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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.09.2002
Aktenzeichen: T-211/02
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Kommission verfügt bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über einen weiten Spielraum. Die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter muss sich daher auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt.

( vgl. Randnr. 33 )

2. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sich des genauen Inhalts der Angebote und insbesondere ihrer Übereinstimmung mit den Ausschreibungsbedingungen vergewissern kann. Wenn also ein Angebot mehrdeutig ist und es nicht möglich ist, schnell und effizient festzustellen, was es tatsächlich bedeutet, hat der öffentliche Auftraggeber keine andere Wahl, als dieses Angebot abzulehnen.

Wenn die Hinweise für die Bieter jedoch dem Bewertungsausschuss die Befugnis verleihen, eine Klarstellung der eingereichten Angebote zu verlangen, so verlangt der Gemeinschaftsgrundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, wenn es faktisch möglich und erforderlich ist, diese Klarstellung zu erlangen. Auch wenn daher die Bewertungsausschüsse nicht verpflichtet sind, immer dann, wenn ein Angebot mehrdeutig abgefasst ist, eine Klarstellung zu verlangen, haben sie doch die Pflicht, mit einer gewissen Sorgfalt zu handeln, wenn sie den Inhalt der Angebote prüfen; wenn also der Wortlaut eines Angebots und die Umstände des Falles anzeigen, dass die Mehrdeutigkeit sich wahrscheinlich einfach auflösen lässt und leicht beseitigt werden kann, läuft es im Prinzip den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zuwider, wenn sie ein Angebot ablehnen, ohne von ihrer Befugnis, eine Klarstellung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Die Entscheidung, unter solchen Umständen ein Angebot abzulehnen, wird häufig mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler des Organs bei der Ausübung dieser Befugnis behaftet sein.

Es verstieße ferner gegen den Gleichheitsgrundsatz, einem Bewertungsausschuss bei der Frage, ob eine Klarstellung zu einem bestimmten Angebot verlangt werden sollte, ohne Berücksichtigung objektiver Erwägungen und ohne gerichtliche Kontrolle ein ungebundenes Ermessen zuzuerkennen. Im Übrigen hindert der Gleichheitsgrundsatz den Bewertungsausschuss nicht daran, bestimmten Bietern eine Klarstellung zu gestatten, die die Beseitigung von Mehrdeutigkeiten in ihren Angeboten ermöglicht, da die Hinweise für die Bieter ausdrücklich die Möglichkeit einer Klarstellung vorsehen und da der Bewertungsausschuss verpflichtet ist, alle Bieter beim Gebrauch dieser Befugnis gleich zu behandeln.

Überdies dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist; dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen.

( vgl. Randnrn. 34-39 )

3. Nach Artikel 233 EG hat das Organ, dem die für nichtig erklärte Handlung zur Last fällt, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Dabei handelt es sich namentlich um die Beseitigung der Wirkungen der im Nichtigkeitsurteil festgestellten Rechtsverstöße; das betreffende Organ ist daher verpflichtet, den Kläger in angemessener Weise wieder in den früheren Stand zu versetzen. Ein Nichtigkeitsurteil hat jedoch nicht die Nichtigkeit anderer Handlungen zur Folge, die vor dem Gemeinschaftsrichter nicht angefochten worden sind, die aber aus demselben Grund rechtswidrig sein könnten. Das Vorbringen, dass die Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der das Angebot eines Bieters in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge abgelehnt wurde, die Lage der anderen Bieter, deren Angebot ebenfalls abgelehnt wurde, berühren könnte, kann die Abweisung der vom ersten Bieter erhobenen Klage daher nicht rechtfertigen.

( vgl. Randnr. 44 )

4. Eine Nichtigkeitsklage wird ausnahmsweise trotz der Rücknahme der Handlung, deren Nichtigerklärung verfolgt wurde, nicht gegenstandslos, wenn der Kläger gleichwohl ein hinreichendes Interesse an einem Urteil hat, das diese Handlung förmlich für nichtig erklärt.

( vgl. Randnr. 48 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 27. September 2002. - Tideland Signal Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtssache T-211/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-211/02

Tideland Signal Ltd mit Sitz in Redhill (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: C. Thomas und C. Kennedy-Loest, Solicitors,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Forman als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 17. Juni 2002, mit der das Angebot der Klägerin im Ausschreibungsverfahren EuropeAid/112336/C/S/WW - TACIS - (Neuausschreibung) abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter N. J. Forwood und H. Legal,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Am 27. Februar 2002 gab die Kommission eine Ausschreibung für das Projekt TACIS EuropeAid/112336/C/S/WW (Neuausschreibung) Lieferung von Beihilfen für Schifffahrtsausrüstungen für die Häfen von Aktau (Kasachstan), Baku (Aserbaidschan) und Turkmenbashi (Turkmenistan)" bekannt. Dasselbe Projekt war bereits Gegenstand einer Ausschreibung im Jahr 2001 gewesen; das Verfahren, das sich darauf bezog, wurde jedoch aufgehoben. Das Dossier für die neue Ausschreibung gab im Punkt 8 der Hinweise für die Bieter an, dass diese für einen Zeitraum von 90 Tagen von dem Stichtag für die Einreichung der Angebote (d. h. dem 29. April 2002) an ihr Angebot gebunden seien. Dieser Zeitraum endete am 28. Juli 2002.

