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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 05.06.1992
Aktenzeichen: T-26/90
Rechtsgebiete: Entscheidung Nr. 194/88, EGKS


Vorschriften:

Entscheidung Nr. 194/88 Art. 5
Entscheidung Nr. 194/88 Art. 17
Entscheidung Nr. 194/88 Art. 11 Abs. 3 Buchst. e
EGKS Art. 36 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Zur Bestimmung der Tragweite des Urteils des Gerichtshofes, mit dem die Artikel 5 und 17 der Entscheidung Nr. 194/88 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie für nichtig erklärt wurden, ist auf die Begründung dieses Urteils abzustellen. Diese beschränkt sich auf eine Verweisung auf ein früheres Urteil, mit dem Bestimmungen gleichen Inhalts für nichtig erklärt worden waren, soweit es die in ihnen für die Festsetzung der Quoten enthaltenen Grössen nicht erlaubten, Lieferquoten auf einer Grundlage festzusetzen, die nach Ansicht der Kommission für Unternehmen angemessen war, bei denen das Verhältnis zwischen Erzeugungs- und Lieferquote deutlich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt lag; daher ist auf dieses Urteil abzustellen, auch wenn dessen Tenor nur teilweise in das später erlassene Urteil übernommen wurde. Da letzteres nämlich gegenüber dem ersten Urteil keinerlei zusätzliche Begründung für eine weitergehende Nichtigerklärung enthält, können die fraglichen Bestimmungen durch dieses Urteil nur in derselben Weise für nichtig erklärt worden sein wie die Bestimmungen gleichen Inhalts durch das erste Urteil.

Daraus folgt, daß der Gerichtshof Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 nicht insoweit für nichtig erklärt hat, als er die Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Quoten der Stahlunternehmen durch die Kommission bildet, sondern nur insoweit, als es die in ihm für die Festsetzung der Quoten enthaltenen Grössen nicht erlaubten, Lieferquoten auf einer Grundlage festzusetzen, die nach Ansicht der Kommission für Unternehmen angemessen ist, bei denen das Verhältnis zwischen dem Teil der Erzeugungsquoten, die zur Lieferung auf dem Markt der Gemeinschaft bestimmt sind, und den Erzeugungsquoten deutlich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegt.

2. Ein Kläger kann im Rahmen einer gegen eine Einzelfallentscheidung erhobenen Nichtigkeitsklage nicht einredeweise die Rechtswidrigkeit anderer Einzelfallentscheidungen geltend machen, die an ihn gerichtet waren und die nach Ablauf der Klagefrist bestandskräftig geworden sind.

3. Der EGKS-Vertrag sieht unterschiedliche Verfahren vor für den Ersatz eines unmittelbaren und besonderen Schadens, der einem Unternehmen durch eine vom Gerichtshof wegen eines die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers aufgehoben worden ist, einerseits und für die Ahndung der Verletzung von im Rahmen des Quotensystems erlassenen Entscheidungen durch die Unternehmen andererseits. Da diese beiden Verfahren unterschiedlich ausgestaltet sind und die Kommission nach dem erstgenannten Verfahren selbständig darüber befinden kann, welche Maßnahmen zur Durchführung von Nichtigkeitsurteilen zu erlassen sind, kann ihr vom Richter im Rahmen des zweiten Verfahrens nicht vorgeschrieben werden, in welcher Weise sie Maßnahmen zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils zu treffen hat; die Kommission ist also nicht verpflichtet, den entstandenen Schaden mit einer festgestellten Quotenüberschreitung zu verrechnen.

4. Die Pflicht zur Begründung einer Einzelfallentscheidung hat den Zweck, dem Richter die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung rechtmässig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung erlaubt. Der Umfang dieser Pflicht hängt von der Art des Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

5. Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 ist in seinem Kontext und insbesondere anhand des gemäß Artikel 58 EGKS-Vertrag geschaffenen Quotensystems für die Erzeugung und Lieferung von Stahl auszulegen, das die für die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage erforderlichen Einschränkungen der Erzeugung angemessen auf die verschiedenen Erzeuger verteilen soll. Mit Artikel 11 wurde demnach dadurch eine gewisse Flexibilität in das Quotensystem eingeführt, daß punktülle Überschreitungen der Quoten für bestimmte Gruppen von Erzeugnissen oder für bestimmte Zeiträume erlaubt wurden, wenn sie durch die Nichtausnutzung einer Quote für eine bestimmte Erzeugnisgruppe oder während eines bestimmten Zeitraums ausgeglichen wurden.

In diesem Zusammenhang ist Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e zu sehen, der die Möglichkeit für die Kommission vorsieht, einen Vorgriff auf die Quoten zu erlauben. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt also voraus, daß die während eines Quartals erfolgte Quotenüberschreitung durch die Nichtausschöpfung der Quote im folgenden Quartal ausgeglichen werden kann. Andernfalls käme es zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Erzeuger in einer Krisensituation, der sich aus dem Gesamtsystem des Artikels 58 EGKS-Vertrag ergibt, insbesondere soweit dort auf die in den Artikeln 2, 3 und 4 EGKS-Vertrag und namentlich in Artikel 4 Buchstabe b umschriebenen Grundsätze Bezug genommen wird, wonach Maßnahmen, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern herbeiführen, verboten sind.

6. Da die Kommission in den Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 194/88 erklärt hatte, daß sie das Quotensystem für die Erzeugung und Lieferung von Stahl für bestimmte Erzeugnisse während weiterer zwei Quartale aufrechterhalte, daß dies aber mit einer Lockerung der Quoten im zweiten Quartal als Vorbereitung auf die Liberalisierung des Marktes verbunden werde, können die Wirtschaftsteilnehmer nicht behaupten, vom Ende des Quotensystems überrascht worden zu sein.

Zu den rechtlichen Folgen des Auslaufens des Quotensystems ist festzustellen, daß die Entscheidung der Kommission, die für das letzte Quartal der Anwendung des Systems beantragten Vorgriffe auf Quoten nicht zu gestatten, gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern keinen Bruch mit ihrer früheren Politik darstellt.

7. Artikel 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag ist dahin auszulegen, daß im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, das zur Verhängung einer Geldbusse führen kann, der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet worden ist, wenn dem Betroffenen bei förmlichen wie informellen Zusammenkünften Gelegenheit gegeben worden ist, zu der behaupteten Quotenüberschreitung und ihrer Berechnung Stellung zu nehmen, obwohl es besser gewesen wäre, wenn dem Betroffenen alle Berechnungen, soweit sie bei der Bewertung der festgestellten Quotenüberschreitung berücksichtigt werden sollten, förmlich mitgeteilt worden wären.

8. Hat ein Wirtschaftsteilnehmer aus der Rechtswidrigkeit einer Bestimmung einer allgemeinen Entscheidung über ein Quotensystem für die Erzeugung und Lieferung von Stahl bereits einen Vorteil gezogen, der den durch die Rechtswidrigkeit einer anderen Bestimmung dieser Entscheidung verursachten Schaden übersteigt und mit der angemessenen Verteilung der Lasten der Krise auf die Unternehmen nicht vereinbar ist, so hat der Richter die wegen Quotenüberschreitung verhängte Geldbusse nicht in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung herabzusetzen, zumal wenn die verhängte Geldbusse weiter unter dem Betrag liegt, den die Entscheidung Nr. 194/88 in der Regel vorsieht.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 5. JUNI 1992. - SOCIETA FINANZIARIA SIDERURGICA FINSIDER SPA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAHL: QUOTENUEBERSCHREITUNG - TRAGWEITE EINES AUFHEBUNGSURTEILS - BERUECKSICHTIGUNG DES DURCH DIE FUER NICHTIG ERKLAERTEN VORSCHRIFTEN VERURSACHTEN SCHADENS - ABLEHNUNG VON VORGRIFFEN - BEGRUENDUNG - AUSLAUFEN DER QUOTENREGELUNG - BERECHTIGTES VERTRAUEN - VERWALTUNGSVERFAHREN - BEFUGNIS ZU UNBESCHRAENKTER NACHPRUEFUNG. - RECHTSSACHE T-26/90.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Mit der Entscheidung Nr. 2794/80/EGKS der Kommission vom 31. Oktober 1980 wurde am 1. Oktober 1980 gemäß Artikel 58 EGKS-Vertrag für die Unternehmen der Stahlindustrie hinsichtlich bestimmter Erzeugnisse ein System der Überwachung und der Erzeugungsquoten eingeführt (ABl. L 291, S. 1). Es wurde für die Jahre 1986 und 1987 durch die Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 (ABl. L 340, S. 5; im folgenden: Entscheidung Nr. 3485/85) und für die ersten sechs Monate des Jahres 1988 durch die Entscheidung Nr. 194/88/EGKS der Kommission vom 6. Januar 1988 (ABl. L 25, S. 1; im folgenden: Entscheidung Nr. 194/88) verlängert. Sowohl in Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 als auch in Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 war vorgesehen, daß die Kommission für jedes Unternehmen die vierteljährlichen Erzeugungsquoten und den Teil dieser Quoten festsetzt, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden darf. Beide Entscheidungen sahen in Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e für die Kommission die Möglichkeit vor, den Unternehmen unter bestimmten Bedingungen einen Vorgriff auf die Quoten des folgenden Quartals zu erlauben.

2 In den Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 194/88 hieß es, die Kommission halte es unter den damals gegebenen Umständen für notwendig, für die Erzeugnisse der Gruppen Ia und Ib den Markt nach dem 30. Juni 1988 zu liberalisieren.

3 Ausserdem erlaubte es die gemäß Artikel 18 der Entscheidung Nr. 3485/85 erlassene Entscheidung Nr. 1433/87/EGKS der Kommission vom 20. Mai 1987 (ABl. L 136, S. 37; im folgenden: Entscheidung Nr. 1433/87) den Unternehmen unter bestimmten Umständen, in jedem Quartal für eine bestimmte Produktgruppe die I:P-Relation ° d. h. das Verhältnis zwischen dem Teil der Produktionsquoten, der zur Lieferung auf dem Markt der Gemeinschaft bestimmt ist (im folgenden: Lieferquote), und den Produktionsquoten ° durch Umwandlung eines Teils der Produktionsquoten (im Verhältnis 1 : 0,85) in Lieferquoten anzupassen. Auch Artikel 17 der Entscheidung Nr. 194/88 sah diese Anpassungsmöglichkeit vor.

