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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 01.04.1992
Aktenzeichen: T-26/91
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat
Vorschriften:
Art. 25 Abs. 2 |
1. Im Fall der Nichternennung eines Beamten auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit bietet die Zuleitung der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses an den Betroffenen hinreichende Gewähr dafür, daß der Grundsatz des rechtlichen Gehörs beachtet wurde. In der Tat sind der Beamte auf Probe und das Gericht in der Lage, sich allein anhand der Stellungnahme ein Urteil darüber zu bilden, ob der Beurteilungsausschuß ordnungsgemäß gehandelt hat, ohne daß ihnen hierfür die Protokolle der Sitzungen dieses Ausschusses zur Verfügung stehen müssten.
2. Anders als die Auswahlverfahren, die den Zugang zum öffentlichen Dienst der Gemeinschaft eröffnen und die so ausgestaltet sind, daß sie eine Auslese der Bewerber nach allgemeinen und eine Vorausschau gestattenden Kriterien ermöglichen, soll die Probezeit nach Artikel 34 des Statuts die Verwaltung in die Lage versetzen, ein konkreteres Urteil über die Befähigung eines Bewerbers für ein bestimmtes Amt, über die geistige Einstellung, mit der er seine Aufgaben erfuellt, und über seine dienstlichen Leistungen abzugeben.
Zwar kann die Probezeit einer Ausbildungszeit nicht gleichgestellt werden, doch muß der Betroffene während dieser Zeit in die Lage versetzt werden, seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Diese Notwendigkeit ist mit dem Begriff der Probezeit untrennbar verbunden und entspricht ausserdem den Erfordernissen, die sich aus der Beachtung der allgemeinen Grundsätze der ordnungsgemässen Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie aus der Fürsorgepflicht ergeben. Dem Beamten auf Probe sind folglich nicht nur angemessene materielle Arbeitsbedingungen zu gewähren, sondern ihm müssen je nach Art der von ihm wahrgenommenen Aufgaben auch geeignete Anweisungen und Ratschläge erteilt werden, damit er in die Lage versetzt wird, sich den mit der von ihm ausgeuebten Tätigkeit verbundenen Anforderungen anzupassen.
Dagegen kann die Fürsorgepflicht die Verwaltung nicht dazu zwingen, bei der Arbeitszuteilung an den Beamten auf Probe mehr auf seine besonderen Fähigkeiten abzustellen als auf die Bedürfnisse der Dienststelle, der er zugewiesen ist.
3. Die Verwaltung verfügt nach den für Einstellung und Probezeit geltenden Grundsätzen über ein weites Ermessen, was die Beurteilung der Fähigkeiten und Leistungen von Beamten auf Probe nach Maßgabe des dienstlichen Interesses betrifft. Es ist daher nicht Sache des Gerichts, seine Beurteilung an die Stelle derjenigen des beteiligten Gemeinschaftsorgans zu setzen, was die von diesem vorgenommene Bewertung des Ergebnisses einer Probezeit sowie der Eignung eines seine endgültige Ernennung im Öffentlichen Dienst der Gemeinschaft anstrebenden Bewerbers betrifft, es sei denn, die Beurteilung ist offensichtlich irrig oder es liegt Ermessensmißbrauch vor.
URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 1. APRIL 1992. - LEONELLA KUPKA-FLORIDI GEGEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS. - BEAMTE - EINSTELLUNG - PROBEZEIT - ENTSCHEIDUNG UEBER DIE NICHTERNENNUNG ZUM BEAMTEN AUF LEBENSZEIT AM ENDE DER PROBEZEIT - GRUNDSATZ DER FUERSORGEPFLICHT - OFFENSICHTLICHER BEURTEILUNGSFEHLER - ANHOERUNG DES BEURTEILUNGSAUSSCHUSSES. - RECHTSSACHE T-26/91.
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt und Verfahren
1 Die Klägerin, die erfolgreich an dem vom Rat zur Bildung einer Reserveliste für Übersetzer italienischer Sprache veranstalteten Auswahlverfahren LA/301 (87/C/101/05) teilgenommen hatte, wurde am 1. Oktober 1989 vom Wirtschafts- und Sozialausschuß als Beamtin auf Probe in der Besoldungsgruppe LA 7 eingestellt.
2 Ihr Probezeitbericht, dessen erste Seite das Datum des 14. Mai 1990 trägt und der am 31. Mai 1990 von ihrem Beurteilenden unterzeichnet worden war, wurde der Klägerin am 1. Juni 1990 mitgeteilt. Er enthielt den Vorschlag, die Klägerin aus nachstehenden Gründen nicht zur Beamtin auf Lebenszeit zu ernennen.
