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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: T-240/04
Rechtsgebiete: VO (Euratom) Nr. 1352/2003, EA


Vorschriften:

VO (Euratom) Nr. 1352/2003
EA Art. 41
EA Art. 42
EA Art. 43
EA Art. 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

17. September 2007(*)

"Europäische Atomgemeinschaft - Investitionen - Mitteilung von Investitionsvorhaben an die Kommission - Durchführungsbestimmungen - Verordnung (Euratom) Nr. 1352/2003 - Unzuständigkeit der Kommission - Art. 41 EA bis 44 EA - Grundsatz der Rechtssicherheit"

Parteien:

In der Rechtssache T-240/04

Französische Republik, vertreten zunächst durch F. Alabrune, G. de Bergues, C. Lemaire und E. Puisais, dann durch M. de Bergues und S. Gasri als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C.-D. Quassowski und A. Tiemann als Bevollmächtigte,

und

Königreich Belgien, vertreten zunächst durch D. Haven, dann durch M. Wimmer und schließlich durch A. Hubert als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt J.-F. De Bock,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (Euratom) Nr. 1352/2003 der Kommission vom 23. Juli 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1209/2000 über die Durchführungsbestimmungen für die in Artikel 41 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgeschriebenen Anzeigen (ABl. L 192, S. 15)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke, des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin I. Labucka sowie der Richter M. Prek und V. Ciuca,

Kanzler: K. Pochec, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Art. 41 EA bestimmt:

"Personen und Unternehmen, die zu den in Anhang II dieses Vertrags genannten Industriezweigen gehören, haben der Kommission Investitionsvorhaben für neue Anlagen sowie für Ersatzanlagen oder Umstellungen anzuzeigen; Art und Umfang der anzuzeigenden Vorhaben bestimmen sich nach Merkmalen, die der Rat auf Vorschlag der Kommission festlegt.

Die Liste der vorgenannten Industriezweige kann vom Rat auf Vorschlag der Kommission, die zuvor die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses einholt, mit qualifizierter Mehrheit geändert werden."

2 Art. 42 EA bestimmt:

"Die in Artikel 41 bezeichneten Vorhaben sind der Kommission sowie zur Unterrichtung dem betreffenden Mitgliedstaat spätestens drei Monate vor Abschluss der ersten Lieferverträge oder, falls die Arbeiten mit Eigenmitteln des Unternehmens durchgeführt werden sollen, spätestens drei Monate vor Beginn der Arbeiten mitzuteilen.

Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission eine Änderung dieser Frist beschließen."

3 Art. 43 EA bestimmt:

"Die Kommission erörtert mit den Personen oder Unternehmen alle Gesichtspunkte der Investitionsvorhaben, die mit den Zielen dieses Vertrags in Zusammenhang stehen.

Sie teilt ihre Auffassung dem betreffenden Mitgliedstaat mit."

4 Art. 44 EA bestimmt:

"Die Kommission kann die ihr mitgeteilten Investitionsvorhaben mit Zustimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, Personen und Unternehmen veröffentlichen."

5 Art. 124 EA bestimmt:

"Um die Entwicklung der Kernenergie innerhalb der Gemeinschaft zu gewährleisten, erfüllt die Kommission folgende Aufgaben:

- für die Anwendung dieses Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen;

- Empfehlungen oder Stellungnahmen auf den in diesem Vertrag bezeichneten Gebieten abzugeben, soweit der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht oder soweit sie es für notwendig erachtet;

- nach Maßgabe dieses Vertrags in eigener Zuständigkeit Entscheidungen zu treffen und am Zustandekommen der Handlungen des Rates und des Europäischen Parlaments mitzuwirken;

- die Befugnisse auszuüben, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt."

6 Art. 161 EA bestimmt:

"Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe dieses Vertrags erlassen der Rat und die Kommission Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab.

Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

..."

7 Art. 203 EA bestimmt:

"Erscheint ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich, um eines ihrer Ziele zu verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften."

8 Der erste Erwägungsgrund der Verordnung (Euratom) Nr. 1352/2003 der Kommission vom 23. Juli 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1209/2000 über die Durchführungsbestimmungen für die in Artikel 41 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgeschriebenen Anzeigen (ABl. L 192, S. 15, im Folgenden: angefochtene Verordnung) führt aus, dass im Interesse der Transparenz und der Rechtssicherheit die geltenden Bestimmungen der Kommission, die bei der Erörterung und Prüfung von Investitionsvorhaben, welche mit den Zielen des EAG-Vertrags in Zusammenhang stehen, angewandt werden, ergänzt werden und die damit verbundenen Verfahren formal festgelegt werden müssen. Die Verordnung bezieht sich zum einen auf die Art. 41 EA bis 44 EA und zum anderen auf die Verordnung (Euratom) Nr. 2587/1999 des Rates vom 2. Dezember 1999 zur Bestimmung der Investitionsvorhaben, die der Kommission gemäß Artikel 41 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft anzuzeigen sind (ABl. L 315, S. 1). 9 Durch Art. 1 Abs. 3 der angefochtenen Verordnung werden u. a. die Art. 3a, 3b, 3c, 3d und 3e in die Verordnung (EG) Nr. 1209/2000 der Kommission vom 8. Juni 2000 über die Durchführungsbestimmungen für die in Artikel 41 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgeschriebenen Anzeigen (ABl. L 138, S. 12) eingefügt. Diese Artikel bestimmen:

