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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.11.1998
Aktenzeichen: T-222/97
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 857/84, Verordnung (EWG) Nr. 804/68, Verordnung (EWG) Nr. 1371/84, EGV
Vorschriften:
Verordnung (EWG) Nr. 857/84 | |
Verordnung (EWG) Nr. 804/68 Art. 5c | |
Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 | |
EGV Art. 215 Abs. 2 |
Die Verjährungsfrist des Artikels 43 der Satzung des Gerichtshofes für Klagen aus ausservertraglicher Haftung gegen die Gemeinschaft läuft nicht, bevor der Tatbestand der Ersatzpflicht erfuellt ist, und insbesondere - in Fällen, in denen die Haftung auf einen Rechtsetzungsakt zurückgeht - nicht vor Eintritt der Schadensfolgen dieses Aktes.
In bezug auf den Schaden, der den Erzeugern von Milch und Milcherzeugnissen entstanden ist, denen aufgrund von Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen, die sie gemäß der Verordnung Nr. 1078/77 eingegangen sind, unter Berücksichtigung der Verordnung Nr. 857/84 keine Referenzmenge zugeteilt werden konnte und die dementsprechend keine von der Zusatzabgabe freie Menge vermarkten konnten, beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag zu laufen, an dem die betreffenden Erzeuger nach dem Ablauf ihrer Nichtvermarktungsverpflichtung die Milchlieferungen hätten wiederaufnehmen können, wenn ihnen nicht eine Referenzmenge verweigert worden wäre, also in den Fällen, in denen die Verpflichtungen vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 857/84 abgelaufen waren, zu diesem Zeitpunkt.
Da dieser Schaden ausserdem nicht auf einmal entstanden ist, sondern sich über eine gewisse Zeit dadurch täglich fortgesetzt hat, daß die rechtswidrige Handlung Geltung behielt, erfasst die Verjährung des Artikels 43 der Satzung nach Maßgabe des Zeitpunkts der Unterbrechungshandlung den mehr als fünf Jahre vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum, ohne die später entstandenen Ansprüche zu beeinflussen.
Was insbesondere den Begriff der Unterbrechungshandlung betrifft, so stellt der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung, der in der Mitteilung des Rates und der Kommission betreffend den späteren Erlaß der Verordnung Nr. 2187/93 über das Angebot einer Entschädigung an die betroffenen Erzeuger zum Ausdruck gekommen ist, keine solche Handlung dar. Nach dem Wortlaut der Mitteilung ist nämlich lediglich eine Selbstbeschränkung hinsichtlich der Geltendmachung der Verjährung vorgesehen, die den Erzeugern unter den in der Verordnung Nr. 2187/93 genannten Voraussetzungen zugute kommen konnte, wobei dieser Verzicht seine Wirkung mit Ablauf der Frist für die Annahme des Entschädigungsangebots verlor; ab diesem Zeitpunkt konnten sich die Organe, wenn das Angebot nicht angenommen und keine Klage erhoben worden war, daher erneut auf Verjährung berufen.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 25. November 1998. - Alfons Steffens gegen Rat der Europäischen Union und Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Schadenersatzklage - Außervertragliche Haftung - Milch - Zusatzabgabe - Referenzmenge - Erzeuger, die Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen eingegangen sind - Entschädigung Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 - Verjährung. - Rechtssache T-222/97.
Entscheidungsgründe:
Rechtlicher Rahmen
1 Angesichts eines Überschusses bei der Milcherzeugung in der Gemeinschaft erließ der Rat 1977 die Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl. L 131, S. 1). In dieser Verordnung wurde den Erzeugern als Gegenleistung für die Übernahme einer für einen Zeitraum von fünf Jahren geltenden Verpflichtung zur Nichtvermarktung oder Umstellung der Bestände eine Prämie angeboten.
2 Um der anhaltenden Überproduktion entgegenzuwirken, erließ der Rat 1984 die Verordnung (EWG) Nr. 856/84 vom 31. März 1984 (ABl. L 90, S. 10) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13). Durch den neuen Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 wurde eine "Zusatzabgabe" auf die von den Erzeugern gelieferten Milchmengen eingeführt, die über eine "Referenzmenge" hinausgehen.
3 In der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 (ABl. L 90, S. 13) wurde für jeden Erzeuger auf der Grundlage der in einem Referenzjahr gelieferten Erzeugung die Referenzmenge festgesetzt.