"Die Klägerin hat während des Beurteilungszeitraums nicht den Nachweis dafür erbracht, daß sie über die Grundkenntnisse, die Methodik und die Fähigkeiten verfügt, die für die Übersetzung von Texten des Wirtschafts- und Sozialausschusses erforderlich sind. Obwohl ihre Sprachkenntnisse sich auf mehrere Sprachen erstrecken, sind sie unzulänglich; vor allem reicht jedoch ihre Fähigkeit nicht aus, die italienische Sprache mit voller Sachkenntnis und Genauigkeit zu handhaben.
Die von Frau Kupka in den letzten Monaten unternommenen Bemühungen, guten Willen zu zeigen, haben nicht ausgereicht, obwohl sie zahlreiche Bemerkungen über ihre Arbeit und wiederholte Erläuterungen erhalten hat.
Schließlich stand Frau Kupka nicht in hinlänglichem Masse für Gespräche und Diskussionen mit den Revisoren und ihren Kollegen zur Verfügung.
Im Ergebnis lässt die Qualität der von Frau Kupka erstellten Übersetzungen nicht erkennen, daß sie eine Persönlichkeit ist, die über die für eine Tätigkeit als Übersetzerin beim Ausschuß erforderlichen Grundkenntnisse und Fähigkeiten verfügt."
Dieser Probezeitbericht war ebenfalls von Herrn Pertoldi, Leiter der italienischen Übersetzungsabteilung und unmittelbarer Vorgesetzter der Klägerin, sowie von drei Revisoren unterzeichnet.
3 Am 8. Juni 1990 übermittelte die Klägerin dem Beurteilenden gemäß Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Beamtenstatuts der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) ihre Bemerkungen zum Probezeitbericht.
4 Am 19. Juni 1990 beantragte sie die Einberufung des Beurteilungsausschusses, eines paritätischen Ausschusses, der nach Artikel 9 Absatz 5 des Statuts gebildet werden kann; nach dieser Bestimmung ist es insbesondere Aufgabe dieses Ausschusses, zu der bei Ablauf der Probezeit getroffenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Ein solcher Ausschuß war durch die Entscheidung Nr. 76/83A des Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 25. Februar 1983 gebildet worden, die auch das Verfahren vor diesem Ausschuß regelt.
5 Der Beurteilungsausschuß trat erstmals am 22. Juni 1990 zusammen und hörte die Betroffene, die am selben Tag, nach ihren Worten "buchstäblich in derselben Minute", geladen worden war. Nachdem ihr Antrag, über ihre Arbeiten ein Sachverständigengutachten erstellen zu lassen, mit der Begründung abgewiesen worden war, dies sei unmöglich, wurde ihr der Klageschrift zufolge versichert, der Ausschuß werde sie wegen dieser Arbeiten den Revisoren gegenüberstellen. Am 25. Juni 1990 fand eine zweite Sitzung des Ausschusses statt. Die Klägerin, die zehn Minuten vor Beginn der Sitzung geladen worden war, nahm hieran nicht teil; es sei ihr unter diesen Umständen nicht mehr möglich gewesen, eine für diese Zeit getroffene Verabredung ausserhalb des Hauses abzusagen.
6 Der Beurteilungsausschuß nahm am 26. Juni 1990 Stellung und bestätigte hierbei einstimmig das negative Ergebnis, zu der der Probezeitbericht gelangt war. Dieser Stellungnahme zufolge war der Ausschuß, nachdem er die Klägerin, den Beurteilenden, die unmittelbaren Vorgesetzten der Betroffenen, nämlich Herrn Pertoldi und zwei Revisoren, Frau Apollonio und Herrn Giordano, sowie einen von der Klägerin benannten Beamten und einen Beamten der Direktion Personalverwaltung und Finanzen angehört und die ihm vom Generalsekretär übermittelten Schriftstücke geprüft hatte, zu folgendem Ergebnis gelangt:
"- Das vorliegend durchgeführte Verfahren entsprach den Vorschriften des Statuts und den Durchführungsvorschriften dazu.
- Die Arbeitsbedingungen, unter denen die Probezeit abgelaufen ist, lassen erwähnenswerte ungewöhnliche Vorkommnisse oder besondere Umstände nicht erkennen.
- Aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen und der eingeholten Zeugenaussagen einschließlich der Aussage der betroffenen Bediensteten ist der Ausschuß der Auffassung, daß der Probezeitbericht zwar ein gewisses Wohlwollen gegenüber Frau Kupka-Floridi erkennen lässt, sich dabei jedoch sehr deutlich äussert, soweit es um die vom Beurteilenden und den unmittelbaren Vorgesetzten der Betroffenen übereinstimmend festgestellten Mängel geht."
7 Am 27. Juni 1990 beschloß der Generalsekretär des Wirtschafts- und Sozialausschusses, die Klägerin aufgrund des Probezeitberichts und der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses mit Ablauf ihrer Probezeit zu entlassen.
8 Am 24. September 1990 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Nachdem die Beschwerde mit Entscheidung vom 18. Januar 1991 zurückgewiesen worden war, beantragte sie mit bei der Kanzlei des Gerichts am 23. April 1991 eingegangener Klageschrift, die vorerwähnte Entscheidung vom 27. Juni 1990 aufzuheben. Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Das Gericht hat gemäß Artikel 53 seiner Verfahrensordnung auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Auf eine im Rahmen verfahrensleitender Maßnahmen ergangene Aufforderung hat der Wirtschafts- und Sozialausschuß vor der mündlichen Verhandlung folgende Unterlagen vorgelegt: das in Punkt 4 der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses genannte zusammenfassende Verzeichnis der Schriftstücke, die der Generalsekretär des Wirtschafts- und Sozialausschusses dem Beurteilungsausschuß übermittelt hatte; die in diesem Verzeichnis aufgeführten Schriftstücke; schließlich die Entscheidung Nr. 363/82A des Wirtschafts- und Sozialausschusses betreffend die allgemeinen Bestimmungen über die Erstellung des Probezeitberichts. In Beantwortung der Aufforderung des Gerichts, die Protokolle der beiden Sitzungen des Beurteilungsausschusses vorzulegen, hat der Sekretär dieses Ausschusses in einer Note vom 22. Januar 1992 erklärt: "Nach ständiger Praxis wird über die Beratungen des Beurteilungsausschusses kein ausführliches Protokoll erstellt. Der Bericht vom 26. Juni 1990 ist das einzige vom Beurteilungsausschuß erstellte Schriftstück." Die mündliche Verhandlung hat am 12. Februar 1992 stattgefunden. In seiner Sitzung hat das Gericht Herrn Pertoldi, den es in Anwendug von Artikel 68 Absatz 1 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen geladen hatte, als Zeugen zu den Umständen vernommen, unter denen die Probezeit der Klägerin verlaufen ist. Am Ende der Sitzung hat der Präsident die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.
Anträge der Parteien
9 Die Klägerin beantragt,
- die Entscheidung des Generalsekretärs des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 27. Juni 1990, sie mit Ablauf der Probezeit zu entlassen, aufzuheben;
- den Beklagten zu verurteilen, hieraus alle rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, d. h. vor allem ihr die Möglichkeit einzuräumen, eine zweite Probezeit abzuleisten, nach deren Ablauf ihre Qualifikationen einer erneuten Beurteilung unterzogen werden;
- den Beklagten zu verurteilen, ihr Gehalt und alle vom Statut vorgesehenen Vergünstigungen zuzueglich Zinsen zum üblichen Satz vom 30. Juni 1990 bis zum Tag der Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu zahlen;
- dem Beklagten die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
In ihrer Erwiderung beantragt sie überdies,
- einen Sachverständigen mit dem Auftrag zu benennen, die Qualität der während der Probezeit von ihr handschriftlich erstellten Übersetzungen sowie ihre Kenntnisse der italienischen Sprache zu prüfen.
Der Beklagte beantragt,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
Zum Antrag auf Aufhebung
10 Die Klägerin stützt ihren Antrag auf vier Klagegründe, nämlich Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, Verkennung des Grundsatzes der Fürsorgepflicht und offensichtlich fehlerhafte Tatsachenbeurteilung.
Zur Verletzung wesentlicher Formvorschriften
Vorbringen der Parteien
11 Der erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Die Klägerin beruft sich nacheinander auf Verletzung von Artikel 25 Absatz 2 des Statuts, Nichtbeachtung des vom Generalsekretär am 19. Oktober 1989 an Herrn Vermeylen gerichteten Schreibens und Verkennung der Rechte der Klägerin im Verfahren vor dem Beurteilungsausschuß.
