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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 13.09.1995
Aktenzeichen: T-244/93
Rechtsgebiete: EWG, EG, VwVfG, VerfO EuG


Vorschriften:

EWG Art. 93
EWG Art. 169
EWG Art. 184
EG Art. 226
VwVfG Art. 48
VerfO EuG Art. 87 § 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Kommission überschreitet ihre Befugnisse nicht, wenn sie in bezug auf ein Beihilfevorhaben eines Mitgliedstaats zugunsten eines Unternehmens, das bei ihr angemeldet wurde, eine Entscheidung erlässt, mit der diese Beihilfe zwar gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt, ihre Auszahlung aber untersagt wird, solange das Unternehmen eine Beihilfe, die es vorher erhalten hat und die von der Kommission wegen Nichtanmeldung und Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt in einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung für rechtswidrig erklärt wurde, nicht zurückgezahlt hat.

Zum einen schließt nämlich die der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zustehende Befugnis, zu entscheiden, daß eine Beihilfe umzugestalten ist, notwendig ein, daß eine Entscheidung, mit der eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt wird, mit Bedingungen verbunden werden kann, um zu verhindern, daß die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigt werden. Zum anderen sind bei der Prüfung, ob eine Beeinträchtigung droht, alle einschlägigen Umstände zu berücksichtigen, zu denen auch die mögliche kumulierende Wirkung der alten und der neuen Beihilfe sowie die unterbliebene Rückzahlung der alten, rechtswidrigen Beihilfe gehört. Schließlich kann nicht gesagt werden, die Kommission habe durch das Aufstellen dieser Bedingung ein im Vertrag nicht vorgesehenes Verfahren angewendet, obwohl sie doch im Wege der Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 oder nach Artikel 169 des Vertrages hätte vorgehen können, denn die Kommission, die über ein Beihilfevorhaben zu befinden hatte, wollte, wie sich aus den Begründungserwägungen der Entscheidung ergibt, nicht einen Verstoß gegen eine frühere Entscheidung feststellen, sondern pflichtgemäß sicherstellen, daß sich die zu gewährende Beihilfe nicht in einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Weise auswirkte.

2. Die Kommission hat durch den Erlaß einer Entscheidung, mit der, um eine Beeinträchtigung der Handelsbedingungen in einem dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufenden Masse auszuschließen, die Auszahlung einer Beihilfe an ein Unternehmen davon abhängig gemacht wurde, daß dieses zuvor Beihilfen zurückzahlt, für die in einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung festgestellt ist, daß sie sowohl wegen unterbliebener Anmeldung als auch wegen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt rechtswidrig sind, nicht gegen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten verstossen, und zwar ungeachtet dessen, daß das nationale Recht, das in dem zu entscheidenden Fall für die Rückzahlung gilt, einen Grundsatz des Vertrauensschutzes, auf den sich das Unternehmen vor dem nationalen Gericht beruft, sowie eine Vorschrift des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts enthält, nach der für die Rücknahme von Verwaltungsakten eine Frist gilt, die im vorliegenden Fall abgelaufen ist.

Zum einen darf nämlich die Kommission an der Ausübung ihrer Befugnisse nicht durch das Vorliegen eines nationalen Rechtsstreits gehindert werden, der für die Kommission nicht zu einem Zwang führen darf, die Zahlung einer Beihilfe zu genehmigen, die zusammen mit rechtswidrigen, nicht zurückgezahlten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar wäre. Zum anderen dürfen die Bestimmungen des nationalen Rechts, und zwar die zum Schutz eines berechtigten Vertrauens ebenso wie die, die für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts eine Frist vorsehen, nicht auf eine Weise angewendet werden, daß die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung praktisch unmöglich gemacht wird. Das Gemeinschaftsrecht gewährt bei einer mangels vorheriger Anmeldung rechtswidrigen Beihilfe dem Unternehmen einen Vertrauensschutz nur in aussergewöhnlichen Fällen im Sinne Gemeinschaftsrechts.

3. Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages räumt der Kommission für die Entscheidung, daß eine Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann, ein Ermessen ein, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind. Das Gericht hat daher seine Prüfung einer solchen Wertung auf die Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen.

4. Eine natürliche oder juristische Person kann die in Artikel 184 des Vertrages vorgesehene Einrede der Rechtswidrigkeit nicht gegenüber einer Rechtshandlung erheben, die sie gemäß Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages hätte anfechten können, aber nicht innerhalb der vorgesehenen Frist angefochten hat.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE ERWEITERTE KAMMER) VOM 13. SEPTEMBER 1995. - TWD TEXTILWERKE DEGGENDORF GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - ENTSCHEIDUNGEN DER KOMMISSION, MIT DENEN DIE ZAHLUNG BESTIMMTER BEIHILFEN BIS ZUR RUECKZAHLUNG FRUEHERER RECHTSWIDRIGER BEIHILFEN AUSGESETZT WIRD. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-244/93 UND T-486/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin, die TWD Textilwerke Deggendorf GmbH, ein im Synthesefasersektor tätiges Unternehmen, erhielt im Zeitraum 1981-1983 staatliche Beihilfen in Form einer Investitionszulage von 6,12 Millionen DM der deutschen Bundesregierung und eines zinsvergünstigten Darlehens von 11 Millionen DM des Landes Bayern (nachstehend: Beihilfen TWD I), die bei der Kommission zunächst nicht angemeldet wurden. Im März und im Juli 1985 wurden sie auf wiederholte Anfragen der Kommission von den deutschen Behörden nachträglich angemeldet. Die Kommission erließ dann am 21. Mai 1986 die Entscheidung 86/509/EWG über Beihilfen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Bayern zugunsten eines Herstellers von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf (ABl. L 300, S. 34; nachstehend: Entscheidung TWD I). Darin wird festgestellt, daß die fraglichen Beihilfen zum einen wegen der Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zuwiderlaufenden Nichtanmeldung bei der Kommission rechtswidrig und zum anderen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, da sie keine der Voraussetzungen des Artikels 92 Absätze 2 und 3 EWG-Vertrag erfuellten, insbesondere weil sie im Widerspruch zum Beihilfekodex für Synthesefasern und -garn (nachstehend: Beihilfekodex) stuenden. In der Entscheidung wurde die Rückforderung der fraglichen Beihilfen angeordnet. Da kein Rechtsbehelf eingelegt wurde, wurde die Entscheidung TWD I bestandskräftig.

2 Am 19. März 1987 nahm das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft die Bescheinigungen über die Investitionszulage von 6,12 Millionen DM der deutschen Bundesregierung zurück, um sie entsprechend der Entscheidung TWD I zurückzufordern. Die Klägerin ging dagegen auf dem nationalen Verwaltungsrechtsweg vor, indem sie beim Verwaltungsgericht Köln klagte und dann gegen dessen Urteil Berufung zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einlegte.

3 Am 31. Oktober 1989 meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Kommission ein zweites Beihilfevorhaben zugunsten der Klägerin an, das einen weiteren Zuschuß von 4,52 Millionen DM und die Gewährung zweier zinsgünstiger Darlehen von 6 und 14 Millionen DM umfasste (nachstehend: Beihilfen TWD II). Am 26. März 1991 erließ die Kommission ihre an Deutschland gerichtete Entscheidung 91/391/EWG betreffend Beihilfen der deutschen Regierung an das Unternehmen Deggendorf GmbH, einen Hersteller von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf/Niederbayern (ABl. L 215, S. 16; nachstehend: Entscheidung TWD II). Die Artikel 1 und 2 der Entscheidung TWD II haben folgenden Wortlaut:

Artikel 1

Die Beihilfen in Form eines Zuschusses in Höhe von 4,52 Millionen DM und zweier zinsgünstiger Darlehen in Höhe von 6 und 14 Millionen DM mit einer Laufzeit von zwölf bzw. acht Jahren und einem Zinssatz von 5 % bei einer tilgungsfreien Zeit von zwei Jahren zur Förderung von Investitionen des Unternehmens Deggendorf GmbH, die der Kommission mit Schreiben vom 31. Oktober 1989 von den deutschen Behörden gemeldet worden sind, sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag vereinbar.

Artikel 2

Die deutschen Behörden setzen die Auszahlung der in Artikel 1 dieser Entscheidung bezeichneten Beihilfen an das Unternehmen Deggendorf so lange aus, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 der... [Entscheidung TWD I] bezeichneten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen tatsächlich erfolgt ist.

4 Die Bundesrepublik Deutschland griff die Entscheidung TWD II nicht an; wohl aber hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 19. Juni 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die unter der Nummer C-161/91 eingetragene Klage erhoben, mit der sie die Nichtigerklärung des Artikels 2 dieser Entscheidung beantragt.