2 Am 25. April 2002 legte die Klägerin ein Angebot für das Los 1 des Projekts vor. Gemäß den Hinweisen für die Bieter gab das Schreiben der Klägerin vom 25. April 2002 (das zu dem Formular für die Einreichung der Angebote gehörte, in seinem Punkt 3) an, dass dieses Angebot für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Stichtag für die Einreichung der Angebote, d. h. bis zum 28.07.02 gelte". In Punkt 4 des Schreibens, das zum Formular für die Einreichung der Angebote gehörte, hieß es weiter, das vorliegende Angebot gelte für die in [Punkt] 8 der Hinweise für die Bieter vorgesehene Dauer".

3 Am 7. Mai 2002 gab die Kommission als Änderung der Ausschreibung ein Addendum Nr. 1 zum Dossier der Ausschreibung" (im Folgenden: Addendum) bekannt, mit der sie die Beschreibung eines der Lose (Posten 4.2.2 von Los 1) änderte und ihre Entscheidung bekannt gab, eine zusätzliche Frist für die Einreichung der Angebote einzuräumen, so dass die Interessenten, soweit erforderlich, ihre Angebote ändern und neue Angebote bis zum 11. Juni 2002 einreichen könnten. Die innerhalb der ursprünglichen Frist eingegangenen Angebote, darunter das der Klägerin, wurden ungeöffnet an die Bieter zurückgesandt. Die Klägerin macht geltend, da sie den fraglichen Teil von Los 1 nicht habe ändern müssen, habe sie am 10. Juni 2002 dieselben Unterlagen wie für ihr vorausgehendes Angebot eingereicht, die dieselben von dem Formular für die Einreichung der Angebote geforderten Punkte umfassten, insbesondere das Schreiben vom 25. April 2002 mit den in der vorhergehenden Randnummer zitierten Sätzen.

4 Bei seiner Sitzung zur Öffnung der Angebote am 17. Juni 2002 lehnte der Bewertungsausschuss der Kommission das Angebot der Klägerin ab. Nach dem Abschnitt zum Angebot der Klägerin im Bericht über die Öffnung der Angebote war der Ablehnungsgrund:

Bei der Prüfung, ob das Formular für die Einreichung der Angebote, die Erklärungen und die Bietungssicherheit vorschriftsgemäß ausgefuellt/vorgelegt worden sind, stellte der Vorsitzende fest, dass die Gültigkeit des Angebots nicht den erforderlichen 90 Tagen ab dem Datum der Einreichung des Angebots entspricht."

5 Am 28. Juni 2002 erkundigte sich die Klägerin telefonisch nach dem Ausgang des Ausschreibungsverfahrens und sie erfuhr, dass ihr Angebot abgelehnt worden sei. Außerdem sandte die Kommission der Klägerin am selben Tag per Fax eine Kopie des Berichts über die Öffnung der Angebote.

6 Am 1. Juli 2002 nahm die Klägerin per E-mail Kontakt mit der Kommission auf, teilte ihr mit, dass sie beabsichtige, die Ablehnung ihres Angebots anzufechten, und ersuchte sie um Informationen über das entsprechende Verfahren. Die Kommission antwortete, das Angebot der Klägerin sei mit der Begründung abgelehnt worden, dass seine Gültigkeit hinter den Anforderungen der Kommission zurückbleibe, denn:

In Punkt 8.1 der Hinweise für die Bieter heißt es: ,die Bieter sind an ihr Angebot für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Stichtag für die Einreichung der Angebote gebunden. Da der Stichtag für die Einreichung der Angebote auf den 11. Juni 2002 festgesetzt war und Sie in Punkt 5.3 ihres Formulars zur Einreichung der Angebote angegeben haben...: ,dieses Angebot gilt für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem Stichtag für die Einreichung der Angebote, d. h. bis zum 28.07.02, ist der Bewertungsausschuss leider gezwungen, Ihr Angebot abzulehnen."

7 Mit Schreiben vom 5. Juli 2002 beantragte die Klägerin bei der Kommission förmlich, sie wieder in das Ausschreibungsverfahren aufzunehmen und ihr zuzusichern, dass das Ausschreibungsverfahren bis zu einer Regelung ihrer Situation unterbrochen werde.

