Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.1998
Aktenzeichen: T-203/96
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 92/50


Vorschriften:

EG Art. 181
EG Art. 178
EG Art. 215 Abs. 2
Richtlinie 92/50 Art. 12 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Zuständigkeit des Gerichts, gemäß dem Beschluß 88/591 in der geänderten Fassung und gemäß Artikel 181 des Vertrages über Streitigkeiten zu entscheiden, in denen es von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Schiedsklausel angerufen wird, setzt voraus, daß der die Klausel enthaltende Vertrag wirksam ist.

Daher ist eine Klage unzulässig, die auf der Grundlage einer Schiedsklausel in einem Rahmenvertrag erhoben worden ist, der zu einer Ausschreibung zur Vergabe eines Auftrags eines Gemeinschaftsorgans gehört, soweit dieser Auftrag unter die Richtlinie 92/50 fällt, die die betreffenden Aufträge als schriftlich geschlossene Verträge definiert, und soweit der Rahmenvertrag zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet wurde. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Punkt kann das Bestehen eines wirksamen Vertrages nicht daraus hergeleitet werden, daß ein Vergabebeirat, ein beratendes Gremium in dem betreffenden Organ, sich in einer Stellungnahme für die Vergabe des Auftrags an den Kläger ausspricht, ungeachtet der Bedeutung, die dieser Stellungnahme in der Praxis allgemein im Rahmen von Ausschreibungen zukommt.

2 Die Organe verfügen bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen, und die Kontrolle des Gerichts muß sich auf die Prüfung der Frage beschränken, ob kein schwerer und offenkundiger Fehler vorliegt.

3 Auf den Schutz des berechtigten Vertrauens kann sich jeder einzelne berufen, der sich in einer Situation befindet, aus der sich ergibt, daß die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Zwar müssen die Wirtschaftsteilnehmer die mit ihren Tätigkeiten verbundenen Risiken tragen, und im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens umfassen diese Risiken insbesondere die mit der Vorbereitung des Angebots verbundenen Kosten, doch kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens vorliegen, durch den die Haftung der Gemeinschaft ausgelöst werden kann, wenn vor der Vergabe des betreffenden Auftrags an den Zuschlagsempfänger ein Bieter durch das ausschreibende Organ veranlasst wird, im voraus nicht wieder rückgängig zu machende Investitionen zu tätigen und damit die mit der betreffenden Tätigkeit - der Einreichung eines Angebots - verbundenen Risiken zu überschreiten.

4 Im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge muß der Auftraggeber in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den der Transparenz wahren. So muß eine eng in ein Vergabeverfahren verwickelte und sogar als Zuschlagsempfängerin angesehene Person unverzueglich genaue Informationen über den gesamten Verfahrensablauf erhalten.

Darüber hinaus hat das Organ gegenüber den Bietern ein kohärentes und konstantes Verhalten an den Tag zu legen. Etwaige Interventionen verschiedener Verwaltungs- und politischer Gremien innerhalb des betreffenden Organs können es daher nicht rechtfertigen, daß das Organ seine Verpflichtungen gegenüber den Bietern nicht beachtet hat.

5 Aus den für öffentliche Aufträge der Gemeinschaften geltenden Allgemeinen Bestimmungen geht hervor, daß das den Auftrag vergebende Organ gegenüber nichtberücksichtigten Bietern zu keinerlei Entschädigung verpflichtet ist. Somit können grundsätzlich die Kosten, die einem Bieter für seine Teilnahme an einer Ausschreibung entstehen, keinen ersatzfähigen Schaden darstellen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 17. Dezember 1998. - Embassy Limousines & Services gegen Europäisches Parlament. - Schiedsklausel - Zustandekommen des Vertrages - Außervertragliche Haftung - Zurückziehung einer Ausschreibung - Berechtigtes Vertrauen - Bewertung des Schadens. - Rechtssache T-203/96.

Entscheidungsgründe:

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1 Am 22. August 1995 veröffentlichte das Europäische Parlament gemäß der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1; im folgenden: Richtlinie 92/50) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Bekanntmachung (ABl. S 158, S. 23; im folgenden: Bekanntmachung) über die in einem offenen Verfahren erfolgnde Vergabe eines Auftrags zur Beförderung von Personen - vorliegend von Abgeordneten des Europäischen Parlaments - mit Fahrzeugen einschließlich Fahrer (Ausschreibung Nr. 95/S 158-76321/FR; im folgenden: streitige Ausschreibung).

2 Der Auftrag sollte laut Bekanntmachung als Rahmenvertrag mit einem Dienstleistungsunternehmen ausgestaltet und jeweils auf Einzelabruf auszuführen sein. Der Vertrag sollte für drei Jahre geschlossen werden und zweimal um ein Jahr verlängert werden können. Ausführungsort sollte Brüssel sein; die Dienstleistungserbringer hatten eine fünfjährige Tätigkeit in dem betreffenden Bereich nachzuweisen. Unter "Kriterien für die Auftragserteilung" stand in der Bekanntmachung, daß das wirtschaftlich vorteilhafteste Angebot aufgrund der Angebotspreise und des technischen Wertes berücksichtigt werden sollte.

3 Am 13. September 1995 sandte das Generalsekretariat des Parlaments der Klägerin, der Embassy Limousines & Services SA (im folgenden: Embassy), durch Herrn Candidi, den Leiter der Dienststelle "Humanressourcen - Administrative Verwaltung", als Antwort auf ihre schriftliche Anfrage vom gleichen Tag sämtliche Unterlagen der streitigen Ausschreibung, und zwar den Rahmenvertrag PE-TRANS-BXL-95/6 (im folgenden: Rahmenvertrag), die Verdingungsunterlagen der Ausschreibung und die dazugehörigen technischen Bedingungen.

4 Nach dem Rahmenvertrag (Artikel VIII) und den Verdingungsunterlagen der streitigen Ausschreibung (Artikel 6 Absatz 3) sollten die aus der Auftragsvergabe resultierenden Verträge dem luxemburgischen Recht unterliegen; die gerichtliche Zuständigkeit sollte unter Ausschluß jedes anderen Gerichts beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften liegen. Für alle nicht in den Verdingungsunterlagen geregelten Angelegenheiten sollte die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften verfasste "Verdingungsordnung - Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen und Bauleistungen" (im folgenden: Allgemeine Bestimmungen) gelten.

5 Am 16. Oktober 1995 reichte die Klägerin ihr Angebot ein.

6 Am 4. Dezember 1995 nahm das Parlament durch Herrn Candidi Kontakt mit Herrn Hautot, dem damaligen Generaldirektor von Embassy, auf, um ihm mitzuteilen, daß sich der Vergabebeirat am gleichen Tag zustimmend zum Vorschlag des Anweisungsbefugten geäussert habe, Embassy den Auftrag zu erteilen.

7 Am 12. Dezember 1995 sandte die Klägerin dem Parlament ein Schreiben, in dem sie von den Maßnahmen berichtete, die sie getroffen habe, um der Notlage, in der sich das Parlament befand, zu begegnen. Sie erklärte, daß sie Leasingverträge für Fahrzeuge und Abonnementsverträge für Mobiltelephone (GSM) geschlossen, Fahrer eingestellt und deren medizinisch-soziale und steuerliche Lage geregelt habe. Im gleichen Schreiben ging die Klägerin auf Gerüchte ein, daß ihren Geschäftsführern und/oder Aktionären die Zuverlässigkeit fehle und die Qualität ihrer Dienstleistungen zweifelhaft sei.

8 Infolge dieser Gerüchte und aufgrund von Presseartikeln, in denen die Redlichkeit bestimmter Geschäftsführer von Embassy angezweifelt wurde, wurden zwei davon, Herr Hautot und Herr Heuzer, aufgefordert, nach Straßburg zu kommen, um alle für den Nachweis der Ehrenhaftigkeit ihrer Gesellschaft erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Dieses Treffen fand am 13. Dezember 1995 statt.

9 Im Anschluß an das Treffen richtete Herr Feidt, Generaldirektor für Verwaltung, ein Schreiben an das Generalsekretariat des Parlaments, in dem es heisst:

"Auf den Antrag des Präsidiums des Europäischen Parlaments haben meine Dienststellen eine Untersuchung durchgeführt, um festzustellen, ob die Anschuldigungen gegen die Gesellschaft Embassy... begründet sind.

Die Verantwortlichen der Gesellschaft sind aufgefordert worden, nach Straßburg zu kommen, wo sie nach Vorlage aller angeforderten Unterlagen... die ihnen gestellten Fragen beantwortet haben.

Eine gründliche Prüfung dieser Unterlagen hat ergeben, daß die Behauptungen jeder Grundlage entbehren.

Unter diesen Umständen ist unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die neue Gesellschaft die Bereitstellung der Leistungen in praktischer Hinsicht organisieren muß, eine Eilentscheidung geboten: Die Verwaltung hat unbedingt die Beförderung der Abgeordneten nach deren Rückkehr im Januar 1996 sicherzustellen.

