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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: T-227/99
Rechtsgebiete: Entscheidung 1999/675/EG, Entscheidung 2000/336/EG, Richtlinie 90/684/EWG, EGV


Vorschriften:

Entscheidung 1999/675/EG
Entscheidung 2000/336/EG
Richtlinie 90/684/EWG
EGV Art. 87
EGV Art. 88
EGV Art. 213 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Für einen Beschluss der Kommission über die Beurlaubung" eines ihrer Mitglieder findet sich weder in den Bestimmungen des EG-Vertrags noch in der Geschäftsordnung der Kommission eine Rechtsgrundlage.

In einer Situation, in der ein solcher Beschluss in Bezug auf ein zurückgetretenes Mitglied erlassen wird, kann er weder dessen Eigenschaft als Mitglied der Kommission beeinflussen noch Artikel 215 Absatz 4 EG seine rechtliche Wirkung nehmen, wonach [a]ußer im Fall der Amtsenthebung nach Artikel 216... die Mitglieder der Kommission bis zur Neubesetzung ihres Sitzes im Amt [bleiben]". Dieser Beschluss kann somit nicht als eine Entscheidung angesehen werden, die Zahl der Mitglieder der Kommission herabzusetzen, die gemäß Artikel 213 Absatz 1 Unterabsatz 2 EG nur vom Rat einstimmig getroffen werden kann. Denn durch diesen Beschluss beurlaubt die Kommission das Mitglied lediglich in Erwartung der Bestimmung seines Nachfolgers im gegenseitigen Einvernehmen der Regierungen der Mitgliedstaaten oder der einstimmigen Entscheidung des Rates, einen Nachfolger nicht zu ernennen.

Daher wird die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission, die in Anwesenheit und mit der Mehrheit ihrer Mitglieder nach Artikel 219 Absätze 2 und 3 EG und den darin genannten Bestimmungen angenommen wird, durch einen Beschluss der Kommission über die Beurlaubung" eines ihrer Mitglieder nicht in Frage gestellt.

( vgl. Randnrn. 57-58, 60 )

2. Ein zurückgetretenes Mitglied der Kommission, das anschließend in das Europäische Parlament gewählt wird und dessen parlamentarisches Mandat erst an dem Tag beginnt, an dem dieses Organ zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt, missachtet seine Pflicht zur Unabhängigkeit nach Artikel 213 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 EG nicht, wenn es noch vor diesem Zeitpunkt an einer Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder teilnimmt, in der eine Entscheidung erlassen wird.

Außerdem gibt es keinen Beleg dafür, dass vor der Konstituierung des neuen Parlaments eine greifbare Gefahr für die Unabhängigkeit dieses Kommissionsmitglieds besteht. Denn die von einem Mitglied in seiner Rücktrittserklärung geäußerte Absicht, sein Abgeordnetenmandat auszuüben, kann als solche genauso wenig wie die bloße Feststellung der Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer politischen Partei den Verlust an Unabhängigkeit beweisen.

( vgl. Randnrn. 74-75 )

3. Die Richtlinie 90/684 in der Fassung der Richtlinie 92/68 über Beihilfen für den Schiffbau zugunsten von in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bestehenden Werften, die einen Abbau der Schiffbaukapazität verlangt, damit eine staatliche Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen wird, enthält keine Definition des Begriffes der Kapazität. Die Kommission hat daher bei der Auslegung dieses Begriffes ein gewisses Ermessen.

Außerdem stellt die Neubaukapazität zwar ihrem Wesen nach eine Kapazität zur Produktion dar, doch ist dieser Begriff als solcher nicht identisch mit dem Begriff der tatsächlichen Produktion oder mit dem Begriff der höchstmöglichen Produktion unter optimalen Bedingungen. Danach ist es möglich, dass eine Kapazitätsgrenze die Produktion, die unter normal günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann, betrifft und nicht eine höchstmögliche tatsächliche Produktion ausdrückt, die selbst im Fall außergewöhnlich günstiger Umstände nicht überschritten werden kann.

Die Kommission begeht einen offensichtlichen Ermessensfehler, wenn sie in Entscheidungen, die staatliche Beihilfen für den Schiffbau für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklären, im Widerspruch zu ihrem Vorgehen in den Genehmigungsentscheidungen für diese Beihilfen den Begriff der Kapazitätsbegrenzung einer Begrenzung der tatsächlichen Produktion gleichstellt.

( vgl. Randnrn. 91, 105-106, 110 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 28. Februar 2002. - Kvaerner Warnow Werft GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Schiffbau - Ehemalige DDR - Richtlinien 90/684/EWG und 92/68/EWG - Kapazitätsgrenze - Zusammensetzung der Kommission - Beurlaubung vom Amt eines Kommissionsmitglieds - Wahl von Kommissionsmitgliedern in das Europäische Parlament. - Verbundene Rechtssachen T-227/99 und T-134/00.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-227/99 und T-134/00

Kvaerner Warnow Werft GmbH mit Sitz in Rostock-Warnemünde (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Schütte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K.-D. Borchardt als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 1999/675/EG der Kommission vom 8. Juli 1999 in ihrer geänderten Fassung und der Entscheidung 2000/336/EG der Kommission vom 15. Februar 2000 über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (ABl. L 274, S. 23, bzw. ABl. L 120, S. 12)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi, des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin V. Tiili sowie der Richter R. M. Moura Ramos und J. D. Cooke,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt

1 Die Richtlinie 90/684/EWG des Rates vom 21. Dezember 1990 über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 380, S. 27) sieht unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Gewährung von staatlichen Betriebsbeihilfen, Investitionsbeihilfen, Schließungsbeihilfen sowie Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen zugunsten von Schiffbaubetrieben vor.

2 Gemäß Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c dieser Richtlinie, eingefügt durch die Richtlinie 92/68/EWG des Rates vom 20. Juli 1992 zur Änderung der Richtlinie 90/684 (ABl. L 219, S. 54), können Betriebsbeihilfen für das Neubau- und Umbaugeschäft der Werften, die am 1. Juli 1990 im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik bestanden, bis zum 31. Dezember 1993 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern sich die Bundesrepublik Deutschland bereit erklärt, bis zum 31. Dezember 1995 eine echte, irreversible Stilllegung von Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene Schiffbaukapazität von 545 000 cgt (compensated gross tonnage [gewichtete Bruttoraumzahl]), zu veranlassen.

3 Nach Artikel 6 der Richtlinie 90/684 dürfen "Investitionsbeihilfen... für die Errichtung neuer Werften oder für Investitionen in bereits bestehende Werften nur dann gewährt werden, wenn sie an einen Umstrukturierungsplan, der zu keiner Steigerung der Schiffbaukapazität dieser Werft führt, gebunden oder, im Falle einer Kapazitätsausweitung, mit einem entsprechenden endgültigen Abbau der Kapazität anderer Werften in dem gleichen Zeitraum in demselben Mitgliedstaat unmittelbar verbunden sind.... Investitionsbeihilfen [dürfen] als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, sofern... Höhe und Intensität derartiger Beihilfen durch den Umfang der betreffenden Umstrukturierungsbemühungen gerechtfertigt sind [und] sie auf einen Beitrag zur Deckung der mit der Investition unmittelbar verbundenen Kosten beschränkt sind".

4 Die ostdeutsche Warnow Werft wurde 1992 von der Treuhandanstalt, einer mit der Umstrukturierung der früheren Betriebe der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik betraute Anstalt des öffentlichen Rechts, an den norwegischen Kvaerner-Konzern verkauft. In dem Kaufvertrag, den die Bundesrepublik Deutschland der Kommission zusandte, verpflichtete sich der Käufer, die Neubaukapazität dieser Werft von jährlich 85 000 cgt bis zum 31. Dezember 2005 nicht zu überschreiten, sofern diese auf dem Gemeinschaftsrecht basierende Begrenzung nicht gelockert wird. Die Kapazität von jährlich 85 000 cgt wurde der Klägerin von der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 zugeteilt.

5 Mit ihren der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 3. März 1993, 17. Januar 1994, 20. Februar 1995, 18. Oktober 1995 und 11. Dezember 1995 mitgeteilten Entscheidungen (im Folgenden: Genehmigungsentscheidungen) genehmigte die Kommission nach Maßgabe der Richtlinien 90/684 und 92/68 die von der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der genannten Werft geplanten Beihilfen in einer Gesamthöhe von 1 246,9 Mio. DM unter der Bedingung, dass eine Kapazitätsobergrenze von 85 000 cgt jährlich eingehalten wird. Die Beihilfen wurden gemäß folgender Aufschlüsselung genehmigt:

N 692/D/91 - Schreiben der Kommission vom 3. März 1993 (SG[93] D/4052)

- 45,5 Mio. DM Betriebsbeihilfe;

- 82,4 Mio. DM Betriebsbeihilfe in Form einer Befreiung von früheren Verbindlichkeiten;

- 127,5 Mio. DM Investitionsbeihilfe;

- 27,0 Mio. DM Schließungsbeihilfe;

N 692/J/91 - Schreiben der Kommission vom 17. Januar 1994 (SG[94] D/567)

- 617,1 Mio. DM Betriebsbeihilfe;

N 1/95 - Schreiben der Kommission vom 20. Februar 1995 (SG[95] D/1818)

- 222,5 Mio. DM Investitionsbeihilfe;

N 637/95 - Schreiben der Kommission vom 18. Oktober 1995 (SG[95] D/12821)

- 66,9 Mio. DM Investitionsbeihilfe;

N 797/95 - Schreiben der Kommission vom 11. Dezember 1995 (SG[95] D/15969)

- 58,0 Mio. DM Investitionsbeihilfe.

6 1997 betrug die tatsächliche Produktion der Klägerin 93 862 cgt. 1998 lag die tatsächliche Produktion der Klägerin bei 122 414 cgt.

