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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: T-251/00 DEP
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 102 § 2
Verfahrensordnung Art. 92 § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 7. Dezember 2004. - Lagardère SCA und Canal+ SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Kostenfestsetzung. - Rechtssache T-251/00 DEP.

Parteien:

In der Rechtssache T-251/00 DEP

Lagardère SCA mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Winckler,

Canal+ SA mit Sitz in Paris, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.P. de La Laurencie, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragstellerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Lelievre und W. Wils und sodann durch É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Anträgen auf Kostenfestsetzung im Anschluss an das Urteil des Gerichts vom 20. November 2002 in der Rechtssache T-251/00 (Lagardère und Canal+/Kommission, Slg. 2002, II-4825)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richterin V. Tiili, des Richters J. Azizi, der Richterin E. Cremona und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1. Das Gericht hat mit Urteil vom 20. November 2002 in der Rechtssache T-251/00 (Lagardère und Canal+/Kommission [im Folgenden: Hauptsacheverfahren], Slg. 2002, II-4825) die Entscheidung der Kommission vom 10. Juli 2000 zur Änderung ihrer Entscheidung vom 22. Juni 2000, mit der Zusammenschlüsse für mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vereinbar erklärt worden waren (Sachen COMP/JV40 - Canal+/Lagardère und COMP/JV47 - Canal+/Lagardère/Liberty Media), für nichtig erklärt und der Kommission die Kosten des Verfahrens auferlegt.

2. Mit Schreiben vom 6. Januar 2003 verlangte Lagardère von der Kommission, ihr einen Betrag von 179 160,44 Euro als Kosten im Hauptsacheverfahren zu erstatten. Am 16. Januar 2003 forderte die Kommission Lagardère auf, ihren Antrag zu begründen. Mit Schreiben vom 12. Februar 2003 lieferte Lagardère eine genauere Aufstellung der angefallenen Kosten und erhielt ihren Antrag in vollem Umfang aufrecht. Am 10. März 2003 lehnte die Kommission die Erstattung der verlangten Kosten ab und schlug Lagardère vor, dass sie ihr 20 000 Euro zahle.

3. Mit Schreiben vom 5. März 2003 verlangte Canal+ von der Kommission, ihr einen Betrag von 225 863,24 Euro als Kosten im Hauptsacheverfahren zu erstatten. Am 12. März 2003 forderte die Kommission Canal+ auf, ihren Antrag zu begründen. Mit Schreiben vom 4. Juni 2003 lieferte Canal+ eine genauere Aufstellung der angefallenen Kosten und erhielt ihren Antrag in vollem Umfang aufrecht. Am 17. Juni 2003 lehnte die Kommission die Erstattung der verlangten Kosten ab und schlug Canal+ vor, dass sie ihr 20 000 Euro zahle. Am 29. Oktober 2003 wiederholte Canal+ bei der Kommission ihren Antrag vom 5. März 2003.

4. Mit am 2. Juli 2003 und 20. April 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Antragsschriften haben Lagardère und Canal+ Kostenfestsetzung nach Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt.

5. Lagardère beantragt, den Betrag der ihr von der Kommission zu erstattenden Kosten auf 179 160,44 Euro festzusetzen.

6. Canal+ beantragt, den Betrag der ihr von der Kommission zu erstattenden Kosten auf 228 463,24 Euro festzusetzen.

7. Mit am 18. August 2003 und 23. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Schriftsätzen hat die Kommission zu den Anträgen von Lagardère und Canal+ Stellung genommen. Sie beantragt, die erstattungsfähigen Kosten für beide Antragstellerinnen auf einen auf beide Parteien aufzuteilenden Betrag von 43 250 Euro festzusetzen.