4 Am 6. April 1988 teilte der Verband der stahlerzeugenden Unternehmen Eurofer ° dem auch die Klägerin angehört ° seinen Mitgliedern durch Fernschreiben mit, er habe in einem Telefongespräch mit einem Abteilungsleiter der GD III der Kommission erfahren, im zweiten Quartal des Jahres 1988 würden keine Vorgriffe auf die Quoten des dritten Quartals gestattet, weil die Quotenregelung am 30. Juni 1988 auslaufe.

5 In einem Schreiben vom 31. Mai 1988 teilte die Kommission der Klägerin ihre gemäß Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 für das zweite Quartal des Jahres 1988 festgesetzten Quoten mit.

6 Mit Entscheidungen, die am 30. Mai 1988 und am 12. Oktober 1988 übermittelt wurden, berichtigte die Kommission zweimal die der Klägerin zugeteilten Quoten, um so die Anwendung der Artikel 17 und 10 Absatz 1 der Entscheidung Nr. 194/88 zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 24. Juni 1988 gestattete die Kommission ausserdem für die Quoten des ersten Quartals des Jahres 1988 einen Vorgriff auf die Quoten des zweiten Quartals dieses Jahres gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88.

7 Mit Schreiben vom 9. Juni 1988 beantragte die Klägerin bei der Kommission, ihr im zweiten Quartal des Jahres 1988 gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 einen Vorgriff auf die Quoten des dritten Quartals bis zu einer Höhe von 20 % zu gestatten.

8 Am 24. Juni 1988 schlug die Kommission dem Rat vor, das Quotensystem gemäß Artikel 58 Absatz 3 EGKS-Vertrag zu beenden. Im Rat kam die nach dieser Vorschrift erforderliche Einstimmigkeit für den Erlaß einer anderen Entscheidung nicht zustande.

9 Demgemäß lief das Quotensystem am 30. Juni 1988 aus.

10 Durch Urteil vom 14. Juli 1988 in den Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Stahlwerke Peine-Salzgitter und Hoogovens Gröp/Kommission, Slg. 1988, 4309; im folgenden: Urteil vom 14. Juli 1988) wurde Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 vom Gerichtshof "insoweit für nichtig erklärt, als er es der Kommission nicht gestattet, von ihr als angemessen angesehene Lieferquoten für die Unternehmen festzusetzen, bei denen das Verhältnis zwischen den Produktionsquoten und der jeweiligen Lieferquote erheblich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegt". Nach Ansicht des Gerichtshofes stellte diese Vorschrift einen Ermessensmißbrauch dar.

11 In einem Schreiben vom 2. August 1988 führte ein Abteilungsleiter der GD III in Beantwortung eines Schreibens der Klägerin vom 9. Juni 1988 aus:

"Wir möchten Sie darauf hinweisen, daß der genannte Artikel [11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88] 'einen Vorgriff' auf die Quoten erlaubt. Dies setzt voraus, daß Quoten für das folgende Quartal zugeteilt werden. Da das Quotensystem seit Ende Juni nicht mehr in Kraft ist, ist Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e nicht mehr anwendbar".

12 In einem Schreiben vom 20. September 1988 machte die Klägerin zu dem Schreiben vom 2. August 1988 ernsthafte Vorbehalte geltend und unterstrich, der beantragte Vorgriff spiegele den saisonalen Charakter des fraglichen Marktes wider, der von der Kommission bis dahin immer anerkannt worden sei. Sie erklärte, es erscheine ihr unverständlich, daß diese Entwicklung, die für ihre Lieferungen während der vergangenen Jahre kennzeichnend gewesen sei, missachtet und das Quotensystem auf diese Weise gerade im Zeitpunkt der Liberalisierung des Marktes verschärft werde.

13 Mit Schreiben vom 23. Februar 1989 teilte die Kommission der Klägerin mit, sie habe gegen sie gemäß Artikel 36 EGKS-Vertrag ein Sanktionsverfahren wegen der im zweiten Quartal 1988 unter Verletzung des Quotensystems erfolgten Quotenüberschreitungen eröffnet.

14 Bei einem Treffen mit den Vertretern der Kommission, das am 3. März 1989 stattfand, hatten die Vertreter der Klägerin Gelegenheit, zu den behaupteten Quotenüberschreitungen Stellung zu nehmen.

15 In einem Schreiben vom 15. März 1989 warf die Klägerin der Kommission vor, sie habe weder die für das zweite Quartal 1988 beantragten Vorgriffe berücksichtigt noch die schwierige Lage, in der sich die Klägerin nach Einführung der in Artikel 17 der Entscheidung Nr. 194/88 vorgesehenen Möglichkeit befunden habe, Produktionsquoten in Lieferquoten umzuwandeln.

16 Bei einer Zusammenkunft mit Vertretern der Kommission, die am 24. Mai 1989 stattfand, wurden diese Argumente wiederholt und im einzelnen erläutert. Ein Vertreter der Klägerin beantragte dabei förmlich, die Kommission solle alle Daten und Berechnungen vorlegen, die zur Berechnung der angeblichen Überschreitungen gedient hätten.

17 Mit Schreiben vom 5. Juni 1989 übermittelte die Kommission der Klägerin die Entscheidung, ihr für das erste und zweite Quartal 1988 zusätzliche Quoten gemäß Artikel 7 der Entscheidung Nr. 194/88 zu gewähren.

18 Mit Schreiben vom 12. Juni 1989 leitete die Klägerin der Kommission auf deren Ersuchen Angaben über die "Relativität Italsider" auf dem Gemeinsamen Markt zu. Daraus ergab sich, daß die Klägerin von 1986 bis zum dritten Quartal 1988 einen erheblichen Relativitätsverlust erlitten hat.

19 Durch Urteil vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87, 72/88 und 92/88 (Hoogovens Gröp und Federacciai/Kommission, Slg. 1989, 1711; im folgenden: Urteil vom 14. Juni 1989) erklärte der Gerichtshof auf Antrag der Gesellschaft Hoogovens Gröp BV Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 und auf Antrag dieser Gesellschaft sowie der Federacciai ° eines Verbands von Stahlerzeugern, dem die Klägerin angehört ° die Entscheidung Nr. 1433/87, die als Artikel 17 in die Entscheidung Nr. 194/88 übernommen wurde, deswegen für nichtig, weil diese Vorschriften nach dem Eingeständnis der Kommission nicht dem entsprachen, was zur Sicherung einer angemessenen Quotenverteilung notwendig war.

20 Mit Schreiben vom 19. Juni 1989 leitete die Kommission der Klägerin die Protokolle über die Zusammenkünfte vom 3. März und 24. Mai 1989 zu.

21 Mit Schreiben vom 14. Juli 1989 baten die Vertreter der Assider ° eines Verbands, dem die Klägerin angehört ° die Kommission um ein Treffen, um zu erfahren, in welcher Weise und in welchem Umfang die Kommission die Klägerin für die Verluste zu entschädigen gedenke, die sich aus dem vom Gerichtshof durch Urteil vom 14. Juni 1989 für nichtig erklärten System der Quotenumwandlung ergäben und die die Klägerin auf mehr als 25 000 Tonnen pro Quartal bezifferte.

22 Mit Schreiben vom 1. August 1989 machte die Klägerin die Kommission auf die Folgen des Urteils vom 14. Juni 1989 aufmerksam und verlangte, "die Quoten neu zu bestimmen, die 'unsere Gesellschaft erhalten hätte' , wenn die für nichtig erklärte Entscheidung nicht erlassen worden wäre".

23 In Beantwortung des Schreibens der Klägerin vom 14. Juli 1989 erklärte die Kommission in einem Schreiben vom 10. August 1989, sie verstehe nicht, wie der von der Klägerin wegen der Anwendung des Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 erlittene Verlust auf 25 000 Tonnen beziffert werden könne. Sie machte die Klägerin darauf aufmerksam, daß sie gemäß dem Urteil vom 14. Juli 1988, auf das sich das Urteil vom 14. Juni 1989 beziehe, aus strukturellen Gründen eine Berichtigung der I:P-Relation ab 1. Januar 1986 habe vornehmen müssen und daß diese Berichtigung für die Klägerin eine viel stärkere Verringerung der Lieferungen auf dem Gemeinsamen Markt mit sich gebracht habe.

24 In einem Schreiben vom 8. September 1989 erklärte die Assider, der Verlust von mehr als 25 000 Tonnen pro Quartal, den die Finsidergruppe erlitten habe, beziehe sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis zum 30. Juni 1988, der allein Gegenstand des Urteils vom 14. Juni 1989 gewesen sei. Die sich aus dem Urteil vom 14. Juli 1988 ergebende Berichtigung der I:P-Relation ab 1. Januar 1986 könne der Klägerin nicht entgegengehalten werden, weil sie nicht an den Rechtssachen beteiligt gewesen sei, in denen es ° wegen Formfehlers ° zu diesem Urteil gekommen sei.

25 In einem Schreiben vom 7. Dezember 1989 teilte die Kommission der Klägerin mit, die in den Schreiben vom 14. Juli und 8. September 1989 aufgeworfenen Fragen stuenden tatsächlich mit den von der Klägerin im Jahr 1988 begangenen Quotenüberschreitungen im Zusammenhang und sie prüfe, welche Folgerungen aus den Urteilen des Gerichtshofes zu ziehen seien. Die Kommission erklärte sich bereit, mit den Leitern der Klägerin bei einer Zusammenkunft, die im Januar 1990 stattfinden sollte, über eine Gesamtlösung zu sprechen.

26 Am 24. Januar 1990 fand in Brüssel ein von den Beteiligten als "informell" bezeichnetes Treffen statt, an dem Vertreter der Klägerin und der Kommission teilnahmen.