7 Da die Kommission der Auffassung war, dass die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt 1998 überschritten worden sei, setzte sie die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 16. Dezember 1998 von ihrem Beschluss in Kenntnis, das Verfahren nach Artikel [88] Absatz 2 EG-Vertrag zu eröffnen. Dieses Schreiben war Gegenstand einer Mitteilung, die am 16. Februar 1999 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 41, S. 23) veröffentlicht wurde.

8 Die deutschen Behörden nahmen am 18. Februar 1999 Stellung.

9 Am 14. Januar und 25. März 1999 statteten Vertreter der Kommission in Begleitung eines unabhängigen Sachverständigen der Werft einen Besuch ab.

10 Mit Entscheidung 1999/675/EG vom 8. Juli 1999 über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (ABl. L 274, S. 23) beschloss die Kommission Folgendes:

"Artikel 1

Die Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 41,5 Mio. EUR (83,0 Mio. DEM) ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

(1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die Beihilfe in Höhe von 41,5 Mio. EUR (83,0 Mio. DEM) von dem Empfänger zurückzufordern.

...

(3) Der beizutreibende Beihilfebetrag erhöht sich um die Zinsen, die ab dem Tage der Auszahlung an den Empfänger bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung auf Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet werden.

..."

11 Da die Kommission der Auffassung war, dass die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt auch 1997 überschritten worden sei, setzte sie die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 20. Juli 1999 von ihrem Beschluss in Kenntnis, aus diesem Grund das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten. Dieses Schreiben war Gegenstand einer Mitteilung, die am 28. August 1999 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 245, S. 24) veröffentlicht wurde.

12 Die deutschen Behörden nahmen am 4. Oktober 1999 Stellung.

13 Mit Entscheidung 2000/336/EG vom 15. Februar 2000 über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (ABl. L 120, S. 12) beschloss die Kommission Folgendes:

"Artikel 1

Die Beihilfe, die Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 6,3 Mio. EUR (12,6 Mio. DEM) gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

(1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die Beihilfe in Höhe von 6,3 Mio. EUR (12,6 Mio. DEM) von dem Empfänger zurückzufordern.

...

(3) Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.

..."

14 Mit Entscheidung 2000/416/EG vom 29. März 2000 über die Staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (1999) und zur Änderung der Entscheidung 1999/675 (ABl. L 156, S. 39) beschloss die Kommission Folgendes:

"Artikel 1

Die Kvaerner Warnow Werft GmbH (KWW) hat die Kapazitätsgrenze, deren Einhaltung gemäß der Entscheidung über die staatliche Beihilfe N 325/99, mitgeteilt mit Schreiben vom 5. August 1999, Voraussetzung für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ist, im Jahr 1999 eingehalten.

Artikel 2

Artikel 1 der Entscheidung 1999/675/EG erhält folgende Fassung:

Artikel 1

Die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in Höhe von 41,1 Mio. EUR (82,2 Mio. DEM) gewährt hat, ist gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

..."

Verfahren und Anträge der Parteien

15 Die Klägerin hat mit Klageschriften, die am 11. Oktober 1999 bzw. 18. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben, die unter den Nummern T-227/99 bzw. T-134/00 in das Register eingetragen worden sind.

16 Mit besonderem Schriftsatz vom 22. Juni 2000 hat die Klägerin ihr Vorbringen und ihre Anträge in der Rechtssache T-227/99 unter Berücksichtigung der Entscheidung 2000/416 zur Änderung der Entscheidung 1999/675 geändert. Die Beklagte hat zu dieser Änderung Stellung genommen.

17 Mit Beschluss vom 10. November 2000 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien beschlossen, die Rechtssachen T-227/99 und T-134/00 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

18 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme hat es die Parteien aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung nachgekommen.

19 Die Parteien haben in der Sitzung vom 2. Mai 2001 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

20 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung 1999/675 in der Fassung der Entscheidung 2000/416 aufzuheben oder, hilfsweise, sie insoweit aufzuheben, als der Berechnung der Rückforderung der Gesamtbetrag der freigegebenen Beihilfen anstelle des Gesamtbetrags der tatsächlich gewährten Betriebsbeihilfen zugrunde gelegt worden ist;

- die Entscheidung 2000/336 aufzuheben oder, hilfsweise, sie insoweit aufzuheben, als der Berechnung der Rückforderung der Gesamtbetrag der freigegebenen Beihilfen anstelle des Gesamtbetrags der tatsächlich gewährten Betriebsbeihilfen unter Berücksichtigung bereits erfolgter Rückforderungen zugrunde gelegt worden ist;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen oder, hilfsweise, im Fall einer Klageabweisung in der Rechtssache T-227/99 die Kosten aufzuerlegen, die aufgrund der wegen der Änderung der Entscheidung 1999/675 in dieser Rechtssache notwendig gewordenen Klageänderung entstanden sind.

21 Die Beklagte beantragt,

- die Klagen abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der aufgrund der Klageänderung in der Rechtssache T-227/99 entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

22 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Berichtigung der angefochtenen Entscheidung im Laufe des Verfahrens eine neue Tatsache darstellt, die der klagenden Partei eine Anpassung ihres Vorbringens und ihrer Anträge gestattet (Urteil des Gerichtshofes vom 3. März 1982 in der Rechtssache 14/81, Alpha Steel/Kommission, Slg. 1982, 749, Randnr. 8; Urteil des Gerichts vom 3. Februar 2000 in den Rechtssachen T-46/98 und T-151/98, CCRE/Kommission, Slg. 2000, II-167, Randnr. 36). Demzufolge ist die oben in Randnummer 16 erwähnte, von der Klägerin in der Rechtssache T-227/99 vorgenommene Änderung ihres Vorbringens und ihrer Anträge zulässig.

23 Zur Begründung ihrer Nichtigkeitsklagen macht die Klägerin im Wesentlichen acht Klagegründe geltend. Der erste Grund, der sich allein auf die Entscheidung 1999/675 bezieht, wird auf die fehlerhafte Besetzung der Kommission, der zweite auf Sachverhaltsirrtümer bei der Anwendung der Artikel 87 EG und 88 EG sowie der Richtlinie 90/684, der dritte auf Rechtsfehler bei der Anwendung der Artikel 87 EG und 88 EG sowie der Richtlinie 90/684, der vierte auf einen Ermessensmissbrauch, der fünfte auf eine unzureichende Begründung, der sechste auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, der siebte auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und schließlich der achte auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützt.

Erster Klagegrund: Fehlerhafte Besetzung der Kommission

24 Die Klägerin trägt vor, dass die Entscheidung 1999/675 wegen der fehlerhaften Besetzung der Kommission beim Erlass dieser Entscheidung rechtswidrig sei. Diese Fehlerhaftigkeit ergebe sich zum einen aus dem Ausscheiden von Herrn Martin Bangemann aus der Kommission, der durch einen Beschluss der Kommission vom 1. Juli 1999 unzulässigerweise beurlaubt worden sei, und zum anderen aus dem Verbleib von Herrn Jacques Santer und von Frau Emma Bonino in der Kommission, obwohl ihre am 13. Juni 1999 erfolgte Wahl in das Europäische Parlament und ihre am 6. Juli 1999 geäußerte Entscheidung für die Ausübung dieses Abgeordnetenmandats ihnen die volle Unabhängigkeit genommen hätten, die nach Artikel 213 Absatz 2 EG für die Ausübung ihrer Tätigkeit innerhalb der Kommission erforderlich sei.

Zur Auswirkung der "Beurlaubung" von Herrn Bangemann auf die ordnungsgemäße Besetzung der Kommission

- Vorbringen der Parteien

25 Die Klägerin weist darauf hin, dass das Kollegium der Kommissionsmitglieder am 1. Juli 1999 Herrn Bangemann auf dessen Wunsch, aber ohne Rechtsgrundlage von seiner Funktion beurlaubt habe. Dieser Beschluss sei ergangen, nachdem Herr Bangemann mitgeteilt habe, dass er schnellstmöglich Verwaltungsratsmitglied der spanischen Telekommunikationsgesellschaft Telefónica werden und dafür seinen Posten in der Kommission verlassen wolle. Ab 1. Juli 1999 habe Herr Bangemann an keiner Kommissionssitzung teilgenommen und insbesondere an der Beschlussfassung über die Entscheidung 1999/675 nicht mitgewirkt. Seine Tätigkeit als für Informationstechnologien und Telekommunikation zuständiges Mitglied der Kommission sei von Herrn Karel van Miert, dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission, übernommen worden.

26 Die Beurlaubung von Herrn Bangemann habe zur fehlerhaften Besetzung der Kommission geführt, da dieses Organ durch die Reduzierung der Zahl seiner effektiv tätigen Mitglieder auf 19 Artikel 213 Absatz 1 EG verletzt habe, wonach die Kommission aus 20 Mitgliedern bestehe. Die Kommission sei aber nicht befugt, die Zahl ihrer Mitglieder auf diese Weise herabzusetzen. Diese Kompetenz liege gemäß Artikel 213 Absatz 1 Satz 2 EG, wonach die Zahl der Mitglieder der Kommission vom Rat einstimmig geändert werden könne, beim Rat. Infolgedessen seien alle nach dem 1. Juli getroffenen Entscheidungen der Kommission nichtig, und zwar so lange, bis der Rat durch den Beschluss vom 9. Juli 1999 festgelegt habe, dass die Zahl der Kommissionsmitglieder für die Amtszeit der scheidenden geschäftsführenden Kommission mit sofortiger Wirkung um ein Mitglied herabgesetzt werde.

