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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 12.10.1999
Aktenzeichen: T-216/96
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 355/77, Verordnung (EWG) Nr. 4253/88, Verordnung (EWG) Nr. 4256/88, Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95, Entscheidung C(96) 2760


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 355/77
Verordnung (EWG) Nr. 4253/88
Verordnung (EWG) Nr. 4256/88
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95
Entscheidung C(96) 2760
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Personen, die Zuschüsse des EAGFL beantragen und erhalten, müssen dafür Sorge tragen, daß sie der Kommission zuverlässige Angaben an die Hand geben, die diese nicht irreführen können; andernfalls könnte das Kontroll- und Beweissystem, das zur Nachprüfung der Erfuellung der Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses eingeführt worden ist, nicht ordnungsgemäß funktionieren. Ohne zuverlässige Angaben könnte es nämlich zu einer Zuschußgewährung für Vorhaben kommen, die die Voraussetzungen hierfür nicht erfuellen. Daher ist die Informations- und Loyalitätspflicht, die den Personen obliegt, die Zuschüsse beantragen und erhalten, dem System der Beteiligung durch den EAGFL inhärent und für sein einwandfreies Funktionieren grundlegend.

2 Weicht der Wortlaut einer Bestimmung von deren Überschrift ab, sind beide so auszulegen, daß alle verwendeten Worte einen Sinn ergeben.

3 Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits ist dahin auszulegen, daß er es der Kommission ermöglicht, einen EAGFL-Zuschuß im Fall von Unregelmässigkeiten zu streichen, und zwar insbesondere dann, wenn eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur vorherigen Zustimmung unterbreitet wurde.

4 Ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemässe Funktionieren eines Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist, kann mit dem Verlust eines durch die Gemeinschaftsregelung verliehenen Anspruchs, etwa eines Beihilfeanspruchs, geahndet werden.

Es stellt eine schwerwiegende Verletzung wesentlicher Pflichten, die die Streichung eines nach der Verordnung Nr. 355/77 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse gewährten EAGFL-Zuschusses rechtfertigt, dar, wenn der Zuschussempfänger seine Pflicht, mit den Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschussantrags bei der Kommission zu beginnen, verletzt hat, wenn er die Kommission nicht informiert hat und wenn er in Beantwortung eines Auskunftsverlangens der Kommission eine mit dem Original nicht übereinstimmende Kopie eines Kaufvertrags über eine im bezuschussten Vorhaben genannte Maschine eingereicht hat.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 12. Oktober 1999. - Conserve Italia Soc. Coop. arl vormals Massalombarda Colombani SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Landwirtschaft - Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft - Streichung eines Zuschusses - Verordnung (EWG) Nr. 355/77 - Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 - Verordnung (EWG) Nr. 4256/88 - Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 - Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Sanktion - Berechtigtes Vertrauen - Ermessensmißbrauch - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Begründung. - Rechtssache T-216/96.

Parteien:

In der Rechtssache T-216/96

Conserve Italia Soc. Coop. arl, ehemals Massalombarda Colombani SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Massa Lombarda (Italien), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin Marina Averani und Rechtsanwalt Andrea Pisaneschi, Siena, sowie Rechtsanwalt Paolo de Caterini, Rom, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Charles Turk, 13 B, avenue Guillaume, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Paolo Ziotti und Francesco Paolo Ruggeri Laderchi, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt Massimo Moretto, Venedig, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Kirchberg-Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(96) 2760 der Kommission vom 3. Oktober 1996, mit der die der Massalombarda Colombani SpA durch die Entscheidung C(90) 950/356 der Kommission vom 29. Juni 1990 gewährte finanzielle Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft aufgehoben wurde, und, soweit erforderlich, jeder mit dieser Entscheidung im Zusammenhang stehenden Handlung, insbesondere der Arbeitsunterlage VI/1216/86-IT über die Bestimmung der höchstmöglichen Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 des Rates vom 15. Februar 1977 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 51, S. 1),

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,

Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen des Rechtsstreits

1 Nach den Artikeln 1 Absatz 3 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 des Rates vom 15. Februar 1977 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 51, S. 1) kann die Kommission einen Zuschuß zu der gemeinsamen Maßnahme gewähren, indem sie durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (im folgenden: EAGFL), Abteilung Ausrichtung, Vorhaben finanziert, die sich in spezifische, zuvor von den Mitgliedstaaten ausgearbeitete und von der Kommission genehmigte Programme einfügen und die Förderung oder Rationalisierung der Bearbeitung, Verarbeitung und/oder Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse betreffen.

2 "Die in diesem Bereich geplanten Maßnahmen... bezwecken" nach der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung "die Erreichung der Ziele von Absatz 1 Buchstabe a) des Artikels 39 des [EG-]Vertrages" (jetzt Artikel 33 EG). In der vierten Begründungserwägung heißt es: "Um für eine Gemeinschaftsfinanzierung in Frage zu kommen, müssen die Vorhaben... insbesondere die Verbesserung und Rationalisierung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie eine dauerhafte positive Auswirkung auf den Agrarbereich ermöglichen." Die siebte Begründungserwägung lautet schließlich: "Damit die Begünstigten die Bedingungen für die Gewährung des [EAGFL-Z]uschusses auch einhalten, ist ein wirksames Kontrollverfahren vorzusehen sowie die Möglichkeit zu schaffen, den Zuschuß des [EAGFL] auszusetzen, einzuschränken oder ganz einzustellen."

3 Ein Vorhaben im Sinne des Artikels 1 der Verordnung Nr. 355/77 ist nach deren Artikel 6 "jedes Vorhaben für eine öffentliche, halböffentliche oder private Investition materieller Art, die ausschließlich oder teilweise Einrichtungen betrifft, die insbesondere... [zur] Rationalisierung oder Entwicklung der Lagerung, der marktgerechten Aufbereitung, der Konservierung, der Bearbeitung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse [dienen]".

4 Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung bestimmt:

"Während der gesamten Dauer der Beteiligung des [EAGFL] übermittelt die hierzu von dem betreffenden Mitgliedstaat benannte Behörde oder Stelle der Kommission auf deren Antrag sämtliche Belege und Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß die finanziellen oder sonstigen Auflagen für jedes Vorhaben erfuellt sind. Die Kommission kann erforderlichenfalls Nachprüfungen an Ort und Stelle vornehmen.

Die Kommission kann... den Zuschuß des [EAGFL] aussetzen, einschränken oder ganz einstellen, nachdem sie den Fondsausschuß zu den finanziellen Aspekten gehört hat,

- wenn das Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt wird oder - wenn bestimmte Auflagen nicht erfuellt werden..."

5 Die Zuschußanträge müssen die Angaben und Unterlagen enthalten, die in den Anhängen der Verordnung (EWG) Nr. 2515/85 der Kommission vom 23. Juli 1985 über die Anträge auf Zuschüsse des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für Vorhaben zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und für Erzeugnisse der Fischerei (ABl. L 243, S. 1) aufgeführt sind. Diese Anhänge enthalten zum einen Muster für die von den Antragstellern auszufuellenden Formulare und zum anderen Erläuterungen, die den Antragstellern bei ihrem Vorgehen helfen sollen.

6 Nummer 5.3 der "Erläuterungen nach Rubriken" des Anhangs A der Verordnung Nr. 2515/85 stellt klar: "[F]ür Vorhaben, die vor Eingang des Antrags bei der Kommission begonnen werden, können keine Zuschüsse gewährt werden." Diese Hinweise betreffen eine vom Antragsteller in folgenden Worten zu übernehmende Verpflichtung: "Wir verpflichten uns, mit der Durchführung des Vorhabens nicht vor Eingang des Antrags beim EAGFL, Abteilung Ausrichtung, zu beginnen[.]"

7 1986 erarbeiteten die Dienststellen des EAGFL die Arbeitsunterlage VI/1216/86 über die Bestimmung der höchstmöglichen Beteiligung des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen der Verordnung Nr. 355/77 (im folgenden: Arbeitsunterlage). In deren Punkt B.1 sind die von der Beteiligung völlig ausgeschlossenen Maßnahmen aufgezählt. Nach Absatz 5 sind insbesondere Arbeiten oder Maßnahmen ausgeschlossen, die vor Antragstellung begonnen haben, mit Ausnahme der folgenden:

"...

b) Kauf von Baumaschinen, -geräten und -materialien einschließlich Metallkonstruktionen und Fertigbauteile (Bestellung und Lieferung), wenn der Zusammenbau und der Einbau und die die Baumaterialien betreffenden Arbeiten an Ort und Stelle nicht schon stattgefunden haben, bevor der Antrag auf Beteiligung des Fonds gestellt wurde;

...

