss diese Anlage nicht von der Berücksichtigung im Verfahren ausgeschlossen werden.

V - In der Sache

A - Zur Frage der Informationen zur Interoperabilität

1. Vorbringen der Beteiligten

a) Vorbringen von Microsoft und der als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassenen Verfahrensbeteiligten

Zum fumus boni juris

98. Microsoft ist der Auffassung, zwischen ihr und der Kommission bestünden ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über die Zwangslizenzen für ihre Kommunikationsprotokolle, so dass die Rechtswidrigkeit des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung glaubhaft gemacht sei.

99. Die vier Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen zur Lizenzerteilung verpflichtet werden könne, wie sie vom Gerichtshof in den Urteilen vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 238/87 (Volvo, Slg. 1988, 6211), vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, im Folgenden: Urteil Magill), vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97 (Bronner, Slg. 1998, I-7791) und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-418/01 (IMS Health, Slg. 2004, I-5039, Randnr. 49) festgelegt worden seien, seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

100. Erstens seien die Bestandteile des geistigen Eigentums, die Microsoft aufgrund der Entscheidung den Wettbewerbern offen zu legen habe, nicht unverzichtbar, um den Tätigkeiten eines Anbieters von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver nachzugehen.

101. Microsoft beruft sich auf fünf Methoden, die die Interoperabilität der Betriebssysteme unterschiedlicher Anbieter gewährleisten könnten: erstens die Verwendung von Standardkommunikationsprotokollen wie TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) und HTTP (HyperText Transfer Protocol), zweitens die Hinzufügung eines Softwarecodes zum Windows-Client-PC- oder Windows-Server-Betriebssystem, so dass dieses mit einem konkurrierenden Server-Betriebssystem unter Verwendung von Kommunikationsprotokollen speziell für dieses Server-Betriebssystem kommunizieren könne, drittens die Hinzufügung eines Softwarecodes zum konkurrierenden Server-Betriebssystem, so dass dieses mit einem Windows-Client-PC- oder Windows-Server-Betriebssystem unter Verwendung der Kommunikationsprotokolle speziell für das Windows-Betriebssystem kommunizieren könne, viertens die Hinzufügung eines Softwarecode-Blocks zu allen Client-PC- und Server-Betriebssystemen eines Netzwerks, so dass diese über die Kommunikation zwischen den Softwarecode-Blöcken interoperieren könnten, und fünftens die Verwendung eines Windows-Server-Betriebssystems als "Brücke" zwischen dem Windows-Client-PC-Betriebssystem und dem konkurrierenden Server-Betriebssystem.

102. Weiter gebe es keine Beschwerden der Kunden über den vorhandenen Grad an Interoperabilität.

103. Schließlich gebe es auch weiterhin mehrere Wettbewerber, die dieser Tätigkeit nachgingen.

104. Zweitens habe Microsofts Weigerung, den Wettbewerbern die Bestandteile ihres geistigen Eigentums offen zu legen, nicht verhindert, dass neue Produkte aufgetaucht seien, für die Kundenbedarf bestanden habe. Es sei kein Nachweis dafür erbracht worden, dass Bedarf ungedeckt geblieben sei. Es sei auch nicht belegt, dass die Wettbewerber die Bestandteile des geistigen Eigentums von Microsoft zur Entwicklung neuer Produkte und nicht nur zur Reproduktion der Funktionalitäten der vorhandenen Microsoft-Produkte verwenden würden.

105. Dass, drittens, Microsoft sich ihre Technologie für die eigene Nutzung vorbehalten habe, habe nicht zur Beseitigung des Wettbewerbs auf einem Sekundärmarkt geführt, da, wie das anhaltende Wachstum von Linux bestätige, zwischen den Anbietern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver ein scharfer Wettbewerb herrsche. Sechs Jahre nach der angeblichen Weigerung von Microsoft sei der Markt daher vom Wettbewerb geprägt.

106. Viertens sei Microsofts Weigerung, den Anbietern von konkurrierenden Server-Betriebssystemen Lizenzen für ihre Technologie zu erteilen, objektiv gerechtfertigt. Im Gegensatz zu den Informationen, die nach dem damals maßgeblichen nationalen Recht geschützt gewesen seien und deren Offenlegung die Unternehmen, die in den Rechtssachen Magill und IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, beteiligt gewesen seien, abgelehnt hätten, beträfen die im vorliegenden Fall geschützten Informationen eine Technologie, die geheim und hochwertig sei. Für ihre Schlussfolgerung, dass die Weigerung, durch das Recht des geistigen Eigentums geschützte Informationen mitzuteilen, objektiv nicht gerechtfertigt sei und somit einen Verstoß gegen Artikel 82 EG darstelle, habe die Kommission ein unbestimmtes Beurteilungskriterium angewandt, das deutlich von den früher von der Rechtsprechung anerkannten Kriterien abweiche. So habe die Kommission die Auffassung vertreten, dass eine solche Weigerung einen Verstoß gegen Artikel 82 EG darstelle, wenn alles in allem die positiven Auswirkungen auf die Innovationen im gesamten Wirtschaftssektor die negativen Auswirkungen auf die Innovationsanreize für das Unternehmen ausglichen (Randnr. 783). Abgesehen von der Unbestimmtheit dieses neuen Kriteriums sei weder durch Beweismittel noch durch Untersuchungen belegt, dass es in diesem Sektor zu einer Innovationsbelebung käme, wenn Microsoft den Wettbewerbern ihre Technologie offen legen würde. Eine Zwangslizenz würde den Wettbewerb unter den Anbietern von Server-Betriebssystemen vielmehr schmälern.

107. Sun Microsystems habe von Microsoft die Bekanntgabe derjenigen Technologie, deren Offenlegung die Kommission Microsoft gegenüber angeordnet habe, nicht verlangt. Da Sun Microsystems zudem nie eine Lizenz für die Entwicklung von Software im Europäischen Wirtschaftsraum verlangt habe, habe Microsoft nicht davon ausgehen müssen, dass das Ersuchen von Sun Microsystems sie zu einem Verhalten veranlassen könne, das möglicherweise in den Geltungsbereich des Artikels 82 EG falle.

108. Indem die Kommission Microsoft verpflichte, Lizenzen für geschützte Informationen zu erteilen, berücksichtige sie schließlich nicht in der gehörigen Weise die Verpflichtungen der Gemeinschaften nach dem TRIPs-Übereinkommen (vgl. oben Randnr. 84).

109. In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004 vertritt Microsoft die Auffassung, die Kommission gehe zu Unrecht davon aus, dass die Entscheidung kein geändertes Verhalten von Microsoft verlange, sondern nur zur Folge habe, dass Microsoft zu ihrer ursprünglichen Geschäftspolitik zurückkehren müsse. Die Kommission behaupte nämlich nicht, dass die in Artikel 5 der Entscheidung genannten Informationen in der Vergangenheit zur Verfügung gestellt worden seien. Wenn sich die Kommission daher auf die Information über die Netzwerktechnologie bezogen habe, für die AT&T 1994 eine Lizenz zur Entwicklung eines Produktes mit der Bezeichnung "Advanced Server for UNIX" (im Folgenden: AS/U) erhalten habe, so sei darauf hinzuweisen, dass die Übermittlung der Informationen nicht unterbrochen worden sei. Das von Sun Microsystems entwickelte Produkt mit der Bezeichnung "PC Net Link", für das AT&T eine Lizenz bezüglich AS/U erteilt habe, sei zur Zeit noch auf dem Markt erhältlich. Sun Microsystems betreibe weiterhin Werbung für dieses Produkt mit der Aussage, dass sie für die Server-Betriebssysteme Solaris "auf Windows NT basierende Netzwerkdienste" - einschließlich Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste - zur Verfügung stelle. Sun Microsystems behaupte auch, dass PC Net Link problemlos mit den letzten Versionen der Windows-Client-PC-Betriebssysteme von Microsoft einschließlich Windows 2000 Professional und Windows XP arbeite.

110. Zudem könne Microsoft nicht verpflichtet sein, in Zukunft für alle ihre Kommunikationsprotokolle Lizenzen zu vergeben, nur weil sie 1994 AT&T eine Lizenz für Netzwerktechnologie erteilt habe. Im Übrigen sei zwischen Microsoft und AT&T vertraglich vereinbart worden, dass neue Technologien nicht Gegenstand ihrer Geschäftsbeziehung seien.

111. Die konkurrierenden Anbieter von Server-Betriebssystemen schließlich seien von den Informationen zur Interoperabilität, deren Übermittlung Microsoft angeblich unterbrochen habe, nicht abhängig. Novell habe AS/U niemals genutzt und habe niemals auch nur das geringste Interesse an einer solchen Nutzung bekundet. NetWare von Novell erbringe Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste für Windows-Betriebssysteme unter Benutzung eines eigenen Pakets von Kommunikationsprotokollen. Die Linux-Anbieter hätten ebenfalls keine Verwendung für AS/U. Ihre Server-Betriebssysteme erbrächten Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste für Windows-Betriebssysteme unter Verwendung des Open-Source-Softwareprodukts Samba, das durch Funktionsuntersuchung der Kommunikationsprokolle von Microsoft entwickelt worden sei.

Zur Dringlichkeit

112. Microsoft behauptet, durch den sofortigen Vollzug des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung würden schwerwiegende und nicht wieder gutzumachende Schäden von dreierlei Art entstehen.

- Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

113. Die Entscheidung habe zur Folge, dass Microsoft Lizenzen für hochwertige, durch Rechte des geistigen Eigentums geschützte Informationen erteilen müsste. Die hierin liegende Verletzung dieser Rechte stelle einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden dar.

? Hochwertige Informationen

114. Microsoft trägt vor, dass die Kommunikationsprotokolle eine in ihrem Eigentum stehende Technologie seien, die von den Windows-Client-PC- und Windows-Server-Betriebssystemen für den Informationsaustausch mit anderen Kopien dieser Betriebssysteme genutzt werde, und dass deren Handelswert erheblich sei (Studie von S. Madnick und B. Meyer, Der durch Microsofts Verpflichtung zur Preisgabe aller für die Bereitstellung der Arbeitsgruppendienste genutzten Kommunikationsprotokolle hervorgerufene Schaden, Anlage R.2 [im Folgenden: Studie Madnick und Meyer]). Ihre Kommunikationsprotokolle seien das Ergebnis langjähriger und sehr kostspieliger Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Es seien erhebliche Anstrengungen unternommen worden, um Kommunikationsprotokolle zu entwerfen, die zweckdienliche Funktionalität zur Verfügung stellten und Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Effizienz der Dialoge zwischen den Windows-Betriebssystemen verbesserten.

115. Die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle seien detaillierte Beschreibungen des Entwurfs und der Funktionsweise der Kommunikationsprotokolle; sie ermöglichten einem Wettbewerber, der im Besitz der Kommunikationsprotokolle von Microsoft sei, diese in seinem eigenen Server-Betriebssystem zu nutzen.

116. In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004 betont Microsoft, dass die Gewährung von Zwangslizenzen für die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle, aufgrund deren mehrere Windows-Server-Betriebssysteme gemeinsam laufen könnten, um Arbeitsgruppendienste anzubieten, zur Folge hätte, dass eine große Anzahl von Informationen über den internen Aufbau der Windows-Betriebssysteme preisgegeben würde. Wie sich aus der Studie Madnick und Meyer ergebe, würden die Lizenzen für die Kommunikationsprotokolle, die den Dialog zwischen verschiedenen Windows-Server-Betriebssystemen ermöglichten, eine Vielzahl von Informationen darüber aufdecken, wie in diesen Betriebssystemen das Dateiverzeichnis, das so genannte Active Directory, arbeite.

? Durch Rechte des geistigen Eigentums geschützte Informationen

117. Microsofts Kommunikationsprotokolle und die Spezifikationen mit den Beschreibungen der Kommunikationsprotokolle seien durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt. Microsoft weist in Erwiderung auf ein Vorbringen der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2004 darauf hin, dass einerseits zwischen dem Aufbau, den Spezifikationen und der Implementierung der Protokolle unterschieden werden müsse und dass andererseits der Schutz des geistigen Eigentums nicht auf eine dieser drei Kategorien beschränkt sei.

Schutz durch das Urheberrecht

118. Die Kommunikationsprotokolle seien kraft der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886, zuletzt geändert am 28. September 1979, und der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 122, S. 42) gemäß deren Präambel und deren Artikel 1 Absatz 1 durch das Urheberrecht geschützt. Die Spezifikationen dieser Protokolle seien Entwurfsmaterial zur Vorbereitung der Protokolle, das ebenfalls vom Urheberrecht geschützt werde (Stellungnahme Prescott, Anlage T.3, erwähnt oben in Randnr. 90).

119. Folglich stehe Microsoft wie jedem Urheberrechtsinhaber das ausschließliche Recht zu, die Veröffentlichung ihrer geschützten Werke zu gestatten oder diese der Öffentlichkeit auf andere Weise zugänglich zu machen. Die einschlägigen Urheberrechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten gestatteten den Eigentümern geschützter Werke ausdrücklich die Bestimmung darüber, ob die Werke veröffentlicht oder auf andere Weise bekannt gemacht würden. Durch die Entscheidung jedoch werde Microsoft das Recht entzogen, darüber zu entscheiden, in welcher Form, wem, wann und unter welchen Bedingungen sie gegebenenfalls die Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle zugänglich machen wolle. Die Kommission könne daher nicht zugleich anerkennen, dass die Spezifikationen von Microsofts Kommunikationsprotokollen, sobald aufgestellt, vom Urheberrecht geschützt seien, und die Auffassung vertreten, das Urheberrecht werde durch die in der Entscheidung auferlegte Verpflichtung, für diese Spezifikationen Lizenzen zu erteilen, nicht in seinem Wesensgehalt verletzt.

120. Der Inhaber eines Urheberrechts genieße auch das ausschließliche Recht, die Schöpfung abgeleiteter Werke zu erlauben, wie sich sowohl aus Artikel 12 der Berner Übereinkunft als auch aus Artikel 4 der Richtlinie 91/250 ergebe. Dieses ausschließliche Recht, die Schöpfung abgeleiteter Werke zu erlauben, werde verletzt, da die Implementierung der Spezifikationen von Microsofts Kommunikationsprotokollen durch Microsofts Konkurrenten fast zwangsläufig eine Bearbeitung oder Übersetzung der genannten Spezifikationen darstelle, die in den Geltungsbereich des Urheberrechts falle und somit nicht als ein unabhängig entwickeltes Werk gelten könne. Selbst wenn man unterstelle, die Lizenznehmer wären in der Lage, bestimmte Spezifikationen zu implementieren, ohne gegen Microsofts Urheberrecht zu verstoßen, so würde die Entscheidung nicht verlangen, dass die Lizenznehmer sich gerade in dieser Weise verhielten, denn die Entscheidung verpflichte Microsoft, die Nutzung der Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle zu gestatten, ohne den Lizenznehmern für die Entwicklung ihrer Werke Grenzen zu setzen. Es gebe daher keinen Grund zu der Annahme, dass die Lizenznehmer nur Anwendungen entwickeln würden, die nicht rechtswidrig wären, selbst wenn man unterstelle, dass dies möglich sei.

121. Schließlich macht Microsoft geltend, im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs seien alle Beteiligten einig gewesen, dass die Spezifikationen ihrer Client-Server-Kommunikationsprotokolle durch das Urheberrecht geschützt seien.

Schutz durch das Patent

122. In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung trägt Microsoft vor, dass bestimmte Kommunikationsprotokolle, deren Offenlegung die Kommission von ihr verlange, durch Patente oder Patentanmeldungen geschützt seien und dass Microsoft beabsichtige, bis Juni 2005 eine größere Anzahl von Patentanmeldungen bezüglich verschiedener Aspekte der Windows-Client-PC- und Windows-Server-Betriebssysteme einzureichen, die die in der Entscheidung genannten Kommunikationsprotokolle beträfen. Da die Geltung der Entscheidung zeitlich nicht beschränkt sei, müssten die zukünftigen Patente unter die von der Entscheidung vorgeschriebenen Zwangslizenzen fallen.

123. In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004 nennt Microsoft drei bestehende europäische Patente und zwei anhängige Patentanmeldungen, die sich auf die unter die Zwangslizenzen fallenden Kommunikationsprotokolle erstreckten. Nach Auffassung von Knauer, Anlage T.5, erwähnt oben in Randnummer 91, seien mehrere von den Windows-Server-Betriebssystemen für die Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste genutzte Kommunikationsprotokolle durch Patente geschützt, nämlich das Protokoll DFS (Distributed File System) durch das Patent EP 0 661 652 B1, das Protokoll SMB durch das Patent EP 0 438 571 B1 und das Protokoll Distributed Component Object Model Remote durch das Patent EP 0 669 020 B1. Die Patentanmeldungen erstreckten sich auf die Protokolle Constraint Delegation und Active Directory Sites.

124. Die Kommission nehme die patentierte Technologie von der Abhilfemaßnahme nicht aus und verlange, dass Microsoft Lizenzen für alle ihre die Kommunikationsprotokolle betreffenden Rechte des geistigen Eigentums unter Einschluss sämtlicher Patente erteile. Die Konkurrenten hätten daher keinen Grund, die Entwicklung von Anwendungen zu versuchen, die die patentierten Methoden nicht nutzten.

Schutz durch das Geschäftsgeheimnis

125. Microsoft ist der Ansicht, die Kommunikationsprotokolle seien Geschäftsgeheimnisse, die Dritten nicht zugänglich gemacht worden seien, es sei denn, diese hätten sich vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet.

126. Auf die Stellungnahme der Kommission vom 21. Juli 2004, der zufolge, erstens, sich im Wettbewerbsrecht die Rechtmäßigkeit der Weigerung, ein "Geheimnis" zu offenbaren, das nur aufgrund einer einseitigen Geschäftsentscheidung bestehe, nach den widerstreitenden Interessen richte und, zweitens, der Schaden, der Microsoft durch die Verpflichtung zur Aufdeckung ihrer Geschäftsgeheimnisse zugefügt werde, geringer sei als der Schaden, der durch die Verpflichtung von Microsoft entstehe, die Vervielfältigung ihrer durch das Urheberrecht geschützten Werke oder die Verletzung ihrer Patentrechte zu erlauben, erwidert Microsoft, dass für sie gegenwärtig die Möglichkeit bestehe, ihre Kommunikationsprotokolle gegen Entgelt an Dritte zu überlassen, dass sie gegen diejenigen, die die Protokolle rechtswidrig benutzten, gerichtlich vorgehen könne (Stellungnahmen Prescott und Galloux, Anlage T.3 bzw. T.6, erwähnt oben in Randnr. 90) und dass folglich die Zwangslizenzen den Wert des in Rede stehenden Vermögens beeinträchtigten. Außerdem könne aus dem Urteil vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91 (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnrn. 84 und 139) nicht abgeleitet werden, das Gericht sei davon ausgegangen, dass geheime Informationen in Form von Spezifikationen nicht in derselben Weise geschützt seien wie andere Rechte des geistigen Eigentums, denn das Gericht sei nicht mit der Frage befasst gewesen, ob die Spezifikationen von Pappkartons geschützte Geschäftsgeheimnisse darstellten.

Zur Erforderlichkeit der Informationen

127. In ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2004 trägt die Kommission vor, dass die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle von Microsoft "erforderliche Informationen zur Herstellung der Interoperabilität" im Sinne der Richtlinie 91/250 seien und dass Microsofts Konkurrenten daher aufgrund der Zwangslizenzen, die von der Entscheidung vorgeschrieben seien, nichts erhielten, was sie nicht schon durch Dekompilierung der Windows-Server-Betriebssysteme nach Maßgabe der Ausnahmeregelung des Artikels 6 der Richtlinie erlangen könnten.

128. Microsoft ist der Auffassung, dass diese Behauptung aus mehreren Gründen unzutreffend sei.

129. Erstens stelle Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 91/250 nur eine begrenzte Ausnahme von den in Artikel 4 der Richtlinie aufgeführten Ausschließlichkeitsrechten des Eigentümers eines geschützten Softwareprogramms dar. Unter bestimmten, genau definierten Umständen dürfe ein "berechtigter Nutzer" die Schnittstellen eines geschützten Softwareprogramms durch "Dekompilierung" des maschinenlesbaren, die Schnittstellen darstellenden Codes "aufdecken". Eine solche Dekompilierung sei nur erlaubt, wenn die Schnittstellen unerlässlich seien, um die Funktionalität eines unabhängig geschaffenen Softwareprogramms zu gewährleisten, und wenn die Schnittstellen vom Eigentümer des Programms nicht zugänglich gemacht worden seien. Abgesehen davon, dass Microsoft die Schnittstellen, die die Softwareprogramme Dritter benötigten, um die Funktionalität der Windows-Server-Betriebssysteme in Anspruch zu nehmen, bereits offen gelegt habe, seien im vorliegenden Fall die Spezifikationen von Microsofts Kommunikationsprotokollen nicht erforderlich, um die Funktionalität eines unabhängig geschaffenen Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver zu gewährleisten. Die Entscheidung verpflichte Microsoft vielmehr, den Wettbewerbern durch Entwicklung eigener Implementierungen der Kommunikationsprotokolle von Microsoft die Herstellung von Produkten zu gestatten, die dieselben Daten- und Druckdienste sowie Nutzer- und Nutzergruppenverwaltungsdienste leisteten wie die Windows-Server-Betriebssysteme. Microsoft werde daher verpflichtet, ihren Wettbewerbern wertvolle Geschäftsinformationen unter Voraussetzungen zugänglich machen, unter denen sie nach Artikel 6 Absatz 2 der genannten Richtlinie keine Dekompilierung verlangen könnten.

130. Zweitens gestatte Artikel 6 der Richtlinie 91/250 die Erlangung von Informationen durch Dekompilierung, setze jedoch in Absatz 2 der Verwendung dieser Informationen drei enge Grenzen, zu denen das Verbot gehöre, diese Informationen zur Schaffung eines Programms zu verwenden, mit dem dasjenige Programm vervielfältigt werde, das Gegenstand der Dekompilierung gewesen sei. Die Entscheidung jedoch enthalte keine solche Grenze; vielmehr gestatte sie den Lizenznehmern die Entwicklung von Anwendungen, die Microsofts Urheberrecht an den Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle verletze.

131. Drittens hätten die Spezifikationen einen größeren Wert als die Informationen, die Microsofts Konkurrenten aufgrund einer rechtmäßigen Dekompilierung erhalten könnten.

Zum schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden

132. Microsoft führt als Nächstes aus, die Offenlegung der durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Informationen führe zu einem schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden.

133. Dadurch, dass Artikel 5 Buchstabe a der Entscheidung Microsofts Konkurrenten die Nutzung der Kommunikationsprotokolle für den Vertrieb von Server-Betriebssystemen gestatte, die an die Stelle der von Microsoft vertriebenen Server-Betriebssysteme treten könnten, werde Microsoft um den Genuss der Wettbewerbsvorteile gebracht, die sie durch ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen erworben habe. Die Rechte des geistigen Eigentums umfassten jedoch auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob und wie das geschützte Eigentum genutzt werde. Es sei bereits entschieden worden, dass die Zwangslizenz den "Grundgedanken" des geistigen Eigentums verletze, dass dieses "dem Urheber schöpferischer und ursprünglicher Werke das ausschließliche Recht gewährt, diese Werke zu verwerten" (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 26. Oktober 2001 in der Rechtssache T-184/01 R, IMS Health/Kommission, Slg. 2001, II-3193, Randnr. 125). Deshalb habe das Gericht erkannt, dass das an ein Unternehmen gerichtete Verlangen, Lizenzen für ihre Immaterialgüterrechte zu erteilen, auch wenn es "rein vorübergehender Natur" sei, die Gefahr beinhalte, dass dem Unternehmen ein "schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden" entstehe, und zwar auch dann, wenn die betreffenden Informationen bereits dem Bereich der freien Verfügbarkeit angehörten (ebenda, Randnr. 127).

134. Dass die Offenlegung des geistigen Eigentums nicht wieder rückgängig zu machen sei, werde besonders bei den Geschäftsgeheimnissen deutlich. Im vorliegenden Fall erstrecke sich das geistige Eigentum auf Microsofts Konzepte zur Lösung bestimmter Aufgaben, die die Server-Betriebssysteme allein und in Zusammenarbeit mit Client-PC- und Server-Betriebssystemen auszuführen hätten. Das durch die Aufdeckung dieser Konzepte entstandene Wissen würde nie wieder aus dem Gedächtnis der Empfänger gelöscht werden können.

135. Die Verpflichtung, Lizenzen für durch das Urheberrecht geschützte Informationen zu erteilen, habe ebenfalls irreversible Wettbewerbswirkungen. Die Untersuchung der durch das Urheberrecht geschützten Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle könne Microsofts Konkurrenten eine profunde Kenntnis der internen Arbeitsweisen ihrer Betriebssysteme verschaffen und versetze sie in die Lage, die Kenntnis für ihre eigenen Produkte zu nutzen. Es sei später unmöglich festzustellen, dass Microsofts Konkurrenten diese Kenntnis nicht genutzt hätten.

136. Die Zwangslizenzen für die Patente verursachten gleichfalls einen nicht wieder gutzumachenden Schaden. Zwar werde Microsoft nach einer Aufhebung der Entscheidung Dritte gerichtlich in Anspruch nehmen können, um sie an einer Nutzung der patentierten Technologie zu hindern, doch sei eine Prüfung, ob Microsofts Technologie noch genutzt werde, besonders kompliziert und ineffizient, und die zwischenzeitlich hergestellten Produkte, die Microsofts Erfindungen einbezögen, blieben wahrscheinlich in den Vertriebskanälen und im Besitz der Kunden.

137. Obwohl die Entscheidung Microsoft gestatte, Lizenzen für diese Rechte des geistigen Eigentums unter "vernünftigen und nicht diskriminierenden Bedingungen" zu erteilen, was wohl die Zahlung einer Gebühr einschließe, werde der an Microsofts Rechten des geistigen Eigentums entstandene Schaden durch die Zahlung einer solchen Gebühr nicht ausgeglichen (vgl. in diesem Sinne Beschluss IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnr. 133, Randnr. 125).

- Beschränkung der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit von Microsoft

138. Unter Hinweis auf die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 3. Juni 1996 in der Rechtssache T-41/96 R (Bayer/Kommission, Slg. 1996, II-381, Randnr. 54) und IMS Health/Kommission (zitiert oben in Randnr. 133, Randnr. 130) trägt Microsoft vor, ihre Freiheit, über die wesentlichen Elemente ihrer Geschäftspolitik zu entscheiden, werde wie in den Fällen, die zu den genannten Beschlüssen geführt hätten, durch den Vollzug der Entscheidung eingeschränkt.

? Zur Freiheit der Informationsübermittlung

139. Im vorliegenden Fall gehöre es nicht zu Microsofts Geschäftspolitik, für ihre Kommunikationsprotokolle eine allgemeine Lizenz zu vergeben. Die Erteilung von Lizenzen für ihre Client-Server-Kommunikationsprotokolle sei im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs vereinbart worden, dieser Vergleich erstrecke sich indessen nicht auf die Erteilung von Lizenzen für Server-Server-Kommunikationsprotokolle. Indem Microsoft verpflichtet werde, die Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle, die überwiegend nicht erstellt worden seien, zur Verfügung zu stellen, mache die Entscheidung aus Microsoft einen Technologielieferanten für ihre Konkurrenten auf dem Gebiet der Server-Betriebssysteme.

140. Microsoft legt sodann die Unterschiede dar, die zwischen dem US-amerikanischen Vergleich und der mit Sun Microsystems geschlossenen Vereinbarung einerseits und der Entscheidung andererseits bestünden.

141. Der US-amerikanische Vergleich sehe die Erteilung von Lizenzen für die Client-Server-Kommunikationsprotokolle nur zu dem Zweck vor, die Interoperabilität mit den Windows-Client-PC-Betriebssystemen sicherzustellen. Im Unterschied hierzu schreibe die Entscheidung vor, für die genannten Protokolle Lizenzen zwecks Verwendung in Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu vergeben, die Daten- und Druckdienste sowie Nutzer- und Nutzergruppenverwaltungsdienste für alle Windows-Client-PC- oder Windows-Server-Betriebssysteme zur Verfügung stellten.

142. Der im April 2004 mit Sun Microsystems - dem einzigen Beschwerdeführer vor der Kommission - geschlossene Vergleich habe u. a. aus einer Reihe gegenseitiger Vereinbarungen bestanden, in denen sich die Beteiligten auf die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Produkten sowie auf die Vergabe wechselseitiger Lizenzen geeinigt hätten, zu denen auch Lizenzen für Kommunikationsprotokolle der von der Entscheidung erfassten Art gehörten. Microsoft betont jedoch, dass ihr die wechselseitigen Lizenzen eine Gegenleistung in Form des Zugangs zum geistigen Eigentum von Sun Microsystems gewährten und dass für Sun Microsystems ein Anreiz bestehe, Microsofts Rechte des geistigen Eigentums an der lizenzierten Technologie zu beachten. Dadurch, dass diese Vereinbarungen gegenseitig seien, erhalte Microsoft eine Gegenleistung, die bei den von der Entscheidung vorgeschriebenen Zwangslizenzen gerade fehle.

? Zur Freiheit der Produktentwicklung

143. Microsoft führt aus, sie werde durch den Vollzug der Entscheidung ihre Fähigkeit zur Produktentwicklung verlieren. Die Zwangslizenzen für die Kommunikationsprotokolle gefährdeten definitiv ihre Freiheit, über die Produktentwicklung zu bestimmen. Die zukünftige Verbesserung der Protokolle und damit auch Microsofts Innovationsfähigkeit seien, wie die Studie Madnick und Meyer zeige, beeinträchtigt. Sobald Drittprodukte vom Aufbau eines Windows-Server-Betriebssystems abhängig seien und nicht anhand der veröffentlichten Schnittstellen auf die Funktionalität dieses Betriebssystems zurückgriffen, sei Microsofts Möglichkeit, den Aufbau im Interesse einer Produktverbesserung zu ändern, eingeschränkt. Die gegenteiligen Behauptungen der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2004 seien eine Verkennung der tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse. Für Microsoft sei es schon eine technische Herausforderung, im Rahmen der nachfolgenden Veröffentlichungen neuer Windows-Server-Betriebssysteme die Rückwärtskompitabilität mit den mehreren tausend veröffentlichten Schnittstellen aufrechtzuhalten, die von den Softwareprogrammen Dritter genutzt würden. Das Hinzufügen neuer Funktionalitäten und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit der bestehenden Funktionalitäten werde erheblich erschwert, wenn die Softwareprogramme Dritter anhand ehemals vertraulicher Protokolle auf die Windows-Funktionalitäten zurückgriffen (Studien Madnick und Meyer, Anlagen R.2 und T.7).