27 Ihrer Argumentation stehe Artikel 215 Absatz 1 EG nicht entgegen, der die Möglichkeit des freiwilligen Rücktritts eines Kommissionsmitglieds vorsehe. Diese Vorschrift sei auf den Rücktritt eines nur noch geschäftsführenden Kommissionsmitglieds nicht anwendbar. Vielmehr erfordere die Notwendigkeit der Funktionssicherung der Gemeinschaft, dass ein solcher Rücktritt ausgeschlossen sei. Die Tätigkeit eines solchen Kommissionsmitglieds bestehe darin, die Handlungsfähigkeit der Kommission bis zur Arbeitsaufnahme seines Nachfolgers zu gewährleisten und während dieses Zeitraums Schäden zum Nachteil der Gemeinschaft abzuwehren. Das nur noch geschäftsführende Kommissionsmitglied könne sich somit weder seinen Pflichten entziehen noch davon entbunden werden. Die gegenteilige Annahme würde im vorliegenden Fall dazu führen, nach dem kollektiven Rücktritt der Kommissionsmitglieder am 16. März 1999 die Möglichkeit eines zweiten geschlossenen Rücktritts oder einer Reihe von Einzelrücktritten dieser Mitglieder von der Geschäftsführung hinzunehmen, was die Gemeinschaft ohne jede Exekutive lassen würde.

28 Die Kommission könne sich auch nicht auf die Regelung berufen, dass sie gemäß Artikel 213 EG in Verbindung mit Artikel 5 der Geschäftsordnung der Kommission ordnungsgemäß besetzt sei, wenn die Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend sei. Diese Regelung gelte nur, wenn die vertraglich vorgesehene Zahl der Kommissionsmitglieder zur Verfügung stehe, was hier aufgrund der dauerhaften Beurlaubung von Herrn Bangemann nicht der Fall gewesen sei.

29 Die Beklagte räumt ein, dass der Vertrag die Möglichkeit der Beurlaubung eines Kommissionsmitglieds nicht ausdrücklich vorsehe und dass dieses außer im Fall der Amtsenthebung bis zur Neubesetzung seines Sitzes im Amt bleibe.

30 Dennoch habe Herr Bangemann rechtmäßig vom Amt beurlaubt werden können, da er sonst seine Tätigkeit als Kommissionsmitglied hätte ausüben müssen, auch wenn es ihm nicht mehr möglich gewesen wäre, der Pflicht nachzukommen, seine Tätigkeit in Unabhängigkeit auszuüben und bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf seiner Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein. Die Beklagte unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass sie sich berechtigter Kritik ausgesetzt hätte, wenn sie in Kenntnis der Interessenkollisionen, über die sie durch Herrn Bangemann unterrichtet worden sei, diesen nicht beurlaubt hätte. Die Beklagte weist auch auf die Zweifel hin, die im vorliegenden Fall an der standesrechtlichen Rechtmäßigkeit der geplanten Tätigkeit von Herrn Bangemann für das Unternehmen Telefónica bestanden hätten und die sich insbesondere aus dem Beschluss des Rates vom 9. Juli 1999 ergäben, den Gerichtshof in dieser Sache anzurufen.

31 Im Übrigen schließe das Vorbringen der Klägerin zur Reduzierung der Zahl der Mitglieder der Kommission auf 19 nicht aus, diesem Organ die Möglichkeit zuzuerkennen, eines seiner Mitglieder zu beurlauben, wenn dieses die ihm obliegenden Amtspflichten nicht einhalten könne. Eine solche Entscheidung erfolge in gewisser Weise im Vorgriff auf die Entscheidung des Rates nach Artikel 215 Absatz 2 EG, die im vorliegenden Fall am 9. Juli 1999 ergangen sei.

32 Die Kommission habe die Zahl ihrer Mitglieder nicht eigenmächtig reduziert, sondern lediglich aus der sich durch das Verhalten von Herrn Bangemann ergebenden faktischen Situation die Konsequenzen gezogen, um die Handlungsfähigkeit des Organs im Interesse der Funktionssicherung der Gemeinschaft zu gewährleisten. Der Beschluss der Kommission vom 1. Juli 1999 sei daher durch das Recht dieses Organs gerechtfertigt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ein geordnetes Entscheidungsverfahren innerhalb des Kollegiums der Kommissionsmitglieder sicherzustellen.

33 Nach Artikel 219 Absatz 2 EG und Artikel 5 der Geschäftsordnung der Kommission könne sie mit der Mehrheit der Anzahl ihrer Mitglieder entscheiden, was bedeute, dass ein Beschluss der Kommission wirksam sei, wenn er durch elf ihrer Mitglieder getragen werde. Dies gebe ihr den erforderlichen Spielraum, in einer Ausnahmesituation wie der im Sommer 1999 die Beurlaubung einzelner Mitglieder der Kommission auszusprechen, solange dadurch deren Beschlussfähigkeit als solche nicht beeinträchtigt werde.

- Würdigung durch das Gericht

34 Zunächst sind die Regeln über den Rücktritt eines Kommissionsmitglieds und seine Nachfolge, die Pflichten eines Kommissionsmitglieds während der Ausübung und nach Ablauf seiner Amtstätigkeit und die Regeln über die Beschlussfähigkeit und die Mehrheitserfordernisse für die Beschlussfassung der Kommission darzustellen.

35 Erstens erfasst Artikel 215 EG u. a. den Fall des Rücktritts eines Kommissionsmitglieds und regelt die Modalitäten für seine Nachfolge.

36 Artikel 215 Absatz 1 EG sieht vor, dass "[a]bgesehen von den regelmäßigen Neubesetzungen und von Todesfällen... das Amt eines Mitglieds der Kommission durch Rücktritt oder Amtsenthebung [endet]". Absatz 4 dieses Artikels bestimmt, dass "[a]ußer im Fall der Amtsenthebung nach Artikel 216... die Mitglieder der Kommission bis zur Neubesetzung ihres Sitzes im Amt [bleiben]".

37 Artikel 215 Absatz 2 EG regelt die Modalitäten für die Nachfolge eines zurückgetretenen Kommissionsmitglieds: "Für das ausscheidende Mitglied wird für die verbleibende Amtszeit von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ein neues Mitglied ernannt. Der Rat kann einstimmig entscheiden, für diese Zeit einen Nachfolger nicht zu ernennen."

38 Zweitens bestimmt Artikel 213 EG die Pflichten eines Kommissionsmitglieds während der Ausübung und nach Ablauf seiner Amtstätigkeit.

39 Artikel 213 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 EG sieht vor, dass die Mitglieder der Kommission ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften ausüben, bei der Erfuellung ihrer Pflichten Anweisungen von einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen dürfen und jede Handlung zu unterlassen haben, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist.

40 Nach Artikel 213 Absatz 2 Unterabsatz 3 EG übernehmen die Mitglieder der Kommission ferner "[b]ei der Aufnahme ihrer Tätigkeit... die feierliche Verpflichtung, während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfuellen, insbesondere die Pflicht, bei der Annahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhaltend zu sein. Werden diese Pflichten verletzt, so kann der Gerichtshof auf Antrag des Rates oder der Kommission das Mitglied je nach Lage des Falles gemäß Artikel 216 [EG] seines Amtes entheben oder ihm seine Ruhegehaltsansprüche oder andere an ihrer Stelle gewährte Vergünstigungen aberkennen."

41 Drittens regeln Artikel 219 Absätze 2 und 3 EG in Verbindung mit Artikel 213 Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 EG und Artikel 5 der Geschäftsordnung der Kommission in ihrer beim Erlass der Entscheidung 1999/675 geltenden Fassung die Beschlussfähigkeit und die Mehrheitserfordernisse für die Beschlussfassung der Kommission.

42 Gemäß Artikel 219 Absatz 2 EG werden "[d]ie Beschlüsse der Kommission... mit der Mehrheit der in Artikel 213 [EG] bestimmten Anzahl ihrer Mitglieder gefasst", dessen Absatz 1 Unterabsatz 1 bestimmt, dass die Kommission aus 20 Mitgliedern besteht, und dessen Absatz 1 Unterabsatz 2 hervorhebt, dass diese Zahl nur vom Rat einstimmig geändert werden kann.

43 Außerdem bestimmt Artikel 219 Absatz 3 EG, dass "[d]ie Kommission... nur dann wirksam tagen [kann], wenn die in ihrer Geschäftsordnung festgesetzte Anzahl von Mitgliedern anwesend ist". Nach Artikel 5 der Geschäftsordnung der Kommission ist "[d]ie Kommission... beschlussfähig, wenn die Mehrheit der im Vertrag vorgesehenen Zahl der Mitglieder anwesend ist".

44 Ferner sind die Umstände der "Beurlaubung" von Herrn Bangemann durch die Kommission darzulegen, bevor die Rüge der Klägerin geprüft wird.

45 Mit Schreiben vom 16. März 1999 unterrichtete der Präsident der Kommission, Herr Santer, den Präsidenten der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten von dem Beschluss der Mitglieder der Kommission, geschlossen zurückzutreten und ihr Mandat an die Regierungen der Mitgliedstaaten zurückzugeben. In diesem Schreiben erklärten der Präsident und die Mitglieder der Kommission, dass sie u. a. gemäß Artikel 215 Absatz 4 EG ihr Amt weiterführen würden, bis ihre Nachfolger gemäß den in den Verträgen vorgesehenen Verfahren ernannt seien.

46 Der Rat stellte in einer Erklärung vom 22. März 1999 fest, dass eine neue Kommission zwar so rasch wie möglich ernannt werden müsse, dass es aber wünschenswert sei, dass die Kommission bis dahin ihr Amt gemäß den Verträgen weiterführe.