27 In einem Schreiben vom 7. Februar 1990 äusserte die Klägerin die Ansicht, es sei zu eng, das Problem der Folgen des Urteils vom 14. Juni 1989 ausschließlich mit den Quotenüberschreitungen in Verbindung zu bringen, die sie angeblich im zweiten Quartal 1988 begangen habe. Diese angeblichen Überschreitungen ° die nachdrücklich bestritten würden ° könnten allenfalls eine Erweiterung des Problemkreises bilden, die es erlauben würde, zu einer Einigung mit der Kommission zu kommen und so einen neuen Rechtsstreit zu vermeiden. Das mit der Durchführung des genannten Urteils verbundene Problem reiche jedenfalls viel weiter und betreffe nicht nur das erste Quartal 1988, sondern das gesamte Jahr 1987. In diesem Zusammenhang stimme sie dem im Schreiben vom 7. Dezember 1989 gemachten Vorschlag eines Treffens zu.

28 In einem Schreiben vom 5. März 1990 verlangte die Klägerin erneut, einen Zeitpunkt für ein Treffen ihrer Vertreter mit den Vertretern der Kommission festzulegen.

29 Mit Schreiben vom 7. März 1990 teilte die Kommission der Klägerin mit, ihr Juristischer Dienst teile die im Schreiben vom 10. August 1989 enthaltene Ansicht. Ausserdem wies sie darauf hin, daß die zuständigen Dienststellen hinsichtlich der aufgeworfenen Probleme bereits mit den Verantwortlichen der Klägerin Kontakt gehabt hätten und daß es deshalb weder notwendig noch nützlich sei, sich noch einmal mit diesem Gegenstand zu befassen.

30 In einem Schreiben vom 20. März 1990 erwähnte die Klägerin die Möglichkeit, ein Gerichtsverfahren einzuleiten, um so Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten.

31 Mit Schreiben vom 28. März 1990, das der Klägerin am 11. April zuging, stellte die Kommission ihr die Entscheidung vom 21. März 1990 zu, mit der wegen Überschreitung der Quoten für die Erzeugnisse der Gruppen Ia und Ib im zweiten Quartal 1988 gemäß Artikel 58 EGKS-Vertrag eine Geldbusse verhängt wurde. Diese Busse belief sich auf 2 153 550 ECU, also 18,75 ECU je Tonne der Überschreitung.

Das Verfahren

32 Mit Klageschrift, die am 18. Mai 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

33 Mit Schreiben vom 27. September 1991 hat der Kanzler die Kommission ersucht, Fragen des Gerichts zu beantworten.

34 Die Kommission hat die Fragen des Gerichts mit einem bei der Kanzlei des Gerichts am 21. Oktober 1991 eingegangenen Schreiben beantwortet.

35 Nach Kenntnisnahme von diesen Antworten und auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

36 In der Sitzung des Gerichts vom 4. Dezember 1991, an der der Kammerpräsident D. A. O. Edward sowie die Richter R. García-Valdecasas, K. Lenärts, H. Kirschner und R. Schintgen teilgenommen haben, haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

37 Das Gericht stellt fest, daß der Richter D. A. O. Edward, nachdem er am 10. März 1992 sein Amt als Richter am Gerichtshof angetreten hat, verhindert war, an der Beratung der vorliegenden Rechtssache teilzunehmen. Infolge dieser Verhinderung ergab sich für den Spruchkörper eine gerade Zahl von Richtern.

38 Artikel 18 der EGKS-Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 44 dieser Satzung auch für das Gericht gilt, bestimmt, daß dieses nur in der Besetzung mit einer ungeraden Zahl von Richtern rechtswirksam entscheiden kann und daß die Entscheidungen der Kammern nur dann gültig sind, wenn sie von drei Richtern getroffen werden. Daher bestimmt Artikel 32 § 1 der Verfahrensordnung, daß der in der Rangordnung im Sinne von Artikel 6 niedrigste Richter an den Beratungen nicht teilnimmt, wenn sich eine gerade Zahl von Richtern ergibt.

39 Demgemäß ist das vorliegende Urteil von den drei Richtern erlassen worden, die es unterzeichnet haben.

40 Die Klägerin beantragt,

° zur Beweiserhebung anzuordnen, daß a) die Berechnungen, die der angefochtenen Geldbusse zugrunde liegen, und b) der Brief von Herrn F. an das Kabinett von Herrn Narjes, der sich auf die Anwendung des Vorgriffssystems im vierten Quartal 1987 bezieht, vorgelegt werden;

° in der Sache die Entscheidung der Kommission vom 21. März 1990 einschließlich der eventuellen (stillschweigend erfolgten) Ablehnung des im zweiten Quartal 1988 beantragten Vorgriffs für nichtig zu erklären;

° hilfsweise, die angegriffene Entscheidung in der Weise abzuändern, daß der (in Tonnen bemessene) Umfang der angeblichen Überschreitungen in angemessener und billiger Weise vermindert und die Geldbusse dementsprechend herabgesetzt wird;

° der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

° die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung über die Verhängung einer Geldbusse für unzulässig zu erklären, weil sie auf Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 gestützt ist;

° die Klage jedenfalls als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

41 Die Klägerin stützt ihre Klage auf Nichtigerklärung im wesentlichen auf drei Klagegründe. Mit einem ersten Klagegrund trägt sie vor, der von der Kommission getroffenen Feststellung einer Quotenüberschreitung fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Gerichtshof habe im Urteil vom 14. Juni 1989 das System der Quotenfestsetzung für den fraglichen Zeitraum mit Rückwirkung für nichtig erklärt, und die Kommission habe zur Durchführung dieses Urteils die für nichtig erklärte Entscheidung nicht durch eine neue Entscheidung ersetzt. Mit einem zweiten Klagegrund bestreitet die Klägerin die Rechtmässigkeit der stillschweigend ergangenen Entscheidung der Kommission, einen Vorgriff auf die Quoten des dritten Quartals 1988 gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 nicht zuzulassen; hierzu macht sie geltend, es fehle der Entscheidung an einer Begründung (erster Teil), sie beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung der fraglichen Bestimmung (zweiter Teil), und sie verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes (dritter Teil). Mit einem dritten Klagegrund macht die Klägerin eine Verletzung des Artikels 36 EGKS-Vertrag insofern geltend, als die Kommission ihr die Berechnungen, die der Geldbusse zugrunde lagen, nicht mitgeteilt habe. Hilfsweise beantragt die Klägerin, die Geldbusse in billiger Weise herabzusetzen und so die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die im vorliegenden Fall bei der Anwendung des Quotensystems bestanden hätten.

Der Hauptantrag

Zum ersten Klagegrund

42 Die Klägerin ist der Ansicht, das Urteil vom 14. Juni 1989, mit dem die Artikel 5 und 17 der Entscheidung Nr. 194/88 für nichtig erklärt worden sind, habe mit Rückwirkung die Maßstäbe beseitigt, nach denen etwaige Quotenüberschreitungen zu beurteilen gewesen seien. Quotenüberschreitungen seien also vollkommen ausgeschlossen gewesen, es sei denn, die Kommission hätte in Durchführung des Nichtigkeitsurteils ein neues System der Quotenfestsetzung geschaffen. Davon könne im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein, weil es die Kommission unterlassen habe, unter Beachtung des Verfahrens und der Garantien, die Artikel 58 Absatz 2 EGKS-Vertrag vorsehe, insoweit eine förmliche Entscheidung zu erlassen.

43 Zur Nichtigerklärung des Artikels 5 ist die Klägerin der Auffassung, die Kommission gehe von einem unvollständigen und nicht vertretbaren Verständnis der Urteile vom 14. Juli 1988 und vom 14. Juni 1989 aus. Im ersten Urteil habe der Gerichtshof Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 deswegen für nichtig erklärt, weil die Kommission selbst der Ansicht gewesen sei, daß er für Unternehmen mit besonders ungünstiger (zehn Punkte unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegender) I:P-Relation keine gerechte Quotenzuteilung erlaubt habe. Damit habe der Gerichtshof aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Wertung der Kommission anderen Unternehmen gegenüber rechtmässig gewesen sei. Im zweiten Urteil habe der Gerichtshof, was Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 angehe, das erste Urteil bestätigt, aber (unter Randnr. 21) hinzugefügt: "Es ist Sache der Kommission, in Durchführung dieses Urteils unter ihrer Verantwortung die Bestimmungen zu erlassen, die die I:P-Relation so festlegen, wie es die Lage auf den Exportmärkten zur Sicherung einer billigen Quotenzuteilung verlangt." Diese Anpassung habe die Kommission aber nie vorgenommen.

44 Die Klägerin stimmt zwar der Kommission darin zu, daß eine Anpassung gemäß dem Urteil vom 14. Juni 1989 Unternehmen nicht entgegengehalten werden könne, für die sie zu einer Quotenherabsetzung führen würde; sie meint aber, zur Wiederherstellung der in Artikel 5 der für nichtig erklärten Entscheidung enthaltenen Grundregelung und zur Aufrechterhaltung der Quoten, die diesen Unternehmen ursprünglich zugeteilt worden seien, sei eine förmliche Entscheidung notwendig gewesen.

45 Folglich habe sie ein Interesse daran, sich auf die Folgen der Nichtigerklärung dieser Vorschrift zu berufen, denn sie müsse zur Nichtigerklärung der angegriffenen Entscheidung führen, in der ihr wegen der angeblichen Verletzung dieser rechtswidrigen Vorschrift eine Geldbusse auferlegt worden sei.

46 Was Artikel 17 der Entscheidung Nr. 194/88 angeht, hätte die Kommission nach Auffassung der Klägerin bei der Berechnung der angeblichen Überschreitungen die Quotenverringerungen berücksichtigen müssen, zu denen es bei ihr aufgrund dieser Vorschrift, die auf ihren Antrag vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden sei, gekommen sei. Der so entstandene Schaden sei auf 150 000 Tonnen zu beziffern. Wäre er berücksichtigt worden, so wäre eine Quotenüberschreitung entfallen. Da die Kommission dies unterlassen habe, habe sie Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag verletzt.