4 Mit Urteilen vom 28. April 1988 in den Rechtssachen 120/86 (Mulder, Slg. 1988, 2321; im folgenden: Urteil Mulder I) und 170/86 (Von Deetzen, Slg. 1988, 2355) erklärte der Gerichtshof die Verordnung Nr. 857/84 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1371/84 der Kommission vom 16. Mai 1984 mit den Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Artikel 5c der Verordnung Nr. 804/68 (ABl. L 132, S. 11) ergänzten Fassung wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes für ungültig.
5 Um den genannten Urteilen nachzukommen, erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 764/89 vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 (ABl. L 84, S. 2). Nach dieser neuen Verordnung erhielten die Erzeuger, die Nichtvermarktungs- oder Umstellungsverpflichtungen eingegangen waren, eine (auch "Quote" genannte) "spezifische" Referenzmenge.
6 Die Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge war von mehreren Voraussetzungen abhängig. Ausserdem war die Referenzmenge auf die Milch- oder Milchäquivalenzmenge beschränkt, die der Erzeuger in den zwölf vor dem Monat der Stellung des Antrags auf die Nichtvermarktungs- oder Umstellungsprämie liegenden Monaten verkauft hatte.
7 Einige der Voraussetzungen für die Zuteilung und die Beschränkung der spezifischen Referenzmenge auf 60 % wurden vom Gerichtshof mit Urteilen vom 11. Dezember 1990 in den Rechtssachen C-189/89 (Spagl, Slg. 1990, I-4539) und C-217/89 (Pastätter, Slg. 1990, I-4585) für ungültig erklärt.
8 Im Anschluß an diese Urteile erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 vom 13. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 857/84 (ABl. L 150, S. 35), mit der den betroffenen Erzeugern eine spezifische Referenzmenge zugeteilt wurde.
9 Einer der Erzeuger, die die Klage eingereicht hatten, die mit dem Urteil Mulder I zur Feststellung der Ungültigkeit der Verordnung Nr. 857/84 führte, hatte inzwischen zusammen mit anderen Erzeugern gegen den Rat und die Kommission eine Klage auf Ersatz des durch die Nichtzuteilung einer Referenzmenge aufgrund dieser Verordnung entstandenen Schadens erhoben.
10 Mit Urteil vom 19. Mai 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-104/89 und C-37/90 (Mulder u. a./Rat und Kommission, Slg. 1992, I-3061; im folgenden: Urteil Mulder II) entschied der Gerichtshof, daß die Gemeinschaft für diese Schäden hafte.
11 Im Anschluß an dieses Urteil veröffentlichten der Rat und die Kommission am 5. August 1992 die Mitteilung 92/C 198/04 (ABl. C 198, S. 4). Unter Hinweis auf die Auswirkungen des Urteils Mulder II, und um dessen volle Wirksamkeit zu gewährleisten, brachten die Organe ihren Willen zum Ausdruck, die praktischen Modalitäten für die Entschädigung der betroffenen Erzeuger zu erlassen. Sie verpflichteten sich, bis zum Erlaß dieser Modalitäten gegenüber allen entschädigungsberechtigten Erzeugern von der Geltendmachung der Verjährung gemäß Artikel 43 der EWG-Satzung des Gerichtshofes (im folgenden: Satzung) abzusehen, soweit der Entschädigungsanspruch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Mitteilung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Erzeuger an eines der Organe wandte, noch nicht verjährt war.
12 Später erließ der Rat die Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 vom 22. Juli 1993 über das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von Milch oder Milcherzeugnissen, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert waren (ABl. L 196, S. 6). Mit dieser Verordnung wird den Erzeugern, denen unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund der Anwendung der im Urteil Mulder II genannten Regelung ein Schaden entstanden ist, eine pauschale Entschädigung angeboten.
Sachverhalt
13 Der Kläger ist Milcherzeuger in Deutschland. Da er im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 eine Verpflichtung übernommen hatte, die am 12. Oktober 1983 endete, erzeugte er während des aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 gewählten Referenzjahres keine Milch. Infolgedessen konnte er keine Referenzmenge erhalten und daher nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 857/84 auch keine von der Zusatzabgabe freie Milchmenge vermarkten.
