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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 27.11.2001
Aktenzeichen: T-222/00
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VO (EG) Nr. 659/1999


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 88 Abs. 3
EG-Vertrag Art. 87 Abs. 3a
EG-Vertrag Art. 230 Abs. 5
VO (EG) Nr. 659/1999 Art. 9
VO (EG) Nr. 659/1999 Art. 13 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Das in Artikel 88 Absatz 2 EG vorgesehene förmliche Prüfverfahren geht dem Erlass einer Entscheidung über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt voraus. Ein solches Verfahren wird von der Kommission eröffnet, wenn sie nach einer Vorprüfung der Auffassung ist, dass die mitgeteilte Maßnahme Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt begründet, oder wenn sie eine Entscheidung, durch die eine staatliche Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 659/1999 widerrufen möchte, weil diese auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruht, die ein für diese Entscheidung ausschlaggebender Faktor waren.

Erklärt die Kommission in einer Entscheidung eine staatliche Beihilfe für mit dem EG-Vertrag vereinbar, ohne das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten, und möchte ein Betroffener die ihm durch diese Vorschrift eröffneten Verfahrensgarantien wahrnehmen, muss er gegen diese Entscheidung innerhalb der in Artikel 230 Absatz 5 EG gesetzten Frist Klage vor dem Gemeinschaftsrichter erheben. Ist eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt getroffen und nicht aufgrund einer vor dem Gemeinschaftsrichter erhobenen Klage für nichtig erklärt worden, kann - vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 9 der Verordnung Nr. 659/1999 - das förmliche Prüfverfahren nicht mehr eingeleitet werden. Unter diesen Umständen stellt die Weigerung, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, keine Handlung dar, die gegenüber dem Betroffenen Rechtswirkungen erzeugt, da sie nur die Entscheidung bestätigt, die die Beihilfe genehmigt.

( vgl. Randnrn. 32-34, 40 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 27. November 2001. - Otto Wöhr GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Genehmigungsentscheidungen - Nichteintleitung des Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG - Beschwerde - Zulässigheit. - Rechtssache T-222/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-222/00

Otto Wöhr GmbH, Friolzheim (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Hebel und G. Walz,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K.-D. Borchardt als Bevollmächtigten im Bestand von Rechtsanwalt M. Nuñez Müller, Zustellungsanschrift in Luxemburg

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 2000, kein Hauptprüfungsverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG wegen der Beschwerde der Klägerin betreffend die staatlichen Beihilfen, welche der Hydraulik Markranstädt GmbH und der Hydraulik Seehausen GmbH von den deutschen Behörden gewährt wurden, einzuleiten,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, der Richterin V. Tiili sowie der Richter J. Pirrung, P. Mengozzi und A. W. H. Meij,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist eines der auf dem europäischen Markt der Produktion und Montage von Parksystemen für Autos tätigen Unternehmen. Sie stellt mechanische und elektronisch gesteuerte Parksysteme sowie so genannte Autotürme" her, die für die Lagerung und Präsentation von Automobilen Verwendung finden.

2 Die Hydraulik Markranstädt GmbH (Markranstädt) und die Hydraulik Seehausen GmbH (Seehausen) waren ehemals Staatsbetriebe der DDR und gehörten beide zum VEB Kombinat Orsta Hydraulik AG Leipzig. Die Otto Nußbaum GmbH & Co. KG (Nußbaum) mit Sitz in Kehl (Deutschland) kaufte am 10. Dezember 1992 Seehausen und am 3. Mai 1994 Markranstädt. Beide Unternehmen sind 100%ige Tochtergesellschaften von Nußbaum; sie stellen nach eigenen Angaben wesentliche Elemente von Parksystemen für Autos her sowie Parksysteme, die dann unter der Firma Nußbaum vertrieben werden. Nußbaum steht angeblich in direktem Wettbewerb zur Klägerin und stellt seit einigen Jahren ebenfalls Parksysteme her.