47 Mit Schreiben vom 29. Juni 1999 unterrichtete Herr Bangemann den Präsidenten der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten von seiner Absicht, sein Amt innerhalb der Kommission nicht mehr weiter auszuüben und eine berufliche Tätigkeit bei der spanischen Telekommunikationsgesellschaft Telefónica zu übernehmen. In diesem Schreiben heißt es:

"[M]it Schreiben vom 16. März 1999 haben Ihnen die Mitglieder der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass sie beschlossen haben, gemeinsam zurückzutreten und ihr Mandat an die Regierungen der Mitgliedstaaten zurückzugeben. Gemäß Artikel 215 Abs. 4 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und den entsprechenden Bestimmungen des EGKS- und des EURATOM-Vertrages habe ich meine Aufgaben während dieses Zeitraums weiter wahrgenommen.

Ich möchte Sie heute davon unterrichten, dass ich beschlossen habe, eine berufliche Tätigkeit bei der Gesellschaft Telefonica zu übernehmen. Unter diesen Umständen ist es mir nicht mehr möglich, mein Amt weiter auszuüben.

Ich bitte Sie daher, so bald wie möglich das Verfahren nach Artikel 215 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und den entsprechenden Bestimmungen des EGKS- und des EURATOM-Vertrages einzuleiten."

48 Wie das vom Generalsekretär der Kommission an den Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Übersendungsschreiben vom 29. Juni 1999 zu dem Schreiben von Herrn Bangemann zeigt, war die Kommission über dieses Vorgehen unterrichtet.

49 Am 1. Juli 1999 beschloss die Kommission, Herrn Bangemann mit sofortiger Wirkung zu "beurlauben". Dieser Beschluss ist in Punkt 2 des Protokolls der 1440. Sitzung der Kommission, die am 1. Juli 1999 in Brüssel stattfand, wie folgt festgehalten:

"Die Kommission beschließt, dass Herr Bangemann mit sofortiger Wirkung bis zum Abschluss des in Artikel 215 [EG] vorgesehenen Verfahrens beurlaubt wird. Sie nimmt von dem Beschluss des Präsidenten Santer Kenntnis, den Geschäftsbereich von Herrn Bangemann Herrn Van Miert zu übertragen. Sie weist darauf hin, dass eine Klärung der künftigen Anwendung von Artikel 213 [EG] in Bezug auf die Tätigkeiten, die ehemalige Kommissionsmitglieder nach Ablauf ihrer Amtszeit aufnehmen, geboten erscheint. Sie nimmt den Text einer Erklärung zur Situation von Herrn Bangemann an."

50 Zu diesem Beschluss gab es eine Pressemitteilung der Kommission vom 1. Juli 1999 (IP/99/447), die den Text der Erklärung zur Situation von Herrn Bangemann enthält.

51 Am 9. Juli 1999 gab der Rat u. a. gemäß Artikel 215 EG dem Ersuchen von Herrn Bangemann statt, seines Amtes als Mitglied der Kommission entbunden zu werden, und beschloss, dass kein Nachfolger ernannt zu werden braucht. Dieser Beschluss bestimmt ferner, dass er für Herrn Bangemann am Tag seiner Annahme wirksam wird (Beschluss 1999/493/EG, EGKS, Euratom des Rates vom 9. Juli 1999 über die Zusammensetzung der Kommission, ABl. L 192, S. 53).

52 Aus den genannten Dokumenten geht hervor, dass Herr Bangemann wie die anderen Kommissionsmitglieder freiwillig von seinem Amt als Mitglied der Kommission am 16. März 1999 zurückgetreten ist. Gemäß Artikel 215 Absatz 4 EG ist Herr Bangemann von diesem Zeitpunkt an in Erwartung der Entscheidung der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Ernennung eines neuen Mitglieds für die verbleibende Amtszeit oder der Entscheidung des Rates, für diese Zeit einen Nachfolger nicht zu ernennen, im Amt geblieben.

53 Nachdem Herr Bangemann beschlossen hatte, eine berufliche Tätigkeit bei der Gesellschaft Telefónica zu übernehmen, war er der Auffassung, dass es ihm nicht mehr möglich sei, sein Amt bei der Kommission weiter auszuüben. Aus diesem Grund bat er am 29. Juni 1999 darum, so bald wie möglich eine Entscheidung über seine Nachfolge zu treffen.

54 Herr Bangemann hat daher aus eigener Initiative beschlossen, nicht mehr an den Arbeiten der Kommission teilzunehmen.

55 Hierzu ist zu beachten, dass der Rat der Auffassung war, dass die Entscheidung von Herrn Bangemann, eine berufliche Tätigkeit in dem Unternehmen Telefónica zu übernehmen, einen Verstoß gegen die sich aus der Aufgabe als Mitglied der Kommission resultierende Pflicht zur Zurückhaltung darstelle, da er seit 1992 für das Dossier Informationstechnologien und Telekommunikation zuständig gewesen sei. Am 9. Juli 1999 beschloss der Rat somit, den Gerichtshof insbesondere in Anwendung des Artikels 213 Absatz 2 Unterabsatz 3 letzter Satz EG mit dem Fall von Herrn Bangemann zu befassen (Beschluss 1999/494/EG, EGKS, Euratom des Rates vom 9. Juli 1999 über eine Befassung des Gerichtshofes mit dem Fall von Herrn Bangemann, ABl. L 192, S. 55). Diese Rechtssache wurde durch einen Streichungsbeschluss des Gerichtshofes vom 3. Februar 2000 abgeschlossen (C-290/99, Rat/Bangemann, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

56 Unter diesen Umständen hat die Kommission mit ihrem Beschluss vom 1. Juli 1999, Herrn Bangemann unverzüglich zu "beurlauben", lediglich die Konsequenzen aus dessen Absicht gezogen, sein Amt bei der Kommission nicht mehr auszuüben. In der Pressemitteilung der Kommission vom gleichen Tag wird im Übrigen festgestellt, dass "Herr Bangemann seine künftige Tätigkeit erst antreten kann, nachdem das in Artikel 215 [EG] vorgesehene Verfahren abgeschlossen ist. Herr Bangemann hat dem zugestimmt. Das Kollegium hat zunächst beschlossen, Herrn Bangemann auf eigenen Wunsch zu beurlauben."

57 Für die "Beurlaubung" findet sich weder in den Bestimmungen des Vertrages, die oben in den Randnummern 35 bis 42 zitiert worden sind, noch in der Geschäftsordnung der Kommission eine Rechtsgrundlage. Tatsächlich war der in dem Beschluss der Kommission vom 1. Juli 1999 verwendete Ausdruck nur eine Formel, mit der diesem Organ ermöglicht werden sollte, der verwaltungs- und verfahrensmäßigen Schwierigkeit zu begegnen, die durch die Entscheidung von Herrn Bangemann, eine berufliche Tätigkeit bei der Gesellschaft Telefónica zu übernehmen, verursacht worden war, und somit die Konsequenzen daraus zu ziehen, dass es diesem nicht mehr möglich war, sein Amt weiter auszuüben. Die Verwendung dieses Ausdrucks kann daher weder die Eigenschaft von Herrn Bangemann als Mitglied der Kommission beeinflussen noch Artikel 215 Absatz 4 EG (vgl. oben, Randnr. 36) seine rechtliche Wirkung nehmen.

58 Der Beschluss der Kommission vom 1. Juli 1999 kann somit nicht als eine Entscheidung angesehen werden, die Zahl der Mitglieder der Kommission herabzusetzen, die gemäß Artikel 213 Absatz 1 Unterabsatz 2 EG nur vom Rat einstimmig getroffen werden kann. Denn durch diesen Beschluss hat die Kommission Herrn Bangemann lediglich in Erwartung der Bestimmung seines Nachfolgers im gegenseitigen Einvernehmen der Regierungen der Mitgliedstaaten oder der einstimmigen Entscheidung des Rates, einen Nachfolger nicht zu ernennen, beurlaubt.

59 Im vorliegenden Fall hat der Rat durch seinen Beschluss vom 9. Juli 1999 gemäß Artikel 215 Absatz 2 EG die Amtszeit von Herrn Bangemann bei der Kommission beendet, indem er entschieden hat, dass kein Nachfolger ernannt zu werden braucht.

60 Daher wird die Rechtmäßigkeit der Entscheidung 1999/675, die in Anwesenheit und mit der Mehrheit der Kommissionsmitglieder nach Artikel 219 Absätze 2 und 3 EG und den darin genannten Bestimmungen angenommen wurde, durch den Beschluss der Kommission vom 1. Juli 1999 nicht in Frage gestellt.

61 Die Rüge einer fehlerhaften Besetzung der Kommission aufgrund der "Beurlaubung" von Herrn Bangemann ist somit zurückzuweisen.

Zur Auswirkung der am 13. Juni 1999 erfolgten Wahl von Herrn Santer und Frau Bonino in das Europäische Parlament und ihres am 6. Juli 1999 geäußerten Wunsches, ihr parlamentarisches Mandat auszuüben, auf die ordnungsgemäße Besetzung der Kommission

- Vorbringen der Parteien

62 Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Präsident der scheidenden Kommission, Herr Santer, und eines ihrer Mitglieder, Frau Bonino, bei der Abstimmung über die Entscheidung 1999/675 nicht die nach Artikel 213 Absatz 2 Unterabsatz 1 EG erforderliche Unabhängigkeit besessen hätten, da sie am 13. Juni 1999 in das Europäische Parlament gewählt worden seien und die Annahme dieses Mandats am 6. Juli 1999 dem Präsidenten der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten mitgeteilt hätten. Die Kommissionsmitglieder, die auf diese Weise dem Europäischen Parlament verpflichtet seien, könnten nicht mehr als unabhängig angesehen werden.

63 Dabei sei unbeachtlich, dass das Parlament erst am 20. Juli 1999 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten sei, da mit der Wahl von Herrn Santer und Frau Bonino und deren Ankündigung, dass sie ihr parlamentarisches Mandat annehmen würden, die Gefahr einer Interessenkollision zwischen ihrer Tätigkeit als Mitglied der Kommission und als Vertreter einer politischen Partei bestanden habe.