Daher bitte ich Sie, so schnell wie möglich Ihre Zustimmung zur Unterzeichnung des Vertrages zu erteilen."

10 Gleichwohl schlug Herr Feidt dem Vergabebeirat am 19. Dezember 1995 vor, den Vertrag mit der Gesellschaft, die bis dahin die betreffenden Leistungen erbracht hatte (im folgenden: Gesellschaft A), um einen Monat zu verlängern. Im Protokoll der Sitzung des Vergabebeirats vom gleichen Tag heisst es u. a.:

"Der Vergabebeirat,

...

- aufgrund seiner befürwortenden Stellungnahme vom 4. Dezember 1995 zum Abschluß eines Vertrages mit der Gesellschaft Embassy..., Zuschlagsempfänger der genannten Ausschreibung,

- in Kenntnis der Tatsache, daß die internen Entscheidungen des Parlaments, die die Unterzeichnung des Vertrages mit der Gesellschaft Embassy... erlauben, nicht vor Ende 1995 getroffen werden konnten,

- erklärt auf der Grundlage des Artikels 59 Buchstabe b der Haushaltsordnung und des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 92/50 sein Einverständnis mit einem zu den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags geschlossenen Vertrag vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 1996 mit der Gesellschaft [A] (Gesellschaft mit dem zweitniedrigsten Angebot), der nach erneuter Befassung des Vergabebeirats um höchstens einen Monat (Februar 1996) verlängert werden kann,

- fordert den Anweisungsbefugten auf, alle Vorkehrungen zu treffen, damit der Vertrag mit der Gesellschaft, die den Zuschlag erhalten hat, so bald wie möglich unterzeichnet wird."

11 Am 5. Januar 1996 wurde ein Vertrag mit der Gesellschaft A geschlossen.

12 Mit Schreiben vom 25. Januar 1996 teilte die Klägerin dem Parlament mit, daß sie nicht verstehe, weshalb das Parlament noch nicht die endgültige Entscheidung über die streitige Ausschreibung bestätigt habe.

13 In zwei Sitzungen vom 22. Januar und 26. Februar 1996 sprach sich der Vergabebeirat jeweils dafür aus, den Vertrag mit der Gesellschaft A um einen Monat zu verlängern. In einer Sitzung vom 1. April 1996 sprach sich der Vergabebeirat schließlich für eine Verlängerung des Vertrages mit der Gesellschaft um drei Monate aus.

14 Am 16. Februar 1996 richtete die Klägerin ein Schreiben an Herrn Ribeiro, ein Mitglied des Kollegiums der Quästoren (Einrichtung, die gegenüber dem Präsidium Empfehlungen zu Fragen abgibt, die die Abgeordneten betreffen), um insbesondere einige Fragen hinsichtlich des Profils der Fahrer von Embassy zu klären.

15 Mit an das Parlament gerichteten Schreiben vom 29. Februar und 4. März 1996 äusserte die Klägerin erneut ihr Erstaunen darüber, daß sie noch nicht den unterzeichneten Vertrag erhalten habe.

16 Am 8. Mai 1996 empfahl das Parlament dem Anweisungsbefugten, ein neues Ausschreibungsverfahren einzuleiten.

17 Am 28. Mai 1996 sandte die Klägerin dem Parlament ein Schreiben, in dem sie um Mitteilung der Gründe bat, aus denen beschlossen worden sei, das Verfahren erneut einzuleiten.

18 Am 31. Mai 1996 sprach sich der Vergabebeirat für die Aufhebung der streitigen Ausschreibung aus. Bei dieser Gelegenheit befürwortete er ferner auf Vorschlag des Anweisungsbefugten den Abschluß eines Vertrages mit der Gesellschaft A für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1996 bis zum Vorliegen der Ergebnisse der neuen Ausschreibung. Im Protokoll dieser Sitzung heisst es:

"Der Vergabebeirat,

...

1. bezueglich der Aufhebung der Ausschreibung Nr. 95/S 158-76321/FR

...

- in der Erwägung, daß der Beschluß des Anweisungsbefugten, die betreffende Ausschreibung aufzuheben, auf der vom Präsidium in dessen Sitzung vom 8. Mai 1996 abgegebenen Stellungnahme beruht,

- in der Erwägung, daß gemäß dieser Stellungnahme, die den Standpunkt des Kollegiums der Quästoren bestätigt, "durch das laufende Verfahren kein qualitativ angemessener Beförderungsdienst für die Abgeordneten erreicht werden kann",

...

- erklärt (mit acht Stimmen bei einer Enthaltung) sein Einverständnis mit der Aufhebung der Ausschreibung und stellt dabei fest, daß es Sache des Anweisungsbefugten ist, die wirtschaftliche Grundlage für eine neue Ausschreibung zu überprüfen (Ausschreibungskosten, andere Ergebnisse als bei der ersten Ausschreibung usw.)

..."

19 Mit Einschreiben vom 19. Juni 1996 unterrichtete das Parlament die Klägerin davon, daß die streitige Ausschreibung aufgehoben und das Verfahren erneut eingeleitet worden sei. In dem Schreiben heisst es u. a., das Parlament habe keines der Angebote für gänzlich zufriedenstellend gehalten und es sei besonders bemüht gewesen, den Abgeordneten einen Dienst auf höchstem technischem Niveau anzubieten, der durch sehr erfahrene Berufsfahrer erbracht werde, was nach den von den Bietern eingereichten Unterlagen nicht zweifelsfrei gewährleistet sei. Es werde eine neue offene Ausschreibung erfolgen, in der die Anforderungen des Parlaments klarer und ausführlicher beschrieben würden.

20 Mit Schreiben vom 22. Juli 1996 forderte die Klägerin das Parlament auf, entweder die streitige Ausschreibung nicht aufzuheben und ihr den Auftrag zu erteilen oder sie angemessen zu entschädigen.

21 Nachdem Herr Feidt am 21. August 1996 den Empfang dieses Schreibens bestätigt hatte, wies er die Forderungen der Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 zurück. In diesem Schreiben führte er aus:

"Es steht fest, daß im vorliegenden Fall kein Vertrag zwischen dem... Parlament... und... Embassy... geschlossen wurde, denn

- der Vergabebeirat ist nur ermächtigt, dem zuständigen Anweisungsbefugten, also mir gegenüber, Stellung zu nehmen; der Vergabebeirat trifft keine Entscheidung;

- nach Artikel 1 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates, auf die Sie in Ihrem Schreiben Bezug nehmen, "gelten als "öffentliche Dienstleistungsaufträge" die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber [dem Europäischen Parlament] geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge";

- es gibt keinen schriftlichen Vertrag, da der Entwurf des Rahmenvertrags PE-TRANS-BXL-95/6, der Bestandteil der Verdingungsunterlagen war und den Embassy somit erhalten hat, nicht unterzeichnet worden ist."

22 Weiter heisst es:

"Falls Embassy seit dem 4. Dezember 1995 meinte, daß mit ihr aufgrund der... Ausschreibung ein Vertrag über die Beförderung von Personen in Brüssel geschlossen worden sei oder geschlossen werde, wäre jedes Mißverständnis sehr schnell in der Sitzung vom 13. Dezember 1995 ausgeräumt worden... Nach dem mir übermittelten Protokoll dieser Sitzung wurden Herr Hautot und Herr Heuzer, die Vertreter von Embassy, "darüber informiert, daß sich der Vergabebeirat zustimmend zu dem Vorschlag des Anweisungsbefugten geäussert habe, ihnen den Auftrag zu erteilen, daß diese Stellungnahme aber nur konsultative Bedeutung gehabt habe und sich die Behörden die endgültige Entscheidung vorbehielten"".

23 Herr Feidt stellte fest, daß das Parlament keinen Grund sehe, der es rechtfertigen würde, die Embassy mit Schreiben vom 19. Juni 1996 mitgeteilte Entscheidung über die erneute Einleitung des Ausschreibungsverfahrens zurückzunehmen oder aufzuheben. Der Grund, aus dem die erneute Einleitung des Ausschreibungsverfahrens gerechtfertigt sei, sei nicht unvereinbar mit der Tatsache, daß Herr Hautot es für nötig gehalten habe, in seinem Schreiben vom 16. Februar 1996 an Herrn Ribeiro die umfassende Berufsausbildung und -erfahrung der Fahrer von Embassy näher zu erläutern.

Verfahren und Anträge der Parteien

24 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 10. Dezember 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

25 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung sind die Parteien aufgefordert worden, Fragen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen.