Maßnahmen gemäß a) und b) kommen für eine Finanzierung in Frage. Maßnahmen gemäß c) und d) kommen nicht in Frage, ihretwegen muß der Antrag jedoch nicht insgesamt abgewiesen werden. Bei allen anderen Maßnahmen oder Arbeiten, die begonnen haben, bevor der betreffende Antrag gestellt wurde, ist dieser abzuweisen."

8 Nach Punkt B.1 Absatz 12 der Arbeitsunterlage sind ferner ausgeschlossen "Mietkosten für Ausrüstung und Investitionen, die durch Mietkauf (Leasing) finanziert werden. Zum Beispiel: Mietkosten für die Nutzung von Tetra-Pak-Maschinen; Vorhaben, die ganz oder teilweise durch Mietkauf finanziert werden. Diese Investitionen können jedoch finanzierbar sein, wenn es sich um einen Mietkaufvertrag handelt... , der vorsieht, daß der Begünstigte innerhalb von fünf Jahren nach der Bewilligung der Beteiligung Eigentümer der gemieteten Ausrüstung oder der finanzierten Aktion wird. Für Vorhaben, die von 1985 an finanziert werden, verkürzt sich diese Frist auf vier Jahre."

9 Am 24. Juni 1988 erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. L 185, S. 9).

10 Auf der Grundlage dieser Verordnung erließ der Rat am 19. Dezember 1988 die Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1). Diese Verordnung trat gemäß ihrem Artikel 34 am 1. Januar 1989 in Kraft.

11 Nach ihrem Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 1 "kann eine Beteiligung der Fonds an Ausgaben, die vor dem Eingang des entsprechenden Antrags bei der Kommission getätigt wurden, nicht in Betracht kommen". Unterabsatz 2 dieser Bestimmung ermächtigte jedoch die Kommission, in bestimmten Fällen von dieser Regel abzuweichen, wobei er folgendes bestimmte: "Für die Kofinanzierung von Vorhaben und Beihilferegelungen kann eine Ausgabe jedoch als durch die Fonds beihilfefähig angesehen werden, wenn sie innerhalb von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt getätigt wurde, zu dem die Kommission den entsprechenden Antrag erhalten hat."

12 Artikel 24 der Verordnung - "Kürzung, Aussetzung und Streichung der Beteiligung" - sah in Absatz 2 vor:

"[D]ie Kommission [kann] die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen, wenn durch die Prüfung bestätigt wird, daß eine Unregelmäßigkeit oder insbesondere eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet wurde."

13 Am 19. Dezember 1988 erließ der Rat außerdem die Verordnung (EWG) Nr. 4256/88 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich des EAGFL, Abteilung Ausrichtung (ABl. L 374, S. 25), die ebenfalls - gemäß ihrem Artikel 12 - am 1. Januar 1989 in Kraft trat.

14 In seiner ursprünglichen Fassung sah Artikel 10 Absatz 1 dieser Verordnung vor: "Der Rat beschließt... bis zum 31. Dezember 1989, wie und unter welchen Bedingungen sich der [EAGFL] an den Maßnahmen für die Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für land- [...]wirtschaftliche Erzeugnisse... im Hinblick auf die Verwirklichung der in der Verordnung... Nr. 2052/88 genannten Ziele und entsprechend den mit der Verordnung... Nr. 4253/88 festgelegten Regeln beteiligen kann." Die Absätze 2 und 3 dieses Artikels bestimmten, daß mit Inkrafttreten des in Absatz 1 genannten Ratsbeschlusses die Verordnung Nr. 355/77 aufgehoben wird, abweichend davon aber die Artikel 6 bis 15 und 17 bis 23 für die vor Inkrafttreten dieses Beschlusses eingereichten Vorhaben auch weiterhin gelten.

15 Aufgrund des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4256/88 erließ der Rat am 29. März 1990 die Verordnung (EWG) Nr. 866/90 zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse (ABl. L 91, S. 1).

16 Die in Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit wurde mit Wirkung vom 3. August 1993 durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur Änderung der Verordnung Nr. 4253/88 (ABl. L 193, S. 20) ausdrücklich aufgehoben.

17 Am 18. Dezember 1995 erließ der Rat die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).

18 Artikel 4 Absatz 3 dieser Verordnung lautet: "Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, haben zur Folge, daß der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird."

19 Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung bestimmt:

"Unregelmäßigkeiten, die vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden, können zu folgenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen:

...

c) vollständiger oder teilweiser Entzug eines nach Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil dieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat..."

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

20 Am 27. Oktober 1988 ging bei der Kommission, eingereicht von der italienischen Regierung, ein Antrag auf Gewährung eines Zuschusses des EAGFL nach der Verordnung Nr. 355/77 ein. Dieser Antrag war von der Federazione Italiana dei Consorzi Agrari, einem Zusammenschluß landwirtschaftlicher Genossenschaften, gestellt worden, die bis zu ihrer Liquidation im Mai 1991 einen Großteil der italienischen Agrar-Lebensmittelindustrie für Rechnung der Fedital SpA (im folgenden: Fedital) verwaltete. Mit dem beantragten Zuschuß sollte ein Vorhaben zur Entwicklung, Rationalisierung und technischen Modernisierung eines Betriebes von Fedital in der Gemeinde Massa Lombarda unterstützt werden.

21 Dem Antrag wurde für das Haushaltsjahr 1989 nicht stattgegeben, da er gemessen an den verfügbaren Finanzmitteln als nicht vorrangig eingestuft wurde. Seine Prüfung wurde gemäß Artikel 21 der Verordnung Nr. 355/77 für eine Berücksichtigung im folgenden Haushaltsjahr verschoben.

22 Während der Prüfung des Antrags verkaufte Fedital am 31. Dezember 1989 ihren Betrieb Massa Lombarda an die Colombani Lusuco SpA, die ebenfalls von der Federazione Italiana dei Consorzi Agrari kontrolliert wurde. Die Firma der Erwerbergesellschaft wurde daraufhin in "Massalombarda Colombani SpA" (im folgenden: Massalombarda Colombani) umgeändert. Diese Gesellschaft wurde am 18. Oktober 1994 an die Frabi SpA (später Finconserve SpA), eine Finanzgesellschaft der Gruppe Conserve Italia Soc. Coop. arl, der Klägerin, verkauft. Die Klägerin ist auf die Verarbeitung, die Konservierung und den Vertrieb von zur Ernährung bestimmten Erzeugnissen, wie Obst und Gemüse, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Fischereierzeugnisse, Fleisch, Fertiggerichte und Lebensmittel im allgemeinen, spezialisiert.

23 Am 23. März 1990 forderte die Kommission Fedital auf, Art, Kosten sowie Anfangs- und Enddaten der zu finanzierenden Arbeiten anzugeben und zu erklären, ob mit diesen vor dem Tag des Antragseingangs bei der Kommission (27. Oktober 1988) begonnen worden sei. Außerdem forderte die Kommission die Bilanz für das Jahr 1988 und eine Abschrift der Kaufverträge über die verschiedenen Erwerbungen der Gesellschaft an.

24 Massalombarda Colombani antwortete am 17. April 1990, daß die Arbeiten am 31. Oktober 1988 aufgenommen und vor dem 30. Juni 1990 beendet worden seien, und fügte ihrer Antwort Abschriften von Verträgen bei. Einer dieser Verträge, der am 22. Dezember 1988 unterzeichnet worden war, betraf den Verkauf einer Verpackungsmaschine der Marke Tetra Pak.

25 Mit Entscheidung vom 29. Juni 1990 gewährte die Kommission Massalombarda Colombani einen Zuschuß in Höhe von 2 002 932 326 ITL zu einer Gesamtinvestition von 8 036 600 ITL (im folgenden: Gewährungsentscheidung).

26 Mit Entscheidung vom 18. November 1991 gewährte die italienische Regierung Massalombarda Colombani ergänzend zur finanziellen Beteiligung des EAGFL einen Zuschuß von 2 008 000 000 ITL.