5 In der Zwischenzeit hatten die deutschen Behörden der Kommission am 25. Februar 1991 ein drittes Beihilfevorhaben ° in Form zweier zinsvergünstigter Darlehen ° zugunsten der Klägerin (nachstehend: Beihilfen TWD III) gemeldet. Diese Beihilfen bezogen sich auf Investitionen in dem auf die Herstellung von Textilvorhängen spezialisierten Unternehmen Pietsch, das die Klägerin erworben hatte. Am 18. Dezember 1991 erließ die Kommission die Entscheidung 92/330/EWG über eine Beihilfe Deutschlands zugunsten der Textilwerke Deggendorf (ABl. 1992, L 183, S. 36; nachstehend: Entscheidung TWD III), deren verfügender Teil ähnlich lautet wie der der Entscheidung TWD II. Die Entscheidung TWD III lautet in ihrem verfügenden Teil wie folgt:

Artikel 1

Die Beihilfen in Form zweier zinsverbilligter Darlehen in Höhe von 2,8 und 3 Millionen DM mit einer Laufzeit von 15 bzw. 8 Jahren und einem Zinssatz von 4,5 % bei einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren, die für das Unternehmen Textilwerke Deggendorf GmbH bestimmt und der Kommission mit Schreiben vom 25. Februar 1991 von den deutschen Behörden gemeldet worden sind, sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag vereinbar.

Artikel 2

Die deutschen Behörden setzen die Auszahlung der in Artikel 1 dieser Entscheidung genannten Beihilfen an das Unternehmen Deggendorf aus, bis dieses Unternehmen die in Artikel 1 der Entscheidung 86/509/EWG genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen zurückgezahlt hat.

Artikel 3

Die deutsche Regierung teilt der Kommission binnen zwei Monaten vom Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung an mit, welche Maßnahmen sie zu ihrer Durchführung getroffen hat.

...

6 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 6. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine unter der Nummer C-110/92 eingetragene Klage erhoben, mit der sie die Nichtigerklärung der Artikel 2 und 3 der Entscheidung TWD III beantragt.

7 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 18. Mai 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine unter der Nummer C-220/92 eingetragene Klage erhoben, mit der sie die Nichtigerklärung des Artikels 2 der Entscheidung TWD III beantragt.

8 Mit Beschluß vom 12. März 1993 sind die Rechtssachen C-161/91 (betreffend die Entscheidung TWD II) und C-110/92 und C-220/92 (betreffend die Entscheidung TWD III) zu gemeinsamem mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

9 In Anwendung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) hat der Gerichtshof mit Beschluß vom 15. September 1993 die Verbindung der Rechtssache C-110/92 (Deutschland/Kommission) mit den Rechtssachen C-161/91 und C-220/92 (TWD/Kommission) aufgehoben und mit Beschluß vom 27. September 1993 die verbundenen Rechtssachen C-161/91 und C-220/92 an das Gericht verwiesen. Diese zuletzt genannten Rechtssachen sind als Rechtssachen T-244/93 und T-486/93 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

10 Mit Beschluß vom 13. Dezember 1993 hat der Gerichtshof gemäß Artikel 47 Absatz 3 der EG-Satzung des Gerichtshofes das Verfahren in der Rechtssache C-110/92 bis zum Erlaß der Entscheidung des Gerichts in den verbundenen Rechtssachen T-244/93 und T-486/93 ausgesetzt.

11 In der Zwischenzeit hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des nationalen Verfahrens betreffend die Beihilfen TWD I (s. o. Randnr. 2) mit Beschluß, der am 12. Mai 1992 beim Gerichtshof eingegangen ist, dem Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage vorgelegt, die im wesentlichen dahin geht, ob die Klägerin in einem Verfahren vor den nationalen Gerichten inzident die Rechtswidrigkeit der Entscheidung TWD I geltend machen kann, obwohl sie die Frist des Artikels 173 EWG-Vertrag verstreichen ließ, und hilfsweise, ob diese Entscheidung rechtmässig ist. In seinem Urteil vom 9. März 1994 in dieser Rechtssache C-188/92 (TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833) hat der Gerichtshof für Recht erkannt: Das nationale Gericht ist an eine Entscheidung der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag gebunden, wenn es im Hinblick auf die Durchsetzung dieser Entscheidung durch die nationalen Behörden vom Beihilfeempfänger und Adressaten der Durchsetzungsmaßnahmen mit der Begründung angerufen wird, die Entscheidung der Kommission sei rechtswidrig, und wenn der Beihilfeempfänger, obwohl er vom Mitgliedstaat über die Entscheidung der Kommission schriftlich in Kenntnis gesetzt worden ist, eine Klage nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag nicht oder nicht rechtzeitig erhoben hat.

12 Mit Beschluß vom 22. März 1994, den das Gericht gemäß Artikel 42 Absatz 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes erlassen hat, ist die Bundesrepublik Deutschland in der Rechtssache T-486/93 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen worden.

13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung in den verbundenen Rechtssachen T-244/93 und T-486/93 ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen hat das Gericht der Kommission jedoch verschiedene schriftliche Fragen gestellt, um zu klären, wie diese die Höhe der fraglichen Beihilfen berechnet hat. Die Kommission hat darauf mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 geantwortet.

14 Die Parteien haben am 10. Januar 1995 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

15 Die Klägerin beantragt in der Rechtssache T-244/93,

° die Entscheidung der Kommission vom 26. März 1991 betreffend Beihilfen der deutschen Regierung an das Unternehmen Deggendorf GmbH, einen Hersteller von Polyamid- und Polyestergarnen in Deggendorf/Niederbayern, insoweit aufzuheben, als in Artikel 2 der Kommissionsentscheidung vom 26. März 1991 die deutschen Behörden verpflichtet wurden, die Auszahlung der in Artikel 1 der Entscheidung bezeichneten Beihilfen an die Klägerin so lange auszusetzen, bis die Rückzahlung der in Artikel 1 der Entscheidung 86/509/EWG der Kommission vom 21. Mai 1986 bezeichneten, als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehenen Beihilfen tatsächlich erfolgt ist;

° die Entscheidung der Beklagten vom 26. März 1991 ersatzlos aufzuheben;

° der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

16 Die Klägerin beantragt in der Rechtssache T-486/93,

° Artikel 2 der Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1991 für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

17 Die Streithelferin beantragt in der Rechtssache T-486/93,

° Artikel 2 der Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1991 für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18 Die Beklagte beantragt in beiden Rechtssachen,

° die Klage abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Gründe

19 Die Klägerin trägt in ihrer Klageschrift in der Rechtssache T-244/93 im wesentlichen drei Klagegründe vor. Der erste Klagegrund ist auf die Unzuständigkeit der Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der Entscheidung TWD II gestützt. Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, Artikel 2 der Entscheidung TWD II verwehre ihr die Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes und stelle daher einen ungerechtfertigten Eingriff in die nationale Rechtsordnung dar. Mit ihrem dritten Klagegrund macht sie geltend, sie habe aufgrund der Beihilfen TWD I keinen Wettbewerbsvorteil, weil die Mittel verbraucht und die Darlehen zurückgezahlt worden seien.

20 In ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-244/93 trägt die Klägerin im wesentlichen zwei zusätzliche Klagegründe vor. Erstens genüge zumindest ein Teil der Beihilfen TWD I den materiellen Voraussetzungen, um für rechtmässig erklärt zu werden. Zweitens liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit darin, daß die Kommission die Auszahlung der Beihilfen TWD II abzueglich des Betrages der Beihilfen TWD I nicht genehmigt habe.

21 In ihrer Klageschrift in der Rechtssache T-486/93 trägt die Klägerin im wesentlichen sechs Klagegründe vor. Der erste Klagegrund ist auf die Unzuständigkeit der Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der Entscheidung TWD III gestützt. Als zweiter Klagegrund wird ein Ermessensmißbrauch geltend gemacht, der darin liege, daß die Kommission durch Erlaß des Artikels 2 der Entscheidung TWD III versucht habe, auf die Klägerin Druck auszuüben, um sie davon abzuhalten, von den ihr nach nationalem Recht zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, und sich die Befugnisse eines Mitgliedstaats zu eigen gemacht habe. Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, sie habe aufgrund der Beihilfen TWD I keinen Wettbewerbsvorteil, weil zum einen die Voraussetzungen der Entscheidung TWD I eingehalten worden seien und sie zum anderen im Hinblick auf den Ausgang des nationalen Verfahrens eine Rücklage gebildet habe. Der vierte Klagegrund wird auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gestützt, der insbesondere darin liege, daß die Kommission die Auszahlung des Unterschiedsbetrags zwischen der Summe der Beihilfen TWD II und TWD III einerseits und dem Betrag der Beihilfen TWD I andererseits nicht genehmigt habe. Als fünfter Klagegrund wird angeführt, daß zumindest ein Teil der Beihilfen TWD I die materiellen Voraussetzungen erfuellt habe, um für rechtmässig erklärt zu werden. Als sechsten Klagegrund macht die Klägerin schließlich geltend, die Rückforderung der Beihilfen TWD I sei nach deutschem Recht, das allein auf die Rückforderung Anwendung finde, ausgeschlossen.