26 Mit Beschluß vom 5. Juni 1998 hat das Gericht gemäß Artikel 65 Buchstabe c seiner Verfahrensordnung angeordnet, Herrn Candidi und Frau Lahousse, Beamte des Parlaments, sowie Herrn Hautot und Herrn Heuzer, Vertreter der Klägerin, als Zeugen zu vernehmen. Dem Beschluß zufolge sollten die Zeugen zum Gegenstand der Sitzung vom 13. Dezember 1995 in Straßburg vernommen werden. Herr Candidi und Herr Hautot sollten zu Gegenstand und Inhalt ihres Telephongesprächs vom 4. Dezember 1995 vernommen werden. Schließlich sollten Herr Candidi und Frau Lahousse zu ihrer Reaktion auf das Schreiben der Klägerin vom 12. Dezember 1995, in dem von der Vornahme bestimmter Investitionen die Rede ist, vernommen werden.

27 Die Parteien und die Zeugen sind in der öffentlichen Sitzung vom 2. Juli 1998 angehört worden.

28 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären und daher das Parlament zu verurteilen, an die Klägerin vorbehaltlich einer Erhöhung oder Verringerung im Laufe des Verfahrens 21 028 460 BFR als Ersatz des ihr durch das pflichtwidrige Verhalten des Parlaments entstandenen finanziellen, geschäftlichen und immateriellen Schadens zu zahlen;

- dem Parlament die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29 Der Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

30 Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift und ihrer Erwiderung ausgeführt, daß die Klage gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verdingungsunterlagen der streitigen Ausschreibung und Artikel VIII des Rahmenvertrags und somit auf der Grundlage des Artikels 181 EG-Vertrag, hilfsweise auf der Grundlage der Artikel 178 und 215 Absatz 2 EG-Vertrag, erhoben werde und auf Ersatz des Schadens gerichtet sei, der ihr durch das pflichtwidrige Verhalten des Parlaments im Rahmen der streitigen Ausschreibung entstanden sei.

Zur vertraglichen Haftung der Gemeinschaft

Vorbringen der Parteien

31 Die Klägerin macht geltend, daß die Parteien ordnungsgemäß einen Vertrag geschlossen hätten, das Parlament jedoch einseitig von ihm Abstand genommen und eine vertragsgemässe Erfuellung verweigert habe.

32 Erstens sei die Vergabe des streitigen Auftrags durch wirksame, öffentliche und eindeutige Übereinstimmung der Willenserklärungen der Parteien erfolgt. Bei ihrem Telephongespräch vom 4. Dezember 1995 habe Herr Candidi Herrn Hautot darüber informiert, daß man beschlossen habe, den Auftrag an Embassy zu vergeben, und sie deshalb aufgefordert, alles so vorzubereiten, daß sie die betreffenden Leistungen bereits ab Anfang Januar 1996 erbringen könne. Die Klägerin macht geltend, das Parlament habe dadurch, daß es sie offiziell über die Entscheidung des Vergabebeirats informiert habe, seinen Willen geäussert und damit sein Angebot unwiderruflich gemacht. Es habe somit seine Absicht zum Ausdruck gebracht, die Klägerin zu seiner Vertragspartnerin zu machen und dadurch einen vertraglichen Anspruch der Klägerin begründet, der ihm die Möglichkeit nehme, seine Entscheidung rückgängig zu machen.

33 In Wirklichkeit beschließe der Vergabebeirat über die Vergabe eines Auftrags an ein Unternehmen; der Anweisungsbefugte habe lediglich die Aufgabe, das, was tatsächlich bereits der Vergabebeirat beschlossen habe, in eine bestimmte Form zu bringen.

34 Zweitens sei zumindest davon auszugehen, daß dem Anschein nach ein Vertrag bestehe. Alle erforderlichen Elemente für das Zustandekommen eines Vertrages lägen vor. Insoweit verweist die Klägerin auf die Gültigkeit ihres Angebots, die Unterrichtung durch Herrn Candidi und die Forderung des Parlaments, schon im Dezember 1995 mit der Durchführung aller erforderlichen Maßnahmen zu beginnen, damit der Vertrag bereits vom ersten Werktag im Januar 1996 an erfuellt werden könne.

35 Das Parlament ist der Auffassung, daß die Klage wegen vertraglicher Haftung unzulässig sei, da die Parteien keinen Vertrag unterzeichnet hätten. Sowohl die Allgemeinen Bestimmungen als auch die Richtlinie 92/50 sähen für sämtliche Verträge zwischen öffentlichem Auftraggeber und erfolgreichem Bieter die Schriftform vor. Das letzte Dokument des Ausschreibungsverfahrens sei der Entwurf eines Rahmenvertrags, der vom Dienstleistungserbringer und vom Anweisungsbefugten zu unterzeichnen sei. Der Rahmenvertrag sei aber weder von der Klägerin noch vom Anweisungsbefugten jemals unterzeichnet worden.

36 Das Parlament weist im übrigen die Behauptung der Klägerin zurück, daß in Wirklichkeit der Vergabebeirat über die Erteilung eines Auftrags an ein Unternehmen beschließe, und verweist insoweit auf die Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 356, S. 1), aus der klar hervorgehe, daß der Vergabebeirat nur ein beratendes Gremium sei.

37 Die von der Klägerin angeführte Theorie des dem Anschein nach bestehenden Vertrages entspreche keinem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sei, und könne daher im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden.

Würdigung durch das Gericht

38 Nach dem Beschluß 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der später geänderten Fassung und nach Artikel 181 des Vertrages ist das Gericht im ersten Rechtszug zuständig für die Entscheidung von Streitigkeiten vertraglicher Art, in denen es von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Schiedsklausel angerufen wird.

39 Nach Artikel 1 der Richtlinie 92/50, die gemäß der Verordnung (Euratom, EGKS, EG) Nr. 3418/93 der Kommission vom 9. Dezember 1993 mit Durchführungsbestimmungen zu einigen Vorschriften der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 (ABl. L 315, S. 1) anwendbar ist, gelten, soweit der Wert des betreffenden Auftrags den in Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie festgesetzten Schwellenwert übersteigt, als ""öffentliche Dienstleistungsaufträge" die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge".

40 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß der Wert des Auftrags diesen Schwellenwert übersteigt. Ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien würde also den Abschluß eines schriftlichen Vertrages voraussetzen. Insoweit ist auch auf Artikel 3 der Allgemeinen Bestimmungen (hier anwendbar gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verdingungsunterlagen) zu verweisen. Dieser Artikel bestimmt:

"3.1 Der Vertrag wird durch schriftliche Einigung der Vertragspartner geschlossen.

3.2 Der Vertrag kommt zustande, wenn dem Bieter der Zuschlag auf sein Angebot mitgeteilt wird.

Die Mitteilung kann in Form eines Briefes oder eines Auftragsscheins erfolgen.

3.3 Entspricht der Zuschlag nicht in allen Punkten dem Angebot oder wird der Zuschlag verspätet erteilt, so kommt der Vertrag durch eine schriftliche Bestätigung des Bieters zustande.

3.4 Der Auftrag kann auch durch einen von den Vertragsparteien unterzeichneten Vertrag erteilt werden."

41 Der Auftrag konnte demnach endgültig nur durch die Unterzeichnung des Rahmenvertrags durch beide Parteien erteilt werden. Da der Rahmenvertrag aber zu keinem Zeitpunkt unterzeichnet wurde, ist davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall kein wirksamer Vertrag bestand.

42 An diesem Ergebnis kann auch die befürwortende Stellungnahme des Vergabebeirats als Stellungnahme eines beratenden Gremiums nichts ändern, ungeachtet der Bedeutung, die dieser Stellungnahme in der Praxis allgemein im Rahmen von Ausschreibungen zukommt.

43 Auch das Vorbringen der Klägerin, es bestehe "dem Anschein nach" ein Vertrag, ist zurückzuweisen. Ohne daß die Grundlage der Theorie des dem Anschein nach bestehenden Vertrages im Gemeinschaftsrecht und die Voraussetzungen für ihre Anwendung im vorliegenden Fall ermittelt werden müssten, steht eindeutig fest, daß die von der Klägerin vorgebrachten Indizien keine Abweichung vom Erfordernis eines schriftlichen Vertrages ermöglichen. Die Vertreter von Embassy haben zudem bei ihrer Zeugenvernehmung eingeräumt, daß sie sich dessen bewusst gewesen seien, daß eine wirksame Vergabe des Auftrags einen schriftlichen Vertrag voraussetze.

44 Folglich ist die Klage, soweit sie auf der Grundlage von Artikel 181 des Vertrages erhoben worden ist, unzulässig, da die Klägerin nicht das Bestehen eines wirksamen Vertrages nachgewiesen hat.

Zur ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft

45 Die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft aufgrund des Artikels 215 Absatz 2 des Vertrages und der allgemeinen Rechtsgrundsätze, auf die in dieser Bestimmung verwiesen wird, ist an das Zusammentreffen mehrerer Bedingungen geknüpft; sie setzt die Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden voraus.

Zur Rechtswidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens

46 Die Klägerin begründet ihren gemäß den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages gestellten Schadensersatzantrag mit einem Verstoß gegen die Richtlinie 92/50 sowie damit, daß sich das Parlament im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens pflichtwidrig verhalten habe.