8 Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 antwortete die Kommission der Klägerin:

Wir danken Ihnen für Ihre Fragen und Bemerkungen zu diesem Bewertungsverfahren und werden sie berücksichtigen. Da die Bewertung noch nicht abgeschlossen ist, sind wir nicht in der Lage, auf Ihre Ausführungen zu antworten, werden uns aber zu gegebener Zeit an Sie wenden."

9 Mit Klageschrift, die am 15. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin das vorliegende Verfahren eingeleitet. Mit zwei am selben Tag eingereichten Schriftsätzen beantragte die Klägerin erstens die sofortige Anordnung einstweiliger Maßnahmen und weiter den Erlass eines Beschlusses darüber sowie zweitens die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens im vorliegenden Fall.

10 Am 16. Juli 2002 hat der Präsident des Gerichts dem Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen stattgegeben. Der Tenor dieses Beschlusses lautet wie folgt:

1. Die Kommission hat

- entweder alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Zuteilung des Auftrags über die Lieferung von Beihilfen für Schifffahrtsausrüstungen für die Häfen von Aktau (Kasachstan), Baku (Aserbaidschan) und Turkmenbashi (Turkmenistan) unter der Referenz EuropeAid/112336/C/S/WW - TACIS - (Neuausschreibung) bis zur Verkündung des Beschlusses, der das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes beendet, auszusetzen;

- oder bis zur Verkündung des Beschlusses, der das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beendet, das von Tideland Signal Ltd im genannten Vergabeverfahren eingereichte Angebot zu bewerten und Tideland Signal Ltd zu ermöglichen, in gleicher Weise und auf gleicher Grundlage wie die anderen Bieter umfassend an diesem Verfahren teilzunehmen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten."

11 Nach Zustellung dieses Beschlusses teilte die Kommission dem Gericht mit, dass ein Schreiben über die Zuteilung hinsichtlich des Loses 1 des Projekts bereits am 9. Juli 2002 an einen anderen Bieter, Pintsch Bamag A+V, gesandt worden sei. Die Kommission informierte dieses Unternehmen dann jedoch darüber, dass die Aussetzung der Zuteilung des Auftrags aufgrund dieses Beschlusses sie daran hindere, weitere Maßnahmen im Hinblick auf die Unterzeichnung des Auftrags zu ergreifen.

12 Nach Anhörung der Kommission hat das Gericht (Erste Kammer) am 1. August 2002 entschieden, dem Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren im vorliegenden Fall nach Artikel 76a seiner Verfahrensordnung stattzugeben.

13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Kommission aufgefordert, einige in ihrer Klagebeantwortung in Bezug genommenen Unterlagen vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung nachgekommen.

14 Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. September 2002 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung fand eine informelle Zusammenkunft statt, bei der die Kommission gebeten wurde, bis zum 19. September 2002 mitzuteilen, ob die Angelegenheit auf der Grundlage der Rücknahme ihrer Entscheidung, das Angebot der Klägerin abzulehnen, geregelt werden könne. Nach Erhalt einer fristgerechten Antwort hat das Gericht am 23. September 2002 um zusätzliche Angaben zum Status dieser Entscheidung ersucht, die am selben Tag beigebracht wurden.

15 Am 24. September 2002 hat das Gericht die beiden Parteien aufgefordert, Ausführungen zur Frage zu machen, ob die Nichtigkeitsklage gegenstandslos geworden sei. In ihren Erklärungen vom selben Tag machte die Kommission geltend, dass die Klage gegenstandslos sei, doch die Klägerin bekräftigte, dass es noch immer erforderlich sei, dass das Gericht in der Sache entscheide, insbesondere um die Frage zu klären, ob die Ablehnung ihres Angebots rechtmäßig gewesen sei, und um ihre vollständige Tilgung aus der Gemeinschaftsrechtsordnung zu gewährleisten.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung der Kommission vom 17. Juni 2002, mit der das Angebot der Tideland Signal Ltd im Ausschreibungsverfahren EuropeAid/112336/C/S/WW - TACIS - (Neuausschreibung) abgelehnt wurde, für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

18 Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend. Mit ihrem ersten Klagegrund macht sie geltend, dass die Entscheidung der Kommission vom 17. Juni 2002, mit der ihr Angebot abgelehnt wurde, rechtswidrig sei, da sie auf die fehlerhafte Feststellung gegründet sei, dass das Angebot nur bis zum 28. Juli 2002 gültig gewesen sei und nicht für einen Zeitraum von 90 Tagen ab dem 11. Juni 2002, wie es Punkt 8.1 der Hinweise für die Bieter fordere. Mit ihrem zweiten Klagegrund macht sie geltend, dass die Entscheidung, mit der ihr Angebot abgelehnt wurde, rechtswidrig sei, da die Kommission Punkt 19.5 der Hinweise für die Bieter sowie die Pflicht, umsichtig zu handeln, und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt habe, indem sie es unterlassen habe, eine Klarstellung zur Geltungsdauer des Angebots zu erfragen.

