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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 07.10.1999
Aktenzeichen: T-228/97
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 99/63 der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17, Verordnung Nr. 17


Vorschriften:

EG Art. 82
EG Art. 253
Verordnung (EWG) Nr. 99/63 der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 Art. 4
Verordnung Nr. 17 Art. 15 Abs. 2
Verordnung Nr. 17 Art. 3 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Wird ein Argument, das ein Unternehmen in dem zum Erlaß einer gegen es gerichteten Wettbewerbsentscheidung führenden Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, berücksichtigt, ohne daß dem Unternehmen vor Erlaß der endgültigen Entscheidung Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äussern, so kann allein darin zumal dann keine Verletzung seiner Verteidigungsrechte liegen, wenn diese Berücksichtigung die Natur der gegen das Unternehmen erhobenen Vorwürfe nicht verändert. Das betroffene Unternehmen hatte nämlich Gelegenheit, seinen Standpunkt zu der von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zugrunde gelegten Auffassung deutlich zu machen, und musste daher damit rechnen, daß seine eigenen Erläuterungen die Kommission zu einer Änderung ihres Standpunktes bewegen könnten.

2 Eine kollektive beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn diese insbesondere wegen der zwischen ihnen bestehenden verbindenden Faktoren die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen.

Die Unabhängigkeit der betreffenden wirtschaftlichen Einheiten allein schließt noch nicht die Möglichkeit aus, daß ihnen eine kollektive beherrschende Stellung zukommt. Es kann auch nicht hingenommen werden, daß Unternehmen in vertikaler Geschäftsbeziehung, die allerdings nicht soweit integriert sind, daß sie ein und dasselbe Unternehmen darstellen, eine kollektive beherrschende Stellung in mißbräuchlicher Weise ausnutzen.

3 Zwar ergibt sich das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung aus der Stellung, die die betreffenden wirtschaftlichen Einheiten auf dem betreffenden Markt gemeinsam innehaben, doch muß der Mißbrauch nicht notwendig allen betreffenden Unternehmen zuzurechnen sein. Er muß sich lediglich als eine der Äusserungen des Besitzes einer kollektiven beherrschenden Stellung ermitteln lassen können. Folglich können Unternehmen, die eine kollektive beherrschende Stellung innehaben, gemeinsame oder individuelle Verhaltensweisen an den Tag legen. Diese mißbräuchlichen Verhaltensweisen müssen lediglich auf die Ausnutzung der kollektiven beherrschenden Stellung zurückzuführen sein, die die Unternehmen auf dem Markt innehaben.

4 Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung kann sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren ergeben, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend wären. Unter diesen Faktoren liefern jedoch besonders hohe Marktanteile, von aussergewöhnlichen Umständen abgesehen, ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer ausgeprägten beherrschenden Stellung. Ein Marktanteil von mehr als 50 % liefert für sich bereits den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem betreffenden Markt.

5 Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ist ein objektiver Begriff, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfasst, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Präsenz des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die zur Folge haben, daß die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistung der Marktbürger unterscheiden. Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) verbietet es daher einem Unternehmen in beherrschender Stellung, einen Wettbewerber durch andere als die einen leistungsbezogenen Wettbewerb kennzeichnenden Mittel auszuschalten und dadurch seine Stellung zu verstärken. Unter diesem Blickwinkel kann nicht jeder Preiswettbewerb als rechtmässig angesehen werden. Das Verbot des Artikels 86 EG-Vertrag ist auch durch die Besorgnis gerechtfertigt, den Verbraucher vor Schaden zu bewahren.

Folglich trägt, auch wenn die Feststellung einer beherrschenden Stellung für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen enthält, dieses Unternehmen unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür, daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt. Zwar nimmt der Umstand, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, und es darf auch in angemessenem Umfang so vorgehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält, doch ist ein solches Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt.

6 Hat ein Unternehmen eine beherrschende Stellung inne, so sind bei der Ermittlung eines etwaigen Mißbrauchs durch ein Preisgebaren sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen, und es ist zu prüfen, ob der Rabatt darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen ungleiche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken. Die Verfälschung des Wettbewerbs ergibt sich daraus, daß die Gewährung eines finanziellen Vorteils durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruht, sondern die Kunden dieses Unternehmens vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten soll. So kann einer dieser Umstände sein, daß das betreffende Gebaren im Rahmen eines Planes festgelegt wird, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat.

7 Unter Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) fällt, wenn ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung sich ohne objektive Notwendigkeit eine Hilfs- oder Derivattätigkeit auf einem anderen, aber benachbarten Markt, auf dem es keine beherrschende Stellung einnimmt, vorbehält und damit auf diesem Markt möglicherweise jeden Wettbewerb beseitigt.

Unter Artikel 86 fällt insoweit, wenn ein Unternehmen mit beherrschender Stellung auf dem Markt für Industriezucker seinen Kunden diskriminierende Preisnachlässe je nachdem gewährt, ob sie mit ihm auf dem Einzelhandelszuckermarkt konkurrierende Zuckerverpacker sind, sofern eine nicht zu leugnende Konnexität zwischen den Märkten für Industriezucker und für Einzelhandelszucker besteht und das betreffende Unternehmen auch auf dem Markt für Einzelhandelszucker eine beherrschende Stellung einnimmt. Ein etwaiges Fehlen von Wettbewerb zwischen den Kunden des Unternehmens, die Rabatte erhalten, und den konkurrierenden Zuckerverpackern schließt eine Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c EG-Vertrag nicht aus, weil das beanstandete diskriminierende Gebaren wettbewerbswidrige Wirkungen gegenüber den konkurrierenden Zuckerverpackern auf dem Markt für Einzelhandelszucker zeitigt.

8 Der etwaige Einfluß einer Preispolitik von Wirtschaftsteilnehmern, die auf einem nationalen Markt tätig sind, auf die Preispolitik der auf einem angrenzenden nationalen Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer gehört zum Wesen eines gemeinsamen Marktes. Beeinträchtigungen dieses Einflusses müssen daher als Hindernisse für die Verwirklichung dieses gemeinsamen Marktes gelten, die den Wirkungen eines effektiven und unverfälschten Wettbewerbs insbesondere zugunsten der Verbraucher abträglich sind. Sind solche Hindernisse auf das Verhalten eines Unternehmens zurückzuführen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß es sich um einen gegen Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) verstossenden Mißbrauch handelt.

Gewährt ein Unternehmen, das an dem betreffenden Markt einen Anteil von mehr als 88 % innehat, bestimmten Kunden, die aufgrund ihrer grenznahen Lage dem Wettbewerb ausgesetzt sind, Sonderrabatte gegenüber diesem Markt, so stellt dies einen gegen Artikel 86 verstossenden Mißbrauch dar. Dieses Unternehmen kann sich nicht auf die Knappheit der ihm seinerzeit zur Verfügung stehenden Geldmittel berufen, um den selektiven und diskriminierenden Charakter der Einräumung dieser Grenzrabatte zu rechtfertigen und damit der Anwendung von Artikel 86 EG-Vertrag zu entgehen, da andernfalls das Verbot dieses Artikels nur noch der Form nach bestuende.

9 Treuerabatte, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung einräumt, stellen einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) dar, wenn sie bezwecken, durch die Gewährung finanzieller Vorteile zu verhindern, daß sich Kunden bei konkurrierenden Erzeugern versorgen. In diesem Fall sind sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen und ist weiterhin zu untersuchen, ob der Rabatt darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen unterschiedliche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken.

Eine solche Einräumung von Zielrabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung an seine Kunden, die sich unmittelbar u. a. dahin auswirkt, daß bei diesen Lagerbestände gebildet und gleichzeitig die Einkäufe reduziert werden, beeinträchtigt ausserdem die normale Entwicklung des Wettbewerbs und ist mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Sie beruht nicht auf einer diesen Vorteil rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung, sondern soll dem Kunden die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich machen oder erschweren und den Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehren.

10 Nach einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts hat die Kommission Entscheidungen, mit denen Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik abgeschlossen werden, innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erlassen. Ob die Dauer eines Verwaltungsverfahrens angemessen ist, beurteilt sich nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere von dessen Kontext, der Zahl der Abschnitte des von der Kommission durchgeführten Verfahrens, des Verhaltens der Beteiligten im Laufe des Verfahrens und der Komplexität der Angelegenheit.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 7. Oktober 1999. - Irish Sugar plc gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) - Beherrschende Stellung und gemeinsame beherrschende Stellung - Mißbrauch - Geldbuße. - Rechtssache T-228/97.

Parteien:

In der Rechtssache T-228/97

Irish Sugar plc, Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Carlow (Irland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Alexander Böhlke, Brüssel und Frankfurt am Main, und Solicitor Scott Crosby, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Victor Elvinger, 31, rue d'Eich, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Klaus Wiedner, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Beistand: Barrister Conor Quigley, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 97/624/EG der Kommission vom 14. Mai 1997 in einem Verfahren nach Artikel 86 EG-Vertrag (IV/34.621, 35.059/F-3 - Irish Sugar plc) (ABl. L 258, S. 1), hilfsweise, Nichtigerklärung von Artikel 3 Absätze 3 und 4 dieser Entscheidung, soweit dort Sanktionen vorgesehen sind, die über den Rahmen der in ihrem Artikel 1 Nummern 5 und 6 festgestellten Mißbräuche hinausgehen, und wegen Herabsetzung der in Artikel 2 der Entscheidung verhängten Geldbuße

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Klage ist gegen die Entscheidung 97/624/EG der Kommission vom 14. Mai 1997 in einem Verfahren nach Artikel 86 des EG-Vertrags (IV/34.621, 35.059/F-3 - Irish Sugar plc) (ABl. L 258, S. 1; im folgenden: angefochtene Entscheidung) gerichtet, mit der gegen die Klägerin, die in Irland als einziges Unternehmen Zuckerrüben verarbeitet und der wichtigste Zuckerlieferant in diesem Mitgliedstaat ist, eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen Artikel 86 des Vertrages (jetzt Artikel 82 EG) verhängt wurde. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist weißer Kristallzucker sowohl auf dem Markt für Zucker, der für die Industrie, als auch auf dem Markt für Zucker, der für den Einzelhandel bestimmt ist (nachstehend: Industrie- bzw. Einzelhandelszucker).

2 Am 25. und 26. September 1990 durchsuchte die Kommission den Sitz der Klägerin in Dublin. Am 7. und 8. Februar 1991 durchsuchte sie die Geschäftsräume des Unternehmens Sugar Distributors Ltd in Dublin (nachstehend: SDL), dem der Vertrieb des von der Klägerin gelieferten Zuckers oblag, am 13 Februar 1991 dann die Geschäftsräume des Unternehmens William McKinney Ltd in Belfast (nachstehend: McKinney), einer Tochtergesellschaft der Klägerin für den Vertrieb des von dieser gelieferten Zuckers in Nordirland.

3 Im Rahmen eines ersten Verwaltungsverfahrens betreffend das Vorliegen von Marktaufteilungsabsprachen zwischen der Klägerin und zwei Wettbewerbern des Vereinigten Königreichs (Sache IV/33.705) richtete die Kommission am 4. Mai 1992 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 99/63 der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, 127, S. 2268) an die Klägerin, die hierauf am 11. September 1992 antwortete. Dieses erste Verfahren führte ferner zu einer Anhörung im Sinne von Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204). Am 2. August 1995 wurde der Klägerin die Einstellung dieses Verfahrens mitgeteilt.

4 Am 22. April 1993 leitete die Kommission wegen Verstößen sowohl gegen Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) als auch gegen Artikel 86 des Vertrages ein zweites Verwaltungsverfahren (IV/34.621) ein und übermittelte der Klägerin sowie bestimmten anderen Beteiligten eine weitere Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die Klägerin antwortete hierauf am 1. September 1993 und nahm am 21. und 22. September 1993 an einer Anhörung teil. Am 28. Juni 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie die Rügen nach Artikel 85 des Vertrages fallenlasse. Am 19. Juli 1995 erließ die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 eine Entscheidung, mit der der Klägerin die Übermittlung bestimmter Angaben aufgegeben wurde.

5 Am 16. Januar 1995 durchsuchte die Kommission die Geschäftsräume des Unternehmens Greencore plc in Dublin (nachstehend: Greencore), die als Holdinggesellschaft das Kapital der Klägerin seit April 1991 hielt. Am gleichen Tag wurden die Geschäftsräume der Klägerin in Carlow (Irland) durchsucht.

6 Am 25. März 1996 richtete die Kommission eine geänderte Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin, mit der die vorausgegangene insgesamt ersetzt und somit ein drittes Verwaltungsverfahren (IV/34.621, 35.059) eingeleitet wurde. Die Klägerin übermittelte ihre Antwort am 12. Juli 1996.

7 Am 14. Mai 1997 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, mit der sie das Vorliegen von Verstößen gegen Artikel 86 des Vertrages während eines Zeitraums von 1985 bis 1995, im einzelnen von sieben besonderen mißbräuchlichen Verhaltensweisen der Klägerin (und/oder SDL für den Zeitraum vor Februar 1990) auf dem Markt für den Einzel- und Industriehandel mit Kristallzucker feststellte. In der angefochtenen Entscheidung wurde deshalb eine Geldbuße von 8 800 000 ECU gegen die Klägerin verhängt.

Verfahren

8 Die angefochtene Entscheidung wurde der Klägerin am 23. Mai 1997 mitgeteilt.

9 Mit Klageschrift, die am 4. August 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet und die Parteien im Wege prozeßleitender Maßnahmen aufgefordert, einige schriftliche Fragen zu beantworten. Die Parteien haben dem entsprochen.

11 Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. Januar 1999 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Beteiligten

12 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die in Artikel 2 verhängte Geldbuße herabzusetzen sowie Artikel 3 Absätze 3 und 4 insoweit für nichtig zu erklären, als dort der Rahmen der in Artikel 1 Nummern 5 und 6 festgestellten Verstöße verlassen wird;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Hauptantrag

14 Die Klägerin stützt ihren Hauptantrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung auf vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund einer Verletzung der Artikel 86 und 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG), des Grundsatzes der Rechtssicherheit und von Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 macht die Klägerin geltend, sie habe mit SDL zusammen keine kollektive beherrschende Stellung besessen. Mit ihrem zweiten Klagegrund einer Verletzung des Artikels 86 streitet sie eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Industriezucker ab. Mit ihrem dritten und vierten Klagegrund, mit denen eine Verletzung von Artikel 86 gerügt wird und die gemeinsam zu prüfen sind, macht sie geltend, sie habe ihre angebliche beherrschende Stellung weder auf dem Markt für Industriezucker noch auf dem für Einzelhandelszucker mißbraucht.

1. Zum Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung der Klägerin und der SDL

15 Mit diesem ersten Klagegrund macht die Klägerin erstens geltend, der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung sei unvollständig und widersprüchlich, zweitens, die Feststellung des Vorhandenseins zweier unterschiedlicher Märkte in der angefochtenen Entscheidung verändere die innere Natur der ihr vorgeworfenen Zuwiderhandlungen, und drittens, die in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Qualifikation einer kollektiven beherrschenden Stellung sei unhaltbar.

Zur Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit des verfügenden Teils der Entscheidung

16 Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung keine formelle Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden oder kollektiven beherrschenden Stellung enthalte. Zwar werde diese Frage in anderen Teilen der angefochtenen Entscheidung untersucht, jedoch könne eine Schlußfolgerung, wenn sie rechtmäßig sein solle, nicht einfach dem Teil der Entscheidung entnommen werden, der sich mit der rechtlichen Würdigung befasse. Der rechtlichen Würdigung komme gegenüber dem Adressaten einer solchen Entscheidung kein Entscheidungscharakter zu, da mit ihr lediglich die Gründe für die angefochtene Entscheidung dargelegt und damit die Feststellungen ihres verfügenden Teils erklärt werden sollten. Eine Zuwiderhandlung könne nur insoweit geahndet werden, als ihr Vorliegen ordnungsgemäß festgestellt worden sei, wenn anders nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit als grundlegendes Prinzip der Gemeinschaftsrechtsordnung verletzt werden solle.

17 Der verfügende Teil einer Entscheidung ist im Lichte ihrer Begründung zu verstehen, da sie ein Ganzes darstellt (vgl. insbesondere Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-145/89, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1995, II-987, Randnr. 146, und vom 22. Oktober 1997 in den Rechtssachen T-213/95 und T-18/96, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnr. 104). Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin nicht, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung die Feststellung einer beherrschenden Stellung für ihre Person und einer kollektiven beherrschenden Stellung gemeinsam mit SDL enthält. Die Randnummern 99 bis 113 der Begründung der angefochtenen Entscheidung schließen in Randnummer 113 völlig unmißverständlich:

"Irish Sugar hatte folglich während des gesamten relevanten Zeitraums alleine oder zumindest - vor Februar 1990 - eine kollektive beherrschende Stellung auf dem Kristallzuckermarkt sowohl für Einzelhandels- auch als für industrielle Abnehmer in Irland inne."

18 In Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, daß die Klägerin "im Rahmen einer fortgesetzten und umfassenden Politik zum Schutz [ihrer] Stellung auf dem Zuckermarkt in Irland" gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hat, Ein Verstoß gegen Artikel 86 setzt indessen, wie die Kommission zu Recht bemerkt, notwendig voraus, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat. Die von der Klägerin geforderte formelle Feststellung ist daher im verfügenden Teil der Entscheidung wegen der Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 86 implizit, aber mit Gewißheit enthalten.

19 Demzufolge ist das Vorbringen der Klägerin, es fehle an einer formellen Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden und einer kollektiven beherrschenden Stellung, tatsächlich unzutreffend und daher zurückzuweisen (Urteil des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, Randnr. 98).

20 Zweitens rügt die Klägerin einen Widerspruch bei der Definition des relevanten Marktes zwischen dem verfügenden Teil und der Begründung der angefochtenen Entscheidung. Sie weist insoweit darauf hin, daß die Kommission sich im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung auf den Zuckermarkt in Irland beziehe, während sie in der Begründung der angefochtenen Entscheidung davon ausgehe, daß der Zuckermarkt für den Einzelhandel und der Zuckermarkt für die Industrie zu unterscheiden seien (Randnrn. 90, 99 und 118). Die Definition im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung entspreche tatsächlich derjenigen in den letzten beiden ihr zugegangenen Mitteilungen der Beschwerdepunkte (Sachen IV/34.621 und IV/34.621, 35.059). Demnach beziehe sich eine etwaige Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden und einer kollektiven beherrschenden Stellung im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung auf den Zuckermarkt in Irland, der als Markt in der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht definiert sei.

21 Der angebliche Widerspruch ist nicht dargetan. Da nämlich der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung nach den von der in Randnummer 17 dieses Urteils zitierten Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen im Lichte ihrer Begründung zu verstehen ist, kann die Verwendung des Ausdrucks "Zuckermarkt in Irland" in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung weder die Klägerin noch das Gericht bezüglich der Natur der dieser vorgeworfenen Beanstandungen in die Irre führen.

22 Die Wendungen in den Randnummern 90 und 98 der angefochtenen Entscheidung lassen nämlich erkennen, daß die Kommission im vorliegenden Fall von zwei verschiedenen Märkten ausgegangen ist. In Randnummer 90 hat sie insoweit ausgeführt: "Die Kommission erkennt jedoch das Vorbringen [der Klägerin] [Fußnote 71: In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 12. Juli 1996, Ziffern 3.2.1 bis 3.27] an, daß der Kristallzuckermarkt wiederum in zwei Märkte aufgeteilt ist, den Industrie- und den Einzelhandelszuckermarkt. Beide Märkte weisen sich überschneidende Merkmale auf...Während jedoch versorgungsmäßig ein gewisses Maß an Substitution besteht, unterscheiden sich die Märkte hinsichtlich der Verwendung der Erzeugnisse, der Absatzmengen und der Abnehmerkategorien." In Randnummer 98 heißt es: "Die Kommission kommt daher zu dem Schluß, daß die Märkte für Kristallzucker für den Einzelhandel sowie für die Industrie in Irland die relevanten Märkte sind [und] daß dies - ausgehend vom Umfang der Herstellung und des Verbrauchs von Zucker - ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes ist."

23 Im übrigen geht aus Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung klar hervor, daß in dieser Feststellung wie auch in der Begründung dieser Entscheidung zwischen dem Kristallzuckermarkt für den Einzelhandel und dem für die Industrie in Irland unterschieden wird. Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, zwischen der Begründung und dem verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung bestehe ein Widerspruch, tatsächlich unzutreffend und daher ebenfalls zurückzuweisen.

24 Drittens beanstandet die Klägerin die Auslegung von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung durch die Kommission, die diese erstmals in ihrer Klagebeantwortung vorgebracht und der zufolge sie formell das Vorliegen einer ausschließlichen beherrschenden Stellung der Klägerin während des gesamten relevanten Zeitraums und hilfsweise das einer kollektiven beherrschenden Stellung der Klägerin und der SDL während des Zeitraums vor Februar 1990 festgestellt habe. Weder die Begründung (Randnrn. 111, 112, 113, 117, 135 und 167) noch der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung bestätigten diese verspätete Darlegung der Kommission. Auf jeden Fall seien aber, wenn die angefochtene Entscheidung so verstanden werden müsse, ihre Verteidigungsrechte verletzt worden, weil der Standpunkt der Kommission in der angefochtenen Entscheidung von dem abweiche, den sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingenommen habe (Ziffern 106, 108 und 150). Außerdem beträfen die Gesichtspunkte, die in der angefochtenen Entscheidung für den Nachweis des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung von 1985 bis Februar 1990 herangezogen worden seien, das Unternehmen Sugar Distribution (Holding) Ltd (nachstehend: SDH) und SDL.

25 Hierzu ist festzustellen, daß die Klägerin zu Recht der Auslegung der angefochtenen Entscheidung entgegentritt, die die Kommission in diesem Punkt im vorliegenden Verfahren vertritt. Zwar dürfte die von der Kommission vorgetragene Auslegung mit der rechtlichen Würdigung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung einerseits und dem Mißbrauch dieser beherrschenden Stellung andererseits sowohl in der Begründung der angefochtenen Entscheidung als auch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu vereinbaren sein, sie ist aber mit den von der Klägerin angeführten anderen Teilen der angefochtenen Entscheidung und der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in Einklang zu bringen. Die Unterscheidung zwischen der Feststellung der beherrschenden Stellung der Klägerin und der Feststellung der insoweit begangenen Mißbräuche, die die Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens anführt, um so diese Abweichung bei den verwendeten Ausdrucksweisen zu rechtfertigen, ist unerheblich. In mehreren Punkten der rechtlichen Würdigung der Mißbräuche in der angefochtenen Entscheidung wird nämlich der Mißbrauch ihrer "kollektiven beherrschenden Stellung" durch die Klägerin und SDL ausdrücklich hervorgehoben.

26 Den Randnummern 99 bis 113 der angefochtenen Entscheidung mit der Überschrift "B. Beherrschende Stellung" ist zu entnehmen, daß die Klägerin nach Auffassung der Kommission während des gesamten relevanten Zeitraums, d. h. von 1985 bis 1995, eine beherrschende Einzelstellung innegehabt hat, daß aber ihr Vorbringen, daß sie bis zum Kauf sämtlicher Aktien der Muttergesellschaft SDH der SDL im Februar 1990 die SDL nicht beherrscht habe, von der Kommission berücksichtigt worden ist. Diese Analyse unterscheidet sich nicht von derjenigen, die die Kommission in den Ziffern 95 bis 106 der Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Vorliegen einer beherrschenden Stellung vorgetragen hat. Die Randnummern 114 bis 116 der angefochtenen Entscheidung unter der Überschrift "C. Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung" gehen in die gleiche Richtung. Auch die Ziffer 110 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt diesen Standpunkt der Kommission.

27 Mehrere Darlegungen in der angefochtenen Entscheidung zu den Mißbräuchen sowie die Fassung ihres verfügenden Teils lassen indessen erkennen, daß die Klägerin und SDL vor 1990 eine kollektive beherrschende Stellung entweder durch einzelne oder durch gemeinsame Verhaltensweisen mißbraucht haben sollen. So heißt es in Randnummer 117: "Die Maßnahmen, die von [der Klägerin] vor 1990 hinsichtlich der Frachtbeschränkung, von beiden Unternehmen hinsichtlich der Grenzrabatte, Ausfuhrrabatte und des Treuerabatts und von SDL hinsichtlich des Produktaustauschs und der selektiven Preisfestsetzung getroffen wurden, wurden in kollektiver marktbeherrschender Stellung ergriffen." In Randnummer 135 heißt es am Ende: "Daher wird gefolgert, daß [die Klägerin] und SDL durch Anwendung dieser Praktiken eine kollektive marktbeherrschende Stellung mißbraucht haben." Auch in Randnummer 167 heißt es: "Die anderen mißbräuchlichen Verhaltensweisen [der Klägerin] und/oder SDL...unterliegen hinsichtlich der Geldbußensanktion nicht der Verjährung. [Die Klägerin] versuchte durch diese Verhaltensweise, ihre beherrschende Stellung aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, und in der Zeit vor Februar 1990 versuchten [die Klägerin] und SDL durch ihre Verhaltensweisen, eine kollektive marktbeherrschende Stellung aufrechtzuerhalten...Daher vertritt die Kommission die Auffassung, daß [die Klägerin] ihre beherrschende Stellung vorsätzlich oder zumindest fahrlässig ausnutzte und daß vor Februar 1990 [die Klägerin] und SDL ihre kollektive beherrschende Stellung vorsätzlich oder zumindest fahrlässig mißbräuchlich ausnutzten. Die Kommission beabsichtigt daher, gegen [die Klägerin] wegen ihrer eigenen Zuwiderhandlungen und gegebenenfalls als Nachfolgerin von SDL wegen der von dieser vor Februar 1990 begangenen Zuwiderhandlungen eine Geldbuße festzusetzen..."In Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt: "Zu diesem Zweck hat [die Klägerin] ([und/oder Sugar Distributors Limited in der Zeit vor Februar 1990) folgende mißbräuchliche Verhaltensweisen auf dem Kristallzuckermarkt für den Verkauf an den Einzelhandel und die Industrie in Irland angewandt:..."Diese Passagen zeigen, daß das Verständnis der angefochtenen Entscheidung, wie es die Klägerin vertritt, zutreffend ist. Gleiches gilt für die von der Klägerin angeführte Ziffer 150 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der es ähnlich wie in Randnummer 167 der angefochtenen Entscheidung heißt: "[Die Klägerin] versuchte durch diese Verhaltensweise, ihre beherrschende Stellung aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, und in der Zeit vor Februar 1990 versuchten [die Klägerin] und SDL durch ihre Verhaltensweisen, eine kollektive marktbeherrschende Stellung aufrechtzuerhalten...Daher vertritt die Kommission die Auffassung, daß [die Klägerin] ihre beherrschende Stellung vorsätzlich oder zumindest fahrlässig ausnutzte und daß vor Februar 1990 [die Klägerin] und SDL ihre kollektive beherrschende Stellung vorsätzlich oder zumindest fahrlässig mißbräuchlich ausnutzten. Die Kommission hat daher die Absicht, gegen [die Klägerin] wegen ihrer eigenen Zuwiderhandlungen und als Rechtsnachfolgerin von SDL wegen der von dieser vor Februar 1990 begangenen Zuwiderhandlungen eine Geldbuße festzusetzen..."

28 Die verschiedenen Formulierungen, die in der angefochtenen Entscheidung die Marktstellung der Klägerin vor Februar 1990 umschreiben sollen, ergeben sich aus der Besonderheit der Beziehungen, die sie mit SDL vor diesem Zeitpunkt verbanden. Die Kommission will nämlich für den Zeitraum zwischen 1985 und Februar 1990 das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86 des Vertrages festgestellt haben, die der Klägerin allein, der SDL allein oder beiden gemeinsam zuzurechnen seien. Da die Kommission aber das Vorbringen der Klägerin berücksichtigt hat, daß diese, obwohl sie 51 % des Kapitals von SDH besessen, doch die Geschäftsführung von SDL nicht kontrolliert habe, ist sie davon ausgegangen, daß die Klägerin und SDL, auch wenn sie nicht als eine wirtschaftliche Einheit behandelt werden konnten, doch zumindest gemeinsam eine beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt innehatten. Ziffer 110 der Mitteilung der Beschwerdepunkte steht im Einklang mit dieser Auffassung der Kommission: "Die Klägerin hat, um ihre Marktposition zu verteidigen, zu verschiedenen Formen mißbräuchlichen Verhaltens gegriffen, die während des gesamten Zeitraums seit 1985 entweder alternativ oder, falls dies erforderlich war, zusammen eingesetzt wurden. Einige der betreffenden Maßnahmen wurden von [der Klägerin] selbst, andere auf dem Zuckermarkt für den Einzelhandel von SDL, ihrer Tochtergesellschaft, durchgeführt."

29 Die kennzeichnenden Merkmale der Beziehungen zwischen der Klägerin und SDL vor Februar 1990 stützen indessen die Behauptung der Kommission nicht, sie habe aufgrund der gleichen Sachverhalte belegt, daß die Klägerin vor Februar 1990 zugleich einzeln und zusammen mit SDL eine kollektive marktbeherrschende Stellung innegehabt habe. Sie kann die Frage nach der Natur der betreffenden beherrschenden Stellung auch nicht offen lassen, ohne zugleich die Genauigkeit der Vorwürfe gegenüber der Klägerin zu beeinträchtigen und diese daran zu hindern, ihre Verteidigung sinnvoll vorzubereiten; damit aber verletzt sie die Verteidigungsrechte, die Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 unter Schutz stellen will. Es ist daher davon auszugehen, daß die angefochtene Entscheidung, wie die Klägerin darlegt, im Einklang mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung der Klägerin und der SDL von 1985 bis Februar 1990 und einer individuellen beherrschenden Stellung der Klägerin von Februar 1990 bis 1995 feststellt.