12 Zum ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der auf den 14. Mai datierte Probezeitbericht sei ihr erst am 1. Juni 1990 ausgehändigt worden; dies sei eine Verletzung von Artikel 25 Absatz 2 des Statuts, wonach "jede Verfügung aufgrund des Statuts... dem betroffenen Beamten unverzueglich schriftlich mitzuteilen" ist. Da ihre Probezeit am 30. Juni abgelaufen sei, müsse die am 1. Juni 1990 erfolgte Mitteilung des Probezeitberichts als verspätet angesehen werden, denn Artikel 34 Absatz 2 des Statuts bestimme, daß "spätestens einen Monat vor Ablauf der Probezeit... ein [Probezeitbericht]... abzugeben" sei. Ihre krankheitsbedingte Abwesenheit während eines Tages habe die Anstellungsbehörde nicht daran hindern können, ihr ihren Probezeitbericht unverzueglich schriftlich mitzuteilen. Der Beklagte habe im übrigen selbst eingeräumt, daß Artikel 25 Absatz 2 des Statuts verletzt worden sei, denn Herr Vermeylen habe in einem Schreiben an den Generalsekretär dargelegt, wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit der Klägerin sei es ihm "nicht möglich gewesen, den Probezeitbericht noch innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorzulegen".
13 Nach Ansicht des Beklagten ist der erste Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen. Ein Zeitraum von 14 Tagen zwischen der Erstellung des Probezeitberichts und dessen Mitteilung könne keinesfalls als übermässig lang angesehen werden. Die am 1. Juni 1990 erfolgte Mitteilung des Berichts sei sehr wohl innerhalb der in Artikel 34 Absatz 2 festgesetzten Frist, nämlich einen Monat vor Ablauf der Probezeit, erfolgt. Jedenfalls gehe aus dieser Bestimmung ausdrücklich hervor, daß die genannte Frist lediglich für die Abfassung des Berichts gelte, nicht aber für dessen Mitteilung an den Betroffenen. Im vorliegenden Fall habe es die Mitteilung des Probezeitberichts am l. Juni 1990 der Klägerin ermöglicht, zu diesem Bericht ausführliche Bemerkungen zu machen, die dem Beurteilenden am 8. Jui 1990 mitgeteilt worden seien.
Selbst wenn im übrigen die Übermittlung des Probezeitberichts verspätet erfolgt sein sollte, könne eine solche Verspätung nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen. Nach einer gefestigten Rechtsprechung beträfen Unregelmässigkeiten bei der Zustellung einer Entscheidung nicht diesen Akt selbst und könnten daher dessen Rechtmässigkeit nicht beeinträchtigen (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 39; vom 29. Mai 1974 in der Rechtssache 185/73, Hauptzollamt Bielefeld, Slg. 1974, 607, Randnr. 6; vom 29. Oktober 1981 in der Rechtssache 125/80, Arning/Kommission, Slg. 1981, 2539, und vom 30. Mai 1984 in der Rechtssache 111/83, Picciolo/Parlament, Slg. 1984, 2323, Randnr. 25). Ferner habe der Gerichtshof entschieden, daß die verspätete Mitteilung des Probezeitberichts es nicht rechtfertige, die Entscheidung, den Betroffenen nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, aufzuheben (Urteil vom 12. Juli 1973 in den verbundenen Rechtssachen 10/72 und 47/72, Di Pillo/Kommission, Slg. 1973, 763, Randnrn. 2 bis 6).
14 Der zweite Teil des ersten Klagegrundes bezieht sich auf die angebliche Nichtbeachtung des vom Generalsekretär am 19. Oktober 1989 an Herrn Vermeylen gerichteten dienstlichen Schreibens, in dem es heisst:
"2. Angesichts der Wichtigkeit der Probezeit bitte ich Sie, regelmässig - auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Kriterien - alle für die Beurteilung der Fähigkeiten, der Leistung und des Verhaltens des Beamten auf Probe konkreten Angaben, seien sie positiver oder negativer Art, zu sammeln.
Diese Angaben werden zur Stützung der in den Probezeitberichten abgegebenen abschließenden Beurteilungen dienen.
3. Sollten Schwierigkeiten auftauchen, so ist es zunächst Ihre Aufgabe, ein Gespräch mit den Beamten auf Probe zu führen und ihm später, falls erforderlich, schriftliche Erläuterungen zukommen zu lassen. Bestehen weiterhin Schwierigkeiten, so kommt eine Unterrichtung des Generalsekretärs in Betracht."