22 Die den beiden Rechtssachen gemeinsamen Klagegründe sind gemeinsam zu behandeln. Ferner sind bestimmte Klagegründe, soweit sie sich überschneiden, umzugliedern. Es ist daher angebracht, die Klagegründe nach folgender Einteilung zu prüfen:

° erstens die Klagegründe, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission und ein Verstoß gegen die für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze gerügt werden;

° zweitens die Klagegründe, die auf das Fehlen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I gestützt sind;

° drittens die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerügt wird;

° viertens die Klagegründe, die auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen TWD I gestützt werden.

Zu den Klagegründen, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission und ein Verstoß gegen die für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze gerügt werden

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

23 Die Klägerin macht geltend, für die durch Artikel 2 der streitigen Entscheidungen angeordnete Aussetzung der Zahlung der Beihilfen TWD II und TWD III existiere keine Rechtsgrundlage. Darüber hinaus behauptet sie im wesentlichen einen Verstoß der Kommission gegen die für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze, der darin liege, daß Artikel 2 dieser Entscheidungen einen ungerechtfertigten Eingriff in die nationale Rechtsordnung darstelle.

24 Die Kommission habe bei Entscheidungen im Rahmen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zwar ein weites Ermessen, doch sei dieses in den durch das Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Formen auszuüben. Wenn die Kommission beabsichtigt habe, die Bundesrepublik Deutschland mit Zwangsmitteln zur Rückforderung der Beihilfen TWD I zu veranlassen, so hätte sie das Verfahren nach Artikel 169 EWG-Vertrag oder nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrages wählen müssen, und nicht das im Vertrag nicht vorgesehene Verfahren der bedingten Genehmigung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 4. Februar 1992 in der Rechtssache C-294/90, British Ärospace und Rover/Kommission, Slg. 1992, I-493, Randnrn. 11 ff.). Zudem betreffe die nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eröffnete Möglichkeit zur Umgestaltung nur mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen, was hier nach den Entscheidungen selbst nicht der Fall sei.

25 Ausserdem sei die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen Sache der Mitgliedstaaten, und die Klägerin sei berechtigt, die Rückforderung der Beihilfen TWD I vor den nationalen Gerichten anzufechten und sich hierzu auf den Vertrauensschutz zu berufen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor u. a., Slg. 1983, 2633). Unter diesen Umständen stelle die Verknüpfung der Beihilfen TWD I mit den Beihilfen TWD II und TWD III durch die angefochtenen Entscheidungen einen ungerechtfertigten Eingriff in die nationale Rechtsordnung dar. Durch die Aussetzung der Zahlung der Beihilfen TWD II und TWD III sei es der Klägerin nämlich verwehrt, sich mit Erfolg auf Vertrauensschutzgesichtspunkte nach nationalem Recht zu berufen, weil sie, selbst wenn sie in dem von ihr anhängig gemachten nationalen Verfahren obsiegte, keine Möglichkeit hätte, die Beihilfen TWD II und TWD III zu erhalten.

26 Überdies habe die Kommission, indem sie in den Entscheidungen TWD II und TWD III festgestellt habe, daß sie über keine Zwangsmittel verfügt, um die Durchführung ihrer Entscheidung von 1986 zu beschleunigen oder durchzusetzen , versucht, wirtschaftlichen Druck auf die Klägerin auszuüben, um die Rückzahlung der Beihilfen TWD I zu erreichen, was einen Mißbrauch und eine Anmassung von Befugnissen eines Mitgliedstaats darstelle. Da das Rückforderungsverfahren dem nationalen Recht unterliege, dürfe die Kommission nicht von einer Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der Beihilfen TWD I ausgehen und folglich keine bedingte Genehmigung aussprechen, ohne die Entscheidung des nationalen Gerichts abzuwarten.

27 Zu ihrer Rechtsstellung nach nationalem Recht macht die Klägerin geltend, daß eine Rückzahlung, was die beiden Darlehen des Landes Bayern betreffe, nicht mehr möglich sei. Da das Land Bayern die betreffenden Beihilfen nicht zurückgefordert habe, sei deren Rückforderung nun durch § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ausgeschlossen, der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulasse, zu dem die Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen Kenntnis erhalten habe.

28 Zu den von der Bundesregierung gewährten Beihilfen führt die Klägerin aus, sie habe sich im Rahmen ihrer Klage beim Verwaltungsgericht Köln und dann ihrer Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen auf den Vertrauensschutz und das VwVfG berufen. Zu keiner Zeit sei sie darauf hingewiesen worden, daß den Beihilfen TWD I Normen der Gemeinschaft entgegenstuenden, so daß sie bei Durchführung der Investition und Erlaß der entsprechenden nationalen Bescheide auf deren Bestand habe vertrauen dürfen. Im übrigen sei die Einjahresfrist des § 48 VwVfG für die deutschen Bundesbehörden abgelaufen, denen die Rechtswidrigkeit der Beihilfen TWD I bereits bei ihrer Vergabe bekannt gewesen sei.

29 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gelte zwar nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89 (Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437) nicht für Beihilfen, die unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages gewährt worden seien, doch gebe es auch Fälle, in denen sich das Unternehmen auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen verlassen dürfe und letztlich der Gerichtshof zu entscheiden habe, ob der Vertrauensschutz durchgreife. Dies sei hier der Fall, da der Beihilfekodex erst 1985 ° nach Beantragung und Erteilung der Beihilfen TWD I ° im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht und damit der Klägerin bekannt gemacht worden sei und sie von den deutschen Behörden Zusicherungen hinsichtlich der Rechtmässigkeit der fraglichen Beihilfen erhalten habe. Die Vorabveröffentlichung des Beihilfekodex im Bulletin der Europäischen Gemeinschaften könne nicht ausreichen, um eine Kenntnispflicht des Unternehmens zu begründen.

30 Die Streithelferin in der Rechtssache T-486/93 bestreitet nicht, daß die Kommission einen in gemeinschaftswidriger Weise erlangten Wettbewerbsvorteil der Klägerin berücksichtigen könne, ist aber der Auffassung, daß im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben könne, inwieweit die Kommission die Auswirkungen eines Verbleibens der Beihilfen TWD I berücksichtigen könne. In der Entscheidung TWD III sei die Vereinbarkeit der Beihilfen TWD III mit dem Gemeinsamen Markt bejaht worden, und ihre Auszahlung dürfe damit nicht untersagt werden. Für die aufschiebende Bedingung gebe es daher keine Rechtsgrundlage; sie hätte als Maßnahme, die die Klägerin beschwere, einer vertraglichen Ermächtigung bedurft (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1965 in der Rechtssache 111/63, Lemmerz-Werke/Hohe Behörde, Slg. 1965, 893, 911), denn die Kommission sei nicht befugt, Verfahren anzuwenden, die nicht im Vertrag vorgesehen seien (Urteil vom 4. Februar 1992, British Ärospace und Rover/Kommission, a. a. O., Randnr. 14). Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages hätten zur Folge, daß der Mitgliedstaat eine Beihilfe, deren Unvereinbarkeit festgestellt sei, aufzuheben oder umzugestalten habe, und nicht, daß er eine Beihilfe, deren Vereinbarkeit festgestellt worden sei, nicht auszahlen dürfe.

31 Im übrigen sei der Vorteil der Klägerin aufgrund der Beihilfen TWD I, sofern er noch bestehe, nur die Konsequenz aus ihrem Recht, die Rückforderung anzufechten, und die von der Kommission vorgenommene Verknüpfung sei für den Fall des Obsiegens der Klägerin in dem von ihr anhängig gemachten nationalen Verfahren mit dem Prinzip des Rechtsstaats unvereinbar. Da die Rückforderung sich nach nationalem Recht richte, müsse die Kommission die Folgen daraus in Kauf nehmen und dürfe sie nicht durch im Vertrag nicht vorgesehene Verfahren umgehen. Die Kommission könne allenfalls eine Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben.