Verstoß gegen die Richtlinie 92/50

- Vorbringen der Parteien

47 Die Klägerin macht geltend, daß ihr Angebot formell und materiell völlig ordnungsgemäß gewesen sei, da es in allen Punkten den Kriterien der streitigen Ausschreibung entsprochen habe. Das Parlament habe aber unbestreitbar bereits Anfang Januar 1996 den Auftrag für die Beförderung von Parlamentsabgeordneten durch Fahrzeuge einschließlich Fahrer zunächst durch Verträge mit einer Laufzeit von einem Monat und anschließend durch Folgeverträge an eine andere Gesellschaft vergeben, die ebenfalls Bieterin, und zwar die mit dem zweitniedrigsten Angebot gewesen sei.

48 Es sei davon auszugehen, daß ihr Angebot, das für das wirtschaftlich vorteilhafteste gehalten worden sei, aus unzulässigen Gründen abgelehnt worden sei und einem mit einem anderen Dienstleistungserbringer ausgehandelten Auftrag habe weichen müssen. In diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin auf Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 92/50, der folgendermassen lautet:

"(3) Die Auftraggeber können in folgenden Fällen Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung vergeben:

a) wenn im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine oder keine geeigneten Angebote abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geändert werden. Der Kommission muß ein Bericht vorgelegt werden, wenn sie dies wünscht;

..."

49 Das Parlament macht geltend, es habe die streitige Ausschreibung aufgehoben, da die in der Bekanntmachung genannte Voraussetzung einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung der Leistungserbringer in dem betreffenden Bereich nicht in die Unterlagen der Ausschreibung aufgenommen worden sei. Denn daß diese Anforderung in der Bekanntmachung gestanden habe, ohne in die Ausschreibung aufgenommen zu werden, hätte zu Recht von einem potentiellen Bieter beanstandet werden können, der in der Lage gewesen sei, die schließlich in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen zu erfuellen, der jedoch von einem Angebot abgesehen habe, da er keine fünfjährige Tätigkeit habe nachweisen können. Das hätte dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter widersprochen, der ein wesentlicher Grundsatz bei der Anwendung der Richtlinie 92/50 sei (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache Kommission/Dänemark, C-243/89, Slg. 1993, I-3353, Randnrn. 33 und 39, und vom 25. April 1996 in der Rechtssache C-87/94, Kommission/Belgien, Slg. 1996, I-2043, Randnr. 51).

50 Das Parlament habe zudem jedes Risiko einer Rechtswidrigkeit im Zusammenhang mit den Kontakten vermeiden wollen, die einige seiner Bediensteten mit Bietern vor der Öffnung der Umschläge gehabt hätten, darunter insbesondere die Kontakte zwischen Herrn Candidi und der Klägerin. Entgegen Artikel 100 der genannten Verordnung Nr. 3418/93 vom 9. Dezember 1993 sei nämlich im Anschluß an diese Kontakte kein Vermerk für die Akten erstellt worden.

51 Nach Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 habe der Auftraggeber ausdrücklich die Möglichkeit, auf die Vergabe eines Auftrags, für den eine Bekanntmachung veröffentlicht wurde, zu verzichten oder das Verfahren erneut einzuleiten. Zudem zwinge nach Artikel 4 der Allgemeinen Bestimmungen die Durchführung eines Vergabeverfahrens das Organ nicht zur Vergabe des Auftrags.

52 Der Auftrag sei an die Gesellschaft A vorübergehend gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 92/50 vergeben worden, der eine solche Lösung vorsehe, wenn dringliche, zwingende Gründe vorlägen, die nicht vorhersehbar gewesen seien. Die Notwendigkeit, im vorliegenden Fall die Kontinuität der Leistungen zu gewährleisten, stelle eine angemessene Rechtfertigung dar.

53 Das Parlament schließt aus dem Vorstehenden, daß seine Entscheidungen, die streitige Ausschreibung aufzuheben und den Auftrag vorübergehend an die Gesellschaft A zu vergeben, in jeder Hinsicht rechtmässig gewesen seien und daß ihr Erlaß daher keine die Haftung der Gemeinschaft auslösende Pflichtverletzung sei.

- Würdigung durch das Gericht

54 Vorab ist zu bemerken, daß der öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet ist, ein Verfahren zur Auftragsvergabe abzuschließen. Nach Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 ist der Auftraggeber, wenn das Verfahren aufgehoben wird, lediglich gehalten, den Bewerbern oder Bietern, die dies schriftlich beantragen, die Gründe mitzuteilen, aus denen beschlossen wurde, auf die Vergabe eines Auftrags zu verzichten, bezueglich dessen eine Bekanntmachung veröffentlicht wurde, oder das Verfahren erneut einzuleiten.

55 Im übrigen sieht Artikel 4 der Allgemeinen Bestimmungen vor, daß die Durchführung eines Vergabeverfahrens das Organ nicht zur Vergabe des Auftrags verpflichtet und daß das Organ gegenüber nichtberücksichtigten Bietern zu keinerlei Entschädigung verpflichtet ist.

56 Ausserdem ist daran zu erinnern, daß das Parlament bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt und daß sich die Kontrolle des Gerichts auf die Prüfung der Frage beschränken muß, ob kein schwerer und offenkundiger Fehler vorliegt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. November 1978 in der Rechtssache 56/77, Agence européenne d'intérims/Kommission, Slg. 1978, 2215, Randnr. 20, und Urteil des Gerichts vom 8. Mai 1996 in der Rechtssache T-19/95, Adia intérim/Kommission, Slg. 1996, II-321, Randnr. 49).

57 Im vorliegenden Fall wurde das beanstandete Vergabeverfahren nicht abgeschlossen. Das Parlament teilte daher der Klägerin auf deren schriftlichen Antrag vom 28. Mai 1996 hin mit Schreiben vom 19. Juni 1996 die Gründe mit, aus denen die Aufhebung der streitigen Ausschreibung und die erneute Einleitung des Verfahrens gerechtfertigt seien (siehe oben, Randnr. 19).

58 Als Antwort auf die Behauptungen der Klägerin führte anschließend Herr Feidt in seinem Schreiben vom 14. Oktober 1996 aus (siehe oben, Randnrn. 21 bis 23), daß das Parlament "keinen Grund [sah], aus dem es seine Embassy mit Schreiben vom 19. Juni 1996 mitgeteilte Entscheidung über die erneute Einleitung des Ausschreibungsverfahrens zurücknehmen oder aufheben müsste. Die in dieser Entscheidung enthaltene Begründung ist nicht unvereinbar mit der Tatsache, daß der offenbar besorgte Herr Hautot es für nötig gehalten hat, Herrn Ribeiro, einem Mitglied des Kollegiums der Quästoren des Europäischen Parlaments, in seinem Schreiben vom 16. Februar 1996 die umfassende Berufsausbildung und -erfahrung der Fahrer von Embassy näher zu erläutern: Herr Hautot hat in seinem Schreiben darauf hingewiesen, daß Herr Ribeiro Bedenken hinsichtlich der Befähigung der von Embassy eingestellten Fahrer haben könne..."

59 Somit hat das Parlament unabhängig von der rechtlichen Bedeutung der verschiedenen Erklärungen, die es bezueglich der Gefahr einer Ungleichbehandlung der Bieter abgegeben hat, eindeutig das in den anwendbaren Rechtsvorschriften vorgesehene Verfahren befolgt, als es die streitige Ausschreibung aufhob.

60 Die Klägerin hat zudem keine Gesichtspunkte vorgetragen, anhand deren sich feststellen ließe, daß das Parlament mit seiner Annahme, keines der erhaltenen Angebote sei gänzlich zufriedenstellend, einen schweren und offenkundigen Fehler begangen hätte. Soweit nämlich die Zweifel an der Kompetenz der von Embassy eingestellten Fahrer ein maßgeblicher Grund für die Entscheidung des Parlaments waren, ihr Angebot nicht zu berücksichtigen, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß das Parlament sich nicht innerhalb der Grenzen bewegt hat, die angesichts des ihm insoweit zustehenden weiten Ermessens vertretbar sind.

61 Da die Aufhebung der streitigen Ausschreibung nicht rechtswidrig ist, kann sie folglich nicht die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft auslösen.

62 Zurückzuweisen ist auch das Argument der Klägerin, das Parlament habe den Auftrag in rechtswidriger Weise vorläufig an die Gesellschaft A vergeben. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin nämlich im wesentlichen Ersatz des Schadens, der ihr durch das angeblich pflichtwidrige Verhalten des Parlaments im Rahmen der streitigen Ausschreibung entstanden ist. Die vorläufige Vergabe des streitigen Auftrags an die Gesellschaft A erfolgte aber am Ende eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung, das sich von dem im vorliegenden Fall streitigen offenen Verfahren unterscheidet. Folglich kann, selbst wenn der Klägerin der Nachweis der Rechtswidrigkeit des vom Parlament als Ausgleich für die Aussetzung der streitigen Ausschreibung durchgeführten Verhandlungsverfahrens gelänge, diese Rechtswidrigkeit nicht den Schaden verursacht haben, den die Klägerin angeblich im Rahmen der streitigen Ausschreibung erlitten hat.