"Artikel 3a

"(1) Die Kommission prüft die Anzeige unmittelbar nach ihrem Erhalt. Sie nimmt in einer Empfehlung Stellung.

(2) Ist die Kommission nach einer Prüfung der Meinung, dass bei den ihr angezeigten Investitionsvorhaben keine Bedenken hinsichtlich der Ziele des [EAG]-Vertrags und dessen Einhaltung bestehen, stellt sie dies förmlich fest und teilt ihren Standpunkt den beteiligten Mitgliedstaaten, Personen und Unternehmen im Wege einer Empfehlung mit.

(3) Ist die Kommission nach einer Prüfung der Meinung, dass bei den ihr angezeigten Investitionsvorhaben Zweifel hinsichtlich der Ziele des [EAG]-Vertrags und dessen Einhaltung bestehen, leitet sie ein umfassendes Prüfverfahren ein, um alle Gesichtspunkte der Investitionsvorhaben, die mit den Zielen [des EAG-]Vertrags in Zusammenhang stehen, ausführlicher zu erörtern.

(4) Eine Empfehlung gemäß Absatz 2 und die Einleitung eines umfassenden Prüfverfahrens gemäß Absatz 3 muss innerhalb von 2 Monaten abgegeben werden bzw. erfolgen. Dieser Zeitraum wird gerechnet ab dem Tag nach Eingang der vollständigen Anzeige gemäß dieser Verordnung und der Verordnung ... Nr. 2587/1999. Die Anzeige gilt als vollständig, wenn die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Anzeige oder nach Eingang der von ihr - gegebenenfalls - angeforderten zusätzlichen Informationen keine weiteren Informationen anfordert.

(5) Hat die Kommission keine Empfehlung gemäß Absatz 2 abgegeben oder ist sie nicht innerhalb der in Absatz 4 festgelegten Frist tätig geworden, wird angenommen, dass das Investitionsvorhaben im Einklang mit den Zielen und Bestimmungen des [EAG]-Vertrags steht.

Artikel 3b

(1) Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die von der beteiligten Person oder dem Unternehmen vorgelegten Informationen über ein angezeigtes Investitionsvorhaben unvollständig sind, so fordert sie alle sachdienlichen Auskünfte an. Die Kommission bestätigt der beteiligten Person bzw. dem beteiligten Unternehmen gegebenenfalls den Empfang der angeforderten Informationen.

(2) Wird eine von der beteiligten Person oder dem Unternehmen verlangte Auskunft innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so übermittelt die Kommission ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt.

Artikel 3c

(1) Bei Einleitung des umfassenden Prüfverfahrens fasst die Kommission die einschlägigen Punkte zum Sachverhalt und zur Rechtslage zusammen und wird auch die Vorabprüfung des Investitionsvorhabens im Lichte der Bestimmungen und Ziele des [EAG]-Vertrags und der Verordnung ... Nr. 2587/1999 vorlegen. Die Kommission fordert die beteiligten Personen und Unternehmen auf, eine Stellungnahme abzugeben und mit der Kommission innerhalb einer bestimmten Frist, die in der Regel nicht länger als zwei Monate ist, den Sachverhalt zu erörtern.

(2) Den beteiligten Personen oder Unternehmen wird empfohlen, das Investitionsvorhaben nicht durchzuführen, bevor nicht die Kommission ihre Empfehlung zu dem fraglichen Vorhaben abgegeben hat bzw. bevor es gemäß Artikel 3a Absatz 5 als mit den Zielen und Bestimmungen des [EAG]-Vertrags in Einklang stehend gilt.

Artikel 3d

(1) Stellt die Kommission nach der Erörterung und/oder Änderung des Vorhabens durch die beteiligte Person oder das Unternehmen fest, dass das Investitionsvorhaben im Einklang mit den Zielen und Bestimmungen des [EAG]-Vertrags steht, protokolliert sie ihren Standpunkt durch eine Empfehlung, die den beteiligten Personen, Unternehmen und dem Mitgliedstaat mitgeteilt wird.