Vorbringen der Parteien

Vorbringen von Lagardère

8. Lagardère verlangte in ihren Schreiben vom 6. Januar und 12. Februar 2003, auf die sie sich in ihrem Kostenfestsetzungsantrag bezieht, von der Kommission die Erstattung der wie folgt aufgeschlüsselten Kosten:

- Anwaltshonorar für 407,5 Arbeitsstunden, davon 72,75 Stunden für einen Partner zu einem Stundensatz von 550 USD bis 765 USD, 246 Stunden für einen erfahrenen Anwalt zu einem Stundensatz von 360 USD bis 480 USD und 88,75 Stunden für Junganwälte zu einem Stundensatz von 120 USD bis 190 USD, d. h. insgesamt Anwaltshonorare von etwa 167 000 Euro, aufgeteilt auf vier Honorarrechnungen im Wesentlichen über Kosten erstens für eine Sitzung mit den Dienststellen der Kommission am 27. Juli 2000 sowie die Vorbereitung und Abfassung der Klageschrift, zweitens für die Abfassung von Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit, drittens für die Vorbereitung und Abfassung der Erwiderung sowie die Analyse der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung, viertens für die Vorbereitung von Erklärungen zu den prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts und der mündlichen Verhandlung;

- Telekommunikationskosten (Telefon und Telefax) in Höhe von etwa 1 819 Euro;

- Auslagen für die Vorlage von Schriftstücken (Kopien, Bindungen, Sekretariatsüberstunden) in Höhe von etwa 4 254 Euro;

- Postzustellungskosten (Eilsendungen, Briefmarken, eigenhändige Übergabe) in Höhe von etwa 360 Euro;

- Taxikosten für die Einreichung von Verfahrensunterlagen beim Gericht und Reisekosten von etwa 3 985 Euro.

9. Nach Ansicht von Lagardère ist die Zeit, die die Anwälte auf den Rechtsstreit verwendet hätten, unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht und der wirtschaftlichen Interessen, die für die Parteien mit ihm verbunden gewesen seien, nicht übermäßig gewesen. Sie macht geltend, dass das Hauptsacheverfahren komplexe und neue Rechtsfragen aufgeworfen habe und daher eine sehr umfangreiche Forschungs- und Auslegungsarbeit erforderlich gewesen sei. Insbesondere wegen der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit habe die Rechtssache die Vorlage einer erheblichen Zahl von Schriftsätzen erfordert. Im Interesse der Verfahrensökonomie und um die auf die Rechtssache aufgewendete Arbeitszeit zu verringern, habe die Abfassung der Schriftsätze, da die Klage von drei Klägerinnen erhoben worden sei, von denen eine die Klage am Ende des schriftlichen Verfahrens zurückgenommen habe, eine Koordinierungsarbeit zwischen den Anwälten der drei Klägerinnen verlangt. Lagardère unterstreicht, dass die Anwälte der Klägerinnen bei der Vorbereitung der Klageschrift und der anderen Schriftsätze, die sie gemeinsam und nicht durch getrennte Schriftstücke eingereicht hätten, zusammengearbeitet hätten, dass aber keine förmliche Vereinbarung über die Verteilung der Aufgaben zwischen diesen A nwälten getroffen worden sei.

10. Lagardère trägt vor, dass die Rechtssache ihre wirtschaftlichen Interessen berührt habe, da, wie das Gericht in Randnummer 111 des Urteils festgestellt habe, die angefochtene Entscheidung bei ihr eine Rechtsunsicherheit über die Gültigkeit bestimmter Vertragsklauseln erzeugt habe. Angesichts des Vorstehenden meint Lagardère, dass die Anzahl der Stunden der beteiligten Anwälte und der Stundensatz ihrer Honorare nach der Rechtsprechung des Gerichts angemessen seien. Die Bezugnahme auf den durchschnittlichen Stundensatz der Honorare von in anderen Rechtssachen beteiligten Anwälten sei ohne Bedeutung, weil die Höhe der Kosten im Einzelfall festzusetzen sei.

11. Die streitigen Taxikosten umfassten im Wesentlichen die Kosten der Überbringung, die für die Einreichung von Verfahrensunterlagen bei der Kanzlei des Gerichts angefallen seien. Was außerdem die Kosten für die Sitzung vom 27. Juli 2000 angehe, so habe diese die Rücknahme der Entscheidung vom 10. Juli 2000 bewirken und somit eine Klage beim Gericht verhindern sollen.