64 Die Beklagte trägt vor, dass die Wahl eines Kommissionsmitglieds in das Europäische Parlament die Unabhängigkeit dieser Person nicht in Frage stelle, solange die konstituierende Sitzung des Parlaments noch nicht stattgefunden habe. Hier sei das Europäische Parlament am 13. Juni 1999 gewählt worden, und gemäß Artikel 3 Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 2 des Aktes zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments habe das Mandat der Mitglieder des Parlaments mit der Eröffnung der ersten Sitzung nach dieser Wahl, also am 20. Juli 1999, begonnen. Eine Einflussnahme auf Herrn Santer und Frau Bonino aus dem Parlament heraus, etwa durch die darin operierenden Parteien oder Fraktionen, sei vor dessen konstituierender Sitzung daher nicht möglich gewesen.

65 Außerdem könne es bei der Frage der Unabhängigkeit eines Kommissionsmitglieds bei der Ausübung seiner Amtstätigkeit nicht um eine abstrakte Würdigung der politischen Interessen dieses Mitglieds gehen. Vielmehr müsse im Einzelnen dargelegt werden, worin die konkrete Gefahr für seine Unabhängigkeit bestehe. Von diesem Standpunkt ausgehend ist die Beklagte der Ansicht, dass der Vorwurf der Klägerin allein und in unannehmbarer Weise auf der Annahme beruhe, Herr Santer und Frau Bonino würden ihre Tätigkeit als Mitglieder der Kommission unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaft als zukünftige Mitglieder des zukünftigen Europäischen Parlaments ausüben.

66 Diese Situation unterscheide sich von derjenigen von Herrn Bangemann. Denn im letztgenannten Fall sei aufgrund der sachlichen Nähe zwischen den Amtsgeschäften von Herrn Bangemann bei der Kommission, in der er für das Dossier Informationstechnologien und Telekommunikation zuständig gewesen sei, und den Aktivitäten seines zukünftigen Arbeitgebers, der spanischen Telekommunikationsgesellschaft Telefónica, dessen Unabhängigkeit gefährdet gewesen.

- Würdigung durch das Gericht

67 Artikel 213 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 EG sieht vor, dass die Mitglieder der Kommission ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften ausüben, bei der Erfuellung ihrer Pflichten Anweisungen von einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch entgegennehmen dürfen und jede Handlung zu unterlassen haben, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist.

68 Ferner dürfen gemäß Artikel 213 Absatz 2 Unterabsatz 3 Satz 1 EG die Mitglieder der Kommission während ihrer Amtszeit keine andere entgeltliche oder unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben.

69 Bevor die Rüge der Klägerin geprüft wird, sind die Umstände der Wahl von Herrn Santer und Frau Bonino in das Europäische Parlament darzulegen.

70 Ebenso wie Herr Bangemann traten Herr Santer und Frau Bonino am 16. März 1999 von ihren Ämtern als Mitglieder der Kommission zurück, als Herr Santer den Präsidenten der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten von dem Beschluss der Mitglieder der Kommission unterrichtete, geschlossen zurückzutreten.

71 Am 13. Juni 1999 wurden Herr Santer und Frau Bonino in das Europäische Parlament gewählt.

72 Mit Schreiben vom 6. Juli 1999 unterrichteten sie den Präsidenten der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten davon, gaben an, dass sie beabsichtigten, sich für ihr parlamentarisches Mandat zu entscheiden, da die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament und die Mitgliedschaft in der Kommission nicht miteinander vereinbar seien, und baten darum, dass das Verfahren gemäß Artikel 215 EG spätestens am 19. Juli 1999, also am Vorabend der konstituierenden Sitzung des Europäischen Parlaments, abgeschlossen werde.

73 Am 9. Juli 1999 gab der Rat u. a. gemäß Artikel 215 EG den Ersuchen von Herrn Santer und Frau Bonino statt, ihrer Ämter bei der Kommission entbunden zu werden, und beschloss, dass keine Nachfolger ernannt zu werden brauchen. Dieser Beschluss wurde am 19. Juli 1999 wirksam (Beschluss 1999/493).

74 Daraus folgt, dass Herr Santer und Frau Bonino ihre Pflicht zur Unabhängigkeit nach Artikel 213 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 EG nicht missachtet haben, als sie an der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder teilgenommen haben, in der die Entscheidung 1999/675 erlassen wurde. Denn ihr parlamentarisches Mandat hat erst am 20. Juli 1999, dem Tag, an dem das Europäische Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist, begonnen.

75 Außerdem gibt es keinen Beleg dafür, dass vor der Konstituierung des neuen Parlaments eine greifbare Gefahr für die Unabhängigkeit der Kommissionsmitglieder besteht. Denn die Absicht von Herrn Santer und Frau Bonino, ihr Abgeordnetenmandat auszuüben, kann als solche genauso wenig wie die bloße Feststellung der Zugehörigkeit der Betroffenen zu einer politischen Partei den behaupteten Verlust an Unabhängigkeit beweisen.

76 Die Rüge einer fehlerhaften Besetzung der Kommission aufgrund der Wahl von Herrn Santer und Frau Bonino in das Europäische Parlament ist somit zurückzuweisen.

77 Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zweiter und dritter Klagegrund: Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler bei der Anwendung der Artikel 87 und 88 EG sowie der Richtlinie 90/684

78 Zunächst sind diese Klagegründe zu prüfen, soweit die Klägerin damit eine fehlerhafte Anwendung des Begriffes der Kapazitätsgrenze geltend macht.

Vorbringen der Parteien

79 Nach Ansicht der Klägerin schreibt der in den Genehmigungsentscheidungen verwendete Begriff der Kapazitätsbegrenzung keine Begrenzung der tatsächlichen Produktion, sondern lediglich die Einhaltung einer Reihe von technischen Begrenzungen bezüglich der Produktionsanlagen vor. Da davon ausgegangen worden sei, dass dieser Begriff so auszulegen sei, dass die Produktion von Kvaerner die in den Genehmigungsentscheidungen festgelegte Grenze von 85 000 cgt jährlich nicht überschreiten dürfe, seien die Entscheidung 1999/675 in der Fassung der Entscheidung 2000/416 und die Entscheidung 2000/336 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) im Hinblick auf die Artikel 87 EG und 88 EG sowie die Richtlinie 90/684 mit Sachverhaltsirrtümern und Rechtsfehlern behaftet. Die angefochtenen Entscheidungen seien mit einem Sachverhaltsirrtum behaftet, da die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass die Klägerin alle in den Genehmigungsentscheidungen aufgezählten technischen Begrenzungen eingehalten habe, insbesondere durch den Abbau ihrer technischen Kapazitäten von ursprünglich 134 000 cgt jährlich auf 85 000 cgt jährlich.

80 Da die Genehmigungsentscheidungen lediglich ein technisches "Korsett" auferlegt und der Klägerin die Möglichkeit gelassen hätten, ihre Produktivität zu steigern, habe die Kommission einen Fehler begangen, indem sie sich ausschließlich auf die tatsächliche Produktion der Klägerin gestützt habe, ohne der Frage nachzugehen, ob diese Produktion unter Einhaltung der technischen Begrenzungen der Kapazität erreicht worden sei. Die von der Kommission vertretene Auslegung der Grenze von 85 000 cgt jährlich sei im Übrigen nicht möglich, da die Genehmigungsentscheidungen nicht im Rahmen der laufenden Kontrolle nach Artikel 88 Absatz 1 EG ergangen seien. Lediglich im Rahmen einer solchen Kontrolle hätte die Kommission eine Produktionsbeschränkung in Form einer "zweckdienlichen Maßnahme" auferlegen können, während die Kommission in den Genehmigungsentscheidungen nur bloße technische Voraussetzungen habe auferlegen können. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin darauf, dass sie sich, da die Genehmigungsentscheidungen im Rahmen von Vorprüfverfahren erlassen worden seien, an dem Verfahren nicht habe beteiligen können. Einer Produktionsbeschränkung hätten weder sie selbst noch die deutschen Behörden jemals zugestimmt.

81 Die Kommission habe neben dem oben dargestellten Sachverhaltsirrtum auch einen Rechtsfehler begangen, indem sie den Begriff der Kapazitätsbegrenzung im Sinne einer Begrenzung der tatsächlichen Produktion angewandt habe. Auch in rechtlicher Hinsicht habe die Kommission gegen die Richtlinie 90/684 und die Genehmigungsentscheidungen verstoßen.

82 Nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte der Richtlinie 90/684 und insbesondere ihres Artikels 10a Absatz 2 Buchstabe c sei eine Kapazitätsbegrenzung als Begrenzung der technischen Anlagen einer Werft, die die Produktion unter normal günstigen Voraussetzungen auf eine gewisse Tonnage jährlich (hier 85 000 cgt jährlich) begrenze, und die Schiffbaukapazität der Werft als die mit den vorhandenen Produktionsmitteln unter normal günstigen Produktionsbedingungen erzielbare Produktion zu verstehen. In den Jahren 1997 und 1998 habe sie im Rahmen der in den Genehmigungsentscheidungen aufgezählten technischen Kapazitätsbegrenzungen ihre tatsächliche Produktion durch besonders günstige Umstände wie Serieneffekte und Optimierung des Personaleinsatzes steigern können.

83 Die Begriffe der Kapazität und der Produktion seien deutlich zu unterscheiden, wobei der Erstgenannte das Produktionsvermögen, der Zweitgenannte aber die tatsächliche Produktion betreffe. Hierzu beruft sich die Klägerin u. a. auf das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94 (Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399). Die Klägerin räumt ein, dass man unter Kapazität in bestimmten Fällen die mit den vorhandenen Produktionsmitteln unter optimalen Produktionsbedingungen erzielbare Produktion verstehen könnte, was dazu führen würde, dass die tatsächliche Produktion die Kapazitätsgrenze erreichen, aber niemals übersteigen könnte. Gleichwohl könne dieser Auslegung nicht gefolgt werden, da der Rat, wenn er sie sich zu Eigen gemacht hätte, im Text der Richtlinie 90/684 den Begriff der Produktion verwendet hätte.