(2) Stellt die Kommission nach der Erörterung und/oder Änderung des Vorhabens durch die beteiligte Person oder das Unternehmen fest, dass das angezeigte Investitionsvorhaben nicht im Einklang mit den Zielen und Bestimmungen des [EAG]-Vertrags steht, äußert sie ihren Standpunkt durch eine Empfehlung, die den beteiligten Personen, Unternehmen und dem Mitgliedstaat mitgeteilt wird.

(3) Die Stellungnahmen nach den Absätzen 1 und 2 werden abgegeben, sobald die in Artikel 3a Absatz 3 genannten Zweifel ausgeräumt sind. Die Kommission bemüht sich darum, eine Empfehlung möglichst innerhalb von 6 Monaten nach Einleitung des umfassenden Prüfverfahrens anzunehmen.

(4) Ist die Frist nach Absatz 3 abgelaufen, gibt die Kommission auf Wunsch der beteiligten Person oder des beteiligten Unternehmens innerhalb von zwei Monaten auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Informationen eine Empfehlung ab.

Artikel 3e

Nach Abgabe ihrer Empfehlung zu dem fraglichen Investitionsvorhaben überprüft die Kommission die Maßnahmen, die gemäß ihrer Empfehlung getroffen wurden oder geplant sind, und erörtert diese gegebenenfalls mit den beteiligten Personen oder Unternehmen."

10 Durch Art. 1 Abs. 4 der angefochtenen Verordnung werden die Art. 4a und 4b in die Verordnung Nr. 1209/2000 eingefügt. Diese Artikel lauten:

"Artikel 4a

Die Kommission unterrichtet die Personen bzw. die Unternehmen, die ihr das Investitionsvorhaben angezeigt haben, gegebenenfalls über die Anmerkungen oder Stellungnahmen von Dritten zu diesem Vorhaben, die Einfluss auf die Empfehlung der Kommission haben.

Artikel 4b

(1) Die Kommission veröffentlicht mit Zustimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, Personen und Unternehmen die ihr angezeigten Investitionsvorhaben sowie die gemäß dieser Verordnung abgegebenen Empfehlungen.

(2) Die Kommission veröffentlicht einen Jahresbericht, der die Durchführung ihrer Empfehlungen protokolliert sowie die Maßnahmen, die im Hinblick auf die Stellungnahmen der Kommission von den beteiligen Personen und Unternehmen ergriffen wurden.

Im Bericht werden, wenn nötig, die Bestimmungen über die Wahrung des Berufsgeheimnisses beachtet, wenn die Zustimmung gemäß Artikel 44 [EAG]-Vertrag letztendlich verweigert wird."

Verfahren und Anträge der Parteien

11 Die Französische Republik hat mit Klageschrift, die am 24. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss vom 8. Juni 2004 hat der Gerichtshof die Rechtssache an das Gericht verwiesen.

12 Am 2. Januar 2004 hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 24. März 2004 hat der Präsident des Gerichtshofs die Bundesrepublik Deutschland als Streithelferin zugelassen. Am 8. Juni 2004 hat die Bundesrepublik Deutschland einen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

13 Am 9. Juni 2004 hat das Königreich Belgien beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 8. November 2004 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts das Königreich Belgien als Streithelfer zugelassen und ihm gemäß Art. 116 Abs. 6 der Verfahrensordnung des Gerichts das Recht eingeräumt, in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

14 Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und bestimmte Fragen zu beantworten. Die Kommission ist dem nachgekommen.

15 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

16 In der Sitzung vom 16. Mai 2007 haben die Parteien mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

17 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18 Die Bundesrepublik Deutschland, die als Streithelferin die Klägerin unterstützt, beantragt,

- die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19 Die Kommission beantragt,

- die Nichtigkeitsklage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

20 Zur Stützung ihrer Klage führt die Klägerin sechs Klagegründe an, mit denen sie die Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung, einen Verstoß gegen die Art. 42 EA bis 44 EA und gegen Art. 194 Abs. 1 EA sowie eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit geltend macht.

Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung

Vorbringen der Parteien

21 Die Klägerin ist der Auffassung, dass weder die Art. 41 EA bis 44 EA noch die Verordnung Nr. 2587/1999 eine Rechtsgrundlage darstellten, auf der die Kommission die angefochtene Verordnung erlassen könne, da diese Bestimmungen der Kommission weder eine Befugnis zur Durchführung noch eine Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen übertrügen. Gemäß dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung könne die Kommission die angefochtene Verordnung jedoch nur erlassen, wenn eine solche Ermächtigung ausdrücklich vorgesehen sei.