19 Das Gericht wird zunächst den zweiten Klagegrund prüfen.

Vorbringen der Parteien

20 Die Klägerin ist der Auffassung, selbst wenn ihr Angebot nach Auffassung des Gerichts nicht klar darauf gerichtet gewesen sei, während eines Zeitraums von 90 Tages ab dem neuen Stichtagstermin vom 11. Juni 2002 für die Einreichung der Angebote zu gelten, hätten der Wortlaut der Unterlagen zum Angebot sowie die Umstände des Falles wenigstens dazu führen müssen, dass der Bewertungsausschuss seine Befugnis ausübe, nach Punkt 19.5 der Hinweise für die Bieter eine Klarstellung zu verlangen. Dort heißt es:

Im Interesse der Transparenz und der Gleichbehandlung und ohne Änderungsmöglichkeit ihres Angebots können die Bieter auf einfachen schriftlichen Antrag des Bewertungsausschusses aufgefordert werden, binnen 24 Stunden nähere Angaben zu machen. Eine solche Aufforderung, nähere Angaben zu machen, darf nicht auf die Berichtigung von Formfehlern oder größerer Einschränkungen, die die Durchführung des Vertrages beeinträchtigen oder eine Wettbewerbsverzerrung bewirken, gerichtet sein."

21 Außerdem macht die Klägerin geltend, dass die Kommission bei der Durchführung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ebenso wie in anderen Bereichen, etwa der Prüfung der Anmeldungen von staatlichen Beihilfen, eine Sorgfaltspflicht habe. Der Bewertungsausschuss der Kommission habe die erforderliche Sorgfalt vermissen lassen, als er das Angebot der Klägerin abgelehnt habe, ohne von seiner Befugnis Gebrauch zu machen, eine Klarstellung zur Geltungsdauer des Angebots zu verlangen.

22 Weiter sei es unverhältnismäßig, dass der Bewertungsausschuss das Angebot der Klägerin wegen seiner Auffassung von dessen Geltungsdauer abgelehnt habe, statt seine Befugnis auszuüben, eine Klarstellung zu verlangen. Damit hätte sich vermeiden lassen, dass die Klägerin zu Unrecht vom Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen werde, ohne dass es größere Verzögerungen verursacht hätte.

23 Die Kommission wiederholt zunächst, dass die Bedeutung der Wendung bis zum 28.07.02" völlig klar sei. Zum Vorbringen der Klägerin habe es vielleicht einen gewissen Verdacht" hinsichtlich der Richtigkeit dieses Datums gegeben, hebt die Kommission im Übrigen hervor, dass die Frage offen sei, wann im Einzelfall ein Zweifel entstehe, der die Kommission dazu zu zwingen" könne, ein anderes Datum anzunehmen als das unzweideutig von einem Bieter angegebene.

24 Was die Hinweise für die Bieter betreffe, die Bestandteil der auf alle Bieter anwendbaren Bedingungen seien, treffe die Auslegung von Punkt 19.5 durch die Klägerin nicht zu. Nach dieser Vorschrift könnten die Bieter auf einfachen schriftlichen Antrag des Bewertungsausschusses aufgefordert werden, binnen 24 Stunden eine Klarstellung zu geben. Bei der Umsetzung des Ermessens, über das der Bewertungsausschuss somit verfüge, müsse er zudem das Interesse an der Transparenz" und die Gleichbehandlung" aller Gesellschaften, die Angebote unterbreitet hätten, berücksichtigen. Weiter heiße es ausdrücklich, dass die Bieter zu Klarstellungen aufgefordert werden könnten, sie aber ihr Angebot nicht ändern könnten, und dass eine solche Aufforderung zur Klarstellung nicht auf die Berichtigung von Formfehlern gerichtet sein dürfe.

25 Der Punkt, der nach Auffassung der Klägerin Gegenstand einer Klarstellung hätte sein müssen, gehöre gerade zu denen, die ausdrücklich vom Auftrag des Bewertungsausschusses ausgeschlossen seien. Nach den eigenen Ausführungen der Klägerin enthalte das Angebot nämlich einen Formfehler bei einer der grundlegenden Bedingungen des Angebots, der nicht berichtigt werden könne.

26 Außerdem habe die Kommission nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen, indem sie das Angebot der Klägerin abgelehnt habe, ohne nähere Angaben zu verlangen. In Wirklichkeit sei die Ablehnung des Angebots der Klägerin durch einen Fehler verursacht worden, den die Klägerin selbst zu verantworten habe.