? Zur Notwendigkeit einer "Härtung" der Protokolle

144. Die privaten Protokolle seien nicht für die Nutzung in Softwareerzeugnissen unbekannter Dritter entworfen worden. Daher könne die Offenlegung einer großen Anzahl privater Kommunikationsprotokolle zu Störungen, Pannen und Sicherheitsrisiken führen. Microsoft müsse somit einen Teil ihrer Ressourcen für die Härtung der Protokolle verwenden, um eine versehentliche oder böswillige Nutzung abzuwehren, was oft die Aufnahme eines Sicherungscodes oder die Vornahme umfangreicher zusätzlicher Tests erforderlich mache, bevor die Produkte, die Kommunikationsprotokolle verwendeten, in den Handel gebracht würden. Insoweit beeinträchtige die Entscheidung irreversibel Microsofts Freiheit, ihre Produkte in der von ihr für angemessen erachteten Weise zu entwickeln.

145. In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2004 fügt Microsoft hinzu, dass es die Kunden technisch verwundbar mache, wenn die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle, die stets nur die Kommunikation zwischen den Windows-Server-Betriebssystemen bezweckt hätten, den Kunden zur Verfügung gestellt würden. Microsoft bezieht sich hierzu auf die Studien Madnick und Meyer, Anlagen R.2 und T.7. Derartige Protokolle stellten zahlreiche Forderungen bezüglich der internen Arbeitsweise der Server-Betriebssysteme auf, die gemeinsam Arbeitsgruppendienste erbrächten. Sie verfügten daher nicht über die Schutzmechanismen, mit denen sie ausgestattet wären, wenn sie für die Kommunikation mit Softwareerzeugnissen Dritter entwickelt worden wären. Zwar sei es für Microsoft möglich, in Zukunft die Implementierung ihrer Kommunikationsprotokolle zu "härten", doch gebe es in den Netzwerken der Kunden Millionen von Windows-Server-Betriebssystemen, die die Protokolle in ihrem gegenwärtigen Zustand nutzten. Es sei nicht möglich, diese Produkte nachträglich zu ändern, um sie vor missbräuchlicher Verwendung der Kommunikationsprotokolle zu schützen, da die Installation der erforderlichen Schutzmechanismen umfangreiche Änderungen der bereits im Gebrauch befindlichen Produkte erfordern würde. Auch wenn die Kommission sich über das, was sie als "Sicherheit durch Unklarheit" bezeichne (Anlage S.2), lustig mache, die Kunden seien nicht zufrieden, wenn sie erfahren müssten, dass die jetzigen Windows-Server-Betriebssysteme durch die in der Entscheidung von der Kommission angeordnete Offenlegung störungsanfällig geworden seien (Studie Madnick und Meyer, Anlage T.7). Die Protokolle seien kompliziert und das Risiko von Fehlern bei ihrer Implementierung in einem anderen Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver beträchtlich. Ein solcher Fehler könne zu bedeutenden Datenverlusten und Datenveränderungen und zugleich zu einem Schaden bei Microsoft und ihren Kunden führen. Selbstverständlich reagierten die Kunden empfindlich bei Datenverlusten und Datenveränderungen, so dass Microsoft Schaden erleide, vor allem im Hinblick auf ihren Ruf, wenn die bestehende Grundlage der Windows-Server-Betriebssysteme durch eine fehlerhafte Nutzung der Microsoft-Kommunikationsprotokolle aufs Spiel gesetzt werde. Die Kommission behaupte, "jeder Schaden kann wieder gutgemacht werden ..., sobald die Entscheidung für nichtig erklärt ist". Die Nichtigerklärung könne jedoch weder den Datenverlust noch die Datenveränderung beseitigen noch könne sie Microsofts Ruf wiederherstellen.

- Die irreversible Änderung der Marktbedingungen

146. Microsoft führt aus, die Zwangslizenzen würden die gegebenen Marktbedingungen unwiderruflich zu ihrem Nachteil verändern. Diese Veränderung habe die Kommission offenbar herbeiführen wollen, wie sich aus Randnummer 695 der Entscheidung ergebe: "Hätten Microsofts Konkurrenten Zugang zu den begehrten Informationen zur Interoperabilität, könnten sie diese dazu verwenden, die verbesserten Funktionen ihrer eigenen Erzeugnisse im Rahmen des auf Interoperabilität basierenden Beziehungsnetzes, das die Windows-Domänenarchitektur stütze, zugänglich zu machen."

147. Als Beleg für die irreversiblen Marktveränderungen macht Microsoft geltend, dass eine Prüfung der detaillierten Spezifikationen der ihr gehörenden Kommunikationsprotokolle, die aufgrund der Zwangslizenzen möglich werde, den Wettbewerbern wichtige Aspekte des Aufbaus der Windows-Server-Betriebssysteme verraten könne. Wie in der Studie Madnick und Meyer ausgeführt, seien die Spezifikationen der früher privaten Kommunikationsprotokolle in besonderem Maß geeignet, Informationen über den internen Entwurf der Betriebssysteme preiszugeben, weil diese Protokolle oft von ihrer spezifischen Implementierung in einen Softwarecode abhängig seien. Die Nutzung der Kommunikationsprotokolle durch Dritte werde somit die Feststellung verschiedener Details beinhalten, während die Details unausgesprochen blieben, wenn die Protokolle ausschließlich von verschiedenen Kopien desselben Betriebssystems, das auf verschiedenen Servern laufe, genutzt würden.

148. Eine Offenlegung dieser Informationen in großem Rahmen gebe Microsofts Konkurrenten die Möglichkeit, in ihren Server-Betriebssystemen eine Reihe von Funktionalitäten nachzubilden, die Microsoft dank eigener Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen entwickelt habe. Der Schaden, der Microsoft hierdurch entstehe, gehe weit über den Rahmen der vorgeschriebenen Offenlegung, über den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und sogar über den geografischen Geltungsbereich einer Zwangslizenz hinaus.

Zur Interessenabwägung

149. Erstens trägt Microsoft vor, das Interesse der Gemeinschaften an der Festsetzung einer wirksamen Abhilfe mache einen sofortigen Vollzug des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung nicht erforderlich.

150. Da der Zweck des Artikels 82 EG darin bestehe, "die Interessen der Verbraucher zu wahren, und nicht, die Situation einzelner Wettbewerber zu schützen" (Beschluss IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnr. 133, Randnr. 145), sei es von besonderer Bedeutung, wenn den Verbrauchern kein Schaden entstanden sei. Im vorliegenden Fall ständen den Kunden verschiedene Interoperabilitätslösungen zur Verfügung. So habe während des fünfjährigen Verfahrens vor der Kommission kein Unternehmen erklärt, es habe sich für ein Server-Betriebssystem entscheiden wollen, das kein Windows-Server-Betriebssystem sei, es sei jedoch gezwungen gewesen, aus Gründen der Interoperabilität ein Windows-Server-Betriebssystem zu wählen.

151. Der Vollzug der in Artikel 5 der Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme sei nicht erforderlich, da Microsofts Konkurrenten gegenwärtig keinen dringenden Bedarf an einem Zugang zu Microsofts Kommunikationsprotokollen hätten. Außerdem habe die Kommission selbst nicht behauptet, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver kurzfristig entfalle, wenn der Vollzug des Artikels 5 der Entscheidung ausgesetzt werde.

152. Hierzu führt Microsoft aus, die Produkte ihrer Konkurrenten seien gegenwärtig wettbewerbsfähig; für diese Behauptung legt sie verschiedene Studien und Hochrechnungen bezüglich Linux, UNIX und Novell vor.

153. Ferner macht Microsoft geltend, die Kommission habe nicht dargetan, dass es eine Verbindung zwischen der Abhilfemaßnahme nach Artikel 5 der Entscheidung und einem wie immer gearteten Antrag gebe, den Anbieter von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver gestellt hätten. Sun Microsystems, Novell und Free Software Foundation/Samba hätten bei Microsoft keine Lizenz für die ihr gehörenden Kommunikationsprotokolle beantragt.

154. Der Vorteil, den die Konkurrenten daraus ziehen könnten, dass sie erfahren könnten, wie Microsoft bestimmte Fragen des Aufbaus der Server-Betriebssysteme gelöst habe, dürfe nicht schwerer wiegen als das berechtigte Interesse von Microsoft am Schutz ihrer eigenen Technologie. Bei der Interessenabwägung müsse das Allgemeininteresse an der Erhaltung eines wirksamen Wettbewerbs den bloßen Interessen von Microsofts Konkurrenten eindeutig vorgehen.

155. Eine Gefahr, dass die konkurrierenden Anbieter von Server-Betriebssystemen vom Markt ausgeschlossen würden, wenn die Wirkungen des Artikels 5 der Entscheidung ausgesetzt würden, bestehe nicht. Microsofts Konkurrenten hätten über eine Reihe von Jahren Lizenzen für ihre Server-Betriebssysteme an Geschäftskunden vergeben, ohne den Kunden zu den Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle einen Zugang zu gewähren, den Microsoft aufgrund der Entscheidung gewähren müsse. Zur Unterstützung ihrer Auffassung legt Microsoft verschiedene Daten bezüglich einiger ihrer Konkurrenten auf dem relevanten Markt vor.

156. Schließlich könne nicht gesagt werden, dass der Vollzug der Entscheidung dringend sei, da das Verwaltungsverfahren, in dessen Verlauf die Auffassung der Kommission sich ständig geändert habe, fünf Jahre gedauert habe.

157. Zweitens müssten bei der Interessenabwägung die Verpflichtungen der Gemeinschaften aus völkerrechtlichen Verträgen, zu denen das TRIPs-Übereinkommen gehöre, sowie die Begründetheit der Klage in Betracht gezogen werden. Zu dem letztgenannten Gesichtspunkt vertritt Microsoft unter Berufung auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2002 in der Rechtssache C-481/01 P(R) (NDC Health/IMS Health und Kommission, Slg. 2002, I-3401) die Auffassung, dass die Begründetheit ihrer Klage bei der Abwägung der beteiligten Interessen zu berücksichtigen sei. Im vorliegenden Fall sei besonders deutlich, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die rechtlichen Voraussetzungen (Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnr. 99), unter denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung verpflichtet werden könne, seinen Konkurrenten Lizenzen zu erteilen, erfüllt seien.

158. Drittens schließlich habe Sun Microsystems nach dem Erlass der Entscheidung mit Microsoft einen Vergleich geschlossen, in dem alle Streitpunkte, die der Beschwerde bei der Kommission zugrunde gelegen hätten, geregelt worden seien. Es bestehe daher kein dringendes Bedürfnis für den Vollzug der Entscheidung, bevor die Hauptsache entschieden sei.

159. ACT macht geltend, die Nichtaussetzung des Vollzugs der Abhilfemaßnahme habe schwerwiegende und irreparable Auswirkungen, die sich daraus ergäben, dass die Wirkung und der Wert der Rechte des geistigen Eigentums ihrer Mitglieder im Europäischen Wirtschaftsraum beeinträchtigt würden.

160. ACT führt des Näheren, erstens, aus, dass die unmittelbare Anwendbarkeit der Abhilfemaßnahme einen Präzedenzfall bezüglich der Zwangslizenzen für Rechte des geistigen Eigentums darstelle, der den Wert der Rechte des geistigen Eigentums ihrer Mitglieder rasch und in erheblichem Maße schmälern werde. Die Kommission habe Artikel 82 EG in einer Weise ausgelegt und angewandt, die mit den Verpflichtungen der Kommission aus den Artikeln 13, 31 und 39 des TRIPs-Übereinkommens nicht im Einklang stehe.

161. ACT trägt, zweitens, vor, dass die Offenlegung der Kommunikationsprotokolle, die zuvor ausschließlich Microsoft gehört hätten, zur Instabilität der Windows-Client-PC- und Windows-Server-Betriebssysteme führe, wodurch ihren Mitgliedern unmittelbar ein erheblicher Schaden entstehe.

162. CompTIA ist der Ansicht, dass die in Artikel 5 der Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme insoweit, als sie Microsoft verpflichte, ihr geistiges Eigentum jedem auf dem Servermarkt tätigen Unternehmen zugänglich zu machen, das Schutzniveau für das geistige Eigentum im gesamten Wirtschaftszweig der Informations- und Kommunikationstechnologie senke, zu Rechtsunsicherheit führe und unmittelbar den Rückgang der Investitionen im Technologiesektor zur Folge habe und damit das Niveau der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit absenke.

163. CompTIA meint überdies, der schwere und irreparable Schaden, der dem gesamten Sektor sowie den Mitgliedern von CompTIA durch diese Abhilfemaßnahme entstehe, gehe über die etwaigen negativen Auswirkungen hinaus, die das Unterlassen einer sofortigen Offenlegung auf das Allgemeininteresse und das Interesse Dritter habe. In diesem Zusammenhang betont CompTIA, sie habe keine Hinweise darauf erhalten, dass es mit der Interoperabilität ein Problem auf dem Servermarkt gebe, obwohl sie bei der Bescheinigung der Eignung der technischen Arbeitskräfte im Server-Sektor eine größere Rolle spiele als irgendein anderer Verband.

b) Vorbringen der Kommission und der als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassenen Verfahrensbeteiligten

164. Einleitend ist die Kommission der Auffassung, der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung stütze sich in hohem Maße auf die Beurteilung der Auswirkungen, die die Entscheidung auf die Ausübung der "Rechte des geistigen Eigentums" von Microsoft haben solle; sie macht hierzu einige einleitende Bemerkungen. In ihren Erklärungen vom 13. September 2004 führt die Kommission aus, ihr Vorbringen bliebe gültig, selbst wenn Microsoft ausdrücklich dargetan hätte, dass die Entscheidung sie zwinge, Lizenzen für ihre Rechte des geistigen Eigentums zu vergeben. FSF-Europe schließt sich dem Vorbringen der Kommission an.

Einleitende Erklärungen

165. Zunächst weist die Kommission darauf hin, dass Artikel 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung Microsoft verpflichte, eine technische Dokumentation, die so genannten "Spezifikationen", zur Verfügung zu stellen, in der die in Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung genannten "Protokolle" im Einzelnen beschrieben würden. Diese technische Dokumentation müsse jedoch von dem Quellcode der Microsoft-Produkte unterschieden werden. Ein Wettbewerber, der ein Server-Betriebssystem entwickeln wolle, das die Microsoft-Protokolle verstehe, müsse sein Produkt mit einem Quellcode versehen, der die Spezifikationen implementieren könne. Zwei Programmierer, die dieselben Protokollspezifikationen implementierten, würden nicht denselben Quellcode schreiben, und die Leistungen ihrer Programme wären unterschiedlich (Randnrn. 24, 25, 698 und 719 bis 722 der Entscheidung). Unter diesem Gesichtspunkt könnten die Protokolle mit einer Sprache verglichen werden, deren Syntax und Vokabular die Spezifikationen seien, denn allein die Tatsache, dass zwei Personen die Syntax und das Vokabular ein und derselben Sprache lernten, bedeute nicht, dass sie davon auch denselben Gebrauch machten.

166. Unter diesen Gesichtspunkten befasst sich die Kommission sodann mit den einzelnen von Microsoft geltend gemachten Rechten des geistigen Eigentums.

- Zum Urheberrecht

167. Was, erstens, das Urheberrecht angeht, so ist die Kommission der Auffassung, die Darlegungen von Microsoft seien unzutreffend, wenn nicht gar irreführend. Microsoft erwecke zu Unrecht den Eindruck, es verstoße regelmäßig gegen das Urheberrecht, die Informationen zur Interoperabilität zu verwenden, um die Interoperabilität herzustellen. Zu Unrecht auch trage Microsoft vor, dass sich der Schutz des Urheberrechts auf die Kommunikationsprotokolle erstrecke. Zu Unrecht schließlich berufe Microsoft sich für ihr Vorbringen, dass die Nutzung des in den Spezifikationen enthaltenen Wissens gegen das Urheberrecht verstoße, auf ein Urheberrecht an diesen "Spezifikationen".

168. Zwar sei nicht auszuschließen, dass die Spezifikationen als solche dem Urheberrecht unterliegen könnten, doch bedeute dies nicht, dass die Nutzung der darin enthaltenen Informationen in Form der Implementierung in ein Betriebssystem einen Verstoß gegen das Urheberrecht darstelle, denn die Implementierung einer Spezifikation sei, wie in der Entscheidung festgestellt werde, keine Vervielfältigung, sondern lasse ein durchaus selbständiges Werk entstehen (Randnrn. 25, 570 ff. und 719 ff.).

169. In ihren Erklärungen vom 13. September 2004 führt die Kommission der Sache nach aus, die Implementierung der Kommunikationsprotokolle stelle keine urheberrechtlich verbotene Verwertungsart dar.

170. Von den umfangreichen Ausführungen der Kommission zu den Erklärungen von Microsoft vom 19. August 2004 sind diejenigen anzuführen, die sich mit fünf Überlegungen eingehender befassen.

171. Erstens weist die Kommission darauf hin, dass Microsoft erstmals in ihren Erklärungen vom 19. August 2004 ein Recht auf "Offenlegung" geltend gemacht habe (oben Randnr. 119). Artikel 6a der Berner Übereinkunft, in dem die "Persönlichkeitsrechte" des Urheberrechtsinhabers geregelt seien, erwähne ein solches Recht nicht; eine Behinderung in der Ausübung dieses angeblichen Rechts könne daher nicht im Widerspruch zur "normalen Nutzung des Computerprogramms", wie sie in Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 91/250 definiert werde, stehen, da diese Vorschrift "[z]ur Wahrung der Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Berner Übereinkunft" auszulegen sei. Das Recht auf Offenlegung sei ferner ein "Persönlichkeitsrecht", das nicht Gegenstand einer Lizenz sein könne. Die Geltendmachung eines Rechts auf Offenlegung sei überdies schwer damit zu vereinbaren, dass die Microsoft-Produkte auf dem Markt seien, dass es Personen gebe, die in der Lage seien, sie zu beobachten, zu prüfen oder zu testen, und die sie unter bestimmten Umständen dekompilieren könnten. Schließlich seien die Gründe, auf die Microsoft ihre Weigerung, die fraglichen Informationen offen zu legen, stütze, rein wirtschaftlich und hätten somit nichts mit der Ratio der in Frage stehenden Vorschrift zu tun.

172. Zweitens macht die Kommission geltend, die offen zu legende technische Dokumentation könne nicht mit der Begründung, es handele sich um "Entwurfsmaterial zur Vorbereitung" eines Computerprogramms, als ein nach der Richtlinie 91/250 geschütztes "Computerprogramm" angesehen werden (oben Randnr. 118). Die fraglichen Informationen würden nämlich nicht im Voraus als interne Hilfe bei der Erstellung der Microsoft-Programme, sondern im Nachhinein zu dem alleinigen Zweck geschrieben, Microsofts Konkurrenten lediglich einen beschränkten Kreis von Informationen offen zu legen.

173. Zu dem auf Artikel 4 der Richtlinie 91/250 gestützten Vorbringen von Microsoft, die Implementierung der fraglichen Protokolle sei "fast zwangsläufig" eine Bearbeitung oder Übersetzung der unter Microsofts Urheberrecht fallenden Spezifikationen (oben Randnr. 120), führt die Kommission aus, dass die Antragstellerin für diese Behauptung keine Begründung liefere. Der Wortlaut der Richtlinie 91/250 sowie die Vorarbeiten zu dieser Rechtsvorschrift zeigten, dass das Schreiben der Schnittstellensoftware auf der Grundlage der Schnittstellenspezifikationen regelmäßig nicht von Artikel 4 der genannten Richtlinie erfasst sei. Artikel 6 der Richtlinie beruhe nämlich auf der Prämisse, dass es keine das Urheberrecht verletzende Handlung sei, die durch die - "befreite" - Dekompilierung gewonnenen Informationen zur Interoperabilität zu nutzen, um "die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten", außer wenn sie "für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im Wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform [wie das dekompilierte Programm] verwendet werden". Hätte Microsoft Recht, könnte man sich für die Schaffung kompatibler Produkte nie auf Artikel 6 der Richtlinie 91/250 berufen, da die Schaffung dieser Produkte eine "das Urheberrecht verletzende Handlung" und somit nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c verboten wäre.

174. Drittens weist die Kommission die restriktive Auslegung des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 91/250 durch Prescott (Anlage T.3) zurück. In der genannten Bestimmung heiße es: "Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht ... urheberrechtlich geschützt." Die Ausführungen von Prescott, dass die Gesamtheit oder die Struktur der fraglichen "Ideen" durch das Urheberrecht geschützt sei, wenn sie einen "wesentlichen Teil des geschützten Werks" darstellten, sei irrig, denn, erstens, stehe das im Widerspruch zu den Artikeln 1 Absatz 2 und 6 der Richtlinie 91/250 und, zweitens, beträfen die britischen Urteile, auf die Prescott seine Ausführungen stütze, einen anderen als den vorliegenden Fall.

175. Was, viertens, das oben in Randnummer 120 dargelegte Vorbringen von Microsoft angeht, in dem angedeutet wird, dass zum einen die Abhilfemaßnahme die Konkurrenten von Microsoft gewissermaßen in die besondere "Versuchung" führen werde, Implementierungen zu entwickeln, die das Urheberrecht verletzten, und dass zum anderen die Entscheidung keine Sicherheit vor dieser "Versuchung" biete, so trägt die Kommission vor, dass die Abhilfemaßnahme nicht die Offenlegung des Quellcodes verlange und dass folglich das Verbot des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 91/250, die durch Dekompilierung erhaltenen Informationen "für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im Wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform" zu verwenden, keine Anwendung finde.

176. Fünftens ist die Kommission der Ansicht, Microsoft habe entgegen ihrem Vorbringen (oben Randnr. 129) nicht die Schnittstellen offen gelegt, die die Softwareprogramme Dritter benötigten, um die Funktionalitäten der Windows-Server-Betriebssysteme zu nutzen. Die Schnittstellen, die Microsoft anführe, seien die "Anwendungsprogramm-Schnittstellen" (im Folgenden: API), die den auf einem Windows-Server-Betriebssystem ausgeführten Anwendungsprogrammen die Nutzung dieses Server-Betriebssystems ermöglichten, wohingegen es bei den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Schnittstellen um diejenigen gehe, über die ein Windows-Arbeitsgruppenserver seine Dienste den Windows-Arbeitsgruppen-Netzwerken zur Verfügung stelle (Randnr. 210).

- Zu den Patenten

177. Zu den Patenten führt die Kommission zunächst aus, Microsoft habe während des Verwaltungsverfahrens nur eine Patentanmeldung erwähnt, während sie sich im gerichtlichen Verfahren auf drei europäische Patente und zwei anhängige europäische Patentanmeldungen berufe. Sodann habe Microsoft keine Dokumentation vorgelegt, die zu entscheiden erlaube, ob jemand, der die betreffenden Protokolle implementiere, eine Lizenz für eines oder mehrere dieser Patente benötige.

178. In ihren Erklärungen vom 13. September 2004 stellt die Kommission fest, vor dem Erlass der Entscheidung habe Microsoft am 20. Januar 2004 das Bestehen nur eines Patents erwähnt, obwohl die drei europäischen Patente, die in dem Gutachten Knauer (Anlage T.5, oben Randnr. 91) genannt seien, vor Ablauf des Jahres 2001 erteilt und die beiden europäischen Patente ausweislich dieses Gutachtens vor Ablauf des Jahres 2002 angemeldet worden seien. Zum Inhalt des Gutachtens Knauer weist die Kommission darauf hin, dass dieser "sich auf Informationen stützen [musste], die von Microsoft über die unter Artikel 5 der Entscheidung fallenden Protokolle zur Verfügung gestellt wurden". Es sei nicht ersichtlich, dass ein Konkurrent von Microsoft, der aus dem Vollzug der Entscheidung Vorteile ziehe, bestimmte Ansprüche aus den Patenten verletze. Die Zweifel daran, dass der Entwickler einer Serversoftware, die die einschlägigen Protokolle benutze, um mit Windows-Kunden zu kommunizieren, diese Patentansprüche verletze, würden durch die Haltung bestätigt, die Microsoft gegenüber Samba einnehme, einem zur "freien Software" gehörenden Produkt, das bestimmte Kommunikationsprotokolle von Microsoft implementiere, die die Entwickler von Samba unter Benutzung des Verfahrens der Produktfunktionsuntersuchung identifiziert hätten. Samba scheine die "opportunistische Sperrung" des SMB schon im Januar 1998 (Version 1.9.18) und DFS im April 2001 (Version 2.2.0) eingebaut zu haben. Soweit der Kommission bekannt, habe Samba für die fraglichen Patente von Microsoft nie eine Lizenz erhalten, und Microsoft habe nie geltend gemacht, dass Samba die Patente verletzt habe. Die Kommission weist im Übrigen darauf hin, dass die drei in Rede stehenden Patente vor Ablauf des Jahres 2001 erteilt worden seien und dass sie nach der vorgelegten technischen Beschreibung offenbar die Generation NT 4.0 der Microsoft-Produkte betreffen, die älter als Windows 2000 sei.

179. Die Beziehung zwischen den Patentansprüchen von Microsoft und der Entscheidung bleibe somit unbestimmt.

180. Die Kommission gelangt damit zu dem Ergebnis, dass Microsoft nicht nachgewiesen habe, dass beim Vollzug des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung eines ihrer Patente verletzt würde.

- Zu den Geschäftsgeheimnissen

181. Die Kommission ist der Auffassung, die Parallele, die Microsoft zwischen den Geschäftsgeheimnissen und den Rechten des geistigen Eigentums ziehe, sei nicht einleuchtend. Die Kommission bezieht sich hierbei auf die Sache Tetra Pak (Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag [Sache IV/31.043 - Tetra Pak II], ABl. 1992, L 72, S. 1), die zum Urteil Tetra Pak/Kommission (oben zitiert in Randnr. 126, Randnrn. 84 und 139) führte.

182. Zwar möge eine Vermutung dafür bestehen, dass die Weigerung, für ein kraft Gesetzes bestehendes Recht des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, legitim sei, doch richte sich im Wettbewerbsrecht die Frage, ob eine Weigerung, ein Geheimnis offen zu legen, das nur kraft einer einseitigen Geschäftspolitik bestehe, nach den Umständen des Einzelfalls und insbesondere nach den widerstreitenden Belangen. Im vorliegenden Fall zeige die Richtlinie 91/250, dass das Interesse an dem Schutz der erfinderischen Anstrengung, die der Software zugrunde liege, den Erfinder nicht dazu berechtige, die Nutzung der mit dieser Software verbundenen Informationen zur Interoperabilität für die Herstellung der Interoperabilität zu untersagen.

183. Die Kommission räumt ein, dass die Richtlinie 91/250 den Erfinder nicht verpflichte, die fraglichen Informationen von sich aus preiszugeben. Die Offenlegung der Informationen zur Interoperabilität zu dem Zweck, die Interoperabilität herzustellen, sei jedoch unter dem Gesichtspunkt eines Geschäftsgeheimnisses, das Microsoft unter Umständen zustehe, nicht damit vergleichbar, dass einem ihrer Konkurrenten mittels einer Lizenz die Vervielfältigung eines nach den Rechtsvorschriften über die Rechte des geistigen Eigentums geschützten Werks gestattet werde. Das entspreche der technischen Relevanz einer solchen Offenlegung, den im Software-Sektor bestehenden Praktiken und dem eigenen Verhalten von Microsoft bei ihrem Markteintritt.

184. In ihren Erklärungen vom 13. September 2004 weist die Kommission die Auffassung zurück, dass sich in den Protokollen bedeutende Innovationen widerspiegelten; diese Auffassung sei von Microsoft weder in ihrem Antrag noch in ihren späteren Erklärungen oder in Anlage T.3 belegt worden. Die Kommission hält auch das Vorbringen, dass die Abhilfemaßnahme zur Folge habe, dass die fragliche Innovation auf Microsofts Konkurrenten "transferiert" werde, für unbegründet, da zum einen die Offenlegung dieser Informationen nicht zu einem Transfer des wesentlichen Wertes des Windows-Betriebssystems führe und zum anderen nach Artikel 82 EG angeordnet werde könne, dass das Unternehmen in beherrschender Stellung für einen wesentlichen Teil seines Produktes eine Lizenz erteile, wie aus den Urteilen Magill und IMS Health, oben zitiert in Randnummer 99, hervorgehe.

185. FSF-Europe macht im Wesentlichen geltend, dass die Informationen, die Microsoft aufgrund der Entscheidung offen zu legen habe, in Bezug auf Innovation wenig Wert hätten und viele Unvereinbarkeiten enthielten, die in die bereits bestehenden schriftlichen Protokolle bewusst eingefügt worden seien. Das Konzept von Microsoft bestehe darin, bereits bestehende Protokolle zu übernehmen und sie sodann zu ändern mit dem Ziel, die Interoperabilität zu verhindern oder zu untersagen. In dieser Weise sei sie bei mehreren Protokollen für Arbeitsgruppenserver vorgegangen, deren Offenlegung Samba für die Herstellung eines kompatiblen Produktes begehre, nämlich den Protokollen CIFS, DCE/RPC (Distributed Computing Environment/Remote Procedure Call), DCE/RCP IDL ("Interface Definition Language"), Kerberos 5 und LDAP (Active Directory).

Zum fumus boni juris

186. Die Kommission weist zunächst die Ausführungen von Microsoft zurück, dass die vorliegende Rechtssache nur die Beziehung zwischen Microsoft und Sun Microsystems betreffe und diese nicht verlangt habe, die von Microsoft aufgrund der Entscheidung offen zu legenden Informationen zu erhalten.