63 Demnach kann die Haftung der Gemeinschaft nicht durch einen Verstoß des Parlaments gegen die Richtlinie 92/50 ausgelöst worden sein.

Zum rechtswidrigen Verhalten des Parlaments während des Ausschreibungsverfahrens

- Vorbringen der Parteien

64 Die Klägerin macht geltend, das Verhalten des Parlaments während des Verfahrens sei pflichtwidrig gewesen und löse daher die Haftung der Gemeinschaft aus, da sie aufgrund dieses Verhaltens berechtigter- und vernünftigerweise geglaubt habe, daß der Abschluß des Vertrages über die Erbringung von Dienstleistungen unmittelbar bevorstehe. Das Parlament habe sie am 4. Dezember 1995 aufgefordert, eine beträchtliche Zahl von Investitionen zu tätigen, damit schon Anfang Januar 1996 mit der Durchführung des Vertrages begonnen werden könne. In Wirklichkeit beschließe der Vergabebeirat über die Vergabe eines Auftrags an ein Unternehmen, so daß die Unterrichtung der Klägerin von der befürwortenden Stellungnahme des Vergabebeirats faktisch eine Entscheidung darstelle.

65 Zudem habe das Parlament insbesondere während des Besuches der Vertreter der Klägerin in Straßburg am 13. Dezember 1995 bestätigt, daß die Unterzeichnung des Vertrages unmittelbar bevorstehe, und niemand habe je bestritten, daß beschlossen worden sei, ihr den Auftrag zu erteilen. Während der siebeneinhalb Monate nach dem 4. Dezember 1995 habe niemand im Parlament je bestritten, daß der Auftrag der Klägerin erteilt worden sei; sie sei vom Vergabebeirat sogar als "Gewinnerin" bezeichnet worden.

66 Das Parlament habe sich daher pflichtwidrig verhalten, als es von ihr unter dringlichen Umständen eine im Hinblick auf Zeit, Energie und Mittel (vor allem finanzieller Art) besonders aufwendige Vorbereitung eines Vertrages verlangt habe, dessen Abschluß es schließlich abgelehnt habe und dessen Bestehen es verneine. Dieses Verhalten des Parlaments stelle einen Verstoß gegen eine allgemeine Verhaltensregel dar, der eine quasideliktische Pflichtverletzung begründe. Jedenfalls hätte das Parlament sie direkt darüber unterrichten müssen, daß der Vertrag nicht Anfang Januar 1996 durchgeführt werde, um es ihr zu ermöglichen, das in die Wege geleitete Verfahren sofort zu stoppen und das Ausmaß der Schäden, die sie erlitten habe, soweit wie möglich zu beschränken.

67 Schließlich habe das Parlament in Wirklichkeit das Ziel verfolgt, eine andere Gesellschaft zu begünstigen, und zwar die Bieterin mit dem zweitniedrigsten Angebot, die im Laufe des Jahres 1996 vorübergehend die betreffenden Dienstleistungen erbracht habe. Das Parlament habe somit im allgemeineren Rahmen eines Verfahrensmißbrauchs zur Begünstigung eines Dritten die ihm übertragenen Befugnisse überschritten. Diese Rechtswidrigkeit stelle eine Pflichtverletzung dar.

68 Das Parlament macht geltend, daß ihm keine die Haftung der Gemeinschaft auslösende Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne. Erstens gehe aus den Prozessakten hervor, daß die einzige Mitteilung des Parlaments, die eventuell eine pflichtwidrige Handlung hätte darstellen können, das Telephongespräch gewesen sei, das Herr Candidi mit Herrn Hautot am 4. Dezember 1995 nach der Sitzung des Vergabebeirats vom gleichen Tag geführt habe. Herr Candidi habe aber in diesem Gespräch lediglich bestätigt, daß sich der Vergabebeirat in einer Stellungnahme zustimmend zu dem Vorschlag geäussert habe, den Auftrag an die Klägerin zu vergeben. Er habe der Klägerin zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, daß eine Entscheidung zu ihren Gunsten getroffen sei.

69 Wenn die Klägerin es unter diesem Umständen für richtig gehalten habe, Ausgaben und nicht wieder rückgängig zu machende Investitionen zu tätigen, habe sie mit einer mangelhaften Umsicht gehandelt, die man bei einem mit normaler Besonnenheit ausgestatteten Wirtschaftsteilnehmer nicht erwarten könne. Das gelte um so mehr, als Artikel 12 Absatz 2 der Richtlinie 92/50 den Fall der Aufhebung einer Ausschreibung vorsehe und Artikel 4 der Allgemeinen Bestimmungen nicht nur die Möglichkeit einer solchen Aufhebung, sondern für diesen Fall auch den Ausschluß jeder Entschädigung der Bieter vorsehe. Dem Telephongespräch vom 4. Dezember 1995 sei im übrigen keine schriftliche Bestätigung durch das Parlament gefolgt.

70 Selbst wenn Herr Candidi fahrlässig gehandelt und falsche Vorstellungen bei der Klägerin geweckt haben sollte, sei jedes Mißverständnis während des Besuches der Vertreter von Embassy am 13. Dezember 1995 in Straßburg ausgeräumt worden, als sie darüber unterrichtet worden seien, daß die Stellungnahme des Vergabebeirats nur konsultative Bedeutung habe und die Behörden sich die endgültige Entscheidung vorbehielten.

71 Weder im Telephongespräch vom 4. Dezember 1995 noch im Besuch vom 13. Dezember 1995 könne eine dem Parlament zuzurechnende Pflichtverletzung erblickt werden, die einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz begründen würde. Das folge aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 28. Mai 1970 in den Rechtssachen 19/69, 20/69, 25/69 und 30/69, Richez-Parise u. a./Kommission, Slg. 1970, 325, Randnrn. 36 bis 41, und vom 11. Juli 1980 in der Rechtssache 137/79, Kohll/Kommission, Slg. 1980, 2601, Randnrn. 12 bis 15, sowie Urteil des Gerichts vom 20. Juni 1990 in der Rechtssache T-133/89, Burban/Parlament, Slg. 1990, II-245, Randnr. 36, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-255/90 P, Burban/Parlament, Slg. 1992, I-2253, Randnrn. 10 bis 12).

72 Ausserdem habe die Klägerin wissen müssen, daß sowohl nach der Richtlinie 92/50 als auch nach den Allgemeinen Bestimmungen, die beide auf den betreffenden Auftrag anwendbar gewesen seien, jeder Auftrag schriftlich zu vergeben sei. Folglich habe die Klägerin, als sie den Erklärungen von Herrn Candidi entnommen habe, daß der Auftrag bereits vergeben worden sei oder daß die Vergabe unmittelbar bevorstehe oder daß das Parlament eine Entscheidung gleich welcher Art getroffen habe, die die Vornahme der für die Durchführung des Auftrags notwendigen Ausgaben rechtfertigen könne, selbst unter Ausschluß jeder Pflichtverletzung des Parlaments fahrlässig gehandelt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 5. März 1991 in der Rechtssache C-330/88, Grifoni/EAG, Slg. 1991, I-1045, und Urteil vom 20. Juni 1990 in der Rechtssache Burban/Parlament, Randnr. 36).

- Würdigung durch das Gericht

73 Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, das Parlament habe sie dadurch geschädigt, daß es sie in ihrer Erwartung, sie werde den Auftrag erhalten, bestärkt und sie dazu veranlasst habe, alles vorzubereiten, um bereits Anfang Januar 1996 einsatzbereit zu sein. Daher ist vor allem zu ermitteln, ob das Verhalten des Parlaments während des streitigen Ausschreibungsverfahrens einen Verstoß gegen den Grundsatz des Schutzes des berechtigten Vertrauens darstellt, der die Haftung der Gemeinschaft auslöst.

74 Nach der Rechtsprechung kann sich auf den Schutz des berechtigten Vertrauens jeder einzelne berufen, der sich in einer Situation befindet, aus der sich ergibt, daß die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat (in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85, Van den Bergh en Jurgens/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44, vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnr. 26, sowie des Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 51, vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 148, und vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T-336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-1343, Randnr. 31).

75 Insoweit ist von Bedeutung, ob sich ein umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer vor den Risiken, die die Klägerin im vorliegenden Fall eingegangen ist, hätte schützen können. Allgemein müssen die Wirtschaftsteilnehmer die unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles mit ihren Tätigkeiten verbundenen Risiken tragen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 25. Mai 1978 in den Rechtssachen 83/76, 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL/Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 7, und Urteil des Gerichtshofes vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 267/82, Développement SA und Clemessy/Kommission, Slg. 1986, 1907, Randnr. 33). Im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens umfassen diese wirtschaftlichen Risiken insbesondere die mit der Vorbereitung des Angebots verbundenen Kosten. Derartige Ausgaben hat also das Unternehmen, das sich für eine Beteiligung an dem Verfahren entschieden hat, zu tragen, da die Möglichkeit, an einer Ausschreibung teilzunehmen, nicht die Gewißheit umfasst, den Zuschlag zu erhalten (siehe oben, Randnrn. 54 und 55, sowie Schlussanträge des Generalanwalts Mancini zum Urteil Développement SA und Clemessy/Kommission, a. a. O., 1908, 1912).