27 Ausschreibungsverfahren, darunter die des TACIS-Programms, seien Gegenstand detaillierter und genauer Bedingungen, die strikt und ständig unter Androhung des Ausschlusses von der Ausschreibung zu beachten seien, wie es auch bei Auswahlverfahren im Hinblick auf die Einstellung von Gemeinschaftsbeamten der Fall sei (Beschluss des Gerichtshofes vom 30. März 2000 in der Rechtssache C-435/98 P, Jouhki/Kommission, Slg. 2000, I-2229, insbesondere Randnr. 35, und Urteil des Gerichts vom 21. Mai 1992 in der Rechtssache T-54/91, Antunes/Parlament, Slg. 1992, II-1739, insbesondere Randnr. 40). Die Wirtschaftsteilnehmer hätten außerdem genaueste Kenntnis von diesen Bedingungen, wenn sie an einer gemeinschaftlichen Ausschreibung teilnähmen. Das von der Klägerin für dasselbe Projekt eingereichte Angebot sei bereits 2001 abgelehnt worden; daher hätte die Klägerin besonders wachsam sein müssen, als sie das aktuelle Angebot eingereicht habe. Insbesondere hätte sich die Klägerin nach dem Erscheinen des Addendums und der Rücksendung ihrer Angebotsunterlagen nicht damit begnügen dürfen, dieselben Unterlagen vorzulegen, ohne wenigstens die Daten zu prüfen, wenn man unterstelle, dass alles sich tatsächlich so abgespielt habe, wie die Klägerin es vortrage.

28 Das fragliche Datum betreffend die Geltungsdauer des Angebots sei von grundlegender Bedeutung nicht nur für den Auftraggeber, sondern für jeden der Bieter. Der Auftraggeber müsse mit Gewissheit wissen, wann jedes der Angebote ablaufe, und sich vergewissern, dass alle Teilnehmer die gleiche Möglichkeit hätten, für denselben Zeitraum alle möglicherweise erheblichen Punkte zu berücksichtigen. Daher müssten die wesentlichen Bedingungen bei Ausschreibungen, wie die Geltungsdauer der Angebote, eindeutig sein und dürften nicht ausgelegt werden.

29 Es wäre insbesondere aus Gründen der Transparenz, der Kohärenz und der Gleichheit nicht hinnehmbar, dass einzelne Bieter mit dem Auftraggeber sprechen könnten, um ihn dazu zu bringen, dass er auf bilateraler Basis ihre individuellen Angebote noch einmal erwäge. Insbesondere stehe es der Kommission als Auftraggeber abgesehen von einigen speziellen Punkten, für die dies ausdrücklich gestattet sei, nicht zu, einen bestimmten Bieter zu kontaktieren, damit dieser sein Angebot in Form bringen könne. Alles andere liefe dem System zuwider, das auf dem elementaren Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter beruhe. (Urteile des Gerichtshofes vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-243/89, Kommission/Dänemark, Slg. 1993, I-3353, Randnr. 37, und vom 25. April 1996 in der Rechtssache C-87/94, Kommission/Belgien, Slg. 1996, I-2043, Randnr. 70; sowie Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-57/01, Makedoniko Metro und Michaniki, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Nr. 66). Überdies stellten solche Kontakte eine erhebliche Arbeitsbelastung für die Kommission dar, da im Jahr 2001 die Direktion A der Generaldirektion Amt für Zusammenarbeit EuropeAid" allein für das TACIS-Programm etwa 240 Aufträge bearbeitet habe.

30 Möglicherweise sei auch das Verhalten der Klägerin, die gleichzeitig den Vorsitzenden und den Sekretär des Bewertungsausschusses kontaktiert habe, im Licht von Punkt 19.6 der Hinweise für die Bieter zu betrachten, wonach jeder Versuch eines Bieters, den Bewertungsausschuss bei der Prüfung, der Klärung, der Bewertung und dem Vergleich der Angebote zu beeinflussen, Informationen über den Fortgang des Verfahrens zu erlangen oder den Auftraggeber in seiner Entscheidung über die Zuteilung des Auftrags zu beeinflussen,... zur unverzüglichen Ablehnung seines Angebots [führt]".

31 Zudem seien im vorliegenden Ausschreibungsverfahren fünf weitere Bieter vom Bewertungsausschuss in der Sitzung zur Öffnung der Angebote wegen verschiedener Fehler ausgeschlossen worden; der Klägerin Recht zu geben, würde zumindest die Lage dieser Bieter in Frage stellen. Ganz allgemein würde der Präzedenzfall, den ein Urteil zugunsten der Klägerin schaffen würde, die Kommission dazu verpflichten, die Befolgung ihrer eigenen Vorschriften immer dann zu rechtfertigen, wenn eine Entscheidung, die sie in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften getroffen habe, von einem oder mehreren ausgeschlossenen Bietern angefochten werde.