30 Selbst wenn die Ausführungen der Kommission zur Natur der beherrschenden Stellung zwischen 1985 und Februar 1990, wie sie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, unzutreffend sein sollten, führt dies weder zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin noch zu einer Verletzung der Begründungspflicht, da sie die Auslegung der angefochtenen Entscheidung betreffen, die letztlich, wie der vorstehenden Randnummer zu entnehmen ist, Sache des Gerichts ist.

31 Demgemäß ist der erste Teil des ersten Klagegrundes der Klägerin zur Stützung ihres Hauptantrags zurückzuweisen.

Zur Änderung des Wesens der der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen

32 Die Klägerin macht geltend, daß die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Unterscheidung zwischen dem Zuckermarkt für den Einzelhandel und dem für die Industrie ihre Verteidigungsrechte beeinträchtige und damit Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 verletze. Diese Unterscheidung, die das Wesen der ihr in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeworfenen Zuwiderhandlungen verändere, hätte ihr vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung mitgeteilt werden müssen.

33 Hierzu ist festzustellen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, in welcher Weise ihre Verteidigungsrechte durch die Berücksichtigung eines der Argumente beeinträchtigt worden sein sollen, die sie selbst im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat (siehe Randnr. 23 dieses Urteils). Sie kann sich nicht auf eine Veränderung des Wesens der Beanstandungen infolge der Unterscheidung zwischen dem Zuckermarkt für den Einzelhandel und dem für die Industrie berufen, ohne insoweit auch nur den geringsten Anhaltspunkt vorzubringen.

34 Wird ein Argument, das ein Unternehmen im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat, berücksichtigt, ohne daß dem Unternehmen vor Erlaß der endgültigen Entscheidung Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern, so kann allein darin zumal dann keine Verletzung seiner Verteidigungsrechte liegen, wenn dieses Argument die Natur der gegen es erhobenen Vorwürfe nicht verändert. Die Klägerin hatte nämlich Gelegenheit, ihren Standpunkt zu der von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zugrunde gelegten Definition des Produktmarkts deutlich zu machen, und mußte daher damit rechnen, daß ihre eigenen Erläuterungen diese zu einer Änderung ihres Standpunktes bewegen könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 437 und 438).

35 Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß nach dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs das betroffene Unternehmen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden muß, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11; Urteile des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 39, und vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 48), so daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte alle erforderlichen Angaben enthalten muß, damit sich das Unternehmen sachgerecht verteidigen kann, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erläßt (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 45/69, Boehringer Mannheim/Kommission, Slg. 1970, 768, Randnr. 9, vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 52/69, Geigy/Kommission, Slg. 1972, 787, Randnr. 11, vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 274 und 277, Hoffmann/La Roche, Randnr. 10, und vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, "Zellstoff", Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 42). In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müssen alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden. Diese Darstellung kann in gedrängter Form erfolgen, und die Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein (Urteil vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 14).

36 Da die Unterscheidung zwischen dem Zuckermarkt für den Einzelhandel und dem für die Industrie die an die Klägerin gerichteten Beschwerdepunkte nicht verändert hat und diese in der Mitteilung der Beschwerdepunkte so klar und genau angegeben worden sind, daß sie sie zur Kenntnis nehmen und ihre Verteidigung entsprechend einrichten konnte, und da jedenfalls die Klägerin in keiner Weise dargetan hat, inwiefern die besagten Beschwerdepunkte geändert worden sein sollten, kann eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte nicht festgestellt werden.

37 Demzufolge ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes der Klägerin zur Stützung ihres Hauptantrags zurückzuweisen.

Zur Annahme einer kollektiven beherrschenden Stellung

38 Die Klägerin bestreitet, zusammen mit SDL zwischen 1985 und Februar 1990 eine kollektive beherrschende Stellung innegehabt zu haben.

39 Sie verweist insoweit auf die Geschichte ihres Verhältnisses zu SDH, die seinerzeit alle Aktien der SDL besessen habe. Obwohl sie bereits vor Erwerb sämtlicher Aktien im Februar 1990 51 % der Aktien von SDH besessen habe, habe sie deren Geschäftsführung doch nicht beherrscht. Sei 1982 seien aus praktischen Gründen die Zuständigkeiten auf sie und die Tochtergesellschaften so aufgeteilt worden, daß sie für die technischen Dienste und den Vertrieb einschließlich der Verkaufsförderung und der Kundenrabatte, ihre Tochtergesellschaften hingegen für Maßnahmen und deren Finanzierung im Bereich Verkauf, Verkaufsförderung, Merchandizing und Vertrieb der Erzeugnisse verantwortlich gewesen seien. Diese Aufgabenteilung habe indessen entgegen der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 30) aufgestellten Behauptung SDL nicht das Recht genommen, Konkurrenzprodukte zu vertreiben. Sie verweist insoweit auf die Geschäfte von SDL, mit denen über McKinney bis 1991 Zucker von einem britischen Lieferanten in Nordirland gekauft und verkauft worden sei. Im übrigen sei über die ihr nach dieser Aufteilung zukommenden Aufgabenbereiche ein Geschäftsführungsvertrag geschlossen worden, auf dessen Grundlage SDL ihr zwischen 1982 und 1989 Geschäftsführungskosten gezahlt habe, deren Betrag jährlich geschwankt habe und vom Finanzdirektor der SDL errechnet worden sei. In der Praxis sei ferner die Festlegung der Zuckerpreise im wesentlichen Sache von SDL gewesen. Für die Selbständigkeit der Geschäftsführung der SDL führt sie Auszüge aus einem Bericht zweier vom High Court 1992 bestimmter Sachverständiger sowie aus einem Bericht des Unternehmens Arthur Andersen als Beweis an.

40 Da im übrigen ihre wirtschaftlichen Verbindungen zu SDL nicht als Zusammenschluß gewertet werden könnten, dürften sie auch nicht zur Feststellung des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung auf den Zuckermärkten für den Einzelhandel und für die Industrie führen. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 112) ein für den Nachweis einer kollektiven beherrschenden Stellung ungeeignetes Kriterium herangezogen, indem sie die Interessen der beiden Unternehmen gegenüber Dritten als gleichgelagert bezeichnet habe. Außerdem sei es unlogisch, sich insoweit auf das Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 (SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnr. 358) zu beziehen.

41 Ihre Verbindungen zu SDL hätten die Unabhängigkeit des Verwaltungsrats und der Geschäftsführung dieses Unternehmens gewährleistet. Kriterium für das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung verbundener Unternehmen sei aber nach der Rechtsprechung die Möglichkeit einer gleichen Vorgehensweise auf dem betreffenden Markt (Urteil des Gerichtshofes vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92, Almelo, Slg. 1994, I-1477, Randnr. 42, und Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-24/93, T-25/93, T-26/93 und T-28/93, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201, Randnrn. 62 bis 68). Ein übereinstimmendes Marktverhalten sei aber mehr als eine bloße Konvergenz der Interessen, die im übrigen bei den Beziehungen zwischen Erzeugern und Händlern die Regel sei, erst recht aber dann, wenn man es wie im vorliegenden Fall mit einer strukturellen Überversorgung zu tun habe. Außerdem habe sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht mit der Frage des Vorliegens einer Beziehung unter dem Blickwinkel eines übereinstimmenden Marktverhaltens befaßt, sondern lediglich das Vorliegen struktureller Verbindungen zwischen der Klägerin und SDH/SDL festgestellt (Ziffern 102, 103, 104 ff. der Mitteilung).

42 Außerdem sei zu beachten, daß zwar das Fehlen von Wettbewerb im Rahmen einer vertikalen Geschäftsbeziehung zwischen einem Erzeuger und einem Händler ein kennzeichnendes Merkmal für eine kollektive beherrschende Stellung sein könne, gleichwohl aber keine ausreichende Bedingung sei. In Wirklichkeit sei die Erheblichkeit des Begriffes einer kollektiven beherrschenden Stellung im Rahmen einer vertikalen Geschäftsbeziehung recht zweifelhaft. Außerdem hätten in allen bisher vom Gemeinschaftsrichter entschiedenen Fälle kollektiver beherrschender Stellungen horizontale Geschäftsbeziehungen vorgelegen. Eine vertikale Geschäftsbeziehung sei, wie sie in ihrer Erwiderung ergänzt, durch fehlenden Wettbewerb gekennzeichnet.

43 Die Klägerin bestreitet ferner den kollektiven Charakter der meisten Mißbrauchshandlungen im Rahmen der angeblich kollektiven beherrschenden Stellung. Sie weist insoweit darauf hin, daß die Kommission, obwohl sie feststelle, daß der Warenaustausch ausschließlich von SDL organisiert worden sei (Randnr. 48 der angefochtenen Entscheidung) und die Klägerin hiervon erst am 18. Juli 1988 erfahren habe (Randnr. 52), gleichwohl den Standpunkt vertrete, es handele sich um die mißbräuchliche Ausnutzung einer kollektiven beherrschenden Stellung. Schließlich wirft sie der Kommission eine "Wiederverwertung" bestimmter Tatsachen in der angefochtenen Entscheidung vor, die sie benutze, um zugleich das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung (Randnr. 112) und die mißbräuchliche Ausnutzung dieser kollektiven beherrschenden Stellung (Randnrn. 117, 127 und 128) zu belegen, und dies im Widerspruch zu dem von der Rechtsprechung insoweit aufgestellten Grundsatz (Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 67). Diese "Wiederverwertung" stelle zugleich eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und daher von Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 dar, weil die Finanzierung der von SDL gewährten Rabatte durch sie unabhängig von deren Gewährung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als Mißbrauch behandelt worden sei.

44 Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin zwar den kollektiven Charakter der beherrschenden Stellung, die sie zwischen 1985 und Februar 1990 mit SDH/SDL auf dem Markt für Einzelhandelszucker innegehabt haben soll, in Abrede stellt, im Gegensatz hierzu in ihrer Klageschrift aber nicht bestreitet, während des gesamten relevanten Zeitraums mehr als 88 % der verbuchten Verkäufe auf diesem Markt getätigt zu haben (Randnr. 159 der angefochtenen Entscheidung). Obwohl sie formell bestreitet, auf dem Industriezuckermarkt eine individuelle oder kollektive beherrschende Stellung innegehabt zu haben (vgl. die nachstehende Prüfung des zweiten Klagegrundes im Rahmen ihres Hauptantrags), hat sie keine besonderen Argumente vorgebracht, die die Schlußfolgerung in Frage stellen könnten, daß sie auf dem Markt für Einzelhandelszucker eine beherrschende Stellung innegehabt hat.

45 Außerdem beanstandet die Klägerin zwar die Ungeeignetheit des Kriteriums, das die Kommission in Randnummer 112 der angefochtenen Entscheidung zum Nachweis des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung herangezogen habe, jedoch sind sich die Parteien über mehrere Voraussetzungen einig, die nach der Rechtsprechung erforderlich sind, um eine kollektive beherrschende Stellung annehmen zu können. Sie heben etwa hervor, daß zwei unabhängige wirtschaftliche Einheiten eine kollektive beherrschende Stellung auf einem Markt innehaben können (Urteil SIV u. a./Kommission, Randnr. 358, zitiert in Randnr. 112 der angefochtenen Entscheidung). Sie vertreten ebenfalls die Auffassung, daß zwischen den beiden Einheiten enge Beziehungen bestehen und diese geeignet sein müssen, zu einem gleichen Verhalten, zu einer einheitlichen Verhaltenslinie auf dem betreffenden Markt zu führen. Sie verweisen insoweit auf die Urteile Almelo und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission.

46 Dieser Analyse der Rechtsprechung zu dieser Frage ist beizupflichten. Der Gerichtshof hat nämlich, wie die gerade Entwicklungslinie seiner früheren Rechtsprechung und die der Rechtsprechung des Gerichts zeigt (Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Almelo, Randnr. 42, vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94, Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883, Randnrn. 32 und 33, vom 17. Oktober 1995 in den Rechtssachen C-140/94, C-141/94 und C-142/94, DIP u. a., Slg. 1995, I-3257, Randnr. 26, vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95, Sodemare u. a., Slg. 1997, I-3395, Randnrn. 45 und 46, Urteile SIV u. a./Kommission, Randnr. 358, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 62), bestätigt, daß eine kollektive beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen vorliegt, wenn diese insbesondere wegen der zwischen ihnen bestehenden verbindenden Faktoren die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 221).

47 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin und SDL aufgrund der verbindenden Faktoren, wie sie zwischen ihnen von 1985 bis Februar 1990 bestanden, die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt besaßen.

48 Die Klägerin verweist, um das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung in Frage zu stellen, auf die Natur ihrer Beziehungen zu SDL bis 1990. Sie betont die Unabhängigkeit der beiden Einheiten, die als solche unvereinbar mit dem Vorliegen von Beziehungen der Art sei, wie sie die Kommission anführe.

49 Zum einen beruht der Standpunkt der Klägerin auf der irrigen Prämisse, daß die wirtschaftliche Unabhängigkeit der beiden in Rede stehenden Einheiten ein Hinderungsgrund für die Innehabung einer kollektiven beherrschenden Stellung sei. Der von der Klägerin angeführten, in Randnummer 46 dieses Urteils zitierten Rechtsprechung läßt sich nämlich entnehmen, daß die Unabhängigkeit der betreffenden wirtschaftlichen Einheiten allein noch nicht die Möglichkeit ausschließt, daß ihnen eine kollektive beherrschende Stellung zukam.

50 Zum anderen belegen die in der angefochtenen Entscheidung festgehaltenen verbindenden Faktoren zwischen der Klägerin und SDL, daß diese beiden wirtschaftlichen Einheiten von 1985 bis Februar 1990 die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt besaßen.

51 In der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 112) bewertet die Kommission als verbindende Faktoren die Kapitalbeteiligung der Klägerin an SDL, ihre Vertretung in den Verwaltungsräten von SDH und SDL, den Ablauf der Beschlußfassung bei diesen Unternehmen und den dieser dienenden Kommunikationsprozeß sowie direkte wirtschaftliche Verbindungen wie die Verpflichtung von SDL, ihren gesamten Zucker von der Klägerin zu kaufen, sowie die Bezahlung der gesamten Verkaufsförderung und der Rabatte von SDL für Einzelkunden. Die entsprechenden Einzelheiten sind in den Randnummern 29, 30 und 111 der angefochtenen Entscheidung dargelegt.

52 Die Argumente, mit denen die Klägerin das Vorliegen dieser Punkte in Frage stellen will, sind der Zahl nach gering und außerdem zum größten Teil unbegründet. So bestreitet sie nicht, daß sie 51 % der Aktien von SDH besaß, die ihrerseits sämtliche Aktien der SDL hielt; daß die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrats von SDH von ihren Vertretern gestellt wurde; daß Vorsitzender und mehrere Mitglieder ihres Vorstands Sitz im Verwaltungsrat von SDL hatten; daß sie von Juli 1982 bis Februar 1990 aufgrund einer im Juli gemeinsam beschlossenen Aufgabenverteilung für die technischen Dienste und das Marketing, die Geschäftsstrategie, Verkaufsförderungen bei den Kunden und Rabatte zuständig war;daß SDL für den Vertrieb des von der Klägerin erzeugten Zuckers in Irland sorgte; daß SDL sich verpflichtet hatte, ihren Zuckerbedarf, vorbehaltlich der Verfügbarkeit der Ware, ausschließlich bei der Klägerin zu decken und sich nicht an Maßnahmen des Kaufes, Verkaufs, Wiederverkaufs oder der Förderung gleicher oder ähnlicher Produkte wie derjenigen, die bei der Klägerin bezogen werden konnten, mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen; daß die Klägerin und SDL sich eine Reihe von Angaben bezüglich Vermarktung, Umsätzen, Werbung, Förderungen für die Verbraucher und finanzieller Fragen gegenseitig mitzuteilen hatten und daß schließlich Vertreter von SDL und der Klägerin in monatlichen Sitzungen zusammentrafen.

53 Demgegenüber wendet die Klägerin ein, die ausschließliche Abnahmeverpflichtung von SDL habe diese nicht gehindert, insbesondere in Nordirland über McKinney mit Konkurrenzprodukten zu handeln; die ihr von SDL gezahlten Geschäftsführungskosten beruhten auf der Durchführung eines Vertrages, ihr Betrag habe jährlich geschwankt und sei vom Finanzdirektor der SDL errechnet worden (Brief vom 23. Oktober 1991 an die Aktionäre von Greencore); diese Geschäftsführungskosten hätten nicht die Geschäftspolitik von SDL finanzieren sollen; der Vorsitz in den monatlichen Sitzungen der beiden Unternehmen sei abwechselnd von einem Vertreter der Klägerin und der SDL und nicht ausschließlich vom Generaldirektor der Abteilung "Zucker" der Klägerin übernommen worden; schließlich sei die Festlegung der Zuckerpreise im wesentlichen in die Zuständigkeit von SDL gefallen.

54 Diese Beanstandungen können indessen die Beweiskraft der Dokumente nicht erschüttern, die die Kommission herangezogen hat, um darauf ihre Analyse der Beziehungen zwischen der Klägerin und SDL zu stützen. Dies ergibt sich schon aus dem Auszug des Protokolls der Sitzung des Verwaltungsrats der SDL vom 1. Juli 1982 in Anlage 3 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte:

"VORSCHLAEGE VON IRISH SUGAR FÜR MARKETING/VERKÄUFE/VERTRIEB

Gegenwärtig werden Zuckererzeugnisse in drei Marktsektoren abgesetzt:

Binnenmarkt; Nordirland-Markt; Markt des Vereinigten Königreichs.

Die Gesamtverantwortung für die Tätigkeit von Irish Sugar liegt bei CSET [Abkürzung der Firma, unter der die Klägerin 1933 von der irischen Regierung gegründet wurde: "Comhlucht Siúcra Éireann Teoranta"] und die Politiken, die vom Verwaltungsrat von CSET für die Gesamtinteressen von CSET beschlossen werden, werden von der Organisation von CSET sowie durch die Verwaltungsräte der Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen durchgeführt, denen bestimmte Funktionen übertragen worden sind.

Zur Verbesserung der Organisation und zur Beseitigung von Bereichen, in denen die Verantwortlichkeiten nicht eindeutig festgelegt sind, ist folgendes erforderlich:

a) Festlegung sowohl der Aufgaben der Mitarbeiter der Abteilung Zucker von CSET und der Rollen von SDL bei Absatz und Verteilung als auch der gemeinsamen Verantwortlichkeiten bei Fragen von beiderseitigem Interesse, indem die Position der Muttergesellschaft CSET als eines bedeutenden öffentlichen Unternehmens eindeutig bestätigt wird;

b) Festlegung des Kooperations- und Kommunikationsrahmens für die Arbeit der beiden Gesellschaften;

c) Festlegung des Rahmens für die Kommunikation zwischen den vorstehend angeführten Funktionen und den Produktionseinheiten.

Zur Erreichung dieser Ziele wird vorgeschlagen, daß SDL verantwortlich sein soll für Verkauf, Verkaufsförderung, Merchandizing und Vertrieb aller Zuckererzeugnisse von CSET auf dem irischen und nordirischen Markt und CSET für das Marketing und die technischen Dienste auf diesen Märkten. Im einzelnen werden die Aufgaben der Mitarbeiter der beiden Gesellschaften wie folgt aufgeteilt:

AUFGABEN VON CSET

A - Binnenmarkt und Nordirland

1. Marketingstrategie

2. Werbung (allgemein und Marken) (vorbehaltlich der Ausnahmen in der Rubrik gemeinsame Aufgaben)

3. Aufmachung und Präsentation

4. Produktentwicklung

5. Neue Produkte

6. Qualität

7. Behandlung aller Kundenreklamationen bezüglich Qualität und Aufmachung, die unmittelbar eingehen oder von SDL, J. C. Cole Ltd oder William McKinney (1975) Ltd übermittelt werden

8. Verkaufsförderung bei den Verbrauchern

9. Technische Unterstützung (einschließlich R & D) und technische Dienste

10. Verfügbarkeit der Produkte

11. Rabatte, soweit erforderlich zur Optimierung von Preisen und Mengen auf dem irischen und nordirischen Markt

B - Markt des Vereinigten Königreichs

AUFGABEN VON SDL

1. Maßnahmen und deren Finanzierung im Bereich Verkauf, Verkaufsförderung, Merchandizing und Vertrieb der Zuckererzeugnisse von CSET auf dem Süd- und Nordmarkt. Die vorstehend festgelegten Aufgaben werden in den angeführten Bereichen auf SDL, J. C. Cole Ltd und William McKinney (1975) Ltd aufgeteilt.

2. SDL trifft die Entscheidungen im Bereich Verkäufe einschließlich der Preisfestlegung für alle drei genannten Verkaufs- und Vertriebsgesellschaften. Diese Entscheidungen ergehen nach Maßgabe der vom Generaldirektor der Abteilung Zucker festgelegten Politik.

3. Vorbehaltlich der Verfügbarkeit der Lieferungen deckt Sugar Distributors Ltd seinen gesamten Zuckerbedarf bei CSET und beteiligt sich weder mittelbar noch unmittelbar an Maßnahmen des Kaufes, Verkaufs, Wiederverkaufs oder der Förderung gleicher oder ähnlicher Produkte wie derjenigen, die bei CSET bezogen werden können.

4. SDL und J. C. Cole Ltd liefern den Zucker ab der von CSET festgelegten Fabrik. Die Lieferkosten werden von der Handelsspanne abgezogen.

5. Verwaltung/Fakturierung der Zuckerverkäufe im Vereinigten Königreich erfolgen ohne zusätzliche Geschäftsführungskosten für CSET.

Gemeinsame Aufgaben - für Bereiche von beiderseitigem Interesse

1. Erarbeitung und Kontrolle von Preis- und Förderungspolitiken zur Sicherung der Marktlage bei optimalen Preis- und Mengenniveaus;

2. Gegenseitige Übermittlung von Informationen über alle Aspekte der Vermarktung des Zuckers, des Ablaufs der Verkäufe, der Werbung, der Verkaufsförderung bei Verbrauchern und der Finanzfragen, soweit für jeden der Partner erforderlich;

3. Markenwerbung für die Verbraucher in Nordirland in Abstimmung mit dem Verwaltungsrat von William McKinney (1975) Ltd;

4. Abstimmung über die Marktanalyse und alle anderen Untersuchungen, die für den neuesten Stand der Marktinformationen erforderlich sind.

Zur Sicherstellung einer effektiven Kommunikation zwischen CSET und SDL über alle vorstehend genannten Aspekte des Zuckerhandels und der richtigen Abdeckung der mit den gemeinsamen Aufgaben zusammenhängenden Fragen wird vorgeschlagen, eine monatliche Sitzung zu veranstalten, in der alle vorstehend genannten Aspekte des Zuckerhandels zwischen der Abteilung Zucker von CSET und SDL erörtert werden sollen. An diesen Sitzungen nehmen teil:

Für CSET

Generaldirektor - Abteilung Zucker Generaldirektor, Marketing Örtlicher Generaldirektor, Carlow Kontrolleur Geschäftsführung -...(?)

Für SDL

Generaldirektor Verkaufsdirektor Finanzdirektor

Den Vorsitz in den Sitzungen übernimmt der Generaldirektor der Abteilung Zucker. Falls erforderlich, nehmen andere Personen teil."

55 Angesichts des Inhalts dieses Dokuments und der in der angefochtenen Entscheidung vorgetragenen Gesichtspunkte kann die Behauptung der Klägerin, SDL habe über McKinney in Nordirland Handel mit Konkurrenzprodukten getrieben, die Würdigung der Klausel ausschließlicher Versorgung der SDL bei der Klägerin durch die Kommission in keiner Weise erschüttern. Zunächst wird diese Behauptung durch keinerlei besonderen Beweis gestützt. Außerdem war McKinney rechtlich gesehen grundsätzlich nicht an die Verpflichtung der SDL gegenüber der Klägerin gebunden. Gleiches gilt für die Erläuterung in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts zu den Verkäufen von deutschem und französischem Zucker über das Unternehmen Trilby Trading Ltd, an dem die Klägerin im August 1987 einen Anteil von 51 % erworben haben will. Entgegen den Darlegungen der Klägerin legen die einzigen Beispiele, die sie anführt, um die Bedeutung der 1982 vereinbarten ausschließlichen Abnahmeklausel herunterzuspielen, nämlich die Verkäufe von McKinney in Nordirland und die von Trilby Trading Ltd nach August 1984 eher nahe, daß SDL ihre Verpflichtung eingehalten hat. Das Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats von SDL vom 1. Juli 1982 erwähnt nämlich McKinney immer dann, wenn dieses Unternehmen betroffen ist. McKinney wird aber in der ausschließlichen Abnahmeklausel, wie sie in diesem Protokoll festgelegt wurde, nicht ausdrücklich angeführt. Schließlich betrifft das Beispiel McKinney Nordirland, das nicht zu dem in der vorliegenden Rechtssache räumlich relevanten Markt gehört.

56 Ihre Darlegung der Merkmale der Finanzierung der von SDL ihren Kunden gewährten Rabatte weist Widersprüche auf. So räumt sie in Nummer 28 letzter Absatz ihrer Klageschrift ein, daß alle von SDL gewährten Rabatte sowie die Verkaufsförderungs- und Werbekosten zu ihren Lasten gegangen seien, um dann in ihrer Erwiderung abzustreiten, daß sie die von SDL gewährten Rabatte finanziere. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Kommission die Natur der zwischen Klägerin und SDL organisierten finanziellen Dienstleistungen zutreffend gewürdigt hat. Das Schreiben des Präsidenten von Greencore an ihre Aktionäre vom 23. Oktober 1991 ist für sie insoweit ohne Nutzen, da es keine näheren Angaben zur eigentlichen Rollenverteilung zwischen Klägerin und SDL enthält.

57 Auch für die Behauptung, in den "monatlichen Kommunikationssitzungen" von Klägerin und SDL sei der Vorsitz abwechselnd von dem jeweiligen Vertreter übernommen worden, fehlt nicht nur ein besonderer Beweis, sondern sie ist außerdem unerheblich. Der Hinweis darauf, wer in diesen monatlichen Sitzungen abwechselnd den Vorsitz übernommen hat, ist nämlich insoweit ohne Bedeutung, weil die bloße Durchführung solcher Sitzungen für den Nachweis entscheidend ist, daß sie einen verbindenden Faktor im Sinne der Rechtsprechung darstellen (siehe Randnr. 46 dieses Urteils). Außerdem ist festzustellen, daß es im Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats von SDL vom 1. Juli 1982 ganz unzweideutig heißt: "Den Vorsitz in den Sitzungen übernimmt der Generaldirektor der Abteilung Zucker."

58 Die Beanstandungen der Klägerin bezüglich der Preisfestsetzungspolitik, wonach diese im wesentlichen zur Zuständigkeit von SDL gehört habe, entsprechen ebenfalls nicht dem Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats von SDL vom 1. Juli 1982, wo es in Absatz 2 des Abschnitts bezüglich der Aufgaben von SDL heißt: "SDL trifft die Entscheidungen im Bereich Verkäufe einschließlich der Preisfestlegung für alle drei genannten Verkaufs- und Vertriebsgesellschaften. Diese Entscheidungen ergehen nach Maßgabe der vom Generaldirektor der Abteilung Zucker festgelegten Politik." Außerdem sind diese Behauptungen wiederum nicht durch besondere Beweise belegt. Das Schreiben des Präsidenten von Greencore an deren Aktionäre vom 23. Oktober 1991 enthält keinerlei Angaben zur Aufgabenverteilung bei der Preisfestsetzung.

59 Demgemäß ist davon auszugehen, daß der Klägerin nicht der Nachweis gelungen ist, daß die Kommission einen Beurteilungsfehler mit ihrer Annahme begangen hat, die in der angefochtenen Entscheidung genannten verbindenden Faktoren belegten, daß SDL und die Klägerin von 1985 bis Februar 1990 die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt besessen hätten (siehe Randnr. 46 dieses Urteils).

60 Im übrigen gingen die übrigen Marktbeteiligten davon aus, daß die Klägerin und SDL ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit bildeten. So richtete ASI International Foods, früher ASI International Trading Ltd (nachstehend: ASI), die französischen Zucker auf den irischen Markt einführte, am 18. Juli 1988 ein Schreiben an die Klägerin, um sich über deren Marktverhalten und das von SDL zu beschweren. Der Urheber dieses Schreibens, das an den Generaldirektor der Klägerin gerichtet ist, schreibt: "Ich möchte mit diesem Schreiben Ihre Aufmerksamkeit auf die wettbewerbswidrigen Praktiken lenken, die auf Ihr Unternehmen und die von Ihnen beherrschte SDL zurückgehen und unseren Bemühungen gelten, unseren Zucker Eurolux in Kilopackungen in Irland an den Einzelhandel abzusetzen."

61 Dieser Feststellung steht nicht entgegen, daß sich die Klägerin und SDL in einer vertikalen Geschäftsbeziehung befinden.

62 Zunächst ergibt sich aus den schriftlichen Erklärungen der Klägerin, daß beide Unternehmen von 1985 bis 1990 auf demselben Markt tätig waren, was dem Vorliegen einer ausschließlich vertikalen Geschäftsbeziehung widerspricht. In Nummer 27 ihrer Klageschrift gibt die Klägerin einen Auszug aus einer Vereinbarung zwischen den Aktionären der SDH im Jahre 1975 wieder, in dem es heißt: "SDL und Sugar Company setzen ihre Geschäftstätigkeit als unabhängige und konkurrierende Unternehmen fort." Außerdem betont die Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts, daß SDL das gesamte Angebot der Klägerin für den Einzelhandelszuckermarkt erst ab 1988 vertrieben habe. Im übrigen macht sie Angaben, denen zu entnehmen ist, daß SDL und sie sich bis Anfang der Jahre 1980 den Industriezuckermarkt mit einem dritten Unternehmen, der Harcourt Agency Ltd, teilten. Für ihre Behauptung wiederum, von 1985 bis 1989 nicht mehr auf dem Markt für Industriezucker tätig gewesen zu sein, bietet sie keinerlei Beweis an. Unter diesen Umständen kann das Argument der Klägerin, mit dem sie auf den fehlenden Wettbewerb zwischen ihr und SDL abstellt, bereits hier zurückgewiesen werden.