32 Aus der Entscheidung TWD III gehe nämlich hervor, daß die Kommission die aufschiebende Bedingung als Sanktion verstehe, da sie sonst nicht über ein Zwangsmittel zur Durchsetzung der Entscheidung TWD I verfüge. Für eine derartige Sanktionsbefugnis gebe es jedoch keine Rechtsgrundlage. Es sei zu berücksichtigen, daß Sanktionen in besonders starkem Masse in die Rechtsstellung des einzelnen eingriffen und daher einer klaren und unzweideutigen Ermächtigung bedürften (Urteil des Gerichtshofes vom 25. September 1984 in der Rechtssache 117/83, Könecke, Slg. 1984, 3291, Randnrn. 16 f.).

33 Die Beklagte macht geltend, daß die Beihilfen TWD II und TWD III für sich allein mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien, daß es aber erforderlich gewesen sei, sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die die Auswirkungen der Beihilfe beeinflussen könnten, darunter insbesondere den Umstand, daß die Klägerin immer noch im Besitz der Beihilfen TWD I sei, die in einer bestandskräftigen Entscheidung von 1986 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden seien (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1991 in der Rechtssache C-261/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-4437, Randnr. 20). Aus den Entscheidungen TWD II und TWD III gehe eindeutig hervor, daß die Wirkung der neuen Beihilfen TWD II und TWD III jeweils kumuliert mit den alten nicht zurückgeforderten Beihilfen TWD I der Klägerin einen übermässigen und unzulässigen Vorteil verschafften, der das gemeinschaftliche Interesse erheblich beeinträchtige.

34 Rechtsgrundlage der Entscheidungen TWD II und TWD III sei Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages. Die Beihilfen TWD II und TWD III fielen unter das Beihilfeverbot des Artikels 92 Absatz 1, könnten jedoch gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn die Beihilfen TWD I zurückgezahlt würden. Eine solche Entscheidung sei die für die Klägerin mildestmögliche, da die Kommission, wenn sie nicht die Möglichkeit hätte, die Zahlung der neuen Beihilfen auszusetzen, sie sofort für überhaupt nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären müsste.

35 Das Urteil British Ärospace und Rover/Kommission (a. a. O.) verweise die Kommission zwar auf die durch Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrages eröffnete Möglichkeit einer Klage beim Gerichtshof, aber auch, in Randnummer 10, auf die Möglichkeit des Artikels 93 Absatz 1, die Beihilfe umzugestalten. Im vorliegenden Fall sei eine Umgestaltung der Beihilfen ° in Form der Aussetzung ihrer Auszahlung, bis der rechtswidrige Wettbewerbsvorteil der Klägerin nicht mehr bestehe ° die angemessene Lösung gewesen.

36 Die Entscheidungen TWD II und TWD III enthielten nicht jeweils zwei selbständige Entscheidungen, von denen die eine die Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erkläre und die andere ihre Zahlung aussetze. Sie stellten vielmehr in beiden Fällen eine einheitliche Entscheidung dar, die feststelle, daß die Beihilfen TWD II und TWD III nur dann mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und erst dann ausgezahlt werden dürften, wenn die Klägerin zuvor die Beihilfen TWD I zurückgezahlt habe, und deren Ziel entsprechend dem Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87 (Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 66) die Wiederherstellung der früheren Lage sei.

37 Die bedingte Genehmigung der Beihilfen TWD II und TWD III sei weder ein Zwangs- oder wirtschaftliches Druckmittel noch ermessensmißbräuchlich. Das einzige Mittel zur tatsächlichen Durchsetzung der Entscheidung TWD I, die Bestandskraft erlangt habe, sei ein Vertragsverletzungsverfahren. Zweck der Entscheidungen TWD II und TWD III sei allein, zu verhindern, daß an die Klägerin neue wettbewerbsverfälschende und deshalb unzulässige Beihilfen ausgezahlt würden. Selbst ein nach nationalem Recht etwa eingreifender Grundsatz des Vertrauensschutzes könne der Kommission nicht gebieten, durch Genehmigung der Auszahlung der neuen Beihilfen, die den Markt verfälschten und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, sofern die Beihilfen TWD I beibehalten würden, gegen den Vertrag zu verstossen.

38 Im übrigen ergebe sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. Dezember 1989, daß der Klägerin für die Beihilfen der Bundesregierung kein Vertrauensschutz zukomme. Nach deutschem Recht entstehe ein Vertrauensschutz unter solchen Umständen nur, wenn der Begünstigte zunächst Vertrauen gebildet und dann in diesem Vertrauen gehandelt habe, während die Klägerin im vorliegenden Fall ihre Investitionen grösstenteils vor Erhalt der Beihilfen TWD I durchgeführt habe. Ferner sei eine Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe; die Klägerin habe nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln wissen müssen, daß die Beihilfen rechtswidrig seien. Ausserdem sei die Rücknahme der Bescheinigungen des Bundesministeriums für Wirtschaft innerhalb der Jahresfrist des § 48 VwVfG erfolgt, die nicht vor dem 1. September 1986 habe beginnen können.

39 Für die vom Land Bayern gewährten Beihilfen gelte, daß der Klägerin die Verpflichtung Bayerns zur Rücknahme der Beihilfe bekannt gewesen sei, und sie habe nicht darauf vertrauen dürfen, daß sich die bayerischen Behörden gemeinschaftsrechtswidrig verhalten und von einer Rückforderung der Beihilfen absehen würden.

40 Jedenfalls dürfe durch die Anwendung des nationalen Rechts die Durchführung der Entscheidung TWD I nicht unmöglich gemacht werden. In der vorliegenden Rechtssache lägen die in den Urteilen Deutsche Milchkontor u. a. (a. a. O., S. 2665 f.) und Kommission/Deutschland (a. a. O., Randnr. 17) aufgestellten Voraussetzungen vor, so daß die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes unanwendbar seien. Zudem ergebe sich aus dem Urteil Kommission/Deutschland (a. a. O., Randnr. 14), daß ein Gewerbetreibender nicht auf Beihilfen vertrauen dürfe, die ohne Beachtung des Verfahrens des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages gewährt worden seien.

41 Jedenfalls dürften die nationalen Gerichte einen Schutz des Vertrauens auf die Beibehaltung gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen nicht ohne Anrufung des Gerichtshofes anerkennen (Urteil vom 20. September 1990, Kommission/Deutschland, a. a. O., Randnr. 16). Wenn aber der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens für Recht erkannt hätte, daß das Vertrauen der Klägerin auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen TWD I auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht berechtigt gewesen wäre, so wäre die Aussetzung der Zahlung der Beihilfen TWD II und TWD III automatisch gegenstandslos geworden. Dies sei jedoch hier nicht der Fall.

Würdigung durch das Gericht

42 Die durch diese Klagegründe aufgeworfenen Fragen sind in zwei Schritten zu prüfen: Erstens ist die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der Entscheidungen TWD II und TWD III und zweitens der Vorwurf des Verstosses gegen die für die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geltenden Grundsätze zu untersuchen.

° Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der Entscheidungen TWD II und TWD III

43 Nach Artikel 1 der beiden Entscheidungen sind die Beihilfen TWD II und TWD III jeweils mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag vereinbar. Nach Artikel 2 der beiden Entscheidungen sind die deutschen Behörden jedoch verpflichtet, die Auszahlung der in Artikel 1 dieser Entscheidung bezeichneten Beihilfen an... [die Klägerin] so lange aus[zusetzen], bis die Rückzahlung der in Artikel 1 der Entscheidung [TWD I] bezeichneten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen tatsächlich erfolgt ist.

44 Die Klägerin und die Streithelferin stützen ihr Vorbringen zur Frage der Zuständigkeit der Kommission hauptsächlich auf den Umstand, daß der genannte Artikel 1 der beiden Entscheidungen die Beihilfen TWD II und TWD III jeweils für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Sie meinen, der Kommission fehle die Zuständigkeit für die Aussetzung der Zahlung von solchermassen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärten Beihilfen.

45 Angesichts dieses Vorbringens sind zur Beurteilung der Frage, ob die Kommission für den Erlaß der streitigen Entscheidungen zuständig war, zunächst der Inhalt und die Tragweite dieser Entscheidungen zu bestimmen. Insbesondere ist das Verhältnis zwischen dem verfügenden Teil und der Begründung der streitigen Entscheidungen zu prüfen.

46 Bei der Auslegung des verfügenden Teils einer Handlung ist die Begründung, die zu ihrem Erlaß geführt hat, zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnr. 320).

47 In der Entscheidung TWD II stellt die Kommission am Ende des Abschnitts IV fest, daß die Beihilfen TWD II... somit für die Anwendung der Ausnahmebestimmungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag in Betracht kommen, um dann in der ersten Begründungserwägung des Abschnitts V fortzufahren:

Bei der Entscheidung, ob eine der Ausnahmebestimmungen des Artikels 92 Absatz 3 EWG-Vertrag für eine Beihilfe in Frage kommt, muß die Kommission sämtliche Umstände berücksichtigen, welche die Auswirkungen der Beihilfe auf die Handelsbedingungen in der Gemeinschaft beeinflussen können.