76 Wird dagegen vor der Vergabe des betreffenden Auftrags an den Zuschlagsempfänger ein Bieter durch das ausschreibende Organ veranlasst, im voraus nicht wieder rückgängig zu machende Investitionen zu tätigen und damit die mit der betreffenden Tätigkeit - der Einreichung eines Angebots - verbundenen Risiken zu überschreiten, so kann dadurch die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft ausgelöst werden (in diesem Sinne Urteil Sofrimport/Kommission, a. a. O., Randnrn. 28 und 29).

77 Im vorliegenden Fall steht fest, daß das Parlament, vertreten durch Herrn Candidi, die Initiative ergriffen hat, am 4. Dezember 1995 die Klägerin anzurufen, um ihr mitzuteilen, daß sich der Vergabebeirat am gleichen Tag zustimmend zu dem Vorschlag des Anweisungsbefugten, ihr den Auftrag zu erteilen, geäussert habe. Aus der Zeugenaussage von Herrn Candidi geht hervor, daß diese Initiative nicht dem normalen Verfahren entsprach, das demgegenüber die Fertigstellung des Vertrages durch das Parlament vor der Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen, das den Zuschlag erhält, vorsieht. Im vorliegenden Fall musste die neue Gesellschaft aber bereits Anfang Januar 1996 in der Lage sein, ihre Leistungen zu erbringen, so daß dringend die notwendigen Vorkehrungen zu treffen waren, um eine Unterbrechung der Leistungen zu verhindern. Herr Candidi hat im übrigen bestätigt, daß er zu dem Zeitpunkt, als er Kontakt mit der Klägerin aufgenommen habe, keinen Anlaß zu der Vermutung gehabt habe, daß eine endgültige Entscheidung zuungunsten der Klägerin getroffen werden würde.

78 Diese Sachverhaltsdarstellung deckt sich übrigens mit der Zeugenaussage von Frau Lahousse. Diese hat nämlich bestätigt, daß das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten habe, bereits Anfang Januar 1996 einsatzbereit habe sein müssen. Folglich musste sich die Klägerin als Zuschlagsempfängerin vorbereiten, um ab 1. Januar 1996 den Auftrag durchführen zu können. Das Präsidium hatte jedoch laut Frau Lahousse in einer Sitzung vom 11. Dezember 1995 die Frage der Integrität der Geschäftsführer der Klägerin aufgeworfen, die in der Sitzung vom 13. Dezember 1995 erörtert wurde. Anschließend starteten zahlreiche Fahrer eine breit angelegte Informationskampagne hinsichtlich der Fähigkeit der Klägerin, den betreffenden Auftrag durchzuführen. Das führte dazu, daß das Verfahren von Dezember 1995 bis Mai 1996 ausgesetzt wurde. Die Verwaltung erhielt daher erst im Mai 1996 genaue Anweisungen der leitenden Stellen, wie über die streitige Ausschreibung zu entscheiden sei.

79 Anfang Dezember 1995 gingen also sowohl das Parlament als auch die Klägerin davon aus, daß diese ab 1. Januar 1996 an den Auftrag durchführen werde. Folglich ist die Klägerin zwar nicht ausdrücklich aufgefordert worden, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um über eine Infrastruktur zu verfügen, die es ihr ermöglichen würde, ab 1. Januar 1996 die verlangten Dienstleistungen zu erbringen; sie habe aber, als sie diese Investitionen tätigte, vernünftig und realistisch gehandelt, um die Forderungen des Parlaments zu erfuellen. Zweifellos musste die Klägerin nämlich, um ab 1. Januar 1996 die betreffenden Dienstleistungen erbringen zu können, die für die Durchführung des Vertrages notwendigen Maßnahmen sofort nach ihrer Unterrichtung durch Herrn Candidi am 4. Dezember 1995 treffen. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die Beamten des Parlaments nicht auf das Schreiben der Klägerin vom 12. Dezember 1995 reagierten. In diesem Schreiben ist insbesondere die Rede davon, daß aufgrund der Notlage, in der sich das Parlaments befand, bestimmte Investitionen getätigt worden seien (siehe oben, Randnr. 7).

80 Unter diesen Umständen kann sich das Parlament nicht auf die Rechtsprechung berufen, wonach eine unrichtige Auslegung einer Vorschrift für sich allein noch keinen Amtsfehler begründet (vgl. Urteile Richez-Parise u. a./Kommission sowie Kohll/Kommission und Urteil vom 20. Juni 1990 in der Rechtssache Burban/Parlament, a. a. O.). Diese Rechtsprechung, die Klagen von Beamten betrifft, die unzutreffende Informationen über ihre statutarischen Rechte erhalten hatten, lässt sich nicht auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache übertragen. Ein blosser Informationsfehler in bezug auf die Auslegung bestimmter Vorschriften des Statuts ist nämlich nicht mit der Situation vergleichbar, in der das Parlament bei dem als Vertragspartner Vorgesehnen die Überzeugung geweckt hat, er werde einen Auftrag erhalten, und ihn darüber hinaus veranlasst hat, nicht wieder rückgängig zu machende Investitionen zu tätigen.

81 Das Parlament kann auch nicht behaupten, daß sich die Klägerin als Bieterin im Ausschreibungsverfahren unter allen Umständen hätte bereit halten und daher über die für die Durchführung des Vertrages erforderliche Infrastruktur hätte verfügen müssen. Insoweit ist das Vorbringen der Vertreter der Klägerin während der Zeugenvernehmung zu berücksichtigen, wonach der betreffende Auftrag, der ungefähr vierzig Fahrzeuge mit Fahrern umfasste, sehr wichtig und von grosser Bedeutung für die Geschäfte der Klägerin war. Dem Parlament hätte klar sein müssen, daß sich die Klägerin als neue Erbringerin der verlangten Dienstleistungen nicht ohne erhebliche Investitionen bereit halten konnte.

82 Im übrigen wurde die Überzeugung der Klägerin, daß sie den Auftrag erhalten werde, entgegen dem Vorbringen des Parlaments nicht beim Besuch ihrer Vertreter in Straßburg am 13. Dezember 1995 zerstört. Denn bei dieser Unterredung konzentrierte sich die Diskussion auf den Wahrheitsgehalt bestimmter Gerüchte und Presseartikel über die Redlichkeit der Geschäftsführer der Klägerin und nicht auf die Frage, ob diese den betreffenden Auftrag erhalten werde. Die Frage der Redlichkeit wurde aber offenbar noch am Tag der Unterredung geklärt. Aus der Zeugenaussage von Herrn Heuzer, eines Vertreters der Klägerin, geht hervor, daß Herr Candidi Herrn Hautot und ihn selbst bei ihrer Rückkehr aus Straßburg telephonisch davon unterrichtete, daß die Frage der Redlichkeit geklärt sei. Diese vom Parlament nicht bestrittene Information wird übrigens durch einen internen Vermerk von Herrn Feidt vom gleichen Tag (siehe oben, Randnr. 9) bestätigt, in dem es heisst, daß die Behauptungen über die Redlichkeit der Geschäftsführer der Klägerin jeder Grundlage entbehrten, und in dem um schnellstmögliche Zustimmung des Generalsekretärs zur Unterzeichnung des Vertrages mit der Klägerin gebeten wird.

83 Ausweislich der Akten hat das Parlament also erst einige Tage nach dem Treffen vom 13. Dezember 1995 beschlossen, den Auftrag nicht zum 1. Januar 1996 an die Klägerin zu vergeben, sondern ihn vorläufig der Gesellschaft A zu erteilen, die Partei des vorherigen Vertrages war.

84 Am 19. Dezember 1995 schlug nämlich Herr Feidt dem Vergabebeirat vor, den Vertrag mit der Gesellschaft A um einen Monat zu verlängern. Aus dem Protokoll der Sitzung des Vergabebeirats (siehe oben, Randnr. 10) geht hervor, daß die internen Entscheidungen des Parlaments, die die Unterzeichnung des Vertrages mit der Klägerin ermöglichten, nicht vor Ablauf des Jahres 1995 getroffen werden konnten, und daß mit der Gesellschaft A ein Vertrag vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 1996 geschlossen werden würde (was am 5. Januar 1996 geschah). Bei dieser Gelegenheit forderte der Vergabebeirat den Anweisungsbefugten im übrigen auf, alle Vorkehrungen zu treffen, damit die Klägerin den Vertrag so bald wie möglich unterzeichnen konnte.