63 Außerdem kann der Rechtsprechung kein Hinweis darauf entnommen werden, daß der Begriff der kollektiven beherrschenden Stellung auf zwei oder mehr Unternehmen in vertikaler Geschäftsbeziehung nicht anzuwenden wäre. Um eine lückenlose Anwendung von Artikel 86 des Vertrages zu gewährleisten, kann daher, wie die Kommission hervorhebt, nicht hingenommen werden, daß Unternehmen in vertikaler Geschäftsbeziehung, die allerdings nicht soweit integriert sind, daß sie ein und dasselbe Unternehmen darstellen, eine kollektive beherrschende Stellung in mißbräuchlicher Weise ausnutzen.

64 Da im übrigen alle Tatsachen, die in der angefochtenen Entscheidung für den Nachweis der Innehabung einer kollektiven beherrschenden Stellung durch Klägerin und SDL herangezogen wurden, auch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgeführt wurden, kann die Klägerin jetzt nicht der Kommission vorwerfen, sich in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht mit den Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen unter dem Blickwinkel des gleichen Marktverhaltens befaßt zu haben. Wie die Kommission im Rahmen der Erörterung über die Festsetzung des Betrages der Geldbuße hervorhebt, war sich die Klägerin voll der Natur ihrer Beziehungen zu SDL und deren möglicher Verwendung auf dem Markt bewußt. Eine Notiz mit dem Titel "Bemerkungen zur Sitzung mit SDL am 21. November 1988" (Anhang 3 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte) führt nämlich in Nummer 6 aus: "Der Besitz von 51 % SDL-Anteilen sollte jeder Maßnahme nach Artikel 85 gegen uns im Wege stehen. Wir sollten unseren Einfluß bei SDL nutzen, um jeden Verstoß gegen Artikel 86 zu vermeiden."

65 Die Klägerin kann sich ebensowenig auf das angebliche Fehlen eines kollektiven Charakters der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Mißbräuche der beherrschenden Stellung berufen.

66 Zwar ergibt sich das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung aus der Stellung, die die betreffenden wirtschaftlichen Einheiten auf dem betreffenden Markt gemeinsam innehaben, doch muß der Mißbrauch nicht notwendig allen betreffenden Unternehmen zuzurechnen sein. Er muß sich lediglich als eine der Äußerungen des Besitzes einer kollektiven beherrschenden Stellung ermitteln lassen können. Folglich können Unternehmen, die eine kollektive beherrschende Stellung innehaben, gemeinsame oder individuelle Verhaltensweisen an den Tag legen. Diese mißbräuchlichen Verhaltensweisen müssen lediglich auf die Ausnutzung der kollektiven beherrschenden Stellung zurückzuführen sein, die die Unternehmen auf dem Markt innehaben. Im vorliegenden Fall ist die Kommission der Auffassung, daß die Ausnutzung dieser kollektiven beherrschenden Stellung Zeichen einer ständigen und umfassenden Politik der Aufrechterhaltung und Verstärkung dieser Stellung war und daß die Verhaltensweisen sowohl der SDL als auch der Klägerin im Zeitraum 1985 bis Februar 1990 Teil dieser Politik waren. In Randnummer 117 der angefochtenen Entscheidung heißt es im einzelnen: "Die Maßnahmen, die von [der Klägerin] vor 1990 hinsichtlich der Frachtbeschränkung, von beiden Unternehmen hinsichtlich der Grenzrabatte, Ausfuhrrabatte und des Treuerabatts und von SDL hinsichtlich des Produktaustauschs und der selektiven Preisfestsetzung getroffen wurden, wurden in kollektiver marktbeherrschender Stellung ergriffen." Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß das individuelle Verhalten eines der Unternehmen, das zusammen mit anderen eine kollektive beherrschende Stellung innehatte, eine mißbräuchliche Ausnutzung dieser Stellung darstellte.

67 Die Klägerin kann aber auch die "Wiederverwertung" bestimmter Tatsachen in der angefochtenen Entscheidung in dem Sinn, in dem die Rechtsprechung diesen Begriff versteht (vgl. Urteile SIV u. a./Kommission, Randnr. 360, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 67), nicht beanstanden. Die Kommission hat die Feststellung des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung und für den Nachweis ihrer mißbräuchlichen Ausnutzung nicht auf dieselben Tatsachen gestützt. So ist die Finanzierung der von SDL eingeräumten Rabatte durch die Klägerin von der Kommission zwar in der Tat als einer der verbindenden Faktoren zwischen den beiden Einheiten zugrunde gelegt worden (siehe Randnr. 51 dieses Urteils), keineswegs aber für sich als mißbräuchliches Verhalten bewertet worden. Das mißbräuchliche Verhalten liegt in der Einräumung bestimmter Rabatte unter den damals vorherrschenden besonderen Umständen des betreffenden Marktes. Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, sie habe eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und von Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 belegt.

68 Demgemäß ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes der Klägerin zur Stützung ihres Hauptantrags und damit zugleich der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2. Zum Vorliegen einer beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem Markt für Industriezucker

69 Die Klägerin macht mit diesem zweiten Klagegrund geltend, die angefochtene Entscheidung weise wegen ihrer Annahme einer beherrschenden Stellung der Klägerin auf dem Markt für Industriezucker zahlreiche offensichtliche Beurteilungs- und Rechtsfehler auf.

70 Hierzu ist allerdings festzustellen, daß die Klägerin nicht bestritten hat, während des gesamten streitigen Zeitraums (1985 bis 1995) einen Marktanteil für Industriezucker in Irland von über 90 % besessen zu haben (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung). Mit dem Begriff der beherrschenden Stellung ist, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 100) betont hat, die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 38). Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung kann sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren ergeben, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend wären. Unter diesen Faktoren liefern jedoch besonders hohe Marktanteile, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer ausgeprägten beherrschenden Stellung (Urteile des Gerichtshofes Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 41, und vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-82/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 60; Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/85, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 91, vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 109, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 76). Nach der Rechtsprechung liefert ein Marktanteil von mehr als 50 % für sich bereits den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem betreffenden Markt (Urteil AKZO/Kommission, Randnr. 60).

71 Die beherrschende Stellung der Klägerin auf dem Markt für Industriezucker in Irland von 1985 bis 1995 durfte daher grundsätzlich bereits aus der Feststellung abgeleitet werden, daß sie in diesem Zeitraum mehr als 90 % des Umsatzes auf dem Markt für Industriezucker in Irland getätigt hat.

72 Die Klägerin steht indessen auf dem Standpunkt, daß die Kommission dadurch, daß sie vier Gesichtspunkte, die außergewöhnliche Umstände im Sinne der angeführten Rechtsprechung darstellten, nicht ordnungsgemäß berücksichtigt habe; es handele sich dabei um fehlende Unabhängigkeit im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern (angebliche Unzugänglichkeit des irischen Marktes und fehlende Berücksichtigung potentiellen Wettbewerbs) und gegenüber ihren Kunden (fehlende Unabhängigkeit von ihren größten Kunden und finanzielle Verluste).

Zur angeblich fehlenden Unabhängigkeit der Klägerin im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern

73 Die Klägerin bestreitet erstens, daß der irische Markt, wie in Randnummer 107 der angefochtenen Entscheidung behauptet, für die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Erzeuger unzugänglich gewesen sei. Die Frachtkosten hätten in dem betreffenden Zeitraum die Einfuhren von Industriezucker nach Irland keineswegs beeinträchtigt. Ein richtiges Verständnis der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker im allgemeinen und der Preisfestsetzung für Zucker im besonderen belegten, daß eine solche Behauptung ganz unbegründet sei. Die Ziele dieser gemeinsamen Organisation zeigten, daß die Regionalisierung des Interventionspreises die Frachtkosten nicht mehr so stark berücksichtige und daß die Erfolgschancen für Ausfuhren nach Irland insbesondere vom Unterschied zwischen den Zuckerpreisen in Irland und in den anderen Mitgliedstaaten abhängig seien (Fußnote 11 in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung).

74 Die Klägerin weist ferner darauf hin, daß die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einräume, daß die Durchschnittspreise ab Werk für losen Kristallzucker in Irland zu den höchsten in der Gemeinschaft gehörten und immer höher gewesen seien als die Durchschnittspreise im Vereinigten Königreich (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung) und daß es für den Seetransport von Zucker zwischen dem Vereinigten Königreich und Nordirland keine Hindernisse gebe (Randnr. 96). Folglich betrachte die Kommission die Frachtkosten trotz der verhältnismäßig geringen Marktgröße nicht als wesentlichen Hinderungsgrund für Einfuhren nach Nordirland. Es bestehe daher kein Grund, die Auswirkungen der Kosten der Verfrachtung nach Irland auf die Einfuhren abweichend zu beurteilen.

75 Außerdem sei Industriezucker, insbesondere Sackware aus Frankreich, stets nach Irland eingeführt worden (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). Ebenso führten die Unternehmen Gem Pack Ltd (nachstehend: Gem Pack), ein Verpacker und Wettbewerber der Klägerin auf dem Markt für Einzelhandelszucker, und Irish Biscuits Ltd (nachstehend: Irish Biscuits), einer ihrer wichtigsten Kunden, gegenwärtig 75 % bzw. 30 % ihres Bedarfes an Industriezucker ein. Die Kommission habe eingeräumt, daß die Notwendigkeit von Spezialcontainern und die entsprechenden Zusatzkosten kein Hindernis für die Einfuhr losen Zuckers mehr seien (Randnr. 95). Außerdem bestehe angesichts des geringeren Preises für Überschußzucker die Gefahr von Einfuhren überschüssiger Zuckermengen, die infolge der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker entstanden seien. Die Gemeinschaftsüberschüsse hätten sich in den Jahren 1990/91 auf 4 200 000 Tonnen und 1995 auf 3 100 000 Tonnen belaufen.

76 Folglich habe der Wettbewerb infolge der Einfuhren, auch wenn er mengenmäßig verhältnismäßig schwach sei, doch, anders als die Kommission in der angefochtenen Entscheidung behaupte (Randnr. 105), mehr als eine marginale Auswirkung auf ihre Wettbewerbsstellung gehabt.

77 Die Klägerin macht zweitens geltend, die Kommission habe, indem sie den potentiellen Wettbewerb unzutreffend eingeschätzt habe, einen Rechtsfehler begangen. Nach der Rechtsprechung müßten für die Frage, ob es einen potentiellen Wettbewerb auf dem Markt gebe, die etwaigen Überkapazitäten berücksichtigt werden, die zwischen den eingeführten Herstellern dieses Marktes zu einem potentiellen Wettbewerb führen könnten (Urteil Hoffmann/La Roche/Kommission, Randnr. 48). Aus den gleichen Gründen habe im vorliegenden Fall ein potentieller Wettbewerb auf dem Industriezuckermarkt in Irland geherrscht, da er wegen der durch die gemeinsame Marktorganisation für Zucker verursachten Produktionsüberschüsse auf dem Gemeinsamen Markt mit weit über dem Bedarf liegenden Mengen hätte versorgt werden können, ohne daß ihre Wettbewerber in besondere wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeiten gebracht worden wären.

78 Außerdem habe die Kommission in ihrer Entscheidung vom 30. Juli 1991 (Sache N IV/M.062 - Eridania/ISI, ABl. C 204, S. 1) zu einer Konzentration auf dem italienischen Zuckermarkt, mit der sie diese aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt habe, eine abweichende Auffassung zum Industriezuckermarkt vertreten, weil sie davon ausgegangen sei, daß der Zusammenschluß wegen der Gefahr der Einfuhr von Niedrigpreiszucker aus benachbarten Gebieten und der geringen Frachtkosten keine beherrschende Stellung auf diesem Markt erlangen könne. Die Kommission begehe einen Rechtsfehler, wenn sie Irland und die Italienische Republik so unterschiedlich behandele, obwohl beide Mitgliedstaaten in der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker als Zuschußgebiete gälten.

79 Auf jeden Fall weise die angefochtene Entscheidung einen Rechtsfehler auf, weil sie keine Würdigung des potentiellen Wettbewerbs auf dem Industriezuckermarkt in Irland enthalte. Auch wenn die Kommission im vorliegenden Verfahren weiterhin der Frage des Bestehens eines potentiellen Wettbewerbs aus dem Wege gehe, ließen die Bemerkungen zu den Randfaktorrabatten ("Peripheral Factor Allowances", nachstehend: PFA) doch eine Anerkennung des Vorliegens und des Einflusses eines potentiellen Wettbewerbs erkennen, der sich aus der Möglichkeit ergebe, preiswerteren Industriezucker aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen.

80 Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe den potentiellen Wettbewerb auf dem Industriezuckermarkt nicht berücksichtigt, ist zurückzuweisen. Es genügt hier der Hinweis, daß die Kommission insbesondere die Wettbewerber der Klägerin auf diesem Markt namhaft gemacht (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung) und das Vorliegen von Wettbewerb infolge der Zuckereinfuhren berücksichtigt hat (Randnr. 107). In ihren Schriftsätzen weist die Kommission übrigens darauf hin, daß sie das Vorliegen eines Restwettbewerbs und eines potentiellen Wettbewerbs aufgrund der Einfuhren anerkannt habe, daß sie aber habe feststellen müssen, daß nach dem Sachverhalt nur ASI als Wettbewerber der Klägerin tatsächlich versucht habe, Industriezucker nach Irland einzuführen, was die Klägerin nicht bestritten hat. Daß von ihren Kunden auf dem Industriezuckermarkt allein Gem Pack und British Biscuits Industriezucker eingeführt haben, entkräftet daher die Feststellung der Kommission keineswegs, sondern bestätigt im Gegenteil die Geringfügigkeit des Restwettbewerbs auf dem irischen Markt. Ebenso belegt, wie die Klägerin im übrigen selbst bemerkt, die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Gewährung von PFA (Randnrn. 70 bis 72 und 136 bis 144) ebenfalls, daß die Kommission das Vorliegen eines Restwettbewerbs und eines potentiellen Wettbewerbs der Einfuhren ermittelt hat.

81 Im übrigen kann das Vorbringen der Klägerin in ihren Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts nicht belegen, daß der Kommission bei ihrer Würdigung der Wirkung der Frachtkosten auf die Einfuhren von Industriezucker nach Irland ein Fehler unterlaufen wäre.

82 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 95) das Vorbringen der Klägerin berücksichtigt, wonach die Besonderheiten der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker und das Vorliegen erheblicher Überschüsse in anderen Mitgliedstaaten belegten, daß potentieller Wettbewerb wegen der Einfuhren herrsche. Die Kommission bestreitet die Behauptungen der Klägerin keineswegs, sondern weist darauf hin, daß "bisher nur ein kleiner Anteil des gesamten Kristallzuckerverbrauchs in Irland auf Zuckereinfuhren nach Irland entfiel". Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Feststellung nicht bestritten.

83 Die Kommission erklärt weiterhin, daß "[e]ine Hauptschranke für die Zuckereinfuhr vom Kontinent...die Frachtkosten [sind], insbesondere mangels einer Ladung in die entgegengesetzte Richtung" (Randnr. 95).

84 Demgemäß hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung lediglich die Wirkung der Frachtkosten auf Einfuhren vom Kontinent und aus anderen Mitgliedstaaten gewürdigt, die nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin über erhebliche Überschüsse verfügten, nämlich aus Frankreich, Deutschland, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Die Klägerin kann sich daher im vorliegenden Verfahren nicht auf einen Vergleich der Frachtkosten zwischen Großbritannien und Nordirland berufen, um die Antwort der Kommission auf ihr Vorbringen zu entkräften, daß in den genannten Mitgliedstaaten Überschüsse vorhanden gewesen seien. Außerdem gehören Großbritannien und Nordirland zum selben Mitgliedstaat.

85 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 95) in Wirklichkeit ihre Antwort auf einen Auszug aus dem Unternehmensplan von Greencore, der Holding der Klägerin seit 1991 (Randnr. 18), vom Juni 1994 gestützt, in dem es heißt:

"... Die große Mehrzahl der Einfuhren erfolgt in 50-kg-Säcken, weil der Transport von losem Zucker wegen der Notwendigkeit von Spezialcontainern relativ teuer ist. Wir ermutigen die Kunden, sich sobald wie möglich für Anlagen zur Konditionierung losen Zuckers zu entscheiden, und betonen die Ersparnisse, die möglich werden und auf beide Seiten verteilt werden können. Der Anteil des losen Zuckers an unseren Umsätzen mit der Industrie steigt ständig und beträgt gegenwärtig 83 %."

86 Diesem Auszug ist zu entnehmen, daß zum einen die Einfuhren von Industriezucker bis 1994 wegen der höheren Frachtkosten für losen Zucker hauptsächlich in Form von 50-kg-Säcken stattfanden und daß zum anderen die Klägerin bei ihren Kunden die Verwendung von Anlagen zur Konditionierung losen Zuckers erfolgreich gefördert hat.

87 Die Rüge der Klägerin, die sie bereits in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geäußert hat (Randnr. 95 der angefochtenen Entscheidung), betrifft daher lediglich die Beurteilung der Frachtkosten für losen Zucker ab 1994. Sie ist indessen nicht geeignet, die Feststellung der Kommission für den Zeitraum vor 1994 zu erschüttern. Die zusätzlichen Angaben der Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts lassen sogar erkennen, daß ihr Vorbringen in Wirklichkeit das Ende des Zeitraums betrifft, in dem die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung angeführten Zuwiderhandlungen begangen worden sein sollen, oder gar einen daran anschließenden Zeitraum. In ihrer Antwort hat sie nämlich dargelegt: "Zucker wurde bis 1995, teilweise Anfang 1996, fast ausschließlich als Sackware eingeführt. Ab 1996 hat die Verfrachtung loser Ware wegen der weniger lästigen und moderneren Technik der Verwendung von Behältern innerhalb der Container an Bedeutung gewonnen." Die Kommission durfte daher zu Recht annehmen, daß "[u]nabhängig von der derzeitigen Lage...die eigene Aussage der [Klägerin] [zeigt], daß die Frachtkosten praktisch während des gesamten Bezugszeitraums ein Hindernis für Rohzuckereinfuhren waren" (Randnr. 95).

88 Weiterhin hat die Klägerin nicht bestritten, daß ihre Kunden für Industriezucker im Laufe der Jahre dazu übergegangen sind, ihren Zucker in Silos zu lagern, und daß dadurch die Verfrachtung von Sackware zurückgegangen ist (Randnr. 95 der angefochtenen Entscheidung).

89 Obwohl die Klägerin die Beurteilung der Wettbewerbsstruktur des betreffenden Marktes, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vornimmt, beanstandet, belegt sie andererseits nicht, daß die Industriezuckereinfuhren tatsächlich mehr als einen geringfügigen Einfluß auf ihren Marktanteil und ihre Wettbewerbsstellung gehabt hätten (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit ist festzustellen, daß die Zahlen, mit denen sie den Anteil an eingeführtem Industriezucker an den Käufen ihrer Kunden Gem Pack und British Biscuits beziffert hat, durch kein besonderes Beweismittel gestützt werden.

90 Die Klägerin behauptet zwar, daß die Produktionsüberschüsse in den anderen Mitgliedstaaten nach Irland ausgeführt werden könnten (vgl. auch Randnr. 95 der angefochtenen Entscheidung), doch bestreitet sie nicht, daß die geringe Größe des irischen Marktes ein Hindernis für solche Einfuhren war, wenn man die besonderen Rentabilitätsanforderungen berücksichtigt, die mit der Einfuhr von Industriezucker auf diesem Markt verbunden waren (Randnr. 107).

91 Der Hinweis auf die Sache Eridania/ISI schließlich ist unerheblich, weil die Feststellung der Kommission in diesem Fall auf den geringen Transportkosten und der Gefahr von Einfuhren aus benachbarten Gebieten beruht, die Klägerin aber nicht belegt hat, daß die Transportkosten gering und die Gefahr solcher Einfuhren wahrscheinlich gewesen wären.

92 Der Klägerin ist folglich nicht der Nachweis gelungen, daß die Kommission mit ihrer Weigerung, das angebliche Fehlen von Unabhängigkeit gegenüber ihren Wettbewerbern als außergewöhnlichen Umstand im Sinne der in Randnummer 70 dieses Urteils zitierten Rechtsprechung zu betrachten, einen Fehler begangen hätte.

Zur angeblich fehlenden Unabhängigkeit der Klägerin im Verhältnis zu ihren Kunden

93 Die Klägerin verweist auf ihren geringen Anteil am Gemeinschaftsmarkt (1,4 %) und auf die Marktmacht der internationalen Konzerne, zu denen einige ihrer Kunden, insbesondere zwei von ihnen, (...)(1), gehörten. Deren Zugehörigkeit zu diesen Konzernen mache es ihnen möglich, leicht andere Bezugsquellen in anderen Mitgliedstaaten zu finden. Sie wendet sich insoweit gegen die augenscheinliche Unterscheidung der Kommission zwischen Kunden auf dem nordischen Markt, die zu auch in Großbritannien ansässigen Konzernen gehörten und deshalb ihren Zuckerbedarf wohl eher bei britischen Herstellern deckten (Randnr. 96 der angefochtenen Entscheidung), und den Kunden der Klägerin in Irland.

94 Diese Marktmacht, die die Kommission übrigens in der angefochtenen Entscheidung anerkenne (Randnr. 107), beschränke daher ihre Möglichkeit, die Preise für Industriezucker zu beeinflussen. Ihre beiden wichtigsten Kunden könnten sogar ihren Einkaufspreis für Industriezucker selbst festlegen, täten dies auch und beeinflußten so ihren Angebotspreis für ihre anderen Kunden. Die Klägerin verweist insoweit auf mehrere Auszüge aus ihrer Kundenkorrespondenz. Es sei daher ein Fehler, wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 108) erkläre, daß das Abnahmevolumen ihrer beiden wichtigsten Kunden ihre beherrschende Stellung nicht beeinträchtige. Die Kommission hätte nur aufgrund eines Vergleichs der beiden entgegengesetzten Machtgruppen (Urteil SIV u. a./Kommission, Randnr. 366) den Schluß ziehen dürfen, daß sie eine beherrschende Stellung einnehme.

95 Ihre wirkliche Marktstellung, die keine beherrschende Stellung sei, werde besonders deutlich anhand eines Vergleichs der jeweiligen durchschnittlichen Nettopreise für Industriezucker in Nordirland und in Irland. Dieser Vergleich zeige, daß die durchschnittlichen Nettopreise in Irland niedriger seien als in Nordirland, obwohl der Einzelhandelsverkaufspreis in Irland höher sei als in Nordirland.

96 Auf jeden Fall habe sie vor 1990 wegen der finanziellen Schwierigkeiten, die sie in den achtziger Jahren habe bewältigen müssen, auf dem Markt für Industriezucker in Irland keine beherrschende Stellung innegehabt. Diese Schwierigkeiten hätten sie in hohem Maße abhängig von ihren Industriekunden gemacht, die ihr in Kenntnis dieser Schwierigkeiten ihre eigenen Preise diktiert hätten. Sie habe in diesem Zeitraum Industriezucker sogar zu einem Preis unterhalb des von der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker garantierten Interventionspreises verkauft. Sie beanstandet, daß die Kommission diese Schwierigkeiten als unerheblich behandelt habe (Randnrn. 103 und 108 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hätte sich fragen müssen, ob sie sich für den Fall, daß sie in diesem Zeitraum keine finanziellen Schwierigkeiten gehabt hätte, anders hätte verhalten können.

97 Auch wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zum Teil die Nachfragemacht der beiden von ihr genannten Kunden anerkannt habe (Randnr. 107), habe sie trotzdem die Auffassung vertreten, daß diese die beherrschende Stellung der Klägerin nicht beeinträchtigen könne, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen hätten die übrigen Kunden der Klägerin, mit denen sie noch (...) % ihres Umsatzes erziele, nicht über eine solche Nachfragemacht verfügt. Zum anderen hätten die Besonderheiten der gemeinschaftlichen Zuckerregelung diese beiden Kunden der Klägerin daran gehindert, kurzfristig andere Versorgungsquellen zu finden (Randnr. 107).

98 Das Vorbringen der Klägerin kann die Feststellung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 107) nicht erschüttern. Zunächst bestreitet die Klägerin nicht, daß ihre übrigen Kunden (...) % ihrer Industriezuckerproduktion abnahmen, was immer noch einen Marktanteil für Industriezucker in Irland von mehr als (...) % darstellte. Die Klägerin kann daher schwerlich behaupten, die Kommission habe mit ihrer Feststellung (Randnr. 108), daß "sich trotz der Marktpräsenz zweier Großkunden die Nachfrageseite aus einer Anzahl von Käufern zusammensetzt, die nicht gleich stark sind und nicht zu einer Gruppe zusammengefaßt werden können, um dergestalt die Marktposition des Anbieters mit über 90 % bedrängen zu können", einen Beurteilungsfehler begangen. Gleiches gilt für die Feststellung, daß "[d]er Anteil der Verkäufe an ihre beiden größten Kunden...kein Gegengewicht zu der beherrschenden Stellung [der Klägerin] [ist]" (Randnr. 108). Außerdem belegen die Randnummern 107 und 108 der angefochtenen Entscheidung, daß die Kommission die betreffenden Marktkräfte untersucht hat. Die Klägerin kann sich für ihren Standpunkt auch nicht auf einen Widerspruch zwischen der Analyse der britischen Kunden in Nordirland durch die Kommission und deren Analyse der Kunden der Klägerin in Irland berufen, weil Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs ist, während Irland selbst ein Mitgliedstaat ist.

99 Auch wenn die Klägerin mehrfach die geringe Bedeutung des irischen Marktes im Vergleich zu anderen nationalen Märkten in der Gemeinschaft betont und dabei auf ihren angeblich geringen Anteil am Gemeinschaftsmarkt während des relevanten Zeitraums (1,4 %) verwiesen hat, kann sie doch nicht in Abrede stellen, daß der räumlich relevante Markt ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes ist (Randnr. 97 der angefochtenen Entscheidung), weil er dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats entspricht, was die Klägerin übrigens in der Sitzung eingeräumt hat.

100 Auch wenn sich der Korrespondenz, die die Klägerin vorlegt, um die Marktmacht ihrer beiden wichtigsten Kunden zu belegen, entnehmen läßt, daß sich der bei ihnen angewandte Verkaufspreis an dem Verkaufspreis für Industriezucker ausrichtete, den sie im Vereinigten Königreich erzielten, läßt sich daraus nicht ableiten, daß die Festlegung dieser Preise Einfluß auf die Preisfestlegung für ihre übrigen Industriezuckerkunden gehabt hätte.

101 Ebensowenig kann sich die Klägerin auf den Vergleich der durchschnittlichen Nettopreise in Irland und im Vereinigten Königreich stützen, um auf dieser Grundlage ihre beherrschende Stellung auf dem Industriezuckermarkt in Irland in Abrede zu stellen. Der Umstand, daß die Preise der Klägerin nicht höher oder sogar niedriger waren als die in Nordirland angewandten, läßt nicht den Schluß zu, daß sie auf dem Industriezuckermarkt in Irland keine beherrschende Stellung eingenommen hätte (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 59). Ein solcher Vergleich ist ohnehin nicht entscheidend, weil es sich um Durchschnittspreise handelt, bei denen insbesondere die den beiden größten Kunden der Klägerin zugestandenen Preise berücksichtigt sind, deren Kaufkraft sie selbst betont. Die Berücksichtigung der Daten für diese beiden Kunden, auf die (...) % ihres Umsatzes entfallen, beeinflußt nämlich die Beurteilung des Durchschnitts der Preise, die gegenüber ihren anderen Kunden angewandt wurden.

102 Abgesehen davon, daß die Klägerin keinerlei Beweis dafür vorgelegt hat, daß ihre Kunden bei der Preisfestsetzung ihre schwierige finanzielle Situation in diesem Zeitraum ausgenutzt hätten, ist festzustellen, daß die Kommission das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit diesen finanziellen Verlusten nicht stillschweigend übergangen hat. Sie weist vielmehr in Randnummer 103 der angefochtenen Entscheidung darauf hin, daß "[d]ie Tatsache, daß [die Klägerin] in der ersten Hälfte der achtziger Jahre Verluste verzeichnet,...mit dem Vorliegen einer beherrschenden Stellung nicht unvereinbar [ist]", und verweist insoweit auf das Urteil Michelin/Kommission, in dem der Gerichtshof entschieden hat (Randnr. 59), daß ein vorübergehendes Fehlen von Rentabilität und sogar Verluste mit einer beherrschenden Stellung nicht unvereinbar sind.

103 Die Verluste eines Unternehmens in beherrschender Stellung sind, wie die Kommission zu Recht bemerkt, für sich betrachtet kein erheblicherer Faktor als die Gewinne eines Unternehmens, das sich auf einem offenen Markt voll am Wettbewerb beteiligt. Die Klägerin hat im übrigen weder behauptet noch in irgendeiner Weise belegt, daß die besagten finanziellen Verluste die Folge eines besonderen Wettbewerbs oder eines Niedergangs ihrer Wettbewerbsstellung auf dem Markt für Industriezucker wären. Diese Verluste können, wie die Kommission bemerkt, darauf zurückzuführen sein, daß das Unternehmen in den achtziger Jahren unter staatlicher Leitung stand.

104 Der Klägerin ist daher nicht der Nachweis gelungen, daß die Kommission mit ihrer Weigerung, das angebliche Fehlen von Unabhängigkeit gegenüber ihren Kunden als außergewöhnlichen Umstand im Sinne der in Randnummer 70 dieses Urteils zitierten Rechtsprechung zu betrachten, einen Fehler begangen hätte. Folglich hat die Kommission bei ihrer Feststellung, daß die Klägerin zwischen 1985 und 1995 eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Industriezucker in Irland eingenommen habe, keinen der von dieser gerügten Beurteilungs- oder Rechtsfehler begangen. Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3. Zum Mißbrauch der beherrschenden Stellung durch die Klägerin auf den Märkten für Industrie- und für Einzelhandelszucker

105 Im Rahmen ihres dritten und vierten Klagegrundes beanstandet die Klägerin die Analyse der sechs ihr vorgeworfenen mißbräuchlichen Verhaltensweisen, die sie sowohl auf dem Markt für Industriezucker in Irland (selektive Preisfestsetzung für potentielle Kunden von ASI, PFA und diskriminierende Preisfestsetzung gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern) als auch auf dem Markt für Einzelhandelszucker (Ausfuhrrabatte, Produktaustausch und Treuerabatte, Zielrabatte und selektive Preisfestsetzung) an den Tag gelegt haben soll.