187. Die Kommission führt sodann aus, sie habe in ihren einleitenden Erklärungen geltend gemacht, dass Microsoft ein Urheberrecht, das es verwehre, die Informationen zur Interoperabilität zwecks Herstellung der Interoperabilität zu verwenden, nicht zustehe (oben Randnrn. 167 und 168). Gleichwohl äußert sie sich zu den vier Kriterien, die die Rechtsprechung für die Zwangslizenzen aufgestellt hat, und unterstellt zu diesem Zweck, dass einerseits bestimmte Fragen des Rechts des geistigen Eigentums zur Debatte ständen und dass andererseits kein anderes Kriterium den Schluss auf außergewöhnliche Umstände erlaube, wobei allerdings der zweiten Unterstellung das Urteil IMS Health (zitiert oben in Randnr. 99, Randnr. 38) entgegenstehe.

188. Was, erstens, die Unentbehrlichkeit der angeblich durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Informationen anbelange, so habe die Kommission bereits in der Entscheidung Microsofts Behauptungen bezüglich der "zahlreichen anderen Arten, um die Interoperabilität zu gewährleisten" (Randnrn. 666 bis 687), zurückgewiesen.

189. Zweitens weist die Kommission die Behauptungen von Microsoft zurück, Microsoft habe das Auftreten neuer Erzeugnisse, für die ein ungedeckter Bedarf der Verbraucher bestanden habe, nicht behindert.

190. Aus Randnummer 49 des Urteils IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, nämlich ergebe sich, dass ein "neues Erzeugnis" ein Erzeugnis sei, das nicht im Wesentlichen die Nachbildung solcher Erzeugnisse sei, die vom Inhaber des Urheberrechts bereits auf dem Markt angeboten würden. Ausreichend sei daher, dass wesentliche Elemente des fraglichen Erzeugnisses auf einen Beitrag des Lizenznehmers zurückzuführen seien. Es sei somit nicht ausgeschlossen, dass die Erzeugnisse des Urheberrechtsinhabers und die zukünftigen Erzeugnisse des Lizenznehmers miteinander konkurrierten, wie die Sachverhalte zeigten, über die der Gemeinschaftsrichter entschieden habe (Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T-69/89, RTE/Kommission, Slg. 1991, II-485, Randnr. 73, Urteil Magill, Randnr. 53, Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnr. 99). Überdies beinhalte das Kriterium des "neuen Erzeugnisses" nicht die Verpflichtung, konkret nachzuweisen, dass das Erzeugnis des Lizenznehmers Abnehmer anziehe, die die vom vorhandenen Anbieter angebotenen Erzeugnisse nicht abnähmen. Jede andere Auslegung nehme der Rechtsprechung weitgehend ihre Bedeutung, da die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums normalerweise wichtige Gründe hätten, Marktbeteiligten, die Erzeugnisse herstellen wollten, die mit ihren Erzeugnissen nicht im Wettbewerb stünden, Lizenzen zu erteilen. Unter diesen Bedingungen komme es daher regelmäßig nicht zu einer Weigerung. Im Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, habe der Gerichtshof ferner entscheidend auf die Differenzierung des Erzeugnisses abgestellt, die die Entscheidung der Verbraucher beeinflussen könne, also - mit anderen Worten - auf die Frage, ob es eine "potenzielle Nachfrage" nach dem neuen Erzeugnis gebe. Die genauen Auswirkungen dieser Differenzierung für die getroffenen Entscheidungen und langfristig für das Auftreten von Erzeugnissen, die neue Kategorien von Abnehmern anzögen, bestimme der Markt.

191. Im vorliegenden Fall könne zum einen die Implementierung der Protokolle sehr unterschiedliche Formen annehmen (Randnrn. 24, 25 und 698), wodurch ausreichende Möglichkeiten für eine Produktdifferenzierung geschaffen würden, und zum anderen gebe es bedeutende Möglichkeiten für eine Produktdifferenzierung, durch die sich der Wettbewerb entfalten könnte, die aber gegenwärtig durch Microsofts Verhalten verhindert würden.

192. Was, drittens, die Frage der Beseitigung des Wettbewerbs auf einem abgeleiteten Markt angeht, so habe die Kommission in der Entscheidung die Entwicklung des relevanten Marktes und die Bedeutung der Interoperabilität für diese Entwicklung (Randnrn. 590 bis 692), insbesondere das angebliche "stetige Wachstum von Linux" (Randnrn. 598 bis 610), eingehend untersucht. In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung mache Microsoft insoweit keinen Fehler geltend. Microsoft gehe zu Unrecht davon aus, dass, wenn der Wettbewerb schrittweise beseitigt werde, Unterlassungsanordnungen nach Artikel 82 EG erst dann ausgesprochen werden könnten, wenn der Erlass einer solchen Anordnung keinen Sinn mehr mache, weil sich der Markt unwiderruflich in ein Monopol verwandelt habe, während es tatsächlich doch ausreiche, dass die Verweigerung der Lizenz "geeignet" sei, den Wettbewerb auszuschließen (Urteile Bronner, zitiert oben in Randnr. 99, Randnr. 40, und IMS Health, zitiert oben in Randnr. 99, Randnrn. 37 und 38).

193. Viertens bringe Microsoft keine besondere sachliche Rechtfertigung für ihr Verhalten vor, abgesehen von der allgemeinen Berufung auf "ihre Rechte des geistigen Eigentums", der die Kommission bereits in der Entscheidung entgegengetreten sei (Randnrn. 709 bis 763).

194. Die Entscheidung zeige somit, und Microsoft habe dem nicht ernsthaft widersprochen, dass Microsofts Verhalten die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen erfülle.

195. Was schließlich die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit dem TRIPs-Übereinkommen betrifft, so verweist die Kommission auf die Feststellungen in den Randnummern 1052 und 1053 der Entscheidung.

Zur Dringlichkeit

196. Die Kommission ist der Auffassung, Microsoft habe nicht dargetan, das ihr ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe, falls der Vollzug der Entscheidung nicht ausgesetzt werde. Die Streithelferinnen SIIA und FSF-Europe teilen das Vorbringen der Kommission.

Zur Interessenabwägung

197. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Interessenabwägung zugunsten des sofortigen Vollzugs des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung ausfalle. Sie beantragt daher, den Antrag zurückzuweisen. Die Streithelferinnen SIIA und FSF-Europe unterstützen das Vorbringen der Kommission.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Zum fumus boni juris

198. Zur Begründung ihrer Schlussfolgerung, dass fumus boni juris gegeben sei, macht Microsoft im Wesentlichen geltend, dass, erstens, die Voraussetzungen, unter denen die Weigerung, durch Rechte des geistigen Eigentums geschützte Informationen zur Verfügung zu stellen, einen nach Artikel 82 EG verbotenen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstelle, im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien, dass, zweitens, Sun Microsystems die Informationen, die aufgrund der Entscheidung zur Verfügung zu stellen seien, nicht angefordert habe und ihr Ersuchen sich nicht auf die Softwareentwicklung im Europäischen Wirtschaftsraum erstreckt habe und dass, drittens, die Kommission den Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem TRIPs-Übereinkommen nicht nachgekommen sei.

199. Angesichts des Vortrags, den Microsoft im Verfahren der einstweiligen Anordnung gemacht hat, begründet das Vorbringen unter zweitens und drittens keinen fumus boni juris.

200. Das Vorbringen bezüglich des Ersuchens von Sun Microsystems wurde im Einzelnen in der Entscheidung widerlegt (Randnrn. 199 bis 207, 564 und 565), ohne dass Microsoft glaubhaft gemacht hätte, dass die Kommission bei der Bestimmung des Umfangs des Ersuchens von Sun Microsystems einen Fehler begangen habe. Ebenso wenig kann das Vorbringen durchgreifen, dass sich das Ersuchen von Sun Microsystems nicht auf die Softwareentwicklung "im EWR" erstreckt habe, da dieses Ersuchen allgemein gehalten war und der Europäische Wirtschaftsraum zwangsläufig zum relevanten Weltmarkt gehört, wie sich klar aus den Randnummern 185 ff. und 427 der Entscheidung ergibt.

201. Was das Vorbringen unter drittens - Verstoß gegen das TRIPs-Übereinkommen - angeht, so fehlt ein hinreichender Vortrag, um dem Gericht eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Zum einen nämlich hat Microsoft in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung lediglich vorgetragen, dass die Kommission, indem sie "eine Zwangslizenz zu Lasten von Microsoft festsetzt, ... nicht in gehöriger Weise die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften nach dem [TRIPs-Übereinkommen berücksichtigt]". Zum anderen ist die Bezugnahme auf das Vorbringen in Anlage T.9 nicht formgerecht (siehe oben Randnr. 88).

202. Die Prüfung des Gerichts erstreckt sich somit nur auf den Verstoß gegen Artikel 82 EG, wobei Microsoft im Rahmen des vorliegenden Antrags nicht bestreitet, dass sie eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Client-PC-Betriebssysteme und dem Markt für Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver innehat. Microsoft bestreitet somit nur, dass die Weigerung, die Informationen zur Interoperabilität offen zu legen und den konkurrierenden Unternehmen deren Nutzung zu gestatten, missbräuchlich sei.

203. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Randnummern 546 bis 791 der Entscheidung mit der Prüfung befassen, ob die Weigerung, Informationen über die Interoperabilität zur Verfügung zu stellen, missbräuchlich ist. Die Kommission führt dort aus, sie müsse alle Umstände des Einzelfalls prüfen, bevor sie feststellen könne, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, die eine missbräuchliche Weigerung kennzeichneten (Randnrn. 546 bis 559). Im vorliegenden Fall hätten die außergewöhnlichen Umstände darin gelegen, dass die Weigerung, die Informationen zur Interoperabilität zur Verfügung zu stellen, gegenüber Sun Microsystems erfolgt sei, Teil einer allgemeinen Geschäftspolitik sei und einen Rückgang der Offenlegung von Informationen nach sich gezogen habe (Randnrn. 560 bis 584), dass sie den Wettbewerb ausschalten könne (Randnrn. 585 bis 692) und dass sie sich zum Schaden der Verbraucher auf die technische Entwicklung negativ auswirke (Randnrn. 693 bis 708). Angesichts dieser "außergewöhnlichen Umstände" hätte das Vorbringen von Microsoft nicht ausgereicht, um die Weigerung, die Informationen zur Interoperabilität zur Verfügung zu stellen, objektiv zu rechtfertigen, und zwar weder das Vorbringen, dass ein Innovationsanreiz für Microsoft bestehe (Randnrn. 709 bis 763), noch das Vorbringen, dass ein Interesse an der Einschränkung des Wettbewerbs fehle (Randnrn. 764 bis 778).

204. Damit ist der fumus boni juris hinsichtlich der in dieser Rechtssache aufgeworfenen Grundsatzfragen und der eingehenden Prüfung, die aufgrund bestimmten Vorbringens erforderlich ist, gegeben. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob die von der Kommission berücksichtigten Umstände tatsächlich gegeben sind und rechtlich den Schluss begründen können, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Anordnung rechtfertigen, wertvolle, durch Rechte des geistigen Eigentums geschützte Informationen offen zu legen.

205. Die Grundsatzfragen betreffen die Voraussetzungen, unter denen die Kommission feststellen darf, dass eine Weigerung, Informationen offen zu legen, ein nach Artikel 82 EG verbotener Missbrauch einer beherrschenden Stellung ist.

206. Erstens wirft diese Rechtssache die Frage auf, ob die vom Gerichtshof im Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, angeführten Voraussetzungen erforderlich oder nur ausreichend seien. Die Kommission führt in der Entscheidung nämlich aus, dass das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in jedem Einzelfall zu prüfen sei und somit ohne eingehende Prüfung eines jeden Falles nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Weigerung missbräuchlich sei, und zwar auch wenn die vom Gemeinschaftsrichter bisher aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Demgegenüber trägt Microsoft in ihrem Antrag vor, dass die Missbräuchlichkeit der Weigerung, Informationen zur Verfügung zu stellen, nur festgestellt werden dürfe, wenn die vom Gemeinschaftsrichter aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien. Diese Frage kann offensichtlich nicht im Stadium des Verfahrens der einstweiligen Anordnung beantwortet werden. Jedoch hat der Gerichtshof in Randnummer 38 des Urteils IMS Health entschieden, dass "ein Unternehmen, das über ein Recht des geistigen Eigentums verfügt und den Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen verweigert, die für eine bestimmte Tätigkeit unerlässlich sind, bereits dann missbräuchlich [handelt]", wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: "Die Weigerung muss das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindern, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, sie darf nicht gerechtfertigt sein, und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen."

207. Zweitens wirft diese Rechtssache die Frage auf, ob die Natur der geschützten Informationen zu berücksichtigen ist, wenn ein Recht des geistigen Eigentums in Frage steht. Microsoft trägt vor, dass die Entscheidung sie zwinge, Wettbewerbern eine Technologie zugänglich zu machen, die geheim und hochwertig sei und sich daher ihrem Wesen nach von den Informationen unterscheide, um die es in den Urteilen Magill und IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, gegangen sei. Die Voraussetzungen dafür, dass eine Weigerung, Informationen offen zu legen, ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sei, seien besonders streng, wenn die Information hochwertig sei. Die Kommission ist der Ansicht, dass der Gemeinschaftsrichter den "Wert" eines Rechts des geistigen Eigentums nie berücksichtigt habe. Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Spezifikationen der bisher geheimen Kommunikationsprotokolle, die Microsoft aufgrund der Entscheidung aufstellen und offen legen muss, offensichtlich grundverschieden von den Informationen sind, um die es in den Urteilen Magill und IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, ging. In diesen beiden Rechtssachen waren die fraglichen Informationen innerhalb des Wirtschaftssektors umfassend bekannt: Die Fernsehprogrammvorschauen wurden jede Woche gratis an Zeitungen übersandt, und die Deutschlandkarte hatte sich in Wirklichkeit im Wirtschaftssektor als Mittel zur Darstellung von Verkaufszahlen durchgesetzt. Die Frage jedoch, ob und bejahendenfalls inwieweit danach zu unterscheiden ist, ob die Informationen bekannt oder geheim sind, kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht entschieden werden, zumal Parameter wie der Wert der zugrunde liegenden Investition, der Wert der in Frage stehenden Information für die Organisation des beherrschenden Unternehmens und der an die Wettbewerber bei einer Offenlegung übertragene Wert umfassender zu berücksichtigen sind.

208. Diese Rechtssache wirft weiter die Frage auf, ob die vom Gerichtshof im Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, aufgeführten Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. Die Kommission bestreitet nicht die Relevanz dieses Urteils, das im Wesentlichen die bis dahin vom Gemeinschaftsrichter vertretene Auffassung über die Voraussetzungen zusammenfasst, unter denen die Weigerung, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, einen Missbrauch darstellt.

209. Der Streit zwischen den Parteien bezieht sich auf die Unentbehrlichkeit der fraglichen Informationen, auf die Verhinderung des Auftretens eines neuen Erzeugnisses, an dem ein ungedeckter Bedarf besteht, auf die Gefahr der Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem abgeleiteten Markt sowie auf die objektive Rechtfertigung der Weigerung. Zwar hat das Gericht im Verfahren der Hauptsache darüber zu entscheiden, ob diese einzelnen Voraussetzungen erfüllt sind, doch ist es im Verfahren der einstweiligen Anordnung erforderlich, die Ursachen des Streites zwischen den Parteien festzustellen, die er für geeignet hält, einen fumus boni juris zu begründen. Hierbei sind zwei Aspekte zu betonen.

210. Was, erstens, die Unentbehrlichkeit der Informationen zur Interoperabilität betrifft, so wird diese Frage in den Randnummern 666 bis 687 der Entscheidung behandelt.

211. Diesbezüglich beruft sich Microsoft auf mehrere Methoden, die eine hinreichende Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen unterschiedlicher Anbieter erlauben.

212. Dieses Vorbringen hebt die Meinungsverschiedenheit hervor, die zwischen den Parteien bezüglich des erforderlichen Interoperabilitätsniveaus besteht. Wie in den Randnummern 743 bis 763 der Entscheidung ausgeführt, handelt es sich bei den Informationen, die aufgrund der Abhilfemaßnahme zur Verfügung zu stellen sind, um die "erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität" im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie 91/250 bezüglich der Dekompilierung. Microsoft ist der Ansicht, die in Artikel 6 der Richtlinie 91/250 vorgesehene Dekompilierung sei nur erlaubt, wenn die Schnittstellen unerlässlich seien, um die Funktionalität eines unabhängig geschaffenen Softwareprogramms zu gewährleisten, und im vorliegenden Fall seien die Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle nicht erforderlich, um die Funktionalität eines unabhängig geschaffenen Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver zu gewährleisten. Sie schließt hieraus, dass die Informationen, deren Offenlegung sie verweigert habe, nicht als Informationen zur Interoperabilität angesehen werden könnten.

213. Die Richtlinie 91/250 definiert in ihren Begründungserwägungen die Interoperabilität "als die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen". In Begründungserwägung 27 der Richtlinie wird festgestellt, dass die Bestimmungen der Richtlinie die Anwendung der Wettbewerbsregeln nach Artikel 82 EG unberührt lassen, "wenn ein marktbeherrschender Anbieter den Zugang zu Informationen verweigert, die für die in dieser Richtlinie definierte Interoperabilität notwendig sind". Die Frage allerdings, ob im vorliegenden Fall die von Microsoft geforderten Informationen für die in der Richtlinie 91/250 definierte Interoperabilität tatsächlich notwendig sind, verlangt eine eingehende Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsvorschriften, die nur im Verfahren der Hauptsache erfolgen kann.

214. Was, zweitens, die objektive Rechtfertigung der Weigerung betrifft, so ist Microsoft der Ansicht, sie sei berechtigt gewesen, sich auf ihre Rechte des geistigen Eigentums zu berufen und sich zu weigern, konkurrierenden Anbietern von Server-Betriebssystemen Lizenzen für ihre Technologie zu erteilen. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat Microsoft weiter geltend gemacht, dass sich die Auskünfte, die Sun Microsystems begehrt habe, auf eine in Entwicklung befindliche Technologie bezogen hätten.

215. Zum besseren Verständnis der Tragweite des Vorbringens von Microsoft hat das Gericht diese bei der Anhörung befragt. Dabei hat sich ergeben, dass nach Auffassung von Microsoft nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Weigerung aufgrund der Rechte des geistigen Eigentums, die Microsoft an den von Sun Microsystems beanspruchten Informationen zustehen, objektiv gerechtfertigt ist oder, anders gesagt, dass die Weigerung gerechtfertigt ist, weil rechtlich geschützte und hochwertige Informationen nicht offen gelegt werden dürfen.

216. Dieses Vorbringen kann dahin verstanden werden, dass Microsoft sich berechtigt gesehen hat, sich zu weigern, rechtlich geschützte Informationen offen zu legen, und zwar unabhängig davon, ob außergewöhnliche Umstände vorlagen.

217. Das Vorbringen von Microsoft bedeutet daher zum einen, dass, wenn es an ordnungsgemäß dargelegten außergewöhnlichen Umständen fehlt, die Ausübung der einem Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums zustehenden Rechte kein missbräuchliches Verhalten im Sinne des Artikels 82 EG sein kann. Da dieses Vorbringen engstens mit der Frage verbunden ist, ob die Kommission dargetan hat, dass im vorliegenden Fall "außergewöhnliche Umstände" vorlagen, kann es nicht getrennt von dieser Frage geprüft werden (siehe oben Randnr. 206).

218. Zum anderen bedeutet das Vorbringen von Microsoft auch, dass, selbst wenn die Kommission außergewöhnliche Umstände dargelegt hätte, ihre Weigerung, die in Rede stehenden Informationen zugänglich zu machen, gerechtfertigt war, weil von Rechten des geistigen Eigentums erfasste hochwertige Informationen zu schützen waren.

219. Diese Ausführungen, die Microsoft, wie sich aus Randnummer 709 der Entscheidung ergibt, im Verwaltungsverfahren machte, wurden in der Entscheidung von der Kommission zurückgewiesen (Randnrn. 710 bis 712), die den Schluss zog, dass angesichts der festgestellten außergewöhnlichen Umstände "Microsofts Weigerung ... nicht allein deswegen objektiv gerechtfertigt sein [kann], weil sie sich weigert, eine Lizenz für geistiges Eigentum zu vergeben" (Randnr. 712). Die Kommission prüfte dann das übrige Vorbringen von Microsoft, mit dem dargetan werden sollte, dass die Weigerung, die in Rede stehenden Informationen offen zu legen, gerechtfertigt sein könne, um ihren Innovationsanreiz zu schützen. Die Kommission wies dies ebenso zurück wie zuvor das Vorbringen von Microsoft bezüglich des "Klonens" ihrer Produkte (Randnrn. 713 bis 729). Sie führte ferner aus, dass die Offenlegung von Informationen zur Interoperabilität eine weit verbreitete Praxis des betreffenden Wirtschaftszweigs sei (Randnrn. 730 bis 735); sie wies darauf hin, dass sich die Verpflichtung, die IBM 1984 gegenüber der Kommission eingegangen sei, nicht wesentlich von dem unterscheide, was Microsoft in der Entscheidung aufgegeben worden sei (Randnrn. 736 bis 742), und dass ihre Vorgehensweise mit der Richtlinie 91/250 im Einklang stehe.

220. Wird das Vorbringen von Microsoft dahin verstanden, dass die Auffassung der Kommission, die Weigerung sei objektiv nicht gerechtfertigt, rechtswidrig sei, so kann es angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gleichwohl nicht ohne weiteres als unbegründet zurückgewiesen werden.

221. Hier ist von Belang, dass die von Microsoft geltend gemachten Rechte des geistigen Eigentums nicht von einem nationalen Gericht für gültig erklärt worden sind und dass der vorliegende Sachverhalt sich deswegen von dem der Urteile Magill und IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, unterscheidet. Die Kommission hat allerdings das Bestehen von Rechten des geistigen Eigentums nicht ausgeschlossen und diese zumindest bei ihrer Prüfung, ob die Weigerung gerechtfertigt ist, berücksichtigt.

222. Die zentrale Frage ist daher, ob die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangt ist, dass es die Weigerung, die Informationen offen zu legen, nicht objektiv rechtfertige, dass der behauptete Wert der angeblich unter Rechte des geistigen Eigentums fallenden Informationen zu schützen sei.

223. Das Vorgehen der Kommission bestand darin, zu prüfen, ob trotz der festgestellten außergewöhnlichen Umstände die von Microsoft vorgebrachten Erwägungen dem Erlass einer Abhilfemaßnahme entgegenstanden. Dies geht insbesondere aus Randnummer 783 der Entscheidung hervor, in der es heißt:

"Die wichtigste objektive Rechtfertigung, die Microsoft vorgebracht hat, bezieht sich auf die [Rechte des geistigen Eigentums], die ihr an Windows zustehen. Eine eingehende Prüfung der Reichweite der fraglichen Offenlegung erlaubt jedoch den Schluss, dass bei genauer Betrachtung die negativen Wirkungen, die eine Verpflichtung zur Offenlegung der fraglichen Informationen möglicherweise auf die Innovationsanreize für Microsoft hätte, durch ihre positiven Wirkungen auf der Ebene von Innovationen im gesamten Wirtschaftszweig (einschließlich Microsoft) ausgeglichen werden. Die Notwendigkeit, die Innovationsanreize für Microsoft zu schützen, kann somit keine objektive Rechtfertigung darstellen, die die oben genannten außergewöhnlichen Umstände aufwiegen würde. ..."

224. Es ist jedoch im Verfahren der Hauptsache zu prüfen, ob bei der Bewertung der betroffenen Interessen ein offensichtlicher Fehler begangen wurde, vor allem im Zusammenhang mit dem Schutz der geltend gemachten Rechte des geistigen Eigentums und den im EG-Vertrag verankerten Erfordernissen des freien Wettbewerbs.

225. Nach Ansicht des Gerichts kann somit das Vorbringen von Microsoft zu den in dieser Sache aufgeworfenen Fragen im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach nicht als unbegründet betrachtet werden, so dass der fumus boni juris gegeben ist.

b) Zur Dringlichkeit

226. Für die Prüfung, ob die Aussetzung des Vollzugs des Artikels 5 Buchstaben a bis c der Entscheidung dringlich ist, sind einige Vorbemerkungen erforderlich.

Vorbemerkungen

227. Die Vorbemerkungen betreffen, erstens, den Gegenstand der Abhilfemaßnahme und, zweitens, den Umfang des angeblichen Schadens.

228. Bezüglich des Gegenstands der Abhilfemaßnahme muss Microsoft nach Artikel 5 Buchstabe a der Entscheidung "allen Unternehmen, die ein Interesse daran haben, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben, die Informationen zur Interoperabilität" zur Verfügung stellen und diesen Unternehmen "unter vernünftigen und nicht diskriminierenden Bedingungen" deren Nutzung für die "Entwicklung und den Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver" gestatten. Diese Abhilfemaßnahme will Microsoft verpflichten, Informationen offen zu legen, deren Offenlegung Microsoft nach Auffassung der Kommission missbräuchlich verweigert hat (siehe auch Artikel 2 Buchstabe a und Randnr. 998 der Entscheidung).

229. Wie aus den Randnummern 999 und 1004 der Entscheidung hervorgeht, verlangt die in Rede stehende Abhilfemaßnahme von Microsoft nicht die Offenlegung von Quellcodes, was von Microsoft im Rahmen des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung nicht bestritten wird.

230. Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung sind die Informationen, die Microsoft offen zu legen hat, "die vollständigen und fehlerfreien Spezifikationen für alle Protokolle, die in Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver implementiert und von Windows-Arbeitsgruppenservern genutzt werden, um den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken Daten- und Druckdienste sowie Nutzer- und Nutzergruppenverwaltungsdienste einschließlich der Dienste des Windows Domain Controllers, des Active Directory und der Group Policy zur Verfügung zu stellen". In Randnummer 999 der Entscheidung wird festgestellt, dass "[d]ies ... sowohl die unmittelbare gegenseitige Verbindung und den unmittelbaren Dialog zwischen einem Windows-Arbeitsgruppenserver und einem Windows-Client-PC [umfasst] als auch die mittelbare gegenseitige Verbindung und den mittelbaren Dialog zwischen einem Windows-Arbeitsgruppenserver und einem Windows-Client-PC, die über einen oder mehrere andere Windows-Arbeitsgruppenserver stattfinden".

231. Das von der Kommission angestrebte Ziel besteht ausweislich der Entscheidung darin, "sicherzustellen, dass Microsofts Konkurrenten Produkte entwickeln, die mit der [ursprünglich] in das beherrschende Windows-Client-PC-Betriebssystem integrierten Windows-Domänenarchitektur [kompatibel] sind und daher mit den Arbeitsgruppenserver-Betriebssystemen von Microsoft konkurrieren können" (Randnr. 1003; siehe auch die Randnrn. 181 bis 184).

232. Schließlich stimmen die Parteien darin überein, dass die in Artikel 5 Buchstabe a der Entscheidung vorgesehene Erlaubnis zur Nutzung der Spezifikationen bedeutet, dass die Spezifikationen, die im Einzelnen die an ein Softwareprodukt gerichteten Erwartungen beschreiben, von Microsofts Konkurrenten implementiert werden können. Keine Einigkeit hingegen besteht zwischen den Parteien darüber, wie viel Zeit erforderlich ist, um die Spezifikationen zu implementieren, d. h., um sie in einen Code umzusetzen.

233. Bezüglich des Umfangs des angeblichen Schadens ist daran zu erinnern, dass die Entscheidung Microsoft verpflichtet, die Spezifikationen der Client-Server- und der Server-Server-Protokolle offen zu legen.

234. In ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung betont Microsoft den Unterschied zwischen der Entscheidung und dem US-amerikanischen Vergleich unter Hinweis darauf, dass der US-amerikanische Vergleich dem Lizenznehmer die Nutzung der Client-Server-Kommunikationsprotokolle von Microsoft nur gestatte, um die Interoperabilität mit den Windows-Client-PC-Betriebssystemen herzustellen, während die Entscheidung von Microsoft verlange, Lizenzen bezüglich dieser Protokolle für deren Nutzung in Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu erteilen, die Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste für alle Windows-Client-PC- oder Windows-Server-Betriebssysteme erbrächten. Der zwischen dem US-amerikanischen Vergleich und der Entscheidung bestehende Unterschied wurde von der Kommission in den Randnummern 688 bis 691 dargestellt.

235. In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat Microsoft ausgeführt, dass in Bezug auf die Client-Server-Protokolle der US-amerikanische Vergleich und die Entscheidung insoweit ähnlich seien, als beide Microsoft dazu verpflichteten, erstens, Spezifikationen zu entwickeln, die einige ihrer Protokolle beschreiben, zweitens, diese Spezifikationen Mitbewerbern zur Verfügung zu stellen und, drittens, den Mitbewerbern die Nutzung der Spezifikationen zu gestatten, damit in deren Erzeugnissen Protokolle implementiert werden, die Microsoft zur Nutzung in ihren Windows-Betriebssystemen geschaffen habe.

236. Bei der Anhörung hat Microsoft geltend gemacht, dass das US-amerikanische Lizenzprogramm bis November 2009 bestehen werde und dass die erteilten Lizenzen weltweite Geltung hätten. Microsoft hat hieraus den Schluss gezogen, dass der sofortige Vollzug der Verpflichtung, die Spezifikationen der Client-Server-Protokolle offen zu legen, nicht erforderlich sei, da der US-amerikanische Vergleich die Möglichkeit biete, bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht in der Hauptsache entscheiden werde, dasselbe Ergebnis zu erreichen.

237. Hierzu weist das Gericht darauf hin, dass eine Entscheidung sofort vollziehbar ist und dass die Aussetzung des Vollzugs nur unter den Voraussetzungen angeordnet werden kann, die im EG-Vertrag, in der Satzung des Gerichtshofes oder in der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehen sind. Die sofortige Vollziehbarkeit einer Entscheidung ist somit nicht davon abhängig, dass ihr Vollzug erforderlich ist.

238. Die vorstehenden Gesichtspunkte werden jedoch im Rahmen der Prüfung berücksichtigt werden, ob die Aussetzung des Vollzugs der Verpflichtung, die Spezifikationen der Client-Server-Protokolle offen zu legen, dringend geboten ist.

239. Das Vorbringen von Microsoft bei der Anhörung erfordert eine getrennte Prüfung der Voraussetzung der Dringlichkeit danach, dass die Entscheidung Microsoft einerseits zur Offenlegung der Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle und andererseits der Spezifikationen der Client-Server-Kommunikationsprotokolle verpflichtet.