Vorbringen von Canal+

12. Canal+ verlangte in ihren Schreiben vom 5. März und 4. Juni 2003, auf die sie sich in ihrem Kostenfestsetzungsantrag bezieht, von der Kommission die Erstattung der wie folgt aufgeschlüsselten Kosten:

- Anwaltshonorare für 594 Arbeitsstunden zu einem Stundensatz von 414 USD bis 572 USD für Partner und erfahrene Anwälte und von 120 USD bis 150 USD für Junganwälte, d. h. insgesamt Anwaltshonorare von 216 662 Euro, aufgeteilt auf sechs Honorarrechnungen im Wesentlichen im Zusammenhang erstens mit einem Austausch mit den Dienststellen der Kommission nach dem Erlass der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Entscheidung sowie mit der Vorbereitung und Abfassung der Klageschrift, zweitens mit der Abfassung von Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit, drittens mit der Abfassung der Erwiderung, viertens mit der Abfassung von Erklärungen zur Gegenerwiderung, fünftens mit der Abfassung von Erklärungen zu den prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts und sechstens mit der mündlichen Verhandlung;

- verschiedene sonstige Auslagen (Reisekosten, Postzustellungskosten, Kopier-, Telefon- und Faxkosten) in Höhe von 9 201 Euro;

- Auslagen für die Vorbereitung und Einreichung des Antrags auf Kostenfestsetzung, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, in Höhe von 2 600 Euro.

13. Was die Kosten im Zusammenhang mit dem Austausch mit den Dienststellen der Kommission nach dem Erlass der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Entscheidung angehe, so handele es sich um unmittelbar mit dem Verfahren verbundene Kosten. Denn nach dem Erlass dieser Entscheidung habe festgestellt werden müssen, wie sie sich angesichts der durch die Entscheidung geschaffenen Unsicherheit habe verhalten sollen, und es habe die Zweckmäßigkeit einer Klage gegen diese Entscheidung geprüft werden müssen.

14. Alle anderen Aufwendungen seien für das Verfahren vor dem Gericht notwendig gewesen. Die Höhe der Anwaltshonorare werde durch die Komplexität der Rechtssache gerechtfertigt, die Rechtsfragen aufgeworfen habe, die vom Gemeinschaftsrichter noch nicht geprüft worden seien. Außerdem habe sie eine ungewöhnlich hohe Zahl von Schriftsätzen einreichen müssen, zum Teil auch aufgrund der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit. Diese Komplexität der Rechtssache habe es auch erforderlich gemacht, dass mehrere Anwälte tätig geworden seien, die eine große Zahl von Stunden gearbeitet hätten. Der Stundensatz entspreche übrigens den üblicherweise von Fachanwälten berechneten Sätzen. Canal+ unterstreicht, dass das Hauptsacheverfahren für sie nicht nur von bedeutendem wirtschaftlichem Interesse gewesen sei, sondern auch aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sehr wichtige Fragen aufgeworfen habe.

15. Schließlich vertritt Canal+ die Ansicht, da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung berücksichtige und es über die Kosten der Parteien für das Kostenfestsetzungsverfahren nicht gesondert entscheide, seien die speziell für dieses Stadium des Verfahrens verauslagten Kosten, also 2 600 Euro, in den vorliegenden Antrag mit einzubeziehen.

Vorbringen der Kommission

16. Nach Auffassung der Kommission hat das Hauptsacheverfahren nur im Hinblick auf die Rechtsfragen zur Zulässigkeit der Klage eine relative Komplexität aufgewiesen. Dagegen sei, im Gegensatz zu den Wettbewerbssachen, die normalerweise beim Gericht anhängig gemacht würden, das Hauptsacheverfahren in tatsächlicher Hinsicht nicht komplex gewesen. Daher könne die Abfassung der Schriftsätze nur ein Drittel bis zur Hälfte der üblicherweise für eine Wettbewerbssache notwendigen Arbeit erfordert haben. Folglich sei die von den beiden Antragstellerinnen beanspruchte Zahl von Arbeitsstunden offensichtlich übertrieben. Die Kommission bestreitet, dass die Einrede der Unzulässigkeit die Arbeitszeit der Anwälte der Antragstellerinnen gegenüber der auf jeden Fall für die Abfassung der Klageschrift und der Erwiderung im Hauptsacheverfahren erforderlichen Zeit habe erhöhen können.

17. Außerdem habe die Rechtssache nicht die Tätigkeit von sieben Partnern und vier Mitarbeitern in den verschiedenen beteiligten Kanzleien erforderlich machen können. Einige in Rechnung gestellte Arbeitsstunden könnten offensichtlich nicht als für das Verfahren vor dem Gericht notwendig angesehen werden. Soweit die Antragstellerinnen geltend machten, dass die Rechtssache die Koordination aller ihrer Anwälte im Hauptsacheverfahren verlangt habe, spiegelten sich die Resultate dieser Koordination in keiner Weise in der Höhe der Kosten, deren Festsetzung beantragt werde, wider.