47 Im Sanktionsverfahren habe sie von der Kommission ausdrücklich verlangt, daß für sie alle sich aus diesem Nichtigkeitsurteil ergebenden Folgen, in Quoten ausgedrückt, berücksichtigt würden. Die Kommission selbst habe die Verringerung der Lieferquoten der Klägerin für den Zeitraum vom ersten Quartal 1986 bis zum zweiten Quartal 1988 auf 167 862 Tonnen beziffert (Anlage 6 zur Klagebeantwortung, erste Übersicht). Der Kommission sei also zum einen vorzuwerfen, daß sie sich bei der Berücksichtigung der Wirkungen dieser Nichtigerklärung auf das zweite Quartal 1988 beschränkt und nicht den ganzen fraglichen Zeitraum in Betracht gezogen habe, sowie zum anderen, daß sie sich auf die Gruppen Ia und Ib beschränkt und die Gruppe II nicht berücksichtigt habe, bei der sich der Schaden auf 5 705 Tonnen belaufe.

48 Die Klägerin räumt ein, daß sich das Sanktionsverfahren, das gegen sie eingeleitet worden sei, nur auf das zweite Quartal 1988 bezogen habe. Weil dies aber das letzte Quartal gewesen sei, in dem das Quotensystem gegolten habe, und weil das Urteil vom 14. Juni 1989 nach Beseitigung dieses Systems ergangen sei, sei die Kommission gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag verpflichtet gewesen, alle günstigen Auswirkungen dieses Urteils zu berücksichtigen. Tatsächlich hätte der Klägerin Ersatz in Natur für den Schaden, der durch die für nichtig erklärten Vorschriften verursacht worden sei, nur dadurch gewährt werden können, daß die Kommission diesen Schaden mit der behaupteten Quotenüberschreitung verrechnet hätte.

49 Nach Ansicht der Kommission hat die Klägerin kein Interesse daran, sich auf die Nichtigerklärung des Artikels 5 zu berufen. Würde das Gericht den Argumenten der Klägerin folgen, so müssten die ursprünglichen Quoten der Klägerin gemäß den Grundsätzen neu berechnet werden, die der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 1988, auf das das Urteil vom 14. Juni 1989 verweise, festgelegt habe. Diese Quoten wären aber niedriger als die nach der für nichtig erklärten Vorschrift festgesetzten. Wie der Gerichtshof festgestellt habe, habe Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 den gleichen Wortlaut wie Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85; ersterer sei aus den gleichen Gründen für nichtig erklärt worden wie letzterer. Diese Nichtigerklärung sei also nicht über das hinausgegangen, was zur Festlegung angemessener Lieferquoten für Unternehmen erforderlich gewesen sei, bei denen die I:P-Relation offenkundig unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt gelegen habe. Für andere Unternehmen, wie die Klägerin, bei denen die I:P-Relation über dem Gemeinschaftsdurchschnitt gelegen habe, sei es nach dem Grundsatz der wohlerworbenen Rechte bei der ursprünglichen Quotenfestsetzung geblieben, denn eine Neuverteilung der Quoten hätte zu einer nachträglichen Herabsetzung der ursprünglich zugeteilten Quoten geführt.

50 Was die Nichtigerklärung des Artikels 17 angehe, sei die Kommission keineswegs verpflichtet gewesen, eine Erhöhung der Quoten anzuerkennen, die ursprünglich festgesetzt worden seien und die der Geldbusse zugrunde lägen. Nur um einen Streitpunkt auszuräumen, habe sie der Klägerin für das zweite Quartal 1988 Erhöhungen zugestanden, wie dies den Vertretern der Klägerin bei der Zusammenkunft vom 24. Januar 1990 erklärt worden sei.

51 Schließlich führe das Urteil vom 14. Juni 1989 nicht zu einer Überprüfung der der Klägerin zugeteilten Quoten, und es sei den sich darauf beziehenden Einzelentscheidungen ° die nicht innerhalb der Frist des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag angefochten worden seien ° durch dieses Urteil nicht der Boden entzogen worden. Die Kommission hätte andere Entscheidungen förmlich nur erlassen müssen, wenn das Urteil vom 14. Juni 1989 eine Überprüfung der Quoten der Klägerin verlangt hätte, nicht aber, wie die Klägerin meint, um aufgrund des für nichtig erklärten Artikels erlassene endgültige Entscheidungen "wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten".

52 Das Gericht stellt fest, daß der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juni 1989 die Artikel 5 und 17 der Entscheidung Nr. 194/88 mit folgenden Worten für nichtig erklärt hat: "Die Artikel 5 und 17 der Entscheidung Nr. 194/88/EGKS der Kommission vom 6. Januar 1988 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie werden für nichtig erklärt." Zu bestimmen ist, welche Tragweite dieses Urteil für die Klägerin im Hinblick auf diese beiden Vorschriften hat.

53 Für Artikel 5 ist zu prüfen, ob diese Vorschrift als Rechtsgrundlage für die Einzelentscheidungen zur Festsetzung der Quoten der Klägerin für nichtig erklärt worden ist. Dazu ist auf die Gründe dieses Urteils einzugehen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den verbundenen Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris u. a. und Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnr. 27). Unter Randnummer 26 des Urteils vom 14. Juni 1989, in der sich die einzige Begründung für die Nichtigerklärung der Entscheidung Nr. 194/88 findet, hat der Gerichtshof ausgeführt, daß "Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88/EGKS denselben Wortlaut hat wie Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS. Deshalb ist er aus den gleichen Gründen für nichtig zu erklären, wie sie zur Nichtigerklärung dieser Vorschrift im Urteil vom 14. Juli 1988 geführt haben." Daraus folgt, daß zur Bestimmung der Tragweite des Urteils vom 14. Juni 1989 auf die Gründe des Urteils vom 14. Juli 1988 abzustellen ist.

54 In der Begründung des Urteils vom 14. Juli 1988 heisst es (unter den Randnrn. 27 und 28): "Die Kommission hat dadurch, daß sie die von ihr für die Festsetzung angemessener Quoten gemäß Artikel 58 § 2 für erforderlich erachtete Änderung der I:P-Relation nicht vorgenommen hat, ein anderes Ziel, als es diese Bestimmung ihr vorschreibt, verfolgt und damit einen Ermessensmißbrauch begangen. Da die Kommission die Notwendigkeit der Beseitigung der Unausgewogenheit der I:P-Relation festgestellt hat, durch die die besondere Lage von Unternehmen wie den Klägerinnen gekennzeichnet war, ist davon auszugehen, daß es sich dabei um einen Ermessensmißbrauch gegenüber den Klägerinnen handelt. Somit ist festzustellen, daß Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 einen Ermessensmißbrauch gegenüber den Klägerinnen darstellt; er ist daher für nichtig zu erklären." Aufgrund dieser Erwägung hat der Gerichtshof für Recht erkannt: "1) Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 der Kommission vom 27. November 1985 wird insoweit für nichtig erklärt, als er es der Kommission nicht gestattet, von ihr als angemessen angesehene Lieferquoten für die Unternehmen festzusetzen, bei denen das Verhältnis zwischen den Produktionsquoten und der jeweiligen Lieferquote erheblich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegt."

55 Die Tatsache, daß der Tenor des Urteils vom 14. Juli 1988 nicht in vollem Umfang in den Tenor des Urteils vom 14. Juni 1989 übernommen worden ist, lässt nicht den Schluß zu, durch letzteres sei Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 in weiterem Umfang für nichtig erklärt worden als Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 durch ersteres. Für die Nichtigerklärung von Artikel 5 wird nämlich im Urteil vom 14. Juni 1989 allein auf die Gründe des Urteils vom 14. Juli 1988 verwiesen. Da das Urteil vom 14. Juni 1989 gegenüber dem vom 14. Juli 1988 keinerlei zusätzliche Begründung für eine weitergehende Nichtigerklärung des Artikels 5 enthält, kann Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 durch das erstgenannte Urteil nur in derselben Weise für nichtig erklärt worden sein wie Artikel 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 durch das Urteil vom 14. Juli 1988.

56 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß der Gerichtshof ° der Artikel 17, nicht aber Artikel 6 der Entscheidung Nr. 194/88 für nichtig erklärt hat, d. h. Vorschriften ohne eigenständigen Gehalt gegenüber Artikel 5 dieser Entscheidung, weil sie Maßstäbe für die Berechnung der Quoten enthalten, die von der Kommission aufgrund von Artikel 5 festzusetzen waren ° notwendig davon ausgegangen ist, daß Artikel 5 als Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Quoten durch die Kommission weiter Bestand hat.

57 Daraus folgt, daß der Gerichtshof Artikel 5 nicht insoweit für nichtig erklärt hat, als er die Rechtsgrundlage für die vierteljährliche Festsetzung der Quoten der Stahlunternehmen durch die Kommission bildet, sondern nur insoweit, als es die in ihm für die Festsetzung dieser Quoten enthaltenen Grössen nicht erlaubten, Lieferquoten auf einer Grundlage festzusetzen, die nach Ansicht der Kommission für Unternehmen angemessen ist, bei denen die I:P-Relation deutlich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegt.

58 Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Parteien kein Streit darüber, daß die Klägerin nicht zu den Erzeugern gehört, deren I:P-Relation unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt lag. Die Klägerin hat auch nichts vorgebracht, was die Ansicht der Kommission widerlegen könnte, Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 habe ihr keinen Schaden bei den Quoten verursachen können.

59 Daraus folgt, daß die Kommission beim Erlaß von Maßnahmen zur Durchführung des Urteils gemäß Artikel 34 EGKS-Vertrag der Klägerin gegenüber nicht verpflichtet war, in einer allgemeinen Entscheidung Maßstäbe für die Festsetzung der Quoten neu festzulegen oder neue Einzelentscheidungen zu erlassen. Tatsächlich befand sich die Klägerin gegenüber den Unternehmen, die die Nichtigerklärung des Artikels 5 im Urteil vom 14. Juni 1989 erreicht hatten, in der umgekehrten Lage. Welchen Weg die Kommission also auch wählen mochte, er hätte für die Klägerin nur zu niedrigeren Quoten führen können. Die Parteien sind sich aber zu Recht darüber einig, daß die Beachtung des Grundsatzes wohlerworbener Rechte ein solches Ergebnis ausschließt, das übrigens vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juni 1989 auch keineswegs ins Auge gefasst worden ist. Dieses Urteil hat also ° soweit es Artikel 5 für nichtig erklärt hat ° den Inhalt der Einzelentscheidungen materiell nicht beeinflussen können, mit denen die Quoten der Klägerin für das zweite Quartal 1988 festgelegt worden sind.