15 Nach der Darstellung der Klägerin hat Herr Vermeylen diese Anweisungen nicht befolgt. Er habe kein Gespräch mit ihr geführt und ihr keine schriftlichen Erläuterungen zukommen lassen. Ebensowenig habe er den Generalsekretär unterrichtet.
Durch die Nichtbeachtung des erwähnten Schreibens habe der Beklagte eine wesentliche Formvorschrift verletzt. Zur Stützung ihrer Auffassung führt die Klägerin an, dieses Schreiben stelle eine Verhaltensnorm dar, von der die Verwaltung nicht ohne Angabe von Gründen habe abweichen dürfen, da sie anderenfalls den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzen würde; dies gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervor, insbesondere aus dem Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73 (Louwage/Kommission, Slg. 1974, 81, Randnr. 12).
16 Der Beklagte weist das Vorbringen der Klägerin zurück. Er macht geltend, das genannte Schreiben vom 19. Oktober 1989 sei in keiner Weise bindend gewesen. Bereits aus seinem Wortlaut gehe hervor, daß es sich darauf beschränkt habe, im Falle von Schwierigkeiten ein bestimmtes Verhalten zu empfehlen. Es handele sich also nicht um eine innerdienstliche Richtlinie, die im Sinne des Urteils Louwage (Urteil vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 148/73, a. a. O.) Rechte der Beamten begründe und die Verwaltung binde.
Zudem sei die Klägerin von ihren Dienstvorgesetzten mehrfach mit äusserster Deutlichkeit auf die Unzulänglichkeit ihrer Arbeit hingewiesen worden. Insbesondere sei ihr mitgeteilt worden, daß ihre Übersetzungen an zahlreichen Stellen stilistisch und terminologisch hätten korrigiert werden müssen. Jenseits eines bestimmten Grades der Mangelhaftigkeit sei es nicht mehr möglich, die während eines Zeitraums von neun Monaten gemachten Fehler "systematisch" anzustreichen, wie dies die Klägerin gewünscht habe. Überdies hätten sich die Revisoren veranlasst gesehen, mit der Klägerin nicht mehr die an deren Texten vorgenommenen Änderungen zu erörtern, vor allem weil diese, wie im Probezeitbericht dargelegt, Kritik nicht angenommen habe. Ferner habe Herr Pertoldi ihr aus Anlaß einer Arbeitsverweigerung schriftlich sein Mißfallen ausgedrückt.
17 Im Rahmen des dritten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, das Verfahren vor dem Beurteilungsausschuß habe gegen Artikel 2 der Entscheidung Nr. 76/83A des Wirtschafts- und Sozialausschusses verstossen, wonach die vom Generalsekretär festzusetzende Äusserungsfrist mindestens sieben Arbeitstage zu betragen habe. Der am 19. Juni 1990 einberufene Beurteilungsausschuß sei aber am 22. und 25. Juni zusammengetreten und habe seine Stellungnahme am 26. Juni abgegeben, also weniger als sieben Arbeitstage nach seiner Einberufung. Nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes habe die Klägerin damit rechnen dürfen, daß die genannte Bestimmung - die es dem Ausschuß gestatten solle, ohne Zeitdruck tätig zu werden und sich möglichst gründlich zu informieren, und es dem Beamten auf Probe ermöglichen solle, seinen Standpunkt zu verteidigen - streng eingehalten werden würde.
18 Der Beklagte wendet sich gegen die von der Klägerin vertretene Auslegung von Artikel 2 der Entscheidung Nr. 76/83A. Er macht geltend, die Mindestfrist von sieben Tagen sei lediglich im Interesse des Beurteilungsausschusses, nicht aber der betroffenen Beamten auf Probe festgelegt worden. Dem Ausschuß habe es daher freigestanden, innerhalb einer kürzeren Frist zu entscheiden; die Sorgfalt seiner Arbeit habe im übrigen hierdurch nicht gelitten.