18. Die Stundensätze der Anwälte der Antragstellerinnen seien deutlich höher als die, die normalerweise von Fachanwälten angewandt würden. Auch wenn die Rechtsprechung das Bestehen von Referenzvergütungen nicht anerkenne und es daher notwendig sei, die Angemessenheit der entstandenen Kosten von Fall zu Fall zu beurteilen, sei es nützlich, Präzedenzfälle anzuführen und einige Vergleiche anzustellen, die das Willkürrisiko und mangelnde Billigkeit einschränken könnten. Die Kommission bezieht sich insoweit auf den Beschluss vom 10. Januar 2002 in der Rechtssache T-80/97 DEP (Starway/Rat, Slg. 2002, II-1, Randnr. 36), in dem das Gericht einen Stundensatz von 285,05 Euro für die Berechnung der erstattungsfähigen Kosten zugrunde gelegt habe.

19. Die Aufwendungen für die Sitzung vom 27. Juli 2000 bezögen sich auf das Vorverfahren. Außerdem sei das, was Lagardère als verschiedene Auslagen aufgeführt habe, übertrieben. Insbesondere könnten Kopien von Schriftstücken vernünftigerweise nicht mit 0,16 Euro pro Seite berechnet werden, wenn solche Dienstleistungen im Handel weniger als 0,02 Euro pro Seite kosteten. Auch in Bezug auf die Taxikosten bestreitet die Kommission, dass es für das Verfahren vor dem Gericht im Sinne von Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung notwendig gewesen sei, regelmäßig ein Taxi in Anspruch zu nehmen, um Verfahrensunterlagen zum Gericht zu bringen.

20. Schließlich bestreitet die Kommission, dass die Rechtssache von besonderem wirtschaftlichem Interesse für Lagardère oder von grundsätzlicher Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

21. Nach Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung gelten als erstattungsfähige Kosten Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass nur Aufwendungen erstattet werden können, die für das Verfahren vor dem Gericht entstanden sind und die dafür notwendig waren.

22. Zunächst sind die von den Antragstellerinnen angesetzten Aufwendungen für den Austausch mit den Dienststellen der Kommission nach Erlass der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Entscheidung und vor Klageerhebung als nicht erstattungsfähige Kosten anzusehen. Denn Artikel 91 der Verfahrensordnung versteht unter Verfahren nur das Verfahren vor dem Gericht unter Ausschluss des diesem vorhergehenden Stadiums (vgl. oben in Randnr. 18 angeführten Beschluss Starway/Rat, Randnr. 25 und die dort zitierte Rechtsprechung), unabhängig davon, ob die fragliche Sitzung im vorliegenden Fall, wie Lagardère geltend macht, ein Verfahren vor dem Gericht verhindern sollte.

23. Was die Kosten des Gerichtsverfahrens betrifft, so hat das Gericht nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung einer gemeinschaftsrechtlichen Gebührenordnung die Gegebenheiten des Falles frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie die Schwierigkeiten der Sache, den Arbeitsaufwand, den das Verfahren von den tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beiständen verlangen konnte, und die wirtschaftlichen Interessen, die für die Parteien mit dem Rechtsstreit verbunden waren, zu berücksichtigen (vgl. oben in Randnr. 18 angeführten Beschluss Starway/Rat, Randnr. 27 und die dort zitierte Rechtsprechung).

24. Insbesondere ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsrichter nach ständiger Rechtsprechung nicht die Vergütungen festsetzen kann, die die Parteien ihren eigenen Anwälten schulden, sondern den Betrag zu bestimmen hat, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Das Gericht braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine etwaige Gebührenvereinbarung zwischen der betroffenen Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Gerichts vom 24. Januar 2002 in der Rechts sache T38/95 DEP, Groupe Origny/Kommission, Slg. 2002, II-217, Randnr. 32, sowie oben in Randnr. 18 angeführten Beschluss Starway/Rat, Randnr. 26 und die dort zitierte Rechtsprechung).

25. Nach diesen Kriterien ist der Betrag der im vorliegenden Fall erstattungsfähigen Kosten festzusetzen. Insoweit sind folgende Beurteilungsfaktoren zu berücksichtigen.