60 Überdies müssen die Einzelentscheidungen zur Festsetzung der Quoten der Klägerin für das zweite Quartal 1988 deswegen für bestandskräftig angesehen werden, weil sie nicht in der Frist des Artikels 33 mit einer Nichtigkeitsklage angefochten worden sind.

61 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. zuerst Urteil vom 8. März 1960 in der Rechtssache 3/59, Bundesrepublik Deutschland/Hohe Behörde, Slg. 1960, 120, 134, und zuletzt das Urteil vom 10. Dezember 1986 in der Rechtssache 41/85, Sideradria-Industria metallurgica/Kommission, Slg. 1986, 3917, Randnr. 5) kann ein Kläger im Rahmen einer gegen eine Einzelfallentscheidung erhobenen Nichtigkeitsklage nicht einredeweise (unter Berufung auf Artikel 36 Absatz 3 EGKS-Vertrag) die Rechtswidrigkeit anderer Einzelfallentscheidungen geltend machen, die an ihn gerichtet waren und die nach Ablauf der in Artikel 33 EGKS-Vertrag festgelegten Klagefrist bestandskräftig geworden sind.

62 Folglich kann bei der Berechnung der der Klägerin von der Kommission zur Last gelegten Quotenüberschreitungen von diesen Entscheidungen ausgegangen werden.

63 Im übrigen ist festzustellen, daß das Vorbringen der Klägerin zu den Folgen der Nichtigerklärung des Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 im wesentlichen auf den Vorwurf hinausläuft, die Kommission habe nicht gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag dafür gesorgt, daß der - von der Kommission anerkannte und in seiner Berechnung von der Klägerin nicht bestrittene ° Schaden, den die Klägerin aufgrund von Artikel 17 in den Quartalen oder bei den Erzeugnissen, für die eine Quotenüberschreitung nicht festgestellt worden ist, erlitten hat, mit den festgestellten Quotenüberschreitungen verrechnet wird.

64 Hierzu ist hervorzuheben, daß die Kommission nicht zu einer derartigen Aufrechnung verpflichtet war. Welche Folgen sich aus dem Nichtigkeitsurteil vom 14. Juni 1989 ergeben, bestimmt sich nach Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag. Danach hat die Kommission zum einen die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus Nichtigkeitsurteilen des Gerichtshofes ergeben, und sie hat zum anderen, wenn einem Unternehmen durch eine Entscheidung, die nach der Feststellung des Gerichtshofes einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler aufweist, ein unmittelbarer und besonderer Schaden entstanden ist, mit Hilfe der ihr nach dem EGKS-Vertrag zustehenden Befugnisse geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene Wiedergutmachung des durch die für nichtig erklärte Entscheidung unmittelbar verursachten Schadens und soweit erforderlich eine billige Entschädigung zu gewähren. Trifft die Kommission nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Maßnahmen, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergeben, so kann vor dem Gerichtshof auf Schadensersatz geklagt werden. Für Sanktionen bei Verletzung von Entscheidungen, die im Rahmen des Quotensystems erlassen wurden, sind dagegen die Artikel 58 Absatz 4 und 36 EGKS-Vertrag maßgeblich. Danach kann die Kommission, nachdem sie den Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, gegen Unternehmen, die den aufgrund des Quotensystems erlassenen Entscheidungen zuwiderhandeln, Geldbussen bis zum Hoechstbetrag des Wertes der unzulässigen Erzeugung festsetzen. Wegen dieser Sanktionen kann Klage im Verfahren mit unbeschränkter Nachprüfung erhoben werden.

65 Da diese beiden Verfahren unterschiedlich ausgestaltet sind und die Kommission nach dem erstgenannten Verfahren selbständig darüber befinden kann, welche Maßnahmen zur Durchführung von Nichtigkeitsurteilen zu erlassen sind, kann ihr vom Gericht im Rahmen des zweiten Verfahrens nicht vorgeschrieben werden, in welcher Weise sie Maßnahmen zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils des Gerichtshofes zu treffen, also eine Frage zu entscheiden hat, die in den Rahmen des erstgenannten Verfahrens gehört. Die Kommission hatte also nicht zu berücksichtigen, welche günstigen Auswirkungen sich für die Klägerin aus der Nichtigerklärung des Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 für andere Quartale als das zweite Quartal 1988 und für andere Erzeugnisgruppen als die Gruppen Ia und Ib ergaben. Unstreitig ist aber, daß die Kommission hinsichtlich des zuletzt genannten Quartals und der zuletzt genannten Gruppen die für die Klägerin günstigen Folgerungen aus dieser Nichtigerklärung dadurch gezogen hat, daß sie bei den beiden fraglichen Erzeugnisgruppen die ursprünglich errechneten Überschreitungen herabgesetzt hat. Die angefochtene Handlung nimmt insofern ausdrücklich auf die "Rechtsprechung des Gerichtshofes" Bezug, um dieses Berechnungselement zu erfassen.

66 Folglich hat die Kommission der Klägerin gegenüber in Ansehung des Quartals und der Erzeugnisgruppen, um die es im vorliegenden Verfahren allein geht, ordnungsgemäß die Maßnahmen getroffen, die sich aus dem Urteil vom 14. Juni 1989 sowohl im Hinblick auf die Nichtigerklärung des Artikels 5 als auch im Hinblick auf die Nichtigerklärung des Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 ergaben. Der erste Klagegrund ist also nicht stichhaltig.

Zum zweiten Klagegrund

Erster Teil: unzureichende Begründung

67 Die Klägerin bringt vor, sie habe in ihrem Schreiben vom 15. März 1989 geltend gemacht, daß die Kommission bei der Berechnung der ihr zur Last gelegten Quotenüberschreitungen nicht die Quotenerhöhungen berücksichtigt habe, die die von ihr beantragten Vorgriffe mit sich gebracht hätten. In der angegriffenen Entscheidung sei die Kommission auf diesen Punkt nicht eingegangen, sondern habe sich darauf beschränkt, zu bemerken, "daß das Quotensystem auf Quartale abstellt und zwingend ist und daß es kein automatisches Recht auf Vorgriffe gibt". Weil es an jeder anderen Begründung fehle, sei die Entscheidung rechtswidrig, denn sie habe danach nicht wissen können, ob die Frage offengeblieben sei oder ob die Kommission mit dieser Bemerkung den Antrag auf Zulassung eines Vorgriffs habe abweisen wollen. Im letzteren Fall enthalte die Entscheidung über die Zurückweisung keinerlei Begründung.

68 Die Kommission bringt vor, sie habe sich beim Erlaß der Entscheidung vom 21. März 1990 an ihre Entscheidung gehalten, für das zweite Quartal 1988 keine Vorgriffe zuzulassen. In der formellen Begründung habe sie sich darauf beschränkt, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß es ein Recht auf automatische Gewährung eines Vorgriffs nicht gebe und daß diese daher nicht verlangen könne, daß zu ihren Gunsten Vorgriffe berücksichtigt würden, die nicht gewährt worden seien.

69 Die Gründe für die Verweigerung der Vorgriffe seien der Klägerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens und insbesondere im Schreiben vom 2. August 1988 sowie bei der Zusammenkunft vom 24. Mai 1989 deutlich erklärt worden. Ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes zufolge (vgl. Urteil vom 7. April 1987 in der Rechtssache 32/86, Sisma/Kommission, Slg. 1987, 1645) hänge aber der Umfang der Begründungspflicht von der Art des Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen worden sei. Einzelentscheidungen könnten daher als ausreichend begründet angesehen werden, wenn der Empfänger durch Teilnahme an dem Verfahren, das zu der Handlung geführt hat, alle zur Bewertung seiner Rechtmässigkeit notwendigen Angaben erhalten habe, und wenn die Gesamtheit der ihm überlassenen Schriftstücke es dem Gemeinschaftsrichter erlaube, die Rechtmässigkeitskontrolle in vollem Umfang auszuüben.

70 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteil vom 7. April 1987 in der Rechtssache 32/86, a. a. O., Randnrn. 8 bis 10) hat die Pflicht zur Begründung einer Einzelfallentscheidung den Zweck, dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung rechtmässig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung erlaubt. Der Umfang dieser Pflicht hängt von der Art des Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

71 Im vorliegenden Fall ist in dem Umstand, daß in der streitigen Entscheidung der Umfang der festgestellten Überschreitung und der in dem betreffenden Verfahren angewandte Bußgeldsatz genannt wurden, eine stillschweigende, aber deutliche Entscheidung des Inhalts zu sehen, die von der Klägerin beantragten Vorgriffe abzulehnen. Die Begründung für die Ablehnung gab die Kommission der Klägerin in den Gründen der angegriffenen Entscheidung. In ihnen wird nämlich einmal auf das Treffen der Vertreter der Parteien vom 24. Mai 1989 Bezug genommen, bei dem ein Vertreter der Kommission betonte, daß "Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e die Möglichkeit eines Vorgriffs auf die Quoten, nicht aber zusätzliche Quoten vorsieht. Im vorliegenden Fall wäre es zu einer Quotenerhöhung gekommen, weil es sich um das letzte Quartal des Quotensystems handelte". Weiter wird hier auch, nach der Feststellung, die Klägerin habe hervorgehoben, daß "die Zahlen [nicht] die in den Artikeln 7 und 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88/EGKS vorgesehenen Anpassungen berücksichtigten...", darauf hingewiesen, daß "das Quotensystem auf Quartale abstellt und zwingend ist und daß es kein automatisches Recht auf Vorgriffe gibt".

72 Diese Begründung muß ausserdem in dem Zusammenhang gesehen werden, in dem es zu der angefochtenen Entscheidung gekommen ist. Insoweit ist vor allem darauf hinzuweisen, daß die Kommission in ihrem Schreiben vom 2. August 1988 erläutert hat, warum sie für das zweite Quartal 1988 keine Quotenvorgriffe zulassen wollte. Darüber hinaus ist der wesentliche Inhalt dieser Entscheidung der Klägerin in dem Fernschreiben angekündigt worden, das Eurofer nach einem Telefongespräch eines seiner Angestellten mit einem Abteilungsleiter der GD III der Kommission am 6. April 1988 an seine Mitglieder gerichtet hat.