27 Am 22. November 1991 nahmen die italienischen Behörden die abschließende Prüfung der Arbeiten vor und genehmigten diese mit der Begründung, sie entsprächen insgesamt den in der Gewährungsentscheidung aufgestellten Voraussetzungen.

28 Aufgrund von Kontrollen, die im März 1993 und vom 26. bis zum 30. September 1994 gemeinsam von den italienischen Behörden und der Kommission durchgeführt worden waren, stellte letztere fest, daß einige Käufe und Arbeiten vor dem Tag des Eingangs des Zuschußantrags erfolgt waren und daß die Tetra-Pak-Maschine ausweislich des Originals des Vertrages über ihren Kauf entgegen der ihr am 17. April 1990 auf ihr Auskunftsverlangen vom 23. März 1990 hin übermittelten Vertragsabschrift im Rahmen eines Mietvertrags bereits vor dem Tag des Antragseingangs im Betrieb des Käufers installiert worden war. Außerdem trugen zahlreiche Lieferscheine für im Rahmen des Vorhabens erworbene Maschinen ein Datum, das dem des Antragseingangs vorausging, während andere Lieferscheine fehlten.

29 Mit Telefax vom 3. November 1994 an die Kommission sprachen sich die italienischen Behörden angesichts der festgestellten schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten für die Eröffnung eines Verfahrens zur Aufhebung des vom EAGFL gewährten Zuschusses aus.

30 Am 22. Mai 1995 teilte die Kommission Massalombarda Colombani und den italienischen Behörden mit, daß sie beabsichtige, ein solches Verfahren einzuleiten und die zu Unrecht gewährten Beträge wiedereinzuziehen; zugleich forderte sie dazu auf, hierzu Stellung zu nehmen.

31 Massalombarda Colombani nahm am 3. August und am 22. September 1995 Stellung. Sie wies darauf hin, daß sie zwar tatsächlich vor dem Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission Käufe getätigt habe, daß diese jedoch probehalber erfolgt seien. Außerdem räumte sie ein, daß das Vorhaben einige Arbeiten betreffe, die schon vor der Stellung des Zuschußantrags durchgeführt worden seien. Nach einer Besprechung mit den Beamten der zuständigen Dienststellen der Kommission am 19. Januar 1996 reichte sie am 27. Februar 1996 eine ergänzende Stellungnahme ein.

32 Am 3. Oktober 1996 erließ die Kommission die Entscheidung C(96) 2760, mit der der Zuschuß aufgehoben wurde, der der Firma Massalombarda Colombani mit der Entscheidung C(90) 950/356 der Kommission vom 29. Juni 1990 über die Gewährung des Zuschusses des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, im Rahmen des EAGFL-Vorhabens Nr. 90.41.IT.109.0 - "Potenziamento e aggiornamento tecnologico degli impianti di uno stabilimento ortofrutticolo in Massa Lombarda (Ravenna)" - nach der Verordnung Nr. 355/77 gewährt worden war (im folgenden: angefochtene Entscheidung).

33 Die tragenden Gründe dieser Entscheidung werden nachstehend wiedergegeben:

"Der Zuschuß ist im wesentlichen aufgrund der technischen Beschreibung der geplanten Arbeiten und des im Text der Entscheidung genannten Zeitraums, der schon in den dem Zuschußantrag beigefügten Unterlagen für die Durchführung der Arbeiten angegeben war, gewährt worden.

...

Bei [einer] Kontrolle wurde festgestellt, daß bestimmte Käufe bereits endgültig getätigt und bestimmte Arbeiten schon vor dem Tag des Eingangs des von der Empfängerin übermittelten Zuschußantrags bei der Kommission, d. h. vor dem 27. Oktober 1988, ausgeführt worden waren. Dies verstößt gegen die von der Empfängerin gemäß der Bestimmung auf Seite 5 des Anhangs A1 der Verordnung... Nr. 2515/85... in diesem Zuschußantrag eingegangene Verpflichtung.

Außerdem wurde festgestellt, daß ein Vertrag über den Kauf einer Tetra-Pak-Verpackungsmaschine gefälscht worden war, um zu verschleiern, daß diese Maschine bereits vor Eingang des Zuschußantrags im Betrieb installiert worden war.

...

Nach alledem verletzen die festgestellten Unregelmäßigkeiten die Bedingungen für die Durchführung des fraglichen Vorhabens."

Verfahren und Anträge der Parteien

34 Die Klägerin hat mit am 23. Dezember 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichter Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

35 Sie beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- soweit erforderlich, jede aufgrund der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Handlung, insbesondere die Arbeitsunterlage, für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

36 In Beantwortung einer Frage des Gerichts hat die Klägerin jedoch darauf hingewiesen, daß ihr Antrag auf Nichtigerklärung jeder mit der angefochtenen Entscheidung in Zusammenhang stehenden Handlung, insbesondere der Arbeitsunterlage, auf Artikel 184 EG-Vertrag (jetzt Artikel 241 EG) gestützt sei.

37 Die Beklagte beantragt,

- den Antrag, die Arbeitsunterlage, soweit erforderlich, für nichtig zu erklären, für unzulässig zu erklären;

- im übrigen die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der Rechtswidrigkeitseinrede

38 Nach Ansicht der Kommission ist die Klage unzulässig, soweit sie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arbeitsunterlage nach Artikel 184 EG-Vertrag gerichtet sei, da die angefochtene Entscheidung nicht auf diese, sondern auf Nummer 5.3 des Anhangs A der Verordnung Nr. 2515/85 in Verbindung mit Artikel 24 der Verordnung Nr. 4253/88 gestützt sei.

39 Zur Beurteilung der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit hält das Gericht eine Sachprüfung der Rechtssache für erforderlich; beides ist daher miteinander zu verbinden.

Begründetheit

1. Zusammenfassung der Klagegründe

40 Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage verschiedene Verstöße gegen die Anwendung des EG-Vertrags betreffende Rechtsvorschriften, insbesondere gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88, Punkt B.1 Absätze 5 und 12 der Arbeitsunterlage und Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88, geltend. Im Rahmen dieser Klagegründe rügt sie insbesondere, daß die Beklagte die Grundsätze der Rechtmäßigkeit der Sanktion, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit verletzt und einen Ermessensmißbrauch begangen habe. Im Rahmen eines weiteren Klagegrundes macht sie die Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend, da die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet sei.

2. Zu den angeblichen Verstößen gegen die Anwendung des EG-Vertrags betreffende Rechtsvorschriften

41 Die Klägerin macht im Rahmen der Klagegründe, die sie auf Verstöße gegen die Anwendung des EG-Vertrags betreffende Rechtsvorschriften stützt, geltend, erstens habe die Empfängerin des Zuschusses keine Unregelmäßigkeit begangen, zweitens gebe es für die Streichung des Zuschusses keine Rechtsgrundlage und drittens stehe diese Streichung außer Verhältnis zu den beanstandeten Unregelmäßigkeiten.

Zu den Klagegründen, die die von der Kommission festgestellten Unregelmäßigkeiten betreffen

Vorbringen der Parteien

42 Die Klägerin macht zwei Klagegründe geltend, die sie auf einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 und Punkt B.1 Absätze 5 und 12 der Arbeitsunterlage stützt und mit denen sie die sechste und die siebte Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung beanstandet.

- Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88

43 Nach Ansicht der Klägerin ist Nummer 5.3 der "Erläuterungen nach Rubriken" des Anhangs A der Verordnung Nr. 2515/85, wonach "für Vorhaben, die vor Eingang des Antrags bei der Kommission begonnen werden,... keine Zuschüsse gewährt werden [können]", anhand Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 auszulegen, da diese Bestimmung für die Entscheidung der Kommission über die Zuschußfähigkeit des Vorhabens maßgeblich sei.

44 Die Begriffe "Ausgabe" und "getätigt" in Unterabsatz 2 dieser Vorschrift (siehe oben, Randnr. 11) deuteten darauf hin, daß auf den Zeitpunkt der Bezahlung der Käufe oder Arbeiten, zumindest aber auf das Rechnungsdatum abzustellen sei.