3 Mit Schreiben vom 7. April 1998 notifizierte die Bundesregierung der Kommission die Gewährung von Beihilfen an Markranstädt in Höhe von 6,09 Mio. DM und an Seehausen in Höhe von 8,56 Mio. DM. Mit Entscheidungen vom 26. Oktober 1999 und vom 10. November 1999 erklärte die Kommission aufgrund von Artikel 88 Absatz 3 EG diese Beihilfen gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Verwaltungsverfahren

4 Mit Schreiben an die Kommission vom 12. November 1999 forderte die Klägerin den Wortlaut von deren Entscheidung betreffend die staatliche Beihilfe zugunsten von Markranstädt an.

5 Mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 legte die Klägerin vorsorglich Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, die ihr bis dahin von der Kommission noch nicht im vollen Wortlaut übermittelt worden war. Zugleich beantragte sie die Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens betreffend die Markranstädt gewährte Beihilfe und forderte nochmals den Wortlaut der Kommissionsentscheidung an.

6 Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 teilte die Kommission der Klägerin mit, die Entscheidung betreffend Markranstädt sei gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG ergangen und den deutschen Behörden zur Stellungnahme zugesandt worden. Sie sagte der Klägerin zu, dieser die Entscheidung zukommen zu lassen, sobald ihr diese Stellungnahme vorliege. Sie wies die Klägerin ferner auf die bevorstehende Veröffentlichung der Entscheidung auf ihrer einschlägigen Internet-Seite hin. Die Kommission führte schließlich aus:

Die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens gemäß Artikel 88 Absatz 2 EGV ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da dazu eine vollständige Begründung der Beschwerde vorliegen muss."

7 Mit Schreiben vom 4. Januar 2000 forderte die Klägerin erneut den Wortlaut der Entscheidung betreffend Markranstädt an. Da die Klägerin erklärte, das Schreiben der Kommission vom 8. Dezember 1999 noch nicht erhalten zu haben, übersandte diese es ihr mit Schreiben vom 12. Januar 2000 erneut. Mit Schreiben vom 21. Januar 2000 forderte die Klägerin nochmals den vollständigen Wortlaut der fraglichen Entscheidung an.

8 Zusammenfassungen der Entscheidungen betreffend Seehausen und Markranstädt wurden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 19. Februar (ABl. C 46, S. 4) bzw. am 4. März 2000 (ABl. C 62, S. 18) veröffentlicht; der volle Wortlaut dieser Entscheidungen war der Kommission zufolge auf der im Amtsblatt angegebenen Internet-Seite veröffentlicht.

9 Der Klägerin zufolge wurde ihr die Entscheidung betreffend Markranstädt von der Kommission mit Schreiben vom 21. März 2000, eingegangen am 27. März 2000, zugestellt; durch diese Entscheidung habe sie zwangsläufig auch von der Entscheidung der Kommission betreffend Seehausen erfahren.

10 Mit Schreiben vom 25. Mai 2000 übersandte die Klägerin der Kommission die Begründung für ihre Beschwerde vom 2. Dezember 1999 wegen der Entscheidung betreffend Markranstädt. Zugleich beantragte sie nochmals, das förmliche Prüfverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten und durchzuführen.

11 Mit Schreiben vom 26. Mai 2000 legte die Klägerin auch gegen die Entscheidung über die Genehmigung der Beihilfe für Seehausen Beschwerde ein und beantragte, ein förmliches Prüfverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten.

12 Mit Schreiben vom 26. Juni 2000 teilte die Kommission der Klägerin daraufhin mit, die beiden fraglichen Entscheidungen seien abschließend und [könnten]... daher nicht mit dem Mittel der Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Eröffnung eines Hauptprüfverfahrens gemäß Artikel 88 Absatz 2, angegriffen werden".