22 Es sei unerheblich, dass es sich bei der angefochtenen Verordnung nicht um die erste Verordnung handle, die die Kommission zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen für die in Art. 41 EA vorgeschriebenen Anzeigen erlassen habe, da nach der Rechtsprechung eine schlichte Praxis die Vorschriften des Vertrags nicht überspielen könne (Urteil des Gerichtshofs vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, C-327/91, Slg. 1994, I-3641).

23 Zwar bestreite die Klägerin nicht, dass die Kommission gemäß Art. 131 Abs. 2 EA befugt sei, sich selbst zu organisieren, doch der Erlass einer Verordnung überschreite diese Befugnis zur Selbstorganisation, da eine allgemeingültige und in allen Teilen verbindliche Verordnung nicht für die Organisation der internen Vorgänge eines Organs verwendet werden dürfe. Aufgrund des Grundsatzes der Selbstverwaltung sei die Kommission berechtigt, Weisungen und Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die sich an ihre Mitarbeiter richteten und den internen Dienstbetrieb des Organs regelten, doch sei sie nicht befugt, sich an Personen und Unternehmen zu richten, die sich außerhalb des Verwaltungsapparats befänden, was jedoch bei der angefochtenen Verordnung der Fall sei.

24 Dem Vorbringen der Kommission, bei der angefochtenen Verordnung handle es sich nicht um eine Verordnung im Sinne von Art. 161 EA, sondern um eine Verordnung sui generis, da sie nur für die Kommission und nicht für Dritte außerhalb dieses Organs Verpflichtungen begründe, widerspricht die Klägerin mit der Begründung, eine solche Verordnungskategorie, die sich von den in Art. 161 EA vorgesehenen Verordnungen unterscheide, sei an keiner Stelle im EAG-Vertrag vorgesehen. Jedenfalls enthielten die Schlussbestimmungen der angefochtenen Verordnung dieselben Merkmale wie eine Verordnung im Sinne von Art. 161 EA, da sie ausdrücklich festlegten, dass die angefochtene Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anwendbar sei.

25 Das Vorbringen der Kommission, die für Dritte notwendige Rechtssicherheit und Transparenz im Hinblick auf die Verfahrenspflichten, die sich die Kommission auferlegt habe, ließe sich nur durch ein rechtlich zwingendes Instrument wie z. B. eine Verordnung erreichen, sei zurückzuweisen. Wenn nämlich die Kommission eine solche Verordnung für erforderlich gehalten habe, hätte sie dem Rat einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten müssen, denn selbst wenn der EAG-Vertrag keine spezielle Rechtsgrundlage enthalte, sei der Rückgriff auf Art. 203 EA möglich gewesen. Die von der Kommission angestrebte Rechtssicherheit hätte auch durch den Erlass von Leitlinien erreicht werden können, da die Kommission nach der Rechtsprechung nicht von den Vorschriften abweichen dürfe, die sie sich selbst auferlegt habe.

26 Die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Belgien unterstützen das Vorbringen der Klägerin; die Bundesrepublik Deutschland macht darüber hinaus geltend, erstens verstoße die angefochtene Verordnung gegen den Grundsatz, dass die Verantwortung für die Sicherheit von Atomanlagen bei den Mitgliedstaaten liege, und zweitens dürfe die Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung nicht auf den Grundsatz der Selbstverwaltung gestützt werden, da dieser die Kommission nicht ermächtige, Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die sich an Personen und Unternehmen außerhalb des Verwaltungsapparats der Kommission richteten.

27 Die Kommission erwidert, sie habe im Rahmen der Aufgaben und Zuständigkeiten gehandelt, die ihr durch den EAG-Vertrag übertragen worden seien. Denn die Art. 41 EA bis 44 EA enthielten Verfahrensregeln, die die Anzeige, Prüfung und Erörterung von Investitionsvorhaben gewährleisten sollten und der Kommission somit die Befugnis erteilten, unmittelbar mit den Unternehmen zu kommunizieren. Auch wenn der EAG-Vertrag die zu befolgenden Verfahren nicht im Einzelnen beschreibe, räume er der Kommission jedoch den notwendigen Spielraum ein, um in diesem Bereich Maßnahmen zu ergreifen. Folglich habe die Kommission ihre Zuständigkeit nach dem EAG-Vertrag nicht durch den Erlass der angefochtenen Verordnung überschritten. Da sie zur Selbstorganisation verpflichtet sei, müsse sie die in der angefochtenen Verordnung enthaltenen Maßnahmen treffen, um das Verfahren zur Prüfung von Investitionsvorhaben zu organisieren. Da die Verordnung ihrer Form nach den Selbstverpflichtungen der Kommission eine hohe Rechtsverbindlichkeit verleihe, könne Dritten ein hoher Grad an Rechtssicherheit gewährleistet werden.