48 Sodann stellt die Kommission nach einem Rückblick auf die Vorgeschichte des Falles fest:

Die kumulierende Wirkung der rechtswidrigen Beihilfe, deren Rückzahlung von [der Klägerin] seit 1986 verweigert wird, und dieser neuen Investitionsbeihilfe [d. h. der Beihilfen TWD II] würde dem Unternehmen einen übermässigen und unzulässigen Vorteil verschaffen, der die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigen würde (Abschnitt V, siebte Begründungserwägung).

Daraus ergibt sich, daß dieses Unternehmen hierdurch eine ungerechtfertigte Bereicherung erfahren hat, die bis zur tatsächlichen Rückzahlung der rechtswidrig empfangenen Beihilfen andauert.

Unter diesen Voraussetzungen hält es die Kommission für angezeigt, die Auszahlung der als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar eingestuften Beihilfen... solange auszusetzen, bis die mit der Entscheidung von 1986 angeordnete Rückzahlung der rechtswidrig gewährten Beihilfen tatsächlich erfolgt ist...

Hierbei ist zu bedenken, daß die Kommission über keine Zwangsmittel verfügt, um die Durchführung ihrer Entscheidung von 1986 zu beschleunigen oder durchzusetzen, was die Aussetzung der Auszahlung dieser Beihilfen um so erforderlicher macht.

Es sei darüber hinaus daran erinnert, daß die Kommission in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag bereits auf die zweifachen wettbewerbsverfälschenden Auswirkungen hingewiesen hat, die sich bei der Berücksichtigung der nicht erfolgten Zurückzahlung der rechtswidrigen Beihilfen durch [die Klägerin] ergeben. Weder die deutsche Regierung noch das betreffende Unternehmen haben hiergegen besondere Einwände oder Bemerkungen vorgebracht (neunte bis zwölfte Begründungserwägung).

49 Die Kommission kommt zu dem Schluß, daß

... die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar eingestuften Beihilfen [TWD II] erst ausgezahlt werden [dürfen], nachdem die von [der Klägerin] in den Jahren 1981-1983 rechtswidrig empfangenen Beihilfen, die Gegenstand der Entscheidung 86/509/EWG der Kommission sind, zurückgezahlt worden sind (dreizehnte Begründungserwägung).

50 Die Begründung der Entscheidung TWD III ist nahezu dieselbe wie die der Entscheidung TWD II (vgl. insbesondere die letzte Begründungserwägung im Abschnitt III sowie die erste und die zehnte bis vierzehnte Begründungserwägung im Abschnitt IV der Entscheidung TWD III).

51 Unter diesen Umständen sind die Entscheidungen TWD II und TWD III in ihrem jeweiligen Zusammenhang dahin auszulegen, daß die Kommission die neuen Beihilfen TWD II und TWD III für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte, solange die alten Beihilfen TWD I nicht zurückgezahlt worden sind. Die Kommission befand nämlich in den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidungen, daß die kumulierende Wirkung der alten Beihilfen TWD I und der neuen Beihilfen TWD II und TWD III die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigen würde. Die streitigen Entscheidungen bedeuten also, daß die neuen Beihilfen TWD II und TWD III für sich allein mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein können, jedoch ohne Beseitigung der kumulierenden Wirkung der alten Beihilfen TWD I und der neuen Beihilfen TWD II und TWD III nicht gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigungsfähig sind.

52 Folglich kann der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidungen nicht so ausgelegt werden, wie die Klägerin und die Streithelferin dies vortragen, nämlich als unbedingte Erklärung der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (Artikel 1), verbunden mit einer rechtswidrigen aufschiebenden Bedingung (Artikel 2). Im Gegenteil ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der streitigen Entscheidungen, daß die Kommission ohne die Bedingung in deren Artikel 2 nicht die Vereinbarkeit der neuen Beihilfen TWD II und TWD III festgestellt hätte, wie sie es in Artikel 1 dieser Entscheidungen getan hat. Mit Artikel 2 der beiden Entscheidungen soll nämlich gerade die Feststellung der Vereinbarkeit in Artikel 1 ermöglicht werden.

53 Unter diesen Umständen ist weiter zu prüfen, ob die Kommission für den Erlaß der Entscheidungen verbunden mit Bedingungen für die Gewährung der Beihilfen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zuständig war.

54 Gemäß Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages sind alle staatlichen Beihilfen im Sinne dieser Vorschrift mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit nicht in Artikel 92 Absätze 2 und 3 etwas anderes bestimmt ist. Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äusserung gesetzt hat, daß eine staatliche Beihilfe mit Artikel 92 unvereinbar ist, so entscheidet sie nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1, daß der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat.

55 Diese Befugnis der Kommission, zu entscheiden, daß eine Beihilfe umzugestalten ist, schließt notwendig ein, daß eine Entscheidung der Kommission, mit der eine Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt wird, mit Bedingungen verbunden werden kann, um zu verhindern, daß die Handelsbedingungen in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigt werden.

56 Ausserdem muß, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Italien/Kommission (a. a. O., Randnr. 20) entschieden hat, die Kommission, wenn sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüft, alle einschlägigen Umstände gegebenenfalls einschließlich des bereits in einer früheren Entscheidung beurteilten Zusammenhangs sowie die Verpflichtungen, die einem Mitgliedstaat durch diese vorhergehende Entscheidung auferlegt wurden, prüfen. Folglich durfte die Kommission bei ihrer Entscheidung zum einen die mögliche kumulierende Wirkung der Beihilfen TWD I und der neuen Beihilfen TWD II und TWD III und zum anderen den Umstand berücksichtigen, daß die in der Entscheidung TWD I für rechtswidrig erklärten Beihilfen TWD I nicht zurückgezahlt worden waren.

57 Es ist noch zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerin und die Streithelferin geltend machen, ein nicht im Vertrag vorgesehenes Verfahren angewendet hat und ob die Kommission unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache nur im Wege der Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 oder nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrages hätte vorgehen können.

58 Anders als in der dem Urteil British Ärospace und Rover/Kommission (a. a. O.) zugrunde liegenden Situation, hat die Kommission im vorliegenden Fall das Aufforderungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Vertrages ordnungsgemäß durchgeführt, bevor sie die angefochtenen Entscheidungen erließ.

59 Ausserdem haben die im Vertrag vorgesehenen Vertragsverletzungsverfahren nicht dasselbe Ziel wie Artikel 2 der streitigen Entscheidungen. In der vorliegenden Rechtssache bestuende das Ziel eines Vertragsverletzungsverfahrens in der Feststellung einer Vertragsverletzung im Zusammenhang mit der Nichtbefolgung der Entscheidung TWD I. Dagegen beziehen sich die Entscheidungen TWD II und TWD III, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, auf die Voraussetzungen für die Gewährung neuer Beihilfen, die zu beantragen die Klägerin niemals verpflichtet war. In diesem Zusammenhang besteht das Ziel von Artikel 2 der streitigen Entscheidungen nicht in der Feststellung eines Vestosses gegen die Entscheidung TWD I, sondern darin, die Auszahlung neuer Beihilfen, durch die der Wettbewerb in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Maß verfälscht würde, zu verhindern.

60 Folglich hat die Kommission keine im Vertrag nicht vorgesehenen Verfahren angewendet, und sie war im vorliegenden Fall nicht ausschließlich auf den Weg der Vertragsverletzungsverfahren verwiesen.

61 Zum Vorbringen der Klägerin und der Streithelferin, die Kommission habe insbesondere durch die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltene Behauptung, daß sie über keine Zwangsmittel verfügt, um die Durchführung ihrer Entscheidung von 1986 zu beschleunigen oder durchzusetzen, was die Aussetzung der Auszahlung dieser Beihilfen um so erforderlicher macht (vgl. oben, Randnr. 26) einen Ermessensmißbrauch begangen, ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, daß der Begriff des Ermessensmißbrauchs eine ganz präzise Bedeutung hat und den Fall betrifft, daß eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als demjenigen ausgeuebt hat, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen wurde (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, und Urteil des Gerichts vom 2. Februar 1995 in der Rechtssache T-106/92, Frederiksen/Parlament, Slg. ÖD 1995, I-A-29).

62 Wie bereits festgestellt soll Artikel 2 der streitigen Entscheidungen sicherstellen, daß der Gemeinsame Markt nicht durch die Auszahlung der neuen Beihilfen TWD II und TWD III vor Rückzahlung der alten Beihilfen TWD I verfälscht wird (vgl. oben, Randnr. 59). Folglich wurden die angefochtenen Entscheidungen nicht zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen, und sie sind damit nicht ermessensfehlerhaft (vgl. auch unten, Randnrn. 64 bis 68).