13 Mit Schreiben vom 5. Juli 2000 bat die Klägerin insoweit um Aufklärung und wies darauf hin, dass die Kommission noch mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 ausgeführt habe, die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens sei dann möglich, wenn eine vollständige Begründung der Beschwerde vorliege.

14 Mit Schreiben vom 7. August 2000 antwortete die Kommission der Klägerin, gemäß Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABI. L 83, S. 1) könne sie eine Entscheidung nur dann widerrufen, wenn diese auf unrichtigen Informationen beruhe. Soweit eine Beschwerde hingegen mit einem angeblichen Rechts- bzw. Bewertungsfehler begründet werde, sei eine Überprüfung der streitigen Entscheidung nur auf dem Gerichtswege möglich.

Verfahren und Anträge der Parteien

15 Mit Klageschrift, die am 25. August 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

16 Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, vorab über die Unzulässigkeit der Klage zu entscheiden.

17 Die Klägerin hat zu dieser Einrede am 11. Dezember 2000 schriftlich Stellung genommen.

18 Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. Januar 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden.

19 Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen,

- über die Unzulässigkeit der Klage vorab zu entscheiden,

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20 Die Klägerin beantragt,

- die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen,

- die Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 2000, kein Hauptprüfverfahren betreffend die Markranstädt und Seehausen gewährten Beihilfen einzuleiten, für nichtig zu erklären,

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

21 Gemäß Artikel 114 § 4 der Verfahrensordnung kann das Gericht über die Unzulässigkeit einer Klage auf Antrag einer Partei vorab entscheiden. Nach § 3 dieses Artikels wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert, um ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

22 Die Kommission macht geltend, ihr Schreiben vom 26. Juni 2000 stelle keine anfechtbare Entscheidung dar; der Klägerin gehe es in Wirklichkeit um die Nichtigerklärung der Entscheidungen vom 26. Oktober und vom 10. November 1999 über die Genehmigung der Beihilfen zugunsten von Markranstädt und Seehausen. Die im Schreiben vom 8. Dezember 1999 enthaltene Antwort, die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, da dazu eine vollständige Begründung der Beschwerde vorliegen müsse, könne jedoch nicht herangezogen werden, um die Zulässigkeit der vorliegenden Klage zu belegen. Die Berufung der Klägerin auf Verfahrensrechte sei nicht begründet, und die vorliegende Klage sei unzulässig, auch wenn man unterstelle, ihr Gegenstand sei die Ablehnung eines Widerrufs der Entscheidungen vom 26. Oktober und vom 10. November 1999 nach den Artikeln 9 und 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999.

23 Die Klägerin trägt vor, ihre Klage sei zulässig. Sie sei durch die Wettbewerbsverzerrung, wie sie zugunsten von Markranstädt, Seehausen und nicht zuletzt Nußbaum durch die Entscheidung vom 26. Juni 2000 aufrechterhalten worden sei, in ihren Marktchancen unmittelbar und individuell betroffen.

24 Hätte die Beklagte gemäß der Verordnung Nr. 659/1999 gehandelt, so hätte sie in das Hauptprüfverfahren eintreten und der Klägerin gemäß Artikel 20 dieser Verordnung Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Da die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe sie der Klägerin zum einen den Schutz des Artikels 87 Absatz 1 EG verweigert und zum anderen deren Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Die Klägerin sei auch deshalb unmittelbar betroffen, weil ihr Antrag abschlägig beschieden worden sei, wodurch die in der Verordnung Nr. 659/1999 auch zu ihrem Schutz normierten Verfahrensvorschriften verletzt worden seien.