28 Da die angefochtene Verordnung keine Dritten, sondern nur die Kommission verpflichte, handle es sich nicht um eine Verordnung im Sinne von Art. 161 EA, sondern um eine Verordnung sui generis. Denn gemäß dem Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1989, Grimaldi (C-322/88, Slg. 1989, 4407), werde das Wesen der angefochtenen Verordnung nicht durch ihre Bezeichnung oder Form, sondern durch ihren Inhalt bestimmt. Wenn jedoch die Form einer Verordnung gewählt werde, um die Selbstverpflichtungen der Kommission zu verstärken, indem die Verfahren zur Anwendung der Art. 41 EA bis 44 EA der Verordnung Nr. 2587/1999 wirksamer festgelegt würden, begründe die angefochtene Verordnung keine Verpflichtungen Dritter, so dass es sich nicht um eine Verordnung im Sinne von Art. 161 EA handle. Folglich sei die Tatsache, dass die in den Bezugsvermerken der angefochtenen Verordnung genannten Bestimmungen nicht den Erlass von Verordnungen im Sinne von Art. 161 EA durch die Kommission vorsähen, im Hinblick auf die Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung unerheblich.

29 Außerdem gebiete der Grundsatz der Parallelität der Formen, für den Erlass der Bestimmungen der angefochtenen Verordnung die Form der Verordnung zu wählen, da durch die angefochtene Verordnung eine frühere Verordnung, die Verordnung Nr. 1209/2000, geändert werde.

Würdigung durch das Gericht

30 Vorab ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsrichter gemäß Art. 146 EA die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Rates und der Kommission überwacht, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt. Dieser Artikel gleicht Art. 230 EG und muss analog zu dieser Vorschrift ausgelegt werden (Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs im Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 2002, Kommission/Rat, C-29/99, Slg. 2002, I-11221, I-11225, vgl. in diesem Sinne auch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 22. Dezember 1995, Danielsson u. a./Kommission, T-219/95 R, Slg. 1995, II-3051, Randnrn. 61 bis 76, und entsprechend Urteil des Gerichts vom 25. Februar 1997, Kernkraftwerke Lippe-Ems/Kommission, T-149/94 und T-181/94, Slg. 1997, II-161, Randnrn. 46 und 47). Auf die Rechtmäßigkeitskontrolle einer Verordnung gemäß EAG-Vertrag ist daher die Rechtsprechung anzuwenden, die im Rahmen des EG-Vertrags entwickelt wurde, es sei denn, es bestehen Sonderbestimmungen für diesen Bereich oder Bestimmungen, deren Systematik von der allgemeinen Systematik und Ratio des EG-Vertrags abweicht.

31 Gemäß Art. 3 EA und in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung handelt jedes Organ nach Maßgabe der ihm durch den EAG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse. Denn der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, dass jede Maßnahme, die rechtliche Wirkungen erzeugen soll, ihre Bindungswirkung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entnimmt, die ausdrücklich als Rechtsgrundlage bezeichnet sein muss und die Rechtsform vorschreibt, in der die Maßnahme zu erlassen ist (vgl. zum Anwendungsbereich des EG-Vertrags Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission, C-325/91, Slg. 1993, I-3283, Randnr. 26). Für die Festlegung der Bedingungen, unter denen der Erlass einer Maßnahme erfolgen kann, müssen die Zuständigkeitsverteilung und das Gleichgewicht, die durch die Verträge festgelegt worden sind, angemessen berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 23. März 2004, Frankreich/Kommission, C-233/02, Slg. 2004, I-2759, Randnr. 40).

32 Es ist jedoch festzustellen, dass sich weder aus den Art. 41 EA bis 44 EA noch aus der Verordnung Nr. 2587/1999, die in der angefochtenen Verordnung als Rechtsgrundlagen angeführt werden, eine ausdrückliche Zuständigkeit der Kommission für den Erlass einer solchen Verordnung ergibt.

33 Die Art. 41 EA bis 44 EA übertragen der Kommission keine Zuständigkeit für den Erlass von Verordnungen betreffend das Verfahren zur Prüfung von Investitionsvorhaben. Ebenso wenig enthält die Verordnung Nr. 2587/1999, die von der Kommission als "Grundverordnung" für die angefochtene Verordnung bezeichnet wird, ausdrückliche Bestimmungen, die die Kommission zum Erlass von Verordnungen im Hinblick auf ihre Durchführung ermächtigen. Im Übrigen bestreitet die Kommission nicht, dass keine der Rechtsgrundlagen, die in der angefochtenen Verordnung aufgeführt werden, sie ausdrücklich zum Erlass einer solchen Verordnung ermächtigt.