45 Im vorliegenden Fall seien alle Zahlungen nach Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission (27. Oktober 1988) erfolgt, alle Rechnungen seien mit einem Datum versehen, das nach dem Beginn der Maßnahme liege, für den die Klägerin in ihrer Klageschrift den 1. Oktober 1988 angibt, und kein Lieferschein sei mehr als sechs Monate vor diesem Tag erstellt worden. Daher seien sämtliche streitigen Ausgaben zuschußfähig.

46 Außerdem habe die Empfängerin nie falsche Erklärungen über das Datum der Käufe oder Arbeiten abgegeben. Die vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission getätigten Umsätze (insbesondere der Mietvertrag über die Tetra-Pak-Maschine) seien nicht Gegenstand von endgültigen Verträgen, sondern nur von vorbereitenden Beziehungen oder von Verträgen mit aufschiebender Bedingung gewesen.

47 Schließlich habe die Kommission dadurch, daß sie den streitigen Zuschuß aufgrund anderer Kriterien als derjenigen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 gestrichen habe, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1987 in der Rechtssache 5/85, Consorzio cooperative d'Abruzzo/Kommission, Slg. 1987, 1005).

48 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen. Aus Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4256/88 ergebe sich, daß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 auf den fraglichen Antrag nicht anwendbar gewesen sei; für diesen hätten vielmehr die Artikel 6 bis 15 und 17 bis 23 der Verordnung Nr. 355/77 gegolten. Daher könne die Klägerin weder einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend machen.

- Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Punkt B.1 Absätze 5 bis 12 der Arbeitsunterlage

49 Die Klägerin räumt ein, daß die Empfängerin des Zuschusses der Kommission eine Durchschrift des Kaufvertrages über eine Tetra-Pak-Verpackungsmaschine übermittelt habe, die nicht die auf dem Original stehende Angabe enthalte, daß die Maschine schon aufgrund eines am 30. November 1987 in Modena (Italien) eingetragenen Mietvertrags im Betrieb des Käufers installiert gewesen sei. Dieses Verhalten, das Fedital, nicht aber ihr selbst zuzurechnen sei, beruhe nicht auf einer betrügerischen Absicht, sondern stelle einen bloßen Formfehler dar.

50 Bei diesem handele es sich nicht um einen wesentlichen Fehler, da die fehlende Angabe der Gewährung des beantragten Zuschusses nicht entgegengestanden hätte, wenn sie der Kommission zur Kenntnis gebracht worden wäre. Zum einen sei die in Punkt B.1 Absatz 5 Buchstabe b der Arbeitsunterlage vorgesehene Ausschlußregel nicht anwendbar, da der Kaufvertrag über die Maschine am 22. Dezember 1988, d. h. nach Eingang des Antrags bei der Kommission, unterzeichnet worden sei. Zum anderen hätte für den Mietvertrag die Abweichung des Punktes B.1 Absatz 12 der Arbeitsunterlage gelten müssen. Diese Abweichung sehe vor, daß die Investitionen zuschußfähig sein könnten, wenn sie im Rahmen eines Mietkauf- oder Leasingvertrags getätigt würden, der vorsehe, daß der Begünstigte innerhalb von fünf Jahren nach der Bewilligung der Beteiligung Eigentümer des Mietgegenstands werde. Im vorliegenden Fall sehe zwar der Mietvertrag keine Frist für den Erwerb der gemieteten Maschine vor, jedoch sei diese tatsächlich innerhalb von fünf Jahren nach Bewilligung der Beteiligung erworben worden.

51 Überdies sei die Maschine nicht früher als sechs Monate vor dem Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission im Betrieb der Zuschußempfängerin installiert worden.

52 Da im vorliegenden Fall die Unregelmäßigkeit nicht auf einer betrügerischen Absicht beruhe und nicht wesentlich sei, rechtfertige sie nicht die Streichung des Zuschusses.

53 Hilfsweise wirft die Klägerin der Kommission vor, dadurch gegen wesentliche Formvorschriften verstoßen zu haben, daß sie die Arbeitsunterlage, auf die sie die angefochtene Entscheidung gestützt habe, weder veröffentlicht noch der Empfängerin des Zuschusses mitgeteilt habe. Diese Unterlage könne der Klägerin somit nicht entgegengehalten werden (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Oktober 1990 in der Rechtssache C-366/88, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-3571).

54 Zudem verstoße die Arbeitsunterlage gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88, da sie von der Vorschrift abweiche, wonach die Ausgaben zuschußfähig seien, die innerhalb von sechs Monaten vor Beginn der Aktion getätigt worden seien.

55 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen. Sie meint im wesentlichen, selbst wenn sie ordnungsgemäß davon in Kenntnis gesetzt worden wäre, daß die Maschine bereits aufgrund eines Mietvertrags im Betrieb der Empfängerin installiert gewesen sei, hätte sie den streitigen Zuschuß nicht gewähren können, da die Verordnung Nr. 355/77 die Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse betreffe. Käufe oder Arbeiten, die vor Eingang des Zuschußantrags bei ihr getätigt oder ausgeführt würden, trügen jedoch nicht zu einer solchen Verbesserung bei, außer wenn der Erwerb des Eigentums an einer Maschine innerhalb eines bestimmten Zeitraums von Anfang an geplant sei. Außerdem sei die angefochtene Entscheidung nicht auf die Arbeitsunterlage gestützt.

Würdigung durch das Gericht

56 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen zweier Arten von Unregelmäßigkeiten festgestellt. Erstens seien bestimmte Käufe und Arbeiten unter Verstoß gegen die von der Zuschußempfängerin unterzeichnete Verpflichtung vor Eingang des Zuschußantrags der Zuschußempfängerin bei ihr getätigt oder ausgeführt worden. Zweitens sei ein Kaufvertrag über eine Tetra-Pak-Verpackungsmaschine gefälscht worden, um zu verschleiern, daß diese Maschine bereits vor Eingang des Zuschußantrags im Betrieb der Zuschußempfängerin installiert worden sei. Diese beiden Behauptungen sind nacheinander zu prüfen.

- Käufe und Arbeiten, die vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission getätigt oder ausgeführt wurden

57 Unstreitig wurde der Zuschußantrag unter der Geltung der Verordnung Nr. 355/77 gestellt. Gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4256/88, der am selben Tag in Kraft getreten ist wie der von der Klägerin angeführte Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88, sind die Artikel 6 bis 15 und 17 bis 23 der Verordnung Nr. 355/77 bis zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 866/90 anwendbar geblieben (siehe oben, Randnrn. 14 und 15).

58 Die Artikel 6 bis 15 und 17 bis 23 der Verordnung Nr. 355/77 bestimmen nicht den Zeitpunkt, von dem an Käufe getätigt oder Arbeiten ausgeführt werden können, für die eine finanzielle Beteiligung beantragt wird.

59 Dagegen bestimmt Artikel 19 Absatz 2 dieser Verordnung, daß die Kommission einen Zuschuß aussetzen, einschränken oder ganz einstellen kann, "wenn das Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt wird" oder "wenn bestimmte Auflagen nicht erfuellt werden".

60 Diese Bestimmung bezeichnet diese Auflagen nicht im einzelnen, sondern nimmt ausdrücklich auf die "finanziellen oder sonstigen Auflagen für jedes Vorhaben" Bezug. Somit fallen unter diesen Begriff alle Auflagen, die für das jeweilige Vorhaben erteilt wurden, unabhängig davon, ob sie technischer oder finanzieller Art sind oder eine Fristsetzung enthalten.

61 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2515/85 "[müssen die] Anträge auf Zuschüsse aus dem EAGFL, Abteilung Ausrichtung,... die in den Anhängen aufgeführten Angaben und Unterlagen enthalten". Demgemäß sind die im Antragsformular für den Zuschuß enthaltenen Angaben, insbesondere diejenigen über die vom Antragsteller bei der Antragstellung einzugehende Verpflichtung, die nach Nr. 5.3 der "Erläuterungen nach Rubriken" des Anhangs A dieser Verordnung (siehe oben, Randnr. 6) zu beurteilen ist, ebenso verbindlich wie die Bestimmungen der Verordnung, denen die Muster und Erläuterungen als Anlage beigefügt sind (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93, T-232/94, T-233/94 und T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996, II-247, Randnr. 84). Hinzu kommt, daß sich die Firma Massalombarda Colombani mit ihrer Unterschrift ausdrücklich, feierlich und eindeutig persönlich verpflichtet hat, mit den Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschußantrags beim EAGFL, Abteilung Ausrichtung, zu beginnen. Da diese Verpflichtung von der Kommission angenommen wurde, wurde sie in den Rechtsakt aufgenommen, mit dem der Zuschuß bewilligt wurde, und teilt somit dessen Rechtsverbindlichkeit. Somit stellt die u. a. der Rechtssicherheit und einer Gleichbehandlung der Antragsteller dienende Fristbestimmung, auf die sich die Verpflichtung bezieht, eine Auflage im Sinne von Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 355/77 dar, und ihre Nichtbeachtung führt dazu, daß das finanzierte Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt worden ist.