25 Das Schreiben vom 26. Juni 2000 sei eine anfechtbare Entscheidung im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG. Es handele sich hierbei nicht nur um eine klarstellende Belehrung der Klägerin. Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 habe die Beklagte die Möglichkeit der Eröffnung des Hauptprüfverfahrens zugesagt, falls die Begründung der Beschwerde der Klägerin Behauptungen enthielt, die eine solche Eröffnung notwendig machen würden. Die Beklagte habe sich also nicht darauf beschränkt, nur auf eine inzidente Ablehnung des Hauptprüfverfahrens zu verweisen, sondern die Klägerin ausdrücklich aufgefordert, ihre Beschwerden zu begründen, um sodann zu entscheiden, ob dieses Verfahren zu eröffnen sei, das der Klägerin Gelegenheit gegeben hätte, gemäß Artikel 20 der Verordnung Nr. 659/1999 Stellung zu den streitigen Beihilfen zu nehmen.

26 Dadurch, dass die Kommission in ihrem Schreiben vom 8. Dezember 1999 die Möglichkeit der Eröffnung eines Hauptprüfverfahrens vorgesehen habe, unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von denjenigen, die zu den Urteilen des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-154/94 (CSF und CSME/Kommission, Slg. 1996, II-1377) und des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P (Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719) geführt hätten, bei denen eine nachfolgende Ablehnung, das Hauptprüfverfahren zu eröffnen, nicht ausdrücklich ausgesprochen worden sei und nur mittelbar der Nichteröffnung dieses Verfahrens entnommen werden könne.

27 Da die Kommission diese von ihr selbst aufgezeigte Möglichkeit sodann mit der Entscheidung vom 26. Juni 2000 abgelehnt habe, liege hierin eine anfechtbare Entscheidung, da sie einen eigenständigen Regelungsinhalt habe und die Klägerin schlechter stelle als sie zuvor gestanden habe.

28 Die Argumentation der Beklagten wäre vielleicht dann richtig, wenn sie die Klägerin nicht aufgefordert hätte, die Beschwerden gegen die Beihilfeentscheidungen zu begründen, um sodann prüfen zu können, ob das Hauptprüfverfahren eröffnet werde. Hätte die Beklagte der Klägerin auf deren Beschwerden lediglich mitgeteilt, die ergangenen Beihilfeentscheidungen seien abschließend, hätte das angegriffene Schreiben vom 26. Juni 2000 keinen neuen und eigenständigen Regelungsinhalt.

29 Vielmehr habe die Beklagte die Klägerin zur Begründung aufgefordert und dabei zu erkennen gegeben, dass sie nach Vorlage der Begründung darüber entscheiden werde, ob das Hauptprüfverfahren eröffnet werde oder nicht. Die Beklagte habe auch keineswegs darauf verwiesen, dass gemäß Artikel 9 der Verordnung Nr. 659/1999 nur ein Widerruf der Entscheidung in Betracht kommen könne, sondern ausdrücklich auf die Möglichkeit der Eröffnung des Hauptprüfverfahrens hingewiesen.

30 Angesichts dessen könne nicht die Rede davon sein, dass die Zulässigkeit der vorliegenden Klage zu einer Umgehung des Artikels 230 Absatz 5 EG führe.

31 Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die vorliegende Klage könne auch dahin verstanden werden, dass ihr Gegenstand die Weigerung sei, ein Verfahren zum Widerruf der Entscheidungen über die Markranstädt und Seehausen gewährten Beihilfen aufgrund der Artikel 9 und 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 einzuleiten. Der Widerruf einer Entscheidung gemäß Artikel 9 dieser Verordnung komme in Betracht, wenn die erlassene Entscheidung auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruhe, die ein für die Entscheidung ausschlaggebender Faktor gewesen seien. Diese Voraussetzungen lägen aber bei den genannten Entscheidungen nicht vor. Wie in der Begründung der Beschwerden ausgeführt, seien die von der Marketingagentur Rehberg, auf deren Untersuchung die Entscheidung der Kommission über die Genehmigung der Beihilfen beruhe, gelieferten Informationen unrichtig und unvollständig.