63 Folglich war die Kommission für den Erlaß des Artikels 2 der streitigen Entscheidungen zuständig.

° Zum Vorwurf eines Verstosses gegen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten

64 Mit diesem Klagegrund, wonach Artikel 2 der streitigen Entscheidungen, der die Auszahlung der Beihilfen TWD II und TWD III bis zur Rückzahlung der Beihilfen TWD I aussetzt, einen ungerechtfertigten Eingriff in die nationale Rechtsordnung darstellen soll, wird der Kommission im wesentlichen vorgeworfen, gegen die Normen über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten verstossen zu haben, indem sie zum einen die Anhängigkeit eines nationalen Rechtsstreits mit demselben Gegenstand nicht beachtet und zum anderen gegen den in diesem nämlichen Rechtsstreit geltend gemachten Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem betreffenden nationalen Verwaltungsrecht festgelegt sei, verstossen habe.

65 Somit ist zu prüfen, ob die Anhängigkeit eines nationalen Rechtsstreits, in dem solche Fragen nationalen Rechts aufgeworfen werden, die Rechtmässigkeit der Entscheidungen TWD II und TWD III beeinflussen kann.

66 Zunächst kann die blosse Anhängigkeit eines nationalen Rechtsstreits die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß von Artikel 2 der angefochtenen Entscheidungen nicht in Frage stellen. Die Rechtmässigkeit der Entscheidungen TWD II und TWD III kann nämlich nicht von Fragen des deutschen nationalen Rechts wie der Beachtung von § 48 VwVfG durch die deutschen Behörden abhängen. Ausserdem kann die Anhängigkeit eines Rechtsstreits auf nationaler Ebene nicht die Zuständigkeit der Kommission für den Erlaß aller Maßnahmen berühren, die erforderlich sind, um sicherzustellen, daß der Wettbewerb in der Gemeinschaft nicht verfälscht wird.

67 Wie insoweit bereits festgestellt (vgl. oben, Randnrn. 59 bis 62), soll Artikel 2 der streitigen Entscheidungen sicherstellen, daß der Wettbewerb im Gemeinsamen Markt durch die kumulierende Wirkung der fraglichen Beihilfen nicht verfälscht wird, sein Ziel ist nicht, die Klägerin an der Geltendmachung ihrer Rechte in der nationalen Rechtsordnung zu hindern. Folgte man der Auffassung der Klägerin, so wäre dies gleichbedeutend mit der Erklärung, daß die Kommission zur Verletzung des Vertrages durch Gewährung neuer Beihilfen verpflichtet war, die dazu geeignet waren, die Verzerrung des Wettbewerbs, die sich aus der unterbliebenen Rückzahlung der rechtswidrigen alten Beihilfen ergab, zu verstärken.

68 Überdies hindern die streitigen Entscheidungen die Klägerin nicht daran, den vor dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit fortzusetzen, was die Klägerin übrigens im vorliegenden Fall auch getan hat. Ausserdem kann sich die Klägerin nicht über die angebliche Ausübung eines Drucks beklagen, da sie selbst aus freien Stücken die Gewährung neuer Beihilfen beantragte, obwohl sie den Wettbewerbsvorteil aufgrund der durch die Entscheidung TWD I für rechtswidrig erklärten Beihilfen weiterhin besaß.

69 Jedenfalls darf die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nach ständiger Rechtsprechung durch die Anwendung nationalen Rechts nicht praktisch unmöglich gemacht werden (vgl. die Urteile des Gerichtshofes vom 21. September 1983 in der Rechtssache Deutsche Milchkontor u. a., a. a. O., Randnr. 22, und vom 20. September 1990 in der Rechtssache Kommission/Deutschland, a. a. O., Randnr. 12). Der Gerichtshof hat insoweit insbesondere entschieden, daß ein beihilfebegünstigtes Unternehmen angesichts der zwingend vorgeschriebenen Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission nach Artikel 93 des Vertrages auf die Ordnungsgemäßheit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen darf, wenn diese unter Beachtung des dort vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde. Der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe kann sich in diesem Fall nur ausnahmsweise auf den Vertrauensschutz berufen. In einem solchen Fall ist es Sache des nationalen Gerichts, so es befasst wird, alle Umstände zu würdigen und dem Gerichtshof gegebenenfalls Auslegungsfragen vorzulegen (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, a. a. O., Randnrn. 12 bis 16).

70 In der vorliegenden Rechtssache steht fest, daß das Verfahren des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages bei der Gewährung der Beihilfen TWD I nicht eingehalten wurde. Entsprechend dem Urteil Kommission/Deutschland (a. a. O., Randnr. 16) kann der Klägerin folglich der Vertrauensschutz, auf den sie sich im nationalen Verfahren beruft, nur unter aussergewöhnlichen Umständen zuerkannt werden. Ferner steht fest, daß das nationale Gericht den Gerichtshof nicht gemäß Artikel 177 des Vertrages um Vorabentscheidung ersucht hat, um zu erfahren, ob hier solche aussergewöhnlichen Umstände im Sinne des Gemeinschaftsrechts vorliegen.

71 Unter diesen Umständen war die Kommission nach der Rechtsordnung der Gemeinschaft nicht verpflichtet, vor Erlaß des Artikels 2 der streitigen Entscheidungen den Ausgang des nationalen Rechtsstreits ° in dem übrigens das angeblich geschützte Vertrauen nach mehr als achtjähriger Verfahrensdauer immer noch nicht nachgewiesen ist ° abzuwarten. Jede andere Auslegung würde den Artikeln 92 und 93 ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

72 Überdies betrifft der nationale Rechtsstreit, auf den sich die Klägerin beruft, nicht die von den bayerischen Behörden gewährten Beihilfen TWD I. Insoweit ist hervorzuheben, daß die bayerischen Behörden nach eigenem Bekunden der Klägerin, dem weder von der Streithelferin noch von der Beklagten widersprochen wurde, die Einjahresfrist des § 48 VwVfg verstreichen ließen, ohne irgendwelche Schritte zur Rückforderung der streitigen Beihilfen zu unternehmen. Ferner hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß die bayerischen Behörden die streitigen Beihilfen nicht zurückfordern wollten und es abgelehnt hätten, den erforderlichen Rückforderungsbescheid zu erlassen.

73 Unter diesen Umständen kann die Klägerin jedenfalls nach dem Gemeinschaftsrecht aus der Tatsache, daß die bayerischen Behörden die Rückzahlung der Beihilfen TWD I nicht innerhalb der nach nationalem Recht vorgesehenen Frist verlangten, keinen Anspruch auf Vertrauensschutz ableiten. Wie nämlich der Gerichtshof in seinem Urteil Kommission/Deutschland (a. a. O., Randnr. 19) entschieden hat, muß eine Bestimmung, die die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nur binnen einer bestimmten Frist zulässt, dergestalt angewandt werden, daß die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene Rückforderung nicht praktisch unmöglich gemacht und das Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt wird.

74 Nach alledem sind die Klagegründe, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission für den Erlaß der angefochtenen Entscheidungen und der angebliche Verstoß gegen die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gerügt werden, zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen des Fehlens eines Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

75 Die Klägerin macht geltend, sie habe heute aufgrund der Beihilfen TWD I keinen Wettbewerbsvorteil, da die Mittel verbraucht und die Darlehen zurückgezahlt seien. Die Kommission habe den Wettbewerbsvorteil, den sie zugrunde gelegt habe, nicht beziffert, und es sei nicht möglich, die in der Entscheidung TWD II enthaltene Behauptung nachzuprüfen, daß die Kombination der Beihilfen TWD I und II ein Nettosubventionsäquivalent von 29 % ergebe.

76 In der Rechtssache T-486/93 fügt die Klägerin, unterstützt durch die Streithelferin, hinzu, die Kommission habe den Wettbewerbsvorteil, der ihr durch die Beihilfen TWD I entstehe, zu hoch angesetzt, da die Klägerin im Hinblick auf den Ausgang des nationalen Verfahrens eine Rücklage in Höhe von 6,12 Millionen DM zuzueglich der jährlichen Zinsen gebildet habe. Die Beihilfen TWD I liefen also dem Gemeinschaftsinteresse nicht zuwider.

77 Die Beklagte weist darauf hin, daß es ihre Sache sei, über die Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nach Maßgabe von auf die Gemeinschaft als Ganzes bezogenen Daten zu entscheiden (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, und vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901) und sämtliche bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Ihre Entscheidung sei in keiner Weise ermessensfehlerhaft.