62 Diese Verpflichtung - wie sie im Formblatt des Zuschußantrags vorgesehen und von der Zuschußempfängerin bei der Antragstellung eingegangen ist - enthält jedoch keinen Hinweis auf einen Sechsmonatszeitraum vor Eingang des Antrags. Es ist daher zu prüfen, ob die Verpflichtung, wie die Klägerin vorträgt, durch das Inkrafttreten von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 am 1. Januar 1989 dahin gehend geändert worden ist, daß sie es zuließ, innerhalb von sechs Monaten vor Eingang des Antrags bei der Kommission Ausgaben zu tätigen.

63 Aus Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 4253/88 und dem Wort "kann" in Unterabsatz 2 geht hervor, daß Ausgaben im allgemeinen nur dann zuschußfähig sind, wenn sie getätigt wurden, nachdem die Kommission den entsprechenden Antrag erhalten hat. Nur ausnahmsweise ist die Kommission berechtigt, Ausgaben als zuschußfähig anzusehen, wenn sie innerhalb von sechs Monaten vor dem Eingang des Antrags bei ihr getätigt wurden.

64 Mit der Gewährungsentscheidung (siehe oben, Randnr. 25) hat die Kommission den Antrag, der die persönliche Verpflichtung enthielt, mit den Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschußantrags zu beginnen, genehmigt, ohne darauf hinzuweisen, daß sie beabsichtige, von dem Recht in Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 Gebrauch zu machen.

65 Selbst wenn der Auffassung zu folgen wäre, daß die Verpflichtung anhand von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 auszulegen sei, wäre das Kriterium zur Bestimmung des Zeitpunkts, von dem an die Arbeiten beginnen können, mangels einer entgegenstehenden Erklärung der Kommission doch dasjenige, das in Unterabsatz 1 dieser Vorschrift enthalten ist.

66 Somit ist zu ermitteln, welcher Zeitpunkt für die Frage maßgeblich ist, ob mit den Arbeiten vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission im Sinne der bei der Stellung des Antrags auf den fraglichen Zuschuß eingegangenen Verpflichtung begonnen worden ist. Insbesondere ist zu prüfen, ob dieser Zeitpunkt, wie die Klägerin meint, derjenige der Bezahlung der ersten bezuschußten Käufe oder Arbeiten oder aber möglicherweise derjenige ist, zu dem diese Käufe oder Arbeiten in Rechnung gestellt worden sind.

67 Werden im Rahmen eines unterstützten Investitionsvorhabens Verträge - auch unter aufschiebender Bedingung - geschlossen, so hat dies maßgebliche Auswirkungen auf die Modalitäten der Durchführung dieses Vorhabens. Daher stellen solche Verträge eine Maßnahme zur Durchführung eines Vorhabens dar. Mithin ist der Abschluß dieser Verträge der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Arbeiten im Sinne der von der Zuschußempfängerin eingegangenen Verpflichtung.

68 Die Klägerin bestreitet nicht, daß vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission Verträge über Maschinen geschlossen wurden, die zu dem unterstützten Vorhaben gehören.

69 Folglich hat die Zuschußempfängerin gegen die im Antragsformular eingegangene Verpflichtung verstoßen, mit der Durchführung des Vorhabens nicht vor diesem Zeitpunkt zu beginnen. Daher ist eine mit der Entscheidung über die Gewährung des Zuschusses erteilte Auflage nicht erfuellt und das Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt worden.

70 Die Auffassung der Klägerin, daß es auf den Zeitpunkt der Zahlung, jedenfalls aber den der Rechnungsstellung ankomme, ist zurückzuweisen. Es ist nämlich zweifelhaft, ob die Empfängerin des Zuschusses davon ausgehen konne, daß mit der Durchführung des Vorhabens nicht vor der Erstellung oder Begleichung der Rechnungen begonnen worden sei. Selbst wenn die Empfängerin des Zuschusses keinerlei betrügerische Absicht gehabt haben sollte, hätte sie zumindest Bedenken hinsichtlich ihrer Auslegung der Verpflichtung haben müssen, mit der Durchführung des Vorhabens nicht vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission zu beginnen. In einem solchen Fall hätte sie sich über die Tragweite der vorgeschriebenen Verpflichtung unterrichten müssen, nicht nur, um sich nicht leichtfertig zu verpflichten, sondern auch, um jedes Risiko einer Irreführung der Kommission auszuschalten.

71 Die Personen, die Zuschüsse beantragen und erhalten könnten, müssen dafür Sorge tragen, daß sie der Kommission zuverlässige Angaben an die Hand geben, die diese nicht irreführen können; andernfalls könnte das Kontroll- und Beweissystem, das zur Nachprüfung der Erfuellung der Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses eingeführt worden ist, nicht ordnungsgemäß funktionieren. Ohne zuverlässige Angaben könnte es nämlich zu einer Zuschußgewährung für Vorhaben kommen, die die Voraussetzungen hierfür nicht erfuellen. Daher ist die Informations- und Loyalitätspflicht, die den Personen obliegt, die Zuschüsse beantragen und erhalten könnten, dem System der Beteiligung durch den EAGFL inhärent und für sein einwandfreies Funktionieren grundlegend.

72 Daß im vorliegenden Fall Angaben über den Zeitpunkt des Beginns der Arbeiten verheimlicht oder so dargestellt wurden, daß die Kommission irregeführt worden ist, stellt einen Verstoß gegen diese Verpflichtung und damit gegen die geltende Regelung dar.

73 Mithin kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 verstoßen zu haben.

74 Da die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auf der Prämisse beruht, daß ein Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 vorliegt, und da das von der Klägerin auf diesen angeblichen Verstoß gestützte Argument aus den oben dargelegten Gründen nicht stichhaltig ist, ist auch diese Rüge zurückzuweisen.

- Fälschung eines Vertrages über den Kauf einer Verpackungsmaschine

75 Die Klägerin räumt ein, daß die der Kommission in Beantwortung eines Auskunftsersuchens übermittelte Kopie des Vertrages über den Kauf einer Tetra-Pak-Verpackungsmaschine nicht die auf dem Original des Vertrages stehende Angabe enthalten habe, daß die fragliche Maschine zum Zeitpunkt des Eingangs des Zuschußantrags bei der Kommission bereits aufgrund eines Mietvertrags im Betrieb der Zuschußempfängerin installiert gewesen sei (siehe oben, Randnr. 49).

76 Die Empfängerin des Zuschusses hätte davon ausgehen müssen, daß vollständige Angaben zu dem betreffenden Vertrag für die Kommission unentbehrlich sind, um ihre Befugnisse ordnungsgemäß ausüben zu können, zumal die Kommission entsprechende Angaben angefordert hatte. Demgemäß hätte die Zuschußempfängerin eine dem Original des fraglichen Vertrages entsprechende Kopie übermitteln müssen (siehe oben, Randnr. 71). Daß keine originalgetreue Kopie dieses Vertrages übersandt worden ist, stellt eine offensichtliche und schwerwiegende Unregelmäßigkeit dar, die, wenn nicht vorsätzlich, so doch zumindest grob fahrlässig war.

77 Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte sich diese Unregelmäßigkeit auch auf die Höhe des Zuschusses auswirken. Zweck der Verordnung Nr. 355/77 ist nämlich, wie sich sowohl aus ihrem Titel als auch ihrer vierten Begründungserwägung und den Bestimmungen ihres Titels II ergibt, die Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die Verbesserung ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Zustand, der sich aus der finanzierten Aktion ergeben soll, und demjenigen zu beurteilen, der vor Beginn der Durchführung des Vorhabens bestand. Da mit diesem nicht vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission begonnen werden durfte, ist die Verbesserung an dem vor diesem Zeitpunkt bestehenden Zustand zu messen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß der endgültige Kauf einer Verpackungsmaschine, die im Betrieb des begünstigten Unternehmens bereits aufgrund eines Mietvertrags installiert war, keine solche Verbesserung darstellt. Jedenfalls hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß der Kauf der Maschine zu einer Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für die betroffenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse führen würde.