34 Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, hätte die Kommission, wenn der Erlass einer Verordnung sich als notwendig herausgestellt hätte, mangels einer besonderen Bestimmung, die sie zum Erlass einer Verordnung ermächtigt, das Verfahren nach Art. 203 EA einhalten müssen, d. h., sie hätte dem Rat einen Vorschlag unterbreiten müssen, woraufhin dieser einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments eine solche Verordnung hätte erlassen können.

35 Zur Stützung ihres Vorbringens, sie habe ihre Zuständigkeiten gemäß den Art. 41 EA bis 44 EA durch den Erlass der angefochtenen Verordnung nicht überschritten, macht die Kommission geltend, dass die Art. 41 EA bis 44 EA ihr in Wirklichkeit die Zuständigkeit für den Erlass der fraglichen Maßnahmen übertrügen. Da sich aus keiner der Rechtsgrundlagen, die in der angefochtenen Verordnung aufgeführt sind, eine ausdrückliche Zuständigkeit der Kommission für den Erlass einer solchen Verordnung ergibt, ist zu prüfen, ob der Kommission eine implizite Zuständigkeit für den Erlass dieser Verordnung zukommt und ob die Verordnung für die praktische Wirksamkeit der Art. 41 EA bis 44 EA und der Verordnung Nr. 2587/1999 tatsächlich notwendig war.

36 Der Gerichtshof hat anerkannt, dass Befugnisse, die nicht ausdrücklich von den Verträgen vorgesehen sind, ausgeübt werden dürfen, wenn dies für die Verwirklichung der durch die Verträge festgelegten Ziele erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, Slg. 1971, 263, Randnr. 28). Weist ein Artikel des EAG-Vertrags der Kommission eine besondere und bestimmte Aufgabe zu, so ist davon auszugehen, dass er ihr dadurch implizit auch die zur Erfüllung dieser Aufgabe unerlässlichen Befugnisse verleiht, andernfalls würde dieser Bestimmung des EAG-Vertrags jede praktische Wirksamkeit genommen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 1987, Deutschland u. a./Kommission, 281/85, 283/85 bis 285/85 und 287/85, Slg. 1987, 3203, Randnr. 28). Daher ist anzuerkennen, dass die Vorschriften eines Vertrags implizieren, dass diejenigen Normen erlassen werden dürfen, ohne die diese Vorschriften nicht sinnvoll und vernünftig angewandt werden können. Somit sind die Bestimmungen des EAG-Vertrags im Hinblick auf die normativen Befugnisse der Organe im Licht der Systematik des EAG-Vertrags auszulegen (vgl. zum Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1960, Niederlande/Hohe Behörde, 25/59, Slg. 1960, 723, 757 bis 760).

37 Ob eine implizite Rechtsetzungsbefugnis vorliegt, ist jedoch anhand eines strengen Prüfungsmaßstabs zu beurteilen, da eine solche Befugnis eine Ausnahme vom Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 EA darstellt. Solche impliziten Befugnisse werden nur ausnahmsweise von der Rechtsprechung anerkannt und nur unter der Voraussetzung, dass sie notwendig sind, um die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen des betroffenen Vertrags oder der betroffenen Grundverordnung sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Rat, Randnr. 28, Deutschland u. a./Kommission, Randnr. 28, und Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1995, Königreich der Niederlande/Kommission, C-478/93, Slg. 1995, I-3081, Randnr. 32).

38 Die Voraussetzung der Notwendigkeit muss nicht nur im Hinblick auf die wesentlichen Bestimmungen der Verordnung, sondern auch im Hinblick auf ihre Form und ihren zwingenden Charakter vorliegen.

39 Um eine implizite Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung bejahen zu können, muss die wirksame Durchführung der Art. 41 EA bis 44 EA und der Verordnung Nr. 2587/1999 nicht nur erfordern, dass die Kommission Maßnahmen erlassen kann, die die Einzelheiten des Verfahrens zur Prüfung der ihr angezeigten Investitionsvorhaben im Sinne der angefochtenen Verordnung regeln, sondern es muss auch notwendig sein, dass solche Maßnahmen in Form einer Verordnung erlassen werden, die in allen ihren Teilen verbindlich und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anwendbar ist.

40 Das Vorbringen der Kommission zur Notwendigkeit der erlassenen Maßnahmen kann jedoch weder in Bezug auf deren Inhalt noch in Bezug auf deren Form überzeugen.