78 Die Kommission habe es für erforderlich gehalten, in den angefochtenen Entscheidungen sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die die Auswirkungen der Beihilfen TWD II und TWD III beeinflussen könnten, darunter insbesondere den Umstand, daß die Klägerin immer noch im Besitz der Beihilfen TWD I sei. Durch die kumulierende Wirkung der beiden Gruppen von Beihilfen würden der Wettbewerb verfälscht und das gemeinschaftliche Interesse erheblich beeinträchtigt, vor allem, weil der Gemeinschaftsmarkt für Polyamidgarne bereits durch starken Wettbewerb, stagnierende Nachfrage, kapitalintensive Investitionen und geringe Gewinnmargen gekennzeichnet sei.

79 Die im Unternehmen der Klägerin bestehenden Überkapazitäten hätten nämlich erst mit den unrechtmässigen Beihilfen TWD I aufgebaut werden können. Wenn die Klägerin im Besitz der Beihilfen TWD I bleiben und gleichzeitig die Beihilfen TWD II oder TWD III dafür erhalten könnte, die Überkapazitäten abzubauen, die sie mit Hilfe der rechtswidrigen Beihilfen aufgebaut habe, würde sie gleichzeitig für den Aufbau und für den Abbau der Überkapazitäten subventioniert und damit letztlich für ihr früheres gemeinschaftsrechtswidriges Verhalten zweifach belohnt.

80 Nach den Berechnungen der Kommission, wie sie zuletzt in deren Schreiben vom 14. Dezember 1994 zur Beantwortung der Fragen des Gerichts dargestellt wurden, müsste die Klägerin an die deutsche Bundesregierung den Betrag der Investitionszulage von 6,12 Millionen DM zuzueglich 6 % Zinsen (3,67 Millionen DM zum 31. Dezember 1993) zurückzahlen. Hinsichtlich des Darlehens des Landes Bayern bestehe der Vorteil nicht in dem nunmehr zurückgezahlten Darlehensbetrag, sondern in der gewährten Zinsvergünstigung, nämlich dem Unterschied zwischen dem angewandten Satz von 5 % und dem Marktzinssatz, sowie der tilgungsfreien Zeit von zwei Jahren. Auf der Grundlage eines Referenzzinssatzes von 7,5 % betrage die Höhe dieser Vergünstigung bis zum 31. Dezember 1993 1,44 Millionen DM. Daraus ergebe sich für die Beihilfen TWD I ein zurückzuzahlender Gesamtbetrag von 11,2 Millionen DM.

81 In der Rechtssache T-486/93 fügt die Beklagte hinzu, daß der Klägerin, auch wenn sie in ihrer Bilanz eine Rückstellung (und nicht eine Rücklage ) in Höhe von 6,12 Millionen DM für die Rückzahlung der Investitionszulage gebildet habe, dieser Betrag weiterhin mittelbar zur Verfügung stehe und sie ihn bei entsprechendem Ausgang des Rückforderungsverfahrens behalten könne. Ausserdem habe eine solche Rückstellung für die Klägerin durch die Verringerung der Steuerlast positive Auswirkungen. Zudem decke sie nicht die Vorteile, die sich aus der Zinsvergünstigung auf die von den bayerischen Behörden gewährten Darlehen ergäben.

Würdigung durch das Gericht

82 Nach ständiger Rechtsprechung räumt Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages der Kommission ein Ermessen ein, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind (vgl. Urteil Deufil/Kommission, a. a. O., Randnr. 18). Das Gericht hat daher seine Prüfung einer solchen Wertung auf die Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen.

83 Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, daß die Kommission mit der Feststellung in den angefochtenen Entscheidungen, die Klägerin habe einen Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Nichtrückzahlung der Beihilfen TWD I ergebe, und die Beihilfen TWD II und TWD III würden jeweils zusammen mit den Beihilfen TWD I den Wettbewerb in einem dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderlaufenden Masse verfälschen, die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat. Es steht nämlich fest, daß die Klägerin weder die von der deutschen Regierung gewährte Investitionszulage in Höhe von 6,12 Millionen DM noch die seit Zurverfügungstellung dieser Summe aufgelaufenen Zinsen zurückgezahlt hat. Ausserdem reicht der blosse Umstand, daß die vom Land Bayern gewährten Darlehen zurückgezahlt wurden, nicht aus, um eine Wettbewerbsverzerrung auszuschließen, da die Klägerin die damit verbundene Zinsvergünstigung nicht zurückgezahlt hat. Die Klägerin ist also weiter im Besitz des rechtswidrigen Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I, der sich nach Angaben der Kommission auf mehr als 11 Millionen DM beläuft. Im übrigen hat die Klägerin nichts dargetan, was die Berechnungen der Kommission in ihrer mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 endgültig vorgetragenen Form als unrichtig erweisen würde.

84 Zu dem ° auf die Rechtssache T-486/93 beschränkten ° Vorbringen der Klägerin, sie habe in ihrer Bilanz eine Rücklage in Höhe von 6,12 Millionen DM zuzueglich Zinsen gebildet, ist erstens festzustellen, daß die Klägerin der Behauptung der Kommission nicht widersprochen hat, es handle sich nicht um eine Rücklage in ihrer Bilanz, sondern um eine Rückstellung im Hinblick auf den Ausgang des nationalen Verfahrens. Eine solche Rückstellung ist nicht gleichbedeutend mit der Rückzahlung der streitigen Beihilfen. Zweitens hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die fragliche Rückstellung die Wirkung hat, der Klägerin den rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil aufgrund der Beihilfen TWD I zu entziehen. Drittens umfasst diese Rückstellung nicht die Vorteile, die sich aus der Zinsvergünstigung für die Darlehen der bayerischen Behörden ergeben.

85 Folglich hat die Klägerin keinen offensichtlichen Ermessensfehler der Kommission nachgewiesen; die auf das Fehlen eines Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I gestützten Klagegründe sind somit zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerügt wird

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

86 In ihrer Erwiderung in der Rechtssache T-244/93 macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz verstossen, daß sie die Auszahlung der gesamten Beihilfen TWD II von der Rückzahlung der Beihilfen TWD I abhängig gemacht habe. Sie hätte das gleiche Ergebnis durch einen geringeren Eingriff in die Rechte der Klägerin erzielen können, wenn sie die Auszahlung der Beihilfen TWD II abzueglich des Betrages der Beihilfen TWD I genehmigt hätte.

87 In ihrer Klageschrift in der Rechtssache T-486/93 macht die Klägerin geltend, die Kommission habe, selbst wenn sie sich eines Zwangsmittels hätte bedienen dürfen, diese Möglichkeit in der Entscheidung TWD II, also vor Erlaß der Entscheidung TWD III verbraucht; zumindest müssten entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit die Beihilfen TWD II und TWD III addiert, von der Summe die Beihilfen TWD I subtrahiert und die Zahlung der Differenz genehmigt werden.

88 Um dieses Ergebnis zu erreichen, schlägt die Klägerin folgende Berechnungsart vor: vom Betrag der Subvention gemäß der Entscheidung TWD II und den Beträgen der Darlehen gemäß den Entscheidungen TWD II und TWD III sei der zurückzuzahlende Betrag der Beihilfen TWD I anteilsmässig abzuziehen. Die so errechneten Summen (mehr als 21 Millionen DM von den mehr als 30 Millionen DM, die mit den Entscheidung TWD II und TWD III genehmigt worden seien) könnten rechtmässig als Beihilfen ausgezahlt werden. Überdies sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin wegen der Nichtauszahlung der Beihilfen TWD III gezwungen gewesen sei, sich die Geldmittel auf dem freien Geldmarkt zu beschaffen, was ihr bestimmte Verluste verursacht habe.

89 In der Rechtssache T-486/93 macht die Klägerin in ihrer Erwiderung geltend, die Beklagte hätte zur Berechnung des Wertes der Beihilfen in Form von zinsvergünstigten Darlehen den Referenzzinssatz von 7,5 %, der damals von der Bundesregierung verwendet worden sei, und nicht den Satz von 9,5 % zugrunde legen müssen.

90 Die Beklagte hält es in ihrer Gegenerwiderung in der Rechtssache T-244/93 für fraglich, ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit auf eine Entscheidung anwendbar sei, mit der keine Sanktion verhängt werde. Durch die Entscheidung TWD II werde lediglich ausgesprochen, daß neue Beihilfen, auf die die Klägerin keinen Rechtsanspruch habe, erst dann an diese ausgezahlt werden dürften, wenn sie den Wettbewerb nicht mehr verzerrten. Jedenfalls sei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit offensichtlich nicht verletzt, weil der zurückzuzahlende Betrag der Beihilfen TWD I den Betrag der Beihilfen TWD II übersteige. Der Wert der Beihilfen TWD I habe 11,2 Millionen DM und der der Beihilfen TWD II am 31. Dezember 1993 5,77 Millionen DM betragen (Anlage I zum Schreiben der Kommission vom 14. Dezember 1994).