Zum schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden, der durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Spezifikationen der Server-Server-Protokolle entsteht

240. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Februar 1986 in der Rechtssache 310/85 R, Deufil/Kommission, Slg. 1986, 537, Randnr. 15, Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II-1961, Randnr. 134). Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 8. Mai 1991 in der Rechtssache C-356/90 R, Belgien/Kommission, Slg. 1991, I-2423, Randnr. 23, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 30. April 1999 in der Rechtssache T-44/98 R II, Emesa Sugar/Kommission, Slg. 1999, II-1427, Randnr. 128, und vom 15. November 2001 in der Rechtssache T-151/01 R, Duales System Deutschland/Kommission, Slg. 2001, II-3295, Randnr. 187).

241. Der behauptete Eintritt des Schadens muss sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, wobei es dem Antragsteller obliegt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen (Beschluss des Gerichtshofes vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-280/93 R, Deutschland/Rat, Slg. 1993, I-3667, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67).

242. Im vorliegenden Fall macht Microsoft geltend, der Vollzug der Entscheidung beeinträchtige zum einen ihre Rechte des geistigen Eigentums und zum anderen ihre geschäftliche Entscheidungsfreiheit und ihre Produktentwicklungsfähigkeit. Sie trägt auch vor, der Vollzug der Entscheidung werde die Marktbedingungen irreversibel verändern.

243. Jeder dieser drei geltend gemachten Schäden ist getrennt zu prüfen.

- Zur gerügten Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums

244. Microsoft trägt vor, der Vollzug der Entscheidung verlange von ihr, ihren Mitbewerbern Lizenzen für hochwertige Informationen zu erteilen, die durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt seien.

245. Zu prüfen ist daher, ob Microsoft konkret dargetan hat, dass die Folgen der Entscheidung schwer und nicht wieder gutzumachen sind. Zu diesem Zweck ist die Frage, ob die Offenlegung der Informationen zur Interoperabilität als solche für Microsoft einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellt, von der Frage zu trennen, ob die Nutzung dieser Informationen durch ihre Mitbewerber schwere und nicht wieder gutzumachende Folgen hat.

? Zur Offenlegung der Informationen zur Interoperabilität

246. Die Informationen, deren Offenlegung Microsoft aufgegeben ist, sind ihrem Vertrag nach durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt und hochwertig. Angesichts des Vorbringens von Microsoft ist zu prüfen, ob, erstens, die Verletzung der ausschließlichen Rechte des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums und, zweitens, die Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen schwere und nicht wieder gutzumachende Schäden darstellen.

247. Erstens macht Microsoft geltend, die Entscheidung verletze dadurch, dass sie Microsoft zur Einräumung von Lizenzen für ihre Konkurrenten verpflichte, das Recht des geistigen Eigentums, das Microsoft an den offen zu legenden Informationen zustehe.

248. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob Rechte des geistigen Eigentums bestehen, und somit, ob der Vollzug der Entscheidung Microsoft tatsächlich zur Vergabe von Lizenzen für ihr Urheberrecht oder ihre Patente verpflichten würde. Dessen ungeachtet liegt auf der Hand, dass es, wenn es um derartige ausschließliche Rechte geht, eine erhebliche Einschränkung darstellen würde, wenn ein Unternehmen zur Vergabe von Lizenzen für seine Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet würde.

249. Gleichwohl ist diese Einschränkung die notwendige Konsequenz aus der auf dem Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, beruhenden Rechtsprechung, da die Prüfung des Gemeinschaftsrichters gerade darin besteht, den Schutz, den ein Recht des geistigen Eigentums seinem Inhaber gewährt, und die Erfordernisse des im EG-Vertrag verankerten freien Wettbewerbs gegeneinander abzuwägen. Ist daher die Kommission angesichts außergewöhnlicher Umstände der Auffassung, dass die Erfordernisse des freien Wettbewerbs es gebieten, einem Unternehmen in beherrschender Stellung die Einräumung einer Lizenz für seine Rechte des geistigen Eigentums aufzuerlegen, so folgt hieraus zwangsläufig eine Einschränkung der Rechte des Inhabers dieser Rechte. Unterstellt, im vorliegenden Fall wären die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle, sobald sie aufgestellt sind, durch ein Urheberrecht geschützt, so ist schon der Umstand, dass Microsoft aufgegeben wird, ihre Spezifikationen Konkurrenzunternehmen zur Verfügung zu stellen, eine Einschränkung der dem Urheber verliehenen ausschließlichen Rechte. Unterstellt weiter, bestimmte Protokolle würden durch Patente geschützt und ihre Nutzung stellte sich für die in Artikel 5 der Entscheidung genannten Unternehmen als unabdingbar heraus, so bedeutete schon der Umstand, dass Microsoft ihre Patente nicht so verwerten kann, wie sie will, eine Einschränkung der Erfinderrechte.

250. Käme man allerdings zu der Auffassung, dass eine Einschränkung der ausschließlichen Rechte des Inhabers von Rechten des geistigen Eigentums ohne weiteres und unabhängig von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellt, so würde dies bedeuten, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit stets erfüllt wäre, sobald die Handlung, deren Aussetzung beantragt wird, zu dem vom Urteil IMS Health, zitiert oben in Randnummer 99, erfassten Tatbestand gehört.

251. Unter diesen Umständen muss somit geprüft werden, ob unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles die Tatsache, dass die Rechte des geistigen Eigentums bis zur Entscheidung in der Hauptsache beschränkt werden, über die bloße Verletzung der ausschließlichen Rechte des Inhabers von Rechten des geistigen Eigentums hinaus einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden hervorrufen kann (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. Mai 1989 in den Rechtssachen 76/89 R, 77/89 R und 91/89 R, RTE u. a./Kommission, Slg. 1989, 1141, Randnr. 18, Beschluss IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnr. 133, Randnrn. 126 bis 131).

252. Zweitens macht Microsoft geltend, die Ursache ihres Schadens liege darin, dass die in Rede stehende Offenlegung sich auf geheime und hochwertige Informationen beziehe.

253. Hierbei ist davon auszugehen, dass die einmal erworbene Kenntnis einer bis dahin - als Gegenstand eines Rechts des geistigen Eigentums oder als Geschäftsgeheimnis - geheim gehaltenen Information unbestreitbar fortdauern kann. Eine etwaige Nichtigerklärung der Entscheidung könnte diese Information nicht aus dem Gedächtnis löschen, und eine Entschädigung wäre sehr schwierig, da der Wert des Wissenstransfers kaum bezifferbar ist. Microsoft legt jedoch nicht dar, welcher irreparable Schaden ihr allein dadurch entstehen könnte, dass Dritte Kenntnis von Daten erlangt haben, die sie offen gelegt hat, im Unterschied zu den Entwicklungen, die sich aus dem Gebrauch dieser Kenntnis ergeben.

254. Die Offenlegung einer bis dahin geheim gehaltenen Information bedeutet ferner nicht zwangsläufig, dass ein schwerer Schaden eintritt.

255. Im vorliegenden Fall macht Microsoft jedoch im Wesentlichen geltend, dass die Informationen zur Interoperabilität einen spezifischen Wert hätten. Dieser Wert liege zunächst darin begründet, dass die Kommunikationsprotokolle das Ergebnis erheblicher und kostspieliger Bemühungen seien und dass die kommerziellen Anwendungen der Protokolle von erheblicher Bedeutung seien. Microsoft fügt hinzu, dass die Aufstellung der Spezifikationen ebenfalls aufwendig sei.

256. Das Gericht ist in Ansehung des Akteninhalts der Auffassung, dass der Nachweis für die Schwere dieses Schadens nicht erbracht worden ist. Insbesondere ist die unbestimmte Behauptung, Microsofts Kommunikationsprotokolle hätten "ungefähr zehn Millionen [US-]Dollar gekostet", auch wenn sie zutreffend wäre, nicht belegt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass diese Kosten teilweise durch die Gebühren ausgeglichen werden, die Microsoft für die Nutzung ihrer Protokolle aufgrund der in Vollzug der Entscheidung erteilten Lizenzen verlangen kann.

257. Zudem kann der in vorstehender Randnummer geltend gemachte finanzielle Schaden angesichts der Finanzkraft von Microsoft, deren Umsatz sich im US-amerikanischen Rechnungsjahr Juli 2002 bis Juni 2003 gemäß Randnummer 1 der Entscheidung auf 30 701 Millionen Euro belief, nicht als schwerwiegend angesehen werden (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Mai 1990 in den Rechtssachen C-51/90 R und C-59/90 R, Comos-Tank u. a./Kommission, Slg. 1990, I-2167, Randnr. 26).

258. Microsoft ist der Ansicht, der Wert der in Rede stehenden Informationen bestehe außerdem darin, dass die Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle eine bedeutende Anzahl wichtiger Informationen über die Leistungsfähigkeit des "Active Directory" innerhalb der Windows-Betriebssysteme enthielten. Ihre Server-Server-Kommunikationsprotokolle seien keine bloßen Schnittstellen ohne Verbindung zu der zugrunde liegenden Implementierung der Funktionalitäten, die über diese Schnittstellen zugänglich seien. Folglich laufe die Offenlegung der Protokolle gegenüber den Mitbewerbern darauf hinaus, dass diesen eine bedeutende Menge an Informationen über die Art und Weise mitgeteilt werde, wie diese Funktionalitäten bereit gestellt würden (Anlage R.2, Anlage T.7; Anlage U.1, Madnick und Meyer "Erwiderung auf das dem Schriftsatz der CCIA als Anlage beigefügte Dokument des Herrn Alepin und auf die Stellungnahme des [FSF-Europe]", und Anlage U.2).

259. Das Gericht stellt, erstens, fest, dass Microsoft in ihrem schriftlichen Vorbringen behauptet, sie müsse Informationen über die interne Struktur oder die innovativen Aspekte ihrer Produkte offen legen, dass sich die konkreten Beispiele aber einzig und allein auf die Replikationsprotokolle des Active Directory beziehen, und, zweitens, dass diese Behauptung auf die Untersuchungen von Madnick und Meyer einerseits und von Campbell-Kelly andererseits gestützt ist.

260. Insoweit ist das Vorbringen von Microsoft nicht hinreichend belegt.

261. Das Vorbringen, dass den von Microsoft offen zu legenden Informationen die Arbeitsweise ihrer Produkte zu entnehmen sei, wird nur durch das Beispiel des Active Directory erläutert, das in der Entscheidung als der Verzeichnisdienst definiert wird, der im Windows 2000-Server enthalten ist (Randnr. 149). In ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen hat Microsoft wiederum ausgeführt, dass "die Spezifikationen ... den Mitbewerbern sehr viel über die Arbeitsweise wichtiger Komponenten der Windows-Server-Betriebssysteme wie z. B. des Active Directory mitteilen" würden. Bei der Anhörung ist die Frage, ob den Spezifikationen Informationen über andere Komponenten des Windows-Betriebssystems als das Active Directory zu entnehmen sind, ebenfalls nicht klar und überzeugend beantwortet worden. Einer der Sachverständigen von Microsoft hat hierzu ausgeführt, er "glaube", dass auch die Regeln über die Verwaltung des Dateiverzeichnisses zu entnehmen seien.

262. Das Vorbringen der Sachverständigen von Microsoft und die von ihnen vorgebrachten Beispiele bezüglich des Active Directory beruhen auf Untersuchungen (siehe oben Randnr. 116), die von der Kommission und den Streithelfern zur Unterstützung ihrer Anträge massiv kritisiert worden sind. Diese Beteiligten haben Annahmen in den Untersuchungen in Frage gestellt, insbesondere die Annahme, dass die Protokolle, die zur Herstellung des Informationsaustauschs zwischen zwei Kopien eines Betriebssystems genutzt würden, und die Replikationsmethode "eng verbunden" seien. Die Einwände der Kommission - die auf eine von Sachverständigen vorgelegte Dokumentation gestützt werden (Anlage S.2 und Anlage U.1, "Memorandum der OTR vom 10. September 2004") -, der FSF-Europe sowie der CCIA und der Novell vor ihrer Streithilferücknahme stützen sich im Wesentlichen darauf, dass die Ausführungen in der Studie unbestimmt und spekulativ seien und dass in dieser Studie Theorien vertreten würden, die im Widerspruch zur Praxis von Microsoft stünden. In Anlage 3 zum Streithilfeschriftsatz der CCIA führt Herr Alepin aus, dass fehlerfrei geschriebenen Protokollspezifikationen wenig oder nichts über die interne Struktur, die Algorithmen und die sonstigen innovativen Aspekte der Betriebssysteme zu entnehmen sei.

263. Angesichts dieser Einwände und mangels genauerer Darlegungen von Microsoft ist das Vorbringen, die Spezifikationen ließen mehr erkennen, als für die Herstellung der von der Kommission verlangten Interoperabilität erforderlich sei, nicht erwiesen.

264. Wie die Kommission in einer Antwort auf eine schriftliche Frage dargelegt hat, kann auch die Behauptung von Microsoft, der vom Active Directory genutzte einzelne Komprimieralgorithmus müsse aufgrund der in der Entscheidung angeordneten Abhilfemaßnahme offen gelegt werden, mangels ausreichender objektiver Nachweise nicht überprüft werden.

265. Das Gericht ist der Auffassung, dass Microsoft die Möglichkeit und das Recht hatte, der Kommission - und nur ihr allein - einen technischen Bericht vorzulegen, in dem sie sich zum Grad der Detailliertheit der Spezifikationen und zu den Gefahren einer Aufdeckung von Informationen, die über die bloße von der Kommission verlangte Interoperabilität zwingend hinausgehen, hätte äußern können. Microsoft hat dies jedoch im Verwaltungsverfahren unterlassen. Auch hätte Microsoft nach Erlass der Entscheidung die Gründe darlegen können, weshalb keine wirksamen Schutzmaßnahmen in Betracht kamen, um diese Schwierigkeit zu überwinden. Insbesondere hat die Kommission bei der Anhörung vorgetragen, dass sie Microsoft am 30. Juli 2004 aufgefordert habe, ihr die Spezifikationen zwecks Prüfung zugänglich zu machen, dass die Spezifikationen ihr jedoch nie übermittelt worden seien, was von Microsoft nicht bestritten wird.

? Zur Verwendung der Informationen zur Interoperabilität

266. Microsoft macht geltend, dass nach Offenlegung der Informationen über die Interoperabilität der Gebrauch dieser Informationen zu einer Reihe von schweren und nicht wieder gutzumachenden Schäden führen werde.

Die angebliche Verwässerung der Informationen

267. Microsoft trägt vor, dass ihre Konkurrenten die offen gelegten Informationen nutzen könnten, dass diese Informationen in den Bereich der freien Verfügbarkeit überführt werden könnten und dass die Nutzung der Informationen nach Nichtigerklärung der Entscheidung unkontrollierbar sei.

268. Dieses Vorbringen verkennt, dass bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vertragliche Schutzmaßnahmen hinsichtlich Vertraulichkeit und Verwendung der in Rede stehenden Informationen vorgesehen werden können, wobei derartige Klauseln in dem Wirtschaftszweig gängige Praxis sind. Vertraulichkeitsklauseln, gegebenenfalls verbunden mit Vertragsstrafen, können in die Lizenzverträge mit Unternehmen aufgenommen werden, die im Sinne des Artikels 5 Buchstabe a der Entscheidung ein Interesse an der Entwicklung und dem Vertrieb von Erzeugnissen haben, die mit den Erzeugnissen von Microsoft konkurrieren.

269. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, Microsoft könne angemessene vertragliche Schutzmaßnahmen für die Offenlegung verlangen, damit die den Konkurrenten offen gelegten Informationen nicht länger genutzt werden könnten, wenn die Entscheidung für nichtig erklärt werde. Die im Rahmen des MCPP geschlossenen Lizenzverträge und die Technologietransfer-Vereinbarungen könnten hierfür als Vorlage dienen.

270. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Microsoft in ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung selbst ausgeführt hat, für die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen an ihre Vertragspartner sei erforderlich, dass diese der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit nachkämen (siehe oben Randnr. 125).

271. Hinzuzufügen ist, dass Microsoft sich im Rahmen der Vereinbarung mit Sun Microsystems verpflichtete, die Spezifikationen ihrer Server-Server-Kommunikationsprotokolle zugänglich zu machen. Microsoft hat jedoch nicht dargelegt, weshalb identische vertragliche Schutzmaßnahmen wie in dieser Vereinbarung nicht gewährleisten könnten, dass die in Vollzug der Entscheidung offen gelegten Informationen nicht allgemein zugänglich sind. Wie ferner aus Randnummer 211 der Entscheidung hervorgeht, "[schloss Microsoft] [i]n den neunziger Jahren ... mit AT&T einen Lizenzvertrag, der die Offenlegung bestimmter Komponenten des Windows-Quellcodes betraf". Microsoft hat jedoch nicht dargelegt, weshalb sie nicht in der Lage wäre, für die Offenlegung der in Artikel 5 der Entscheidung genannten Spezifikationen dieselben vertraglichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen wie die, die in der Vereinbarung mit AT&T vorgesehen sind.

272. Die Möglichkeit geeigneter Schutzmaßnahmen ist auch eine Antwort auf die Befürchtung von Microsoft, das offen gelegte Wissen könne so weit verbreitet werden, dass es in den Bereich der freien Verfügbarkeit falle. Abgesehen davon, dass der Abschluss von Lizenzverträgen nicht bedeutet, dass die betreffenden Daten rechtlich dem Bereich der freien Verfügbarkeit angehören, zumindest was die Rechte des geistigen Eigentums angeht, setzt der Eintritt des von Microsoft behaupteten Schadens voraus, dass Dritte gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen, was nicht vermutet werden kann (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T-73/98 R, Prayon-Rupel/Kommission, Slg. 1998, II-2769, Randnr. 41).

273. Was die Unkontrollierbarkeit ihrer Nutzung nach der Nichtigerklärung der Entscheidung angeht, so behauptet Microsoft, es sei allzu oberflächlich, zu meinen, dass, sollte die Entscheidung für nichtig erklärt werden, die Nutzung der Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle sofort feststellbar sei, und zwar wegen der Aufrechterhaltung der Interoperabilität der konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und der Windows-Server-Betriebssysteme. In ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen hat Microsoft hingegen ausgeführt, "ohne Zugang zum Quellcode der konkurrierenden Erzeugnisse" könne sie nicht wissen, in welchem Umfang die Mitbewerber das Wissen nutzten, das sie durch den Zugang zu den Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle von Microsoft erworben hätten. Aus diesem Vorbringen geht hervor, dass Microsoft meint, sie könne feststellen, in welchem Umfang die Mitbewerber das aufgrund der Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle erlangte Wissen nutzten, wenn sie im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung Zugang zum Quellcode der Erzeugnisse der Mitbewerber erhalte. Es kann aber durchaus in den Lizenzverträgen, die mit den in Artikel 5 der Entscheidung genannten Unternehmen zu schließen sind, vereinbart werden, dass ein - gemeinsam von den Vertragsparteien oder mangels Einigung von der Kommission ernannter - unabhängiger Sachverständiger für eine solche Prüfung auf den Quellcode der Produkte der Konkurrenten von Microsoft zugreifen kann. Es steht Microsoft überdies auch frei, in diesen Lizenzverträgen finanzielle Sanktionen zu vereinbaren, durch die ihre Mitbewerber, wenn die Entscheidung für nichtig erklärt wird, daran gehindert werden können, Produkte mit den integrierten Informationen zur Interoperabilität in den Verkehr zu bringen. Derartige Vertragsvereinbarungen über Prüfungsverfahren sowie über Vertragsstrafen, die verwirkt sind, wenn gegen die Verpflichtung verstoßen wird, die Informationen nach einer etwaigen Nichtigerklärung der Entscheidung nicht zu nutzen, reichen aus, um den Eintritt eines nicht wieder gutzumachenden Schadens zu verhindern.

274. Vorsorglich ist weiter festzustellen, dass die Würdigung in der vorstehenden Randnummer durch den Umstand gestützt wird, dass Novell bei der Anhörung erklärt hat, sie sei bereit, den Zugang zum Quellcode ihrer Erzeugnisse zu gestatten, damit nach einer möglichen Nichtigerklärung der Entscheidung nachgeprüft werden könne, dass sie keine Informationen zur Interoperabilität nutze. Microsoft hat sich hierzu nicht geäußert.

Der angebliche Verbleib der Erzeugnisse in den Vertriebskanälen

275. Microsoft behauptet, die Entscheidung verletze nachhaltig ihre Rechte des geistigen Eigentums - insbesondere ihr Recht auf Verwertung der Patente -, da im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung die Produkte mit der integrierten Technologie von Microsoft in den Vertriebskanälen und im Besitz der Kunden bleiben würden.

276. Microsoft hat nicht dargetan, dass das einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellt.

277. Erstens ist nicht bekannt, wann die konkurrierenden Produkte, die die Spezifikationen implementieren, in den Verkehr gebracht werden. Unstreitig müssen die Unternehmen, die die Informationen erhalten, in einem ersten Schritt die Spezifikationen implementieren und in einem zweiten Schritt ihre Produkte in den Verkehr bringen. Bei der Anhörung hat Microsoft erklärt, die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle seien innerhalb von drei bis vier Wochen einsatzbereit.

278. Der Zeitraum zwischen der Erlangung der Spezifikationen und dem Inverkehrbringen der Produkte wurde von der Kommission in der Entscheidung auf mehrere Jahre veranschlagt (Randnrn. 719 bis 721 der Entscheidung). In ihren Erklärungen hat sich die Kommission auf ein "Schreiben von Sun [Microsystems] an die Kommission vom 20. Juli 2004" bezogen, dessen Absatz 3, der auf die Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle Bezug nimmt, wie folgt lautet:

"Mit Hilfe eines Teams, das aus [einer größeren Zahl von] Ingenieuren bestand, brauchte Sun [Microsystems mehr als] ein Jahr, um die Entwicklungsarbeiten zu einem Ende zu führen und eine funktionsfähige Version des AS/U, das auf den von AT&T erhaltenen Informationen basiert, in den Verkehr zu bringen. Aus den nachfolgend genannten Gründen rechnet Sun [Microsystems] damit, dass für die Herstellung eines komplexen Erzeugnisses auf der Grundlage der technischen Spezifikationen, die im Rahmen des mit Microsoft im April 2004 geschlossenen 'Technical Collaboration Agreement' zur Verfügung gestellt wurden, eine längere Zeit erforderlich ist."

279. In dem Schriftsatz, den CCIA vor ihrer Streithilferücknahme eingereicht hat, führt diese überdies aus, "selbst wenn die Informationen morgen offen gelegt würden (und unter der Voraussetzung, dass sie vollständig und zutreffend wären), [läge] es auf der Hand, dass es mehrere (mindestens zwei) Jahre dauern würde, bevor ein Mitbewerber von Microsoft ein Erzeugnis, das diese Informationen nutzt, in den Verkehr bringen kann"; diese Ausführungen stützten sich auf Anlage CCIA.R.3, in der Herr Alepin die Auffassung vertritt, die Annahme, dass vollständig kompatible Erzeugnisse vor Ablauf von zwei Jahren wirtschaftlich rentabel seien, sei völlig unrealistisch (Randnr. 84). SIIA und Novell haben in ihren Schriftsätzen vor ihrer Streithilferücknahme dasselbe vorgetragen.

280. Auf Aufforderung, zu diesen Angaben über den Zeitraum, der voraussichtlich für die Implementierung ihrer Spezifikationen erforderlich wäre, schriftlich Stellung zu nehmen, hat Microsoft im Wesentlichen ausgeführt, die für die Implementierung einer Spezifikation erforderliche Zeit hänge weitgehend von den hierfür eingesetzten Mitteln ab. Bei der Anhörung hat Microsoft erklärt, ein Produkt könne innerhalb von weniger als drei Monaten in den Verkehr gebracht werden; Microsoft hat indessen weder hinreichende Erläuterungen gegeben noch Anhaltspunkte vorgebracht, die dieses Vorbringen stützen könnten und die Prüfung der Begründetheit ermöglichten. Dem Vorbringen kann somit nicht gefolgt werden.

281. Unbeschadet des Umstands, dass die Mitbewerber von Microsoft gewisse Zeit benötigen werden, um die mit den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver kompatiblen Versionen ihrer Produkte zu verkaufen, ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese kompatiblen Produkte kurzfristig in den Verkehr gebracht werden können. Folglich würden die Wirkungen, auf die sich Microsoft beruft, allenfalls während des begrenzten Zeitraums eintreten, der zwischen dem Inverkehrbringen der betreffenden Erzeugnisse und dem in der Hauptsache ergehenden Urteil liegt.

282. Zweitens kann der Schaden, der gegebenenfalls daraus entsteht, dass Produkte, die die Spezifikationen der Protokolle von Microsoft implementieren, in den Vertriebskanälen bleiben, nicht als irreversibel angesehen werden, da eine solche Wirkung notwendigerweise zeitlich begrenzt ist, entweder weil die Erzeugnisse am Ende verkauft und innerhalb der Unternehmen, die sie erworben haben, installiert werden (siehe unten Randnr. 283), oder weil die unverkauften Produkte technologisch veraltet sein werden.

283. Drittens führt Microsoft zu Recht aus, dass die konkurrierenden Produkte auch im Fall der Nichtigerklärung in den Unternehmen, die sie erworben haben, weiterhin installiert blieben. Das kann jedoch nicht als Ursache für einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden angesehen werden, da Microsoft zum einen nicht dargetan hat, dass die Präsenz dieser Produkte in den Netzwerken der Kunden die zukünftigen Tätigkeiten von Microsoft erheblich beeinträchtigen würde, und es zum anderen wahrscheinlich ist, dass der Marktwert der Produkte, die einen Bedarf der Kunden gedeckt haben werden, der vor Erlass des Urteils im Verfahren zur Hauptsache bestand, schnell verfallen wird, wenn das Gericht die Entscheidung für nichtig erklärt.

284. In diesem letzten Punkt könnte Microsoft nach einer etwaigen Nichtigerklärung der Entscheidung durch eine Änderung ihrer Server-Server-Kommunikationsprotokolle bewirken, dass die konkurrierenden Betriebssysteme mit den neuen Versionen der Windows-Systeme nicht kompatibel sind, und damit den Wert der konkurrierenden Produkte erheblich und schnell herabsetzen. Dass die Beeinflussung der Interoperabilität der Windows-Umgebung mit den innerhalb der Unternehmen installierten konkurrierenden Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver technisch möglich ist - was Microsoft die Möglichkeit gibt, von den späteren Verbesserungen daher ausschließlich zu profitieren -, ist bei der Anhörung bestätigt worden, ohne dass Microsoft hiergegen Einwände erhebt.

285. Selbst wenn Microsoft beschlösse, ihre Kommunikationsprotokolle nach einer etwaigen Nichtigerklärung der Entscheidung nicht zu ändern, könnte ihr durch die Beibehaltung der konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver in Netzwerken kein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen. Bei der Anhörung hat Microsoft erklärt, dass es im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung technisch möglich wäre, die Interoperabilität mit den konkurrierenden Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver abzubrechen, dass es jedoch wirtschaftlich gesehen nicht vorstellbar sei, eine Rückwärtskompatibilität der alten mit den neuen Systemen nicht herzustellen. Zwar können die konkurrierenden Betriebssysteme dadurch, dass die Kompatibilität fortbesteht, mit der neuen Version der Windows-Betriebssysteme im Netz interoperieren, doch ändert dies nichts daran, dass die erstgenannten Systeme technologisch nicht so weit entwickelt sind wie die zuletzt genannten und dass sie wirtschaftlich gesehen schnell veralten. Wie erinnerlich, könnten die Konkurrenten von Microsoft, wenn das Gericht die Entscheidung für nichtig erklären würde, die in Artikel 5 dieser Entscheidung genannten Informationen zur Interoperabilität nicht mehr verwenden (siehe oben Randnr. 273). Folglich wäre die Rückwärtskompatibilität nur für die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gewährleistet, die von diesen Mitbewerbern vor dem Zeitpunkt der etwaigen Nichtigerklärung in den Verkehr gebracht wurden.

Das "Klonen" der Erzeugnisse

286. Microsoft führt aus, die in Rede stehenden Informationen könnten verwendet werden, um ihre Erzeugnisse zu "klonen". Sobald die Konkurrenten gründliche Kenntnis von den internen Arbeitsweisen der Betriebssysteme von Microsoft durch Studium der Spezifikationen der urheberrechtlich geschützten Kommunikationsprotokolle erlangt hätten, könnten sie diese für ihre eigenen Erzeugnisse nutzen. Es sei für Microsoft und für die Gerichte schwierig, wenn nicht gar unmöglich, festzustellen, ob die Mitbewerber diese Kenntnis bei dem Entwurf ihrer eigenen Server-Betriebssysteme genutzt hätten.

287. Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Prämisse dieses Vorbringens, dass es möglich sei, Informationen zu erhalten, die weit über die bloßen Informationen zur Interoperabilität hinausgingen, nicht erwiesen ist (siehe oben Randnrn. 260 bis 265).

288. Zudem stützt sich die Behauptung von Microsoft auf eine Auslegung des Artikels 5 der Entscheidung, die die Begründung dieses Artikels unberücksichtigt lässt. Die in Artikel 5 enthaltene Anordnung, dass Microsoft die Nutzung der Spezifikationen für ihre Protokolle "für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten [hat], die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrieren", ist im Licht der Randnummern 1003 und 1004 der Entscheidung zu sehen. Gemäß Randnummer 1003 "[besteht] [d]as Ziel der [Entscheidung] ... darin, sicherzustellen, dass Microsofts Konkurrenten Produkte entwickeln, die mit der [ursprünglich] in das beherrschende Windows-Client-PC-Betriebssystem integrierten Windows-Domänenarchitektur [kompatibel] sind und daher mit den Arbeitsgruppenserver-Betriebssystemen von Microsoft konkurrieren können". In Randnummer 1004 heißt es: "Was die weitere Nutzung der offen gelegten Spezifikationen betrifft, so werden die Spezifikationen ebenfalls nicht nachgebildet, bearbeitet, arrangiert oder geändert, sondern von Dritten genutzt, um ihre eigenen mit diesen Spezifikationen übereinstimmenden Schnittstellen zu schreiben."

289. Artikel 5 der Entscheidung ist somit dahin zu verstehen, dass die Nutzung der Protokolle nur für Zwecke der Interoperabilität gestattet ist und dass folglich die Nutzung der Protokolle zu anderen Zwecken nicht erlaubt ist. Die Kommission hat diese Auslegung bei der Anhörung ausdrücklich bestätigt und betont, dass die Beachtung dieser Einschränkung durch den in Artikel 7 der Entscheidung genannten, "von Microsoft unabhängigen Treuhänder" überprüft werden könne.