32 Schließlich wiederholt die Kommission als Entgegnung auf den Vortrag der Klägerin, dass sie unverhältnismäßig gehandelt habe, dass die angebliche Existenz eines Verdachts" hinsichtlich der Geltung des Angebots in Anbetracht der Eindeutigkeit, mit der der fragliche Stichtag im Angebot erscheine, und des streng zwingenden Charakters der Vorschriften über Ausschreibungsverfahren nicht erheblich sei.

Würdigung durch das Gericht

33 Es ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über einen weiten Spielraum verfügt. Die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter muss sich daher auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (Urteil des Gerichts vom 24. Februar 2000 in der Rechtssache T-145/98, Slg. 2000, II-387, Randnr. 147).

34 Im Übrigen ist es im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich, dass die Kommission sich des genauen Inhalts des Angebots und insbesondere der Übereinstimmung des Angebots mit den Ausschreibungsbedingungen vergewissern kann. Wenn also ein Angebot mehrdeutig ist und die Kommission nicht die Möglichkeit hat, schnell und effizient festzustellen, was es tatsächlich bedeutet, hat sie keine andere Wahl, als dieses Angebot abzulehnen.

35 Punkt 19.5 der im vorliegenden Fall anwendbaren Hinweise für die Bieter hat jedoch dem Bewertungsausschuss der Kommission ausdrücklich die Befugnis verliehen, binnen 24 Stunden eine Klarstellung der eingereichten Angebote zu verlangen, die freilich nicht zur Berichtigung von Formfehlern oder größerer Einschränkungen, die die Durchführung des Vertrages beeinträchtigen oder eine Wettbewerbsverzerrung bewirken, führen darf. Die Befugnis, eine solche Klarstellung zu verlangen, wird als allgemeine Praxis auch durch Punkt 4.3.9.4 der Praktische[n] Anleitung für vertragliche Verfahren für die Außenhilfe der Europäischen Gemeinschaft", das die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, bestätigt. Daher ist die Frage zu beantworten, ob der Bewertungsausschuss rechtmäßig gehandelt hat, als er beschloss, hinsichtlich der Geltungsdauer des Angebots der Klägerin von dieser Befugnis keinen Gebrauch zu machen.

36 Die Kommission bringt vor, dass das Angebot der Klägerin einen Formfehler" enthalten habe, da seine Geltung ausdrücklich und unzweideutig auf den 28. Juli 2002 befristet gewesen sei und dass daher ein Ersuchen um Klarstellung nach Punkt 19.5 der Hinweise für die Bieter weder erforderlich noch erlaubt gewesen sei. Hierzu stellt das Gericht fest, dass der oben in Randnummer 2 zitierte Passus, auf den die Kommission sich stützt, hinsichtlich des Zeitraumes, für den das Angebot gelten sollte, mehrdeutig war. Daraus folgt, dass der fragliche Passus nicht zwangsläufig einen Formfehler darstellt, sondern dass er im Gegenteil eine Mehrdeutigkeit schuf, die - je nachdem, wie diese Mehrdeutigkeit beseitigt worden wäre - das Vorliegen eines Fehlers hätte erweisen können, aber nicht müssen. Hinsichtlich dieser Mehrdeutigkeit hätte der Bewertungsausschuss eine Klarstellung verlangen können. Im vorliegenden Fall hätte folglich nur dann festgestellt werden können, dass das Angebot einen Formfehler enthält, wenn sich nach Klarstellung herausgestellt hätte, dass die Gültigkeit des Angebots auf den 28. Juli 2002 befristet war.