78 Daß sich diese Unregelmäßigkeit nicht auswirkt, läßt sich der Arbeitsunterlage nicht entnehmen. Zum einen findet Punkt B.1 Absatz 5 Buchstabe b der Arbeitsunterlage, selbst wenn man annimmt, daß er Maschinen wie die hier in Frage stehende betrifft, jedenfalls nur auf Maschinen Anwendung, die nicht vor Stellung des Zuschußantrags installiert waren, was hier nicht zutrifft. Zum anderen sind nach Punkt B.1 Absatz 12 der Arbeitsunterlage Investitionen, die durch Mietkauf finanziert werden, nur dann zuschußfähig, wenn der Vertrag vorsieht, daß der Begünstigte innerhalb von vier Jahren nach der Bewilligung des Zuschusses Eigentümer der finanzierten Ausrüstung wird. Der vorliegende Mietvertrag enthielt jedoch keine Bestimmung über einen Eigentumsübergang innerhalb dieser Zeitspanne.

79 Die hilfsweise von der Klägerin vorgebrachte Rüge, daß die Arbeitsunterlage rechtswidrig sei, steht der Bejahung der behaupteten Unregelmäßigkeiten keineswegs entgegen und stützt auch nicht die Auffassung der Klägerin, daß sich diese Unregelmäßigkeiten nicht auf die Höhe des Zuschusses ausgewirkt hätten und daher nicht wesentlich seien. Infolgedessen ist es nicht erforderlich, diese Rüge zu prüfen. Im übrigen liegt es nicht im Interesse der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Arbeitsunterlage geltend zu machen, da ein solches Vorbringen ihren Klagegrund eines Verstoßes gegen Punkt B.1 Absätze 5 und 12 der Arbeitsunterlage hinfällig machen würde.

80 Nach alledem sind die Klagegründe, die auf einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 und Punkt B.1 Absätze 5 und 12 der Arbeitsunterlage gestützt worden sind, zurückzuweisen.

Zur Rechtsgrundlage für die Streichung des Zuschusses und zum angeblichen Verstoß gegen Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88

Vorbringen der Parteien

81 Die Klägerin macht geltend, Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 sei auf den vorliegenden Fall unanwendbar. Diese Vorschrift solle verhindern, daß die finanzierte Aktion nach Modalitäten durchgeführt werde, die von denen abwichen, die in dem bei der Kommission eingereichten Vorhaben niedergelegt seien; dies sei hier aber nicht der Fall. Die Investitionen, deren Realisierung geplant gewesen sei, seien nämlich wie vorgesehen getätigt und die Ziele von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 355/77 erreicht worden. Insbesondere habe die Tetra-Pak-Maschine die in sie gesteckten Erwartungen erfuellt. Da die festgestellten Unregelmäßigkeiten die Bedingungen für die Durchführung der Aktion nicht verändert hätten, sei Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 unanwendbar.

82 Hilfsweise trägt die Klägerin vor, falls diese Vorschrift doch anwendbar sei, sehe sie nicht die Möglichkeit der Streichung eines Zuschusses, sondern allenfalls dessen Kürzung oder Aussetzung vor. Die angefochtene Entscheidung sei daher rechtswidrig, da sie den Erlaß einer Maßnahme betreffe, für die es an einer Rechtsgrundlage fehle.

83 Diese Auffassung werde durch Artikel 24 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4253/88 bestätigt, wonach unrechtmäßig gezahlte Beträge an die Kommission zurückzuzahlen seien. Zweck der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Regelung sei es, die Rückzahlung der unrechtmäßig gezahlten Beträge sicherzustellen, und nicht, eine Sanktion zu verhängen. Daher könne die Kommission einen Zuschuß nur dann streichen, wenn alle Ausgaben für das unterstützte Vorhaben unregelmäßig seien und die entsprechende Kürzung des Zuschusses dessen schlichter Streichung gleichkomme.

84 Die Streichung eines Zuschusses habe Folgen, die über die bloße Rückforderung unrechtmäßig gezahlter Beträge hinausgingen, und stelle eine Sanktion dar. Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit von Sanktionen, der zunächst in der Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 25. September 1984 in der Rechtssache 117/83, Könecke, Slg. 1984, 3291, und vom 18. November 1987 in der Rechtssache 137/85, Maizena, Slg. 1987, 4587) aufgestellt und sodann in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2988/95 niedergelegt worden sei, lasse aber die Verhängung einer Sanktion nur zu, soweit eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts dies vorsehe.

85 Auch die Verordnung Nr. 2988/95 stelle keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitige Sanktion dar. Zum einen seien ihre Sanktionsbestimmungen nicht auf Vorgänge anwendbar, die sich vor ihrem Inkrafttreten zugetragen hätten. Zum anderen würden mit dieser Verordnung zwei Ziele verfolgt, nämlich Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und Gewährleistung der Rechtssicherheit für die Zuschußempfänger. Sie stelle eine Rahmenregelung dar, deren Durchführung sektorbezogene Regelungen erfordere, die die einer Sanktion unterliegenden Verhaltensweisen und die entsprechenden Sanktionen festlegten. Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 lege jedoch keineswegs fest, unter welchen Voraussetzungen eine Sanktion verhängt werden könnte.

86 Diese Verordnung zeige vielmehr, daß die Kommission den Zuschuß nach Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 nicht habe streichen, sondern ihn allenfalls um den angesichts der Unregelmäßigkeiten unrechtmäßig gezahlten Betrag habe kürzen können. Die Verordnung Nr. 2988/95 unterscheide nämlich zwischen Maßnahmen und Sanktionen. Nach ihrem Artikel 4 seien die Maßnahmen auf den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils beschränkt. Artikel 5 über Sanktionen verweise auf eine künftige Regelung.

87 Da die auf den vorliegenden Fall anwendbare Regelung der Kommission nur die Befugnis zur Rückforderung des unrechtmäßig erhaltenen Betrages und keine Repressionsbefugnis verleihe, habe sich die Kommission mit der Verhängung der fraglichen Sanktion eines Ermessensmißbrauchs schuldig gemacht.

88 Nach Ansicht der Kommission ist der Klagegrund zurückzuweisen. Nach dem von ihr bewilligten Vorhaben hätten die Käufe und Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschußantrags getätigt oder ausgeführt werden dürfen. Es seien jedoch vor diesem Zeitpunkt Käufe getätigt und Arbeiten durchgeführt worden. Daher weiche das Vorhaben so, wie es tatsächlich durchgeführt worden sei, von dem genehmigten ab. Infolgedessen finde Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 Anwendung.

89 Entgegen der Auffassung der Klägerin verleihe ihr diese Bestimmung das Recht, einen zuvor bewilligten Zuschuß aufzuheben. Daher seien die Rügen einer Verletzung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit von Sanktionen und eines Ermessensmißbrauchs zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

90 Aus den Randnummern 69 und 72 bis 76 dieses Urteils folgt, daß die Empfängerin des Zuschusses das Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt hat und daß bestimmte Auflagen nicht erfuellt worden sind. Nach Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 355/77 kann die Kommission jedoch, wenn das Vorhaben nicht wie vorgesehen durchgeführt wurde oder bestimmte Auflagen nicht erfuellt wurden, einen zuvor bewilligten Zuschuß aussetzen, einschränken oder ganz einstellen. Daher war diese Bestimmung eine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlaß der angefochtenen Entscheidung.

91 Die in den Randnummern 69 und 72 bis 76 dieses Urteils festgestellten Verstöße stellen Unregelmäßigkeiten im Sinne von Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 dar. Infolgedessen war auch diese Bestimmung auf den vorliegenden Fall anwendbar.