85 In diesem Zusammenhang hat Herr Hautot, ohne daß ihm das Parlament insoweit widersprochen hätte, ausgesagt, daß niemand innerhalb des Parlaments Kontakt zu ihm aufgenommen habe, um ihn von der vorläufigen Vergabe des Auftrags an eine andere Gesellschaft für die Zeit vom 1. bis zum 31. Januar 1996 zu unterrichten. Es erwies sich also, daß Herr Hautot aufgrund seines eigenen Vorgehens kurz vor Weihnachten entdeckte, daß das Parlament den Auftrag vorläufig an die Gesellschaft A vergeben hatte. Insoweit ist festzustellen, daß der Auftraggeber in allen Abschnitten eines Ausschreibungsverfahrens sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter als auch den der Transparenz wahren muß (vgl. Urteil Kommission/Belgien, a. a. O., Randnr. 54). So muß eine eng in ein Vergabeverfahren verwickelte und sogar als Zuschlagsempfängerin angesehene Gesellschaft unverzueglich genaue Informationen über den gesamten Verfahrensablauf erhalten. Das Parlament hätte daher die Klägerin vor Weihnachten 1995 genau über die Gründe unterrichten müssen, aus denen sie nicht, wie zuvor beabsichtigt war, zum 1. Januar 1996 den Auftrag erhielt.

86 Demnach hat das Parlament bei der Klägerin dadurch ein berechtigtes Vertrauen geweckt, daß es sie veranlasst hat, ein Risiko einzugehen, das über das von Bietern in einem Vergabeverfahren üblicherweise eingegangene Risiko hinausging, und die Klägerin nicht von einer wichtigen Änderung des Ablaufs des Vergabeverfahrens unterrichtet hat.

87 In diesem Zusammenhang braucht nicht geprüft zu werden, ob das Handeln der Beamten des Parlaments entschuldigt werden kann. Als Auftraggeber in einem Auftragsvergabeverfahren hat das Parlament gegenüber den Bietern ein kohärentes und konstantes Verhalten an den Tag zu legen. Die Interventionen verschiedener Verwaltungs- und politischer Organe innerhalb des Parlaments können es daher nicht rechtfertigen, daß das Parlament seine Verpflichtungen gegenüber der Klägerin nicht beachtet hat.

88 Folglich hat das Parlament eine Pflichtverletzung begangen, die die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft auslöst.

Zum Schaden und zum Kausalzusammenhang

Vorbringen der Parteien

89 Die Klägerin meint, folgende Schäden erlitten zu haben:

a) Kosten und Ausgaben, die sie aufgrund ihrer Überzeugung, den Auftrag zu erhalten, getätigt habe und die sich nach den mit der Erwiderung eingereichten Rechnungen folgendermassen zusammensetzen:

- Kosten des aktiven Fuhrparks, der vom 1. Januar 1996 bis zum 31. März 1996 für das Parlament bereitgehalten wurde, und Versicherungen, insgesamt 36 Fahrzeuge: 3 272 545 BFR (inkl. Mehrwertsteuer);

- Parkkosten für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 31. März 1996 für 36 Fahrzeuge: 635 105 BFR (inkl. Mehrwertsteuer);

- Kosten der Auflösung des Fuhrparkvertrags für 25 Fahrzeuge: 1 146 980 BFR (inkl. Mehrwertsteuer);

- Telephonkosten (GSM): 424 480 BFR;

b) Organisationskosten für den Vertrag, Berater und sonstiges: 886 600 BFR, verteilt auf folgende Posten:

- Vorbereitung des Vertrages, Praktikabilitätsstudie und bezifferte Analysen: 131 325 BFR;

- Mitwirkung und Vorbereitung der Daten, Angebot und Organisationsberatung: 181 500 BFR (inkl. Mehrwertsteuer);

- Vorbereitung, Verhandlung über Fuhrpark, Telephon- und Parkvertrag: 124 963 BFR;

- Reise- und Repräsentationskosten (pauschaliert): 100 000 BFR;

- Sekretariatskosten (pauschaliert): 52 000 BFR;

- Fax-, Telephon-, Verwaltungs-, Kopier- und Druckkosten (pauschaliert): 100 000 BFR;

- Kosten für Einstellungen, ärztliche Untersuchungen, Schulung (Aufsetzen von Verträgen, Miete eines Versammlungsraums) und Betreuung der Fahrer: 200 000 BFR;

- Honorare von Herrn Hautot, der ausschließlich mit dem Angebot und anschließend - von Oktober 1995 bis zum 30. Juni 1996 - mit der Ausarbeitung des Vertrages beschäftigt war: 540 000 BFR;

c) voraussichtlich entgangener Gewinn für fünf Jahre aufgrund eines Dreijahresvertrags, der zweimal um zwölf Monate verlängert werden konnte: 10 000 000 BFR.

90 Die Klägerin macht zudem geltend, daß ihr durch das pflichtwidrige Verhalten des Parlaments ein immaterieller Schaden entstanden sei. Da sie sicher gewesen sei, daß der Auftrag an sie vergeben würde, sei sie nicht nur gegenüber ihren Aktionären, sondern auch gegenüber Dritten im Hinblick auf Expansion und geschäftlichen Erfolg Verpflichtungen eingegangen. Die besonders zweifelhaften Umstände, unter denen es dazu gekommen sei, daß der Auftrag nicht vergeben werde (Gerüchte über ihre Zahlungsunfähigkeit, ihre Kreditbasis, die Qualität ihrer Leistungen sowie die Zuverlässigkeit ihrer Aktionäre und/oder Verwalter) seien in Belgien, vor allem in den besonders geschlossenen, engen Brüsseler Kreisen, offen verbreitet worden.

91 Vorbehaltlich einer Erhöhung oder Verringerung sei dieser immaterielle Schaden pauschal auf 5 000 000 BFR zu veranschlagen.

92 Im übrigen hätte sie, wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise sicher gewesen wäre, daß sie den Auftrag erhalten werde, niemals die Beträge investiert, die sie für die Aufnahme der Leistungen aufgewendet habe, so daß der in der Rechtsprechung verlangte Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und den geltend gemachten Schäden nachgewiesen sei. Ausserdem hätten die besonders negativen Gerüchte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt über sie kursiert hätten, kein Echo finden und keine Auswirkungen auf ihr Image und ihren geschäftlichen Ruf haben können, wenn der Vertrag letztlich normal ausgeführt und/oder geschlossen worden wäre.

93 Nach Auffassung des Parlaments beschränkt sich die Klägerin darauf, verschiedene Schäden geltend zu machen, ohne den geringsten Beweis dafür zu erbringen, daß sie die behaupteten Schäden tatsächlich erlitten habe. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß die von ihr vorgelegten Rechnungen den im Rahmen ihrer angeblichen Beziehungen getätigten Ausgaben entsprächen.

94 Im übrigen schulde das Parlament der Klägerin keinerlei Ersatz für einen angeblichen immateriellen Schaden. Zum einen habe die Klägerin keinen Beweis dafür erbracht, daß ihr Ruf geschädigt worden sei, und zum anderen verfüge sie über keinen Beweis dafür, daß das Parlament die Verbreitung der Gerüchte, mit denen sie ihren Antrag begründe, ausgelöst oder sich an ihr beteiligt habe.

95 Schließlich fehle jeder Kausalzusammenhang zwischen der angeblichen Pflichtverletzung und den geltend gemachten Schäden, da die Klägerin bereits am 13. Dezember 1995 bei dem Treffen in Straßburg davon unterrichtet worden sei, daß die Stellungnahme des Vergabebeirats nur konsultative Bedeutung habe und das Parlament sich die endgültige Entscheidung über die Auftragsvergabe vorbehalte. Die Ausgaben der Klägerin für die Vorbereitung und Durchführung des Auftrags und der ihr entgangene Gewinn seien jedenfalls nicht erstattungsfähig, da sie nicht nachgewiesen habe, daß ihr der erste Auftrag tatsächlich erteilt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

96 Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Pflichtverletzung des Parlaments die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft auslöst. Dagegen ist keine vertragliche Haftung begründet worden. Die Klägerin kann daher keinen Ersatz für entgangenen Gewinn fordern, da dies darauf hinausliefe, daß einem Vertrag, der zu keinem Zeitpunkt bestanden hat, Wirkung verliehen würde.

97 Sodann geht aus Artikel 4 der Allgemeinen Bestimmungen hervor, daß das den Auftrag vergebende Organ gegenüber nichtberücksichtigten Bietern zu keinerlei Entschädigung verpflichtet ist. Somit können grundsätzlich die Kosten, die einem Bieter für seine Teilnahme an einer Ausschreibung entstehen, keinen ersatzfähigen Schaden darstellen (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache T-13/96, TEAM/Kommission, Slg. 1998, II-4073, Randnr. 71). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine Abweichung von diesem Grundsatz zulassen würden. Die Klägerin kann daher keine Erstattung der Kosten für die Vorbereitung des Angebots verlangen.