73 Folglich ist der erste Teil dieses Klagegrundes nicht stichhaltig.

Zweiter Teil: fehlerhafte Auslegung des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88

74 Nach Ansicht der Klägerin verstösst die Ablehnung des beantragten Vorgriffs gegen Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88. Dort heisse es: "Rechnet ein Unternehmen damit, daß es seine Quoten in dem Quartal, auf das sie sich beziehen, nicht ausnützen wird, so kann die Kommission dem Unternehmen unter den unter Buchstabe d genannten Bedingungen einen Vorgriff auf die Quoten des folgenden Quartals von höchstens 20 % der Quoten des laufenden Quartals erlauben." Den unter Buchstabe d festgelegten Bedingungen zufolge habe das Unternehmen nachzuweisen, daß der Rückgang der Produktion im folgenden Quartal auf "einen Fall höherer Gewalt" oder "auf eine Reparaturzwecken dienende Unterbrechung von mindestens vier aufeinanderfolgenden Wochen" zurückzuführen sei. Wichtig sei vor allem, daß die Entscheidung Nr. 194/88 "für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1988" gegolten habe (Artikel 18 Absatz 2 der Entscheidung). Die von der Kommission vertretene Auslegung hätte aber zur Folge, daß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 in einem der beiden Quartale, in dem die Entscheidung gegolten habe, nicht anwendbar gewesen wäre. Dies würde bedeuten, daß die Einrichtung des Vorgriffs für die Hälfte des Zeitraums, in dem sie gegolten habe, ausser Kraft gesetzt worden wäre. Diese Auslegung wäre mit dem Grundsatz der "praktischen Wirksamkeit" wie auch mit Artikel 14 Absatz 2 EGKS-Vertrag nicht vereinbar, dem zufolge "die Entscheidungen... in allen ihren Teilen verbindlich" seien.

75 Im übrigen solle mit der Vorgriffsregelung vermieden werden, daß die Anwendung des Quotensystems für die Unternehmen zu einem besonderen Schaden führe, bei denen eine Verringerung der Produktion und der Lieferungen in einem späteren Quartal wegen höherer Gewalt oder Schließung des Betriebs vorauszusehen gewesen sei. Wenn es im Folgequartal zu den erwähnten Behinderungen und zu einer Verringerung der Erzeugung und der Lieferungen gekommen sei, hätten beantragte Vorgriffe erlaubt werden müssen. Dies hätte selbst dann geschehen müssen, wenn es zu diesen Behinderungen im ersten Quartal der Freigabe der Erzeugung gekommen sei, denn der Vorgriff, der bis zu 20 % betragen könne, werde nach Maßgabe der Quoten "des laufenden Quartals" und nicht nach Maßgabe der Quoten des folgenden Quartals berechnet. Deshalb sei die Vorgriffsregelung durchaus auch im letzten Quartal, in dem das Quotensystem gegolten habe, anwendbar gewesen. Es wäre unlogisch, wenn es im Zeitpunkt der Freigabe des Marktes bei der letzten Anwendung des Quotensystems zu einer strengeren Handhabung kommen würde als während der Geltungsdauer des Systems. Bei Aufrechterhaltung des Systems während eines weiteren Quartals und bei gleicher (verminderter) Erzeugungs- und Liefermenge im dritten Quartal 1988 hätten nämlich der Klägerin "Vorgriffe" im zweiten Quartal nicht verweigert werden können.

76 Im vorliegenden Fall habe die Klägerin Vorgriffe auf die Quoten im Hinblick auf den jahreszeitlich bedingten Rückgang des Verbrauchs, der ° wie in den vorangegangenen Jahren ° für das dritte Quartal vorauszusehen gewesen sei, beantragt. Zu diesem Rückgang sei es tatsächlich im dritten Quartal 1988 gekommen. Die Erzeugung der Klägerin und ihre Lieferungen auf dem Markt hätten ° auch nach Beginn der Freigabe der Erzeugnisse ° bei der Relativität einen Rückgang von ungefähr 20 % sowohl gegenüber dem ersten Quartal 1988 als auch gegenüber den Jahren 1986 und 1987 aufgewiesen. Davon sei die Kommission ihrem Wunsch entsprechend im einzelnen unterrichtet worden.

77 Die Kommission macht geltend, der Wortlaut von Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 zeige, daß es für einen Vorgriff in einem bestimmten Quartal darauf ankomme, daß Quoten im folgenden Quartal vorhanden seien. Ohne solche Quoten könne die Regelung nicht angewandt werden. Da das Quotensystem aber mit Wirkung vom 1. Juli 1988 abgeschafft worden sei, habe es im dritten Quartal keine Quoten mehr gegeben. Die für die Genehmigung eines Vorgriffs im zweiten Quartal 1988 unerläßliche Voraussetzung sei also nicht erfuellt gewesen.

78 Nur diese Auslegung stelle im übrigen eine angemessene Verteilung der mit der Krise verbundenen Lasten auf die Unternehmen sicher. Dafür sei notwendig, daß die gesamte Erzeugung während der gesamten Geltungsdauer des Quotensystems auf die Unternehmen mittels eines Systems vierteljährlicher Quoten und nach Maßgabe individueller Referenzmengen aufgeteilt werde. Hätte man gestattet, daß ein Unternehmen die Gesamtsumme der ihm nach und nach zugeteilten Quoten durch einen Vorgriff auf die nichtkontingentierte Erzeugung des ersten Quartals nach Ablauf des Quotensystems erhöhte, so hätte dieses Unternehmen, bezogen auf den Gesamtzeitraum der Krise, letzten Endes höhere Gesamtquoten erhalten, als es aufgrund seiner Referenzmengen hätte beanspruchen können. Die Kommission hätte übrigens in Ansehung der angeblichen Herabsetzung der Erzeugung in diesem Quartal keinerlei Überwachungs- und Sanktionsbefugnisse gehabt, weil die Verrechnung der Vorgriffe tatsächlich und rechtlich dem Ermessen der Unternehmen überlassen worden wäre, die daraus einen Vorteil gezogen hätten.

79 Nach Ansicht des Gerichts muß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts dieser Vorschrift und insbesondere anhand des mit Artikel 11 insgesamt verfolgten Zwecks ausgelegt werden. Sinn des Quotensystems, das gemäß Artikel 58 EGKS-Vertrag geschaffen werden kann, ist es, die Folgen eines Rückgangs der Nachfrage nach Kohle oder Stahl aufzufangen, wenn dieser Rückgang zu einer offensichtlichen Krise führt, der mit den in Artikel 57 EGKS-Vertrag vorgesehenen Möglichkeiten nicht begegnet werden kann. Zu diesem Zweck kann die Kommission angemessene Quoten festsetzen. Das Quotensystem soll also die Lasten der Krise angemessen auf die verschiedenen Erzeuger verteilen, indem es die für die Wiederherstellung eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage erforderlichen Einschränkungen der Erzeugung angemessen verteilt.

80 Demgemäß wurde die Kommission durch Artikel 5 der Entscheidung Nr. 194/88 ermächtigt, für die erste Hälfte des Jahres 1988 vierteljährlich für die verschiedenen Unternehmen Quoten unter Berücksichtigung verschiedener Parameter festzusetzen. Mit Artikel 11 dieser Entscheidung wurde in das Quotensystem dadurch eine gewisse Flexibilität eingeführt, daß punktülle Überschreitungen der Quoten für bestimmte Gruppen von Erzeugnissen oder für bestimmte Zeiträume erlaubt wurden, wenn sie durch die Nichtausnutzung einer Quote für eine bestimmte Erzeugnisgruppe oder während eines bestimmten Zeitraums ausgeglichen wurden. So lässt Artikel 11 Absatz 1 eine begrenzte Überschreitung bei einzelnen Erzeugnisgruppen zu, wenn dies bei anderen Erzeugnisgruppen ausgeglichen wird. Desgleichen sind gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstaben a, b, c und d Übertragungen von Quoten auf einen späteren Zeitraum für Unternehmen möglich, die während eines bestimmten Zeitraums ihre Erzeugungs- oder Lieferquoten nicht ausgeschöpft haben. Nach Artikel 11 Absatz 4 können die Unternehmen unter bestimmten Bedingungen Quoten oder Teile von Quoten austauschen oder verkaufen.

81 Für die einzelnen Vorschriften des Artikels 11 der Entscheidung Nr. 194/88 ist demnach hauptsächlich kennzeichnend, daß begrenzte Quotenüberschreitungen nur zulässig sind, wenn sie dadurch ausgeglichen werden, daß die für eine bestimmte andere Erzeugnisgruppe oder für einen bestimmten anderen Zeitraum festgesetzten Quoten nicht ausgeschöpft werden.

82 In diesem Zusammenhang ist Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 zu sehen, wo es heisst:

"Rechnet ein Unternehmen damit, daß es seine Quoten in dem Quartal, auf das sie sich beziehen, nicht ausnützen wird, so kann die Kommission dem Unternehmen unter den unter Buchstabe d genannten Bedingungen einen Vorgriff auf die Quoten des folgenden Quartals von höchstens 20 % der Quoten des laufenden Quartals erlauben."

Diese Bestimmung folgt auf Artikel 11 Absatz 3 Buchstaben a bis d, wo der umgekehrte Vorgang, nämlich die Übertragung auf spätere Zeiträume, geregelt ist.

83 Die Anwendung dieser Vorschrift setzt also voraus, daß die während eines Quartals erfolgte Quotenüberschreitung durch die Nichtausschöpfung der Quote im folgenden Quartal ausgeglichen werden kann. Andernfalls käme es zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Erzeuger in einer Krisensituation, der sich aus dem Gesamtsystem des Artikels 58 EGKS-Vertrag ergibt, insbesondere soweit in dessen Absatz 2 auf die in den Artikeln 2, 3 und 4 EGKS-Vertrag und namentlich in Artikel 4 Buchstabe b umschriebenen Grundsätze Bezug genommen wird, wonach Maßnahmen, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern herbeiführen, verboten sind.

84 Daraus folgt, daß die angegriffene Entscheidung nicht auf einer irrigen Auslegung des Artikels 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 beruht.