37 Die Kommission bringt weiter vor, dass ihr Bewertungsausschuss gleichwohl nicht verpflichtet gewesen sei, von der Klägerin eine Klarstellung zu verlangen. Jedoch entspricht der in Punkt 19.5 der Hinweise für die Bieter vorgesehenen Befugnis insbesondere nach dem Gemeinschaftsgrundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zwangsläufig der Pflicht, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, wenn es materiell zweifelsfrei möglich und zugleich erforderlich ist, eine Klarstellung des Angebots zu erlangen (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 22. Februar 2000 in der Rechtssache T-22/99, Rose/Kommission, Slg. ÖD 2000, I-A-27 und II-115, Randnr. 56, und vom 8. Mai 2001 in der Rechtssache T-182/99, Caravelis/Parlament, Slg. ÖD 2001, I-A-113 und II-523, Randnrn. 32 bis 34, vgl. auch allgemeiner Urteil des Gerichts vom 9. Juli 1999 in der Rechtssache T-231/97, New Europe Consulting und Brown/Kommission, Slg. 1999, II-2403, Randnr. 42, und Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, verkündet in Nizza am 7. Dezember 2000, ABl. C 364, S. 1). Auch wenn die Bewertungsausschüsse der Kommission nicht verpflichtet sind, immer dann, wenn ein Angebot mehrdeutig abgefasst ist, eine Klarstellung zu verlangen, haben sie doch die Pflicht, mit einer gewissen Sorgfalt zu handeln, wenn sie den Inhalt der Angebote prüfen. Wenn der Wortlaut eines Angebots und die Umstände des Falles, von denen die Kommission Kenntnis hat, anzeigen, dass die Mehrdeutigkeit sich wahrscheinlich einfach auflösen lässt und leicht beseitigt werden kann, läuft es im Prinzip dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zuwider, wenn ein Bewertungsausschuss ein Angebot ablehnt, ohne von seiner Befugnis, eine Klarstellung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Die Entscheidung, unter solchen Umständen ein Angebot abzulehnen, wird häufig mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler des Organs bei der Ausübung dieser Befugnis behaftet sein.

38 Es verstieße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, auf den Punkt 19.5 der Hinweise für die Bieter im vorliegenden Fall Bezug nimmt, einem Bewertungsausschuss bei der Frage, ob eine Klarstellung zu einem bestimmten Angebot verlangt werden sollte, ohne Berücksichtigung objektiver Erwägungen und ohne gerichtliche Kontrolle ein ungebundenes Ermessen zuzuerkennen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 6. Juli 1999 in den Rechtssachen T-112/96 und T-115/96, Séché/Kommission, Slg. ÖD 1999, I-A-115 und II-623, Randnr. 127). Im Übrigen hinderte der Gleichheitsgrundsatz entgegen dem Vorbringen der Kommission den Bewertungsausschuss nicht daran, bestimmten Bietern eine Klarstellung zu gestatten, die die Beseitigung von Mehrdeutigkeiten in ihren Angeboten ermöglicht, da Punkt 19.5 ausdrücklich die Möglichkeit einer Klarstellung vorsah und da der Bewertungsausschuss verpflichtet war, alle Bieter beim Gebrauch dieser Befugnis gleich zu behandeln.

39 Weiter dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist; dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-157/96, National Farmers' Union u. a., Slg. 1998, I-2211, Randnr. 60).

40 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin tatsächlich, wie von ihr angegeben, am 10. Juni 2002 die Originalunterlagen einfach ohne irgendeine Änderung noch einmal vorgelegt, da die Änderung des Postens 4.2.2 des Loses 1, die sich aus dem Addendum ergab, keine Änderung ihres Angebots erforderlich machte.

41 Da im Übrigen das Datum des 28.07.02" dem Zeitraum von 90 Tagen entsprach, für den die Angebote nach der ursprünglichen Ausschreibung vom 27. Februar 2002 gelten mussten, hätte der Bewertungsausschuss erkennen müssen, dass die Klägerin wahrscheinlich nicht die Absicht hatte, ihrem Angebot eine andere als die in Punkt 8.1 der Hinweise für die Bieter geforderte Geltungsdauer zu geben, sondern dass sie es wahrscheinlich aus Unachtsamkeit unterlassen hatte, dieses Datum zu ändern, als sie ihr Angebot auf das Addendum hin vorlegte. Die am 10. Juni 2002 unterbreiteten Angebotsunterlagen der Klägerin gaben nicht nur an zwei anderen Stellen an, dass ihr Angebot für die Dauer von 90 Tagen gelte, nämlich in dem Schreiben vom 25. April 2002 selbst in dem Abschnitt, in dem es dort unmittelbar über der Unterschrift heißt, dass das vorliegende Angebot für die in Punkt 8 der Hinweise für die Bieter vorgesehene Dauer gilt, und in den allgemeinen dem Angebot beigefügten Bedingungen, die angeben: Geltung des Angebots: 90 Tage"; in diesem selben Schreiben hieße es auch, dass die Klägerin ohne Vorbehalt und Einschränkung die Gesamtheit des Inhalts des Dossiers der Ausschreibung für das genannte Verfahren akzeptiere.

42 Damit war der Bewertungsausschuss nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet, die fragliche Mehrdeutigkeit dadurch zu beseitigen, dass er von der Klägerin eine Klarstellung zur Geltungsdauer des Angebots verlangte.