Würdigung durch das Gericht

32 Das in Artikel 88 Absatz 2 EG vorgesehene förmliche Prüfverfahren geht dem Erlass einer Entscheidung über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt voraus. Ein solches Verfahren wird von der Kommission eröffnet, wenn sie nach einer Vorprüfung der Auffassung ist, dass die mitgeteilte Maßnahme Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt begründet.

33 Seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 659/1999 hat die Kommission ferner gemäß deren Artikel 9 ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, wenn sie eine Entscheidung, durch die eine staatliche Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird, widerrufen möchte, weil diese auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruht, die ein für diese Entscheidung ausschlaggebender Faktor waren.

34 Erklärt die Kommission in einer Entscheidung staatliche Beihilfen für mit dem EG-Vertrag vereinbar, ohne das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten, und möchte ein Betroffener die ihm durch diese Vorschrift eröffneten Verfahrensgarantien wahrnehmen, muss er gegen diese Entscheidung innerhalb der in Artikel 230 Absatz 5 EG gesetzten Frist Klage vor dem Gericht erheben (Urteile des Gerichtshofes vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, Randnr. 23, und vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 17; Urteile des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 45, und vom 16. September 1998 in der Rechtssache T-188/95, Waterleiding Maatschappij/Kommission, Slg. 1998, II-3713, Randnr. 53).

35 Im vorliegenden Fall ist Klagegegenstand ein Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 2000, wegen der Markranstädt und Seehausen von der Bundesrepublik Deutschland gewährten staatlichen Beihilfen kein förmliches Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten.

36 Diese Beihilfen wurden durch die Entscheidungen der Kommission vom 26. Oktober bzw. vom 10. November 1999 für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Diese Entscheidungen liegen somit vor den Anträgen, die die Klägerin am 25. und 26. Mai 2000 stellte und auf die die Entscheidung vom 26. Juni 2000 zurückgeht.

37 Der Klägerin zufolge hat die Kommission ihr die Entscheidung vom 26. Oktober 1999 betreffend Markranstädt mit Schreiben vom 21. März 2000, eingegangen am 27. März 2000, zugestellt; durch diese Entscheidung habe sie zwangsläufig auch von der Entscheidung der Kommission vom 10. November 1999 betreffend Seehausen erfahren.

38 Um die ihr durch Artikel 88 Absatz 2 EG eröffneten Verfahrensgarantien wahrzunehmen und die Einleitung des in dieser Bestimmung vorgesehenen förmlichen Prüfverfahrens zu erreichen, hätte die Klägerin rechtzeitig gegen die Entscheidungen über die Genehmigung der streitigen Beihilfen beim Gericht Klage erheben müssen.

39 Die Klägerin hat jedoch niemals Klage gegen diese Entscheidungen erhoben. Nachdem sie von ihnen Kenntnis erlangt hatte, hat sie lediglich mit Schreiben vom 25. und 26. Mai 2000 gegen die einzelnen Entscheidungen Beschwerde bei der Kommission eingelegt (siehe oben, Randnrn. 11 und 12).

40 Die in diesen Schriftsätzen enthaltenen Anträge auf Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG waren gegenstandslos. Ist nämlich eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt getroffen und nicht aufgrund einer vor dem Gemeinschaftsrichter erhobenen Klage für nichtig erklärt worden, kann ein solches Verfahren nicht mehr eingeleitet werden. Unter diesen Umständen stellt die Weigerung, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, keine Handlung dar, die gegenüber der Klägerin Rechtswirkungen erzeugt, da sie nur die beiden Entscheidungen bestätigt, die die Beihilfen genehmigen.

41 Im Zusammenhang mit dem Hilfsvorbringen der Klägerin, ihre Klage könne so ausgelegt werden, dass sie sich auf die Weigerung der Kommission beziehe, das Widerrufsverfahren nach Artikel 9 und 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 einzuleiten (siehe oben, Randnr. 31), bedarf es der Feststellung, ob der vorliegenden Klage ein solcher Gegenstand entnommen werden kann.