14 Nach dem Erlaß der Verordnung Nr. 1639/91 erhielt der Kläger eine Referenzmenge. Somit konnte er die Milcherzeugung am 15. Juni 1991 wiederaufnehmen.
15 Mit Schreiben vom 14. Januar 1993 begehrte er von der Kommission Schadensersatz. In ihrer Antwort vom 10. Februar 1993 schlug die Kommission dem Kläger vor, die durch die Mitteilung vom 5. August 1992 angekündigte Entschädigungsverordnung abzuwarten. Sie wies darauf hin, daß die Gemeinschaftsorgane sich verpflichtet hatten, bis zum Ablauf der in dieser Verordnung vorzusehenden Frist von der Geltendmachung der Verjährung abzusehen.
16 Mit Schreiben vom 30. September 1993 forderte der Kläger die zuständigen nationalen Behörden auf, ihm ein Entschädigungsangebot gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 zu unterbreiten. Mit Schreiben der zuständigen nationalen Behörden vom 25. Januar 1994 erhielt er im Namen und für Rechnung des Rates und der Kommission ein Angebot über 10 061,54 DM. Er nahm dieses Angebot nicht innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2187/93 an.
17 Mit am 7. Juni 1994 eingegangenem Schreiben teilte der Kläger der Kommission mit, daß er das Angebot nicht annehmen könne, da er mit der Berechnung der vorgeschlagenen Entschädigung nicht einverstanden sei. In ihrer Antwort vom 5. August 1994 gewährte die Kommission unter Hinweis darauf, daß das Angebot nur ohne Bedingungen angenommen werden könne und daß im Falle der Ablehnung der Klageweg zum Gericht eröffnet sei, für eine mögliche Annahme eine weitere Frist von zehn Tagen. Der Kläger beantwortete dieses Schreiben nicht.
Verfahren und Anträge der Parteien
18 Mit Klageschrift, die am 30. Juli 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage eingereicht.
19 Er beantragt, die Beklagten zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 69 503,40 DM zuzueglich 8 % Zinsen pro Jahr seit dem 1. Oktober 1993 an ihn zu zahlen.
20 Der Rat und die Kommission als Beklagte beantragen,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Begründetheit
21 Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrags vor, daß er zu den Milcherzeugern gehöre, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert gewesen seien, da er zwischen 1984 und 1992 keine Milch habe liefern können. Dementsprechend sei ihm ein Schaden entstanden, auf dessen vollständigen Ersatz er Anspruch habe. Er trägt vor, daß die in der Verordnung Nr. 2187/93 enthaltene Verjährungsregelung rechtswidrig sei, so daß er entgegen dieser Regelung Anspruch auf Ersatz des in den Jahren 1984 bis 1987 entstandenen Schadens habe.
22 Gestützt auf Einkünfte in Höhe von 0,60 DM je kg Milch beziffert er seinen Schaden auf 69 503,40 DM.
23 In der Sitzung hat der Kläger auf das Vorbringen der Beklagten zur Verjährung erwidert, daß die Verjährungsfrist gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 spätestens mit der Mitteilung vom 5. August 1992 für alle Erzeuger unterbrochen gewesen sei. Diese Unterbrechung habe nach den Grundsätzen, die der Mehrzahl der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam seien und auf die Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag verweise, zur Folge gehabt, daß ab diesem Zeitpunkt eine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen habe.
24 Daß der Kläger das ihm gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 unterbreitete Entschädigungsangebot abgelehnt habe, habe nicht verhindert, daß ihm diese neue Verjährungsfrist zugute komme. Die Ablehnung habe nur bewirkt, daß die Beklagten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an das Angebot gebunden gewesen seien.
25 Die Beklagten wenden sich mit drei Gründen gegen den Anspruch des Klägers: Dieser habe während eines Teils der Zeit, für die er Schadensersatz beantrage, Milch erzeugen können; die geltend gemachten Ansprüche seien ganz oder teilweise verjährt; die beantragte Summe sei überhöht.
26 Die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft für einen durch ihre Organe verursachten Schaden setzt nach Artikel 215 Absatz 2 EG-Vertrag voraus, daß ein Tatbestand erfuellt ist, dessen Merkmale die Rechtswidrigkeit des dem Gemeinschaftsorgan zur Last gelegten Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden sind (Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1981 in den Rechtssachen 197/80, 198/80, 199/80, 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, Ludwigshafener Walzmühle u. a./Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211, Randnr. 18, und des Gerichts vom 17. Februar 1998 in der Rechtssache T-107/96, Pantochim/Kommission, Slg. 1998, II-311, Randnr. 48).