106 Die Rügen der Klägerin im Rahmen des dritten Klagegrundes beziehen sich auf die Praktiken, die in den Randnummern 45 und 70 bis 77 beschrieben, in den Randnummern 123, 136 bis 150 untersucht und in Artikel 1 Nummern 1, 4 und 5 der angefochtenen Entscheidung festgestellt werden; die Rügen im Rahmen des vierten Klagegrundes gelten den Praktiken, die in den Randnummern 46 bis 69 und 78 bis 84 beschrieben, in den Randnummern 123 bis 135 und 151 bis 154 untersucht und in Artikel 1 Nummern 1, 2, 3 und 6 Buchstaben i und ii der angefochtenen Entscheidung festgestellt werden.

107 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen von Mißbräuchen einer beherrschenden Stellung aus einer Untersuchung der auf schriftliche Beweise gestützten Tatsachen gefolgert, die ihrer Meinung nach belegen, daß ein Hauptmerkmal "der Geschäftspolitik [der Klägerin] die Abschottung ihres einheimischen Marktes in Irland einerseits vor Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten und andererseits vor konkurrierenden Zuckerverpackern in Irland gewesen ist". Außerdem "gehörte es mindestens zehn Jahre lang zur Geschäftspolitik [der Klägerin], im Inlandsmarkt eine diskriminierende Preispolitik durchzusetzen" (Randnr. 114). Damit habe sich die Klägerin "anderer als der Methoden [bedient], die den auf der Leistung der Händler beruhenden ordnungsgemäßen Wettbewerb bei Produkten oder Dienstleistungen bedingen, mit der Wirkung, daß die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung behindert wurde". Weiterhin habe die Klägerin, "um [ihren] Markt zu verteidigen, auf verschiedene Formen mißbräuchlicher Verhaltensweisen zurückgegriffen, die seit 1985 nacheinander oder gleichzeitig immer dann angewandt wurden, wenn es für notwendig gehalten wurde" (Randnr. 116).

108 Die Kommission untersucht dann jede dieser vorschriftswidrigen Verhaltensweisen, die "Teil einer anhaltenden umfassenden Politik zum Schutz des Inlandsmarkts [der Klägerin] für Industrie- und Einzelhandelszucker" (Randnr. 118) gewesen sein sollen. Sie untersucht zum einen die "Maßnahmen zum Schutz des Inlandsmarkts vor dem Wettbewerb durch Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten" und unterscheidet hierbei diejenigen gegen Einfuhren aus Frankreich und diejenigen gegen Einfuhren aus Nordirland (Randnrn. 119 bis 135 der angefochtenen Entscheidung). Zum anderen untersucht sie "Preisfestsetzungsverhalten mit Diskriminierung besonderer Abnehmerkategorien" und unterscheidet hierbei Ausfuhrrabatte und aktive Diskriminierung gegenüber konkurrierenden Verpackern (Randnrn. 136 bis 154). In Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung betont die Kommission, daß die beanstandeten Verhaltensweisen "im Rahmen einer fortgesetzten und umfassenden Politik zum Schutz [ihrer] Stellung auf dem Zuckermarkt in Irland" zu sehen seien.

109 Die Klägerin bestreitet, eine fortgesetzte und umfassende Politik zum Schutz ihrer Stellung auf dem Zuckermarkt in Irland betrieben und dadurch gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen zu haben. Ihre Rügen sollen belegen, daß entweder die ihr in der angefochtenen Entscheidung vorgeworfenen mißbräuchlichen Verhaltensweisen nicht vorlagen oder die besagten Praktiken nicht gegen Artikel 86 des Vertrages und dessen Anforderungen verstießen.

110 Vor der Prüfung des Vorbringens der Parteien zu jeder der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten und in Artikel 2 geahndeten Praktiken sind die Grundsätze in Erinnerung zu rufen, die für den Nachweis der Mißbräuchlichkeit von Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung maßgebend sind.

111 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ein objektiver Begriff, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfaßt, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Präsenz des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die zur Folge haben, daß die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindert wird, die sich von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistung der Marktbürger unterscheiden (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 91, und AKZO/Kommission, Randnr. 69). Artikel 86 verbietet es daher einem Unternehmen in beherrschender Stellung, einen Wettbewerber durch andere als die einen leistungsbezogenen Wettbewerb kennzeichnenden Mittel auszuschalten und dadurch seine Stellung zu verstärken. Unter diesem Blickwinkel kann nicht jeder Preiswettbewerb als rechtmäßig angesehen werden (Urteil AKZO/Kommission, Randnr. 70). Das Verbot des Artikels 86 ist auch durch die Besorgnis gerechtfertigt, den Verbraucher vor Schaden zu bewahren (vgl. in diesem Sinn Urteile des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 26, und Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 526 und 527).

112 Folglich trägt, auch wenn die Feststellung einer beherrschenden Stellung für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen enthält, dieses Unternehmen unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür, daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 57). Zwar nimmt der Umstand, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind, und es darf auch in angemessenem Umfang so vorgehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält, doch ist ein solches Verhalten nicht zulässig, wenn es auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt (Urteile United Brands/Kommission, Randnr. 189, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Randnr. 69, Tetra Pak/Kommission, Randnr. 147, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 107).

113 Im vorliegenden Fall wirft die Kommission der Klägerin zwei verschiedene Arten mißbräuchlichen Verhaltens im Rahmen einer festgesetzten und umfassenden Politik vor. Sie verweist zum einen auf ein Bündel von Praktiken im Zusammenhang mit diskriminierenden Preisfestsetzungen durch die Klägerin sowohl auf dem Industriezuckermarkt (selektive Preisfestsetzung für potentielle Kunden von ASI, PFA und diskriminierende Preisfestsetzung gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern) als auch auf dem Markt für Einzelhandelszucker (Ausfuhrrabatte, Treuerabatte, Zielrabatte und selektive Preisfestsetzung). Zum anderen stellt sie auf dem Markt für Einzelhandelszucker Vorgänge des Produktaustauschs fest, die eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellen.

114 Was insbesondere die Praktiken im Zusammenhang mit der Preisfestsetzung durch die Klägerin angeht, so sind bei der Ermittlung eines etwaigen Mißbrauchs durch ein Preisgebaren sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen und es ist zu prüfen, ob der Rabatt darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen ungleiche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 90, und Michelin/Kommission, Randnr. 73). Die Verfälschung des Wettbewerbs ergibt sich daraus, daß die Gewährung eines finanziellen Vorteils durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung nicht auf einer wirtschaftlich gerechtfertigten Gegenleistung beruht, sondern die Kunden dieses Unternehmens vom Bezug bei konkurrierenden Herstellern abhalten soll (vgl. Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 71). So kann einer dieser Umstände sein, daß das betreffende Gebaren im Rahmen eines Planes festgelegt wird, der die Ausschaltung eines Konkurrenten zum Ziel hat (Urteile AKZO/Kommission, Randnr. 72, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnrn. 147 und 148).

115 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß ein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages insbesondere darin bestehen kann, daß unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern angewandt werden, durch die diese im Wettbewerb benachteiligt werden.

116 Im Lichte dieser Grundsätze sind das Vorliegen und die Rechtmäßigkeit der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten und geahndeten Praktiken zu prüfen, wie sie in Randnummer 113 dieses Urteils aufgeführt worden sind.

Zu den Praktiken im Zusammenhang mit der Preisfestsetzung durch die Klägerin

Zum Markt für Industriezucker

- Selektive Festsetzung niedriger Preise für potentielle Kunden von ASI

117 Nach der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 45) ergibt sich aus einem Vermerk des Verkaufsdirektors von SDL vom 8. März 1988, mit dem eine selektive Politik niedriger Preise für potentielle Kunden von ASI (Randnr. 123) festgelegt wurde, daß die Klägerin "in den Jahren 1986 bis 1988 bestimmten Kunden eines Einführers von französischem Zucker selektiv niedrige Preise angeboten [hat]".

118 Die Klägerin bestreitet, solche Preise angeboten zu haben, und stellt auf jeden Fall die Mißbräuchlichkeit einer Preispolitik in Abrede, deren Ziel nur die Verteidigung ihrer Marktposition gewesen sei.

119 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin mit ihrem Versuch, die Rechtmäßigkeit selektiver Preise zu rechtfertigen, zugleich deren tatsächliches Vorliegen anerkenne. Außerdem zeige der Vermerk vom 8. März 1988 hinreichend, wie sich die Klägerin auf dem Industriezuckermarkt gegenüber den potentiellen Kunden von ASI verhalten habe.

120 Die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte sind indessen kein Beleg für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung, wie sie in Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden ist.

121 Abgesehen davon, daß die Klägerin bestreitet, solche Preise bei potentiellen Kunden von ASI auf dem Industriezuckermarkt angewandt zu haben, belegt auch der Inhalt des Vermerks des Verkaufsdirektors von SDL nicht, daß die Klägerin zwischen 1986 und 1988 tatsächlich ein solches Verhalten an den Tag gelegt hätte. Zwar wird in diesem Vermerk vom 8. März 1988 die Preispolitik dargelegt, die der Verkaufsdirektor von SDL plante; er enthält aber keinerlei Beleg dafür, daß eine solche Politik zwischen 1986 und 1988 auch tatsächlich durchgeführt worden wäre, da er vielmehr gerade dazu dienen sollte, die in Zukunft einzuschlagende Politik zu umreißen.

122 Außerdem wird in der Passage bezüglich der Haltung von SDL vor Abfassung dieses Vermerks in keiner Weise die Anwendung selektiver Preise gegenüber Kunden von ASI erwähnt, denn es heißt dort: "Mittlerweile haben wir größere Wachsamkeit auf die industriellen Abnehmer gerichtet, um das Ausmaß einer verstärkten Tätigkeit von ASI zu ermitteln" (Randnr. 45). Allein auf dieser Grundlage kann der Klägerin und SDL nicht vorgeworfen werden, ihre kollektive beherrschende Stellung auf dem Industriezuckermarkt durch Anwendung selektiv niedriger Preise bei Kunden von ASI vor dem 8. März 1988 mißbraucht zu haben. Solche Äußerungen lassen lediglich eine Analyse der Tätigkeit eines ihrer Konkurrenten durch die Unternehmen in beherrschender Stellung erkennen, was für sich genommen keinen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages darstellt.

123 Im übrigen findet sich die Analyse des Vermerks des Verkaufsdirektors von SDL vom 8. März 1988, wie auch die Klägerin gerügt hat, in den Randnummern der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 45 und 123), die den Praktiken auf dem Markt für Einzelhandelszucker gewidmet sind.

124 Unter diesen Umständen ist Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als dort festgestellt wird, daß die Klägerin dadurch gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hat, daß sie in den Jahren 1986 bis 1988 Kunden von ASI selektiv niedrige Preise angeboten hat.

- PFA

125 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 4) hat die Klägerin "[seit] mindestens 1985 ein System von "Zuckerausfuhrrabatten" angewandt, d. h. von Rabatten für in verarbeiteter Form in andere Mitgliedstaaten ausgeführten Zucker, das Abnehmer von Industriezucker, die den irischen Inlandsmarkt beliefern, diskriminiert". Die Klägerin habe während des gesamten streitigen Zeitraums ihren Industriekunden, die ihr Enderzeugnis vorwiegend in andere Mitgliedstaaten ausführen, einen Rabatt gewährt. Die Höhe dieses Rabatts habe außerdem je nach Kunde, Zeitraum oder Ausfuhrmitgliedstaat geschwankt, nicht aber der ausgeführten Menge entsprochen (Randnrn. 71 und 72 der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin habe daher im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages bei gleichwertigen Leistungen unterschiedliche Bedingungen sowohl gegenüber ihren exportierenden Kunden (Randnr. 137) als auch im Verhältnis exportierender zu solchen Kunden angewandt, die ihre Erzeugung nur auf dem irischen Markt absetzten (Randnr. 138); damit habe sie bestimmte Kunden wettbewerblich benachteiligt (Randnr. 136). Die Benachteiligung der nichtexportierenden Kunden sei um so schwerwiegender gewesen, als sich der Wettbewerb auf dem irischen Lebensmittelmarkt, wie die Klägerin selbst geltend gemacht habe, spürbar verschärft habe (Randnr. 139). Das Ausfuhrrabattsystem habe auch die anderen Zuckerverpacker gegenüber der Klägerin auf dem Markt für Einzelhandelszucker in Irland benachteiligt (Randnr. 143). Schließlich werde "[d]ie diskriminierende Art des Ausfuhrrabattsystems dadurch noch deutlicher, daß sie dem Ziel der gemeinsamen Zuckermarktorganisation nicht entspricht" (Randnr. 144).

126 Die Klägerin tritt der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Analyse entgegen und verteidigt die PFA als rechtmäßig.

127 Ziel dieser PFA sei es gewesen, die Ausfuhren von Erzeugnissen mit Zuckerzusatz dem Wunsch der irischen Regierung entsprechend zu subventionieren, die die wirtschaftlich wichtige nationale Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie habe fördern wollen (vgl. Randnrn. 20 und 97 der angefochtenen Entscheidung). Wegen der Entscheidung der irischen Regierung für eine Politik der Abwertung des irischen Pfundes, die in höheren Agrarpreisen in Irland im Vergleich zum Vereinigten Königreich zum Ausdruck gekommen sei, sei es für die irischen Hersteller von Erzeugnissen mit Zuckerzusatz außergewöhnlich schwierig geworden, auf dem Markt des Vereinigten Königreichs und den übrigen Ausfuhrmärkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Trotz der Gewährung von PFA hätten die betreffenden Kunden im übrigen nicht überlebt oder seien gezwungen gewesen, ihre Produktion aus Irland zu verlagern. Die Kosten des Preisabschlags für die verarbeitende Industrie seien teilweise durch eine Erhöhung des Einzelhandelspreises abgefangen worden, der in den siebziger und während des größten Teils der achtziger Jahre durch gesetzliche Vorschriften geregelt worden sei. Die offizielle Ermutigung zur Gewährung dieser PFA mache ihr Vorgehen teilweise oder völlig zulässig.

128 Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin die tatsächlichen Feststellungen der Kommission in den Randnummern 70 bis 72 der angefochtenen Entscheidung nicht bestreitet, mit denen das Vorliegen und die besonderen Bedingungen der Gewährung dieser PFA zwischen 1985 und 1995 belegt werden. Ihr Vorbringen ist lediglich darauf ausgerichtet, deren Rechtmäßigkeit im Hinblick auf Artikel 86 des Vertrages darzutun. Es stimmt außerdem größtenteils mit dem Vorbringen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens überein, auf das die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eingegangen ist (Randnrn. 140 bis 142).

129 Unerheblich für die Verteidigung der Klägerin ist ferner der Hinweis auf die Anregung der Regierung zur Subventionierung der irischen Zuckerausfuhren. Sie hat nämlich, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, nicht den Nachweis erbringen können, daß diese angebliche Anregung ihr tatsächlich jegliche Autonomie in der Gestaltung ihrer Geschäftspolitik genommen hätte.

130 In seinem Urteil vom 11. November 1997 in den Rechtssachen C-359/95 P und C-379/95 P (Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing, Slg. 1997, I-6265, Randnrn. 33 und 34) hat der Gerichtshof entschieden, daß die Artikel 85 und 86 des Vertrages nur für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen gelten, die die Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legen (vgl. in diesem Sinne zu Artikel 86 Urteile des Gerichtshofes vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83, Italien/Kommission, Slg. 1985, 873, Randnrn. 18 bis 20, vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/83, Frankreich/Kommission, "Endgeräte", Slg. 1991, I-1223, Randnr. 55, und vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5941, Randnr. 20). Wird den Unternehmen ein wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben oder bilden diese einen rechtlichen Rahmen, der selbst jede Möglichkeit für ein Wettbewerbsverhalten ihrerseits ausschließt, so sind die Artikel 85 und 86 nicht anwendbar. In einem solchen Fall hat die Wettbewerbsbeschränkung ihre Ursache nicht, wie diese Vorschriften voraussetzen, in selbständigen Verhaltensweisen der Unternehmen (vgl. auch Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 36 bis 72, insbesondere 65 und 66 und 71 und 72). Dagegen sind die Artikel 85 und 86 des Vertrages anwendbar, wenn sich zeigt, daß die nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit eines Wettbewerbs bestehen lassen, der durch selbständige Verhaltensweisen der Unternehmen verhindert, eingeschränkt oder verfälscht werden kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, vom 10. Dezember 1985 in den Rechtssachen 240/82, 241/82, 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, Slg. 1985, 3831, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411).

131 Da die Klägerin im vorliegenden Fall keinerlei Gesetzgebungs- oder sonstige Maßnahme der irischen Regierung angeführt hat, die ihr Subventionsmaßnahmen für die Ausfuhr vorgeschrieben oder innerhalb eines rechtlichen Rahmens vorgegeben hätte, ist davon auszugehen, daß sie ihre Handlungsfreiheit behalten hat, wie immer die Haltung der irischen Regierung gewesen sein mag. Folglich durfte Artikel 86 auf sie angewandt werden.

132 Die Klägerin macht zweitens geltend, die Prüfung der PFA durch die Kommission beruhe auf der falschen Prämisse, daß diese nicht den Zielen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker (Randnr. 144 der angefochtenen Entscheidung) und des Gemeinsamen Marktes (Randnr. 167, dritter Absatz, dritter Gedankenstrich) entsprächen. Die Gewährung von PFA habe tatsächlich eine doppeltes Ziel verfolgt: zum einen habe ihrer Kundschaft die Fortführung der Ausfuhr durch eine Abmilderung der strukturellen Schwierigkeit infolge der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker ermöglicht werden sollen, zum anderen habe sie ermutigt werden sollen, ihren Bedarf in Irland zu decken, und die inländische Industrie wegen der höheren Produktionskosten unterstützt werden sollen.

133 Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der PFA durch die Kommission beruht indessen nicht auf einer falschen Prämisse. Zum einen behandelt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Vereinbarkeit der PFA mit der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker nicht als eine Voraussetzung für ihre Rechtmäßigkeit. Ihre Beurteilung der Vereinbarkeit der PFA mit der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker (Randnr. 144) ist nämlich unabhängig von der Feststellung ihres diskriminierenden Charakters. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilung berührt daher die Begründung der Kommission nicht, aufgrund deren sie einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages festgestellt hat.

134 Zum anderen ist das Ausfuhrrabattsystem entgegen der Darstellung der Klägerin nicht mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes vereinbar. Wie nämlich in Randnummer 157 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, ist "die Praxis [der Klägerin], für in verarbeiteter Form in andere Mitgliedstaaten ausgeführten Zucker Ausfuhrrabatte zu gewähren,...geeignet, den Handel bei Industriezucker ebenso wie bei Lebensmitteln mit einem erheblichen Zuckergehalt zu verfälschen und somit den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen". Die Kommission durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß diese ohne Unterbrechung von 1985 bis 1995 angewandte Praktik eine Verfälschung des Wettbewerbs und des Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt bewirkt hat (Randnr. 167, dritter Absatz, dritter Gedankenstrich, der angefochtenen Entscheidung).

135 Die Klägerin macht drittens geltend, daß die PFA dem Protokoll Nr. 30 für Irland (ABl. 1972, L 73, S. 182; nachstehend: Protokoll Nr. 30) im Anhang zur Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zu den Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1972, L 73, S. 14) entsprächen und seit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte zu den Bestimmungen des Vertrages über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, im vorliegenden Fall zu Artikel 130a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 158 EG) gehörten. Außerdem lägen die PFA im Schnittpunkt der jeweiligen Geltungsbereiche der Bestimmungen des Vertrages über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG).

136 Die PFA sind jedoch Maßnahmen eines im Zuckersektor tätigen Unternehmens und nicht das Ergebnis einer Initiative eines Mitgliedstaats, der in dieser Eigenschaft tätig geworden wäre. Im übrigen bestimmt Artikel 1 der Verordnung Nr. 26 des Rates vom 4. April 1962 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen (ABl. 1962, Nr. 30, S. 993), daß Artikel 86 des Vertrages für den Bereich der Erzeugung der in Anhang II zum EG-Vertrag aufgeführten Agrarprodukte und den Handel mit ihnen gilt (vgl. Randnr. 115 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich hat die Klägerin niemals vorgegeben, ein Unternehmen zu sein, das im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betraut wäre oder den Charakter eines Finanzmonopols hätte. Ihr Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

137 Die Klägerin macht viertens geltend, daß die PFA keine Diskriminierung ihrer Industriezuckerkunden bewirkt hätten, die lediglich den irischen Markt beliefert hätten, da ihre Situation nicht mit der der exportierenden zuckerverarbeitenden Industrie verglichen werden könne. Die PFA hätten keineswegs eine Beeinträchtigung der Einfuhren bewirkt, sondern im Gegenteil durch die Erleichterung des Exports die Marktintegration gefördert. Die Argumentation der Kommission beruhe in Wirklichkeit auf der unzutreffenden Voraussetzung, daß der irische Markt schon isoliert gewesen sei. Sie rügt ebenfalls, daß die Kommission die Wirklichkeit des Marktes, auf dem sie tätig gewesen sei, sowie die für sie maßgebenden Vorgaben nicht berücksichtigt habe. Die Kommission habe nämlich die PFA nur hinsichtlich ihrer Wirkungen auf den Wettbewerb in Irland berücksichtigt, ohne deren günstige Wirkung auf die Ausfuhren aus Irland einzubeziehen.

138 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, daß die Modalitäten der Gewährung der PFA durch die Klägerin zwischen 1985 und 1995 zu einer doppelten Diskriminierung geführt hätten (siehe Randnr. 125 dieses Urteils), nämlich einerseits diejenigen ihrer Kunden auf dem Markt für Industriezucker in Irland, die einen Teil ihrer verarbeiteten Erzeugnisse aus Irland ausgeführt hätten, und andererseits zwischen den letztgenannten und den Kunden der Klägerin auf dem Industriezuckermarkt in Irland, die lediglich für den irischen Inlandsmarkt produzierten. Sie hat ferner festgestellt, daß die Anwendung dieser PFA den Konkurrenten der Klägerin außerhalb Irlands und den konkurrierenden Zuckerverpackern auf dem Markt für Einzelhandelszucker in Irland wirtschaftlich ungerechtfertigte Wettbewerbsnachteile zugefügt habe, weil diese nur auf dem irischen Markt tätig gewesen seien.

139 Die Klägerin hat die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte zweifache Diskriminierung nicht bestritten, sondern lediglich versucht, deren wirtschaftliche Rechtfertigung darzulegen. Sie hat gleichfalls nicht bestritten, daß diese Rabatte ihre der ausländischen Konkurrenz ausgesetzten Kunden daran hindern sollte, sich bei dieser zu versorgen. Sie hat im Gegenteil sogar betont, daß die Gewährung dieser PFA einen Teil der betroffenen irischen Industrie nicht gehindert habe, ihre Tätigkeiten aus Irland zu verlagern. Sie hat ebenfalls die Auffassung vertreten, daß diese Rabatte die Ausfuhren förderten und daher mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes vereinbar seien (siehe Randnrn. 132 und 134 dieses Urteils). Im übrigen hat sie im Rahmen ihrer Beanstandung von Artikel 1 Nummer 5 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnrn. 150 bis 172 dieses Urteils) bestritten, daß die konkurrierenden Verpacker von Zucker für den Einzelhandel diskriminiert worden seien.

140 Mit der Gewährung dieser Ausfuhrrabatte nach den in Randnummern 71 und 72 der angefochtenen Entscheidung dargestellten Modalitäten hat die Klägerin in Wirklichkeit entgegen Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages bei gleichwertigen Leistungen unterschiedliche Bedingungen angewandt und damit ihre Kunden wettbewerblich benachteiligt. Ein solches Verhalten hat zahlreiche diskriminierende Auswirkungen und stellt eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar.

141 Die Marktmechanismen sind nämlich dadurch beeinträchtigt worden, daß die Klägerin den Preis für Industriezucker nicht aufgrund des Spiels von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Industriezucker in Irland, sondern unter Berücksichtigung der potentiellen und aktuellen Käufer ihrer Kunden je nach deren Sitz festgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil United Brands/Kommission, Randnrn. 229 und 230).

142 Diese Diskriminierung ihrer Kunden durch die Klägerin, je nachdem, ob sie ihre eigene Produktion ausführten oder nicht, kann nicht, wie sie meint, durch deren jeweilige Wettbewerbssituationen gerechtfertigt werden.

143 Zum einen deckt diese Rechtfertigung nicht die gesamte Breite der in der angefochtenen Entscheidung gerügten Diskriminierung. Die Kommission hat nämlich, ohne daß die Klägerin dem widersprochen hätte, dargelegt, daß die PFA in bestimmten Fällen für alle Käufe eines Kunden ohne Nachprüfung der Menge des in verarbeiteter Form ausgeführten Zuckers durch die Klägerin gewährt worden seien und dieser Kunde daher aus diesem Rabatt auch bei seinen Verkäufen auf dem irischen Markt Nutzen gezogen habe (Randnr. 141 der angefochtenen Entscheidung).

144 Zum anderen ist der nicht exportierende Kunde der Klägerin, wie die Kommission in Randnummer 140 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, ebenfalls dem Wettbewerb der Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten ausgesetzt, wenn man die wachsende Präsenz ausländischer Produkte auf dem irischen Markt berücksichtigt, bei deren Herstellung Zucker verwendet wird.

145 Auch wenn die Klägerin dies in ihrer Klageschrift nicht anspricht, ist doch darauf hinzuweisen, daß sich die Kommission zur Begründung der Feststellung, daß die PFA gegen Artikel 86 des Vertrages verstießen, nicht damit zufriedengegeben hat, deren diskriminierenden Charakter festzustellen. Sie hat ebenso dargetan, daß ihre Gewährung auch die Konkurrenten der Klägerin auf dem Industriezuckermarkt wettbewerblich benachteiligte, die ihren Sitz außerhalb von Irland hatten. Sie hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Praxis der Klägerin, "für in verarbeiteter Form in andere Mitgliedstaaten ausgeführten Zucker Ausfuhrrabatte zu gewähren,...geeignet [ist], den Handel mit Industriezucker ebenso wie mit Lebensmitteln mit einem erheblichen Zuckergehalt zu verfälschen und somit den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen" (Randnr. 157 der angefochtenen Entscheidung).

146 Die Klägerin kann der Kommission ebensowenig vorwerfen, die Wirkung der PFA auf die Isolierung des irischen Marktes fehlerhaft beurteilt zu haben, oder behaupten, die Analyse der Kommission setze das Fehlen von Barrieren bei der Zuckereinfuhr nach Irland auf der Ebene der Preise voraus.

147 Zum einen kann bei einem Anteil der Einfuhr von Industriezucker für den irischen Markt von weniger als 5 % der Kommission schwerlich vorgeworfen werden, sie habe die Struktur dieses Marktes, wenn sie ihn als isoliert betrachte, falsch beurteilt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin die Darstellung der Marktanteile der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer, die während des betreffenden Zeitraums auf dem Industriezuckermarkt in Irland tätig waren, nicht beanstandet hat. Indem sie ihre exportierenden Kunden für ihre Versorgung mit Industriezucker an sich band, hat die Klägerin verhindert, daß diejenigen, die dem zwischenstaatlichen Handel am offensten gegenüberstanden, sich in Zukunft bei ihren Konkurrenten in anderen Mitgliedstaaten versorgten. Eine der Wirkungen der PFA war es daher, die Isolierung des Industriezuckermarkts in Irland aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken.

148 Zum anderen kann sich die Klägerin, da die Kommission zu Recht die Wirkung der PFA auf den Wettbewerb in Inland berücksichtigt hat, für einen Markt, auf dem sie selbst eine beherrschende Stellung innehat, nicht auf irgendwelche positiven Wirkungen der PFA auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt infolge der durch die PFA veranlaßten Ausfuhren aus Irland berufen. Denn sowohl gegenüber den Kunden der Klägerin, die keine Produkte mit Zuckerzusatz aus Irland exportieren, als auch gegenüber anderen potentiellen Lieferanten von Industriezucker für die exportierenden Kunden der Klägerin verfälscht die Gewährung der PFA den normalen Wettbewerb (Randnr. 157 der angefochtenen Entscheidung). Bei den letztgenannten ermöglicht es die Gewährung der PFA den anderen potentiellen Lieferanten nicht, zu den von der Klägerin ihren exportierenden Kunden angebotenen Leistungen auf einer ausgewogenen Grundlage in Wettbewerb zu treten. Die Kommission hat jedenfalls belegt, daß die PFA ein Hindernis für die Einfuhren von Industriezucker in Irland darstellten, weil sie die Isolation des irischen Marktes verstärkten (Randnr. 144).

149 Die Klägerin hat somit nicht den geringsten Fehler bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der PFA in der angefochtenen Entscheidung aufzeigen können. Damit ist ihr gesamtes Vorbringen, mit dem sie die Rechtmäßigkeit von Artikel 1 Nummer 4 der angefochtenen Entscheidung angegriffen hat, zurückzuweisen.