84 Die von der Klägerin vorgetragene Auslegung des Begriffes der Kapazitätsbegrenzung werde durch einige Dokumente bestätigt, die aus den Verhandlungen zwischen der Kommission und den deutschen Behörden auf der Grundlage der Untersuchungen der Gutachter von A&P Appledore und von CONOC hervorgegangen seien. Die Klägerin schlägt vor, diese Gutachter als Zeugen zu vernehmen.

85 Nur die Auslegung des Begriffes der Kapazitätsbegrenzung als technische Begrenzung entspreche den Zielen, die sowohl die Richtlinie als auch die Genehmigungsentscheidungen miteinander in Einklang hätten bringen sollen, nämlich Kompensation der durch die Betriebsbeihilfen bewirkten Wettbewerbsverzerrung und Durchführung einer erfolgreichen Umstrukturierung. Diese beiden Ziele würden durch ein System miteinander in Einklang gebracht, das zum einen das Produktionsvermögen durch technische Begrenzungen limitiere, um die Wettbewerber der Klägerin zu schützen, das dieser aber zum anderen auch ermögliche, mit den vorhandenen Anlagen so effektiv wie möglich zu produzieren. Wäre der Klägerin hingegen eine Produktionsbeschränkung auferlegt worden, so wäre sie bei Steigerung der Produktivität zu Maßnahmen gezwungen gewesen, die der erfolgreichen Umstrukturierung entgegengestanden hätten, wie etwa ein zeitweiser Produktionsstopp der Werft und der Verzicht auf Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität. Hätte die Kommission Recht, so wäre über einen langen Zeitraum - trotz allgemeinen Fortschritts der Produktivität im Schiffbau bei allen Wettbewerbern, vor allem in Korea - keinerlei Steigerung der Produktivität möglich gewesen.

86 Die Kommission trägt demgegenüber vor, dass der Begriff der Kapazitätsbegrenzung die unter günstigen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der verfügbaren Anlagen maximal erzielbare Produktion erfasse. Daher habe sie keinen Sachverhaltsirrtum oder Rechtsfehler begangen, als sie entschieden habe, dass Kvaerner einen Teil der gewährten Beihilfe zurückzahlen müsse, weil ihre Produktion die in den Genehmigungsentscheidungen vorgesehene Grenze von jährlich 85 000 cgt überschritten habe.

87 Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kapazitätsbegrenzung zum Ziel habe, eine echte Umstrukturierung der Werften in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sicherzustellen und die wettbewerbswidrigen Wirkungen der diesen Werften gewährten umfangreichen staatlichen Beihilfen zu neutralisieren. Dieses Ziel würde umgangen, wenn eine Werft - wie es die Klägerin getan habe - ihre Produktion durch Ausnutzung der ihr zugeteilten Kapazität spürbar erhöhen könnte. Folglich sei die Auslegung der Kapazitätsbegrenzung als Produktionsbeschränkung erforderlich, um dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Richtlinien 90/684 und 92/68 gerecht zu werden. Die von der Klägerin angeführten Zitate aus Wörterbüchern und dem im Auftrag der Kommission erstellten Gutachten seien in diesem Zusammenhang nicht erheblich.

88 Diese Auslegung des Begriffes der Kapazitätsbegrenzung werde im Übrigen von der deutschen Regierung geteilt. Hierzu zitiert die Beklagte das Protokoll einer 1993 veranstalteten Sitzung zur Privatisierung der Werften in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, ein 1994 an die Bundesrepublik Deutschland gerichtetes erläuterndes Schreiben der Kommission, 1994, 1995 und 1997 von der deutschen Regierung an die Kommission übersandte Überwachungsberichte und eine 1997 von den deutschen Behörden an die Klägerin gerichtete Korrespondenz, aus denen eindeutig hervorgehe, dass die deutsche Regierung die Kapazitätsbegrenzung als eine Produktionsbeschränkung verstanden habe. Dieselbe Auslegung ergebe sich klar aus den Genehmigungsentscheidungen, die der Bundesrepublik Deutschland am 18. Oktober und 11. Dezember 1995 mitgeteilt worden seien. Im Übrigen werde die in anderen Sektoren bestehende Unterscheidung zwischen Kapazitätsbegrenzung und Produktionsbegrenzung im Schiffbau nicht praktiziert.

89 Die Beklagte bestreitet zudem, dass sie sich durch ihre Auslegung der Kapazitätsbegrenzung als Produktionsbeschränkung in Widerspruch zu ihrer bisherigen Praxis und zur Rechtsprechung im Bereich des Schiffbaus gesetzt habe. Sie räumt ein, dass die Kapazitätsgrenze so weit wie möglich durch die Einführung technischer Begrenzungen, so genannter "technischer Engpässe", sichergestellt werde, was aber nichts an der Auslegung ändere, dass die Kapazitätsbegrenzung auf eine Produktionsbeschränkung hinauslaufe. Auch das im Urteil Skibsværftsforeningen u. a./Kommission vom Gericht berücksichtigte Kriterium stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Schließlich bestätige die in den Genehmigungsentscheidungen vorgesehene Überwachungsklausel die Wichtigkeit einer Begrenzung der tatsächlichen Produktion.

90 Dass die Klägerin die verschiedenen, in den Genehmigungsentscheidungen aufgezählten technischen Begrenzungen eingehalten habe, habe in den angefochtenen Entscheidungen nicht erwähnt werden müssen, da diese allein auf die Feststellung hätten gestützt werden können, dass die Klägerin ihre Kapazitätsbegrenzung weit überschritten habe. Die Nichteinhaltung der Kapazitätsgrenze führe nämlich zwangsläufig zur Rechtswidrigkeit der Beihilfe und zur Pflicht, diese zurückzuzahlen.

Würdigung durch das Gericht

91 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 90/684 in der Fassung der Richtlinie 92/68 keine Definition des Begriffes der Kapazität enthält und dass die Kommission daher bei der Auslegung dieses Begriffes ein gewisses Ermessen hat (Urteil Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Randnr. 172). Statt die von der Kommission im Rahmen ihres Ermessens vorgenommene Auslegung zu bestreiten, wirft die Klägerin der Kommission jedoch hauptsächlich vor, dass sie den Begriff der Kapazität, wie sie ihn zuvor in den Genehmigungsentscheidungen vorgegeben habe, in den angefochtenen Entscheidungen missachtet habe. Die Klägerin macht nämlich geltend, dass die Kommission gegen die Genehmigungsentscheidungen verstoßen habe (vgl. oben, insbesondere Randnrn. 80, 81 und 85).

92 Das Gericht muss daher, wenn es im vorliegenden Fall die angefochtenen Entscheidungen auf einen offensichtlichen Ermessensfehler überprüft, den Grundsatz berücksichtigen, dass die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte wahren müssen, um für die von diesen berührten Rechtssubjekte Rechtssicherheit zu gewährleisten (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in den Rechtssachen T-80/89, T-81/89, T-83/89, T-87/89, T-88/89, T-90/89, T-93/89, T-95/89, T-97/89, T-99/89, T-100/89, T-101/89, T-103/89, T-105/89, T-107/89 und T-112/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1995, II-729, Randnr. 73, und vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 113). Es kann nämlich nicht hingenommen werden, dass die Kommission die Sanktion der Rückzahlung einer Beihilfe zulasten eines Beihilfeempfängers verhängt, der die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe, wie sie von der Kommission in den Genehmigungsentscheidungen aufgestellt worden sind, erfuellt hat.

93 Zunächst ist daher der rechtliche Rahmen zu prüfen, in dem die Genehmigungsentscheidungen stehen; sodann sind diese Genehmigungsentscheidungen darauf hin zu untersuchen, ob die Kommission die Voraussetzung der Kapazitätsgrenze in den angefochtenen Entscheidungen nicht anders und restriktiver ausgelegt hat als in den Genehmigungsentscheidungen.

94 Zum rechtlichen Rahmen der Genehmigungsentscheidungen ist zunächst festzustellen, dass das Ziel des in Artikel 10a Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 90/684 festgelegten Kapazitätsabbaus ("die deutsche Regierung... erklärt [sich bereit],... eine echte, irreversible Stilllegung von Schiffbaukapazitäten von 40 % netto, bezogen auf die am 1. Juli 1990 vorhandene Schiffbaukapazität von 545 000 cgt, zu veranlassen"), in den sich die der Klägerin auferlegte Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt einfügt (vgl. oben, Randnr. 4), darin besteht, durch einen Abbau der Überkapazitäten im Schiffbausektor eine normale Marktsituation und die Wettbewerbsfähigkeit der Werften der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wiederherzustellen.

95 Zur Begründung der Einfügung des neuen Artikels 10a in die Richtlinie 90/684 hat der Rat nämlich in der dritten Begründungserwägung der Richtlinie 92/68 ausgeführt, dass "der Schiffbau in den... Gebieten [der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik] aus Wettbewerbsgründen auch einen echten Beitrag zum Abbau der Überkapazitäten leisten [muss], die immer noch weltweit einer Rückkehr zu normalen Marktbedingungen im Schiffbau im Wege stehen".