27 Auf dem Gebiet der Haftung für Rechtsetzungsakte muß das der Gemeinschaft vorgeworfene Verhalten nach ständiger Rechtsprechung (Urteile des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975, Randnr. 11, und vom 25. Mai 1978 in den Rechtssachen 83/76 und 94/76, 4/77, 15/77 und 40/77, HNL u. a./Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209, Randnr. 4, Urteil des Gerichts vom 15. April 1997 in der Rechtssache T-390/94, Schröder u. a./Kommission, Slg. 1997, II-501, Randnr. 52) eine Verletzung einer höherrangigen, den einzelnen schützenden Rechtsnorm darstellen. Wenn das Organ die Handlung in Ausübung eines weiten Ermessens erlassen hat, wie dies auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik der Fall ist, muß diese Verletzung ausserdem hinreichend qualifiziert, d. h. offenkundig und schwerwiegend sein (Urteile des Gerichtshofes HNL u. a./Rat und Kommission, a. a. O., Randnr. 6, vom 8. Dezember 1987 in der Rechtssache 50/86, Grands Moulins de Paris/EWG, Slg. 1987, 4833, Randnr. 8, und Mulder II, Randnr. 12, Urteil des Gerichts vom 9. Dezember 1997 in den Rechtssachen T-195/94 und T-202/94, Quiller und Heusmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-2247, Randnrn. 48 und 49).
28 Wie die Organe in ihrer Mitteilung vom 5. August 1992 anerkannt haben, haftet die Gemeinschaft nach dem Urteil Mulder II jedem Erzeuger, dem dadurch ein Schaden entstanden ist, daß er aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 an der Milchlieferung gehindert war.
29 Nach den zu den Akten gegebenen Unterlagen befindet sich der Kläger, der 1991 eine spezifische Referenzmenge erhalten hat, in der gleichen Lage wie die in dieser Mitteilung genannten Erzeuger. Da er im Rahmen der Verordnung Nr. 1078/77 eine Nichtvermarktungsverpflichtung übernommen hatte, war er bei Ablauf dieser Verpflichtung aufgrund der Verordnung Nr. 857/84 gehindert, die Vermarktung von Milch wiederaufzunehmen. Dies wird übrigens dadurch bestätigt, daß er am 25. Januar 1994 von den zuständigen deutschen Behörden gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 im Namen und für Rechnung des Rates und der Kommission ein Entschädigungsangebot erhielt, das er nicht annahm. Dem Kläger stand daher grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz seines Schadens zu.
30 Es ist jedoch zu prüfen, ob und inwieweit dieser Anspruch verjährt ist.
31 Nach ständiger Rechtsprechung läuft die Verjährungsfrist des Artikels 43 der Satzung nicht, bevor der Tatbestand der Ersatzpflicht erfuellt ist, und insbesondere - in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Haftung auf einen Rechtsetzungsakt zurückgeht - nicht vor Eintritt der Schadensfolgen dieses Aktes (Urteile des Gerichtshofes vom 27. Januar 1982 in den Rechtssachen 256/80, 257/80, 265/80, 267/80 und 5/81, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, Slg. 1982, 85, und in der Rechtssache 51/81, De Franceschi/Rat und Kommission, Slg. 1982, 117, Randnrn. 10, Urteil des Gerichts vom 16. April 1997 in der Rechtssache T-20/94, Hartmann/Rat und Kommission, Slg. 1997, II-597 - im folgenden: Urteil Hartmann -, Randnr. 107).
32 Dem Kläger ist ein Schaden ab dem Tag entstanden, an dem er nach dem Ablauf seiner Nichtvermarktungsverpflichtung die Milchlieferungen hätte wiederaufnehmen können, wenn ihm nicht eine Referenzmenge verweigert worden wäre. Da die Nichtvermarktungsverpflichtung im Oktober 1983 abgelaufen war, trat dieser Schaden somit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 857/84, also am 1. April 1984, ein. Daher begann an diesem Tag die Verjährungsfrist zu laufen.
33 Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, daß die Ansprüche des Klägers fünf Jahre nach dem Beginn der Verjährungsfrist in vollem Umfang verjährt seien.