- Anwendung diskriminierender Preise gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern

150 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 5) hat die Klägerin "seit 1993 diskriminierende Preise gegen konkurrierende Zuckerverpacker angewandt, die ihren Industriezucker von [der Klägerin] kauften...". In Randnummer 73 der angefochtenen Entscheidung schildert die Kommission die Einführung neuer Zuckermarken auf dem Einzelhandelsmarkt durch vier Verpacker, unter ihnen die beiden bedeutendsten Gem Pack und Burcom Ltd (nachstehend: Burcom). Die Preisliste der Klägerin für losen Industriezucker vom 30. Juni 1994 zeige, daß nur die Kunden der Klägerin, die zugleich konkurrierende Zuckerverpacker gewesen seien, keinerlei Rabatt auf den Preis für Industriezucker für ihren Inlandshandel erhalten hätten (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung), wohl aber 1993 Gem Pack, als sie noch nicht mit ihr im Wettbewerb gestanden habe (Randnr. 75). Die Kommission weist ebenfalls auf die fehlende Transparenz dieser "inländischen" Rabatte hin, deren Einzelheiten bei der Gewährung weder von der Menge der Einkäufe noch von der Entfernung des Kunden von der Klägerin abhängig seien (Randnr. 77). In Randnummer 143 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die wettbewerbswidrige Wirkung der PFA gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern betont, soweit diese ihren Industriezucker bei der Klägerin bezögen. Aufgrund dieser gesamten Feststellungen kommt die Kommission zu dem Schluß: "Während das von [der Klägerin] praktizierte Ausfuhrrabattsystem möglicherweise nicht in erster Linie eine Diskriminierung gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern bezweckte, zeigt das System der Zusatzrabatte eine aktivere Diskriminierung zu deren Ungunsten. [Die Klägerin] wendet nicht nur ungleiche Bedingungen für gleiche Geschäftsabschlüsse an, sondern kann auch keinen Grund dafür angeben, der nicht wie der nachträgliche Versuch erscheint, ihre Diskriminierung gegenüber Zuckerverpackern zu rechtfertigen. Die Erklärungen, die [die Klägerin] für "Start-up"- und "Fast-growth"-Rabatte geliefert hat, würden für mindestens zwei der Zuckerverpacker genauso gelten" (Randnr. 145 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission betont ebenfalls die mangelnde Transparenz eines solchen Rabattsystems und seinen diskriminierenden Charakter (Randnr. 150).

151 Die Klägerin hat zwar die diskriminierende Wirkung der Gewährung von PFA gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern, die in Randnummer 143 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird (siehe Randnr. 139 dieses Urteils), nicht besonders bestritten, steht aber auf dem Standpunkt, daß ihr Preisfestsetzungssystem für den Industriezuckermarkt nicht bezweckt habe, Verpacker zu diskriminieren, die mit ihr auf dem Markt für Einzelhandelszucker im Wettbewerb gestanden und bei ihr Industriezucker bezogen hätten.

152 Erstens gehe die Kommission fehl, wenn sie in Randnummer 147 der angefochtenen Entscheidung die Festsetzung von Industriezuckerpreisen mit einem Verhalten gleichsetze, wie sie es in ihrer Entscheidung 88/518/EWG vom 18. Juli 1988 in einem Verfahren nach Artikel 86 EG-Vertrag (IV/30.178 - Napier Brown/British Sugar; nachstehend: Entscheidung Napier Brown/British Sugar) (ABl. L 284, S. 41) geahndet habe, denn die Klägerin habe keine Politik der beschleunigten Ausschaltung von konkurrierenden Verpackern von Einzelhandelszucker betrieben (Randnr. 158 der angefochtenen Entscheidung). Im übrigen habe die Kommission das Vorliegen einer solchen Politik im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen.

153 Außerdem stütze sich die Kommission allein auf ihre Preisliste für losen Industriezucker vom 30. Juni 1994 (vgl. Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung). Die Zahl der Verpacker auf dem Markt für Einzelhandelszucker habe aber seit 1993 zugenommen, und deren Marktanteil sei von 5 % im Jahre 1993 auf 12 % im Jahre 1996 angestiegen. Ferner habe sie konkurrierenden Verpackern, insbesondere Gem Pack und Burcom, Rabatte gewährt, die nicht von den gekauften Mengen abhängig gewesen seien.

154 Selbst wenn aber ihre Praktiken der Preisfestsetzung bezweckt hätten, die mit ihr auf dem Markt für Einzelhandelszucker konkurrierenden Zuckerverpacker zu diskriminieren, die bei ihr Industriezucker bezogen hätten, so sei doch eine solche Diskriminierung wegen des grundlegenden Unterschieds gerechtfertigt, der zwischen Zuckerverpackern einerseits und der verarbeitenden Industrie andererseits in ihrer Eigenschaft als Käufer von Industriezucker bestuenden. Nur der Verbrauch der letztgenannten senke die strukturelle Überversorgung der Klägerin und erweise ihr damit einen Dienst, den sie von den Verpackern nicht erhalte. Insoweit werde bei der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages die Gleichwertigkeit der Leistung nicht nur von der Natur der verkauften Ware oder den Beschaffungskosten des Lieferanten bestimmt.

155 Die Klägerin bestreitet zweitens die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages auf Fälle der vorliegenden Art, bei denen die Geschäftspartner des angeblich beherrschenden Unternehmens Geschäfte unterschiedlicher Natur abschlössen und auf verschiedenen Produktmärkten tätig würden. Die Verpacker hätten daher gegenüber der verarbeitenden Industrie, die Lebensmittel und Getränke herstelle, keinen Wettbewerbsnachteil. Da ein Wettbewerbsnachteil des benachteiligten Vertragspartners fehle, beeinträchtige eine unterschiedliche Behandlung der Geschäftspartner den Wettbewerb nicht und sei insoweit ohne Belang.

156 Die Klägerin wirft der Kommission drittens vor, sie ändere den Inhalt der in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Beanstandungen. Nachdem sie zunächst davon ausgegangen sei, daß die Zuckerverpacker der Klägerin gegenüber in eine nachteilige Wettbewerbssituation gedrängt worden seien, stehe sie jetzt auf dem Standpunkt, daß dies gegenüber ihren anderen Kunden der Fall sei. Zum anderen bewerte sie ihr Verhalten nach seinem Zweck und nicht mehr nach seinen Wirkungen. Da aber Zweck und Wirkung eines Verhaltens keine kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages seien (Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique minière, Slg. 1966, 282), könnten die Gründe einer Entscheidung im Zusammenhang mit ihrer Prüfung weder identisch sein noch gegeneinander ausgetauscht werden. Wenn daher die neuen Darlegungen der Kommission bewiesen würden, was allerdings nicht der Fall sei, stellten sie auf jeden Fall neue Verteidigungsmittel dar und seien als solche unzulässig.

157 Entgegen der Darstellung der Klägerin hat die Kommission den Nachweis, daß diese zum einen gegenüber den mit ihr auf dem Markt für Industriezucker konkurrierenden Zuckerverpackern diskriminierende Preise für Industriezucker angewandt hat, nicht nur aufgrund der Preisliste für Industriezucker vom 30. Juni 1994 (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung), sondern auch dadurch erbracht, daß sie den Inhalt von Dokumenten der Klägerin herangezogen hat, in denen deren geänderte Haltung gegenüber zweien ihrer Kunden, Gem Packs und Burcom, vor und nach deren Vermarktung der eigenen Einzelhandelszuckermarke zum Ausdruck kam (Randnr. 75); zum anderen hat sie ihren Kunden, die zuckerhaltige Produkte nach der Verarbeitung aus Irland exportierten, PFA gewährt.

158 Jedenfalls hat die Klägerin nicht den Nachweis erbracht, daß ihre Preisliste vom 30. Juni 1994 nicht den auf dem Markt für Industriezucker effektiv angewandten Preisen entsprach (Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung). Die Argumente und Beispiele, die sie im vorliegenden Verfahren vorgebracht hat, sind als solche nicht geeignet, den Beweiswert dieser Preisliste zu mindern.

159 Zum einen ist der Hinweis auf die Zunahme des Marktanteils der mit ihr auf dem Markt für Einzelhandelszucker konkurrierenden Zuckerverpacker zwischen 1993 und 1996 in keiner Weise erheblich gegenüber dem Nachweis, daß die auf der Durchsicht der Preisliste vom 30. Juni 1994 beruhenden Feststellungen zutreffend waren. Es kommt nämlich nicht drauf an, ob deren Marktanteil nach 1993 gewachsen ist oder nicht, da es nur um die Frage geht, ob die Kommission tatsächlich den Nachweis erbracht hat, daß die Klägerin ihnen gegenüber eine diskriminierende Preisregelung für Industriezucker angewandt hat.

160 Außerdem ergibt sich aus den Angaben der Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts, daß sie die von ihr im vorliegenden Verfahren behauptete Zunahme des Marktanteils der konkurrierenden Zuckerverpacker nicht belegen kann. Sie hat zu diesem Zweck eine Tabelle vorgelegt, die von der Gesellschaft Nielsen erstellt wurde und die jeweiligen Marktanteile von Gem Pack und Gold Seal für die Jahre 1995, 1996, 1997 und 1998 wiedergibt. Diese Tabelle trägt indessen kein Datum und läßt nicht erkennen, um welchen Markt es sich handelt. Das ebenfalls nicht datierte Umschlagblatt dieser Tabelle mit der Überschrift "To whom it may concern" zeigt lediglich folgenden Hinweis: "AC Nielsen ist das größte Marktforschungsunternehmen der Welt mit einem Umsatz von 1,4 Milliarden USD und Büros in mehr als 100 Ländern. Die beigefügten Marktanteilsdaten beruhen auf Untersuchungen des Einzelhandels in Irland durch AC Nielsen. Diese Untersuchungen sind zu den auf dem beigefügten Dokument angegebenen Zeiten durchgeführt worden." Die Klägerin bezieht sich in dieser Antwort im übrigen auf eigene Umsatzzahlen, ohne insoweit auch nur das geringste Beweismittel vorzulegen. Abgesehen vom geringen Beweiswert der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ist festzustellen, daß die in der Tabelle von AC Nielsen aufgeführten Zahlen nicht denen entsprechen, die die Klägerin in ihrer Klageschrift genannt hat und denen zufolge der Marktanteil der mit ihr auf dem Einzelhandelszuckermarkt konkurrierenden Zuckerverpacker von 3 % im Jahre 1993 auf 11 % im Jahre 1996 gewachsen sein soll. Die besagte Tabelle weist nicht nur für 1993 keinen Marktanteil aus, sondern gibt für 1996 einen Marktanteil von 9,4 % an.

161 Zum anderen werden die angeblichen Rabatte der Klägerin für Gem Pack und Burcom durch die Unterlagen, die die Klägerin insoweit vorgelegt hat, ebenfalls nicht belegt. Es handelt sich um einen Briefwechsel zwischen der Klägerin und SDL aus einer Zeit, als Gem Pack und Burcom noch nicht mit der Verpackung von Zucker begonnen hatten, um einen weiteren derartigen Briefwechsel, der die Gewährung von Rabatten der Art, wie sie anderen Kunden der Klägerin auf dem Industriezuckermarkt gewährt wurden, in keiner Weise belegt, da er sich lediglich auf den Betrag des betreffenden Rabatts bezieht oder bloße Verhandlungen erwähnt, oder um unklare Äußerungen der Klägerin, daß Rabatte, die in der Kundenliste von SDL als PFA eingestuft werden, in Wirklichkeit keine solchen seien (vgl. Nrn. 94 bis 96 der Klageschrift).

162 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Gewährung diskriminierender Preisnachlässe an die Kunden der Klägerin auf dem Markt für Industriezucker ab 1993, je nachdem, ob diese Kunden mit ihr auf dem Einzelhandelszuckermarkt konkurrierende Zuckerverpacker waren oder nicht, in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich und rechtlich hinreichend dargetan ist (Randnrn. 74 bis 76, 143, 145 bis 150, 158 sowie Artikel 1 Nummer 5 der angefochtenen Entscheidung).

163 Die Klägerin kann weiter nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, daß eine solche Preisfestsetzung kein Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages, und zwar dessen Absatz 2 Buchstabe c, sei.

164 Zum einen ist die von der Klägerin vertretene Unterscheidung zwischen den ihren Kunden erbrachten Leistungen, je nachdem, wie diese sich auf ihre eigene Wettbewerbsposition auswirken, zurückzuweisen. Nach dieser Ansicht wären Leistungen in geschäftlicher Hinsicht ceteris paribus nicht gleichwertig im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages, je nachdem, ob sie, was immer der Grund sein mag, den wirtschaftlichen Zielen, die sich das Unternehmen in beherrschender Stellung gesetzt hat, entsprechen oder nicht. Eine solche Definition ist nicht mit der in der Rechtsprechung entwickelten Begriffsbildung zur Ermittlung gleichwertiger Leistungen vereinbar, denn zwei Abnehmer der gleichen Menge eines Erzeugnisses würden unterschiedliche Preise zahlen, je nachdem, ob sie Konkurrenten ihres Lieferanten auf einem anderen Markt sind oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 90). Jedenfalls hat die Klägerin nicht den Nachweis erbracht, daß die Käufe ihrer Kunden, die keine Zuckerverpacker sind, eher geeignet wären, ihre strukturelle Überkapazität zu verringern, wenn man nicht annehmen will, daß die Käufe der konkurrierenden Zuckerverpacker sie daran hindern, diese Mengen selbst auf dem Markt für Einzelhandelszucker abzusetzen, was dann aber beweisen würde, daß sie ihre beherrschende Stellung auf dem Industriezuckermarkt dadurch mißbraucht, daß sie ihre Konkurrenten auf diesem nachgeordneten Markt benachteiligt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Klägerin nicht bestreitet, daß die Leistungen, die sie den Zuckerverpackern und ihren anderen Kunden erbringt, in geschäftlicher Hinsicht ceteris paribus vollkommen gleich sind.

165 Andererseits mag zwar das betreffende Gebaren insoweit originell sein, als es auf dem Markt für Industriezucker angewandt wurde und seine wettbewerbswidrigen Wirkungen auf dem Markt für Einzelhandelszucker entfaltet hat, auf dem die Klägerin und ihre zuckerverpackenden Kunden im Wettbewerb stehen, diese Besonderheit schließt indessen die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages nicht aus.

166 Der Gerichtshof hat nämlich klargestellt, daß ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf einem Rohstoffmarkt einnimmt, seinen Zugang zu einem Markt für Derivate dieser Rohstoffe nicht dadurch erleichtern darf, daß es die Wettbewerbsstellung der anderen Wirtschaftsteilnehmer auf diesem Markt beeinträchtigt, indem es sich z. B. weigert, diese mit den für deren Tätigkeit auf diesem zweiten Markt erforderlichen Rohstoffen zu beliefern (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 25). Zwar entspricht die Weigerung, den anderen Käufern von Industriezucker ähnliche Rabatte zu gewähren, nicht einer Lieferungsverweigerung, doch ist festzustellen, daß das Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf einem Markt, um so den Wettbewerb auf einem anderen Markt zu beeinträchtigen, einem bereits anerkannten Rechtsgrundsatz entspricht. Im vorliegenden Fall nahm darüber hinaus das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung auf beiden betroffenen Märkten ein.

167 Nach der Rechtsprechung fällt es unter Artikel 86 des Vertrages, wenn ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung sich ohne objektive Notwendigkeit eine Hilfs- oder Derivattätigkeit auf einem anderen, aber benachbarten Markt, auf dem es keine beherrschende Stellung einnimmt, vorbehält und damit auf diesem Markt möglicherweise jeden Wettbewerb beseitigt (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnrn. 115 und 186, und Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnrn. 24 ff.). Zwei Gesichtspunkte sprechen für eine Heranziehung dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall. Erstens besteht eine nicht zu leugnende Konnexität zwischen den Märkten für Industriezucker und für Einzelhandelszucker. Zweitens nimmt die Klägerin auch auf dem Markt für Einzelhandelszucker eine beherrschende Stellung ein, was sie selbst auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht bestritten hat. Ein etwaiges Fehlen von Wettbewerb zwischen den Kunden der Klägerin, die Rabatte erhalten, und den konkurrierenden Zuckerverpackern schließt eine Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages nicht aus, weil das beanstandete diskriminierende Gebaren wettbewerbswidrige Wirkungen gegenüber den konkurrierenden Zuckerverpackern auf dem Markt für Einzelhandelszucker zeitigt.

168 Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, die Kommission ändere die in der angefochtenen Entscheidung gegen sie gerichteten Beanstandungen, wenn sie jetzt darauf hinweise, daß die Zuckerverpacker auf dem Markt für Einzelhandelszucker mit ihr in Wettbewerb gestanden hätten. Die Kommission hat nämlich im Rahmen ihrer Prüfung der Rechtmäßigkeit der PFA, wie in Randnummer 125 dieses Urteils ausgeführt, die diskriminierende Wirkung von Preisnachlässen auf dem Markt für Industriezucker auf die Wettbewerbsposition der mit der Klägerin auf dem Markt für Einzelhandelszucker in Wettbewerb stehenden Zuckerverpacker hingewiesen und sich damit unmittelbar zum Wettbewerbsverhältnis zwischen der Klägerin und den letztgenannten ausgesprochen (Randnr. 143 der angefochtenen Entscheidung). Mithin kann von einer Änderung der in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Beanstandungen nicht die Rede sein.

169 Hieran ändert nichts, daß dieses Wettbewerbsverhältnis lediglich in Randnummer 143 der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit den PFA unmittelbar erwähnt wird. Diese Feststellung gilt nämlich ebenfalls für die Inlandsrabatte, die den konkurrierenden Zuckerverpackern nicht zugestanden worden sind und die in den Randnummern 145 ff. der angefochtenen Entscheidung behandelt werden. Die Kommission führt im übrigen in Randnummer 145 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich aus: "Während das von [der Klägerin] praktizierte Ausfuhrrabattsystem [d. h. der PFA] möglicherweise nicht in erster Linie eine Diskriminierung gegenüber konkurrierenden Zuckerverpackern bezweckte, zeigt das System der Zusatzrabatte eine aktivere Diskriminierung zu ihren Ungunsten." Auch der Hinweis in Randnummer 147 der angefochtenen Entscheidung auf die Entscheidung in der Sache Napier Brown/British Sugar, in der die Kommission die gleiche Art von Mißbrauch auf dem einen Markt mit wettbewerbswidriger Auswirkung auf einem anderen Markt beanstandet hat, lieferte der Klägerin einen Anhaltspunkt zur Natur der ungünstigen Wettbewerbsposition der konkurrierenden Zuckerverpacker infolge dieses diskriminierenden Preisgebarens auf dem Markt für Industriezucker. Schließlich heißt es in Randnummer 158 der angefochtenen Entscheidung: "Die Bemühungen [der Klägerin], den Wettbewerb durch konkurrierende Zuckerverpacker zu beschränken, wirkte sich auch auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten aus. Von den Zuckerverpackern, die Mitte 1993 mit [der Klägerin] in Wettbewerb traten, verwendete nur einer (ASI) Einfuhrzucker, ein weiterer (Burcom) verwendete sowohl eingeführten als auch irischen Zucker, und die anderen verwendeten nur irischen Zucker. Die kumulativen Bemühungen [der Klägerin], das Wachstum des Wettbewerbs auf dem Einzelhandelsmarkt in Irland zu behindern, die (wie im Fall Napier Brown/British Sugar) das Ziel oder das vorhersehbare Ergebnis haben, die Ausschaltung von Wettbewerbern auf dem Markt zu beschleunigen, hatten daher eine potentielle Wirkung auf die Wettbewerbsstruktur und den Handel im Gemeinsamen Markt und somit auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 86."

170 Im übrigen ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem diese eine Verwechslung von Zweck und Wirkung des betreffenden Gebarens rügt, zurückzuweisen, weil Artikel 86 des Vertrages, wie die Kommission betont, den Zweck nicht von der Wirkung trennt und in der angefochtenen Entscheidung auf die Wettbewerbswidrigkeit sowohl des Zweckes als auch der Wirkung hingewiesen wird (Randnr. 158 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten keineswegs den Nachweis voraussetzt, daß das beanstandete Verhalten effektiv den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt hat; es genügt vielmehr der Nachweis, daß dieses Verhalten geeignet ist, eine derartige Wirkung zu entfalten. Was die in Artikel 86 des Vertrages genannten mißbräuchlichen Verhaltensweisen angeht, so sind für die Beurteilung der Frage, ob der Mißbrauch einer beherrschenden Stellung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten führen kann, die Auswirkungen auf die Struktur eines wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt zu berücksichtigen (vgl. Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnrn. 201 und 203, und die dort zitierte Rechtsprechung). Genauso ist aber die Kommission in Randnummer 158 der angefochtenen Entscheidung vorgegangen (siehe Randnr. 169 dieses Urteils).

171 Folglich hat die Kommission zu Recht das diskriminierende Gebaren der Klägerin gegenüber den konkurrierenden Zuckerverpackern mit dem Gebaren von British Sugar verglichen, das sie in der Entscheidung Napier Brown/British Sugar geahndet hat.

172 Die Rüge der Klägerin, mit der sie die Rechtswidrigkeit von Artikel 1 Nummer 5 der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat, ist daher zurückzuweisen.

Zum Markt für Einzelhandelszucker

- Grenzrabatte

173 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 1) hat die Klägerin "[i]n den Jahren 1986 bis 1988...bestimmten Einzelhändlern mit Sitz im Grenzgebiet zu Nordirland einen Sonderrabatt...angeboten". Die Kommission legt hierzu unter der Überschrift "Einfuhren aus Nordirland" dar, die Klägerin habe, um dem Wettbewerb durch Zuckereinfuhren aus Nordirland oder Wiedereinfuhren eigenen Zuckers (Randnr. 54) zu begegnen, ihr Angebot im Grenzgebiet eingeschränkt (Randnrn. 55 und 56) und Einzelhändlern entlang der Grenze Rabatte gewährt (Randnrn. 57 bis 69). Die Kommission verweist insoweit auf mehrere Dokumente, die aus den Jahren 1986, 1987, 1988 und 1990 stammen. Sie zieht hieraus folgenden Schluß: "Durch eine Politik der selektiven oder diskriminierenden Preise auf dem Zuckermarkt Irland trafen [die Klägerin] und SDL insbesondere im Zeitraum 1985 bis 1988 Maßnahmen, um die Einfuhren aus Nordirland zu beschränken. Zu dieser Politik gehörte die Gewährung von Sondernachlässen für ausgewählte Abnehmer. Inbesondere wurde bestimmten Abnehmern im Grenzgebiet zu Nordirland ein Sonderrabatt [Grenzrabatt - border rebate] eingeräumt. Dieser Rabatt wurde zwischen [der Klägerin] und SDL offen erörtert und mit Mitteln [der Klägerin] gewährt. Mit diesem Rabatt sollten die Einfuhren billigerer Haushaltspackungen von Nordirland nach Irland reduziert werden. Zwischen dem Grenzrabatt und objektiven Wirtschaftsfaktoren wie der Abnahmemenge der Kunden bestand keine Beziehung. Er wurde angewandt und angepaßt, wenn die Auffassung bestand, daß der Preisunterschied zwischen Nordirland und Irland grenzüberschreitende Lieferungen in Gang bringen könne" (Randnr. 128). Die Kommission schloß hieraus: "Die Anwendung des Grenzrabatts ist ein Mißbrauch der kollektiven marktbeherrschenden Stellung [der Klägerin] und SDL im Sinne von Artikel 86. Tatsächlich bedeutet dies, daß [die Klägerin]/SDL auf gleichwertige Geschäfte mit anderen Handelspartnern ungleiche Bedingungen anwandten und somit diejenigen, die für den Rabatt nicht in Betracht kamen, wettbewerblich benachteiligten. Zudem sollte mit diesem Rabatt von Zuckereinfuhren aus Nordirland, gleich, ob es sich um Zuckereinfuhren von Konkurrenten [der Klägerin] oder um Wiedereinfuhren ihres eigenen Zuckers handelte, abgeschreckt werden und wurden somit die Märkte zu Ungunsten der Verbraucher begrenzt. Der Grenzrabatt ist daher Bestandteil eines Geschäftsgebarens zur Aufteilung von Märkten und zum Ausschluß von Wettbewerbern. Es fehlte dafür eine objektive wirtschaftliche Rechtfertigung wie etwa die von den Abnehmern bezogenen Mengen, das Marketing und die Transportkosten oder irgendwelche Werbe-, Lager-, Wartungs- oder sonstige Funktionen, die der entsprechende Kunde etwa übernommen hätte. Er wurde lediglich aufgrund des Standorts des Einzelhändlers gewährt, insbesondere je nachdem, ob sich der Standort des jeweiligen Kunden im Grenzgebiet zu Nordirland befand oder nicht. Diese selektiven oder diskriminierenden Preispraktiken wurden von der Kommission und dem Gerichtshof in voraufgegangenen Fällen verurteilt" (Randnr. 129).

174 Die Klägerin wirft der Kommission zunächst vor, nur summarisch berücksichtigt zu haben, daß die Grenzrabatte im Juli 1987 abgeschafft worden seien (Randnr. 66 der angefochtenen Entscheidung), daß der Preiswettbewerb im Vereinigten Königreich den Abstand zwischen den in Nordirland und den in Irland angewandten Preisen erheblich vergrößert habe (Randnr. 130) und daß ein Teil des Grenzhandels rechtswidrig gewesen sei und sie zu dieser Zeit schwere Verluste habe hinnehmen müssen.

175 Sie führt weiter aus, sie habe sich, um nicht einen Teil ihrer Kundschaft und ihres Umsatzes zu verlieren, dafür entschieden, der Konkurrenz dort, wo sie sichtbar geworden sei, entgegenzutreten und hierbei die begrenzten Mittel einzusetzen, die ihr seinerzeit wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten zu Gebote gestanden hätten. Es sei ihr finanziell unmöglich gewesen, eine Preissenkung im Inland ins Auge zu fassen. Im übrigen seien die betreffenden Preise keine Verdrängungspreise gewesen, so daß ihr Preisfestsetzungssystem kein anderes gewesen sei als dasjenige, das die Kommission in ihrer in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 132) genannten Entscheidung 89/22/EWG vom 5. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (IV/31.900, BPB Industries PLC) (ABl. 1989, L 10, S. 50) gebilligt habe. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Systems könne nicht von dem Prozentsatz des Nachlasses auf die Preise abhängig sein. Tatsächlich gehe es darum, festzustellen, ob solche Preise Verdrängungspreise seien oder nicht. Die mechanische Beanstandung einer Anwendung selektiver Preise durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung, auch wenn es sich nicht um Verdrängungspreise handele, zeige einen Mangel an Flexibilität bei der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages, der dem Geist dieser Bestimmung zuwiderlaufe, wie er in der Rechtsprechung herausgearbeitet worden sei.

176 Schließlich sei es widersprüchlich, zum einen vorzugeben, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung ohne jeden Zweifel berechtigt sei, seine Marktstellung zu verteidigen, indem es mit anderen Unternehmen auf seinem Markt in Wettbewerb trete (Randnr. 134 der angefochtenen Entscheidung), zum anderen aber davon auszugehen, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese mißbrauche, wenn es sie erfolgreich verteidige. Die besondere Verantwortung, das auf dem Markt verbliebene Ausmaß von Wettbewerb nicht weiter zu verringern und kein Verhalten an den Tag zu legen, das auf eine Verstärkung seiner beherrschenden Stellung und auf deren Mißbrauch gerichtet sei, gelte für jedes Unternehmen in beherrschender Stellung auf dem Markt und bedeute, daß das Unternehmen sich mit dem Wettbewerb anderer Unternehmen auseinanderzusetzen habe. Wenn ein Konkurrent im Anschluß an eine legitime und den Wettbewerb begünstigende Reaktion des Unternehmens in beherrschender Stellung aus dem Markt gehe, könne das nicht als Mißbrauch bewertet werden. Vielmehr handele es sich hier ganz einfach um eine Folge des Wettbewerbsgeschehens.

177 Die Klägerin tritt ferner dem Vorbringen der Kommission in der Klagebeantwortung entgegen, sie habe in Randnummer 55 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, daß die Klägerin sich zu einer Grenzrabattpolitik entschlossen habe. Diese Randnummer 55 befasse sich vielmehr mit dem Entschluß der Klägerin, den geltenden regionalen Grenzrabatt abzuschaffen. Die Lieferbeschränkung, die ebenfalls in Randnummer 55 erwähnt werde, dürfe nicht mit den Grenzrabatten verwechselt werden und werde zudem im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung nicht formell als Mißbrauch behandelt.

178 Hierzu ist festzustellen, daß im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung in der Tat, wie die Klägerin ausgeführt hat, die Lieferbeschränkung, von der in den Randnummern 55 und 56 der angefochtenen Entscheidung die Rede war, nicht genannt wird. In der Sitzung hat die Kommission bestätigt, daß sie dieses Gebaren nicht als Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages gewertet und es im übrigen auch nicht rechtlich beurteilt habe. Einer Untersuchung des Vorbringens der Parteien zu den in den Randnummern 55 und 56 der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkten bedarf es daher nicht. In diesen Randnummern etwa enthaltene Fehler könnten nämlich nicht zu einer auch nur teilweisen Nichtigerklärung des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung führen (Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 150, und die dort zitierte Rechtsprechung).

179 Im übrigen bestreitet die Klägerin nicht, daß sie, wie die Kommission übrigens in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 130) festgestellt hat, zumindest bis Juli 1987 bestimmten Einzelhändlern an der Grenze zwischen Nordirland und Irland einen Sonderrabatt eingeräumt hat, um in Wettbewerb zu Niedrigpreiseinfuhren von Einzelhandelszucker aus Nordirland zu treten. Sie hat nicht bestritten, daß der Grenzrabatt, dessen Einräumung die in den Randnummern 57 bis 69 aufgeführten Dokumente belegen, lediglich aufgrund der geographischen Lage der Einzelhändler gewährt worden ist. Über das Bestreiten des Zeitpunkts hinaus, zu dem diese Rabatte abgeschafft worden sein sollen, versucht die Klägerin in Wirklichkeit, deren Rechtmäßigkeit im Hinblick auf Artikel 86 nachzuweisen.