- Zur Verletzung der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit

290. Microsoft führt aus, die Freiheit, die wesentlichen Elemente ihrer Geschäftspolitik zu bestimmen, werde durch den Vollzug der Entscheidung beeinträchtigt: Die Entscheidung verpflichte sie, ihren Mitbewerbern Informationen offen zu legen, nehme ihr die Produktionsentwicklungsfähigkeit und zwinge sie dazu, ihre Protokolle zu "härten".

291. Grundsätzlich führt jede aufgrund von Artikel 82 EG ergangene Entscheidung, die ein beherrschendes Unternehmen verpflichtet, einen Missbrauch abzustellen, zwangsläufig zu einer Änderung der Geschäftspolitik dieses Unternehmens. Die einem Unternehmen auferlegte Verpflichtung zur Änderung des Verhaltens kann somit nicht als solche einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellen, es sei denn, das Erfordernis der Dringlichkeit wäre stets dann erfüllt, wenn die Entscheidung, die den Gegenstand des Aussetzungsantrags bildet, die Aufgabe eines missbräuchlichen Verhaltens anordnet.

292. Beruft sich ein Antragsteller auf eine Verletzung seiner geschäftlichen Entscheidungsfreiheit, um darzutun, dass der Erlass der beantragten vorläufigen Maßnahme dringend geboten ist, hat er den Nachweis zu erbringen, dass entweder der Vollzug der angefochtenen Handlung ihn zwingt, bestimmte wesentliche Elemente seiner Geschäftspolitik zu ändern, und dass selbst nach dem Erlass eines Urteils, das ihm in der Hauptsache Recht gäbe, die Folgen des Vollzugs ihn daran hindern würden, seine ursprüngliche Geschäftspolitik wieder aufzunehmen, oder dass ihm durch diese Folgen ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden anderer Art entsteht; der behauptete Schaden ist unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

293. In den Beschlüssen Bayer/Kommission, zitiert oben in Randnummer 138, und IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnummer 133, auf die sich Microsoft beruft, wurden die Folgen einer Beeinträchtigung der Freiheit der Unternehmen, ihre Geschäftspolitik festzulegen, unter Berücksichtigung der Folgen des Vollzugs der Handlung im Verfahren der einstweiligen Anordnung gewürdigt.

294. Im Beschluss Bayer/Kommission, zitiert oben in Randnummer 138, hat das Gericht ausgeführt: "Sollte die Auffassung der Antragstellerin im vorliegenden Fall vom Gericht als begründet angesehen werden, so bestünde bei sofortiger Anwendung der fraglichen Bestimmung die Gefahr, dass der Betroffenen die Möglichkeit genommen würde, einige wesentliche Elemente ihrer Geschäftspolitik selbständig festzulegen" (Randnr. 54). Es stellte ferner fest, dass "[e]ine derartige Sachlage ... im pharmazeutischen Bereich, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die nationalen Gesundheitsbehörden Preisfestsetzungs- oder Kontrollmechanismen und Erstattungsmodalitäten anwenden, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu großen Unterschieden bei den Preisen für das gleiche Arzneimittel führen, ganz besonders geeignet [wäre], der Antragstellerin einen schweren Schaden zuzufügen" (Randnr. 55). Da eine sektorbezogene Preisregelung als ein Faktor angesehen wurde, der den Rahmen der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit der Unternehmen einschränkt, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine zusätzliche Beeinträchtigung einer bereits eingeschränkten geschäftlichen Entscheidungsfreiheit einen schweren Schaden darstellt. Die Änderung der Geschäftspolitik von Bayer wurde somit nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles als ausreichend angesehen, den Tatbestand der Dringlichkeit zu erfüllen.

295. Im Beschluss IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnummer 133, hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass Dringlichkeit gegeben war, da ernsthafte Gründe für die Annahme bestanden, dass viele der "Marktentwicklungen", zu denen der sofortige Vollzug der Entscheidung wahrscheinlich führen würde, nur sehr schwer oder überhaupt nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten, falls der Klage stattgegeben würde (Randnr. 129). Die in dieser Rechtssache festgestellte "tatsächliche Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen der Antragstellerin" (Randnr. 127) bezieht sich somit darauf, dass die Marktentwicklungen erheblich waren und nicht wieder rückgängig gemacht werden konnten. Die Überlegungen, die die Beeinträchtigung der den Unternehmen zustehenden Freiheit betrafen, ihre Geschäftspolitik festzulegen (Randnrn. 130 und 131), wurden nur zur Untermauerung der Schlussfolgerung berücksichtigt, zu der das Gericht bereits hinsichtlich der Dringlichkeit gelangt war, was dadurch belegt wird, dass nicht geprüft wurde, ob die fragliche Beeinträchtigung schwer und nicht wieder gutzumachen war.

296. Es ist daher zu prüfen, ob Microsoft nachgewiesen hat, dass die Beschränkung ihrer geschäftlichen Entscheidungsfreiheit unter Berücksichtigung der Umstände des zugrunde liegenden Falles Ursache eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens ist.

? Zur angeblichen grundlegenden Änderung der Geschäftspolitik

297. Dass Microsoft durch die Entscheidung zu einer grundlegenden Änderung ihrer Geschäftspolitik verpflichtet würde, steht im Widerspruch zum Inhalt bestimmter Aktenstücke.

298. Zunächst verpflichten sowohl der US-amerikanische Vergleich als auch die Entscheidung Microsoft zur Offenlegung der Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle. Zwar verpflichtet der US-amerikanische Vergleich Microsoft nicht zur Offenlegung der Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle, doch verpflichtet er Microsoft, Lizenzen für alle Protokolle zu erteilen, die in ein Windows-Client-PC-Betriebssystem zwecks Interoperabilität mit einem Windows-Server-Betriebssystem implementiert worden sind. Das Gericht ist nach den vorliegenden Unterlagen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Entscheidung im Zusammenhang mit der von Microsoft bereits in Vollzug des US-amerikanischen Vergleichs verfolgten Politik der Offenlegung steht, der Auffassung, dass die bezüglich der Geschäftspolitik bestehenden Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen Vergleich und der Entscheidung nicht grundlegend sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eines der Protokolle, für die im Rahmen des MCPP eine Lizenz erteilt wurde, unstreitig ein Protokoll ist, das nicht nur für die Client-Server-Kommunikation, sondern auch für die Server-Server-Kommunikation genutzt wurde. Zu diesem letzten Punkt ergibt sich insbesondere aus Randnummer 179 der Entscheidung, dass "[d]ie Server in einem Netz ... manchmal dieselben Protokolle wie Kunden-PCs nutzen [können], um mit anderen Servern zu kommunizieren: Zum Beispiel wird Microsoft Kerberos in einer Windows-Domäne zur Beglaubigung sowohl zwischen einem Windows-Client-PC und einem Windows-Arbeitsgruppenserver als auch zwischen den Windows-Arbeitsgruppenservern genutzt". Darüber hinaus ist die angebliche Beeinträchtigung der Geschäftspolitik von Microsoft nicht unumkehrbar, da eine Nichtigerklärung der Entscheidung, ebenso wie das für 2009 vorgesehene Ende des MCPP, es Microsoft ermöglichen würde, gegebenenfalls keine Lizenzen mehr für ihre Kommunikationsprotokolle zu erteilen.

299. Sodann geht aus den Akten hervor, dass die Unternehmensleitung von Microsoft erklärte, Microsofts Politik sei es, die Vergabe der im US-amerikanischen Vergleich vorgesehenen Lizenzen für die Protokolle aktiv zu fördern und die Bereitschaft zu bekräftigen, Nutzungsrechte auf einer breiteren Grundlage als im genannten Vergleich anzubieten. Dies geht aus einer Pressemitteilung von Microsoft vom 1. August 2003 (Anlage N.12) hervor, die wie folgt lautet:

"Microsoft hat auch angekündigt, dass sie bereit sei, Nutzungsrechte für die Protokolltechnologie des Unternehmens in noch größerem Umfang zu vergeben, als es das rechtskräftige Urteil in der Kartellsache verlangt oder in den Standard-Lizenzvereinbarungen MCPP wiedergegeben ist. Microsoft hat schon freiwillig aufgrund des MCPP Nutzungsrechte an Lizenznehmer in einem Umfang erteilt, der über die Erfordernisse des rechtskräftigen Urteils hinausging, und Microsoft ermutigt andere Entwickler, die ein Interesse am Erwerb einer Lizenz für die Protokolltechnologie des Unternehmens haben, ihre technischen Anforderungen mit dem für die Lizenzierung der Protokolle zuständigen Microsoft-Team zu erörtern."

300. Schließlich sieht die Vereinbarung zwischen Microsoft und Sun Microsystems die Offenlegung der Server-Server-Kommunikationsprotokolle vor, die unter die Entscheidung fallen. Da die Vereinbarung die Bekanntgabe der Protokolle vorsieht, zu deren Offenlegung Microsoft aufgrund der Entscheidung verpflichtet ist, macht Microsoft zu Unrecht geltend, dass der Vollzug der Entscheidung sie zu einer grundlegenden Änderung ihrer Geschäftspolitik zwingen würde.

301. Nach den vorstehenden Erwägungen kann das Gericht es nicht als erwiesen ansehen, dass die Entscheidung eine hinreichend bedeutende Änderung der Geschäftspolitik von Microsoft bewirken wird.

302. Diesem Ergebnis entspricht es, dass die Kommission in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts dargelegt hat, Microsoft sei im Verlauf der Verhandlungen, die während des Verwaltungsverfahrens mit der Kommission geführt worden seien, bereit gewesen, Informationen zur Interoperabilität über die in der Entscheidung genannten hinaus zugänglich zu machen. Microsoft hat den besonderen Charakter einer jeden Verhandlung hervorgehoben, die die Folge gegenseitigen Nachgebens sei, hat jedoch dem Vortrag der Kommission im Übrigen nicht widersprochen.

? Zur angeblichen Schwierigkeit, die Protokolle zu verbessern

303. Microsoft trägt vor, der Vollzug der Entscheidung schränke die Flexibilität ein, die sie benötige, um die betreffenden Protokolle regelmäßig zu verbessern. Dadurch werde ihre Innovationsfähigkeit geschwächt (Anlagen R.2 und T.7).

304. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Microsoft nach Artikel 5 Buchstabe a bis c der Entscheidung verpflichtet ist, die Spezifikationen ihrer Protokolle ihren Wettbewerbern zugänglich zu machen, es ihr dagegen unbenommen bleibt, die Protokolle nach ihren Vorstellungen zu erstellen. Die Verbesserung der Protokolle bleibt daher eine Entscheidung, die Microsoft unter Berücksichtigung der erwarteten Folgen dieser Entscheidung zu treffen hat. Microsoft hat aber nicht nachgewiesen, dass eine Entscheidung, die Protokolle während des Übergangszeitraums - bis zur Entscheidung des Gerichts im Verfahren der Hauptsache - zu verbessern, praktische Konsequenzen von einem solchen Ausmaß hätte, dass die Entscheidung ein echtes Innovationshindernis darstellte.

305. Das Vorbringen, die Flexibilität, mit der Microsoft die betreffenden Protokolle in Zukunft verbessern könne, werde durch die von den tatsächlichen Verhältnissen des Handels vorgegebene Verpflichtung, Rückwärtskompatibilität mit den auf ihren Protokollen basierenden Erzeugnissen der Wettbewerber zu gewährleisten, beeinträchtigt, kann angesichts bestimmter Aktenstücke nicht anerkannt werden.

306. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich Microsoft in der Vergangenheit, als sie beschloss, die Lauffähigkeit von Novells NDS für NT auszuschließen, durch eine solche Verpflichtung nicht gebunden fühlte (Randnrn. 298 bis 301 und 686 der Entscheidung).

307. Zweitens gewährleistet Microsoft generell die Rückwärtskompitabilität mit den früheren Versionen ihrer eigenen Erzeugnisse. Es gibt in den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass Microsoft, wenn sie diese Kompatibilität gewährleistet, nicht auch in der Lage ist, die Rückwärtskompitabilität mit sämtlichen kompatiblen Implementierungen zu gewährleisten. Microsoft hat vorgetragen, sie habe die Rückwärtskompitabilität mit einer Palette von Erzeugnissen gewährleistet. Sie hat betont, dass "es für Microsoft schon eine technische Herausforderung war, im Rahmen der nachfolgenden Veröffentlichungen neuer Windows-Server-Betriebssysteme die Rückwärtskompitabilität mit den mehreren tausend veröffentlichten Schnittstellen aufrechtzuhalten, die von den Softwareprogrammen Dritter genutzt werden".

308. Drittens ist der Komplexitätszuwachs, den die Entwicklung kompatibler Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bedeutet, nicht bewertet worden. Gleichwohl muss der Mehraufwand während des Übergangszeitraums als begrenzt angesehen werden, da die Anzahl kompatibler Erzeugnisse, die auf den Markt gebracht und von den Kunden gekauft werden, bevor das Gericht im Verfahren der Hauptsache entschieden hat, wahrscheinlich gering ist. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass eine neue Version des Betriebssystems von Microsoft, bekannt unter der Bezeichnung "Longhorn", nach dem Vortrag von Microsoft im Jahr 2006 bereitstehen wird und dass, wie die Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission ausführen, die Ankündigung von deren Einführung das Kaufverhalten der Kunden zu Lasten der konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver beeinflussen wird.

309. Viertens hätte der US-amerikanische Vergleich, der nicht nur den Herstellern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver im Sinne der Entscheidung, sondern auch nahezu allen Herstellern von Server-Betriebssystemen Vorteile bringt, eine gleichartige negative Wirkung wie die haben müssen, auf die Microsoft sich vor dem Gericht beruft. Aus den Schriftsätzen der Beteiligten geht nicht hervor, dass durch den Vollzug der Entscheidung die Flexibilität, die Microsoft für die Änderung ihrer Protokolle zur Verfügung steht, in stärkerem Maße beeinträchtigt werden könnte als infolge der Verpflichtungen, die Microsoft im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs übernommen hat. Hierzu ergibt sich aus einer der Antworten von Microsoft auf die schriftlichen Fragen, dass der US-amerikanische Vergleich Microsoft unter bestimmten Umständen die Möglichkeit gibt, sich für eine Verwertung der Innovationen in Client-Server-Protokollen zu entschließen, um die Windows-Betriebssysteme attraktiver zu machen, ohne diese Technologie den Wettbewerbern zur Verfügung zu stellen. Microsoft fügt hinzu:

"Entwickelt Microsoft insbesondere neue Client-Server-Protokolle, die nicht in ihr Windows-Client-Betriebssystem einbezogen, sondern getrennt installiert sind, muss Microsoft diese Protokolle den Mitbewerbern nicht zur Verfügung stellen. Microsoft könnte z. B. innovative Protokolle im Zusammenhang mit einer neuen Version ihres Windows-Server-Betriebssystems entwickeln. Wenn ein Netzwerk, das dieses Server-Betriebssystem benutzt, installiert ist, werden die Kunden gebeten, die Kunden-Software zu installieren, die diese Protokolle auf ihren Personalcomputern implementiert. (Dies ist die gängige Methode von Novell.)"

310. Diese Erklärung bestätigt, dass Microsoft die Absicht hat, ihre Erzeugnisse zu verbessern, und dass die Beschränkungen der Möglichkeit, sie tatsächlich zu verbessern, die sich aus einem Mangel an Flexibilität ergeben, nicht dergestalt sind, dass sie diese Verbesserung behindern. Ohne Bedeutung ist hierbei, ob die Verbesserungen freiwillig oder aufgrund rechtlicher Verpflichtung zugänglich gemacht werden.

311. Fünftens kann aus der mit Sun Microsystems geschlossenen Vereinbarung, die die in der Entscheidung genannten Protokolle erfasst, geschlossen werden, dass die Auswirkung auf die Fähigkeit von Microsoft, ihre Protokolle zu ändern, nicht irreversibel ist.

? Zur angeblichen Notwendigkeit einer "Härtung" der Protokolle

312. Microsoft trägt vor, sie müsse die Protokolle "härten", um die "Möglichkeit von Störungen, Pannen und Sicherheitsrisiken" als Folge einer "versehentlichen oder böswilligen Nutzung" zu vermeiden.

313. Die "Möglichkeit von Störungen, Pannen und Sicherheitsrisiken" unterstellt, ist festzustellen, dass sich Microsoft lediglich auf den Schaden beruft, der aus den Anstrengungen entsteht, die angeblich erforderlich sind, um den Eintritt dieser Möglichkeit zu verhindern, ohne darzulegen, weshalb der Schaden schwerwiegend und nicht wieder gutzumachen ist. Microsoft legt insbesondere nicht dar, dass diese "Härtung" der Protokolle bestehen bleiben müsste, wenn die Entscheidung für nichtig erklärt würde, oder dass sie die Ursache für einen weiteren Schaden sei. Außerdem besteht, wie die Kommission ausführt, für die Empfänger der Informationen zur Interoperabilität ein starker Anreiz, ihre Erzeugnisse sicher und stabil zu machen und deren "versehentliche Nutzung" zu verhindern; auch werden sie kein Interesse an einer "böswilligen Nutzung" haben. Wie die Kommission weiterhin ausführt, werden die Unternehmen, denen die Offenlegung zugute kommt, im Gegenteil ein deutliches Interesse daran haben, Zufallsschäden dadurch zu verhindern, dass sie ihre Implementierung im Verhältnis zu denjenigen von Microsoft testen und dafür sorgen, dass ihre Erzeugnisse bei den Kunden keine Datenverluste oder Datenverfälschungen hervorrufen. Diese Tests werden sich naturgemäß auf alle Windows-Erzeugnisse erstrecken, mit denen der betreffende Wettbewerber Interoperabilität herstellen will. Für Microsoft wird es daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nötig sein, bereits installierte Erzeugnisse rückwirkend anzupassen.

314. Ebenso wenig wie bezüglich der angeblichen Beeinträchtigung der Fähigkeit, ihre Produkte frei zu entwerfen, hat Microsoft dargetan, dass sich die in vorstehender Randnummer aufgeführten Risiken in Vollzug des US-amerikanischen Vergleichs eingestellt hätten. Während schließlich Samba oder AS/U eine Reihe von Protokollen, die ursprünglich - nach der Terminologie von Microsoft - als "private" Protokolle entworfen worden waren, implementieren, macht Microsoft kein Beispiel für eine Übertragung unerwarteter Daten an Windows geltend, die geeignet war, den Verlust oder die Verfälschung von Daten zu verursachen.

315. Die angeblichen Beschränkungen, denen die Fähigkeit von Microsoft, ihre Erzeugnisse zu entwickeln, unterliegt, sind bereits in dem mit Sun Microsystems geschlossenen Vergleich enthalten, der die im Rahmen der Entscheidung maßgeblichen Protokolle einbezieht. Der sich hieraus ergebende Schaden, sein Vorliegen unterstellt, besteht somit unabhängig von der Abhilfemaßnahme, und Microsoft hat nicht dargetan, dass die beantragte Aussetzung des Vollzugs ihre gegenwärtige Lage spürbar ändern würde.

316. Schließlich könnten darüber hinaus genaue technische Bedingungen vertraglich vereinbart werden, wie dies im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs vorgesehen ist. In ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts hat Microsoft ausgeführt, dass der US-amerikanische Vergleich ihr die Möglichkeit gebe, die Offenlegung sicherheitsrelevanter Protokolle mit bestimmten Bedingungen zu verbinden, durch die die Gefahr gering gehalten werden solle, dass die Protokolle böswillig für eine Aushöhlung der Datensicherheit benutzt würden. Die Furcht vor einer böswilligen Nutzung der betreffenden Informationen oder vor einem unzureichenden Test der Implementierungen könnte somit durch die Möglichkeit eines Antrags bei der Kommission zerstreut werden, unter solchen Umständen die Ablehnung der Informationsoffenlegung zu genehmigen.

- Zur angeblich irreversiblen Entwicklung der Marktbedingungen

317. Microsoft führt aus, die Zwangslizenzen würden die gegebenen Marktbedingungen unumkehrbar nachteilig verändern, weil die Untersuchung der detaillierten Spezifikationen der fraglichen Kommunikationsprotokolle den Wettbewerbern wichtige Aspekte des Entwurfs der Windows-Server-Betriebssysteme offenbaren werde. Eine Offenlegung dieser Informationen in großem Rahmen gäbe den Konkurrenten von Microsoft die Möglichkeit, in ihren Server-Betriebssystemen eine Reihe von Funktionalitäten nachzubilden, die Microsoft dank eigener Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen entwickelt habe.

318. Den tatsächlichen Ausgangspunkt, den Microsoft ihren Ausführungen zugrunde legt, hat das Gericht nicht als hinreichend bewiesen angesehen (siehe oben Randnrn. 260 bis 265). Überdies hat Microsoft trotz der von der Kommission in ihren Erklärungen zu dem Antrag erhobenen Rügen keinen Beleg für die Marktentwicklung erbracht, die sich nach ihrer Auffassung aus dem angeblichen Problem ergeben muss. Das Vorbringen von Microsoft ist somit zurückzuweisen.

319. Selbst wenn Microsofts Vorbringen dahin verstanden werden könnte, dass die Marktbedingungen durch die Offenlegung der Informationen zur Interoperabilität derart verändert würden, dass Microsoft Marktanteile verlöre und im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung die verlorenen Marktanteile nicht zurückerlangen könnte, hat Microsoft zur Stützung dieses Vorbringens zudem keine Tatsachen vorgetragen. Microsoft hat insbesondere nicht dargetan, dass Hindernisse bestünden, die die Rückerlangung eines wesentlichen Teils der Marktanteile, die sie als Folge der Abhilfemaßnahme hätte verlieren können, ausschlössen (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C-471/00 P[R], Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, Slg. 2001, I-2865, Randnr. 111, Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 16. Januar 2004 in der Rechtssache T-369/03 R, Arizona Chemical u. a./Kommission, Slg. 2004, II-205, Randnrn. 82 bis 84).

Zum schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden, der durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Spezifikationen der Client-Server-Protokolle entsteht

320. Nach alledem begründen in Bezug auf die Verpflichtung zur Offenlegung der Spezifikationen der Server-Server-Kommunikationsprotokolle die von Microsoft behaupteten einzelnen Schäden keine Dringlichkeit.

321. Da Microsoft nichts vorgetragen hat, was in Bezug auf die Folgen der Offenlegung der Client-Server-Kommunikationsprotokolle zu einem anderen Ergebnis führen könnte, kommt das Gericht zwangsläufig zu dem Schluss, dass Microsoft die Dringlichkeit in Bezug auf diesen zweiten Teil der Verpflichtung zur Offenlegung nicht dargetan hat. Wie die Kommission in der Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, sind die Client-Server-Interoperabilität einerseits und die Server-Server-Interoperabilität andererseits zwei untrennbare Bestandteile der Interoperabilität innerhalb eines Datenverarbeitungssystems, das mehrere Windows-Client-PCs und mehrere Windows-Arbeitsgruppenserver umfasst, die sämtlich untereinander in einem Netzwerk verbunden sind (Randnrn. 144 bis 184 und 689).

322. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Microsoft bei der Anhörung betont hat, dass eine Verpflichtung, die Spezifikationen der Client-Server-Kommunikationsprotokolle offen zu legen, angesichts des Umstands, dass diese Spezifikationen bis 2009 im Rahmen des MCPP zugänglich seien, nicht erforderlich sei. Dieses Vorbringen kann nur dahin verstanden werden, dass Microsoft durch die in der Entscheidung angeordnete Offenlegung der Spezifikationen kein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstanden sein kann.

323. Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist somit auch wegen fehlender Dringlichkeit zurückzuweisen, soweit er darauf gerichtet ist, den Vollzug der Verpflichtung zur Offenlegung der Spezifikationen der Client-Server-Kommunikationsprotokolle und zur Gestattung der Nutzung dieser Spezifikationen durch die Konkurrenten von Microsoft auszusetzen.

324. Da nach alledem keine Dringlichkeit gegeben ist, ist der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 5 Buchstaben a bis c zurückzuweisen, ohne dass die widerstreitenden Interessen abzuwägen wären.

325. Klarzustellen ist, dass nach Artikel 106 der Verfahrensordnung die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung den Antragsteller nicht daran hindert, einen weiteren, auf neue Tatsachen gestützten Antrag zu stellen. Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass, wenn es über bestimmte Einzelheiten des Vollzugs der Entscheidung zu keiner Einigung kommt, dies als eine neue Tatsache gelten kann. Insbesondere im Hinblick auf die in der vorstehenden Würdigung erfolgten Verweise auf die vertraglichen Vereinbarungen, die den Schluss zulassen, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfüllt ist (siehe oben Randnrn. 268, 273, 285 und 316), könnte die Weigerung, solche Schutzklauseln in die mit den in Artikel 5 der Entscheidung genannten Unternehmen zu schließenden Lizenzvereinbarungen aufzunehmen, als eine Veränderung der Umstände angesehen werden, die bestimmte dem vorliegenden Beschluss zugrunde liegende Gründe in Frage stellen könnte.

B - Zur Frage der gekoppelten Verkäufe

1. Vorbringen der Beteiligten

a) Vorbringen von Microsoft und der als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassenen Verfahrensbeteiligten

Zum fumus boni juris

326. Microsoft führt aus, sie habe in ihrer Nichtigkeitsklage Argumente vorgetragen, die dem ersten Anschein nach die Nichtigerklärung derjenigen Bestimmungen der Entscheidung rechtfertigten, die den angeblich durch die Praxis der gekoppelten Verkäufe begründeten Missbrauch betreffen.

327. In ihrer Entscheidung behaupte die Kommission, der Umstand, dass Microsoft eine verbesserte Multimediafunktionalität in Windows integriert habe, stelle einen Missbrauch im Sinne des Artikels 82 EG dar, "insbesondere" im Sinne des Absatzes 2 Buchstabe d dieses Artikels sowie nach Maßgabe eines neuen Kriteriums auf dem Gebiet der gekoppelten Verkäufe, das sich aus Artikel 82 EG herleite. Wie sich aus Randnummer 841 der Entscheidung ergebe, sei in den klassischen Fällen des gekoppelten Verkaufs nach Auffassung der Kommission und des Gemeinschaftsrichters das gebündelte Angebot eines eigenständigen Produktes Indiz für die Ausschlusswirkung dieser Praxis auf die konkurrierenden Verkäufer. Aus derselben Randnummer der Entscheidung gehe aber hervor, dass der vorliegende Fall kein "klassischer Fall des gekoppelten Verkaufs" sei und dass "die Nutzer sich - teilweise gratis - andere multimediale Abspielsoftware über das Internet besorgen können". Die Kommission räume somit ein, dass "[e]s ... gute Gründe [gibt], ohne nähere Untersuchung nicht davon auszugehen, dass der gekoppelte Verkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die von Natur aus geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken" (Randnr. 841).

328. Die Kommission gelange jedoch zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine Ausschlusswirkung gegenüber den Marktkonkurrenten bestehe, und zwar unter Heranziehung der sehr spekulativen Theorie, dass die weite Verbreitung der Multimediafunktionalität von Windows die Informationslieferanten zwinge, fast ausschließlich auf das Windows-Media-Format zurückzugreifen, was zur Folge habe, dass die gesamte konkurrierende multimediale Abspielsoftware vom Markt ausgeschlossen werde und die Verbraucher mittelbar gezwungen würden, nur die Multimediafunktionalität von Windows zu nutzen (Randnrn. 836 und 842 der Entscheidung). Microsoft vertritt die Auffassung, es bestünden im Sinne der Rechtsprechung "ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der grundlegenden rechtlichen Schlussfolgerung ..., die die [Behauptungen der Kommission über den Entwurf und die Integration des Windows Media Player] trägt" (Beschluss IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnr. 133, Randnr. 106). Nach Ansicht von Microsoft ist auch glaubhaft gemacht, dass die Feststellung einer Zuwiderhandlung, auf der Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung fußt, rechtswidrig ist.

329. Erstens nämlich fehle der spekulativen Theorie der Kommission über den Marktausschluss die Grundlage. Die Entscheidung gebe die Realitäten des Marktes unzutreffend wieder, insbesondere insofern, als die Nutzer der unter Windows laufenden Kunden-PCs der Auffassung seien, dass unterschiedliche multimediale Abspielsoftware mit unterschiedlichen Formaten mühelos genutzt werden könnte, und die Informationslieferanten täglich verschiedenartige Formate nutzten. Die Schlussfolgerung der Kommission stehe auch im Widerspruch zu der ganz anderen Theorie, auf der die Entscheidung AOL/Time Warner beruhe (Entscheidung 2001/718/EG der Kommission vom 11. Oktober 2000 über die Vereinbarkeit eines Unternehmenszusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen [Fall COMP/M.1845 - AOL/Time Warner] ABl. L 268, S. 28). Ferner komme die Kommission in der Entscheidung zu dem Schluss, dass die Theorie über den Marktausschluss nur gelte, wenn die Multimediafunktionalität von Windows von Microsoft entwickelt werde, obwohl diese Theorie nicht für den Zeitraum von 1995 bis 1998 gegolten habe, als die multimediale Abspielsoftware von RealNetworks mit Windows "gekoppelt" gewesen sei.

330. In ihren Erklärungen vom 19. August 2004 fügt Microsoft hinzu, die Kommission übergehe völlig die Tatsache, dass die wichtigsten Webseiten weiterhin Multimedia-Inhalte in zwei oder mehr Formaten anböten, dass die Anzahl der auf den meistgefragten Webseiten genutzten Formate mit Multimedia-Inhalt zugenommen habe und gegenwärtig bei ungefähr drei liege und dass im Frühling 2004 fast 80 % der meistgefragten Webseiten Inhalte in RealNetworks-Formaten anböten.

331. Überdies berücksichtige die Kommission nicht die jüngsten Marktentwicklungen, insbesondere die exponentielle Zunahme von Geräten, die keine Kunden-PCs seien, wie z. B. der iPod von Apple, der Multimedia-Inhalte in anderen Formaten als denen von Windows einlese, oder die zukünftige Generation von Mobiltelefonen, die multimediale Abspielsoftware einbeziehe. Die Informationslieferanten, die ein möglichst großes Publikum erreichen wollten, bedienten sich weiterhin verschiedener Formate, um die Nutzer von Geräten, die keine Kunden-PCs seien und Inhalte in Windows-Media-Formaten nicht einlesen könnten, sowie die Verbraucher zu erreichen, die auf ihrem Kunden-PC multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen, nicht aber die Multimediafunktionalität von Windows nutzten.