41 Was den Inhalt betrifft, beschränkt sich die Verordnung Nr. 2587/1999 darauf, die Investitionsvorhaben zu bestimmen, die der Kommission gemäß Art. 41 EA anzuzeigen sind, und sie bezieht sich in keiner Weise auf den anschließenden Dialog, den die Kommission über diese Vorhaben führt. Durch die Verordnung Nr. 2587/1999 wird der Kommission daher keine implizite Zuständigkeit für den Erlass der angefochtenen Verordnung übertragen. Ebenso wenig können die Bestimmungen der angefochtenen Verordnung als notwendig angesehen werden, um den Art. 41 EA bis 44 EA praktische Wirksamkeit zu verleihen. Zwar muss die Kommission, wie sie zu Recht geltend macht, das Verfahren der Anzeige, Prüfung und Erörterung von Investitionsvorhaben gemäß den Art. 41 EA bis 44 EA organisieren. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass es für die praktische Wirksamkeit dieser Artikel des EAG-Vertrags nicht notwendig war, der Kommission die Befugnis zu verleihen, die Aussetzung von Investitionsvorhaben bis zum Abschluss der Prüfung durch sie zu empfehlen, wie es der durch die angefochtene Verordnung eingefügte Art. 3c Abs. 2 der Verordnung Nr. 1209/2000 vorsieht, da eine solche Aussetzung im EAG-Vertrag keineswegs vorgesehen ist. Auch der Umstand, dass sich die Kommission gemäß dem durch die angefochtene Verordnung eingefügten Art. 4b der Verordnung Nr. 1209/2000 verpflichtet, die ihr angezeigten Investitionsvorhaben zu veröffentlichen, kann nicht als notwendig für die wirksame Durchführung von Art. 44 EA angesehen werden, da Art. 44 EA selbst bereits eine solche Möglichkeit der Veröffentlichung vorsieht, ohne dass sie zwingend vorgeschrieben ist.

42 Vor allem aber ist festzustellen, dass für den Erlass von Bestimmungen, die das Verfahren zur Prüfung von Investitionsvorhaben im Sinne der angefochtenen Verordnung durch die Kommission im Einzelnen regeln, der Rückgriff auf die Form der Verordnung nicht notwendig war. Denn um die Ziele zu erreichen, die die Kommission nach eigener Aussage verfolgte, hätten einfache interne organisatorische Maßnahmen ausgereicht. Das Vorbringen der Kommission, durch die Form der Verordnung lasse sich im Hinblick auf die Verpflichtungen, die sie sich selbst auferlege, eine höhere Transparenz und Rechtssicherheit für Dritte gewährleisten, ist daher zurückzuweisen. Wie die Kommission selbst anerkennt, muss sie die Regeln einhalten, die sie sich selbst gegeben hat (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T-224/00, Slg. 2003, II-2597, Randnr. 182). Daher hätten einfache Leitlinien oder eine schlichte Mitteilung, deren Einhaltung durch das erlassende Organ von den Gemeinschaftsgerichten überwacht werden kann, ausgereicht, um im Hinblick auf die Einhaltung der Verpflichtungen, die sich die Kommission selbst auferlegen wollte, die notwendige Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

43 Die angefochtene Verordnung kann nicht als eine Art Geschäftsordnung oder Verordnung sui generis, die nur die interne Arbeitsorganisation der Kommission beträfe, angesehen werden. Solche Rechtsakte können gegenüber Dritten keine Rechtswirkungen entfalten. Zu dieser Kategorie gehören Handlungen der Kommission, die entweder überhaupt keine Rechtswirkungen entfalten oder die Rechtswirkungen nur innerhalb der Kommission in Bezug auf die interne Organisation ihrer Arbeit entfalten und in durch die Geschäftsordnung der Kommission geregelten Verfahren überprüft werden können (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Januar 2001, Stauner u. a./Parlament und Kommission, T-236/00 R, Slg. 2001, II-15, Randnr. 43).

44 Mit der angefochtenen Verordnung werden jedoch Bestimmungen eingeführt, die nicht nur die Selbstorganisation der Kommission betreffen, sondern sich auch auf Dritte auswirken (vgl. u. a. die durch die angefochtene Verordnung eingefügten Art. 3c Abs. 2 und Art. 4b der Verordnung Nr. 1209/2000). Wie die Kommission allerdings selbst feststellt, sollen diese Bestimmungen keine Verpflichtungen für Dritte begründen. Im Übrigen räumt die Kommission ein, dass die Form einer Verordnung im Sinne von Art. 161 EA für den Erlass der Bestimmungen der angefochtenen Verordnung nicht erforderlich gewesen sei, denn sie macht geltend, dass die angefochtene Verordnung keine Verordnung im Sinne von Art. 161 EA sei, sondern eine Verordnung sui generis darstelle. Daher kann der Erlass dieser Bestimmungen in Form einer Verordnung nicht als notwendig für die wirksame Durchführung der Art. 41 EA bis 44 EA und der Verordnung Nr. 2587/1999 angesehen werden.