180 Zum einen trägt sie vor, die Grenzrabatte seien endgültig im Juli 1987 abgeschafft worden. Im Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats von SDH vom 18. Dezember 1987, das in Randnummer 66 der angefochtenen Entscheidung auszugsweise wiedergegeben ist, heißt es aber: "Die Grenzrabatte waren im Juli 1987 abgeschafft worden, wurden aber möglicherweise Anfang 1988 wieder eingeführt. Round Tower hat in letzter Zeit anscheinend eine rationellere Vorgehensweise an den Tag gelegt." Die Auslegung der Kommission, daß die Rabatte im Juli 1987 wegen des Erfolges der mit ihnen durchgeführten Politik abgeschafft wurden, ohne daß ihr Einsatz aber bei entsprechender Notwendigkeit in der Zukunft ausgeschlossen gewesen wäre, entspricht damit dem Inhalt dieses Sitzungsprotokolls vom 18. Dezember 1987. Außerdem wird sie durch die Äußerungen des Verkaufsdirektors von SDL, Herrn Keleghan, bei einer Managementsitzung der Klägerin und von SDL am 27. Juni 1990 bekräftigt: "Herr T. G. Keleghan sagte, die grenzüberschreitenden Einfuhren aus dem Norden stellten eine potentielle Bedrohung für den Inlandsmarkt dar. Wenn diese Bedrohung Form annehme, sei es wichtig, rasch mit geeigneten Gegenmaßnahmen zu reagieren. Dazu gehörten Preisauszeichnung bei McKinney-Zucker und angemessene Verkaufsförderungstätigkeiten auf dem Inlandsmarkt..."(Randnr. 69 der angefochtenen Entscheidung).

181 Zum anderen ist die Mißbräuchlichkeit solcher Rabatte im Sinne von Artikel 86 des Vertrages zu würdigen. Sowohl im Rahmen des Verwaltungsverfahrens als auch in ihren Schriftsätzen und in der Sitzung hat die Klägerin versucht, die Rechtmäßigkeit dieses Gebarens damit zu rechtfertigen, daß es für sie lediglich darum gegangen sei, im besonderen Kontext ihres Marktes den Angriffen insbesondere ausländischer Konkurrenten zu begegnen. Sie hat indessen nicht abgestritten, daß sie von 1985 bis 1995 auf dem Markt für Einzelhandelszucker mit einem Marktanteil von über 88 % während dieses gesamten Zeitraums eine beherrschende Stellung eingenommen hat (Randnr. 159 der angefochtenen Entscheidung).

182 Die Parteien sind sich zwar einig darüber, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung besondere Verantwortung für den Wettbewerb auf diesem Markt trägt (vgl. die in Randnr. 112 dieses Urteils angeführte Rechtsprechung), streiten aber über die Frage, ob die Gewährung von Sonderrabatten an Kunden, die diesem Wettbewerb ausgesetzt sind, eine Reaktion darstellt, die mit dieser besonderen Verantwortung vereinbar ist, falls die betreffenden Preise keine Verdrängungspreise im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung sind (Urteile AKZO/Kommission, Randnrn. 70 ff., und vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, Randnrn. 41 bis 44).

183 Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 129) dargelegt hat, hat die Klägerin mit der Einräumung dieses Grenzrabatts gegenüber Handelspartnern ungleiche Bedingungen bei gleichen Leistungen angewandt und sie damit wettbewerblich benachteiligt. Im übrigen ergibt sich aus den in den Randnummern 57 bis 69 aufgeführten Dokumenten, daß die Klägerin sich nicht nur bewußt entschieden hat, bestimmten Einzelhändlern selektiv Sonderrabatte einzuräumen, sondern daß sie auch die Rechtswidrigkeit dieses Gebarens erahnte. So heißt es in einem nicht datierten handschriftlichen Vermerk, der im Büro von Herrn Keleghan sichergestellt wurde: "Empfehlungen und Implikationen betreffend Gold Seal Sugars: 1 R [Empfehlung] weiter wie jetzt, d. h. Rabatt, wenn notwendig. Gegenwärtig gewähren wir Rabatte an: [...]. Durch [...] gewähren wir Rabatt an viele unabhängige Händler, die größten sind [...] Imp. (Implikation] Diese Methode ist sowohl rechtlich als auch geschäftlich überaus gefährlich. Rechtlich wegen selektiver Preisfestsetzung. Geschäftlich aus dem gleichen Grund, außer daß die Selektivität unsere kleineren Abnehmer [...] begünstigt..."(Randnr. 58). Ein solches Gebaren stellt eine mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages dar.

184 Unter den besonderen Umständen des Falles kann sich die Klägerin nämlich für den Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einräumung besonderer Rabatte an bestimmte Einzelhändler in der Nähe der Grenze zwischen Irland und Nordirland weder auf die Preispolitik der Wirtschaftsteilnehmer auf dem britischen Markt noch auf ihre finanzielle Lage, den defensiven Charakter ihres Verhaltens oder das angebliche Vorliegen eines rechtswidrigen Handels berufen.

185 Zunächst gehört der Einfluß der Preispolitik von Wirtschaftsteilnehmern, die in erster Linie auf einem angrenzenden Markt, im vorliegenden Fall dem britischen und dem Markt von Nordirland, tätig sind, auf diejenige der auf einem anderen nationalen Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer zum Wesen eines gemeinsamen Marktes. Beeinträchtigungen dieses Einflusses müssen daher als Hindernisse für die Verwirklichung dieses gemeinsamen Marktes gelten, die den Wirkungen eines effektiven und unverfälschten Wettbewerbs insbesondere zugunsten der Verbraucher abträglich sind. Sind solche Hindernisse auf das Verhalten eines Unternehmens zurückzuführen, das eine beherrschende Stellung ähnlich wie die Klägerin einnimmt, so ist davon auszugehen, daß es sich um einen gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßenden Mißbrauch handelt. Im übrigen hat die Klägerin keineswegs behauptet, daß die Preise, die ihre Konkurrenten an der Grenze zwischen Irland und Nordirland angewandt haben, unter den Gestehungskosten des Erzeugnisses gelegen hätten, oder hierfür auch nur den geringsten Beweis vorgelegt.

186 Sodann kann sich die Klägerin nicht auf die Knappheit der ihr seinerzeit zur Verfügung stehenden Geldmittel berufen, um den selektiven und diskriminierenden Charakter der Einräumung dieser Grenzrabatte zu rechtfertigen und damit der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages zu entgehen, da andernfalls das Verbot dieses Artikels nur noch der Form nach bestuende. Die Umstände, unter denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung gezwungen sein kann, auf den auf dem Markt noch verbliebenen Wettbewerb zu reagieren, gehören zum Wettbewerb, dessen Schutz Artikel 86 des Vertrages gerade sicherstellen soll, und zwar erst recht, wenn dieses Unternehmen wie im vorliegenden Fall einen Marktanteil von mehr als 88 % hat. Außerdem hat die Klägerin mehrfach das hohe Niveau des Einzelhandelspreises in Irland hervorgehoben und dies durch den Einfluß des hohen Niveaus des garantierten Interventionspreises im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker erklärt.

187 Schließlich kann der defensive Charakter des hier beanstandeten Verhaltens nichts an dessen Mißbräuchlichkeit im Sinne von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages ändern.

188 Die Klägerin hat im vorliegenden Fall nicht belegen können, daß die betreffenden Rabatte wirtschaftlich objektiv gerechtfertigt gewesen wären. Sie sind nämlich bestimmten Kunden auf dem Markt für Einzelhandelszucker aufgrund ihrer Bedrohung durch den Wettbewerb aufgrund von Niedrigpreiseinfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat und im vorliegenden Fall aufgrund ihres Sitzes an der Grenze zu Nordirland eingeräumt worden. Außerdem war die Klägerin ihren eigenen Erklärungen zufolge, nur wegen ihrer besonderen Stellung auf dem irischen Markt in der Lage, solche Preisnachlässe zu gewähren. So beteuert sie, sie habe solche Nachlässe wegen ihrer damaligen Verluste nicht auf das gesamte irische Staatsgebiet ausdehnen können. Folglich hing ihre wirtschaftliche Fähigkeit, in dem Gebiet entlang der Grenze zu Nordirland Rabatte einzuräumen, nach ihrem eigenen Vorbringen von der Stabilität ihrer Preise in den anderen Gebieten ab, was auf das Eingeständnis hinausläuft, daß sie diese Rabatte durch die Verkäufe im übrigen irischen Staatsgebiet finanzierte. Mit diesem Verhalten hat die Klägerin folglich ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für Einzelhandelszucker in Irland mißbraucht, indem sie die Entwicklung des Wettbewerbs auf diesem Markt verhindert und dessen Strukturen zu Lasten sowohl ihrer Kunden als auch der Verbraucher verfälscht hat. Diese haben nämlich außerhalb des Gebiets entlang der Grenze zu Nordirland nicht von den Preissenkungen profitieren können, die eine Folge der Zuckereinfuhren aus Nordirland waren.

189 Wenn daher zwar der Umstand, daß ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat, diesem nicht das Recht nimmt, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn sie bedroht sind (siehe Randnr. 112 dieses Urteils), kann doch der Schutz der Wettbewerbsstellung eines Unternehmens in beherrschender Stellung nur dann rechtmäßig sein, wenn er auf Kriterien wirtschaftlicher Effizienz beruht und von Interesse für die Verbraucher ist. Im vorliegenden Fall hat aber die Klägerin nicht den Nachweis erbracht, daß diese Voraussetzungen erfuellt wären.

190 Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, daß ihre Politik selektiver Rabatte der Politik gleichkomme, die die Kommission in ihrer Entscheidung 89/22 vom 5. Dezember 1988 gebilligt hat. Abgesehen davon, daß der Betrag der Nachlässe, um die es in der letztgenannten Sache ging, halb so hoch war wie im vorliegenden Fall, was einen beträchtlichen Unterschied ausmacht, gehörten diese Nachlässe außerdem nicht zu einem System systematischer Anpassung (Randnrn. 132 und 133 der angefochtenen Entscheidung). Die von der Kommission sichergestellten Dokumente (Randnrn. 57 bis 59 der angefochtenen Entscheidung) zeigen vielmehr, daß die betreffenden Nachlässe bezweckten, die Zuckereinfuhren aus Nordirland einzudämmen und den Wettbewerb auf dem Markt für Einzelhandelszucker zu beeinträchtigen. Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung 89/22 vom 5. Dezember 1988, festgestellt, daß ein Teil der eingeräumten Rabatte objektiv gerechtfertigt war (Randnr. 132 der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin bestreitet aber weder den Betrag der eingeräumten Rabatte, noch daß damit dem Wettbewerb durch die Zuckereinfuhr aus Nordirland "entgegengetreten" werden sollte. Das läuft angesichts der Umstände des vorliegenden Falles auf das Eingeständnis hinaus, daß die Rabatte die Entwicklung des Wettbewerbs auf diesem Markt behindern sollten.

191 Zu ergänzen bleibt, daß die Kommission sich entgegen der Darstellung der Klägerin zum Nachweis der Mißbräuchlichkeit der Einräumung dieses Grenzrabatte nicht darauf berufen hat, daß auch nur ein Konkurrent den Markt verlassen habe. Außerdem kann, wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung ein Gebaren ins Werk setzt, das die Verdrängung eines Konkurrenten bezweckt, die Nichterreichung des angestrebten Ziels einer Einstufung als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages nicht entgegenstehen (Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnrn. 149). Da die Gewährung von Grenzrabatten bezweckte, die Konkurrenzangeboten ausgesetzten Kunden an sich zu binden, ohne doch sämtlichen Kunden der Klägerin den Einfluß des Wettbewerbs auf die Verkaufspreise ihrer Produkte zugute kommen zu lassen, belegt die Verdrängung eines Kunden aufgrund eines solchen Gebarens erst recht dessen Mißbräuchlichkeit im Sinne von Artikel 86 des Vertrages.

192 Außerdem kann sich die Klägerin nicht auf Tatsachen berufen, die, wenn sie feststuenden, in irgendeiner Weise belegen würden, daß der Wettbewerb, dem sie in diesem Gebiet ausgesetzt war, gegen den Vertrag verstoßen hätte oder sonst rechtswidrig gewesen wäre. Es ist Sache der Behörden und nicht der Unternehmen oder privater Vereinigungen, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen (Urteile Hilti/Kommission, Randnr. 118, und SCK und FNK/Kommission, Randnr. 194).

193 Demgemäß ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Rechtmäßigkeit von Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung angreift, soweit mit diesem eine Zuwiderhandlung wegen der zwischen 1986 und 1988 eingeräumten Grenzrabatte festgestellt wird, zurückzuweisen.

- Treuerabatt

194 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 3) hat die Klägerin "1988...dem potentiellen Kunden eines Wettbewerbers einen Treuerabatt an[geboten], d. h. einen Rabatt, der unter der Bedingung gewährt wurde, daß der Abnehmer seinen Einzelhandelsbedarf vollständig oder weitgehend durch Käufe von [ihr] deckte". Die Kommission legt hierzu dar, daß "die Vereinbarung zwischen SDL und ADM, durch die ADM sich einen günstigen Preis sicherte, wenn sie ein bestimmtes Kaufpreiszielniveau erreichte, (d. h. der Preis von [3x] Tonnen, wenn sie [x] Tonnen abnahm), offensichtlich kein normaler Mengenrabatt war und...einen Ziel- oder Treuerabatt dar[stellte], der die Bindung eines Abnehmers an den marktbeherrschenden Anbieter bewirkte. Somit lag ein Verstoß gegen Artikel 86 mit Zustimmung der SDL und aus Mitteln [der Klägerin] vor" (Randnr. 127 der angefochtenen Entscheidung).

195 Die Klägerin beteuert, daß der Treuerabatt für Allied Distribution Merchants (nachstehend: ADM) keineswegs bezweckt habe, diese Gruppe an ihren Lieferanten zu binden. ADM habe sich bei SDL eingedeckt, bevor ASI sie umworben habe (Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung). Dieser Treuerabatt habe daher weder die französischen Einfuhren behindert noch die Einfuhrmenge französischen Zuckers beeinträchtigt (Randnr. 156), da diese Menge durch Faktoren bestimmt worden sei, die sie nicht habe beeinflussen können.

196 Die Klägerin bestreitet nicht, ADM im April 1988 einen Sonderrabatt eingeräumt zu haben, der nicht durch die Abnahmemenge von ADM gerechtfertigt, sondern aufgrund von Verkaufszielen festgelegt worden war. Sie bestreitet lediglich, daß es sich um einen Treuerabatt gehandelt habe, um ADM an SDL zu binden. Ebensowenig bestreitet sie, daß sie die Finanzierung dieses Rabatts zugunsten von ADM finanziert hat.

197 Nach ständiger Rechtsprechung stellen Treuerabatte, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung einräumt, einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages dar, wenn sie bezwecken, durch die Gewährung finanzieller Vorteile zu verhindern, daß sich Kunden bei konkurrierenden Erzeugern versorgen (Urteile Michelin/Kommission, Randnr. 71, und die dort zitierte Rechtsprechung, und BPB Idustries und British Gypsum/Kommission, Randnr. 120). Nach der in Randnummer 111 des vorliegenden Urteils zitierten Rechtsprechung sind mithin sämtliche Umstände, insbesondere die Kriterien und Modalitäten der Rabattgewährung, zu berücksichtigen, und ist weiterhin zu untersuchen, ob der Rabatt darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen unterschiedliche Bedingungen aufzuerlegen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken.

198 Im vorliegenden Fall belegen die Gesichtspunkte, die die Kommission zusammengetragen und in der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, daß das Vorgehen von SDL in bezug auf ADM im Rahmen einer Strategie stattfand, die von der Klägerin und SDL gemeinsam festgelegt worden war, um die Entwicklung der Marke Eurolux auf dem irischen Einzelhandelsmarkt zu verhindern (vgl. Randnrn. 125 und 126 der angefochtenen Entscheidung), indem sie sich der Treue ihrer Kunden versicherten, notfalls auch durch einen Austausch der von diesen etwa erworbenen Konkurrenzprodukte (siehe Randnrn. 226 bis 234 dieses Urteils). Daß sich ADM bei SDL versorgte, bevor sie von ASI umworben wurde, beweist keineswegs eine fehlende Treuebindung infolge des betreffenden Rabatts, sondern bestätigt, daß die tatsächlich nicht bestrittene Gewährung dieses Rabatts die Wirkung hatte, den Kunden an den Lieferanten in beherrschender Stellung zu binden (Randnr. 127 der angefochtenen Entscheidung) oder mit anderen Worten, einen Kunden wiederzugewinnen, der versucht war, zur Konkurrenz zu wechseln. Ein solches Gebaren verstößt somit gegen Artikel 86 des Vertrages.

199 Die Gemeinsamkeit des betreffenden Gebarens ergibt sich zum einen aus dem Schreiben von ASI vom 18. Juli 1988 an die Geschäftsführung der Klägerin (Randnr. 52 der angefochtenen Entscheidung), das kurze Zeit nach dem in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls geprüften Produktaustausch übersandt wurde, und zum anderen aus der Passage des Protokolls der Sitzung des Verwaltungsrats von SDH vom 28. Juni 1988 (Randnr. 47), in der der Generaldirektor der Klägerin sich sehr befriedigt über die bis dahin erfolgte Reaktion auf die Herausforderung zeigt, die das Erscheinen einer neuen Zuckermarke auf dem irischen Markt darstellt.

200 Die Klägerin kann auch aus der Menge des Zuckers, für die der in Rede stehende Treuerabatt gewährt wurde, nichts für sich herleiten und nicht geltend machen, ein solcher Rabatt habe den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen können.

201 Nach ständiger, in Randnummer 170 dieses Urteils zitierter Rechtsprechung kann dieses Gebaren "der Errichtung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten hinderlich sein...", wenn "sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß [es] unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen...kann" (Randnr. 155 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem war der Treuerabatt Teil einer Strategie der Klägerin, mit der ihr Binnenmarkt und ihre Marktstellung gegen den Wettbewerb der Zuckereinfuhr geschützt werden sollte (Randnr. 156), wie dies insbesondere die Erklärung des Generaldirektors der Klägerin auf der Sitzung des Verwaltungsrats von SDH am 28. Juni 1988 belegt.

202 Demgemäß ist dieses Vorbringen der Klägerin, mit dem sie die Rechtswidrigkeit von Artikel 1 Nummer 2 der angefochtenen Entscheidung geltend macht, zurückzuweisen.

- Zielrabatte und selektive Preise

203 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 6 Buchstaben i und ii) hat die Klägerin "[s]eit 1993...eine für die Wettbewerbsstellung anderer irischer Zuckerverpacker im Zuckereinzelhandel abträgliche Politik angewandt, insbesondere i)...zu bestimmten Zeiten 1994 Rabatte an Großhandelskonzerne in Irland unter der Bedingung gewährt, daß diese ihre Käufe von Einzelhandelszucker von [der Klägerin] steigerten, was ihre Bindung an [die Klägerin] zuungunsten konkurrierender Zuckerverpacker bewirkte; ii)...im Dezember 1994 und im Februar 1995 selektive Rabatte an bestimmte Kunden konkurrierender Zuckerverpacker unter der Bedingung gewährt, daß diese Abnehmer ihre Käufe von Einzelhandelszucker über zwölf Monate hinweg steigerten, wodurch der Wettbewerb seitens der konkurrierenden Zuckerverpacker beschränkt werden sollte". Die Kommission erläutert in den Randnummern 78 bis 84 der angefochtenen Entscheidung, daß die Klägerin parallel zu der Einräumung von Mengenrabatten im Frühjahr und im Oktober 1994 ihren Kunden auf dem Markt für Einzelhandelszucker Zielrabatte eingeräumt und dabei den Zeitraum April bis September 1993 als Ziel zugrunde gelegt hat (Randnrn. 78 bis 81). Sie ergänzt auf der Grundlage von Dokumenten der Klägerin und deren Erklärungen, daß diese Zielrabatte außerdem selektiv, insbesondere im Dezember 1994, einer führenden Einzelhandelskette, die sich zum Teil bei Burcom, einem mit der Klägerin konkurrierenden Zuckerverpacker, eindeckte (Randnrn. 82 und 83), sowie im Februar 1995 einem Großhandelskonzern angeboten wurden, der sich zum Teil bei Gem Pack, einem anderen mit der Klägerin konkurrierenden Zuckerverpacker, versorgte (Randnr. 84). Die Kommission steht auf dem Standpunkt, daß die Klägerin hiermit ihre Kunden an sich binden wollte, und meint, es lägen "keine Beweisunterlagen vor, die darauf schließen lassen, daß [die Klägerin] seither die Praxis, Zielrabatte anzubieten, aufgegeben hat" (Randnr. 151). Die Kommission führt weiter aus: "Da außerdem fünf Wettbewerber auf dem Inlandsmarkt im Sommer 1993 (d. h., nachdem der Referenzzeitraum für die 1994er Absatzwerbung für Großhändler angelaufen war) sämtlich neue Einzelhandelsmarken einführten, müßten die Mengenrabatte, die [die Klägerin] im Frühjahr 1994 und im Oktober 1994 aufgrund von Käufen im Sommer davor gewährte, eng mit dem Gesamtbedarf an Einzelhandelszucker des Abnehmers verbunden gewesen sein" (Randnr. 152). Daher müsse sich der von der Klägerin behauptete Aufbau großer Lagerbestände bei ihren Kunden infolge dieser Rabatte (Randnr. 80) "auf die Käufe von konkurrierenden Zuckerverpackern nachteilig ausgewirkt haben" (Randnr. 152). Diese Zielrabatte seien keine einfachen Mengenrabatte und gälten daher als mißbräuchliches Verhalten im Sinne von Artikel 86 (Randnr. 153). Sie hätten auch zu einer Diskriminierung unter den Kunden der Klägerin geführt, weil ihre Einräumung weniger von einer absoluten als vielmehr von einer prozentualen Zunahme der Käufe abhängig gemacht worden sei; außerdem seien selektive und diskriminierende Preise zu Lasten bestimmter Kunden konkurrierender Zuckerverpacker angeboten worden (Randnr. 154).

204 Bezüglich der Zielrabatte im Frühjahr und im Oktober 1994 räumt die Klägerin ein, daß Großhändlern ein Zielrabatt von (...) % angeboten worden sei (Randnr. 79 der angefochtenen Entscheidung), bestreitet aber, daß mehrere Kunden einen höheren Rabatt erhalten hätten. Keines der Beweisstücke der Kommission beweise dies. In der angefochtenen Entscheidung seien lediglich zwei Kunden, National Wholesalers Grocers Alliance Ltd (nachstehend: NWGA) und der Konzern Musgraves (nachstehend: Musgraves), genannt. Der NGVA gewährte Rabatt von (...) % bestehe aus einem Zielrabatt von (...) % und einem Aktionsrabatt bis zu weiteren (...) %. Die in der Randnummer 79 dargestellten Tatsachen seien weder in der Begründung (Randnrn. 151 bis 154) noch im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung zu finden.

205 Die Klägerin wirft der Kommission weiter vor, sie habe ihre Ausführungen übergangen, mit denen sie klargestellt habe, daß die betreffenden Werbeaktionen mit dem geltenden irischen Recht vereinbar und den zuständigen Behörden bekannt gewesen seien, die keine Beanstandung erhoben hätten. Ohne den Vorrang des Gemeinschaftsrechts bestreiten zu wollen, müsse sie der Kommission vorhalten, daß sie sich nicht mit den örtlichen Handelsbräuchen und -gepflogenheiten vertraut gemacht habe, insbesondere nicht mit den Lebensmittelvorschriften. Eines der Ziele dieser Vorschriften sei es, die Kaufkraft der Großhändler zu verringern, damit diese nicht die Erträge aufgrund von Werbeaktionen in Form einer zusätzlichen und nicht an die Verbraucher weitergegebenen Gewinnspanne für sich behielten.

206 Außerdem nehme die Kommission zu Unrecht an, ohne hierfür einen Beweis vorzulegen, daß die Bedingungen und die Dauer der Werbeaktionen zu einer Bindung ihrer Kunden geführt und die Käufe bei konkurrierenden Zuckerverpackern ungünstig beeinflußt hätten.

207 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Klägerin zwar den Betrag der in Rede stehenden Zielrabatte bestreitet, zumindest aber deren Einräumung in Höhe von (...) % zugesteht. In Artikel 1 Nummer 6 Buchstaben i und ii der angefochtenen Entscheidung wirft ihr die Kommission die Einräumung solcher Rabatte vor, ohne hierbei deren genauen Betrag anzugeben. Die Ermittlung des genauen Betrages dieser Zielrabatte ist daher nicht von Belang, um die Rechtmäßigkeit dieser in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen prüfen zu können.

208 Die Kommission hat ferner in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts angegeben, sie habe den Betrag der betreffenden Zielrabatte, von denen in den Randnummern 81 und 84 der angefochtenen Entscheidung die Rede sei, auf der Grundlage einer schriftlichen Antwort der Klägerin auf ein Auskunftsersuchen vom 6. Februar 1995, das in Anhang 9 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegeben sei, eines an sie gerichteten Schreibens von (...) vom 29. Juni 1995, des Protokolls eines Zusammentreffens ihrer Vertreter und der der Klägerin vom 20. Oktober 1995, das in Anhang 10 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegeben sei, sowie einer Antwort der Klägerin vom 8. August 1995 auf ein weiteres Auskunftsersuchen ermittelt.

209 Es ist daher davon auszugehen, daß die Kommission ausreichend Beweismittel vorgelegt hat, die belegen, daß die Zielrabatte für NWGA und Musgraves (Randnr. 79) höher lagen als (...) % des Preises.

210 Jedenfalls kann sich die Klägerin nicht mit der Behauptung begnügen, von den (...) % der Rabatte zugunsten von NWGA seien (...) % Werberabatte gewesen, ohne hierfür weiteres vorzutragen und durch Beweise zu erhärten. Die bloße Einstufung eines Teils der gewährten Rabatte als Werberabatt im Rahmen einer Erörterung, in deren Verlauf vereinbart wurde, daß NWGA ihre Zuckereinkäufe bei der Klägerin steigern werde (Randnr. 79), ist ohne weitere Beweismittel nicht geeignet, die behauptete Unterscheidung zu belegen, und kann daher auch die Gewährung eines solchen Rabatts im Hinblick auf Artikel 86 des Vertrages nicht rechtfertigen.

211 Angesichts des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich und der Anerkennung der unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen von Artikel 86 des Vertrages (Urteile des Gerichtshofs vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT u. a., Slg. 1974, 51, Randnrn. 15 und 16, und vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Ahmed Saeed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 23) kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Einräumung dieser Zielrabatte mit dem irischen Recht vereinbar war. Auch über eine fehlende Berücksichtigung des irischen Lebensmittelrechts kann sich die Klägerin nicht beschweren. Zum einen erwähnt die Kommission diese Vorschriften in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich (Randnr. 83). Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß das Gebaren eines Unternehmens, auch wenn es mit nationalen Rechtsvorschriften im Einklang stehen sollte, eine Zuwiderhandlung bleibt, wenn dieses Unternehmen zum maßgeblichen Zeitpunkt volle Entscheidungsfreiheit hatte. Die Klägerin kann sich daher nicht auf eine Vereinbarkeit der Einräumung solcher Rabatte mit dem nationalen Recht berufen, falls diese Vorschriften ihm ein solches Verhalten nicht geradezu vorschreiben (vgl. Urteil Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing, Randnrn. 33 und 34).

212 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin werden die in der Randnummer 79 der angefochtenen Entscheidung dargestellten Tatsachen in den Randnummern 151 bis 154 geprüft und im deren verfügendem Teil geahndet. In Randnummer 79 hat die Kommission nämlich ausgeführt, daß die Klägerin Großhändlern im Frühjahr 1994 Zielrabatte angeboten und den Zielzeitraum für die Berechnung der Absatzziele für diese Rabatte angegeben sowie noch höhere Rabatte eingeräumt habe, wie zwei zu diesem Punkt befragte Kunden der Klägerin bestätigt hätten. In Randnummer 151 führt die Kommission hierzu aus: "Im Frühjahr 1994 bot [die Klägerin] den größten Lebensmittelgroßhändlern in Irland Rabatte an, wenn sie ihre Käufe von 1-kg-Packungen der Marke Siucra innerhalb von drei Monaten steigern könnten. Als Referenzzeitraum wurden die Monate April-September 1993 zugrunde gelegt..."In Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe i heißt es: "Seit 1993 hat [die Klägerin] eine für die Wettbewerbsstellung anderer irischer Zuckerverpacker im Zuckereinzelhandel abträgliche Politik angewandt, insbesondere i) hat [sie] zu bestimmten Zeiten 1994 Rabatte an Großhandelskonzerne in Irland unter der Bedingung gewährt, daß diese ihre Käufe von Einzelhandelszucker von [der Klägerin] steigerten, was ihre Bindung an [die Klägerin] zuungunsten konkurrierender Zuckerverpacker bewirkte." Im übrigen würde dieses Vorbringen der Klägerin, wenn es denn belegen sollte, daß die Kommission den höheren Betrag der Rabatte für NWGA und Musgraves in Artikel 1 Nummer 6 nicht als Tatbestandsmerkmal einer Zuwiderhandlung gewertet hat, nur die Richtigkeit des in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Standpunkts bestätigen, wonach gerade die Einräumung solcher Zielrabatte als solche ohne Rücksicht auf ihren Betrag einen Verstoß darstellt, und damit jede Bedeutung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung verlieren (siehe Randnr. 207 dieses Urteils).

213 Schließlich hat die Kommission mit ihrer Annahme, daß die Rabattgewährung seitens eines Unternehmens in beherrschender Stellung bei Erhöhung der Umsätze innerhalb eines bestimmten Zeitraums, ohne daß dieser Rabatt - was die Klägerin nicht bestreitet - als normaler Mengenrabatt bewertet werden könnte (Randnr. 153 der angefochtenen Entscheidung), als mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung zu beurteilen sei, keinen Beurteilungsfehler begangen, weil ein solches Gebaren nur den Zweck haben kann, die Kunden, denen dieser Rabatt eingeräumt wird, an sich zu binden und die Konkurrenten in eine abträgliche Wettbewerbsposition zu bringen. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß der für die Berechnung der Zielrabatte zugrunde gelegte Bezugszeitraum April bis September 1993 vor der Einführung neuer Zuckermarken durch die mit der Klägerin konkurrierenden Zuckerverpacker im Sommer 1993 (Randnr. 152) begonnen hat. Die Wahl dieses Zeitraums bedeutete, wie die Kommission erläutert hat, daß "die Mengenrabatte, die [die Klägerin] im Frühjahr 1994 und im Oktober 1994 aufgrund von Käufen im Sommer davor gewährte, eng mit dem Gesamtbedarf an Einzelhandelszucker des Abnehmers verbunden gewesen sein [müssen]" (Randnr. 152).