96 Der Wortlaut der Richtlinie 90/684 ist ebenfalls aufschlussreich für das Ziel, die strukturellen Überkapazitäten der Werften in der Europäischen Gemeinschaft zu beseitigen, um diese leistungs- und wettbewerbsfähiger zu machen. Dieses Ziel lässt sich insbesondere aus Artikel 6 der Richtlinie 90/684 (vgl. oben, Randnr. 3) sowie aus der dritten, der sechsten, der achten und der neunten Begründungserwägung dieser Richtlinie herleiten. Die dritte Begründungserwägung lautet: "Seit 1989 hat sich die Lage auf dem Weltschiffbaumarkt zwar merklich entspannt; Angebot und Nachfrage stehen aber immer noch in keinem zufrieden stellenden Verhältnis zueinander, und der inzwischen eingetretene Anstieg der Preise reicht, weltweit gesehen, noch immer nicht aus, um im Schiffbausektor eine normale Marktsituation wiederherzustellen..." In der sechsten Begründungserwägung heißt es: "[Eine Vereinbarung zwischen den größten Schiffbauländern der Welt] muss durch eine ausgewogene und angemessene Beseitigung aller bestehenden Hemmnisse für normale Wettbewerbsbedingungen einen lauteren Wettbewerb auf internationaler Ebene zwischen Werften sicherstellen..." Die achte Begründungserwägung lautet: "Eine wettbewerbsfähige Werftindustrie ist für die Gemeinschaft von lebenswichtigem Interesse...." Schließlich heißt es in der neunten Begründungserwägung: "Gleichwohl wäre es notwendig, eine straffe und gezielte Beihilfepolitik fortzuführen, um den gegenwärtigen Trend zum Bau von Schiffen modernster Konstruktion zu unterstützen und dem innergemeinschaftlichen Wettbewerb gerechte und einheitliche Rahmenbedingungen zu sichern."

97 Sodann ist festzustellen, dass der Abbau von Überkapazitäten durch die Einführung einer Kapazitätsgrenze im Wesentlichen dadurch sichergestellt wird, dass technische Begrenzungen, so genannte "technische Engpässe", festgelegt werden. Dies ergibt sich eindeutig aus den Genehmigungsentscheidungen (vgl. oben, Randnr. 5).

98 Zunächst hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 3. März 1993, das die erste Genehmigungsentscheidung enthält, ausgeführt: "Obgleich das von der Kommission in Auftrag gegebene unabhängige Gutachten ergeben hat, dass die Neubaukapazität der Warnow Werft kaum über 85.000 cgt hinausgehen wird - diese Zahl war von der deutschen Regierung als Beitrag der Werft zu den insgesamt den ostdeutschen Werften zugebilligten 327.000 cgt genannt worden -, erscheint für die Zukunft und die Dauer des Investitionsprogramms eine Überwachung geboten, um sicherzustellen, dass wirklich Schiffbaukapazitäten abgebaut werden. Der Kapazitätsabbau wird dadurch bedingt, dass die Investitionen nach den Plänen und Entwürfen getätigt werden, die der Beraterfirma vorgelegt wurden. Kvaerner bestätigte, dass der Werftausbau mit den nachstehenden Beschränkungen durchzuführen ist:

- Die neue Stahlschneidehalle bleibt unverändert mit Ausnahme einer neuen Nahtvorbereitungsmaschine (mechanical edge preparation machine, vom Typ Fräsmaschine).

- Die Anzahl der Stationen auf der Montagestraße für große Flachbauteile (large panel line) und die Montagestraße für Doppelböden (double bottom line) ist - entsprechend den Entwürfen im Bericht der Beraterfirma EECI:0001A - auf 8 bzw. auf 6 festzusetzen.

- Eine Verlängerung dieser Montagestraßen ist nur zulässig, wenn die entsprechende Fläche von der Halle für 600 t Großeinheiten (Superunitshop) abgezogen wird. Ebenso gilt das umgekehrte Verhältnis, d. h. in Verbindung mit einem Kapazitätsabbau im Bereich der Montagestraße für große Flachbauteile/Doppelböden könnte der Bereich der Halle für Großeinheiten im gleichen Ausmaß vergrößert werden, wie der Bereich der Montagestraße für große Flachbauteile/Doppelböden eingeschränkt wird.

- Die Zahl der Stationen auf der Montagestraße für Volumenbauteile (curved panel line, verformte Sektionen) ist auf 6 zu begrenzen, wie in den Entwürfen des Berichts EECI:0001A der Beraterfirma festgelegt.

- Die Anzahl der Stationen auf der Montagestraße für kleine Flächenbauteile (small panel line) ist auf 3 zu begrenzen, wie im Bericht EECI:0001A der Beraterfirma festgelegt.

- Nur ein Kran mit einer Hebekapazität von 600 t darf über dem Dock errichtet werden. Die (zwei geplanten) Kaikräne sind vom Typ jib mit einer Hebekapazität von max. 50 t."

99 Aus diesem Text geht hervor, dass das darin dargestellte Ziel, nämlich der wirkliche Abbau der Kapazitäten, im Wesentlichen durch die Einhaltung einer Reihe von technischen Begrenzungen bezüglich der Produktionsanlagen der Werft erreicht werden musste.

100 Das Schreiben der Kommission vom 17. Januar 1994, das die zweite Genehmigungsentscheidung enthält, geht in die gleiche Richtung. Die Kommission führt darin aus: "Die Kapazitätsgrenze hängt von den gemäß den dem Consultant vorgelegten Plänen und Entwürfen, insbesondere hinsichtlich der Nichtüberschreitung des höchstmöglichen Stahldurchsatzes von 73.000 t, sowie gemäß den in dem Bericht des Consultant enthaltenen Beschränkungen durchgeführten Investitionen ab." Dass die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt auf einer Gesamtheit genauer technischer Begrenzungen beruhte, wird ferner durch die Erläuterung in diesem Schreiben, dass "die Kommission bei Nichteinhaltung der Kapazitätsgrenzen die Rückzahlung der gesamten Beihilfe verlangen muss", und insbesondere durch die Verwendung des Plurals ("Kapazitätsgrenzen") in diesem Satz bestätigt.

101 In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die Kommission, wenn sie wirklich beabsichtigt hätte, der Klägerin im Zeitpunkt der Genehmigung der Beihilfen eine jährliche Obergrenze für die tatsächliche Produktion aufzuerlegen, diese nur als "Produktionsgrenze" zu formulieren oder auszuführen brauchte, dass die Kapazitätsgrenze im vorliegenden Fall auf die höchstmögliche Produktion unter optimalen Bedingungen verweise. Fehlen solche näheren Angaben, so kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, die Kapazitätsgrenze von jährlich 85 000 cgt nicht eingehalten zu haben, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sie während des gesamten überprüften Zeitraums alle technischen Begrenzungen eingehalten hat.

102 Eine Präzisierung der oben angesprochenen Art findet sich aber in den Genehmigungsentscheidungen nicht. Insbesondere lässt sich die Auslegung der in cgt pro Jahr ausgedrückten Kapazitätsbegrenzung als Begrenzung der tatsächlichen Produktion nicht aus den folgenden Sätzen herleiten, die in den Schreiben vom 20. Februar, 18. Oktober bzw. 11. Dezember 1995 (dritte, vierte bzw. fünfte Genehmigungsentscheidung) enthalten sind: "Ferner hat der erste der Kommission übermittelte Produktionsüberwachungsbericht ergeben, dass auch die Einhaltung der Kapazitätsbeschränkung bei der Produktionsplanung und tatsächlichen Produktion überwacht werden muss." "Wie die beiden bislang der Kommission übermittelten Produktionsüberwachungsberichte ergeben haben, ist weiterhin eine Überwachung notwendig, um sicherzustellen, dass bei der tatsächlichen und geplanten Produktion die Kapazitätsbeschränkung respektiert wird." "Wie die bislang der Kommission übermittelten Produktionsüberwachungsberichte ergeben haben, ist weiterhin eine Überwachung notwendig, um sicherzustellen, dass bei der tatsächlichen und geplanten Produktion die Kapazitätsbeschränkung respektiert wird." Diese Sätze bedeuten lediglich, dass die Klägerin in den Phasen der Planung und der tatsächlichen Produktion die technische Kapazitätsbeschränkung einhalten muss. Wenn etwa die Klägerin zwei Aufträge erhält, die dazu führen würden, dass sie mehr als 85 000 cgt in einem einzigen Jahr produziert, steht es ihr frei, diese Aufträge innerhalb dieses Jahres anzunehmen und auszuführen, wenn ihr dies unter Einhaltung aller ihr auferlegten technischen Begrenzungen der Kapazität möglich ist (wie der oben in Randnummer 98 genannten, die u. a. die Zahl der auf der Montagestraße für Volumenbauteile zulässigen Stationen und die Existenz nur eines Krans mit einer Hebekapazität von 600 t über dem Dock betreffen).

103 Darüber hinaus zeigen einige Sätze in denselben Schreiben eindeutig, dass mit der Einhaltung der Kapazitätsgrenze von 85 000 cgt jährlich die Einhaltung der technischen Begrenzungen bezüglich der Anlagen gemeint ist. So erläutert die Kommission im Schreiben vom 20. Februar 1995 (dritte Genehmigungsentscheidung): "[Es] empfiehlt sich während der weiteren Verwirklichung des Investitionsplans eine Überwachung im Hinblick auf die Einhaltung der für den Schiffbau geltenden Kapazitätsbeschränkung. Letztere ist nur gewährleistet, wenn der dem Beratungsunternehmen vorgelegte Investitionsplan genau eingehalten wird; dies gilt insbesondere für die höchstzulässige Durchsatzkapazität von 73.000 Tonnen Stahl, den Doppelhüllenmontagebereich und die beiden Flachpaneelanlagen. Die Bundesregierung hat zugesichert, dass die Werft die Kapazitätsbeschränkung einhalten wird." In ihren Schreiben vom 18. Oktober und 11. Dezember 1995 (vierte bzw. fünfte Genehmigungsentscheidung) bemerkt die Kommission wortgleich, dass der Doppelhüllenmontagebereich und die Flachpaneelanlage für große Paneele die Stahlverarbeitungskapazität der Werft begrenzten, was deren Produktionskapazität auf 85 000 cgt jährlich beschränke. Die Kommission fügt in diesen beiden Schreiben hinzu, dass es für die Dauer dieser Kapazitätsbeschränkung notwendig sei, dass die Auslegung der Werft nicht verändert werde und dass die noch nicht installierten "optionalen" Anlagenbestandteile den Spezifikationen entsprächen, die die Werft dem Berater zur Begutachtung vorgelegt habe.