332. Zweitens seien die Vorteile des "Strukturkonzepts" des Betriebssystems von Microsoft, das die Entwicklung neuer Windows-Versionen mit neuen Funktionalitäten beinhalte, von erheblicher Bedeutung und hätten von der Kommission berücksichtigt werden müssen.

333. Drittens lege die Kommission nicht dar, dass ein Verstoß gegen Artikel 82 EG, namentlich gegen Absatz 2 Buchstabe d dieses Artikels, vorliege. Insbesondere lege die Entscheidung nicht dar, dass Windows und dessen Multimediafunktionalität zwei gesonderten Produktmärkten angehörten. Die Kommission beurteile zu Unrecht nur die Frage, ob das angeblich gekoppelte Produkt getrennt von dem angeblich "beherrschenden" Erzeugnis verfügbar sei, während die richtige Frage laute, ob das letztgenannte Produkt regelmäßig ohne das gekoppelte Produkt in den Verkehr gebracht werde. Außerdem gehe es im vorliegenden Fall nicht um zusätzliche Leistungen, da, erstens, die Verbraucher für die Multimediafunktionalität von Windows kein zusätzliches Entgelt zu zahlen hätten, sie, zweitens, nicht verpflichtet seien, die genannte Funktionalität zu nutzen, und sie, drittens, von Microsoft nicht daran gehindert würden, die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen anstelle oder zusätzlich zu der Multimediafunktionalität von Windows zu nutzen. Die Kommission habe auch nicht dargetan, dass die Multimediafunktionalität von Windows nicht aufgrund ihrer Art oder aufgrund von Handelsbräuchen an die Client-PC-Betriebssysteme gekoppelt sei. Die anderen Betriebssysteme nämlich integrierten Multimediafunktionalität, und Microsoft habe eine seit 1992 kontinuierlich verbesserte Multimediafunktionalität in Windows integriert.

334. Viertens habe die Kommission im vorliegenden Fall die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft aus dem TRIPs-Übereinkommen nicht hinreichend berücksichtigt.

335. Fünftens sei die Abhilfemaßnahme unverhältnismäßig.

336. CompTIA und Exor unterstützen die Auffassung von Microsoft über den fumus boni juris. Sie sind der Ansicht, dass Microsoft die Rechtswidrigkeit der Artikel 4 und 6 Buchstabe a der Entscheidung glaubhaft gemacht habe.

Zur Dringlichkeit

337. Microsoft macht geltend, durch den sofortigen Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung würden zwei Arten schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schadens entstehen, die sich zum einen aus der Aufgabe des grundlegenden Strukturkonzepts, auf dem das Windows-Betriebssystem basiere, und zum anderen aus der Schädigung ihres Rufes ergäben.

- Zum Schaden, der sich nach Auffassung von Microsoft aus der Aufgabe des grundlegenden Strukturkonzepts ergibt, auf dem das Windows-Betriebssystem basiert

338. Microsoft ist der Ansicht, das grundlegende Strukturkonzept, auf dem ihr Windows-Betriebssystem basiere, bilde die Grundlage der für Windows bestehenden Geschäftsstrategie. Diese Geschäftsstrategie habe zum Ziel, eine gemeinsame Plattform für die Entwicklung und die Ausführung von Anwendungen zu konzipieren, unabhängig von der Hardware des Kunden-PCs, die der Verbraucher verwende.

339. Der sofortige Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung zwinge Microsoft zur Aufgabe dieses Konzepts, wodurch ihr ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe. Indem Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung sie verpflichte, eine Version von Windows anzubieten, aus der der Softwarecode, der dem entspreche, was die Kommission mit "Windows Media Player" bezeichne, entfernt sei, werde ihr verboten, ihr Betriebssystem so zu konzipieren, dass neue oder verbesserte Multimediafunktionalitäten einheitlich einbezogen würden. Der Artikel bringe auch die Software-Hersteller, die Informationslieferanten, die Fremdgerätehersteller und die Verbraucher um die Vorteile, die sie gegenwärtig aufgrund der Windows-Plattform hätten.

340. Microsoft weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe, wenn eine Partei zum sofortigen Vollzug einer Entscheidung verpflichtet sei, die Änderungen struktureller Art mit sich bringen oder die Partei daran hindern würde, wesentliche Aspekte ihrer Geschäftspolitik festzulegen (Beschluss RTE u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 251, Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 13. Juni 1989 in der Rechtssache C-56/89 R, Publishers Association/Kommission, Slg. 1989, 1693, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache T-29/92 R, SPO u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2161, vom 19. Februar 1993 in den Rechtssachen T-7/93 R und T-9/93 R, Langnese-Iglo und Schöller Lebensmittel/Kommission, Slg. 1993, II-131, vom 10. März 1995 in der Rechtssache T-395/94 R, Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 1995, II-595, Bayer/Kommission, zitiert oben in Randnr. 138, vom 7. Juli 1998 in der Rechtssache T-65/98 R, Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 1998, II-2641, und IMS Health/Kommission, zitiert oben in Randnr. 133). Bei einem sofortigen Vollzug der Entscheidung aber wären die Vorteile, die sich aus der Einheitlichkeit der Windows-Plattform ergäben, irreversibel verloren, wodurch Microsoft ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstände.

341. Microsoft fügt hinzu, dass dieser Schaden durch die eventuelle Nichtigerklärung der Entscheidung nicht wieder gutgemacht werden könnte. Die Ingenieure von Microsoft müssten nämlich grundsätzlich davon ausgehen, dass zumindest bestimmte, im Europäischen Wirtschaftsraum verteilte Windows-Kopien keine Multimediafunktionalitäten enthielten. Da diese abgerüsteten Windows-Versionen bei einer späteren Nichtigerklärung der Entscheidung von den Nutzern nicht zurückgeholt werden könnten, müssten die Ingenieure von Microsoft dem Umstand Rechnung tragen, dass viele Jahre lang zwei Versionen vorhanden wären, was ebenso für Dritte gelte, die auf die Stabilität und die Kohärenz der Windows-Plattform angewiesen seien, was ihre Kosten erhöhen und die Anziehungskraft von Windows kontinuierlich schwächen werde. Diese Organisationsprobleme würden außerdem durch die in Artikel 4 der Entscheidung auferlegten Verpflichtungen verschärft.

- Zum Rufschaden von Microsoft

342. Microsoft führt aus, durch den Vertrieb der von Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung vorgeschriebenen Windows-Version (im Folgenden: Version gemäß Artikel 6) erleide ihr Ruf als Herstellerin von Qualitätssoftware einen schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden.

343. Erstens nämlich enthalte die Version gemäß Artikel 6 nicht die Multimediafunktionalität, die sonst den unter Windows ausgeführten Anwendungen zur Verfügung stehe. Zahlreiche Anwendungen würden daher mit dieser Version des Betriebssystems nicht arbeiten, obgleich die Version den Namen "Windows" trage. Diese Störung beeinträchtige den zentralen Wert von Windows. Auch nötige sie Microsoft ebenso wie die Fremdgerätehersteller und die Softwareentwickler, die durch die Entscheidung entstandenen Probleme zu lösen und in der Zwischenzeit unzufriedenen Kunden die nötige Hilfeleistung zur Verfügung zu stellen. Die Lösung der vielen vorhersehbaren und möglicherweise unvorhersehbaren Probleme erweise sich als äußerst schwierig, kostspielig und schädigend für den Ruf von Microsoft.

344. In ihren Erklärungen vom 19. August 2004 bestreitet Microsoft die Behauptung der Kommission, dass Microsoft in der Version gemäß Artikel 6 eine "Basis-Multimediafunktionalität" aufrechterhalten könne. Die Kommission erläutere nicht, was sie unter "Basis-Multimediafunktionalität" verstehe, und ihre Behauptung könne nur zutreffen, wenn sie sich auf die Möglichkeit beziehe, bestimmte Geräusche zu erzeugen oder statische Bilder auf dem Bildschirm anzuzeigen. Jedenfalls biete die Version gemäß Artikel 6 keine Möglichkeit, Audio- oder Videodateien abzuspielen, vor allem nicht von CDs oder DVDs oder von Dokumenten in Standardformaten wie MP3, die aus dem Internet auf die Festplatte des Kunden-PCs heruntergeladen würden. Ein Verbraucher werde davon ausgehen, dass ein Client-PC-Betriebssystem, dass im Jahr 2004 derart banale Aufgaben nicht lösen könne, stark abgerüstet sei.

345. Ferner bestreite die Kommission nicht die - nicht abschließende - Liste der Windows-Funktionalitäten, die in der Version nach Artikel 6 nicht mehr ordnungsgemäß arbeiten würden.

346. Zweitens würden die von der Version gemäß Artikel 6 verursachten Probleme nicht dadurch gelöst, dass multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen installiert werde. Derartige Erzeugnisse könnten kein Ersatz für die Multimediafunktionalität von Windows sein, da sie nicht dieselben API hätten, was zu gewissen Störungen bei Fremdanwendungen und Webseiten führe, denen die Multimediafunktionalität von Windows zugrunde liege.

347. Drittens entstehe Microsoft ein gleichwertiger oder gar noch größerer Schaden dadurch, dass die übrigen Teile von Windows, die auf der Multimediafunktionalität von Windows beruhten, in der Version gemäß Artikel 6 nicht mehr ordnungsgemäß arbeiteten, vor allem in Bezug auf das Verzeichnis "My Music" und die Übertragung von Dateien im MP3-Format auf eine ganze Reihe von tragbaren digitalen Multimedia-Abspielgeräten.

348. Aus der nicht abschließenden Liste der von der Version gemäß Artikel 6 verursachten Fehler ergebe sich zum einen, dass nur einige dieser Fehler durch Installation der multimedialen Abspielsoftware eines Drittunternehmens behoben werden könnten und dass zum anderen die behobenen Fehler sich je nach installierter multimedialer Abspielsoftware voneinander unterscheiden würden.

349. In ihren Erklärungen vom 19. August 2004 bestreitet Microsoft das Vorbringen der Kommission, die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen, die von Fremdgeräteherstellern auf neuen Kunden-PCs installiert werde, könne ein Ersatz für die Multifunktionalität von Windows sein. Diese Behauptung, die offenbar auf der Annahme beruhe, dass der Softwarecode, der die Multifunktionalität bereitstelle, vollständig ersetzbar sei, sei in technischer Hinsicht unzutreffend. Die Kommission nenne keine einzige multimediale Abspielsoftware eines Drittunternehmens, die insgesamt die Multimediafunktionalität anbiete, die in der Version gemäß Artikel 6 nicht enthalten sei. Microsoft bestreite nicht, dass ein Teil der Multimediafunktionalität von Windows durch Installation bestimmter multimedialer Abspielsoftware wiederhergestellt werden könne. Doch bleibe ein Teil der Multimediafunktionalität des Betriebssystems verfälscht. Die Tätigkeit der Hersteller multimedialer Abspielsoftware bestehe nicht darin, die Fehler der Multimediafunktionalität von Windows zu beheben. Gegebenenfalls sei der Umfang, in dem durch die Installation einer multimedialen Abspielsoftware eines Drittunternehmens ein Teil der Multimediafunktionalität in der Version gemäß Artikel 6 wiederhergestellt werden könne, je nach der installierten multimedialen Abspielsoftware in jedem Fall sehr unterschiedlich.

350. Soweit die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen ihre Funktionalität mittels veröffentlichter Schnittstellen zur Verfügung stelle, seien diese Schnittstellen verschieden von den Schnittstellen, die die Anwendungen nutzten, um auf die Multimediafunktionalität in Windows zurückzugreifen. Die verschiedenen Arten von Plattformsoftware nutzten daher verschiedene Schnittstellen, um gleichartige Funktionalitätstypen anzubieten. Die anderen Teile von Windows und die Anwendungen, die entworfen würden, um auf die Multimediafunktionalität in Windows zurückzugreifen, könnten diese Funktionalität nicht unversehens von einer multimedialen Abspielsoftware eines Drittunternehmens erhalten. Zumindest sei es erforderlich, Windows oder eine Windows-Anwendung zu ändern, damit die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen die alternativen Schnittstellen nutzen könne. Diese Änderungen seien sicherlich erheblich und müssten für jede multimediale Abspielsoftware vorgenommen werden. Die Vorteile einer einheitlichen Plattform seien daher verloren, und zwar auch dann, wenn die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen die gesamte nicht in der Version gemäß Artikel 6 enthaltene Funktionalität zur Verfügung stellen könne.

351. Viertens würden durch den sofortigen Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung die Handelsmarken "Microsoft" und "Windows" in schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Weise beeinträchtigt, denn Microsoft wäre verpflichtet, ein abgerüstetes Produkt zu verkaufen, das ihrem grundlegenden Marketingkonzept widerspräche. Der Ruf von Microsoft als Lieferantin von Qualitätssoftware wäre beeinträchtigt, wenn sie verpflichtet wäre, ihren Namen auf ein abgerüstetes Erzeugnis zu setzen, das nicht die Multimediafunktionalität biete, die die Verbraucher von einem modernen Betriebssystem erwarteten.

352. Fünftens könne Microsoft nicht verhindern, dass ihr Ruf durch die Information der Verbraucher über die Eigenschaften der Version gemäß Artikel 6 geschädigt werde, denn sie könne nicht alle erforderlichen Tests durchführen, um eine vollständige Liste der Anwendungen zu erstellen, die mit der Version gemäß Artikel 6 nicht ordnungsgemäß arbeiteten. In der Praxis könnten sicherlich zahlreiche Verbraucher nicht verstehen, was sich an Konsequenzen daraus ergebe, dass in der Version gemäß Artikel 6 keine Multimediatechnologie verfügbar sei.

353. Sechstens würde der sofortige Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung das Urheberrecht von Microsoft an Windows in schwerwiegender Weise beeinträchtigen. Microsoft müsse ihr Werk anpassen, indem sie die Teile des Softwarecodes entferne, die die Multimediafunktionalität zur Verfügung stellten. Die Multifunktionalität aber gehöre zu einem modernen Betriebssystem, und ohne sie sei das Produkt fehlerhaft. Diese Beeinträchtigung des Urheberrechts von Microsoft sei nicht wieder gutzumachen, denn es gebe, sobald die Anpassung in den Verkehr gebracht sei, keine Möglichkeit, die im Umlauf befindlichen abgerüsteten Versionen zurückzuholen.

354. In ihren Erklärungen vom 19. August 2004 lässt Microsoft mehrere Argumente der Kommission bezüglich der Beeinträchtigung der Marken und des Rufes von Microsoft nicht gelten. Microsoft widerspricht vor allem der Rüge der Kommission, dass der "Eindruck ..., dass die Windows-Betriebssysteme stets die Präsenz des grundlegenden Strukturkonzepts [von Microsoft] ... garantieren, ... sachlich unzutreffend [ist]", wobei die Kommission darauf hinweist, dass Microsoft bereits mehrere unterschiedliche Versionen von Windows herstellt. Microsoft ist der Auffassung, das Vorhandensein der von der Kommission erwähnten Produkte habe keine Bedeutung für den von ihr dargelegten schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden. Windows CE und Windows XP Embedded seien nämlich keine Client-PC-Betriebssysteme. Die anderen von der Kommission genannten Versionen von Windows XP, nämlich Professional, Home, Media Center Edition und Tablet PC Edition, zeigten alle denselben gemeinsamen Schnittstellenkern, nämlich die genannten "API Win32". Es handele sich um Schnittstellen, die die Softwarehersteller seit Einführung von Windows NT 3.5 und Windows 95 für den Entwurf der Windows-Anwendungen benutzt hätten, so dass alle Versionen von Windows XP den Lauf aller vorhandenen Windows-Anwendungen gewährleisten könnten. In ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen bestreitet Microsoft mit denselben Argumenten auch die Behauptungen von RealNetworks, dass die Windows-Plattform bereits fragmentiert sei.

355. Entscheidend für Microsoft und die Endverbraucher sei, dass die jüngste Windows-Version, die als Mehrzweckbetriebssystem genutzt werden solle, d. h. Windows XP in allen ihren Versionen, die Ausführung jeder in den letzten zehn Jahren entworfenen Windows-Anwendung erlaube. Dies sei nicht möglich im Fall der Version gemäß Artikel 6, und zwar auch dann nicht, wenn diese Version von den Verbrauchern als Mehrzweck-Client-PC-Betriebssystem verstanden werde.

356. Ebenfalls in ihren Erklärungen vom 19. August 2004 führt Microsoft schließlich aus, die Kommission scheine ihre Ansicht, dass die geltend gemachten Beeinträchtigungen nicht wieder gutzumachen seien, zu teilen, da nach Auffassung der Kommission die "entkoppelten Versionen von Windows ... von den Nutzern nicht zurückgeholt werden [können]". Die Kommission behaupte dennoch, dass der verbleibende Schaden nicht irreversibel sei, da "Microsoft das Internet nutzen könnte, um an jeden Kunden, der eine [Version gemäß Artikel 6] gekauft hat, einen [Windows Media Player] auszuliefern". Diese theoretische Möglichkeit bestehe praktisch nicht. Sie lasse die Nutzer der Version gemäß Artikel 6, die keinen Internet-Anschluss hätten, unberücksichtigt. Außerdem gebe es keinen Softwarecode, den Microsoft auf den Kunden-PC hinunterlade und dort installiere, ohne zuvor dessen Zustimmung einzuholen. Die Versionen gemäß Artikel 6 verblieben längere Zeit, möglicherweise gar unbegrenzt, im Besitz der Verbraucher. Microsoft fügt hinzu, dass die Kommission, selbst wenn sie mit ihrer Auffassung Recht haben sollte, dass es Nutzer gebe, die der Version gemäß Artikel 6 den Vorzug gäben, auch einräumen müsste, dass es Nutzer gebe, die Microsoft nicht gestatten würden, die Multimediafunktionalität in ihrem Betriebssystem wiederherzustellen.

357. Die Auffassung von Microsoft über das Vorliegen eines schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schadens wird von Exor unterstützt. Exor ist der Ansicht, dass der entstandene Schaden weder von der Entscheidung Dritter, d. h. von der Entscheidung der Verbraucher, eine Version gemäß Artikel 6 zu erwerben, noch von einem "Mangel an Sorgfalt" seitens Microsoft abhänge. Die Version gemäß Artikel 6 sei zwangsläufig ein abgerüstetes Erzeugnis, denn die Beseitigung einer Komponente des Windows-Betriebssystems verursache Störungen innerhalb anderer Komponenten, die auf dem beseitigten Code basierten, um Multimediafunktionalitäten anzubieten. Selbst wenn es im Übrigen technisch möglich wäre, Windows völlig umzustrukturieren, um diese gegenseitigen Abhängigkeiten zu beseitigen, würden die sich aus den gegenseitigen Abhängigkeiten ergebenden Effizienzgewinne in vollem Umfang verloren gehen. Die Entscheidung verlange von Microsoft die Entwicklung einer völlig anderen Version von Windows. Daher reiche die nachträgliche Installation der Multimediafunktionalität allein nicht aus, denn die Komponenten, die geändert worden seien, um nicht mehr auf die genannte Multimediafunktionalität zurückzugreifen, seien hierzu später nicht mehr in der Lage.

Zur Interessenabwägung

358. Microsoft ist der Auffassung, die Abwägung der bestehenden Interessen falle massiv zugunsten der Aussetzung des Vollzugs des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung aus. Erstens sei ein sofortiger Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung nicht erforderlich, zweitens entstehe ihr und Dritten durch den Vollzug ein schwerwiegender Schaden, und drittens seien bei der Interessenabwägung die Verpflichtungen der Gemeinschaft aus völkerrechtlichen Verträgen zu berücksichtigen.

- Zur fehlenden Erforderlichkeit eines sofortigen Vollzugs des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung

359. Microsoft führt zunächst aus, das Interesse der Kommission an der Anordnung einer wirksamen Abhilfe verlange keinen sofortigen Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung. Durch die auferlegte Abhilfemaßnahme solle Microsoft ausdrücklich ein angeblich entscheidender Wettbewerbsvorteil der Multifunktionalität von Windows entzogen werden, d. h. der Umstand, dass die Multifunktionalität eine weite Verbreitung genieße, weil sie in das führende Client-PC-Betriebssystem integriert sei. Eine Reihe von Umständen belegten, dass die Befürchtung der Kommission bezüglich der weiten Verbreitung der Multimediafunktionalität von Windows nicht gerechtfertigt sei.

360. Erstens hindere die Integration der Multimediafunktionalität in Windows die Verbraucher nicht daran, unter Windows multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen zu nutzen, sondern erleichtere im Gegenteil die Entwicklung solcher multimedialen Abspielsoftware, da diese in gewissem Umfang auf der genannten Funktionalität beruhe.

361. Zweitens sei es den Lieferanten multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen unbenommen, ihre Erzeugnisse in weitem Umfang zu vertreiben, insbesondere im Rahmen von Vereinbarungen, die mit den Fremdgeräteherstellern geschlossen würden, oder durch Herunterladen aus dem Internet.

362. Drittens sei es den Lieferanten multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen nach dem US-amerikanischen Vergleich unbenommen, Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit Fremdgeräteherstellern abzuschließen, nach denen dem Endnutzer ausschließlich die in ihrem Produkt zur Verfügung gestellte Multimediafunktionalität angeboten werde.

363. Viertens könnten die Lieferanten multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen ihre Produkte so entwerfen, dass sie Dateien in Windows-Media-Formaten lesen könnten.

364. Fünftens habe die Kommission selbst betont, wie leicht die Verbraucher in der Lage seien, multimediale Abspielsoftware auf ihre Kunden-PCs herunterzuladen. Überdies habe die Kommission im Rahmen der Prüfung, ob es wahrscheinlich sei, dass die multimediale Abspielsoftware von AOL infolge des Zusammenschlusses AOL/Time Warner in Kürze die beliebteste multimediale Abspielsoftware der Welt werde, der weiten Verbreitung der Multimediafunktionalität von Windows keine Bedeutung beigemessen (siehe oben Randnr. 329).

365. Microsoft führt sodann aus, sowohl die Auffassung der Kommission als auch die angeordnete Abhilfemaßnahme beruhten auf der allzu spekulativen Überlegung, dass die weite Verbreitung der Multimediafunktionalität von Windows die Informationslieferanten in Zukunft zwingen werde, sich ausschließlich der Windows-Media-Formate zu bedienen, wodurch alle multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen vom Markt ausgeschlossen werde. Die Spekulationen der Kommission, dass jede Verzögerung bei der Durchführung des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung ein "Umkippen" des Marktes zugunsten des Windows Media Player zur Folge haben werde, das jeden Wettbewerb ausschließe, seien durch nichts gerechtfertigt.

366. Erstens habe die Integration einer Multimediafunktionalität in Windows keinesfalls das Auftreten multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen verhindert, wie das Beispiel von iTunes belege. Ferner legt Microsoft Daten vor, die belegen sollen, dass von April 2003 bis April 2004 sowohl RealPlayer als auch QuickTime die Anzahl ihrer Nutzer stabil halten konnten, obwohl die Nutzung von Windows Media Player zunahm.

367. Zweitens gebe es auch nicht den geringsten Beweis für ein "Umkippen" der Informationslieferanten zugunsten der Windows-Media-Formate.

368. Drittens widersprächen die Tatsachen der Behauptung, dass die Beseitigung des Codes von Windows Media Player deswegen erforderlich sei, weil die Fremdgerätehersteller nicht bereit seien, multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen vorzuinstallieren, sofern sie nicht berechtigt seien, Windows ohne die Multifunktionalität zu vertreiben (Randnr. 851 der Entscheidung).

369. Viertens habe die Kommission in ihren Erklärungen vom 21. Juli 2004 erstmals geltend gemacht, dass "schon ein Marktanteil von 5 % für die PCs mit ausschließlich multimedialer Abspielsoftware der Konkurrenz ... ein Ansporn für die Softareentwickler [wäre], auch für diese Abspielsoftware Anwendungen zu entwerfen". Diese Auffassung sei unzutreffend; sie bestätige, dass es Ziel der Kommission sei, Windows zu fragmentieren, und stehe im Widerspruch zu dem Ziel der Kommission, die Auswahl des Verbrauchers zu vergrößern.

370. Fünftens bestreitet Microsoft in ihren Erklärungen vom 19. August 2004 die Behauptung der Kommission, dass der sofortige Vollzug der Abhilfemaßnahme erforderlich sei, um "dem Verbraucher die Möglichkeit einer Wahl zu geben".

371. Sechstens vertritt Microsoft ebenfalls in ihren Erklärungen vom 19. August 2004 die Ansicht, dass die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen weiterhin in großer Zahl in den Verkehr gebracht werde und dass ein großer Teil der Inhalte weiterhin in Formaten verbreitet werde, die keine Microsoft-Formate seien.

372. Siebtens fügt Microsoft in ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen hinzu, dass die Durchführung der in Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme in dem Segment "Endnutzer" und dem Kanal "Fremdgerätehersteller" keines der der Entscheidung zugrunde liegenden Bedenken beseitigen werde. Zum einen nämlich sei schwer vorstellbar, welchen Nutzen ein "Endnutzer" aus einer Version gemäß Artikel 6 statt aus einer vollständigen Version von Windows ziehen könne, da beide Versionen zum selben Preis angeboten würden. Zum anderen habe die Kommission nicht geprüft, inwieweit die Fremdgerätehersteller bereit seien, Ausschließlichkeitsvereinbarungen für die von ihnen im Europäischen Wirtschaftsraum vertriebenen Kunden-PCs zu schließen.

- Zu den Schäden aus dem sofortigen Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung

373. Microsoft ist der Auffassung, dass der Schaden, der aus dem sofortigen Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung entstehe, real und erheblich sei, da, wie sie in ihrem Vorbringen zur Dringlichkeit dargelegt habe, der Vollzug Microsoft nicht erlaube, ihre erfolgreiche und gefestigte Geschäftsstrategie aufrechtzuerhalten. Microsoft, in diesem Punkt generell unterstützt durch CompTIA, ACT, Mamut und TeamSystem, DMDsecure.com u. a. und Exor, macht ferner geltend, dass die Interessen der Softwarehersteller und Webseitenhersteller, deren Tätigkeit von einer einheitlichen Windows-Plattform abhänge, Berücksichtigung finden müssten.

374. Erstens würden die Anwendungen und Webseiten, die unter der Prämisse der Multifunktionalität von Windows entworfen worden seien, auf der Version gemäß Artikel 6 nicht mehr ordnungsgemäß laufen.

375. Zweitens beeinträchtige ein sofortiger Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung die Anwendungen und Webseiten, die sich gegenwärtig in Entwicklung befänden, sowie die, die zukünftig entwickelt würden, und diese schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schäden könnten durch die Installation multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen nicht verhindert werden.

376. Drittens bestreitet Microsoft in ihren Erklärungen vom 19. August 2004 das Vorbringen der Kommission, die Softwarehersteller, die auf der Windows-Funktionalität basierende Anwendungen entwickelten, könnten die "Möglichkeit" "nutzen, 'die Abspielsoftware als Teil ihrer Anwendung und über ihre [Webseite] neu zu vermarkten'", und es sei "im Softwarebereich üblich, dass die Softwareentwickler ihre Anwendungen so gestalten, dass sie sich auf intelligente Weise auf ein etwaiges Fehlen von (aktualisierter) multimedialer Abspielsoftware einstellen können", so dass "die Kosten für diese Anwendungsanpassungen ... nicht ins Gewicht fallen oder zumindest diejenigen Kosten, die Microsoft normalerweise für die Auslieferung einer neuen Version (oder Aktualisierung) von Windows aufbringen muss, nicht übersteigen dürften". In der Praxis sei das Verfahren, um in der Version gemäß Artikel 6 die Multifunktionalität wiederherzustellen, für Dritte genauso kompliziert und kostspielig wie für Microsoft.

377. Viertens fügt Microsoft hinzu, dass bei der Prüfung der in der vorliegenden Rechtssache in Frage stehenden unterschiedlichen Interessen die Bedeutung berücksichtigt werden müsse, die in dem Verfahren vor dem District Court, in dem der US-amerikanische Vergleich bestätigt worden sei, den Interessen der Softwarehersteller und den sich aus der Fragmentierung von Windows ergebenden Nachteilen beigemessen worden sei.

- Zu den Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem TRIPs-Übereinkommen

378. Microsoft ersucht schließlich das Gericht, die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die der Gemeinschaft nach dem TRIPs-Übereinkommen obliegen.

b) Vorbringen der Kommission und der als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassenen Verfahrensbeteiligten

Zum fumus boni juris

379. Die Kommission, unterstützt durch CCIA vor ihrer Streithilferücknahme, ist der Auffassung, Microsofts Vorbringen entbehre dem ersten Anschein nach jeder Grundlage und sei zurückzuweisen.

380. Die Kommission macht geltend, dass ihre Feststellungen zum gekoppelten Verkauf auf anerkannten Rechts- und Wirtschaftstheorien beruhten und dass der Missbrauch bezüglich des gekoppelten Verkaufs die von der Rechtsprechung für den gekoppelten Verkauf aufgestellten Merkmale erfülle (Randnrn. 794 ff. der Entscheidung). Microsoft führe keinen technischen Effizienzgewinn an, für den die "Integration" des Windows Media Player in Windows die Vorbedingung sei (Randnrn. 962 bis 969 der Entscheidung).

381. Bezüglich, erstens, der Ausschlusswirkung auf dem Markt versteht die Kommission daher nicht, warum ein Unterschied zu bestimmten früheren Rechtssachen, auf die Microsoft sich beziehe, deren Behauptung stützen solle, dass im vorliegenden Fall eine neue Theorie Anwendung gefunden habe. Dass eine Ausschlusswirkung dort nachgewiesen werde, wo sie regelmäßig zu vermuten sei, bedeute nicht, dass eine neue Rechtstheorie Anwendung finde. Die Kommission räumt ein, dass die Entscheidung anders als die Entscheidungen, die in bestimmten früheren Rechtssachen ergangen seien (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, und Urteil Tetra Pak/Kommission, zitiert oben in Randnr. 126, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951), nicht zum Ergebnis komme, dass eine Ausschlusswirkung auf dem Markt schlechthin vorliege (Randnrn. 841 ff.), sondern die spezifischen Umstände des Falles berücksichtige, d. h. den Umstand, dass die multimediale Abspielsoftware teilweise gratis aus dem Internet heruntergeladen werden könne.