42 Sowohl aus der Klageschrift als auch aus den von der Klägerin an die Kommission gerichteten Schreiben, insbesondere den mit einer Begründung versehenen Beschwerden der Klägerin, ergibt sich, dass Gegenstand des von ihr an die Beklagte gestellten Antrags nicht die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens als Voraussetzung für einen Widerruf der Entscheidungen über die fraglichen Beihilfen nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 659/1999 war, da dieses Verfahren auf die Prüfung der Frage beschränkt ist, ob die Entscheidungen auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruhen, die ein für diese Entscheidungen ausschlaggebender Faktor waren.

43 Die Klägerin hat nicht den Widerruf der Entscheidungen der Kommission vom 26. Oktober und vom 10. November 1999 beantragt, mit denen die staatlichen Beihilfen zugunsten von Markranstädt und Seehausen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurden.

44 Sie hat gegenüber der Kommission auch nicht geltend gemacht, diese Entscheidungen müssten widerrufen werden, weil sie auf während des Verfahrens übermittelten unrichtigen Informationen beruhten, die ein für diese Entscheidungen ausschlaggebender Faktor gewesen seien.

45 Die Klägerin hat bei der Beklagten vielmehr ausdrücklich die Eröffnung des in Artikel 88 Absatz 2 EG vorgesehenen förmlichen Prüfverfahrens beantragt, das von der Kommission eingeleitet werden muss, wenn sie Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt hat, und zwar bevor sie eine Entscheidung über diese Beihilfe trifft. Ein solches Verfahren erfordert zwangsläufig eine rechtliche Untersuchung des betreffenden Sachverhalts und ist - im Unterschied zu demjenigen, das einem etwaigen Widerruf vorangeht - nicht auf eine bloße Tatsachenfeststellung beschränkt.

46 Unter diesen Umständen kann die vorliegende Klage nicht so verstanden werden, dass sie eine angebliche Weigerung der Kommission zum Gegenstand hat, das Widerrufsverfahren nach den Artikeln 9 und 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 einzuleiten (siehe oben, Randnr. 31).

47 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch den Inhalt des Schreibens der Kommission vom 8. Dezember 1999 (siehe oben, Randnr. 6) in Frage gestellt.

48 Auch wenn die Kommission die Klägerin bedauerlichweise nicht zutreffend und vollständig über ihre Rechtsstellung informiert hat, ändert dies nämlich nichts an den im vorliegenden Fall geltenden Vorschriften betreffend die zur Anfechtung von Kommissionsentscheidungen über staatliche Beihilfen gegebenen Rechtsbehelfe. Diese Vorschriften, wie sie sich aus der Rechtsprechung ergeben, sind im Übrigen hinreichend klar, so dass die Klägerin die Zulässigkeit ihrer Klage nicht auf das Schreiben der Kommission vom 8. Dezember 1999 stützen kann.

49 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann ihre Klage also nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Weigerung der Kommission, das Widerrufsverfahren nach den Artikeln 9 und 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 einzuleiten, zum Gegenstand hat.

50 Aufgrund all dessen ist die Klage gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung als unzulässig abzuweisen.

51 Unter diesen Umständen ist der Streithilfeantrag der Bundesrepublik Deutschland erledigt.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

53 In diesem Zusammenhang ist der Kommission vorzuwerfen, dass sie durch ihr Schreiben vom 8. Dezember 1999 in der Klägerin den Eindruck erweckt hat, die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG sei noch möglich, und dass sie erst nach Ablauf der Frist für die Erhebung einer Klage gegen die Entscheidungen über die Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt darauf hingewiesen hat, dass eine auf einen Rechtsfehler oder eine falsche Einschätzung gestützte Anfechtung nur vor Gericht erfolgen könne.

54 Nach Auffassung das Gerichts hat daher jede Partei ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

3. Der Streithilfeantrag der Bundesrepublik Deutschland ist erledigt.

Ende der Entscheidung

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