34 Der Schaden, den die Gemeinschaft ersetzen muß, ist nämlich nicht auf einmal entstanden. Sein Eintritt hat sich über eine gewisse Zeit - solange der Kläger keine Referenzmenge erhalten und daher keine Milch liefern konnte - dadurch täglich fortgesetzt, daß eine rechtswidrige Handlung Geltung behielt. Folglich erfasst die Verjährung des Artikels 43 der Satzung nach Maßgabe des Zeitpunkts der Unterbrechungshandlung den mehr als fünf Jahre vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum, ohne die später entstandenen Ansprüche zu beeinflussen (Urteil Hartmann, Randnr. 132).
35 Nach Artikel 43 der Satzung wird die Verjährung nur durch die Einreichung einer Klageschrift bei einem Gericht der Gemeinschaften oder durch vorherige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem zuständigen Organ der Gemeinschaft unterbrochen.
36 Das Argument des Klägers, der in der Mitteilung vom 5. August 1992 vorgesehene Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung habe dazu geführt, eine neue Verjährungsfrist zum Laufen zu bringen, ist zurückzuweisen.
37 Wie die Beklagten betonen, ist in der Mitteilung nämlich von einem Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung und nicht von deren Unterbrechung die Rede. Sie hat lediglich eine Selbstbeschränkung hinsichtlich der Geltendmachung der Verjährung vorgesehen, die den Erzeugern unter den in der Verordnung Nr. 2187/93 genannten Voraussetzungen zugute kommen konnte (vgl. Urteil Hartmann, Randnr. 137).
38 Der Verzicht war eine einseitige Handlung, die in dem Bestreben, die Zahl der Klagen zu beschränken, die Erzeuger dazu bewegen sollte, die Anwendung des in der Verordnung Nr. 2187/93 vorgesehenen Systems der Pauschalentschädigung abzuwarten (vgl. in diesem Sinne Urteil Hartmann, Randnr. 136).
39 Nach dieser Verordnung konnten die Erzeuger verlangen, daß ihnen ein Entschädigungsangebot unterbreitet werde, für das eine Annahmefrist von zwei Monaten galt. Im Fall der Ablehnung des Angebots konnten sie innerhalb dieser Zweimonatsfrist, während deren ihnen weiterhin der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung zugute kam, eine Schadensersatzklage erheben (Urteil Hartmann, Randnr. 138).
40 Unter Berücksichtigung seines Zweckes (siehe Randnr. 38) verlor dieser Verzicht seine Wirkung mit Ablauf der Frist für die Annahme des Entschädigungsangebots. Ab diesem Zeitpunkt konnten sich die Organe, wenn das Angebot nicht angenommen und keine Klage erhoben worden war, daher erneut auf Verjährung berufen.
41 Der Kläger erhielt das Entschädigungsangebot am 28. Januar 1994. Er hat es innerhalb der Zweimonatsfrist gemäß der Verordnung Nr. 2187/93 nicht angenommen und innerhalb dieser Frist auch keine Schadensersatzklage erhoben. Diese Frist wurde später mit Schreiben der Kommission vom 5. August 1994 für den Kläger bis zum Ablauf einer letzten Frist von zehn Tagen verlängert (siehe Randnr. 17). Auch während dieser Verlängerung hat der Kläger weder das Angebot angenommen noch eine Klage erhoben. Er kann sich daher nicht auf den in der Mitteilung vom 5. August 1992 enthaltenen Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung berufen.
42 Selbst wenn das an die Kommission gerichtete Schreiben vom Juni 1994, in dem der Kläger die Höhe des Entschädigungsangebots beanstandete, als vorherige Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von Artikel 43 der Satzung zu beurteilen wäre, hätte der Kläger innerhalb der Zweimonatsfrist des Artikels 173 EG-Vertrag, auf den Artikel 43 der Satzung verweist, keine Klage erhoben.
43 Die Klage wurde am 30. Juli 1997 eingereicht. Der dem Kläger zuletzt entstandene Schaden ist mehr als fünf Jahre vor diesem Tag eingetreten, nämlich im Jahr 1991, in dem er die Milcherzeugung wiederaufnehmen konnte.
44 Demnach ist die Klage verspätet erhoben worden, da sämtliche Ansprüche des Klägers bereits verjährt waren.
45 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
46 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm dem Antrag der Beklagten gemäß die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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