43 Was weiter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, so hatte der Bewertungsausschuss im vorliegenden Fall angesichts des mehrdeutigen Angebots der Klägerin die Wahl zwischen zwei Handlungsmöglichkeiten, die beide die Rechtssicherheit im Sinne von Randnummer 34 sicherstellten: Er konnte das Angebot schlicht ablehnen oder die Klägerin zur Klarstellung auffordern. Da es, wie in Randnummer 41 ausgeführt, wahrscheinlich war, dass das Angebot tatsächlich 90 Tage ab dem 11. Juni 2002, also bis zum 9. September 2002, gelten sollte, wie dies Punkt 8.1 der Hinweise für die Bieter forderte, und da die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Klarstellung binnen 24 Stunden zu liefern, so dass das Ausschreibungsverfahren insgesamt nur ganz geringfügig unterbrochen und verzögert worden wäre, ist festzustellen, dass die Entscheidung des Bewertungsausschusses, das Angebot ohne Aufforderung zur Klarstellung seiner Geltungsdauer abzulehnen, offenkundig unverhältnismäßig und daher mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist.

44 Das Vorbringen der Kommission, dass die Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der das Angebot der Klägerin abgelehnt wurde, die Lage der anderen Bieter, deren Angebot abgelehnt wurde, berühren könnte, kann die Abweisung der vorliegenden Klage nicht rechtfertigen. Nach Artikel 233 EG hat das Organ, dem die für nichtig erklärte Handlung zur Last fällt, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Dabei handelt es sich namentlich um die Beseitigung der Wirkungen der im Nichtigkeitsurteil festgestellten Rechtsverstöße. Das betreffende Organ ist daher verpflichtet, den Kläger in angemessener Weise wieder in den früheren Stand zu versetzen (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnrn. 59 und 60, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 47). Ein Nichtigkeitsurteil hat jedoch nicht die Nichtigkeit anderer Handlungen zur Folge, die vor dem Gemeinschaftsrichter nicht angefochten worden sind, die aber aus demselben Grund rechtswidrig sein könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1999 in der Rechtssache C-310/97 P, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363, Randnr. 54).

45 Das Vorbringen der Kommission, das Verhalten der Klägerin nach der Ablehnung ihres Angebots stelle einen Verstoß gegen Punkt 19.6 der Hinweise für die Bieter dar, ist unerheblich: Unterstellt, es träfe tatsächlich und rechtlich zu, könnte es doch im vorliegenden Fall keine Auswirkung haben, da es die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, deren Nichtigerklärung beantragt wird, nicht betrifft.

46 Nach alledem hat der Bewertungsausschuss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als er von seiner Befugnis, von der Klägerin nach Punkt 19.5. der Hinweise für die Bieter eine Klarstellung zu verlangen, keinen Gebrauch machte.

47 Folglich ist die Entscheidung der Kommission vom 17. Juni 2002, mit der das Angebot der Tideland Signal Ltd für das Los 1 im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens für EuropeAid/112336/C/S/WW - TACIS - (Neuausschreibung) abgelehnt wurde, für nichtig zu erklären, ohne dass es der Prüfung des ersten von der Klägerin vorgebrachten Klagegrundes bedürfte.

48 Schließlich ist festzustellen, dass eine Nichtigkeitsklage ausnahmsweise trotz der Rücknahme der Handlung, deren Nichtigerklärung verfolgt wird, nicht gegenstandslos wird, wenn der Kläger gleichwohl ein hinreichendes Interesse an einem Urteil hat, das diese Handlung förmlich für nichtig erklärt (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in den Rechtssachen 294/86 und 77/87, Technointorg/Kommission und Rat, Slg. 1988, 6077, Randnr. 11). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass sie ein solches Interesse weiterhin habe.

49 Es ist darauf hinzuweisen, dass die informelle Zusammenkunft vom 17. September 2002 nicht zu einer gütlichen Einigung der Parteien führte und dass die tatsächliche Tilgung der Entscheidung, mit der das Angebot der Klägerin abgelehnt wurde, aus der Gemeinschaftsrechtsordnung und die Beendigung ihrer rechtlichen Wirkungen unter Berücksichtigung der Antworten der Kommission vom 19. und 23. September 2002 nicht deutlich werden (Beschluss des Gerichts vom 17. September 1997 in der Rechtssache T-26/97, Antillean Rice Mills/Kommission, Slg. 1997, II-1347, Randnr. 14). Folglich hat die Klägerin weiterhin ein Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung. Unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der vorliegenden Rechtssache und der Anforderungen der Rechtssicherheit ist es daher angebracht, sofort zu entscheiden, um die Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit und den Status der Entscheidung, mit der das Angebot der Klägerin abgelehnt wurde, förmlich und abschließend zu beseitigen.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 17. Juni 2002, mit der das Angebot der Tideland Signal Ltd für die Einheit Nr. 1 im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens EuropeAid/112336/C/S/WW - TACIS - (Neuausschreibung) abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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