104 Aus den Richtlinien 90/684 und 92/68 sowie den Genehmigungsentscheidungen geht daher übereinstimmend hervor, dass - entsprechend der Verwaltungspraxis der Kommission, wie sie sich aus einer anderen Rechtssache ergibt, auf die sich die Klägerin berufen hat (Urteil Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Randnr. 177) - die in diesen Genehmigungsentscheidungen festgelegte Kapazitätsgrenze der Produktion entsprach, die unter normal günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann. Die Klägerin musste daher bei der Annahme und Ausführung von Schiffbauaufträgen die technischen Begrenzungen bezüglich ihrer Anlagen einhalten, die so berechnet und bestimmt worden waren, dass sie unter normal günstigen Umständen nicht mehr als 85 000 cgt jährlich produzieren würde. Die Genehmigungsentscheidungen untersagten der Klägerin jedoch nicht, bei Vorliegen außergewöhnlich günstiger Umstände - wie sie sich aus dem Eingang rascher als gewöhnlich ausführbarer Aufträge ergeben können - mehr als 85 000 cgt jährlich zu produzieren, sondern beschränkten sich darauf, ihr die Einhaltung der insbesondere in den Genehmigungsentscheidungen genannten technischen Begrenzungen aufzuerlegen, wie etwa, dass die Stationen auf der Montagestraße für Volumenbauteile auf sechs und die Stationen auf der Montagestraße für kleine Flächenbauteile auf drei zu begrenzen sind.

105 Außerdem ist vom Gerichtshof und vom Gericht bereits festgestellt worden, dass die Neubaukapazität - hier 85 000 cgt jährlich - zwar ihrem Wesen nach eine Kapazität zur Produktion darstellt, dass dieser Begriff als solcher jedoch nicht identisch ist mit dem Begriff "tatsächliche Produktion" (Urteil Alpha Steel/Kommission, Randnr. 22; Urteil des Gerichtshofes vom 11. Mai 1983 in den Rechtssachen 311/81 und 30/82, Klöckner-Werke/Kommission, Slg. 1983, 1549, Randnr. 23; Urteil des Gerichts vom 12. Mai 1999 in den Rechtssachen T-164/96 bis T-167/96, T-122/97 und T-130/97, Moccia Irme u. a./Kommission, Slg. 1999, II-1477, Randnr. 138) oder mit dem Begriff "höchstmögliche Produktion unter optimalen Bedingungen" (Urteil Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Randnr. 174).

106 Nach dieser Rechtsprechung ist es möglich, dass eine Kapazitätsgrenze - wie dies im vorliegenden Fall aus dem Wortlaut der Genehmigungsentscheidungen hervorgeht - die "Produktion, die unter normal günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann", betrifft und nicht eine höchstmögliche tatsächliche Produktion ausdrückt, die selbst im Fall außergewöhnlich günstiger Umstände nicht überschritten werden kann. Insoweit ist das Argument der Kommission, dass die der Klägerin auferlegte Kapazitätsbegrenzung, auch wenn sie die "Produktion, die unter normal günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann", betreffe, dennoch die höchstmögliche tatsächliche Produktion angebe, die auf keinen Fall überschritten werden dürfe (vgl. oben, Randnr. 87), nicht überzeugend. Denn wenn die Kapazitätsbegrenzung die Produktion ausdrückt, die unter normal günstigen Umständen erzielt werden kann, setzt dies bereits voraus, dass die durch diese Begrenzung angegebene Zahl in Zeiten optimaler Bedingungen überschritten werden kann. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist diese Feststellung nicht mit dem Ziel der Richtlinie 90/684 unvereinbar. Denn dieses Ziel, also der Abbau von Überkapazitäten, wird durch die Begrenzung der Kapazität der Klägerin auf der Ebene ihrer Anlagen erreicht, da diese Begrenzung sicherstellt, dass unter normalen Umständen die 85 000 cgt jährlich nicht überschritten werden.

107 Hinzu kommt schließlich, dass mehrere, von der Klägerin vorgelegte Dokumente bestätigen, dass die der Klägerin auferlegte Kapazitätsgrenze die Produktion betrifft, die unter normal günstigen Umständen mit den vorhandenen Einrichtungen erzielt werden kann.

108 So wird in dem Protokoll einer Sitzung vom 1. Juni 1993 zur Privatisierung der Werften in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Folgendes erklärt:

"The Danish, Italian and UK delegates were expressing their worry that the actual production would exceed the assigned capacity after the investments would be implemented. The Commission was confident that future production would not exceed the agreed capacity limits because of the technical bottlenecks in the investment plans, because of the present and future monitoring of the investment plans together with the contractual capacity limits in the privatisation contracts, because of the German Government's undertaking to respect the limits and because all aid payments are conditional on respect of the capacity limits." ("Die dänischen, die italienischen und die Delegierten des Vereinigten Königreichs brachten ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass die tatsächliche Produktion die zugeteilte Kapazität überschreiten könnte, sobald die Investitionen durchgeführt seien. Die Kommission zeigte sich zuversichtlich, dass die künftige Produktion die vereinbarten Kapazitätsgrenzen nicht überschreiten werde, wobei sie auf die technischen Engpässe in den Investitionsplänen, die derzeitige und zukünftige Überwachung der Investitionspläne verbunden mit den Kapazitätsgrenzen in den Privatisierungsverträgen sowie die Zusicherung der deutschen Regierung der Einhaltung der Grenzen und die Knüpfung jeglicher Beihilfezahlung an die Einhaltung der Kapazitätsgrenzen verwies.")

Diese Diskussion zwischen der dänischen, der italienischen und der Delegation des Vereinigten Königreichs einerseits und der Kommission andererseits hätte keinen Sinn, wenn die Kapazitätsgrenze von 85 000 cgt jährlich als eine absolute Grenze für die tatsächliche Produktion zu verstehen wäre. Denn in diesem Fall hätte die Kommission lediglich erläutern müssen, dass die Grenze von 85 000 cgt jährlich eine Obergrenze für die tatsächliche Produktion darstelle und dass es der Klägerin daher schlicht untersagt sei, über diese Obergrenze hinaus zu produzieren. Die Haltung der Kommission in dieser Sitzung weist stattdessen darauf hin, dass ihr Vertrauen in eine künftige Produktion von jährlich 85 000 cgt oder weniger sich nur auf die Erwartung gründete, dass die technischen Begrenzungen bezüglich der Anlagen der Klägerin diese normalerweise daran hindern müssten, jährlich mehr als diese Tonnage zu produzieren.

109 Außerdem zeigt der Bericht der Kommission über die Überwachung der Privatisierung der Werften in den neuen Bundesländern, der dem Schreiben vom 6. Mai 1993 an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland beigefügt ist, dass die Kapazitätsbegrenzung für die Kommission durch die Gesamtheit der auferlegten technischen Begrenzungen gebildet wurde ("[D]ie in den Investitionsplänen enthaltenen erheblichen technischen Einschränkungen [gewährleisten], dass die für jede Werft festgesetzten Kapazitätsgrenzen eingehalten werden, obgleich eine weitere detaillierte Überwachung bei der Durchführung der Investitionen erforderlich erscheint. Die... technischen Engpässe und Planungsbedingungen [sichern] die... Kapazitätsbegrenzung...").

110 Nach alledem hat die Klägerin hinreichend nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Ermessensfehler begangen hat, indem sie in den angefochtenen Entscheidungen im Widerspruch zu ihrem Vorgehen in den Genehmigungsentscheidungen den Begriff der Kapazitätsbegrenzung einer Begrenzung der tatsächlichen Produktion gleichgestellt hat. Da die Kommission die angefochtenen Entscheidungen allein auf den Umstand gestützt hat, dass die tatsächliche Produktion der Klägerin 1997 und 1998 über 85 000 cgt hinausging (vgl. hierzu die Begründungserwägungen 60 und 108 der Entscheidung 1999/675 und die Begründungserwägungen 47 und 84 der Entscheidung 2000/336), sind die verfügenden Teile dieser Entscheidungen insgesamt mit dem oben festgestellten Ermessensfehler behaftet.

111 Die bloße Tatsache, dass die tatsächliche Produktion 85 000 cgt jährlich überschritten hat, bildet die einzige Grundlage für die angefochtenen Entscheidungen. Die Kommission hat weder geprüft, ob die Überschreitungen in den betroffenen Jahren aus einer Nichteinhaltung der durch die Genehmigungsentscheidungen auferlegten einschränkenden Bedingungen resultieren, noch hat sie dies behauptet.

112 Demzufolge sind die Entscheidung 1999/675 in der Fassung der Entscheidung 2000/416 und die Entscheidung 2000/336 für nichtig zu erklären, ohne dass die übrigen Argumente und Klagegründe der Klägerin geprüft oder Zeugen vernommen zu werden brauchen.

Kostenentscheidung:

Kosten

113 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung 1999/675/EG der Kommission vom 8. Juli 1999 über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH in der Fassung der Entscheidung 2000/416/EG der Kommission vom 29. März 2000 über die Staatliche Beihilfe Deutschlands zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH (1999) und die Entscheidung 2000/336/EG der Kommission vom 15. Februar 2000 über die staatliche Beihilfe der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Kvaerner Warnow Werft GmbH werden für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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