45 Das Vorbringen der Kommission, gemäß dem Grundsatz der Parallelität der Formen sei es geboten gewesen, für die Änderung einer in demselben Bereich bestehenden Verordnung die Form der Verordnung zu wählen, ist zurückzuweisen. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann eine schlichte Praxis weder die Vorschriften des Vertrags überspielen noch die Verteilung der Zuständigkeiten der Organe verändern (Urteile des Gerichtshofs vom 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, 68/86, Slg. 1988, 855, Randnr. 24, und vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, Randnr. 36).

46 Somit geht aus dem Inhalt der angefochtenen Bestimmungen nicht hervor, dass ihr Erlass in Form einer Verordnung im Sinne von Art. 161 EA für die wirksame Durchführung der Art. 41 EA bis 44 EA und der Verordnung Nr. 2587/1999 notwendig war.

47 Die Vorschriften betreffend den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung sind eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1992, Parlament/Rat, C-295/90, Slg. 1992, I-4193, Randnrn. 11 bis 20, und Urteil vom 9. August 1994, Frankreich/Kommission, Randnrn. 34 bis 42). Indem die Kommission, obwohl keine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung ihre ausdrückliche entsprechende Ermächtigung enthielt, die Form der Verordnung wählte, um Maßnahmen zur Organisation des Prüfverfahrens für nukleare Investitionsvorhaben zu erlassen, für die ein in allen ihren Teilen verbindliches und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar anwendbares Rechtsetzungsinstrument nicht notwendig war, hat sie die Zuständigkeitsvorschriften des EAG-Vertrags verletzt und im Hinblick auf den rechtlichen Geltungsbereich dieses Rechtsakts gegenüber Dritten eine Irrtumsgefahr begründet, die der Rechtssicherheit abträglich ist.

48 Darüber hinaus stellt der Grundsatz der Rechtssicherheit ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts dar, das insbesondere verlangt, dass eine Regelung klar und deutlich ist, damit die Rechtssubjekte ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteile des Gerichtshofs vom 9. Juli 1981, Gondrand Frères und Garancini, 169/80, Slg. 1981, 1931, und vom 13. Februar 1996, Van Es Douane Agenten, C-143/93, Slg. 1996, I-431, Randnr. 27).

49 Gehört ein gewisser Grad an Ungewissheit in Bezug auf den Sinn und die Reichweite einer Rechtsnorm zu deren Wesen, so ist zu prüfen, ob der betreffende Rechtsakt derart unklar ist, dass der klagende Mitgliedstaat oder die Investoren etwaige Zweifel in Bezug auf die Reichweite oder den Sinn des angefochtenen Rechtsakts nicht mit hinreichender Sicherheit ausräumen können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. April 2005, Belgien/Kommission, C-110/03, Slg. 2005, I-2801, Randnr. 31).

50 Obwohl die Kommission geltend macht, dass sie keine Verpflichtungen für Dritte begründen wolle, schafft die Form der Verordnung in der vorliegenden Rechtssache eine gewisse Unklarheit in Bezug auf die Reichweite der fraglichen Bestimmungen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit setzt jedoch voraus, dass die Reichweite eines Gemeinschaftsrechtsakts mit hinreichender Sicherheit bewertet werden kann, und die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften müssen, wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, klar und ihre Anwendung muss für alle Betroffenen vorhersehbar sein (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission, Randnr. 26). In der vorliegenden Rechtssache lässt die Form der Verordnung darauf schließen, dass verbindliche Wirkungen für Dritte entstehen, und es widerspräche dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn die Marktteilnehmer den Wortlaut der fraglichen Bestimmungen genau prüfen müssten, um deren tatsächliche Reichweite bestimmen zu können.

51 Bei einer Gemeinschaftshandlung müssen insoweit, als sie rechtliche Wirkungen erzeugen soll, nicht nur die für ihren Erlass vorgesehenen notwendigen Verfahren, sondern auch die wesentlichen Formerfordernisse beachtet werden (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro zum Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, C-57/95, Slg. 1997, I-1627, I-1629, Nrn. 15 und 22).

52 Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission weder ausdrücklich noch implizit dafür zuständig war, die angefochtene Verordnung zu erlassen.

53 Der erste Klagegrund, der sich auf die Unzuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung stützt, greift daher durch.

54 Folglich ist die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, ohne dass die sonstigen Klagegründe untersucht zu werden brauchen.

Kostenentscheidung:

Kosten

55 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung hat die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten zu tragen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

56 In Anwendung des Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Belgien, die zur Unterstützung der Anträge der Klägerin dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Verordnung (Euratom) Nr. 1352/2003 der Kommission vom 23. Juli 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1209/2000 über die Durchführungsbestimmungen für die in Artikel 41 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vorgeschriebenen Anzeigen wird für nichtig erklärt.

2. Die Kommission trägt die Kosten der Französischen Republik.

3. Die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Belgien tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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