382. Die Beweismittel in dieser Frage zeigten indessen, dass kein anderer Hersteller multimedialer Abspielsoftware in der Lage sei, die aus der Kopplung mit Windows resultierende allgegenwärtige Präsenz des Windows Media Player zu erreichen, und dass dieser Sachverhalt zudem einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Hersteller komplementärer Software und komplementärer Inhalte haben könne. Die Reduzierung der für die multimediale Abspielsoftware anderer Hersteller verfügbaren Anwendungen und Inhalte als Folge des gekoppelten Verkaufs sei letzten Endes für die Verbraucher nachteilig, denn sie schränke die Innovation in diesen Produkten unabhängig von deren eigentlichem Wert ein. Microsoft habe für diese Praxis keine objektive Rechtfertigung angeführt.

383. Ferner sei die Behauptung von Microsoft, dass die Feststellungen der Kommission über den Wettbewerbsausschluss auf Vermutungen beruhten, tatsächlich und rechtlich fehlerhaft. Die Randnummern 879 bis 896 der Entscheidung enthielten eine deutliche Beschreibung der Auswirkungen des gekoppelten Verkaufs auf die unabhängigen Informationslieferanten und Softwarehersteller. Aus der Entscheidung ergebe sich, dass die Nutzung des Windows Media Player zunehme, obwohl, wie Microsoft selbst ausführe, die sonstige multimediale Abspielsoftware von den Nutzern als qualitativ höher stehend eingestuft werde (Randnrn. 948 bis 951). Zudem verlange die Rechtsprechung von der Kommission nicht den Nachweis, dass die gesamte multimediale Abspielsoftware der Konkurrenz vom Markt ausgeschlossen sei (Urteile des Gerichts vom 30. September 2003 in der Rechtssache T-203/01, Michelin/Kommission, Slg. 2003, II-4071, Randnr. 239, vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache T-65/98, Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 2003, II-4653, Randnrn. 149 und 160, und vom 17. Dezember 2003 in der Rechtssache T-219/99, British Airways/Kommission, Slg. 2003, II-5917, Randnr. 293).

384. Was, zweitens, das Vorhandensein eigenständiger Produkte angeht, so macht die Kommission geltend, der Gerichtshof und das Gericht hätten entschieden, dass schon die Existenz unabhängiger Hersteller, die sich auf die Herstellung des gekoppelten Produktes spezialisiert hätten, auf das Vorhandensein einer gesonderten Nachfrage der Verbraucher und somit auf das Vorhandensein eines gesonderten Marktes für das gekoppelte Produkt hinweise. Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit der amerikanischen Rechtsprechung.

385. Drittens sei das Vorbringen von Microsoft, dass auf die Verbraucher kein Zwang ausgeübt werde, bereits in der Entscheidung zurückgewiesen worden.

386. Die Kommission weist schließlich das Vorbringen von Microsoft bezüglich der beiden anderen Klagegründe zurück. Was, erstens, den Hinweis auf die Verpflichtungen der Kommission nach dem TRIPs-Übereinkommen angeht, nimmt die Kommission Bezug auf ihre Ausführungen zu der in Artikel 5 Buchstabe a der Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme (siehe oben Randnr. 195). Zweitens ist die Kommission der Ansicht, dass die in Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme verhältnismäßig sei, da Microsoft weiterhin eine Windows-Version in Koppelung mit dem Windows Media Player anbieten dürfe und da, selbst wenn sich manche Kunden für die Version gemäß Artikel 6 entscheiden sollten, sie noch die Möglichkeit hätten, dieses Produkt um den Windows Media Player zu ergänzen, sofern sie dies wünschten.

Zur Dringlichkeit

387. Die Kommission, in diesem Punkt unterstützt durch RealNetworks und SIIA sowie durch CCIA vor deren Streithilferücknahme, ist der Meinung, Microsoft habe nicht dargetan, dass ihr durch den sofortigen Vollzug der Entscheidung ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehe.

Zur Interessenabwägung

388. Die Kommission vertritt die Auffassung, die Interessenabwägung spreche für die Zurückweisung des Antrags von Microsoft, namentlich angesichts des öffentlichen Interesses zumindest an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs. Der Markt für multimediale Abspielsoftware nähere sich dem Punkt, an dem er aus dem Gleichgewicht geraten könne. Die Kommission wird hierbei von RealNetworks und SIIA unterstützt. Die Kommission weist weiter darauf hin, dass der sofortige Vollzug der Abhilfemaßnahme die Stellung von Microsoft auf dem Markt für multimediale Abspielsoftware nicht von Grund auf ändern könne, sondern nur die Möglichkeit gebe, den Wettbewerb auf diesem Markt zu stabilisieren und damit den Status quo bezüglich der Struktur dieses Marktes zu bewahren. Nur der sofortige Vollzug der Abhilfemaßnahme könne die Entscheidung der Verbraucher schützen und ihnen die Möglichkeit geben, aus den Neuerungen in den digitalen Multimedia-Diensten Nutzen zu ziehen.

389. Was die Gefahr angeht, dass Dritten ein Schaden entsteht, so bestreitet die Kommission das Vorbringen, das auf etwaige Ansprüche bestimmter Softewarehersteller, Webseitenhersteller oder auch Informationslieferanten gestützt wird. Die Kommission hält auch die Gefahr für gering, dass dem Informationssektor im Allgemeinen mittelbar ein Schaden entstehen könnte.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Zum fumus boni juris

390. Nach Artikel 2 Buchstabe b der Entscheidung wird Microsoft zur Last gelegt, sie habe dadurch gegen Artikel 82 EG verstoßen, dass sie "zwischen Mai 1999 und der Mitteilung der [Entscheidung] die Bereitstellung des Windows-Client-PC-Betriebssystems vom gleichzeitigen Erwerb eines Windows Media Player abhängig gemacht hat". Um Abhilfe zu schaffen, verpflichtet Artikel 4 der Entscheidung Microsoft, diesen Verstoß gemäß Artikel 6 der Entscheidung zu beenden. Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung verpflichtet Microsoft, eine "voll funktionsfähige Version des Windows-Client-PC-Betriebssystems ohne integrierten Windows Media Player" in den Verkehr zu bringen. Die Entscheidung stellt jedoch klar, dass "Microsoft ... weiterhin das Windows-Client-PC-Betriebssystem in Koppelung mit dem Windows Media Player anbieten [darf]".

391. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass fumus boni juris gegeben sei, macht Microsoft eine Reihe von Argumenten geltend, die sich im Wesentlichen aus fünf Teilen zusammensetzen. Microsoft führt, aus, dass, erstens, die Kommission in der Entscheidung eine spekulative Theorie ohne jede Grundlage angewandt habe, dass, zweitens, die Vorteile des Strukturkonzepts des Windows-Betriebssystems von der Kommission stärker hätten berücksichtigt werden müssen, dass, drittens, in der Entscheidung kein Verstoß gegen Artikel 82 EG dargetan werde, dass, viertens, die Entscheidung die Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem TRIPs-Übereinkommen nicht hinreichend berücksichtige und dass, fünftens, die von der Entscheidung angeordnete Abhilfemaßnahme unverhältnismäßig sei.

392. Angesichts des Vorbringens von Microsoft im Verfahren der einstweiligen Anordnung kann dessen vierter und fünfter Teil nicht als ernst genug angesehen werden, um einen fumus boni juris darzustellen.

393. Microsoft hat in ihrem Antrag den Teil des Vorbringens, der die Unverhältnismäßigkeit der Abhilfemaßnahme betrifft, äußerst knapp gehalten. Microsoft hat nur ausgeführt, dass "die von der Entscheidung vorgeschriebene Abhilfemaßnahme ... unverhältnismäßig [war]". Microsoft erläutert namentlich nicht, warum das Gericht die angebliche Unverhältnismäßigkeit der in Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung angeordneten Maßnahme feststellen sollte. Was den Teil des Vorbringens angeht, der den Verstoß gegen das TRIPs-Übereinkommen betrifft, so ist dieser nicht hinreichend dargelegt worden, um im Verfahren der einstweiligen Anordnung eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Zum einen nämlich trägt Microsoft in ihrem Antrag lediglich vor, dass "die Entscheidung die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft nach dem [TRIPs-Übereinkommen] nicht hinreichend berücksichtigt [hat]". Zum anderen ist die Bezugnahme auf das Vorbringen in Anlage T.9 nicht als formgerecht angesehen worden (siehe oben Randnr. 88).

394. Das Gericht ist indessen der Auffassung, dass das übrige Vorbringen von Microsoft komplexe Fragen aufwirft, die das Gericht in dem Verfahren zur Hauptsache zu entscheiden hat, und dass dieses Vorbringen im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung nicht als dem ersten Anschein nach unbegründet angesehen werden kann.

395. Erstens wirft diese Rechtssache eine komplexe Frage bezüglich des ersten Teils des Vorbringens von Microsoft auf, in dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, die Kommission habe widerrechtlich eine neue Theorie über den gekoppelten Verkauf angewandt.

396. Mit diesem Vorbringen wirft Microsoft der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe die Auffassung vertreten, dass der Markt für multimediale Abspielsoftware zu Microsofts Gunsten "umkippen" würde, ohne jedoch den Versuch zu unternehmen, diese Auffassung mit den Gegebenheiten des Marktes in Einklang zu bringen. Microsoft beruft sich namentlich darauf, dass es zum einen den Nutzern von Kunden-PCs, die unter Windows liefen, ein Leichtes sei, auf unterschiedliche multimediale Abspielsoftware mit unterschiedlichen Formaten zurückzugreifen, und dass zum anderen die Informationslieferanten unterschiedliche Formate verwendeten. Die Entscheidung beruhe hier auf reinen Vermutungen.

397. Für ihre Annahme, dass der Verkauf des Windows Media Player zusammen mit Windows einen nach Artikel 82 EG verbotenen gekoppelten Verkauf darstelle, hat die Kommission in der Entscheidung, erstens, die Auffassung vertreten, dass Microsoft eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Client-PC-Betriebssysteme innehabe (Randnr. 799), was Microsoft nicht bestreitet. Die Kommission hat, zweitens, die Ansicht vertreten, dass die kontinuierlich arbeitende Abspielsoftware und die Client-PC-Betriebssysteme eigenständige Erzeugnisse seien (Randnrn. 800 bis 825). Drittens hat die Kommission die Auffassung vertreten, Microsoft gestatte ihren Kunden nicht, Windows ohne den Windows Media Player zu beziehen (Randnrn. 826 bis 834). Viertens hat die Kommission das Bestehen von Ausschlusswirkungen auf dem Markt geprüft. Hierzu ergibt sich aus Randnummer 841 der Entscheidung, dass die Kommission auf das Vorbringen von Microsoft, die von der Kommission gerügte Praxis habe keine derartigen Wirkungen gezeigt, wie folgt erwidert hat: "Es gibt in der Tat Umstände, die, was den gekoppelten Verkauf des [Windows Media Player] angeht, eine genauere Prüfung der Wirkungen dieser Praxis auf den Wettbewerb rechtfertigen. Während in den klassischen Fällen des gekoppelten Verkaufs die Kommission und der Gemeinschaftsrichter der Auffassung waren, dass das Angebot eines eigenständigen Produkts, das mit dem beherrschenden Produkt gebündelt wird, Indiz für die Ausschlusswirkung dieser Praxis auf die konkurrierenden Verkäufer sei, kann nicht geleugnet werden, dass im vorliegenden Fall die Nutzer sich - teilweise gratis - andere multimediale Abspielsoftware über das Internet besorgen können, was im Übrigen auch geschieht. Es gibt somit gute Gründe, ohne nähere Untersuchung nicht davon auszugehen, dass der gekoppelte Verkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die von Natur aus geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken." Angesichts der Merkmale des relevanten Marktes hat die Kommission folglich, ausgehend von ihrer früheren Praxis und von den ihrer Ansicht nach in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte zu den gekoppelten Verkäufen entwickelten Grundsätzen, anerkannt, dass der vorliegende Fall Besonderheiten aufweist.

398. Somit ist das Vorbringen von Microsoft geeignet, eine oder mehrere wichtige Grundsatzfragen aufzuwerfen, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Kommission auswirken können. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ein objektiver Begriff, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfasst, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Präsenz des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die zur Folge haben, dass die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistung der Marktbürger unterscheiden (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 91, Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1999 in der Rechtssache T-228/97, Irish Sugar/Kommission, Slg. 1999, II-2969, Randnr. 111).

399. Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die wettbewerbsbeschränkende Auswirkung des gekoppelten Verkaufs das Ergebnis "mittelbarer Auswirkungen des Netzes" sei. Die genannten Auswirkungen hätten ihren Grund darin, dass die Präsenz des Windows Media Player in allen von Windows vermarkteten Betriebssystemen ein Anreiz für die Informationslieferanten und Hersteller von Anwendungssoftware sei, ihre Erzeugnisse auf der Grundlage des Windows Media Player zu entwerfen (Randnr. 842). Zum Nachweis hat sich die Kommission großenteils auf Tatsachen aus der Gegenwart oder Vergangenheit gestützt, die die Anreize für Informationslieferanten und Hersteller von Anwendungssoftware betreffen (Randnrn. 879 bis 896). Wie sich jedoch vor allem aus den Randnummern 842 und 984 der Entscheidung ergibt, stützen diese Tatsachen eine Untersuchung, die sich zumindest teilweise mit zukünftigen, aus der beanstandeten Praxis resultierenden Gefahren für den Wettbewerb befasst.

400. Wie die Kommission ausgeführt hat, genügt für die Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 82 EG zwar der Nachweis, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung darauf gerichtet ist, den Wettbewerb zu beschränken, anders ausgedrückt, dass das Verhalten eine solche Wirkung haben kann (Urteile Michelin/Kommission, zitiert oben in Randnr. 383, Randnr. 239, und British Airways/Kommission, zitiert oben in Randnr. 383, Randnr. 293). Die vorliegende Rechtssache wirft jedoch die komplexe Frage auf, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen sich die Kommission auf ein wahrscheinliches "Umkippen" des Marktes stützen kann, um den von einem beherrschenden Unternehmen getätigten gekoppelten Verkauf zu ahnden, wenn unter Umständen dieses Verhalten nicht von Natur aus geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken.

401. Zweitens stellt sich eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der Prüfung des Vorbringens von Microsoft, die Kommission hätte die positiven Wirkungen des "Strukturkonzepts" des Windows-Betriebssystems stärker berücksichtigen müssen. Aufgrund dieses Vorbringens könnte sich nämlich das Gericht veranlasst sehen, im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen eine objektive Rechtfertigung den Schluss zulassen kann, dass ein gekoppelter Verkauf mit wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen durch Artikel 82 EG nicht verboten ist. Die Beantwortung dieser schwierigen Frage rechtfertigt auf den ersten Blick die Prüfung, ob die mit der zunehmenden Standardisierung bestimmter Erzeugnisse verbundenen möglichen positiven Auswirkungen eine objektive Rechtfertigung darstellen können oder ob, wie die Kommission vorträgt, die positiven Wirkungen der Standardisierung nur zugelassen werden können, wenn sie aus dem Wettbewerbsgeschehen oder den Entscheidungen von Normungsgremien hervorgehen.

402. Jenseits der grundsätzlichen Fragen, die die Prüfung dieser beiden Teile aufwirft, bestreitet Microsoft, drittens, die Tragfähigkeit der der Prüfung der Kommission zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen. Sie macht insbesondere bezüglich des ersten Teils ihres Vorbringens geltend, dass die Auffassung der Kommission über das Vorliegen "mittelbarer Auswirkungen des Netzes" im Widerspruch dazu stehe, dass die Informationslieferanten weiterhin unterschiedliche Formate in Anspruch nähmen. Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nicht bestritten hat, dass dies zumindest in gewissem Umfang der Fall ist. Es ist aber Sache des Gerichts, im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache über diese Sachfragen und über die hieraus gegebenenfalls im Hinblick auf die Haftbarkeit der Auffassung der Kommission zu ziehenden Konsequenzen zu entscheiden.

403. Viertens kann Microsofts Vorbringen, dass "Windows und seine Multifunktionalität" für die Anwendung des Artikels 82 EG auf dem Gebiet der gekoppelten Verkäufe nicht zwei selbständige Produkte darstellten, im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung nicht als dem ersten Anschein nach unbegründet angesehen werden, insbesondere angesichts des Umstands, dass Microsoft und andere Hersteller seit vielen Jahren bestimmte Multifunktionalitäten in ihre Client-PC-Betriebssysteme integrieren.

404. Die drei ersten Teile des Vorbringens von Microsoft werfen somit mehrere wichtige Fragen auf, namentlich im Hinblick auf komplexe wirtschaftliche Bewertungen, die sie sowohl rechtlich als auch sachlich mit sich bringen. Das Gericht ist der Auffassung, dass das Vorbringen von Microsoft im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung nicht als dem ersten Anschein nach unbegründet angesehen werden kann, so dass fumus boni juris gegeben ist.

b) Zur Dringlichkeit

405. Microsoft macht geltend, der Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung beeinträchtige irreversibel den Wert der Windows-Plattform, wodurch ihr zwei Arten schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schadens entstehen würden. Diese beiden Schäden sind getrennt zu würdigen.

Zur angeblichen Beeinträchtigung des "grundlegenden Strukturkonzepts" des Windows-Betriebssystems

406. Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung verpflichtet Microsoft, ein Produkt zu entwerfen und in den Verkehr zu bringen, das sie gegenwärtig nicht vermarktet und von dem sie behauptet, es sei mit einem wesentlichen Bestandteil ihrer Geschäftspolitik nicht zu vereinbaren. Microsoft behauptet insbesondere, Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung schädige das "grundlegende Strukturkonzept" des Windows-Betriebssystems. Im Kern macht Microsoft somit eine Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Entscheidungsfreiheit geltend.

407. Hierzu geht aus den Akten hervor, dass Microsoft seit vielen Jahren ein Betriebssystem in den Verkehr bringt, von dem sie meint, dass es seinen Nutzern gemeinsame Funktionalitäten anbiete, die nach und nach ausgedehnt worden seien und zu denen vor allem seit 1992 bestimmte Multimediafunktionalitäten gehörten. Aus den Akten geht ferner hinreichend deutlich hervor, dass Microsoft bestrebt ist, zumindest allgemein sicherzustellen, dass die zuletzt in den Verkehr gebrachte Version ihres Mehrzweck-Windows-Betriebssystems den Lauf von Anwendungen ermöglicht, die für ihre früheren Versionen entworfen wurden.

408. Der Vollzug der Entscheidung würde von Microsoft verlangen, ein Betriebssystem in den Verkehr zu bringen, das über bestimmte multimediale Funktionalitäten, die nach der Meinung von Microsoft Bestandteil dieses Betriebssystems sind, nicht verfügt. Die Entscheidung beeinträchtigt somit die geschäftliche Entscheidungsfreiheit von Microsoft. Zudem könnten bestimmte Anwendungen, die entworfen wurden, um unter dem aus Windows und dem Windows Media Player bestehenden Programmpaket zu laufen, nicht zufrieden stellend mit der Version gemäß Artikel 6 laufen, zumindest wenn diese Version ohne multimediale Abspielsoftware bliebe.

409. Angesichts des Grundsatzes der freien Berufsausübung, der nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 44/79, Hauer, Slg. 1979, 3727, Randnrn. 31 bis 33, und vom 9. September 2004 in den Rechtssachen C-184/02 und C-223/02, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, Slg. 2004, I-7789, Randnr. 51) zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, können die auf dem Gebiet der Gemeinschaft tätigen Unternehmen frei über die ihrer Meinung nach richtige Geschäftspolitik entscheiden. Dies bedeutet insbesondere, dass es grundsätzlich Sache des einzelnen Unternehmens ist, über Art und Eigenschaften der Erzeugnisse, die sie in den Verkehr bringen wollen, frei zu bestimmen. Es kann indessen nicht angenommen werden, dass eine Beeinträchtigung der Geschäftspolitik für das betreffende Unternehmen für die Zwecke eines Antrags auf einstweilige Anordnung stets einen schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden darstellt. Ob eine Beeinträchtigung der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit eines Unternehmens schwerwiegend und nicht wieder gutzumachen ist, muss daher unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (siehe oben Randnr. 292).

410. Unter den vorliegenden Umständen ist davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit von Microsoft, als solche gesehen und unabhängig von ihren konkreten Wirkungen auf dem Markt, nicht als irreparabel angesehen werden kann. Lässt man nämlich die Folgen außer Betracht, die die Entscheidung für den Markt haben kann, bevor sie eventuell für nichtig erklärt wird, so ist nicht zu erkennen, dass Microsoft im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache ihr "grundlegendes Strukturkonzept" nicht erneut auf alle Produkte anwenden könnte, die sie nach der Nichtigerklärung in den Verkehr bringen wird. Selbst wenn man daher in diesem Fall davon ausgeht, Microsoft hätte dargelegt, dass die Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Entscheidungsfreiheit als solche einen schwerwiegenden Schaden darstellt, so wäre dieser Schaden doch nicht irreparabel.

411. Zu prüfen ist jedoch, ob Microsoft durch die Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Entscheidungsfreiheit angesichts der konkreten Folgen, die diese Beeinträchtigung in der Zeit bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache für den Markt haben wird, ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen kann. Dabei sind die Konsequenzen zu berücksichtigen, die sich für Microsoft, erstens, aus der Struktur der Version gemäß Artikel 6, zweitens, aus der Vermarktung dieser Version und, drittens, aus der Möglichkeit ergeben können, dass die Version von Microsofts Kunden gekauft wird.

412. Erstens hat Microsoft bei der Anhörung erklärt, ihr "Konzept" werde vor allem angesichts der "sinnlosen Übung", die die Struktur der Version gemäß Artikel 6 darstelle, selbst dann beeinträchtigt, wenn die genannte Version nicht in nennenswerten Mengen gekauft werde.

413. Soweit sich Microsoft hiermit auf ihre Verpflichtung bezieht, die Version gemäß Artikel 6 zu entwickeln, hat sie keine hinreichenden Ausführungen zu den sich aus dieser Verpflichtung ergebenden Nachteilen gemacht. Ergänzend ist davon auszugehen, dass der hieraus für Microsoft entstehende Schaden im Wesentlichen aus Entwicklungskosten bestehen würde. Mangels gegenteiliger Darlegungen aber ist ein solcher Schaden ein finanzieller Schaden, der - abgesehen von außergewöhnlichen Situationen, die hier nicht vorliegen - keinen irreparablen Schaden darstellt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C-213/91 R, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1991, I-5109, Randnr. 24, Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. Mai 2001 in der Rechtssache T-53/01 R, Poste Italiane/Kommission, Slg. 2001, II-1479, Randnr. 119).

414. Soweit, zweitens, Microsofts Vorbringen dahin zu verstehen ist, dass ihr unabhängig vom tatsächlichen Kauf der Version gemäß Artikel 6 bereits daraus ein Schaden entsteht, dass sie diese Version in den Verkehr bringen muss, hat sie keine hinreichenden Ausführungen zu der Art, der Schwere und der Irreparabilität dieser angeblichen Nachteile gemacht. Soweit Microsofts Vorbringen dahin zu verstehen ist, dass ihr Ruf geschädigt wird, so wird dieses Vorbringen zusammen mit dem von ihr geltend gemachten zweiten Schaden geprüft werden (siehe unten Randnrn. 442 bis 475).

415. Bei der Anhörung hat Microsoft jedoch darauf hingewiesen, dass sich für Dritte, insbesondere für die Informationslieferanten, selbst dann eine gewisse Unsicherheit ergeben würde, wenn für die Version gemäß Artikel 6 keine Nachfrage bestände. Die Informationslieferanten nämlich würden nicht wissen, wie viele Versionen gemäß Artikel 6 verbreitet würden. Dadurch verlöre Windows an Attraktivität.

416. Die Frage der Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (siehe die oben in Randnr. 240 zitierte Rechtsprechung). Soweit daher die Unsicherheit, auf die Microsoft sich beruft, einen Schaden bei Dritten entstehen lässt, kann sie im Rahmen der Dringlichkeit nicht berücksichtigt werden (siehe in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Mai 1988 in der Rechtssache 112/88 R, Verband der kretischen Zitrusfrüchteerzeuger/Kommission, Slg. 1988, 2597, Randnr. 20). Zu prüfen ist jedoch Microsofts Vorbringen, die bei den Dritten hervorgerufene Unsicherheit bewirke umgekehrt, dass Microsofts Plattform an Attraktivität verlöre.

417. Microsoft macht keine Ausführungen und legt keine Belege vor, die es erlaubten, das genaue Wesen, die Existenz, die Schwere und die Irreparabilität des durch die angebliche Unsicherheit hervorgerufenen Attraktivitätsverlusts von Windows zu beurteilen. Geht man insbesondere davon aus, dass der von Microsoft geltend gemachte Attraktivitätsverlust bedeutet, dass bestimmte Dritte, die auf die "Stabilität von Windows" angewiesen sind, sich wegen der Vermarktung der Version gemäß Artikel 6 dafür entscheiden, ihre Produkte nicht mehr für diese Plattform zu entwerfen, so hat Microsoft doch keine hinreichenden Belege dafür vorgebracht, dass die Wirtschaftsteilnehmer diese Entscheidung in erheblichem Umfang treffen könnten.

418. Das Gericht weist hierzu ergänzend darauf hin, dass keiner der Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft vorgetragen hat, dass er aufgrund des Vollzugs des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung unter Umständen keine Produkte mehr für die Windows-Plattform entwerfen würde. Die genannten Streithelfer haben darauf hingewiesen, dass ihnen durch den Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung ein Schaden entstehen könnte, vor allem da der Vollzug von ihnen eine Entscheidung über die eigene Anpassung an die auf dem Markt hervorgerufene Unsicherheit verlange. Zum einen jedoch bleibt die Möglichkeit, dass sie sich gegen eine Anpassung ihrer Produkte an die Version gemäß Artikel 6 entscheiden, in diesem Stadium in hohem Maße unsicher. Selbst wenn zum anderen die Wahrscheinlichkeit, dass diese Wirtschaftsteilnehmer ihre Produkte nicht an die Version gemäß Artikel 6 anpassen, rechtlich hinreichend belegt wäre, so wäre dies, wie die Kommission hervorhebt, kein Beweis dafür, dass sie ihre Produkte insoweit nicht mehr für die Windows-Version mit integriertem Windows Media Player entwerfen. Tatsächlich hat keiner der Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft vorgetragen, dass er wegen der Entscheidung genötigt sein könnte, seine Erzeugnisse für ein anderes Betriebssystem zu entwerfen. Es ist somit nicht dargetan, dass der Attraktivitätsverlust von Windows, sei es auch nur allein im Hinblick auf diese Streithelfer, in der Praxis für Microsoft von Bedeutung sein könnte.

419. Schließlich hat Microsoft nie konkret dargelegt, dass die Unsicherheit bezüglich der Einheitlichkeit der Windows-Plattform zu einem Attraktivitätsverlust bei Endverbrauchern oder bei ihren Kunden führe.

420. Drittens sind die Folgen zu prüfen, die sich für Microsoft aus der Möglichkeit ergeben, dass die Version gemäß Artikel 6 in nennenswerten Mengen gekauft wird.

421. Hierzu ist vorab festzustellen, dass die Abhilfemaßnahme nach den Artikeln 4 und 6 Buchstabe a der Entscheidung die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung beenden soll und den zukünftigen Marktentwicklungen nicht vorgreift. Wie die Kommission bei der Anhörung ausgeführt hat, schließt die Abhilfemaßnahme nicht aus, dass der Windows Media Player angesichts seiner Vorzüge und aufgrund eines Wettbewerbs, der nach Auffassung der Kommission wiederhergestellt sein wird, in der Praxis auch zukünftig stets zusammen mit dem Betriebssystem von Microsoft gekauft werden kann.

422. Zudem hat Microsoft selbst ernsthafte Zweifel an der Wahrscheinlichkeit geäußert, dass die Version gemäß Artikel 6 in nennenswerten Mengen verkauft wird.

423. Aus den Randnummern 69 und 70 der Entscheidung geht hierzu hervor, dass die Client-PC-Betriebssysteme im Wesentlichen über zwei Vertriebskanäle in den Verkehr gebracht werden: zum einen über den Vertrieb an die Endverbraucher und zum anderen über den Vertrieb an die Fremdgerätehersteller, die die Kunden-PCs montieren und dabei im Allgemeinen ein Betriebssystem installieren.

424. In ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen hat Microsoft ausgeführt, dass bezüglich des Vertriebes an die Endnutzer "[e]s ... schwer vorzustellen [ist], welche Vorteile ein Kunde in diesem Vertriebskanal haben könnte, wenn er eine Version [gemäß Artikel 6] und nicht eine vollständige Windows-Version erhält, denn beide werden zum selben Preis angeboten". In derselben Stellungnahme trägt Microsoft vor, "es ist schwer vorzustellen, wie ein vernünftiger Endnutzer sich für eine solche Version entscheiden kann".

425. Zu den Fremdgeräteherstellern trägt Microsoft im Übrigen vor, "es ist ohne weiteres denkbar, dass der Verkäufer einer von dritter Seite hergestellten multimedialen Abspielsoftware für einen Fremdgerätehersteller den Anreiz schaffen will, die Version [gemäß Artikel 6] gegen Ausgleichszahlungen in Lizenz zu nehmen und sie ausschließlich mit seiner multimedialen Abspielsoftware zu koppeln". Jedoch wirft Microsoft der Kommission sodann vor, sie habe nicht untersucht, in welchem Umfang die Fremdgerätehersteller bereit seien, derartige Vereinbarungen zu schließen. Microsoft führt aus, "[d]er Umstand, dass die Fremdgerätehersteller gegenwärtig verschiedene mediale Abspielsoftware installieren und dass kein Verkäufer multimedialer Abspielsoftware den Fremdgeräteherstellern eine Vergütung gezahlt hat, um jeden sichtbaren Zugang zum Windows Media Player zu entfernen ..., legt nahe, dass die Verkäufer multimedialer Abspielsoftware am Abschluss entgeltlicher Ausschließlichkeitsvereinbarungen, mit denen die Fremdgerätehersteller für die Version [gemäß Artikel 6] gewonnen werden sollen, nicht hinreichend interessiert sind". Zudem hat Microsoft bei der Anhörung, obwohl sie weiterhin von der Möglichkeit ausging, dass einige ihrer Konkurrenten Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit den Fremdgeräteherstellern schließen können, ihre Zweifel daran bekräftigt, dass die Version gemäß Artikel 6 in erheblichem Umfang verkauft werden könnte.