214 Eine solche Einräumung von Zielrabatten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung, die sich nach dessen eigenem Verständnis unmittelbar u. a. dahin ausgewirkt hat, daß Lagerbestände gebildet und gleichzeitig die Einkäufe reduziert wurden (Randnr. 80 der angefochtenen Entscheidung), beeinträchtigt die normale Entwicklung des Wettbewerbs (Randnr. 152 und Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe i) und ist mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Sie beruht nicht auf einer diesen Vorteil rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung, sondern soll dem Kunden die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich machen oder erschweren und den Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehren (vgl. die in Randnr. 114 dieses Urteils zitierte Rechtsprechung).

215 Was zweitens die selektiv gewährten Zielrabatte betrifft, so bringt die Klägerin vor, die der großen Einzelhandelskette (...) angebotenen Rabatte seien ein Wachstumsimpuls in Form eines Rabatts von (...) % auf Einkäufe für 1995 unter der Bedingung einer Steigerung von 300 Tonnen jährlich gewesen (Randnr. 82 der angefochtenen Entscheidung). Dieser Rabatt habe nicht die Wirkung gehabt, (...) an sie zu binden und die Käufe von (...) bei Burcom zu reduzieren. Das Dokument von Greencore vom Juni 1994, das in der angefochtenen Entscheidung insoweit als Beweismittel angeführt werde, beweise keineswegs, daß der Rabatt an (...) zu einer Verringerung der Einkäufe von (...) bei Burcom geführt habe. Tatsächlich habe dieser Rabatt keine Auswirkung auf die Verkäufe von Burcom an (...) haben können, weil Burcom vor dessen Einräumung seine Tätigkeit eingestellt habe. Außerdem habe (...) seine Politik nicht aufgegeben, sich zu gleichen Anteilen mit Siucra- und mit (...)-Zucker einzudecken. (...) habe nämlich einer Strategie globalen Wachstums seiner Zuckerverkäufe den Vorzug gegeben und zugleich seine Politik des Einkaufs von Siucra- und (...)-Zucker beibehalten.

216 Ferner sei die Behauptung, daß der Großhandelskonzern (...) ein wichtiger Kunde von Gem Pack sei (Randnr. 151 der angefochtenen Entscheidung) durch keinerlei Beweis belegt. Folglich sei auch, soweit es Gem Pack betreffe, die Behauptung unzutreffend, daß die Zielrabatte für bestimmte Kunden konkurrierender Zuckerverpacker in den Jahren 1994 und 1995 Teil einer Politik gewesen seien, die Entwicklung des Wettbewerbs durch einheimische Zuckerverpacker einzuschränken (Randnr. 154). Gleiches gelte auch für Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe ii der angefochtenen Entscheidung.

217 Zunächst ist festzustellen, daß die Klägerin den diskriminierenden und selektiven Charakter der Zielrabatte, die sie im Frühjahr und im Oktober 1994 Großhändlern gewährte, die ihr auf dem Markt für Einzelhandelszucker Zucker abgenommen hatten, nicht in Abrede stellt, wie auch die Kommission in den Randnummern 82 und 154 der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben hat.

218 Was sodann den diskriminierenden und selektiven Charakter der Zielrabatte für bestimmte Kunden konkurrierender Zuckerverpacker betrifft, so steht zum einen fest, daß die Klägerin die Einräumung eines Rabatts von (...) % im Dezember 1994 an (...) aufgrund des Umfangs ihrer Käufe im Jahre 1995 ebenfalls nicht bestreitet. Sie bestreitet lediglich, daß sie (...) damit habe an sich binden wollen, weil deren Politik darauf gerichtet gewesen sei, ihre Zuckerverkäufe allgemein zu steigern und zugleich eine anteilige Versorgung mit Siucra- und mit (...)-Zucker beizubehalten. Damit aber belegt die Klägerin keineswegs, daß die Einräumung dieses Rabatts wirtschaftlich objektiv gerechtfertigt gewesen wäre. Sie versucht lediglich, ihre Initiative im Hinblick auf die angeblichen Besonderheiten der Strategie ihres Kunden zu rechtfertigen.

219 Dem Unternehmensplan von Greencore vom Juni 1994, zitiert in Randnummer 82 der angefochtenen Entscheidung, ist zu entnehmen, daß (...) bei der Klägerin ebensoviel Zucker der Marke Siucra einkaufte wie markenlosen Zucker, den sie dann unter der Marke (...) in ihrem Sortiment anbot. Jedoch bestand die Hälfte der von (...) verkauften (...)-Pakete aus Zucker der Klägerin und die andere Hälfte aus von Burcom geliefertem Zucker. Dem Dokument ist weiter zu entnehmen, daß (...) zum Zeitpunkt seiner Abfassung Siucra-Zucker und (...)-Zucker den gleichen Ladenraum einräumte. So heißt es dort (S. 19 des Dokuments in Anhang 4 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte):

"Im November 1993 hat (...) von Burcom gelieferten Zucker unter der Marke (...) lanciert, ihn aber in der Woche zurückgezogen. Im April haben sie die Marke (...) herausgebracht, die zur Hälfte von Burcom und zur Hälfte von uns stammt [...] (...) ist entschlossen, (...) durchzusetzen. Die anderen scheinen lediglich auf (...) zu reagieren. (...) räumt den Marken (...) und Siucra den gleichen Ladenraum ein und wendet im Augenblick einen Preisunterschied von (...) je Kilo (...) an."

220 Die Klägerin hat nicht angegeben, auf welche Dokumente sich ihre Behauptung stützt, die Politik von (...) sei darauf gerichtet gewesen, die Gesamtmenge ihre Zuckerverkäufe zu erhöhen und zugleich die Aufteilung ihres Bezugs von Siucra- und von (...)-Zucker beizubehalten. Diese Behauptung wird durch den Unternehmensplan von Greencore vom Juni 1994, dessen wichtigster Auszug in Randnummer 219 dieses Urteils wiedergegeben ist, nicht gestützt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß dieses Dokument zeitlich vor der Einräumung des Rabatts vom Dezember 1994 liegt, der in dem unternehmensinternen Vermerk vom 15. Dezember 1994 festgehalten ist (Randnr. 82 der angefochtenen Entscheidung).

221 Unter diesen Umständen kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, mit ihrer Feststellung, daß "[b]ei Zunahme der Siucra-Käufe von (...)...das wohl zu rückläufigen Käufen der Marke (...) in 1-kg-Packungen, dem Erzeugnis, bei dem Burcom als Lieferer konkurrierte, [führen würde]" (Randnr. 82 a. E. der angefochtenen Entscheidung), und daß "der Rabatt wahrscheinlich bewirkte, (...) an [die Klägerin] zu binden" (Randnr. 151 a. E.), die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweismittel fehlerhaft gewürdigt oder ausgelegt zu haben. Nach der Rechtsprechung (siehe Randnr. 114 dieses Urteils) ist aber ein solches Gebaren mißbräuchlich im Sinne von Artikel 86 des Vertrages, weil es Kunden durch Gewährung eines finanziellen Vorteils davon abhalten soll, sich von Konkurrenten beliefern lassen.

222 Daß Burcom den Handel vor Einräumung des Rabatts von (...) % an (...) im Dezember 1994 eingestellt hat, was zwischen den Parteien unstreitig ist, ändert an dieser Feststellung nichts. Die Kommission hat nämlich anhand des eigenen Rabattverzeichnisses der Klägerin belegt, daß die Einräumung des Rabatts spätestens am 8. Dezember 1994 beschlossen wurde, also vor Einstellung der Tätigkeit von Burcom am 14. Dezember 1994 (Randnrn. 83 und 151 a. E. der angefochtenen Entscheidung) und damit zu einer Zeit, als Burcom und die Klägerin noch miteinander im Wettbewerb standen. Außerdem hat die Klägerin diesen Hinweis auf ihr Rabattverzeichnis in der angefochtenen Entscheidung nicht beanstandet.

223 Zum anderen bestreitet die Klägerin die Einräumung eines Zielrabatts an (...) im Jahre 1995, wie er in der angefochtenen Entscheidung beschrieben wird, ebenfalls nicht. Sie äußert lediglich Zweifel bezüglich der Gesichtspunkte, die die Kommission annehmen lassen, (...) sei ein Hauptabnehmer von Gem Pack (Randnr. 151 a. E. der angefochtenen Entscheidung), einem mit der Klägerin im Wettbewerb stehenden Zuckerverpacker.

224 Die Kommission hat in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts die Kopie eines Schreibens der Geschäftsführung von Gem Pack vom 16. März 1995 vorgelegt, in dem Gem Pack mehrfach die Bedeutung betont, die (...) in ihren Augen als Kunden zukam. Die Klägerin hat gegen die Vorlage dieses Schreibens keinen Einwand erhoben und seinen Inhalt in der Sitzung nicht bestritten. Die Kommission hat daher zu Recht in der angefochtenen Entscheidung die Feststellung getroffen, daß (...) ein Hauptabnehmer von Gem Pack war, und daraus geschlossen, daß die Gewährung eines Zielrabatts durch die Klägerin an (...) deren andere Zuckerlieferanten, darunter Gem Pack, benachteiligte, was einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 des Vertrages darstellt (vgl. die in Randnr. 114 dieses Urteils zitierte Rechtsprechung).

225 Demgemäß ist das Vorbringen der Klägerin zu den in Artikel 1 Nummer 6 Buchstaben i und ii der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zielrabatten und selektiven Preisen zurückzuweisen.

Zum Produktaustausch auf dem Markt für Einzelhandelszucker

226 Nach der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1 Nummer 2) hat die Klägerin "1988...mit einem Großhändler und mit einem Einzelhändler vereinbart, konkurrierende Einzelhandelszuckererzeugnisse, d. h. Zucker der Marke Eurolux, in 1-Kilo-Packungen der Compagnie Française de sucrerie, gegen [ihren] eigenen Zucker auszutauschen". Nach der Einführung von Kilo-Packungen Zucker der Marke Eurolux auf dem irischen Markt für Einzelhandelszucker durch ASI im Jahre 1988 habe SDL reagiert und ADM mit der Drohung, den ihr bis dahin von der Klägerin eingeräumten Bonus zu entziehen, vorgeschlagen, die noch nicht verkauften Mengen Eurolux-Zucker wenige Tage nach ihrer Aufnahme in das Sortiment von ADM im April 1988 zu übernehmen (Randnrn. 46 bis 49). Gleiche Maßnahmen seien in noch kürzerer Frist im Mai 1988 gegenüber dem Spar-Einzelhändler Kelly's Supermarkt getroffen worden (Randnrn. 46, 47, 48, 50 und 51). Die Kommission führt hierzu aus, daß "die Klägerin, obwohl die Maßnahmen für den Produktaustausch von SDL getroffen wurden, von ASI über deren Schwierigkeiten informiert wurde" (Randnr. 52), und verweist auf ein Schreiben des Direktors von ASI an den der Klägerin vom 18. Juli 1988. Sie weist ferner darauf hin, daß diese Praktiken vom Director of Consumer Affairs and Fair Trade vor den irischen High Court gebracht wurden (Randnrn. 48 und 53). Abschließend stellt die Kommission hierzu fest:

"Der Produktaustausch durch ein beherrschendes Unternehmen stellt einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 dar, sofern die Einschränkung oder Ausschaltung des Wettbewerbs durch einen neuen Marktteilnehmer bezweckt oder bewirkt wird. Dies ist hier der Fall. Tatsächlich führt der Produktaustausch zu einer Konsolidierung der gemeinsamen Marktstellung...[der Klägerin] und [von] SDL mit einer Quasimonopolisierung des Zuckerangebots im Markt" (Randnr. 126).

227 Die Klägerin bringt vor, das Scheitern der Vermarktung von Eurolux-Zucker in Irland sei auf die Ablehnung der Verbraucher zurückzuführen. Der Einzelhändler Kelly etwa habe erklärt, daß Eurolux-Zucker sich trotz seines günstigeren Preises schlecht verkaufe. Auch ASI habe ein Jahr benötigt, um seinen Bestand von 500 Tonnen Zucker in Einzelhandelspackungen abzusetzen. Sie habe ihre Kunden nicht für den Fall des Verkaufs von Eurolux-Zucker mit finanziellen Folgen gedroht. Außerdem habe die Zuckermenge, um die es bei diesen Austauschvorgängen gegangen sei, keinerlei Einfluß auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt.

228 Der von der Klägerin vorgebrachten Erklärung für das Scheitern der Vermarktung des Zuckers der Marke Eurolux kann, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat (Randnr. 125), nicht gefolgt werden. Insoweit ist auf den Inhalt der Unterredung zwischen dem Handelsdirektor von SDL und dem Generaldirektor von ADM hinzuweisen, von der in der Zeugenaussage des Beamten des irischen Amtes für Verbraucherfragen und Wettbewerb vor dem irischen High Court gesprochen wird (Randnr. 49). SDL hat ADM mitgeteilt, daß sie ihren Bonus verlieren werde, wenn die gekauften Mengen zurückgingen, und, nachdem sie erfahren hatte, daß diese noch bedeutende Mengen unverkauft auf Lager halte, ihr vorgeschlagen, die noch in ihrem Besitz befindlichen Mengen Eurolux-Zucker zu übernehmen. Ferner ist auf die ungewöhnlich kurzen Zeitspannen hinzuweisen, in denen in den beiden konkreten in der angefochtenen Entscheidung angeführten Fällen der Eurolux-Zucker unabhängig davon ausgetauscht wurde, ob die Initiative zum Austausch von SDL (im Fall von ADM) oder - nach Darstellung der Klägerin - vom Einzelhändler selbst (im Fall Kelly) ausging, d. h. weniger als sieben Tage (zwischen dem 15. und dem 22. April 1988) im ersten und weniger als zwei Stunden im zweiten Fall. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die Klägerin oder SDL tatsächlich die Initiative für den Produktaustausch mit dem Einzelhändler Kelly ergriffen haben, da die Kommission der Klägerin lediglich vorwirft, daß sie "mit einem Großhändler und einem Einzelhändler vereinbarte, ihren eigenen Zucker gegen Eurolux-Zucker auszutauschen" (Randnr. 124 der angefochtenen Entscheidung), nicht aber, die Initiative für diese beiden Tauschvorgänge ergriffen zu haben.

229 Die Klägerin kann sich aber auch aus den gleichen Gründen, wie sie in den Randnummern 200 und 201 dieses Urteils dargelegt wurden, nicht auf die Menge des bei den beiden in der angefochtenen Entscheidung genannten Vorgängen ausgetauschten Zuckers berufen, um daraus abzuleiten, daß diese Vorgänge den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht hätten beeinträchtigen können.

230 Außerdem hat die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße die geringe Menge des bei den beiden Vorgängen ausgetauschten Zuckers berücksichtigt (Randnr. 167, zweiter Absatz, erster Gedankenstrich, der angefochtenen Entscheidung).

231 Außerdem ist die Klägerin dem Hinweis auf die Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EG-Vertrag (IV/31.043 - Tetra Pak II) (ABl. 1992, L 72, S. 1, Randnr. 165) in Fußnote 88 der Randnummer 126 der angefochtenen Entscheidung nicht entgegengetreten, wonach der Produktaustausch durch ein marktbeherrschendes Unternehmen einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 darstellt, sofern die Einschränkung oder Ausschaltung des Wettbewerbs durch einen neuen Marktteilnehmer bezweckt oder bewirkt wird.

232 Der Gerichtshof hat ebenfalls klargestellt, daß Artikel 86 des Vertrages, indem er die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Markt verbietet, soweit sie dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, sowohl auf Praktiken abzielt, durch die die Verbraucher unmittelbar geschädigt werden können, als auch auf Verhaltensweisen, die sie mittelbar dadurch benachteiligen, daß sie einen Zustand wirksamen Wettbewerbs beeinträchtigen (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 125).

233 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin dadurch, daß sie unter den genannten Umständen Waren ausgetauscht hat, die auf einem Markt konkurrierten, auf dem sie einen Anteil von mehr als 80 % des Absatzes hatte, die Wettbewerbsstruktur beeinträchtigt, die sich auf dem irischen Einzelhandelszuckermarkt infolge des Marktzugangs einer neuen Ware, des Zuckers der Marke Eurolux, hätte herausbilden können.

234 Demzufolge ist das Vorbringen der Klägerin zu dem in Artikel 1 Nummer 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Austausch von Zucker der Marke Eurolux zurückzuweisen.

235 Somit sind der dritte und der vierte Klagegrund des Hauptantrags sowie dieser selbst zurückzuweisen, soweit er nicht auf die Nichtigerklärung von Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung insoweit gerichtet ist, als dort festgestellt wird, daß die Klägerin dadurch gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßen hat, daß sie in den Jahren 1986 bis 1988 Kunden von ASI selektiv niedrige Preise angeboten hat (siehe Randnr. 124 dieses Urteils).

Zu den Hilfsanträgen

236 Zur Stützung ihrer Hilfsanträge, die zum einen auf die Herabsetzung der ihr in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße, zum anderen auf die Nichtigerklärung von Artikel 3 Absätze 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung gerichtet sind, macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend, mit denen eine Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 und von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 gerügt wird.

1. Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17

237 Mit ihrem ersten Klagegrund, Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, macht die Klägerin erstens geltend, daß die ihr gemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung auferlegte Geldbuße überhöht sei, zweitens, daß damit Verstöße geahndet würden, die nicht ordnungsgemäß nachgewiesen worden seien, drittens, daß sie seit 1985 keine fortgesetzte und globale Politik mißbräuchlicher Verhaltensweisen betrieben habe, viertens, daß die Kommission ihre Pflicht zu zügiger Sachbehandlung verletzt habe, indem sie nicht für einen Abschluß der vorliegenden Sache in einem vernünftigen Zeitraum Sorge getragen habe, und fünftens, daß die Kommission der Neuheit des Begriffes des Mißbrauchs einer kollektiven beherrschenden Stellung zur damaligen Zeit nicht Rechnung getragen habe.

Zum Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit der verhängten Geldbuße

238 In Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung wird gegen die Klägerin für die in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlungen eine Geldbuße von 8 800 000 ECU festgesetzt. In den Randnummern 163 bis 167 der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 die Kriterien für die Ermittlung der Höhe der Geldbuße dar.

239 Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Betrag der Geldbuße, der 6,8 % ihres in Irland erzielten Umsatzes entspreche, weder mit der Praxis im Agrarbereich noch mit der im Industriesektor im Einklang stehe.

240 Zum einen zeichne sich die Festsetzung von Geldbußen durch die Kommission im Agrarbereich allgemein durch eine gewisse Mäßigung aus (vgl. Entscheidungen 86/596/EWG vom 26. November 1986 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.204 - MELDOC] [ABl. L 348, S. 50], Napier Brown/British Sugar, und 88/587/EWG vom 28. Oktober 1988 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/B-2/31.424 - Hudson's Bay/Dansk Pelsdyravlerforening] [ABl. L 316, S. 43]). Diese Mäßigung sei durch die Rechtsprechung inspiriert und bestätigt worden, wonach die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße namentlich dem normativen und wirtschaftlichen Zusammenhang der beanstandeten Zuwiderhandlung Rechnung tragen müsse und das Verhalten der Unternehmen mit Rücksicht auf die gemeinsame Marktorganisation für Zucker nicht mit der üblichen Strenge beurteilen dürfe (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 612, 613, 619 und 620). Im vorliegenden Fall habe die Kommission die kollektive Marktorganisation für Zucker bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße nicht als Faktor berücksichtigt (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem hätte es die Kommission, wie die Klägerin in ihrer Erwiderung hinzufügt, besonders begründen müssen, wenn sie von dieser Rechtsprechung abweichen wollte. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes im Urteil Suiker Unie u. a./Kommission bleibe weiterhin gültig, da sie im Urteil Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing, Randnr. 32, bestätigt worden sei. Auch Generalanwalt Cosmas habe sie in seinen Schlußanträgen vom 15. Juli 1997 in der Rechtssache C-235/92 P (Montecatini/Kommission, Slg. 1999, I-4539, I-4544, Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999) nicht in Zweifel gezogen.

241 Zum anderen stelle für den Industriesektor das Vorliegen einer strukturellen Überkapazität in den Augen der Kommission normalerweise einen mildernden Umstand dar, der sie die Höhe der Geldbuße auf etwa 2,5 % des maßgeblichen Umsatzes festsetzen lasse (vgl. Entscheidungen 89/191/EWG vom 21. Dezember 1988 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.866 - PEBD] [ABl. L 74, S. 21], 89/515/EWG vom 2. August 1989 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [IV/31.553 - Treillis soudés] [ABl. L 260, S. 1], und 94/599/EG vom 27. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag [IV/31.865 - PVC] [ABl. L 239, S. 14]; Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnrn. 180 und 185).

242 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, es gebe kein geeigneteres Kriterium als die frühere Praxis oder einen allgemeinen Tarif, um die Rechtmäßigkeit der der Kommission in den Verordnungen zugestandenen Bewegungsfreiheit bei der Festsetzung der Geldbußen zu beurteilen; alles andere wäre willkürlich. Die Kommission lege geringen Wert auf die Leitlinien für die Bemessung der gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 65 Absatz 5 des EGKS-Vertrages verhängten Geldbußen, die sie unlängst der Öffentlichkeit vorgestellt habe (ABl. 1998, C 9, S. 3).

243 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen darf. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße innerhalb dieser Grenzen sind nach dieser Vorschrift die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil Tréfileurope/Kommission, Randnr. 183). Bei der Prüfung der Schwere der Zuwiderhandlung ist insbesondere dem normativen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem die beanstandete Verhaltensweise steht, der Art der Wettbewerbsbeschränkungen sowie der Zahl und der Bedeutung der betroffenen Unternehmen Rechnung zu tragen (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 612).

244 Im vorliegenden Fall rügt die Klägerin nicht, daß die Kommission die ihr in Artikel 15 Absatz 2 vorgegebenen Grenzen nicht eingehalten habe, wohl aber ihre Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere in Randnummer 167, zweiter Absatz, erster bis vierter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission führt dort vier bei der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigte Faktoren an: das Ziel des Mißbrauchs, jegliche Form von Wettbewerb schwerwiegend zu beeinträchtigen oder sogar auszuschalten, die Bedeutung des Zuckers als wichtige Zutat in der Lebensmittelindustrie und für den Verbrauch der Haushalte, den wirksamen Schutz des Inlandsmarkts durch die Klägerin und die von der Klägerin durchgesetzte Beibehaltung besonders hoher Preise ab Werk und im Einzelhandel.

245 Ferner ist zu beachten, daß die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109). Die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen gehört zu den Befugnissen, die sie in die Lage versetzen sollen, die ihr durch das Gemeinschaftsrecht übertragene Überwachungsaufgabe zu erfuellen. Diese Aufgabe umfaßt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes gewiß die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden, aber auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken. Daher muß die Kommission bei der Beurteilung der Schwere eines Rechtsverstoßes nicht nur die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auch den Kontext der Zuwiderhandlung berücksichtigen und sicherstellen, daß ihr Vorgehen vor allem bei solchen Zuwiderhandlungen, die die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft besonders beeinträchtigen, die notwendige abschreckende Wirkung hat (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 105 und 106).

246 Schließlich ist zu beachten, daß die Kommission, da die Geldbußen ein Instrument ihrer Wettbewerbspolitik darstellen, bei ihrer Festsetzung eines Ermessens bedarf, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 53).

247 Das Vorbringen der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Analyse der Entscheidungspraxis der Kommission kann daher als solches die Rechtmäßigkeit von Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen.

248 Im übrigen ist entgegen der Darlegung der Klägerin der Rechtsprechung nicht zu entnehmen, daß die gemeinsame Marktorganisation für Zucker im vorliegenden Fall einen besonderen normativen und wirtschaftlichen Zusammenhang bildet, der als mildernder Umstand bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen wäre.

249 Zwar wird der normative und wirtschaftliche Zusammenhang, in dem die der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen begangen wurden, unbestreitbar durch die Wirkung der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker geprägt; die mißbräuchlichen Verhaltensweisen der Klägerin stellen aber im vorliegenden Fall, anders als dies bei dem Sachverhalt der Fall war, der dem Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 613 bis 621, zugrunde lag, keine praktisch unvermeidbaren Folgen des Funktionierens dieser gemeinsamen Marktorganisation für Zucker dar.

250 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung zum einen Praktiken festgestellt, mit denen auf Einfuhren oder Einfuhrversuche auf dem von der Klägerin beherrschten Markt reagiert werden sollte, und zum anderen Praktiken, mit denen die Klägerin ihre Position als einziger Zuckerhersteller in Irland nutzte, um den Wettbewerb anderer Wirtschaftsteilnehmer einzuschränken und so einen hohen Endverkaufspreis aufrechtzuerhalten. Damit hat also die Klägerin dafür gesorgt, den verbliebenen geringen Restwettbewerb auf den betreffenden Märkten weiter zu verringern. Außerdem hat sie aus ihrer Stellung als einziger Zuckererzeuger in Irland sowie aus dem Umstand Nutzen gezogen, daß ihr die gesamte Produktionsquote zur Verfügung stand, die Irland im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker zugeteilt worden war. Alle diese tatsächlichen Umstände unterscheiden die Situation der Klägerin von der der Unternehmen in der Rechtssache Suiker Unie u. a./Kommission. Die gemeinsame Marktorganisation für Zucker kann also im vorliegenden Fall nicht die gleiche Auswirkung auf die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen der Klägerin haben.

251 Außerdem weist die Kommission zu Recht darauf hin, daß die privilegierte Stellung Irlands im Rahmen dieser gemeinsamen Marktorganisation für Zucker das Ziel hatte, Zuckereinfuhren nach Irland zu fördern, das, ob nun zu Recht oder zu Unrecht, als Zuschußgebiet betrachtet wurde (Randnr. 144 der angefochtenen Entscheidung). Das Verhalten der Klägerin stellt daher ein Hindernis für die Verwirklichung der Ziele dieser gemeinsamen Marktorganisation für Zucker dar, in deren Rahmen die Zuckererzeuger bereits bestimmte Vorteile genießen wie etwa die Festlegung eines garantierten Interventionspreises oder Ausfuhrerstattungen, wenn sie zu Preisen unterhalb dieses garantierten Interventionspreises aus der Gemeinschaft exportieren.

252 Da die gemeinsame Marktorganisation für Zucker nach Meinung der Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen nicht zu berücksichtigen war, kann es nicht als Beispiel für eine unzureichende Begründung der Entscheidung in diesem Punkt angesehen werden, daß sie unter den in Randnummer 167, zweiter Absatz, der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Faktoren nicht erwähnt wird. Die Klägerin hat nämlich in keiner Weise belegt, daß die Kommission, wenn sie wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln auf dem Zuckermarkt eine Geldbuße verhängt, notwendig verpflichtet wäre, ihre Einschätzung der Schwere der Zuwiderhandlung vor dem Hintergrund des Urteils Suiker Unie u. a./Kommission, zu begründen.

253 Außerdem hat die Kommission ausdrücklich unterstrichen, daß das Verhalten der Klägerin auf ihrem Markt eine Verfälschung des Gemeinsamen Marktes bewirkt hat (Randnr. 167, dritter Absatz, dritter Gedankenstrich, der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat im übrigen in dem Abschnitt, der der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung gewidmet ist, die verschiedenen Merkmale des Marktes und des betreffenden Erzeugnisses festgehalten und damit die Zuwiderhandlungen der Klägerin in ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang gestellt, auf ihre offensichtlich gegen die Ziele des Gemeinsamen Marktes verstoßenden Folgen hingewiesen und berücksichtigt, daß Zucker eine wichtige Zutat in der Industrie und ein Massenkonsumgut ist (vgl. in diesem Sinne Urteil United Brands/Kommission, Randnr. 290).

254 Übrigens lassen die Abschnitte des Urteils Tréfileurope/Kommission, die die Klägerin anführt, um zu belegen, daß bei der Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen des Agrarsektors eine geringere Strenge obwalte, entgegen ihrer Behauptung einen solchen Grundsatz nicht erkennen. Aus der bloßen Zugehörigkeit der Tätigkeiten der Klägerin zum Agrarsektor kann mithin kein mildernder Umstand abgeleitet werden.

255 Die Klägerin kann ebenfalls nicht mit der in der Sitzung vorgebrachten Behauptung gehört werden, sie sei bei der Bemessung der Geldbuße im Vergleich zur Behandlung des Unternehmens, an das die Entscheidung 98/538/EG der Kommission vom 17. Juni 1998 in einem Verfahren nach Artikel 86 EG-Vertrag (IV/36.010-F3 - Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato) (ABl. L 252, S. 47) gerichtet worden sei, diskriminiert worden. Sie hat sich darauf berufen, daß in dieser Sache der Grundbetrag der Geldbuße wegen der angeblich geringen Schwere der betreffenden Zuwiderhandlung und ihrer beschränkten Wirkung auf dem Markt nur eines einzigen Mitgliedstaats mit dem Mindestsatz festgelegt worden sei. Den Ausführungen dieser Entscheidung zur Schwere der Zuwiderhandlung (Randnrn. 63 bis 71) läßt sich indessen entnehmen, daß die konkrete Wirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt verhältnismäßig geringfügig und auf einen Mitgliedstaat beschränkt geblieben war, daß aber die Zuwiderhandlung selbst ihrer Natur und ihrem Zweck nach besonders wettbewerbswidrig war, so daß von einer schweren Zuwiderhandlung auszugehen war. Allein aufgrund der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung wurde in dieser Sache der Betrag der Geldbuße auf 3 000 000 ECU festgesetzt. Dieser Betrag wurde sodann wegen der mit sieben Jahren anzusetzenden Dauer der Zuwiderhandlung verdoppelt und auf 6 000 000 ECU festgesetzt. Außerdem läßt sich aufgrund der Angaben in dieser Entscheidung nicht ermitteln, welchem Umsatz des betreffenden Unternehmens die gegen es verhängte Geldbuße entsprach. Ohne solche Angaben lassen sich aber die Beträge der Geldbußen, die in jener und in der vorliegenden Sache verhängt wurden, nicht miteinander vergleichen.