85 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es in den Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 194/88 heisst:

"Obwohl die Kommission bei den Warmbreitbandstrassen der Gemeinschaft noch Überkapazitäten feststellt, kann die Lage bei Warmbreitband (Gruppe Ia) und kaltgewalzten Blechen (Gruppe Ib) angesichts der gegenwärtigen konjunkturellen Situation im allgemeinen als zufriedenstellend bezeichnet werden. Trotzdem könnte eine unmittelbare Rückkehr zu den Kräften des Marktes eine radikale Preissenkung hervorrufen. Daher erscheint es gerechtfertigt, diese Produkte noch für zwei Quartale im Quotensystem zu belassen, verbunden mit einer Lockerung der Quoten im zweiten Quartal als Vorbereitung auf die von der Kommission angesichts der gegenwärtigen Marktlage als notwendig angesehenen Liberalisierung nach dem 30. Juni 1988."

Daher bestimmt Artikel 8 Absatz 2 dieser Entscheidung:

"Für das zweite Quartal 1988 werden die Teile der Quoten, die innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden dürfen, um 2 % höher angesetzt, als [es] der Schätzung der Nachfrage entspricht."

Zu Unrecht trennt also die Klägerin die letzte Anwendung der Vorgriffsregelung, die sicher strenger war als in früheren Fällen, von der letzten Anwendung des Quotensystems insgesamt, das mit einer umfassenden "Lockerung" verbunden war, um darzutun, die Kommission habe nicht folgerichtig gehandelt, weil sie die letzte Anwendung des Quotensystems strenger ausgestaltet habe als die für frühere Zeiträume geltende.

86 Dem zweiten Teil dieses Klagegrundes kann also nicht gefolgt werden.

Dritter Teil: Verletzung des Vertrauensschutzes

87 Nach Ansicht der Klägerin stellt die Ablehnung des beantragten Vorgriffs eine Verletzung ihres Vertrauens in ein gleichförmiges Verhalten der Kommission dar, denn die Ablehnung stehe im Widerspruch zu Entscheidungen, die die Kommission zu entsprechenden Fällen in früheren Jahren erlassen habe. Maßgeblicher sei insoweit, daß im vierten Quartal 1987 Vorgriffe bei "langen" Erzeugnissen zugelassen worden seien, obwohl diese ab 1. Januar 1988 aus dem Quotensystem herausgenommen worden seien. Dieser Vorgang sei deshalb besonders bezeichnend, weil es zu ihm nach einer eingehenden Stellungnahme der GD III zu dem Gesamtproblem gekommen sei (Vermerk von Herrn F., der nach zustimmender Stellungnahme des Juristischen Dienstes an das Kabinett von Herrn Narjes, dem Vizepräsidenten der Kommission, gerichtet worden sei und dessen Vorlage auf Antrag der Klägerin vom Gericht angeordnet werden soll).

88 Die Klägerin weist ausserdem darauf hin, daß sie ihren Antrag auf Zulassung eines Vorgriffs am 9. Juni 1988 gestellt habe, also zu einer Zeit, als das Schicksal des Quotensystems, dessen Auslaufen erst am 24. Juni 1988 beschlossen worden sei, noch nicht bekannt gewesen sei.

89 Mit der stillschweigenden Ablehnung der für das zweite Quartal 1988 beantragten Vorgriffe habe die Kommission somit das berechtigte Vertrauen der Klägerin in ein gleichförmiges Verhalten der Kommission verletzt.

90 Die Kommission hebt zunächst hervor, der Gerichtshof habe mehrfach festgestellt (Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Société française des Biscuits Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395), daß Wirtschaftsteilnehmer nicht damit rechnen könnten, daß eine bestehende Situation, die im Rahmen des den Gemeinschaftsorganen zustehenden Ermessens geändert werden könne, beibehalten werde.

91 Die Kommission bestreitet auch, daß der Klägerin am 21. April 1988 für das vierte Quartal 1987 ein Vorgriff bei langen Erzeugnissen gestattet worden sei, die ab 1. Januar 1988 nicht mehr vom Quotensystem erfasst gewesen seien. Der Antrag der Klägerin vom 16. Dezember 1987 sei seinem Wortlaut nach nur "für den Fall, daß das Quotensystem nach Artikel 58 über den 31. Dezember 1987 hinaus verlängert werde", gestellt worden. Die Kommission habe darauf erklärt, sie nehme von dem Antrag der Klägerin "auf die Erzeugungsquoten, die ihr für das erste Quartal 1988 zustuenden, vorzugreifen", Kenntnis und sie lasse diesen Vorgriff unter der Voraussetzung zu, daß die betreffenden Mengen "von Ihren Quoten für das erste Quartal 1988 abgezogen" würden. Die Kommission sei also am 21. April 1988 davon ausgegangen, daß sich der Antrag auf die Quoten beschränkt habe, die der Klägerin für das erste Quartal 1988 zugeteilt worden seien und die sich nicht auf die vom Quotensystem nicht mehr erfassten langen Erzeugnisse bezogen hätten. Die Entscheidung über die Vorgriffe sei aufgrund des derart begrenzten Antrags getroffen worden, der allein einen Abzug der Vorgriffe von den Quoten des ersten Quartals 1988 möglich gemacht habe. Vorgriffe auf Erzeugnisse, für die ab 1. Januar 1988 Quoten nicht mehr gegolten hätten, seien also weder im Antrag der Klägerin noch in der Entscheidung der Kommission jemals erwogen worden.

92 Ausserdem sei die Entscheidung, das Quotensystem auslaufen zu lassen, nicht lediglich eine von verschiedenen Denkmöglichkeiten gewesen, sondern eine wohlbedachte politische Entscheidung, die von der Kommission u. a. in Punkt 1 letzter Absatz der Begründungserwägungen der Entscheidung Nr. 194/88 angekündigt worden sei.

93 Bei dieser Sachlage habe jeder umsichtige Wirtschaftsteilnehmer ernsthaft die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, daß das Quotensystem beendet werden könnte und die Kommission eine dieser neuen Rechtslage entsprechende Haltung einnehmen würde.

94 Darüber hinaus habe die Kommission im vorliegenden Fall alle Unternehmen über Eurofer seit Anfang des zweiten Quartals 1988 darauf hingewiesen, daß sie im Hinblick auf die Beendigung des Quotensystems im zweiten Quartal keinerlei Vorgriffe erlauben werde. Seit Anfang des zweiten Quartals 1988 habe die Klägerin also mit Sicherheit gewusst, daß die Kommission, sollte der Rat den Freigabevorschlag nicht einstimmig zurückweisen, keine Vorgriffe zulassen würde.

95 Der Klägerin sei also nicht nur ° aufgrund der Mitteilung von Eurofer - bekannt gewesen, daß die Kommission im letzten Quartal der Anwendung des Quotensystems keinen Vorgriff zulassen werde, sie sei mit dieser Auslegung auch einverstanden gewesen, weil sie sie schon im Dezember 1987 akzeptiert habe.

96 Im übrigen hält die Kommission den Antrag für unzulässig, eine Stellungnahme ihrer Dienststellen, die eine vorbereitende Handlung darstelle und vertraulich sei, in das Verfahren einzubeziehen.

97 Vorab ist festzustellen, daß die Klägerin nicht behaupten kann, vom Ende des Quotensystems überrascht worden zu sein, denn die Kommission hat in den Begründungserwägungen ihrer Entscheidung Nr. 194/88 deutlich erklärt, daß sie das Quotensystem für bestimmte Erzeugnisse während weiterer zwei Quartale aufrechterhalte, daß dies aber mit einer "Lockerung der Quoten im zweiten Quartal als Vorbereitung auf die... Liberalisierung [des Marktes] nach dem 30. Juni 1988" verbunden werde.

98 Zu den rechtlichen Folgen des Auslaufens des Quotensystems ist festzustellen, daß die Entscheidung der Kommission, der Klägerin die für das zweite Quartal 1988 beantragten Vorgriffe auf Quoten nicht zu gestatten, keinen Bruch gegenüber ihrer früheren Politik darstellt. Entgegen den Behauptungen der Klägerin sind ihr nämlich niemals Vorgriffe auf das vierte Quartal 1987 bei Erzeugnisgruppen gestattet worden, für die das Quotensystem ab dem ersten Quartal 1988 beseitigt worden ist. Liest man die Entscheidung der Kommission vom 21. April 1988 im Lichte des seinerzeit von der Klägerin gestellten Antrags auf Zulassung von Vorgriffen, so zeigt sich, daß sich der Antrag zwar auch auf Erzeugnisse der Gruppen IV und VI bezog, für die gemäß Artikel 4 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88 vom 6. Januar 1988 das Quotensystem nicht verlängert worden ist, daß ihm aber die Wendung "für den Fall, daß das auf Artikel 58 gestützte Quotensystem über den 31. Dezember 1987 hinaus verlängert wird" vorangestellt war.

99 Folglich ist davon auszugehen, daß sich der Antrag der Klägerin auf die Erzeugnisgruppen beschränkte, für die das Quotensystem verlängert worden ist. Demgemäß konnte sich die Antwort der Kommission, mit der die beantragten Vorgriffe zugelassen wurden, nur auf Erzeugnisse beziehen, für die das Quotensystem noch galt. Diese Auslegung wird im übrigen durch Punkt 2 dieser Antwort bestätigt, wo es heisst, "die Mengen, auf die sich der Vorgriff bezieht, müssen von Ihren für das erste Quartal 1988 festgesetzten Quoten abgezogen werden", denn ein solcher Abzug hat nur bei Erzeugnissen einen Sinn, für die das Quotensystem noch galt.

100 Ausserdem hat die Klägerin selbst dadurch, daß sie ihren sich auf das vierte Quartal 1987 beziehenden Vorgriffsantrag von der Verlängerung des Quotensystems über den 31. Dezember 1987 hinaus abhängig gemacht hat, seinerzeit anerkannt, daß das Auslaufen des Quotensystems der Zulassung von Vorgriffen entgegenstand.