92 Zwar sieht Artikel 24 Absatz 2 nach seinem Wortlaut für die Kommission nicht ausdrücklich die Möglichkeit der Streichung von Zuschüssen vor; er trägt jedoch die Überschrift: "Kürzung, Aussetzung und Streichung der Beteiligung". Weicht der Wortlaut einer Bestimmung von deren Überschrift ab, sind beide so auszulegen, daß alle verwendeten Worte einen Sinn ergeben. Angesichts erstens dieser Auslegungsregel und zweitens des Vorliegens einer weiteren, ebenfalls auf den fraglichen Zuschuß anwendbaren Vorschrift, die unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer völligen Einstellung der Beteiligung des EAGFL vorsieht (Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung Nr. 355/77; siehe oben, Randnr. 90), ist Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 so auszulegen, daß alle vom Gesetzgeber gebrauchten Worte, insbesondere das Wort "Streichung" in seiner Überschrift, einen Sinn ergeben. Daher ist dieser Artikel dahin zu verstehen, daß er es der Kommission ermöglicht, einen EAGFL-Zuschuß im Fall von Unregelmäßigkeiten zu streichen, und zwar insbesondere dann, wenn eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur vorherigen Zustimmung unterbreitet wurde.

93 Da feststeht, daß es eine Rechtsgrundlage für die Befugnis der Kommission gibt, einen Zuschuß zu streichen, greifen die Rügen einer Verletzung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit von Sanktionen und eines Ermessensmißbrauchs nicht durch.

94 Aufgrund dessen ist der Klagegrund zurückzuweisen, der darauf gestützt wird, daß es für die Kommission an einer Rechtsgrundlage dafür gefehlt habe, die fragliche finanzielle Beteiligung zu streichen.

Zur Verhältnismäßigkeit der Streichung des Zuschusses

Vorbringen der Parteien

95 Nach Ansicht der Klägerin ist die angefochtene Entscheidung selbst dann rechtswidrig, weil unverhältnismäßig, wenn es zuträfe, daß Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 die Streichung eines Zuschusses zuläßt. Da die ihr zur Last gelegten Unregelmäßigkeiten zu keiner Divergenz zwischen dem genehmigten Vorhaben und der durchgeführten Aktion geführt hätten und nicht auf einer betrügerischen Absicht oder dem Bestreben beruhten, eine höhere finanzielle Beteiligung als in Höhe der getätigten Investitionen zu erlangen, rechtfertigten sie nicht die Streichung des streitigen Zuschusses. Anders als in dem Fall, den das Gericht in der zum Urteil Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission (oben angeführt in Randnr. 61) führenden Rechtssache zu entscheiden gehabt habe, hätten es hier die beanstandeten Unregelmäßigkeiten dem Empfänger des Zuschusses nicht ermöglicht, sich ungerechtfertigt zu bereichern.

96 Die völlige Streichung des Zuschusses sei insbesondere angesichts der beschränkten Auswirkung der den Kaufvertrag über die Tetra-Pak-Verpackungsmaschine betreffenden Unregelmäßigkeit auf die Verwirklichung der dem Vorhaben zugeschriebenen Ziele ungerechtfertigt. Zum einen lasse sich diese Investition vom übrigen Vorhaben trennen, und zum anderen entsprächen seine Kosten nur 6 % der Höhe des Zuschusses (Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1979 in der Rechtssache 122/78, Buitoni, Slg. 1979, 677).

97 Die im vorliegenden Fall verhängte Sanktion könne mit den innerstaatlichen verwaltungsrechtlichen Geldbußen (Artikel 3 des italienischen Gesetzes Nr. 898 vom 23. Dezember 1986, GURI Nr. 299 vom 27. Dezember 1986) und mit dem Ausschluß einer späteren Beteiligung des EAGFL zusammentreffen, wie er in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 860/94 der Kommission vom 18. April 1994 über Pläne und Anträge in Form operationeller Programme auf eine Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Ausrichtung, für Investitionen zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 99, S. 7) vorgesehen sei. Durch diese Kumulierung entstuende der Klägerin ein Schaden, der gemessen an den beanstandeten Unregelmäßigkeiten völlig unverhältnismäßig sei.

98 Die streitige Sanktion sei um so unverhältnismäßiger, als der jetzige Inhaber des Unternehmens mit den Beanstandungen der Kommission nichts zu tun habe.

99 In der Erwiderung trägt die Klägerin schließlich außerdem vor, daß die Auffassung der Kommission, eine Beteiligung des EAGFL sei schon dann aufzuheben, wenn vor Beginn der Aktion Ausgaben getätigt worden seien, gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Sie führe nämlich zur Aufhebung der Beteiligung sowohl im Fall eines unabsichtlichen Fehlers als auch im Betrugsfall, was letztlich bedeute, daß unterschiedliche Situationen gleich behandelt würden.

100 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall wesentliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Gewährung des Zuschusses verletzt. Unter Verweisung auf Randnummer 160 des (oben in Randnr. 61 angeführten) Urteils Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission macht sie geltend, die einzige angemessene Antwort auf die Verletzung dieser Verpflichtungen bestehe hier in der Streichung des Zuschusses.

Würdigung durch das Gericht

101 Der in Artikel 3b Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 5 Absatz 3 EG) niedergelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt nach ständiger Rechtsprechung, daß die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Zieles geeignet und erforderlich ist (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Mai 1984 in der Rechtssache 15/83, Denkavit Nederland, Slg. 1984, 2171, Randnr. 25, und Urteil des Gerichts vom 19. Juni 1997 in der Rechtssache T-260/94, Air Inter/Kommission, Slg. 1997, II-997, Randnr. 144).

102 Der Gerichtshof hat außerdem darauf hingewiesen, daß die Gemeinschaftsorgane bei der Beurteilung eines komplexen Sachverhalts, wie er bei der gemeinsamen Agrarpolitik gegeben sei (in diesem Sinne insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1977 in der Rechtssache 29/77, Roquette, Slg. 1977, 1835, Randnr. 19), über einen weiten Ermessensspielraum verfügen. Bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung einer solchen Befugnis muß sich der Richter darauf beschränken, zu prüfen, ob der Behörde nicht ein offensichtlicher Fehler oder ein Ermessensmißbrauch unterlaufen ist oder ob sie die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in den Rechtssachen C-296/93 und C-307/93, Frankreich und Irland/Kommission, Slg. 1996, I-795, Randnr. 31).

103 Ferner kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Verstoß gegen die Verpflichtungen, deren Einhaltung für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Gemeinschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist, mit dem Verlust eines durch die Gemeinschaftsregelung verliehenen Anspruchs, etwa eines Beihilfeanspruchs, geahndet werden (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 12. Oktober 1995 in der Rechtssache C-104/94, Cereol Italia, Slg. 1995, I-2983, Randnr. 24, und die dort angeführte Rechtsprechung).

104 Wie oben in Randnummer 77 dargelegt, bezweckt die Verordnung Nr. 355/77 die Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, wobei die Verbesserung anhand eines Vergleichs des Zustands, der sich aus der finanzierten Aktion ergeben soll, mit demjenigen zu beurteilen ist, der vor Beginn der Durchführung des Vorhabens bestand. Außerdem ist der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 355/77 zu entnehmen, daß der Gesetzgeber ein wirksames Kontrollverfahren einführen wollte, um sicherzustellen, daß die Begünstigten die Voraussetzungen für die Gewährung des EAGFL-Zuschusses erfuellen. Wie sich schließlich aus Randnummer 71 dieses Urteils ergibt, ist die Erteilung zuverlässiger Angaben, die die Kommission nicht irreführen können, durch die Personen, die einen Zuschuß beantragen und erhalten könnten, für das ordnungsgemäße Funktionieren des Kontroll- und Beweissystems unerläßlich, das zur Nachprüfung namentlich der Erfuellung der Voraussetzung eingeführt worden ist, daß mit der Durchführung des Vorhabens nicht vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission begonnen wurde.

105 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eingeräumt, daß vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission mit Arbeiten für 1 780 663 116 ITL begonnen worden sei und daß die den Vertrag über den Kauf der Tetra-Pak-Verpackungsmaschine betreffende Unregelmäßigkeit einem Betrag von 470 000 000 ITL entspreche, was einen Gesamtbetrag von 2 250 663 116 ITL ausmacht. Da der Zuschuß des EAGFL in Höhe von 2 002 932 326 ITL bewilligt worden ist und sich die Investition auf insgesamt 8 036 600 000 ITL beläuft, entsprechen die beanstandeten Unregelmäßigkeiten 112 % des Zuschusses und 28 % der Investition. Darin, daß die Klägerin ihre Pflicht, mit den Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission zu beginnen, verletzt hat, daß sie die Kommission nicht informiert hat und daß sie in Beantwortung eines Auskunftsverlangens der Kommission eine mit dem Original nicht übereinstimmende Kopie eines Kaufvertrags über eine im bezuschußten Vorhaben genannte Maschine eingereicht hat, sind schwerwiegende Verletzungen wesentlicher Pflichten zu erblicken.