256 Der erste Teil dieses ersten Klagegrundes im Rahmen der Hilfsanträge ist daher zurückzuweisen.

Zum Vorwurf der Ahndung nicht nachgewiesener Zuwiderhandlungen

257 Im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes bestreitet die Klägerin erneut das Vorliegen bestimmter Zuwiderhandlungen, nämlich der selektiv niedrigen Preise, der Grenzrabatte, der Vorgänge des Produktaustauschs und des Treuerabatts, und hält daher ihre Ahndung für ungerechtfertigt.

258 Anders als der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung (Artikel 1) führten weder die Mitteilung der Beschwerdepunkte noch die Begründung der angefochtenen Entscheidung die Zubilligung selektiv niedriger Preise an Kunden eines französischen Importeurs im Jahre 1986 als eine der mit einer Geldbuße zu ahndenden Zuwiderhandlungen an. Die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wegen Festsetzung selektiver Preise betreffe nur den Zeitraum seit 1993, was sie in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt habe, ohne im Verwaltungsverfahren in diesem Punkt Widerspruch seitens der Kommission zu erfahren.

259 Wie bereits dargelegt (siehe Randnr. 124 dieses Urteils), hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß die Klägerin in den Jahren 1986 bis 1988 Kunden eines französischen Importeurs selektiv niedrige Preise zugebilligt hätte (Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung).

260 Das Gericht hat gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbuße festgesetzt ist, die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne von Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und kann insbesondere eine Geldbuße aufheben oder herabsetzen (vgl. Urteile vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, Randnr. 235, und Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 230).

261 Folglich ist der Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße herabzusetzen.

262 Die Klägerin macht zweitens geltend, daß in der angefochtenen Entscheidung eine Geldbuße wegen angeblicher Grenzrabatte gegen sie verhängt werde, die sie zwischen 1986 und 1988 gewährt haben solle, obwohl die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Beweismittel einen Zeitraum zwischen April 1986 und Juli 1987 beträfen. Nach der Darstellung in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 167) seien diese Rabatte sämtlich zu ganz bestimmten Zeitpunkten zwischen 1986 und 1988 gewährt worden. Sie alle seien daher mit Ausnahme derjenigen, die während einiger Wochen zwischen dem 23. Mai 1987 und Juli 1987 gewährt worden seien, gemäß Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) verjährt.

263 Wie bereits festgestellt worden ist (siehe Randnrn. 173 bis 193 dieses Urteils), belegen die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel, daß bis Juli 1987 Grenzrabatte eingeräumt wurden und daß ihr Einsatz bei entsprechender Notwendigkeit in der Zukunft ins Auge gefaßt war. Das Vorbringen der Klägerin ist aber auf jeden Fall zurückzuweisen, weil die betreffenden Grenzrabatte eine fortgesetzte Zuwiderhandlung von 1986 bis 1988 darstellen. Dem Versuch der Klägerin, zwischen den vor und den nach dem 23. Mai 1987 eingeräumten Grenzrabatten zu unterscheiden, um so den Eintritt der Verfolgungsverjährung feststellen zu lassen, kann kein Erfolg beschieden sein. Der für die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 2988/74 vom 26. November 1974 maßgebende Zeitpunkt ist der 27. September 1985. Es handelt sich nämlich um den Zeitpunkt des Beginns der Fünfjahresfrist, die der ersten Untersuchungshandlung der Kommission vorausgeht (Randnr. 165 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat aber in Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung keine vor diesem Zeitpunkt liegende Handlung der Klägerin geahndet.

264 Die Klägerin bringt drittens die Argumente, die sie bereits im Rahmen des vierten Klagegrundes zu ihrem Hauptantrag entwickelt hat, erneut vor, um damit die wegen des Produktaustauschs und der Treuerabatte verhängte Geldbuße zu bekämpfen.

265 Wie jedoch bereits entschieden worden ist, kann das Vorbringen der Klägerin die Rechtmäßigkeit von Artikel 1 Nummern 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen, so daß es als solches auch die Rechtmäßigkeit von Artikel 2 nicht berühren kann.

Zur Durchführung einer fortgesetzten und umfassenden Politik mißbräuchlicher Verhaltensweisen durch die Klägerin seit 1985

266 Die Klägerin macht zunächst geltend, daß zwar ihre Tätigkeiten in Irland unter Berücksichtigung ihrer Situation innerhalb der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker als Versuch des Schutzes dieser Position gewertet werden könnten (Randnr. 156 und Artikel 1der angefochtenen Entscheidung), sie dürften indessen nicht als Teil einer Politik bezeichnet werden, mit der bezweckt worden sei, jede Form des Wettbewerbs auf den betreffenden Märkten schwer zu beeinträchtigen oder auszuschalten. Mit dieser Einschätzung des Verhaltens der Klägerin habe die Kommission auch nicht die Wirkung ihrer Privatisierung im Jahre 1991, insbesondere im Gefolge der bei ihr durchgeführten gründlichen Untersuchungen, die gegen sie angestrengten Gerichtsverfahren sowie die Erneuerung ihrer Führungskräfte nicht berücksichtigt. Dieser Bruch in ihrer Geschäftsführung lasse es nicht zu, daß ihr für den streitigen Zeitpunkt die Absicht unterstellt werde, ihre beherrschende Stellung andauernd und umfassend zu mißbrauchen.

267 Außerdem seien 1991, noch bevor die Kommission im Rahmen des Verwaltungsverfahrens IV/33.705 ihre ersten Beanstandungen erhoben habe, Korrekturentscheidungen getroffen worden, die insbesondere in einem Prospekt vom 6. April 1991 enthalten seien. Der Kommission sei daher vorzuwerfen, daß sie in der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 167) festgestellt habe, daß die Veröffentlichung dieses Dokuments Mißbräuche bei den Preisen nicht verhindert habe. Die Kommission habe nämlich bereits bei ihrer ersten Durchsuchung in Dublin im Jahre 1991 Kenntnis von diesem Ausfuhrrabattsystem erlangt und seinerzeit nicht dessen Abschaffung verlangt.

268 Die Klägerin widerspricht schließlich der Behauptung der Kommission, sie habe erst im Sommer 1994 von der Einräumung der PFA erfahren, und verweist auf den Inhalt mehrerer Dokumente, die die Kommission während des Verwaltungsverfahrens in ihren Geschäftsräumen beschlagnahmt und der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 22. April 1993 im Anhang beigefügt habe (Dokumente IV/33705/1221, 1335, 1410, 1459, 1757 und 1762). Außerdem seien von den Inspektoren der Kommission mündliche Auskünfte verlangt worden.

269 Die behaupteten Wirkungen der Privatisierung der Klägerin im Jahre 1991 können nicht belegen, daß die Kommission mit ihrer Einschätzung, die verschiedenen in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Mißbräuche seien Teil einer fortgesetzten und umfassenden Politik der Klägerin während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung gewesen, einen Fehler begangen hätte.

270 Abgesehen davon, daß mehrere dieser Mißbräuche, die nach der Privatisierung der Klägerin im Jahre 1991 begangen wurden, den gleichen Zweck hatten wie diejenigen, die vor dieser Privatisierung lagen, nämlich ihren nationalen Markt abzuschirmen und den dort herrschenden Wettbewerb zu verringern, hat die Klägerin auch ihr System der PFA während des gesamten betreffenden Zeitraums und bis zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung beibehalten (siehe Randnrn. 125 bis 149 dieses Urteils). Sie kann insoweit nicht geltend machen, daß diese Kontinuität zum Teil durch das Fehlen einer Reaktion der Kommission, nachdem diese 1991 von diesem Systems erfahren hatte, gerechtfertigt werde. Trotz der Beanstandung dieser Praktiken in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 25. März 1996 hatte die Klägerin sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung immer noch nicht beendet. Es kommt daher nicht darauf an, den genauen Zeitpunkt zu ermitteln, zu dem die Kommission tatsächlich von der Existenz der PFA erfahren hat.

271 Im übrigen haben die Korrekturentscheidungen der Klägerin im Jahre 1991 nach ihrer Privatisierung, wie die Kommission bemerkt, diese nicht daran gehindert, in der Folge mehrfach gegen Artikel 86 des Vertrages zu verstoßen, indem sie nicht nur die Anwendung ihres Systems der PFA fortgeführt, sondern auch diskriminierende Preise für Industriezucker gegen konkurrierende Zuckerverpacker festgesetzt (Artikel 1 Nummer 5 der angefochtenen Entscheidung) und bestimmten Kunden Zielrabatte und selektive Rabatte für Einzelhandelszucker (Artikel 1 Nummer 6 der angefochtenen Entscheidung) eingeräumt hat.

272 Dieser dritte Teil des ersten Klagegrundes im Rahmen der Hilfsanträge ist daher zurückzuweisen.

Zum Vorwurf, die Kommission habe den Vorgang nicht zügig behandelt

273 Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß die Zergliederung des Verwaltungsverfahrens durch die Kommission, die Zahl der Beamten, die mit dem Vorgang befaßt worden seien, sowie die beträchtliche Dauer des Verwaltungsverfahrens mildernde Umstände seien, die bei der Bemessung der Geldbuße hätten Berücksichtigung finden müssen, um so zu ahnden, daß die Kommission ihre Untersuchung nicht zügig geführt habe (Urteil Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Randnr. 51). Sie wirft der Kommission insbesondere vor, ihre Untersuchungen in übertriebener Weise auf die Rügen im Zusammenhang mit Artikel 85 des Vertrages konzentriert zu haben, die sich spätestens bei den Anhörungen im Oktober 1992 und September 1993 als haltlos erwiesen hätten, und viel zu lange mit ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte im Zusammenhang mit Artikel 86 des Vertrages gewartet zu haben, obwohl ihr der Sachverhalt seit Februar 1991, dem Zeitpunkt der zweiten Durchsuchung, bekannt gewesen sei.

274 Nach einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts habe die Kommission Entscheidungen, mit denen Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik abgeschlossen würden, innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erlassen. Im vorliegenden Fall hätten weder die Komplexität der Sache noch das Verhalten der Klägerin ein Verfahren dieser Länge erfordert. In der Sitzung hat sich die Klägerin ferner auf die im Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P (Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417) aufgestellten Grundsätze berufen.

275 Im übrigen tritt die Klägerin der Behauptung der Kommission entgegen, daß sie im Verwaltungsverfahren Anlaß zum Erlaß einer Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 gegeben habe (Entscheidung C [95] 1837 endg. vom 19. Juli 1995). Diese Entscheidung wiederhole wörtlich frühere Fragen, auf die die Klägerin mit einem Schreiben vom 18. Mai 1995 geantwortet habe (Anhang 5 zur Klageschrift). Der unzureichende Inhalt dieser ersten Antwort, die auf die ihr nicht bewußte Unrichtigkeit bestimmter Auskünfte von dritter Seite zurückzuführen gewesen sei, könne ihr nicht angelastet werden. Die Kommission habe nämlich, statt die Zuverlässigkeit ihrer Quellen zu überprüfen, blind auf diese Auskünfte vertraut und sie, natürlich erfolglos, um Ergänzung ihrer Antwort vom 18. Mai 1995 gebeten, was sie am 8. August und 20. Oktober 1995 auch versucht habe.

276 Nach einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts hat die Kommission Entscheidungen, mit denen Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik abgeschlossen werden, innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu erlassen (Urteil SCK und FNK/Kommission, Randnr. 56). Daher ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall gegen diesen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen hat.

277 Bei der Beurteilung der Gesamtdauer des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung geführt hat, sind zunächst die Zeiträume zu ermitteln, die seit der ersten Untersuchungshandlung der Kommission Berücksichtigung finden müssen. Die Kommission hat nämlich mehrere Verfahren gegen die Klägerin eingeleitet, von denen lediglich das dritte und letzte (siehe Randnrn. 3 bis 7 dieses Urteils) zum Erlaß einer Entscheidung geführt hat, in der Zuwiderhandlungen festgestellt wurden. Die erste Durchsuchung durch die Kommission am Sitz der Klägerin in Dublin hat am 25. September 1990 stattgefunden (Randnr. 165 der angefochtenen Entscheidung). Das Verwaltungsverfahren in der vorliegenden Rechtssache hat also vom 25. September 1990 bis zum 14. Mai 1997, dem Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, und damit ungefähr sechs Jahre und acht Monate gedauert.

278 Ob die Dauer eines Verwaltungsverfahrens angemessen ist, beurteilt sich nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere von dessen Kontext, der Zahl der Abschnitte des von der Kommission durchgeführten Verfahrens, des Verhaltens der Beteiligten im Laufe des Verfahrens und der Komplexität der Angelegenheit (Urteil SCK und FNK/Kommission, Randnr. 57).

279 Im vorliegenden Fall umfaßte das Verwaltungsverfahren zahlreiche Abschnitte, deren Schwerpunkte die Einreichung von Beschwerden (vgl. hierzu Nrn. 1 bis 5 der Klageschrift) und die Prüfung der Einlassung der Klägerin waren. Die ersten Durchsuchungen durch die Kommission am Sitz der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft McKinney 1990 und 1991 im Rahmen einer umfassenderen Untersuchung von gegen Artikel 85 des Vertrages verstoßenden Verhaltensweisen waren Anlaß für die Kommission, am 4. Mai 1992 eine erste Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin zu richten. Dieses erste Verfahren wurde am 2. August 1995 abgeschlossen (siehe Randnr. 3 dieses Urteils). Das zweite Verfahren begann am 22. April 1993 mit der Übersendung einer zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte, die gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages verstoßende Verhaltensweisen betraf. Am 28. Juni 1995 teilte die Kommission der Klägerin den Abschluß dieses, Artikel 85 des Vertrages betreffenden Teils des zweiten Verfahrens mit (siehe Randnr. 4 dieses Urteils). Am 19. Juli 1995 erließ die Kommission eine Entscheidung auf der Grundlage von Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (siehe Randnr. 4 dieses Urteils). Im Januar 1995 setzte die Kommission ihre Untersuchungen an Ort und Stelle fort (siehe Randnr. 5 dieses Urteils). Am 25. März 1996 schließlich hat sie ihr eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt.

280 Auch wenn das Verwaltungsverfahren erst nach langer Dauer abgeschlossen worden ist, hat die Kommission doch während dieses Zeitraums eine Reihe von Rechtsakten erlassen. Die Klägerin wirft auch der Kommission nicht vor, während dieses Zeitraums untätig geblieben zu sein, vielmehr soll sie den Artikel 85 des Vertrages betreffenden Beanstandungen zuviel Zeit gewidmet haben. Die beiden Verfahren, die den gegen Artikel 86 des Vertrages verstoßenden Verhaltensweisen galten (zweites und drittes Verfahren), haben indessen frühestens am 22. April 1993 mit der Übersendung der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte begonnen. Mithin war weniger als die Hälfte der Dauer des Verwaltungsverfahrens ausschließlich Artikel 85 des Vertrages gewidmet.

281 Außerdem kann die Klägerin, wie die Kommission betont, nicht geltend machen, daß die Aufmerksamkeit, mit der die auf eine Verletzung von Artikel 85 des Vertrages gestützten Beanstandungen geprüft worden sind, ihr nachteilig gewesen sei, denn alle diese Beanstandungen wurden fallen gelassen. Die Klägerin hat ferner jedesmal Gelegenheit erhalten, sich zu den gegen sie erhobenen Beanstandungen im Zusammenhang mit Artikel 85 des Vertrages zu äußern. Auf eine Frage des Gerichts hat sie erklärt, sie habe am 11. September 1992 und 1. September 1993 auf die ersten beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte geantwortet und am 6. Oktober 1992 sowie am 21. und 22. September 1993 an Anhörungen teilgenommen.

282 Bei den Beanstandungen im Zusammenhang mit Artikel 86 des Vertrages ist daher als erster Zeitraum derjenige zwischen der Übersendung der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte am 22. April 1993 und der Übersendung der dritten Mitteilung der Beschwerdepunkte am 25. März 1993, d. h. ein Zeitraum von 35 Monaten, zu berücksichtigen. Während dieses Zeitraums hatte die Klägerin aber Gelegenheit, am 1. September 1993 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte zu antworten. Nachdem die Kommission das Vorbringen der Klägerin in ihrer Antwort auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Kenntnis genommen hatte, teilte sie ihr am 28. Juni und 2. August 1995 die Einstellung der beiden Verfahren nach Artikel 85 des Vertrages mit und richtete am 19. Juli 1995 ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an sie. Zwar sind sich die Parteien über die Notwendigkeit dieses Auskunftsverlangens nicht einig, doch lassen die Erläuterungen der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht den Schluß zu, daß sein Erlaß auf einen Fehler der Kommission bei der Bearbeitung des Vorgangs zurückzuführen wäre. Außerdem ist in diesem Zusammenhang die tatsächliche Komplexität der Angelegenheit und der zahlreichen an die Kommission gerichteten Beschwerden zu beachten, die die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat. Der Zeitraum von 35 Monaten zwischen der zweiten und der dritten Mitteilung der Beschwerdepunkte kann daher nicht als unangemessen betrachtet werden.

283 Als letzter Zeitraum ist der zwischen der Übersendung der dritten Mitteilung der Beschwerdepunkte am 25. März 1996 und dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung am 14. Mai 1997 zu berücksichtigen. Während dieses Zeitraums hat die Klägerin am 12. Juli 1996 ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt (siehe Randnr. 6 dieses Urteils). Ein Zeitraum von etwa zehn Monaten für den Erlaß einer abschließenden Entscheidung in sämtlichen Amtssprachen der Gemeinschaft stellt indessen keine Verletzung des Grundsatzes dar, daß ein Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik in angemessener Frist abzuschließen ist (Urteil SCK und FNK/Kommission, Randnr. 66).

284 Die Klägerin kann sich auch nicht auf ihr eigenes Verhalten während des Verwaltungsverfahrens berufen, um dessen lange Dauer zu rügen. Zwar hat sie jedesmal darauf geachtet, innerhalb der ihr vorgegebenen Fristen zu reagieren, doch hatte sie bestimmte mißbräuchliche Verhaltensweisen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgelistet waren (und in Artikel 1 Nummern 4, 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung festgestellt sind), bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung noch nicht abgestellt.

285 Folglich läßt die angefochtene Entscheidung trotz der Gesamtdauer des Verwaltungsverfahrens, das zu ihrem Erlaß geführt hat, angesichts der besonderen Umstände des Falles keine Verletzung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Frist erkennen. Jedenfalls kann sich die Klägerin nicht auf das Urteil Baustahlgewebe/Kommission, berufen, weil die in dieser Rechtssache streitigen Zeiträume die Dauer des Verfahrens vor dem Gemeinschaftsrichter und nicht allein die des Verwaltungsverfahrens betrafen.

286 Demgemäß ist dieser vierte Teil des ersten Klagegrundes im Rahmen der Hilfsanträge zurückzuweisen.

Zur Neuheit des Begriffes des Mißbrauchs einer kollektiven beherrschenden Stellung

287 Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, daß zum Zeitpunkt der im vorliegenden Fall beanstandeten Verhaltensweisen der Begriff der kollektiven beherrschenden Stellung in der Praxis noch nicht angewandt worden sei. Die in Artikel 1 Nummern 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Mißbrauchshandlungen seien nämlich alle nach Erlaß der Entscheidung 89/93/EWG der Kommission vom 7. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag (IV/.31.906, Flachglas) (ABl. L 33, S. 44) begangen worden. Bei der Bemessung der Geldbuße hätte berücksichtigt werden müssen, daß der Begriff der kollektiven beherrschenden Stellung neu gewesen sei (Urteil AKZO/Kommission, Randnr. 163).

288 Dem Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission lasse sich nur entnehmen, daß ein auf die Neuheit eines juristischen Konzepts gestütztes Vorbringen dann keine Berücksichtigung finden könne, wenn das Konzept nicht neu sei. In ihrem Entwurf einer Bekanntmachung (KOM[96] 649 endg.) vom 10. Dezember 1996 über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationssektor habe die Kommission erklärt: "Die Umstände, unter denen eine kollektive beherrschende Stellung vorliegt und mißbräuchlich ausgenutzt wird, wurden von der Rechtsprechung der Gerichte der Gemeinschaft und durch die Verwaltungspraxis der Kommission noch nicht vollständig geklärt; das Recht befindet sich diesbezüglich noch in der Entwicklung".

289 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und macht insbesondere geltend, die angefochtene Entscheidung beruhe in erster Linie auf der Feststellung einer individuellen beherrschenden Stellung der Klägerin und nur hilfsweise auf der Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung.

290 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß dem von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung vertretenen Verständnis der angefochtenen Entscheidung nicht gefolgt werden kann (siehe Randnrn. 25 bis 31 dieses Urteils).

291 Sodann entspricht es zwar ständiger Rechtsprechung, daß bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden kann, daß die Zuwiderhandlungen in einen Rechtsbereich fallen, in dem die Wettbewerbsregeln noch nicht konkretisiert worden sind (Urteil AKZO/Kommission, Randnr. 163) Mehrere Gesichtspunkte sprechen indessen dagegen, daß die Klägerin sich im vorliegenden Fall auf die Neuheit des Begriffes der kollektiven beherrschenden Stellung berufen kann.

292 Zwar war dieser Begriff zur Zeit der verschiedenen Verhaltensweisen der Klägerin und SDL, mit denen sie ihre kollektive beherrschende Stellung mißbraucht haben, d. h. zwischen 1986 und 1988 (Artikel 1 Nummern 1 bis 3), im Wettbewerbsrecht noch nicht anerkannt - die Entscheidung 89/93 stammt vom 7. Dezember 1988 und der Entwurf einer Mitteilung (KOM[96] 649 endg.), aus dem die Klägerin auszugsweise zitiert, vom 10. Dezember 1996. Das Ziel der mißbräuchlichen Praktiken indessen, die der Klägerin und SDL für den Zeitraum vor Februar 1990 vorgeworfen werden, also der Schutz ihrer Marktstellung und die Verhinderung von Zuckereinfuhren in Irland, kann für das Wettbewerbsrecht nicht als neu anerkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 248).

293 Im übrigen zeigt der Inhalt der Notiz vom 21. November 1988 (siehe Randnr. 64 dieses Urteils), wie die Kommission bemerkt, eindeutig, daß sowohl die Klägerin als auch SDL sich der engen wirtschaftlichen Verflechtung miteinander und der Möglichkeit der Koordinierung ihres Marktverhaltens bewußt waren, ganz abgesehen davon, daß der Klägerin der Umfang ihrer Stellung und der von SDL auf beiden betroffenen Märkten bekannt war.

294 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Kommission, wenn sie bei der Bemessung der Geldbuße die angebliche Neuheit des Begriffes der kollektiven beherrschenden Stellung nicht als mildernden Umstand berücksichtigt hat, dadurch nicht gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen hat. Daher ist dieser fünfte Teil des ersten Klagegrundes im Rahmen der Hilfsanträge zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17

295 In Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung gibt die Kommission der Klägerin auf, die in Artikel 1 Nummern 4, 5 und 6 festgestellten Zuwiderhandlungen, soweit noch nicht geschehen, unverzüglich abzustellen und künftig von derartigen Handlungen und Verhaltensweisen abzusehen.

296 Die Klägerin macht zum einen geltend, daß die Anordnung, künftig von der Gewährung von Zielrabatten an Käufer von Einzelhandelszucker abzusehen, wie sie in Artikel 1 Absatz 4 Satz 1 der angefochtenen Entscheidung formuliert sei, gegen Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verstoße, weil sie eine größere Tragweite habe als die in Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe i der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung, auf die sie sich beziehe. Die Kommission habe es nämlich unterlassen, sich auf die Bindungswirkung der betreffenden Rabatte zu beziehen, während Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe i nur solche Zielrabatte betreffe, die eine Bindung der Großhandelskonzerne an die Klägerin bewirkt hätten. Die Erläuterungen der Kommission beruhten auf einer falschen Auslegung von Artikel 3 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung.

297 Die Klägerin weist zum anderen daraufhin, daß die Anordnung, künftig die übrigen Rabatte zu beseitigen, wie sie in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 der angefochtenen Entscheidung formuliert sei, ebenfalls gegen Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verstoße, weil sie in Wirklichkeit das System ergänzender Rabatte betreffe, dessen Mißbräuchlichkeit in dem betreffenden Abschnitt des verfügenden Teils der Entscheidung, nämlich Artikel 1 Nummer 5, nicht formell festgestellt worden sei, der lediglich die effektive Anwendung diskriminierender Preise gegenüber mit der Klägerin konkurrierenden Zuckerverpackern auf dem Einzelhandelsmarkt beanstande. Bedeutungslos sei insoweit, ob dieser Abschnitt des verfügenden Teils auf Randnummer 145 oder Randnummer 149 der angefochtenen Entscheidung beruhe. Die Kommission erlege der Klägerin auf, auf alle übrigen Rabatte zu verzichten, auch wenn sie nicht diskriminierend seien, weil sie keinen Bezug zur gelieferten Zuckermenge und zu den Abschlußkosten hätten; das aber gehe über Artikel 1 Nummer 5 der angefochtenen Entscheidung hinaus.

298 Dazu ist festzuhalten, daß die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der Natur der festgestellten Zuwiderhandlung angepaßt sein muß und deshalb sowohl die Anordnung zur Vornahme bestimmter Tätigkeiten oder Leistungen, die unrechtmäßig unterblieben sind, beinhalten kann als auch das Verbot, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Zustände, die dem Vertrag widersprechen, fortzuführen oder fortdauern zu lassen (Urteil Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Randnr. 45). Die Untersagung darf nur für Praktiken gelten, die mit den Bestimmungen des EG-Vertrags unvereinbar sind (Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-9/93, Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 159).

299 Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung enthält aber eine Reihe von logisch aufeinanderfolgenden Anordnungen, die die Wiederholung von Akten, die mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbar sind, verhindern sollen und vom Allgemeinen zum Besonderen und von der Gegenwart in die Zukunft gehen.

300 So wird der Klägerin in Absatz 1 aufgegeben, sämtliche bei Erlaß der Entscheidung noch nicht beendeten, d. h. die in Artikel 1 Nummern 4, 5 und 6 genannten Zuwiderhandlungen, unverzüglich abzustellen. Dies steht voll im Einklang mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen, und die Klägerin bestreitet dies auch nicht.

301 In Absatz 2 wird der Klägerin untersagt, künftig alle diese Zuwiderhandlungen oder ähnliche Verhaltensweisen fortzuführen. Auch dies entspricht den Erfordernissen der Rechtsprechung, da es nur Verhaltensweisen betrifft, die gegen den Vertrag verstoßen.

302 In Absatz 3 wird die in Absatz 2 getroffene Anordnung für die Zukunft konkretisiert, und zwar insbesondere für die diskriminierenden Rabatte, also die Ausfuhrrabatte und die diskriminierenden Rabatte zu Lasten konkurrierender Zuckerverpacker. Diese Konkretisierung der in Absatz 2 getroffenen Anordnung betrifft daher spezifisch die in Artikel 1 Nummern 4 und 5 festgestellten Zuwiderhandlungen und zugleich nur den Industriezuckermarkt.

303 In Absatz 4 wird die in Absatz 2 getroffene Anordnung für die Zukunft insbesondere für die selektiven Rabatte an Kunden konkurrierender Zuckerverpacker und die Einräumung von Zielrabatten an Käufer von Einzelhandelszucker konkretisiert. Diese Konkretisierung der allgemeinen Anordnung für die Zukunft betrifft daher spezifisch die Zuwiderhandlung, die in Artikel 1 Nummer 6 festgestellt wurde, dessen Buchstaben i und ii sich auf die in der angefochtenen Entscheidung untersuchten konkreten Fälle beziehen. Sie betrifft im Gegensatz zu der in Absatz 3 ausschließlich den Markt für Einzelhandelszucker.

304 Diese logische Abfolge in den Absätzen 2, 3 und 4 des Artikels 3 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich aus der Verwendung der Worte "in particular" (insbesondere) zu Beginn von Absatz 3 und "also" (auch) zu Beginn von Absatz 4 der verbindlichen englischen Fassung der Entscheidung. Die Rechtmäßigkeit von Absatz 3 erstreckt sich logisch auf die der Absätze 3 und 4, da diese schlicht eine Konkretisierung dieser allgemeinen Anordnung sind.

305 Folglich läßt sich die von der Klägerin gerügte fehlende Übereinstimmung zwischen Artikel 1 Nummern 4, 5 und 6 und Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung tatsächlich nicht belegen. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann daher nicht festgestellt werden.

306 Demgemäß ist auch der zweite Klagegrund im Rahmen der Hilfsanträge zurückzuweisen.

307 Da im Rahmen der Hilfsanträge lediglich dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes teilweise Erfolg beschieden ist (siehe Randnrn. 258 bis 261 dieses Urteils), setzt das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) in Euro ausgedrückten Betrag der Geldbuße auf 7 883 326 EUR herab.

Kostenentscheidung:

Kosten

308 Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hält es das Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten, der Klägerin ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Kommission und dieser ein Drittel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 1 Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung wird insoweit für nichtig erklärt, als darin festgestellt wird, daß die Klägerin zwischen 1986 und 1988 den Kunden eines Einführers französischen Zuckers selektiv niedrige Preise eingeräumt hat.

2. Der Betrag der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße wird auf 7 883 326 EUR festgesetzt.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten der Kommission.

5. Die Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

(1) - Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.

Ende der Entscheidung

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