426. Es ist somit festzustellen, dass Microsoft ernsthaft bezweifelt, das die Version gemäß Artikel 6 in nennenswerten Mengen verkauft werden kann.

427. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Antragsteller dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zu erleiden (siehe Rechtsprechung oben in Randnr. 240). In diesem Zusammenhang, vor allem wenn der Eintritt des Schadens von dem Vorliegen einer Reihe von Faktoren abhängt, genügt es, dass dieser Schaden mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss Deutschland/Rat, zitiert oben in Randnr. 241, Randnrn. 22 und 34, und Beschluss HFB u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 241, Randnr. 67). Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschluss HFB u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 241, Randnr. 67).

428. Da Microsoft keine Beweismittel vorgelegt hat, die für eine gegenteilige Beurteilung ausreichen würden, steht es dem Gericht im vorliegenden Fall nicht zu, den Wirkungen vorzugreifen, die die Abhilfemaßnahme nach Artikel 6 Buchstabe a der Entscheidung auf dem Markt haben wird. Somit ist festzustellen, dass es - was auch die Auffassung von Microsoft zu sein scheint - in diesem Stadium und in Anbetracht der im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorliegenden Beweismittel in hohem Maße unsicher ist, ob die Verkäufe der Version gemäß Artikel 6 einen nennenswerten Umfang erreichen können.

429. Die Prämisse, auf der in diesem Fall der von Microsoft behauptete Schaden beruht, kann somit nicht als belegt angesehen werden.

430. Unterstellt, Microsoft hätte rechtlich hinreichend dargetan, dass der Verkauf der Version gemäß Artikel 6 in nennenswerten Mengen wahrscheinlich ist, so ist doch darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission vorträgt, Microsoft sich im vorliegenden Fall nicht auf eine irreversible Entwicklung des Marktes als Folge dieser Verkäufe beruft. Sollte die Entscheidung für nichtig erklärt werden, hätte Microsoft nämlich die Möglichkeit, erneut nur die Windows-Version mit integriertem Windows Media Player in den Verkehr zu bringen und somit erneut und ausschließlich das anzuwenden, was ihrer Meinung nach das "grundlegende Strukturkonzept" des Windows-Betriebssystems ist. Es ist nicht dargetan, dass es Hindernisse geben würde, die Microsoft daran hindern könnten, ihre vor dem Vollzug der Abhilfemaßnahmen bestehende Marktstellung wieder einzunehmen.

431. Trotz dieser Umstände behauptet Microsoft, sie werde aus zwei unterschiedlichen Gründen einen schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden.

432. Erstens "[wären] die aus der Einheitlichkeit der Windows-Plattform resultierenden Vorteile ... irreversibel verloren". Microsoft fügt hinzu, dass der entstandene Schaden durch eine Nichtigerklärung der Entscheidung nicht beseitigt werde, denn "die Ingenieure von Microsoft müssten grundsätzlich davon ausgehen, dass zumindest einige der im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebrachten Windows-Kopien keine Multimediafunktionalität enthalten", weshalb sie "viele Jahre lang die Existenz von zwei Versionen in Rechnung stellen" müssten.

433. Microsoft erläutert jedoch nicht hinreichend, weshalb dieser Zwang für ihre Ingenieure nach der eventuellen Nichtigerklärung der Entscheidung die Wiederaufnahme ihres "grundlegenden Strukturkonzepts" beeinträchtigen oder unmöglich machen würde. So erklärt Microsoft zunächst nicht, warum sie nach der eventuellen Nichtigerklärung der Entscheidung daran gehindert wäre, erneut ausschließlich die Windows-Version mit integriertem Windows Media Player in den Verkehr zu bringen.

434. Microsoft scheint sodann die Auffassung zu vertreten, dass der von ihr geltend gemachte Schaden zeitlich nicht unbegrenzt wäre, da er, wie sie meint, "viele Jahre lang" bestehen würde.

435. Ferner legt Microsoft keine Beweismittel vor, anhand deren die Schwere desjenigen Schadens rechtlich hinreichend beurteilt werden könnte, der aus den zusätzlichen Anstrengungen entsteht, die die Softwareentwickler von Microsoft unternehmen müssten, um der Existenz zweier Versionen Rechnung zu tragen. Mangels näherer Ausführungen zu dieser Frage ist überdies davon auszugehen, dass sich diese Anstrengungen in zusätzlichen Kosten und somit in einem finanziellen Schaden ausdrücken würden, der - abgesehen von außergewöhnlichen Situationen, die hier nicht vorliegen - keinen irreparablen Schaden darstellt (Beschlüsse Abertal u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 413, Randnr. 24, und Poste Italiane/Kommission, zitiert oben in Randnr. 413, Randnr. 119).

436. Schließlich legt Microsoft auch nicht dar, weshalb es ihr unmöglich wäre, im Fall der Nichtigerklärung der Artikel 4 und 6 Buchstabe a der Entscheidung die Existenz der bereits in den Verkehr gebrachten Kopien der Version gemäß Artikel 6 außer Acht zu lassen, oder weshalb ihr dadurch zumindest ein nicht wieder gutzumachender und schwerer Schaden entstehen würde.

437. Der erste von Microsoft geltend gemachte Schaden kann somit die Erwartung eines schweren und irreparablen Schadens nicht begründen.

438. Zweitens trägt Microsoft vor, dass "die Dritten, die auf die Stabilität und die Kohärenz der Windows-Plattform angewiesen sind", ebenfalls während mehrerer Jahre die Existenz der zwei Versionen berücksichtigen müssten, "wodurch deren Kosten steigen würden und die Attraktivität von Windows ständig abnehmen würde".

439. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen oben in den Randnummern 421 bis 428 zu wiederholen. Es ist nicht dargetan, dass selbst dann, wenn die Version gemäß Artikel 6 in nennenswerten Mengen verkauft würde, in der Praxis eine hinreichend deutliche Gefahr besteht, dass die Wirtschaftsteilnehmer, die gegenwärtig ihre Produkte für Windows entwerfen, ihre Tätigkeit einstellen oder dass die Verbraucher, Kunden und sonstigen Wirtschaftsteilnehmer, von denen Microsoft meint, sie seien auf die Stabilität von Windows angewiesen, das Produkt in geringerem Umfang kaufen oder nutzen könnten.

440. Bezüglich der zwei von Microsoft geltend gemachten Schäden ist das Gericht über die bereits oben in Randnummer 430 getroffenen Feststellungen hinaus zudem der Auffassung, dass die Kommission überzeugende Gesichtspunkte vorgebracht hat, die belegen, dass Microsoft nach der eventuellen Nichtigerklärung der Entscheidung die Möglichkeit hätte, bestimmte Verfahren zu benutzen, namentlich eine Aktualisierung ihres Betriebssystems, um den Windows Media Player in den Verkehr zu bringen und folglich die Kopplung des Windows Media Player mit ihrem Betriebssystem zumindest überwiegend wiederherzustellen. Microsoft und die Streithelfer zur Unterstützung ihrer Anträge haben diesen Ausführungen nicht hinreichend detailliert widersprochen, um die hohe Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können, dass Microsoft den Windows Media Player in völlig ausreichendem Umfang in den Verkehr bringen kann, um den geltend gemachten Schaden zu verhindern.

441. Es ist somit festzustellen, dass Microsoft nicht nachgewiesen hat, dass ihr durch den Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung infolge der Schädigung ihres "grundlegenden Strukturkonzepts" oder, allgemeiner gesagt, infolge einer Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Entscheidungsfreiheit ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde.

Zur angeblichen Schädigung des Rufes von Microsoft

442. Microsoft trägt vor, der Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung schädige ihren Ruf als "Entwicklerin von Qualitätssoftware" im Wesentlichen wegen der Störungen, von denen die Version gemäß Artikel 6 betroffen werde.

443. Im vorliegenden Fall beruht der von Microsoft behauptete Schaden zum großen Teil auf der Prämisse, dass die Windows-Version gemäß Artikel 6 die Funktionsfähigkeit von Anwendungen und Webseiten, die auf bestimmten Funktionalitäten des Windows Media Player basieren, sowie die Lauffähigkeit bestimmter Teile des Windows-Betriebssystems selbst beeinträchtigen wird.

444. Es ist somit, erstens, zu prüfen, in welchem Umfang die von Microsoft vorgebrachten Probleme bestehen, und gegebenenfalls, ob sie nicht ohne weiteres vermieden werden könnten.

445. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Kommission auf Fragen des Gerichts darauf hingewiesen hat, dass ihrer Ansicht nach ein Produkt mit den von Microsoft genannten Merkmalen - d. h. ein Produkt, das dem Betriebssystem nicht die Möglichkeit gebe, auf die Funktionalitäten zurückzugreifen, die nach Microsofts Angaben unvollständig sind - eine "voll funktionsfähige" Windows-Version im Sinne des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung darstelle, vorausgesetzt, die genannten Funktionalitäten seien wirklich die, die normalerweise vom Windows Media Player angeboten würden.

446. Sodann sind getrennt zum einen die Probleme zu prüfen, die nach Microsofts Auffassung die Lauffähigkeit des Windows-Betriebssystems beeinträchtigen würden, und zum anderen die Probleme, die nach Auffassung von Microsoft die Funktionsfähigkeit bestimmter Anwendungen und bestimmter Webseiten beeinträchtigen würden.

447. Bezüglich der Probleme, die nach Auffassung von Microsoft die Lauffähigkeit des Windows-Betriebssystems beeinträchtigen würden, hat RealNetworks eine Reihe von Tests durchgeführt, die beweisen sollen, dass die Probleme durch Installation einer multimedialen Abspielsoftware eines Drittunternehmens gelöst werden können. Microsoft bestreitet nicht, dass dies für einen Teil der geltend gemachten Probleme der Fall ist, führt jedoch aus, dass es weiterhin ungelöste Probleme gebe und dass der Umfang, in dem diese beseitigt werden könnten, von der installierten multimedialen Abspielsoftware abhänge.

448. Angesichts des Vorbringens der Beteiligten ist das Gericht der Auffassung, dass nicht nachgewiesen ist, dass die multimediale Abspielsoftware von Drittunternehmen unter allen Umständen eine vollständige Ersetzung der von Microsoft bezeichneten Funktionalitäten sicherstellen könnte. Die Ersetzung dieser Funktionalitäten hängt eng von den technischen Möglichkeiten der installierten multimedialen Abspielsoftware ab. Dagegen könnte die Installation einer solchen multimedialen Abspielsoftware die Möglichkeit geben, sehr weitgehend diese verschiedenen Funktionalitäten zu ersetzen.

449. Bezüglich der Probleme, die die Nutzung bestimmter Anwendungen und bestimmter Webseiten betreffen, ist unter Berücksichtigung der von den Streithelfern zur Unterstützung der Anträge der Kommission vorgelegten Beweismittel ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Funktionalitäten weitgehend durch die Installation multimedialer Abspielsoftware von Drittunternehmen ersetzt werden können. Zudem dürfte für die Entwickler von Webseiten und Anwendungen, die gegenwärtig auf dem Windows Media Player basieren, ein starker Anreiz bestehen, die Nutzer dazu zu bewegen, diese Software aus dem Internet herunterzuladen oder sie selbst im Rahmen der Lizenzen, die hierfür üblicherweise von Microsoft erteilt werden, in den Verkehr zu bringen, selbst wenn dies für sie Kosten mit sich bringen könnte.

450. Die in den drei vorstehenden Randnummern genannten Faktoren verringern in wesentlichem Maße die Wahrscheinlichkeit, dass die von Microsoft vorgebrachten Probleme von den Endverbrauchern festgestellt werden könnten.

451. Zwar hat Microsoft in ihren Erklärungen zu den Streithilfeschriftsätzen und bei der Anhörung ausgeführt, dass eine Lösung der geltend gemachten Probleme in den von RealNetworks durchgeführten Tests nur dank der Installation bestimmter Codes des Windows Media Player möglich gewesen sei. Diesem Punkt ist von der Kommission und von RealNetworks, was die Probleme anbelangt, die die Funktionsfähigkeit bestimmter Anwendungen und bestimmter Webseiten betreffen, nicht ausdrücklich widersprochen worden. RealNetworks hat jedoch klargestellt, dass die Installation dieser Codes durch die Anwendungen selbst erfolgt sei oder, was die Webseiten angehe, durch eine auf diesen Seiten verfügbare Einrichtung zum Herunterladen. Die Beteiligten stimmen somit zum Teil mit Microsofts Vorbringen überein. Microsofts Vorbringen bleibt jedoch in jedem Fall ohne Folgen für die Beurteilung der Frage, ob die Anordnung der beantragten Aussetzung des Vollzugs dringlich ist. Es kommt nämlich im vorliegenden Fall nicht darauf an, dass bestimmte von Microsoft vorgebrachte Probleme nur gelöst werden können, wenn bestimmte Codes des Windows Media Player oder gegebenenfalls gar sämtliche Codes des Windows Media Player durch die betreffende Anwendung oder über die Webseite selbst installiert werden, sofern nur die Installation einen ausreichenden Teil der von Microsoft vorgebrachten Probleme tatsächlich lösen kann.

452. Unerheblich ist auch Microsofts Vorbringen, dass die unterschiedliche Neuinstallation bestimmter Windows Media Player-Codes Sicherheits- oder Stabilitätsprobleme der Version gemäß Artikel 6 hervorrufen werde. Microsoft hat nämlich keine Beweise dafür vorgelegt, dass die eventuelle Installation alter Windows Media Player-Codes eine Instabilität des Windows-Betriebssystems hervorrufen könnte oder dass andere Probleme dieser Art festgestellt werden könnten. Soweit schließlich Microsoft meint, die Ergänzung der verschiedenen Kopien der Version gemäß Artikel 6 durch unterschiedliche Codes stelle die Einheitlichkeit ihrer Plattform in Frage, geht ihr Vortrag über das Vorbringen bezüglich der Schädigung ihres "grundlegenden Strukturkonzepts", das bereits zurückgewiesen worden ist, nicht hinaus (siehe oben Randnrn. 406 bis 441).

453. Es ist somit nicht nachgewiesen, dass die von Microsoft vorgebrachten Probleme nicht zumindest weitgehend vermieden werden könnten.

454. Zweitens ist, soweit bestimmte von Microsoft vorgebrachte Probleme fortbestehen, zudem festzustellen, dass Microsoft dem Gericht keine Beweismittel vorgelegt hat, die rechtlich hinreichend belegen könnten, dass die Endverbraucher oder - allgemeiner gesagt - die Kunden von Microsoft das Fehlen oder das eventuelle Versagen der genannten Funktionalitäten mit einer unerwarteten Funktionsstörung des Microsoft-Produkts in Verbindung bringen, nicht aber mit den normalen Folgen, die sich daraus ergeben, dass eine multimediale Abspielsoftware, konkret der Windows Media Player, nicht vorhanden ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle von Microsoft erwähnten Probleme bestehen und nicht vermieden werden können, so hat Microsoft nicht bewiesen, dass es ihr unmöglich oder durch die Entscheidung verboten ist, ihre Kunden über die objektiven Eigenschaften der Version gemäß Artikel 6 zu informieren und die Kunden damit zu veranlassen, Entscheidungen in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen.

455. Hierzu hat Microsoft zwar dargelegt, es sei ihr nicht möglich, die Tests durchzuführen, mit denen sie alle Fehler der Version gemäß Artikel 6 feststellen könnte, insbesondere alle Anwendungen, die mit dieser Version nicht liefen. Microsoft hat jedoch keinerlei Beweismittel vorgelegt, die eine Beurteilung erlauben, ob die Tests bezüglich der Probleme durchgeführt werden können, die nach Microsofts Auffassung für ihr Betriebssystem entstanden sind. Was sodann die für eine Beurteilung der Funktionsfähigkeit bestimmter Anwendungen und bestimmter Webseiten erforderlichen Tests angeht, so hat Microsoft nicht bewiesen, weshalb die Kenntnis, dass der Windows Media Player auf der Version gemäß Artikel 6 fehlt, für sich allein nicht genügen würde, um die Kunden darauf hinzuweisen, dass bestimmte auf den Funktionalitäten des Windows Media Player basierende Anwendungen und Webseiten nicht ordnungsgemäß arbeiten könnten.

456. Ganz allgemein ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ausdrücklich erklärt hat, ihrer Auffassung nach dürfe Microsoft ihre Kunden davon in Kenntnis setzen, dass der Windows Media Player in der Version gemäß Artikel 6 fehle. Microsoft hat nicht dargetan, dass diese Kenntnis allein nicht genügen würde, um ihre Kunden in die Lage zu versetzen, die möglichen Konsequenzen ihrer Entscheidung hinsichtlich der Verfügbarkeit bestimmter Multimediafunktionalitäten zu verstehen.

457. Was den unmittelbaren Vertrieb ihrer Produkte an die Endverbraucher angeht, so trägt Microsoft zwar vor, dass wenige der Endverbraucher verstehen, in welcher Weise die Windows-Anwendungen auf den Multimediafunktionalitäten basieren, legt jedoch keine Beweismittel vor, die ihre Behauptungen stützen könnten und anhand deren das reale Ausmaß der Unkenntnis der Verbraucher beurteilt werden könnte.

458. Was im Übrigen den Vertrieb an die Fremdgerätehersteller angeht, so ist davon auszugehen, dass diese besonders kritische Käufer sind und demzufolge ihre Entscheidungen wohlüberlegt treffen können. Weist daher die Version gemäß Artikel 6 die von Microsoft geltend gemachten nicht behebbaren Probleme auf, ist bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass die Fremdgerätehersteller sie schlicht und einfach nicht kaufen oder dass sie sie in voller Kenntnis des Sachverhalts und somit ohne Schaden für Microsoft kaufen.

459. Unter diesen Umständen ist nicht nachgewiesen, dass der Umstand, dass ein beliebiger Kunde von Microsoft die Version gemäß Artikel 6 wählt und den von Microsoft vorgebrachten Problemen ausgesetzt ist, den Ruf von Microsoft schädigen könnte.

460. Auch wenn man, drittens, annähme, dass rechtlich hinreichend nachgewiesen wäre, dass zum einen nicht alle von Microsoft behaupteten Probleme vermieden werden könnten und dass zum anderen die Kunden und Verbraucher keine Entscheidung in voller Sachkenntnis treffen könnten, hat Microsoft keine Beweismittel vorgelegt, die es erlaubten, die wirkliche Schwere dieser Fehler und namentlich den Umfang zu beurteilen, in dem die Fehler sich konkret auf den Ruf von Microsoft bei den verschiedenen Wirtschaftsteilnehmern des Sektors auswirken könnten.

461. Microsoft legt nämlich keine Beweismittel dafür vor, dass die von ihr festgestellten Fehler die Wahrnehmung der Endverbraucher und Fremdgerätehersteller wesentlich beeinflussen könnten. Microsoft legt insbesondere keinerlei Beweismittel bezüglich der Art und Weise vor, wie die Wirtschaftsteilnehmer die Funktionalitäten, die Microsoft in ihrem Antrag als unvollständig beschreibt, wahrnehmen. Hierzu hat Microsoft mehrfach als Beispiel das Verzeichnis "My Music" angeführt, das einen detaillierten Überblick über die auf der Festplatte eines PCs gespeicherten Dateien bietet, insbesondere über bestimmte digitale Multimedia-Inhalte. Microsoft ist der Auffassung, dass die Version gemäß Artikel 6 einen solchen detaillierten Überblick nicht erlaubt, und zwar weder mit noch ohne multimediale Abspielsoftware der Konkurrenz. Microsoft legt jedoch kein Beweismittel vor, aufgrund dessen das Gericht beurteilen könnte, ob es wahrscheinlich ist, dass dieses Problem von den Endverbrauchern hinreichend häufig erkannt wird. Microsoft weist auch nicht nach, dass dieses Problem, unterstellt, es wird üblicherweise erkannt, ihren Ruf erheblich schädigen könnte. Mangels hinreichender Beweise hinsichtlich der wirklichen Bedeutung der fraglichen Funktionalitäten für die Endverbraucher und hinsichtlich deren Erwartungen ist das Gericht daher nicht in der Lage, die wirklichen Folgen, die die von Microsoft geltend gemachten Probleme für deren Ruf haben, zu beurteilen.

462. Außerdem hat Microsoft nicht nachgewiesen, dass der Vollzug der Artikel 4 und 6 Buchstabe a der Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf ihren Ruf bei Wirtschaftsteilnehmern, die nicht zu ihren Kunden gehören, insbesondere auf ihren Ruf bei den Entwicklern von Webseiten und Herstellern von Anwendungsprogrammen hätte. Hier ist bezeichnend, dass keiner der Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft vorgetragen hat, dass seine eigene Wahrnehmung von Microsoft beeinträchtigt werden könnte oder dass er seine Produkte nicht mehr für eine Nutzung mit Produkten von Microsoft entwerfen könnte.

463. Viertens ist nicht zu erkennen, dass der Windows Media Player nicht ohne weiteres verfügbar wäre und nicht leicht in der Version gemäß Artikel 6 installiert werden könnte. Selbst wenn man daher davon ausginge, dass bestimmte Verbraucher oder Klienten eine Entscheidung nicht in voller Sachkenntnis treffen und sich bei ihnen hieraus eine gewisse Unzufriedenheit entwickeln könnte, so hat Microsoft nicht nachgewiesen, weshalb dieser Zustand nicht ohne weiteres dadurch beendet werden könnte, dass die Verbraucher oder Klienten über die Möglichkeit informiert werden, sich den Windows Media Player später zu verschaffen.

464. Ginge man, fünftens, wiederum davon aus, dass die behaupteten Fehler rechtlich hinreichend nachgewiesen und nicht behebbar wären, so hinge die Schwere der Schädigung des Rufes von Microsoft in hohem Maße von der tatsächlichen Verbreitung der Version gemäß Artikel 6 ab. In diesem Zusammenhang ist die bereits getroffene Feststellung (siehe oben Randnrn. 421 bis 428) zu wiederholen, dass zum einen es mangels hinreichender Beweismittel nicht Aufgabe des Gerichts ist, den Auswirkungen der Abhilfemaßnahme auf den Markt vorzugreifen, und dass zum anderen Microsoft hinsichtlich des Umfangs der Verkäufe der Version gemäß Artikel 6 selbst Bedenken äußert und nicht behauptet, es bestehe die Gefahr einer irreversiblen Marktentwicklung.

465. Selbst wenn man, sechstens, davon ausginge, dass Microsoft entgegen den vorangegangenen Feststellungen die Gefahr einer schweren Schädigung ihres Rufes rechtlich hinreichend nachgewiesen hätte, so hätte sie deswegen noch nicht nachgewiesen, dass es Hindernisse struktureller oder rechtlicher Art gäbe, die einer Durchführung von Werbemaßnahmen, mit denen ihr Ruf wiederhergestellt werden könnte, entgegengestünden.

466. Microsoft hat somit nicht nachweisen können, dass ihr Ruf durch den Vollzug der Artikel 4 und 6 Buchstabe a der Entscheidung schwerwiegend und irreparabel geschädigt werden kann.

467. Microsoft macht jedoch geltend, ihr Ruf sei unter zwei weiteren und spezielleren Aspekten geschädigt worden: Zum einen seien ihre Marken und zum anderen ihr Urheberrecht verletzt worden.

- Zur angeblichen Verletzung der Marken von Microsoft

468. Was, erstens, die Verletzung der Marken von Microsoft angeht, soweit sie als Ursache für eine Schädigung des Rufes von Microsoft oder als Folge dieser Schädigung namentlich aufgrund der schlechten Qualität der Version gemäß Artikel 6 angesehen wird, so ist dieses Vorbringen aus den oben in den Randnummern 454 bis 459 genannten Gründen zurückzuweisen. Microsoft hat nämlich insbesondere nicht nachgewiesen, dass sich die behaupteten Fehler, selbst wenn sie vorlägen, negativ und erheblich auf die Wahrnehmung der Endverbraucher auswirken würden. Somit sind insbesondere die Ausführungen in dem "Gutachten zum Markenrecht" (Anlage R.6), das dem Antrag beigefügt ist, zurückzuweisen.

469. Soweit das Vorbringen von Microsoft dahin geht, dass ihre Marke Windows nicht mehr das Vorhandensein ihres "Grundkonzepts" garantieren würde, ist ferner daran zu erinnern, dass die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden. Damit die Marke ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs, das der EG-Vertrag errichten will, erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-371/02, Björnekulla Fruktindustrier, Slg. 2004, I-5791, Randnr. 20). Soweit die Marke das Vorliegen bestimmter objektiver Eigenschaften eines Erzeugnisses garantieren könnte, wie Microsoft zu behaupten scheint, verfügt das Gericht jedenfalls über keine Beweismittel, aufgrund deren es jenseits der Wahrnehmung, die Microsoft von ihrem "Grundkonzept" und ihrer Marke hat, hinreichend genau beurteilen könnte, wie die Marke von den Kunden auf dem relevanten Markt tatsächlich wahrgenommen wird. Dies gilt insbesondere für die Beweismittel, die ihm die Möglichkeit geben würden, aus der Sicht der genannten Kunden die objektiven Eigenschaften, die mit der Marke verbunden sein könnten, sowie gegebenenfalls die wirkliche Schwere zu beurteilen, die eine Veränderung der genannten Eigenschaften hätte.

470. Da Microsoft zudem zum einen bei einer Nichtigerklärung des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung die Möglichkeit haben wird, erneut und ausschließlich die Windows-Version mit integriertem Windows Media Player in den Verkehr zu bringen, und zum anderen nicht nachgewiesen hat, dass es ihr, wenn nötig, nicht möglich wäre, geeignete Werbemaßnahmen durchzuführen, hat sie nicht nachgewiesen, dass die behauptete Beeinträchtigung ihrer Marke - unterstellt, sie wäre bewiesen und schwerwiegend - nicht wieder gutzumachen wäre.

- Zur angeblichen Verletzung des Urheberrechts von Microsoft

471. Was, zweitens, die angebliche Verletzung des Urheberrechts von Microsoft angeht, so ist vorab darauf hinzuweisen, dass Microsoft nicht dargelegt hat, weshalb eine solche Verletzung mit der von ihr behaupteten Schädigung ihres Rufes im Zusammenhang stehen könnte.

472. Darüber hinaus ist Microsofts Vorbringen zu diesem Punkt sehr kurz und besonders unbestimmt. Microsoft beruft sich in diesem Zusammenhang auf keine bestimmte Regelung, der zufolge der Umstand, dass sie ein eigenes Produkt - sei es auch gezwungenermaßen - selbst bearbeitet, eine Verletzung ihres Urheberrechts darstellen würde.

473. Zudem ist allein der Umstand, dass eine Entscheidung der Kommission in bestimmten Maße Rechte des geistigen Eigentums beeinträchtigen kann, mangels zusätzlicher Ausführungen kein ausreichender Grund für die Annahme, dass ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden vorliegt, zumindest wenn die konkreten Auswirkungen der genannten Beeinträchtigung außer Betracht bleiben. Im vorliegenden Fall jedoch sind die einzigen konkreten Tatsachen, die von Microsoft vorgetragen wurden, diejenigen, die vorstehend dargestellt wurden und als unzureichend zurückgewiesen wurden, um einen schwerwiegenden und nicht wieder gutzumachenden Schaden darzustellen (oben Randnrn. 411 bis 466).

474. Soweit Microsoft schließlich geltend macht, dass ihr durch den Umlauf von Kopien der Version gemäß Artikel 6, also von Kopien einer erzwungenen Bearbeitung ihrer Produkte, ein immaterieller Schaden entstehen würde, so wäre dieser Schaden bis zum Beweis des Gegenteils weder schwerwiegend noch irreparabel. Dies gilt umso mehr, als, wie bereits oben festgestellt wurde (oben Randnrn. 422 bis 429), nicht nachgewiesen worden ist, dass die Version gemäß Artikel 6 in erheblichen Mengen verbreitet werden könnte oder dass die Verbreitung der Version gemäß Artikel 6 durch die spätere Verbreitung des Windows Media Player nicht weitgehend wieder gutgemacht würde.

475. Microsoft hat somit nicht nachgewiesen, dass ihr durch den Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung aufgrund einer Schädigung ihres Rufes ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen kann.

476. Microsoft hat daher nicht nachgewiesen, dass bei einem Vollzug des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung die Gefahr bestände, dass ihr ein schwerwiegender und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Folglich ist der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 6 Buchstabe a der Entscheidung zurückzuweisen, ohne dass eine Abwägung der beteiligten Interessen vorzunehmen wäre.

477. Was den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des Artikels 4 der Entscheidung betrifft (oben Randnr. 27), so ist dieser zurückzuweisen. Erstens ist festzustellen, dass dieser Artikel in Satz 1 auf die Artikel 5 und 6 der Entscheidung verweist. Die fehlende Dringlichkeit der Aussetzung des Vollzugs der Artikel 5 und 6 führt somit zwangsläufig zur Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung des Vollzugs dieser Verweisungsbestimmung. Soweit, zweitens, mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung die Aussetzung des Vollzugs des Artikels 4 Satz 2 der Entscheidung begehrt wird, hat Microsoft zur Begründung dieses Antrags nicht ausreichend vorgetragen; damit sind die Folgen des in Satz 2 des Artikels 4 genannten Verbotes in jedem Fall rein hypothetisch.

478. Der Antrag ist somit insgesamt zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Dem Antrag der Microsoft Corp. auf vertrauliche Behandlung wird im Verfahren der einstweiligen Anordnung stattgegeben.

2. Die Audiobanner.com, handelnd unter der Firma VideoBanner, wird als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Verfahren der einstweiligen Anordnung zugelassen.

3. Die Computer & Communications Industry Association wird als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestrichen.

4. Die Novell Inc. wird als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestrichen.

5. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

6. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 22. Dezember 2004

Ende der Entscheidung

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