101 Schließlich hat die Klägerin in ihrer Klageschrift (S. 3) darauf hingewiesen, daß die Note vom 2. August 1988 "die Auslegung wiederholt [hat], nach der Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 die Beibehaltung des Quotensystems voraussetzt". Damit hat sie gezeigt, daß ihr diese Auslegung der fraglichen Bestimmung schon vor dem 2. August 1988 bekannt und somit nicht neu war.

102 Aus alledem folgt, daß die Kommission mit der Ablehnung der von der Klägerin beantragten Vorgriffe weder ihre frühere Entscheidungslinie geändert noch die Klägerin überrascht hat und daß sie daher den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt hat. Somit ist auch der dritte Teil dieses Klagegrundes nicht stichhaltig.

103 Der von der Klägerin gestellte Antrag, die Vorlage des sich auf die Auslegung von Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Entscheidung Nr. 194/88 beziehenden Vermerks von Herrn F. anzuordnen, ist in diesem Zusammenhang nicht rechtserheblich und somit zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund

104 Hilfsweise und für den Fall, daß das Gericht in bezug auf die Verhängung der Sanktion annehmen sollte, die von der Kommission durchgeführten internen Berechnungen reichten aus, um aus dem Urteil vom 14. Juni 1989 die notwendigen Folgerungen zu ziehen, bringt die Klägerin vor, diese Berechnungen, von deren Vorhandensein sie nichts wisse, seien ihr jedenfalls nie bekanntgegeben worden, und dies trotz wiederholter Anträge, von der Kommission gegebener Zusagen und wiederholter Bitten um eine Zusammenkunft zum Zweck der Klärung der aus dem Urteil vom 14. Juni 1989 für die Quoten zu ziehenden Folgen.

105 Ihr sei so nie Gelegenheit gegeben worden, von eventuellen, aufgrund des erwähnten Urteils berichtigten Berechnungen, die der in der angegriffenen Entscheidung verhängten Geldbusse zugrunde gelegen hätten, Kenntnis zu erhalten. Dies stelle eine offensichtliche Verletzung des Artikels 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag dar, dem zufolge die Kommission vor Verhängung einer Sanktion "dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme" zu geben habe.

106 Die Kommission ist der Ansicht, sie sei keineswegs verpflichtet gewesen, über diese Berechnungen mit der Klägerin zu sprechen, denn sie habe ihr zum einen erklärt, warum sie Vorgriffe und die Folgen einer eventuellen Verletzung von Artikel 15B der Entscheidung Nr. 3485/85 nicht berücksichtigt habe, und sie habe ihr zum anderen alle weiteren Quoten zugeteilt, die sie aus anderen Gründen beantragt habe. Artikel 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag, der der Kommission aufgebe, vor Verhängung einer finanziellen Sanktion dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, schließe nicht die Verpflichtung ein, dem Betroffenen vor Erlaß der Entscheidung das Ergebnis der durchgeführten Berechnungen vorzulegen, denn die Kommission habe alle Bemerkungen der Klägerin zur Kenntnis genommen, die dieses Ergebnis hätten beeinflussen können.

107 Was die Begründung der Entscheidung im besonderen angehe, so habe die Klägerin selbst das Schreiben vom 10. August 1989 vorgelegt, in dem Generaldirektor Braun erklärt habe, daß die verlangte Überprüfung "für Ihr Unternehmen eine viel weitergehende Verringerung der Lieferungen auf dem Gemeinsamen Markt mit sich gebracht hätte". Im übrigen seien die wirtschaftlichen Daten, die der Beurteilung der fraglichen Überschreitung zugrunde lägen, der Klägerin wohlbekannt gewesen, denn sie seien schon anläßlich der Rechtssachen, in denen das Urteil vom 14. Juni 1989 ergangen sei, Gegenstand einer Untersuchung und gründlicher Auseinandersetzungen gewesen. Zudem sei diese Frage auch noch einmal bei der Zusammenkunft vom 24. Januar 1990 geprüft worden, an der Vertreter der Klägerin und der Kommission teilgenommen hätten.

108 Dazu ist festzustellen, daß die Kommission mit ihrem Schreiben vom 23. Februar 1989 der Klägerin Gelegenheit gegeben hat, zu der behaupteten Überschreitung Stellung zu nehmen. Tatsächlich sind darin die Berechnungen enthalten, die zur Feststellung einer Quotenüberschreitung durch die Klägerin im zweiten Quartal 1988 geführt haben. Daraufhin hat die Klägerin bei den Zusammenkünften vom 3. März und 24. Mai 1989 und vom 24. Januar 1990 sowie in ihren Schreiben vom 15. März, 12. Juni, 14. Juli, 1. August und 8. September 1989 und vom 7. Februar 1990 Stellung nehmen können. Die Kommission hat danach in der angefochtenen Handlung die Bemerkungen der Klägerin zur Anwendung des Artikels 7 der Entscheidung Nr. 194/88 berücksichtigt, was der Klägerin im Schreiben vom 5. Juni 1989 mitgeteilt worden ist. Dagegen hat sie es ° wie sich aus dem Protokoll über die Zusammenkunft vom 24. Mai 1989 ergibt ° zu Recht abgelehnt, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e dieser Entscheidung beantragten Vorgriffe zu berücksichtigen. Desgleichen hat sie es zu Recht abgelehnt, im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Wirkungen des Nichtigkeitsurteils vom 14. Juni 1989 zu berücksichtigen, denn diese betrafen nicht das zweite Quartal 1988 und die Erzeugnisgruppen, um die es jetzt geht (Ia und Ib). Ausserdem sind sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung darin einig gewesen, daß die Kommission bei der informellen Zusammenkunft vom 24. Januar 1990 der Klägerin die Berechnungen gezeigt hat, die sie vorgenommen hatte, um zu bestimmen, in welchem Umfang der Klägerin Quoten insbesondere bezueglich der Erzeugnisgruppen und des Quartals, um die es im vorliegenden Verfahren geht, aufgrund des später für nichtig erklärten Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 vorenthalten worden sind (Klagebeantwortung, Anlage 6, erste Übersicht).

109 Bei dieser Sachlage kann von einer Verletzung des Artikels 36 Absatz 1 EGKS-Vertrag keine Rede sein, obwohl es besser gewesen wäre, wenn der Klägerin die zuletzt genannten Berechnungen, soweit sie bei der Bewertung der festgestellten Quotenüberschreitung berücksichtigt werden sollten, förmlich mitgeteilt worden wären.

110 Schließlich ist noch festzustellen, daß die Klägerin nichts vorgebracht hat, was zu Zweifeln an der Richtigkeit der Berechnungen Anlaß gibt, die die Kommission zur Feststellung des Umfangs der Quotenüberschreitung vorgenommen hat, und daß die Klägerin in der mündlichen Verhandlung insbesondere anerkannt hat, daß die Berechnungen richtig sind, die die Kommission vorgenommen hat, um festzustellen, in welchem Umfang der Klägerin Quoten aufgrund des Artikels 17 vorenthalten worden sind.

111 Daher ist dieser Klagegrund zurückzuweisen und festzustellen, daß der Beweisantrag gegenstandslos ist, mit dem die Vorlage der Berechnungen verlangt wird, die der angefochtenen Geldbusse zugrunde liegen.

Der Hilfsantrag

112 Lediglich hilfsweise beantragt die Klägerin, die Geldbusse angemessen herabzusetzen, um so den Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die sich bei der Anwendung des Quotensystems während des letzten Quartals, in dem es in Kraft gewesen sei, ergeben hätten. Die Aufrechterhaltung des Systems habe nämlich für die Klägerin eine beträchtliche Verminderung der Relativität und damit eine erhebliche Herabsetzung ihrer Lieferquoten mit sich gebracht. Dies hätte bei der Festsetzung der Geldbusse berücksichtigt werden müssen, deren ° nach den angeblichen Überschreitungen bemessener ° Umfang völlig ungerechtfertigt und überhöht erscheine.

113 Die Kommission führt aus, sie habe unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften die Klägerin so günstig wie nur möglich behandelt. Hätte sie alle Folgen berücksichtigt, die sich für die Klägerin aus der Nichtigerklärung des Artikels 5 der Entscheidung Nr. 3485/85 und der Entscheidung Nr. 194/88 ergeben hätten, so hätten, wie die zweite Übersicht in der Anlage 6 zur Klagebeantwortung zeige, die Quoten, die der Klägerin letzten Endes für zehn Quartale (vom ersten Quartal 1986 bis zum zweiten Quartal 1988) zugeteilt worden seien, erheblich verkleinert werden müssen. Die Klägerin habe also im Bereich der Quoten schon spürbare Vorteile erhalten, so daß die beantragte Herabsetzung der Geldbusse unbillig wäre.

114 Das Gericht ist in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu der Auffassung gelangt, daß die der Klägerin auferlegte Geldbusse nicht herabzusetzen ist. Die Klägerin hat nämlich das Vorbringen der Kommission nicht bestreiten können, sie habe aus der Rechtswidrigkeit des Artikels 5 der Entscheidung Nr. 194/88 einen Vorteil ° der ein wohlerworbenes Recht darstelle ° gezogen, der den durch die Rechtswidrigkeit des Artikels 17 der Entscheidung Nr. 194/88 verursachten Schaden übertroffen habe. Schon dieser Vorteil aber ° der allen Unternehmen zugute gekommen ist, bei denen die I:P-Relation über dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegt ° ist mit der angemessenen Verteilung der Lasten der Krise auf die Unternehmen nicht vereinbar. Diese Lage durfte durch die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in dem von der Klägerin für richtig gehaltenen Sinn nicht noch verschlimmert werden.

115 Im übrigen ist daran zu erinnern, daß die der Klägerin auferlegte Geldbusse einem Satz von 18,75 ECU je Tonne Überschreitung entspricht. Dieser Betrag liegt weit unter dem Betrag, der in Artikel 12 der Entscheidung Nr. 194/88 festgesetzt worden ist, wo es heisst: "Unternehmen, die ihre Erzeugungsquoten oder den Teil dieser Quoten überschreiten, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden darf, werden mit einer Geldbusse belegt, die in der Regel 75 ECU je Tonne Überschreitung beträgt".

116 Dem Antrag auf Herabsetzung der Geldbusse kann also nicht stattgegeben werden.

117 Aus alledem folgt, daß die Klage insgesamt abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

118 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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