98 Es bleibt somit noch der Schaden im Zusammenhang mit den Investitionen zu ermitteln, die die Klägerin aufgrund der am 4. Dezember 1995 erhaltenen Information, daß der Vergabebeirat eine Stellungnahme zu ihren Gunsten abgegeben habe, getätigt hat.

99 Insoweit geht aus den Akten hervor, daß die Klägerin auf diese Information hin sofort die für die Durchführung des Vertrages erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. In einem Schreiben vom 5. Dezember 1995 hat sich Herr Hautot nämlich wie folgt geäussert: "Ich werde mich... um den gesamten Bereich Einstellungen sowie um alle Arbeitstreffen mit dem [Parlament] kümmern... die Beschaffung des nötigen Fuhrparks [ist]... Sache von [Herrn Heuzer] und seiner Assistenten... ich [bitte] alle, die nötigen Anstrengungen zu unternehmen, um bis zum 1. Januar 1996 eine einwandfreie Organisation auf die Beine zu stellen..." Ferner heisst es in einem Schreiben der Budget Rent a Car vom 6. Dezember 1995: "... bestätigen wir auf Ihre ausdrückliche Bitte, daß wir die offizielle Bestellung und im Anschluß daran die Registrierung der für das Jahr 1996 angeforderten Fahrzeuge vornehmen... erinnern wir Sie, um überfluessige Arbeit zu vermeiden, noch daran, daß wir gegenwärtig die Telekommunikationsvorrichtungen (GSM) beschaffen, die für die ordnungsgemässe Durchführung Ihrer Geschäfte erforderlich sind."

100 Ausserdem berichtete die Klägerin in ihrem Schreiben vom 12. Dezember 1995 von den Maßnahmen, die sie getroffen hatte, um der Notlage zu begegnen, in der sich das Parlament nach seiner eigenen Erklärung befand. In diesem Schreiben erwähnte die Klägerin daher die Leasingverträge für Fahrzeuge und die GSM-Abonnementsverträge sowie die Einstellung von Fahrern und die Regelung der medizinisch-sozialen und steuerlichen Lage dieser Fahrer (siehe oben, Randnr. 7).

101 Die vorstehend genannten Investitionen weisen somit einen unmittelbaren Kausalzusammenhang mit dem Telephongespräch vom 4. Dezember 1995 auf.

102 Darüber hinaus hat sich die Klägerin bei der Vornahme dieser Investitionen nicht unbesonnen verhalten. Erstens ist bereits festgestellt worden, daß die Überzeugung der Klägerin, sie werde den Auftrag erhalten, während des Treffens in Straßburg am 13. Dezember 1995 nicht zerstört wurde (siehe oben, Randnr. 82). Zweitens hat das Parlament keine Argumente vorgebracht, die in Zweifel ziehen könnten, daß die von den Vertretern der Klägerin unter Eid vorgetragene Version der Ereignisse, wonach alle im Schreiben vom 12. Dezember 1995 genannten Investitionen im Dezember 1995 getätigt wurden, der Wahrheit entspricht. Drittens geht aus den Zeugenaussagen der Beamten des Parlaments hervor, daß die Klägerin keine Informationen erhalten hat, aus denen hervorgegangen wäre, daß sie den Auftrag letztlich möglicherweise nicht erhalten werde (siehe oben, Randnrn. 82 bis 85).

103 Selbstverständlich hatte die Klägerin, da die Vergabe des Auftrags an sie nicht eindeutig abgelehnt worden war, keinen Anlaß, die bereits geschlossenen Verträge in den ersten Monaten des Jahres 1996 aufzulösen. Insoweit ist an das Protokoll vom 19. Dezember 1995 zu erinnern, in dem sich der Vergabebeirat für einen Vertrag mit der Gesellschaft A vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Januar 1996 ausspricht und gleichzeitig den Anweisungsbefugten auffordert, alle Vorkehrungen zu treffen, damit der Vertrag mit der Klägerin so bald wie möglich unterzeichnet wird. Dies bestätigt, daß das Parlament selbst in diesem Stadium beabsichtigte, den Auftrag an die Klägerin zu vergeben.

104 Als erstattungsfähig können demnach die von der Klägerin geltend gemachten Schäden angesehen werden, die oben in Randnummer 89 Buchstabe a ("Kosten und Ausgaben, die sie aufgrund ihrer Überzeugung, den Auftrag zu erhalten, getätigt habe") und Buchstabe b ("Kosten für Einstellungen, ärztliche Untersuchungen, Schulung... und Betreuung der Fahrer" sowie "Vorbereitung, Verhandlung über Fuhrpark, Telephon- und Parkvertrag") aufgeführt sind.

105 In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen des Parlaments zurückzuweisen, daß die Rechnungen der Klägerinnen nicht belegten, daß die Ausgaben im Rahmen ihrer Beziehungen getätigt worden seien. Die Akten enthalten keine Angaben, anhand deren sich widerlegen ließe, daß diese Rechnungen den Maßnahmen entsprechen, die die Klägerin getroffen hatte, um der Notlage, in der sich das Parlament befand, zu begegnen, und von denen sie bereits in ihrem Schreiben vom 12. Dezember 1995 berichtet hatte.

106 Jedoch ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, daß die Kosten des GSM-Abonnements (424 450 BFR) den Zeitraum vom 19. Januar 1996 bis zum 18. Oktober 1996 erfassen. Daß das Abonnement erst vom 19. Januar 1996 an lief, soll auf einem kostenlosen Werbeabonnement beruhen. Es erscheint angemessen, die erstattungsfähigen Kosten auf den Zeitraum vom 19. Januar 1996 bis zum 31. März 1996 zu beschränken. Da die Klägerin diesen Vertrag Ende März 1996, als sie sich darüber hätte im klaren sein müssen, daß der Auftrag sehr wahrscheinlich nicht an sie vergeben werde, nicht aufgelöst hat, bleiben die weiteren Kosten zu ihren Lasten. Der erstattungsfähige Betrag für die GSM-Abonnements, darunter die hypothetischen Kosten für die Vertragsauflösung, können somit auf 200 000 BFR veranschlagt werden.

107 Da das Parlament die Richtigkeit der von der Klägerin geforderten Beträge nicht bestritten hat, ist ihr Schaden auf der Grundlage der von ihr genannten Zahlen zu berechnen (siehe oben, Randnr. 89). Der Ersatz für den der Klägerin entstandenen Schaden beträgt somit insgesamt 5 579 593 BFR (inkl. Mehrwertsteuer). Da die vom Unternehmen gezahlte Mehrwertsteuer jedoch wiedererlangt werden kann und folglich nicht endgültig zu seinen Lasten geht, kann sie bei der Berechnung der Schäden nicht berücksichtigt werden. Daher sind die geltend gemachten Beträge ohne Mehrwertsteuer zugrunde zu legen, d. h. nach den Rechnungen der Klägerin 1 875 000 BFR + 829 583 BFR für die Miete von Fahrzeugen, 947 917 BFR für die Vertragsauflösung, 524 880 BFR für die Unterstellung der Fahrzeuge und 103 275 BFR für die Vorgänge betreffend Fahrzeuge und Telephonkosten. Dazu kommt der Betrag für die GSM-Abonnements, bereits auf 200 000 BFR veranschlagt, und der Pauschalbetrag für die Einstellung der Fahrer in Höhe von 200 000 BFR. Der materielle Schaden der Klägerin beträgt somit 4 680 655 BFR.

108 Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles ist der Klägerin ferner ihr immaterieller Schaden zu ersetzen. Zwar hat sie weder eine Beeinträchtigung ihres Rufes noch die Verantwortlichkeit des Parlaments für die Entstehung eines solchen Schadens nachgewiesen. Doch geht aus den Akten hervor, daß die Klägerin, obwohl sie bereits im Dezember 1995 Vorbereitungsmaßnahmen getroffen hatte, um der von den Beamten des Parlaments erwähnten Notlage zu begegnen, erst am 19. Juni 1996 erfahren hat, daß der Auftrag nicht an sie vergeben werde (siehe oben, Randnr. 19). Das Parlament hat daher die Klägerin dadurch, daß es ihr keine der - wiederholt verlangten - Informationen über das Ergebnis des Vergabeverfahrens erteilt hat, in eine Lage der Ungewißheit versetzt und sie gezwungen, überfluessige Anstrengungen zu unternehmen, um der genannten Notlage zu begegnen.

109 Es erscheint daher angemessen, den der Klägerin entstandenen materiellen und immateriellen Schaden auf insgesamt 5 000 000 BFR festzusetzen.

Kostenentscheidung:

Kosten

110 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Klägerin beantragt hat, ihm die Kosten aufzuerlegen, hat das Parlament die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Europäische Parlament wird verurteilt, an die Klägerin 5 000 000 BFR zu zahlen.

2. Auf diesen Betrag sind 8 % Zinsen p. a. vom Zeitpunkt der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur tatsächlichen Zahlung zu entrichten.

3. Das Parlament trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin.

Ende der Entscheidung

Zurück