91 In ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache T-486/93 macht die Beklagte geltend, die Berechnungen der Klägerin, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit aufgezeigt werden solle, (s. o., Randnr. 88), seien im Ansatz falsch, insbesondere weil die Klägerin die Investitionszulage und die Darlehensbeträge addiert habe, während auf die Investitionszulage und die im Zusammenhang mit den Darlehen gewährten Zinsvergünstigungen abzustellen sei. Auch der Ansatz der Klägerin zur Berechnung ihrer Verluste sei falsch, weil sie nicht auf den jeweils bestehenden Wettbewerbsvorteil aufgrund der Nichtrückzahlung der Beihilfen TWD I abgestellt habe.

92 In ihrer Gegenerwiderung in der Rechtssache T-486/93 räumt die Beklagte ein, daß die Auffassung der Klägerin, der Berechnung sei ein Zinssatz von 7,5 % zugrunde zu legen, zutreffe. Da dieser Satz aber auch für die Darlehen TWD II und TWD III gelte, bleibe die Relation zwischen den Subventionen TWD I und den ausgesetzten Subventionen nahezu unverändert. Zum 31. Dezember 1993 belaufe sich der Subventionsvorteil der Beihilfen TWD I auf etwa 11,2 Millionen DM und derjenige aufgrund der Beihilfen TWD II und III auf etwa 6,1 Millionen DM, d. h. 5,77 Millionen DM für die Beihilfen TWD II und 0,348 Millionen DM für die Beihilfen TWD III (vgl. das Schreiben der Kommission vom 14. Dezember 1994). Der durch die Beihilfen TWD I entstandene Wettbewerbsvorteil sei nämlich höher als ihr Subventionswert, wenn Umstände wie die positiven steuerlichen Auswirkungen, die erhöhte Liquidität, die faktischen Vorteile aus den Beihilfen, die zwischenzeitlichen Investitionen, die zusätzlichen Möglichkeiten, Kredite zu erhalten, oder die Zinsen auf die Rückstellung der Klägerin berücksichtigt würden.

93 Schließlich habe die Kommission stets anerkannt, daß ein Zeitpunkt erreicht werden könne, zu dem die dem Unternehmen vorenthaltenen Beihilfen den rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil der Klägerin übersteigen könnten. Im vorliegenden sei dies jedoch noch nicht der Fall. Folglich stelle sich die Frage, ob die Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen habe, nicht.

Würdigung durch das Gericht

94 Die Klägerin hat in der Rechtssache T-244/93 ihr Vorbringen in der Erwiderung, die Kommission hätte die Auszahlung der Beihilfen TWD II abzueglich der Beihilfen TWD I genehmigen müssen, weder erläutert noch beziffert. Es ist daher festzustellen, daß die Klägerin keinen Nachweis für einen Verstoß der Entscheidung TWD II gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz erbracht hat.

95 In der Rechtssache T-486/93 ist festzustellen, daß die Berechnungen, auf die die Klägerin ihr Vorbringen stützt (oben, Randnr. 88), falsch sind. Wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, sind zur Berechnung des Wertes der fraglichen Beihilfen die Investitionszulage und die Zinsvergünstigungen zu addieren, während die Klägerin bei ihrer Berechnung die Investitionszulage und die gesamten Darlehensbeträge addiert hat. Ferner ist bei den angeblichen Verlusten der Klägerin nicht berücksichtigt, daß sie im Besitz des rechtswidrigen Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I geblieben ist.

96 Folglich ergibt sich aus den von der Klägerin vorgetragenen Berechnungen keineswegs, daß der Betrag der Beihilfen TWD II und TWD III die Beihilfen TWD I übersteigt. Im Gegenteil haben die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, daß der Wert der Beihilfen TWD II und TWD III bei Erlaß der darauf bezogenen Entscheidungen unter dem Wert des rechtswidrigen Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I lag. Überdies bleibt der Wert des rechtswidrigen Wettbewerbsvorteils aufgrund der Beihilfen TWD I nach den Zahlenangaben der Kommission, die die Klägerin nicht entkräftet hat, deutlich über dem Wert der Beihilfen TWD II und TWD III, selbst wenn man einen Referenzzinssatz von 7,5 % zugrunde legt.

97 Da die Klägerin die Richtigkeit der Annahme, auf der ihr Vorbringen beruht, daß nämlich die Summe der Beihilfen TWD II und TWD III den Wert der Beihilfen TWD I übersteige, nicht nachgewiesen hat, sind die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerügt wird, jedenfalls zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, die auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen TWD I gestützt werden

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

98 Die Klägerin macht in der Erwiderung in der Rechtssache T-244/93 und in der Klageschrift in der Rechtssache T-486/93 geltend, ein Teil der Beihilfen TWD I habe die materiellen Voraussetzungen erfuellt, um für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt zu werden, zumindest was die Erneuerung der Texturierung, die Sanierung der Färberei und die Anschaffung von Strickmaschinen betreffe. Wenn nämlich die Beihilfen TWD II, die die Garnherstellung und die Strickerei beträfen, insgesamt rechtmässig seien, müsse dies auch für durch die Beihilfen TWD I subventionierte gleichartige Tätigkeiten gelten. Durch die Erneuerung der Texturierung, die Sanierung der Färberei und die Anschaffung von Strickmaschinen sei keine Produktionssteigerung hervorgerufen worden.

99 Ausserdem habe sich die Kommission mit weiteren, 1988 gewährten Beihilfen für gleichartige Investitionen in den Jahren 1985-1987 einverstanden erklärt. Die Klägerin tritt den Beweis dafür durch Vorlage eines Vermerks des Bundesministeriums für Wirtschaft vom 7. April 1988 über ein Telefongespräch mit einem Beamten der Kommission an. Die Kommission habe somit 1988 entschieden, daß dieselben Beihilfen wie die Beihilfen TWD I nicht zum Faser-, sondern zum Textilbereich gehörten.

100 Da die Rechtswidrigkeit der Beihilfen TWD I wegen Nichtanmeldung nur eine formale sei, stelle der Versuch, ihre Rückzahlung durchzusetzen, einen Ermessensmißbrauch dar, denn die Kommission habe Beihilfen unter diesen Umständen bisher niemals zurückgefordert.

101 Die Klägerin könne sich auch jetzt noch auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung TWD I berufen, da Artikel 184 EWG-Vertrag analog anwendbar sei (vgl. insbesondere das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777). Die Klägerin hätte zwar gegen die Entscheidung TWD I unmittelbar klagen können, doch sei ihr deren tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung erst mit Kenntnis der Entscheidung TWD II bewusst geworden.

102 Die Beklagte macht geltend, die Entscheidung TWD I sei durch Ablauf der Klagefrist des Artikels 173 des Vertrages am 1. November 1986 bestandskräftig geworden. Da die Klägerin nicht rechtzeitig gegen die Entscheidung TWD I Klage eingereicht habe, sei ihr Vorbringen also unzulässig und unerheblich. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, die Beihilfen TWD I seien nicht nur formal, sondern auch materiell rechtswidrig. Die Investitionen TWD I hätten nämlich die Produktionskapazität der Klägerin entgegen dem Beihilfekodex erweitert, während die Investitionen TWD II und TWD III zusätzliche Absatzmöglichkeiten für Garne beträfen.

Würdigung durch das Gericht

103 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. März 1994 (TWD Textilwerke Deggendorf, a. a. O.) für Recht erkannt, daß die Klägerin sich vor dem nationalen Gericht nicht auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung TWD I berufen konnte, da sie gegen diese Entscheidung nicht rechtzeitig Klage nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag erhoben hatte (s. o., Randnr. 11). Dies gilt auch für die vorliegende Rechtssache. Eine natürliche oder juristische Person kann nämlich die in Artikel 184 des Vertrages vorgesehene Einrede der Rechtswidrigkeit nicht erheben, wenn sie gemäß Artikel 173 Absatz 2 eine Klage hätte einreichen können, dies aber nicht innerhalb der dort vorgesehenen Frist getan hat (vgl. das Urteil Simmenthal/Kommission, a. a. O., Randnr. 39).

104 Folglich sind die Klagegründe, die auf die Rechtmässigkeit der Beihilfen TWD I gestützt werden, jedenfalls zurückzuweisen.

105 Nach alledem sind die Klagen in ihrer Gesamtheit zurückzuweisen, ohne daß über die Zulässigkeit der in der Rechtssache T-244/93 erstmals in der Erwiderung geltend gemachten Klagegründe entschieden zu werden braucht.

Kostenentscheidung:

Kosten

106 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Die Streithelferin hat gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klagen werden abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Beklagten.

3) Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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