26. Was zunächst den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits sowie seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht angeht, so hat die Rechtssache eine neue wichtige Rechtsfrage aufgeworfen. Da die Kommission nämlich, im Wesentlichen weil die im Hauptsacheverfahren angefochtene Entscheidung keine beschwerende Maßnahme darstelle, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben hatte, war der Umfang der Verpflichtungen der Kommission bei der Prüfung der mitgeteilten Nebenabreden im Rahmen eines Zusammenschlusses nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) zu ermitteln. Diese Frage war im Verwaltungsverfahren vor der Kommission nicht aufgeworfen worden. Außerdem hat die Kommission erst im Laufe des Hauptsacheverfahrens ihre neue Politik hinsichtlich der Behandlung von Nebenabreden im Rahmen der Verfahren bei Zusammenschlüssen entwickelt und veröffentlicht. Die Untersuchung dieser Frage insbesondere im Rahmen der Stellungnahme der Parteien zur Einrede der Unzulässigkeit hat somit die Einschaltung von hochspezialisierten Anwälten, die eine erhebliche Zahl von Arbeitsstunden zu sehr hohen Stundensätzen erfordert hat, sowie die Vertretung der Antragstellerinnen durch mehrere Anwälte gerechtfertigt (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 18 angeführten Beschluss Starway/Rat, Randnr. 31 und die dort zitierte Rechtsprechung).

27. Ebenso hat die Vorbereitung der Schriftsätze im Hauptsacheverfahren im Zusammenhang mit dieser Frage zweifellos erhebliche Forschungsarbeiten erforderlich gemacht und weitere Kosten wie die für die Vervielfältigung von Schriftstücken verursacht.

28. Was insbesondere die Honorare für die Abfassung der anderen Schriftsätze als der genannten Stellungnahmen zur Einrede der Unzulässigkeit betrifft, so ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Rechtssache mit Ausnahme dieser speziellen Rechtsfrage weder aus rechtlicher noch aus tatsächlicher Sicht einen besonderen Schwierigkeitsgrad aufwies. Die Akten des Hauptsacheverfahrens waren auch nicht übermäßig voluminös.

29. Darüber hinaus waren einige von den Antragstellerinnen im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Klagegründe bereits Gegenstand eines Meinungsaustauschs im Laufe des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission gewesen, und die Anwälte dieser Parteien hatten daher zwangsläufig aufgrund ihrer Teilnahme an diesem anderen Verfahren eine gründliche Kenntnis der aufgeworfenen Fragen.

30. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen für die Vorbereitung der Klage und der übrigen Schriftsätze zusammengearbeitet haben, die sie gemeinsam und nicht durch getrennte Schriftstücke einreichten, auch wenn die Antragstellerinnen von unterschiedlichen Anwälten vertreten waren und diese offenbar keine förmliche Vereinbarung über die Aufgabenverteilung getroffen hatten. In einer derartigen Situation musste, auch wenn berücksichtigt wird, dass, wie Lagardère hervorhebt, jede Partei ihre eigene Beurteilung hinsichtlich aller im Laufe des Verfahrens vor dem Gericht aufgeworfenen Fragen vornehmen muss und die Anwälte der verschiedenen Parteien ihre Arbeit koordinieren müssen, die gemeinsame Einreichung der Klage die von den Anwälten der beiden Antragstellerinnen u. a. für die Vorbereitung und die Abfassung der Schriftsätze im Hauptsacheverfahren aufgewandte Zeit in einem gewissen Maße verringern. Das Gericht trägt aber auch dem Umstand Rechnung, dass die Antragstellerinnen dadurch, dass sie im Hauptsacheverfahren die Klage gemeinsam erhoben und die übrigen Schriftsätze gemeinsam und nicht durch getrennte Schriftstücke eingereicht haben, die Arbeitskosten für die gegnerische Partei und übrigens auch für das Gericht erheblich vermindert haben.

31. Schließlich hat der Rechtsstreit wirtschaftliche Interessen der Antragstellerinnen berührt, da die Gültigkeit des Zusammenschlusses durch die im Hauptsacheverfahren angefochtene Entscheidung in beschränktem Maße in Frage gestellt wurde. Im Vergleich mit den im Bereich der Unternehmenszusammenschlüsse üblicherweise verhandelten Rechtssachen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Rechtsstreit für diese Parteien außergewöhnliche wirtschaftliche Interessen verbunden sind.