106 Zwar unterscheiden sich die Umstände des vorliegenden Falles von denen, über die das Gericht in der zu dem Urteil Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission führenden Rechtssache (oben, Randnr. 61) zu entscheiden hatte; doch durfte die Kommission davon ausgehen, daß jede andere Maßnahme als die Streichung des Zuschusses einen Anreiz zum Betrug darstellen könnte. Die Begünstigten könnten nämlich versucht sein, falsche Angaben zu machen oder bestimmte Informationen zu verheimlichen, um den Betrag einer bezuschußbaren Investition größer erscheinen zu lassen, um so eine höhere finanzielle Beteiligung der Gemeinschaft zu erhalten, wobei sie nur riskieren würden, daß diese Beteiligung um den Teil der Investition gekürzt weden könnte, bei dem eine Voraussetzung für die Zuschußgewährung nicht erfuellt ist.

107 Auch das Vorbringen der Klägerin, daß die Streichung des Zuschusses unverhältnismäßig sei, weil die beanstandeten Unregelmäßigkeiten Fedital und nicht ihr selbst zuzurechnen seien, ist zurückzuweisen. Aufgrund der oben in Randnummer 22 angeführten verschiedenen Veräußerungen hat sie nämlich die Rechte und Pflichten von Fedital übernommen.

108 Die bloße Möglichkeit schließlich, daß die gemeinschaftsrechtliche Sanktion mit innerstaatlichen verwaltungsrechtlichen Geldbußen zusammentreffen könnte, ist rein hypothetischer Natur und läßt jedenfalls allein noch nicht den Schluß zu, daß die im vorliegenden Fall angefochtene Maßnahme unverhältnismäßig ist. Es ist gegebenenfalls Sache der Klägerin, eine etwaige Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wegen Kumulierung gemeinschaftsrechtlicher und innerstaatlicher Sanktionen vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

109 Somit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die Streichung des Zuschusses gemessen an den gerügten Verfehlungen und dem Zweck der einschlägigen Regelung unverhältnismäßig war.

110 Demgemäß liegt der geltend gemachte Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vor.

3. Zum angeblichen Begründungsmangel

Vorbringen der Parteien

111 Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung sei unzureichend begründet und ermögliche es ihr nicht, die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde klar und eindeutig zu erkennen.

112 Zunächst gehe die angefochtene Entscheidung nicht ausführlich genug auf einige ihrer Einwände vom 3. August 1995 (siehe oben, Randnr. 31) ein. So habe sich die Kommission nicht mit den die Einwänden befaßt, mit denen sie dargetan habe, daß die streitigen Rechnungen, soweit sie ein Datum getragen hätten, das weniger als sechs Monate vor dem Beginn der Aktion gelegen habe, ordnungsgemäß gewesen seien und daß eine Maßnahme, die über eine Kürzung des Zuschusses hinausgehe, rechtswidrig sei.

113 Wenn das Verfahren für den Betroffenen das Recht vorsehe, zu den von der Kommission erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, so habe die Kommission die entsprechende Stellungnahme zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall habe jedoch die Kommission nicht dargelegt, weshalb die Argumente der Begünstigten die genannten Umstände nicht rechtfertigten. Insbesondere hätte sie die fehlerhaften Rechnungen aufzählen und die Gründe nennen müssen, aus denen die festgestellten Unregelmäßigkeiten das Vorhaben insgesamt in Mitleidenschaft zögen.

114 Außerdem sei die Kommission nicht auf die Einwände eingegangen, mit denen Massalombarda Colombani gegenüber dem Vorwurf einer Fälschung des Vertrages über den Kauf einer Verpackungsmaschine die gleichen Argumente geltend gemacht habe, wie die Klägerin sie im Rahmen dieses Verfahrens vorgetragen habe.

115 Schließlich habe die Kommission die Streichung des Zuschusses ohne eine Erklärung mit einem Hinweis auf Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 begründet, obwohl dieser nur die Aussetzung oder Kürzung, nicht aber die Streichung eines Zuschusses vorsehe.

116 Nach Ansicht der Kommission ist der Klagegrund zurückzuweisen, da die angefochtene Entscheidung hinreichend begründet ist.

Würdigung durch das Gericht

117 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung eines Rechtsakts gemäß Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig wiedergeben, daß die Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann. Ferner ist der Umfang der Begründungspflicht nach ihrem Zusammenhang zu beurteilen (Urteil Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, angeführt in Randnr. 61 dieses Urteils, Randnr. 140, und die dort angeführte Rechtsprechung).

118 In der angefochtenen Entscheidung wird auf die verschiedenen Stadien des Verfahrens Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß die dort insbesondere in der sechsten und der siebten Begründungserwägung festgestellten Unregelmäßigkeiten die Durchführungsbedingungen des Vorhabens änderten (18. Begründungserwägung) und daher nach Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 die Streichung des Zuschusses rechtfertigten.

119 Diese Begründung läßt klar und eindeutig die Überlegungen der Kommission erkennen und hat der Klägerin die Wahrnehmung ihrer Rechte und dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Kontrolle ermöglicht.

120 Insbesondere kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, unzureichend auf das in ihrer Stellungnahme enthaltene Vorbringen eingegangen zu sein, wonach die fraglichen Rechnungen ein Datum getragen hätten, das weniger als sechs Monate vor dem Eingang des Zuschußantrags liege, und daher als ordnungsgemäß anzusehen seien. Die Kommission hat nämlich in der sechsten Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung klar dargelegt, daß es gegen die von der Begünstigten in ihrem Zuschußantrag nach Maßgabe des Anhangs A der Verordnung Nr. 2515/85 eingegangene Verpflichtung verstoße, daß einige Käufe und Arbeiten vor Eingang des Zuschußantrags bei der Kommission, d. h. vor dem 27. Oktober 1988, getätigt oder ausgeführt worden seien. Es ist der angefochtenen Entscheidung klar zu entnehmen, daß die Kommission für die Zuschußfähigkeit der Ausgaben darauf abgestellt hat, daß die zu finanzierenden Käufe und Arbeiten nicht vor Eingang des Zuschußantrags bei ihr getätigt oder ausgeführt werden dürfen. Angesichts dieses Kriteriums war die Klägerin sehr wohl in der Lage, die der Zuschußempfängerin zugerechneten Unregelmäßigkeiten zu beurteilen.

121 Ebensowenig kann der Kommission zum Vorwurf gemacht werden, das Vorbringen der Klägerin unzureichend behandelt zu haben, wonach sich die Vorlage einer nicht originalgetreuen Kopie des Vertrages über den Kauf einer Tetra-Pak-Verpackungsmaschine nicht auf die Höhe des Zuschusses ausgewirkt hat und eine Maßnahme, die über eine Kürzung des Zuschusses hinausgeht, rechtswidrig ist. Die Beklagte hat nämlich erklärt, daß die festgestellten Unregelmäßigkeiten, wie sie in der angefochtenen Entscheidung dargestellt worden seien (siehe oben, Randnr. 33), die Durchführungsbedingungen für das fragliche Vorhaben veränderten und daß der Zuschuß insbesondere in Anbetracht von Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 zu streichen sei. Damit hat die Kommission das Vorbringen der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, daß erstens bestimmte Ausgaben angesichts der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Unregelmäßigkeiten nicht zuschußfähig seien, so daß sich dadurch die Höhe des Zuschusses ändere, daß zweitens Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4253/88 ihr die Befugnis zur Streichung des Zuschusses verleihe und daß drittens die Streichung des Zuschusses unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht unverhältnismäßig sei.

122 Im übrigen geht aus den von der Klägerin im Rahmen ihres Klagevorbringens gemachten Ausführungen hervor, daß sie die Gründe, die die Kommission zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung veranlaßt haben, verstanden hat.

123 Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung im Sinne von Artikel 190 EG-Vertrag hinreichend begründet, so daß der Klagegrund zurückzuweisen ist.

124 Infolgedessen ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

125 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Beklagten neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Beklagten.

Ende der Entscheidung

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