32. In Anbetracht dieser Beurteilungsfaktoren hält das Gericht im Rahmen der Kostenfestsetzung zunächst die für den Rechtsstreit angesetzte Zahl von Arbeitsstunden der Anwälte der Antragstellerinnen (nämlich 407,5 Stunden für Lagardère und 594 für Canal+) für übertrieben und ist der Auffassung, dass die erstattungsfähigen Kosten für die Anwaltshonorare zutreffend beurteilt werden, wenn ihr Betrag unter Berücksichtigung der Kosten für das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren auf 40 000 Euro für jede Antragstellerin, d. h. auf 80 000 Euro für beide zusammen, festgesetzt wird.

33. Hinsichtlich der sonstigen von Lagardère für den Rechtsstreit berechneten Aufwendungen ist das Gericht der Ansicht, dass die Antragstellerin nicht nachgewiesen hat, dass die sonstigen Aufwendungen, nämlich die Telekommunikationskosten (1 819 Euro), die Kosten für die Vervielfältigung von Schriftstücken (4 254 Euro) und für besondere Postzustellung und Briefmarken (360 Euro) sowie die Reisekosten (3 985 Euro) insgesamt für das Verfahren vor dem Gericht notwendig waren.

34. Insbesondere kann es grundsätzlich nicht als für das Verfahren vor dem Gericht notwendig angesehen werden, dass dem Gericht per Taxi Schriftsätze und andere Unterlagen überbracht werden. Erstens gibt es nämlich andere sichere und offensichtlich weniger kostspielige Möglichkeiten der Übermittlung von Schriftstücken an das Gericht. Zweitens ist in Artikel 102 § 2 der Verfahrensordnung eine Entfernungsfrist vorgesehen, um die Beförderung auf konventionelleren und weniger kostspieligen Wegen zu ermöglichen. Schließlich sieht Artikel 43 § 6 der Verfahrensordnung seit dem 1. Februar 2001, also seit einem Zeitpunkt während der schriftlichen Phase des Hauptsacheverfahrens, die Möglichkeit einer Übermittlung der Schriftsätze durch moderne Kommunikationsmittel, insbesondere durch Telefax, vor, sofern die unterzeichnete Urschrift der Schriftsätze spätestens zehn Tage danach eingereicht wird. Da Lagardère diese Kosten für die Beförderung der Schriftsätze und anderen Unterlagen per Taxi berechnet, erscheinen die Telekommunikationskosten, insbesondere die Faxkosten, im Rahmen der Kostenfestsetzung ebenfalls weit überzogen.

35. Da Lagardère keine genauen Informationen über die Verwendung dieser verschiedenen Kosten erteilt hat, hält das Gericht es für angemessen, die erstattungsfähigen Kosten für diese sonstigen Aufwendungen auf 6 000 Euro festzusetzen.

36. Was die von Canal+ für den Rechtsstreit berechneten sonstigen Aufwendungen angeht, so hat diese Antragstellerin insoweit eine ganz genaue Beschreibung geliefert. Folglich hält es das Gericht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Telekommunikations- und Faxkosten im Rahmen der Kostenfestsetzung weit überzogen erscheinen, für angemessen, die erstattungsfähigen Kosten für diese sonstigen Aufwendungen für Canal+ auf 8 500 Euro festzusetzen.

37. Demnach werden nach Auffassung des Gerichts die erstattungsfähigen Kosten zutreffend beurteilt, wenn sie auf 46 000 Euro für Lagardère und auf 48 500 Euro für Canal+ festgesetzt werden.

38. Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Entscheidung berücksichtigt hat, ist über die den Parteien für das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht gesondert zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 18 aufgeführten Beschluss Starway/Rat, Randnr. 39).

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

beschlossen:

1. Der Betrag der Lagardère von der Kommission in der Rechtssache T251/00 zu erstattenden Kosten wird auf 46 000 Euro festgesetzt.

2. Der Betrag der Canal+ von der Kommission in der Rechtssache T251/00 zu erstattenden Kosten wird auf 48 500 Euro festgesetzt.

Luxemburg, den 7. Dezember 2004

Ende der Entscheidung

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