Rechtliche Würdigung
19 Zum ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, Artikel 25 Absatz 2 des Statuts sei dadurch verletzt worden, daß der Klägerin ihr Probezeitbericht nicht unverzueglich mitgeteilt worden sei, stellt das Gericht zunächst fest, daß dieser Bericht, wie aus den Akten hervorgeht, in Wirklichkeit am 31. Mai 1990 endgültig erstellt wurde, nicht aber am 14. Mai 1990, wie die Klägerin dem Gericht vorgetragen hat, wobei sie sich übrigens in Widerspruch zu ihrer Beschwerde setzt, in der ausdrücklich von der Erstellung des Probezeitberichts am 31. Mai 1990 die Rede ist. Zwar trägt die erste Seite des Berichts das Datum des 14. Mai 1990, doch hat der Beurteilende den Bericht erst am 31. Mai 1990 endgültig erstellt, nachdem dieser von Herrn Pertoldi und drei Revisoren am 30. Mai 1990 vorbereitet und unterzeichnet worden war, wie aus den Daten hervorgeht, an denen diese Unterschriften auf Seite 7 des Berichts jeweils geleistet wurden. Aus dem Schreiben, das der Beurteilende der Klägerin, Herr Vermeylen, am 31. Mai 1990 an den Generalsekretär richtete, und das die vom Beklagten vor dem Gericht gemachten, von der Klägerin nicht bestrittenen Ausführungen bestätigt, geht ferner hervor, daß die Klägerin bereits am 30. Mai "offiziell darüber unterrichtet worden ist, daß ihr Probezeitbericht, den der Beurteilende... ihr am 31. Mai aushändigen würde, negativ ausgefallen ist". Da die Klägerin sich an diesem Tag krank gemeldet hatte, wurde ihr der Probezeitbericht bereits am nächsten Tage, dem 1. Juni 1990, von ihrem Beurteilenden eigenhändig übergeben. Unter diesen Umständen kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, er habe es unterlassen, der Betroffenen ihren Probezeitbericht gemäß Artikel 25 Absatz 2 des Statuts unverzueglich mitzuteilen.
Zu der Rüge, mit der Mitteilung des Probezeitberichts am 31. Mai 1990 sei Artikel 34 Absatz 2 des Statuts missachtet worden, genügt angesichts der vorstehend dargelegten Tatsachen der Hinweis, daß der Probezeitbericht der Klägerin endgültig am 31. Mai 1990 erstellt wurde, also einen Monat vor dem 30. Juni 1990, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit. Ferner war der Bericht bereits am 30. Mai 1990 fertig; er war nach Anhörung der Revisoren und in Zusammenarbeit mit Herrn Vermeylen von Herrn Pertoldi vorbereitet worden. Unter diesen Umständen vermag die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe ausdrücklich eingeräumt, ihr den Probezeitbericht nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist übermittelt zu haben, nicht die Schlußfolgerungen in Frage zu stellen, die sich aus dem vorstehend festgestellten Sachverhalt ergeben.
20 Überdies ist hervorzuheben, daß die angefochtene Entscheidung am 27. Juni 1990 namentlich auf der Grundlage eines ordnungsgemäß erstellten Probezeitberichts sowie der von der Klägerin am 8. Juni 1990 gemäß Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Statuts abgegebenen Stellungnahme erlassen wurde. Da der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt worden war, ihren Standpunkt zu dem über sie erstellten Bericht unter ordnungsgemässen Bedingungen geltend zu machen, kann die angefochtene Entscheidung keinesfalls allein deswegen rechtswidrig sein, weil sie angeblich verspätet mitgeteilt wurde (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 25. März 1982 in der Rechtssache 98/81, Munk/Kommission, Slg. 1982, 1155, Randnrn. 8 und 9).
21 Der erste Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
22 Im Rahmen des zweiten Teils dieses Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, das gemäß einer gefestigten Praxis des Wirtschafts- und Sozialausschusses an den Beurteilenden der Klägerin gerichtete dienstliche Schreiben über die "Beurteilung der Beamten auf Probe" sei missachtet worden, ist zu prüfen, ob die in diesem Schreiben enthaltenen Anweisungen im vorliegenden Falle befolgt wurden.
23 Einleitend ist zu bemerken, daß der Leiter der italienischen Übersetzungsabteilung, Herr Pertoldi, als Probezeitleiter der Klägerin befugt war, die Aufgaben wahrzunehmen, die mit der Leitung einer Probezeit verbunden sind, einschließlich derjenigen, die in dem Schreiben vom 19. Oktober 1989 an Herrn Vermeylen festgelegt worden waren, der in Anwendung der Entscheidung Nr. 363/82A des Wirtschafts- und Sozialausschusses betreffend die allgemeinen Bestimmungen über die Erstellung des Probezeitberichts als Beurteilender der Klägerin bestimmt worden war. Herr Vermeylen hatte nämlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes Herrn Pertoldi, der als unmittelbarer Vorgesetzer in enger Arbeitsbeziehung zur Klägerin stand, mit der Leitung der Probezeit betraut (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 1. Juni 1978 in der Rechtssache 99/77, D' Auria/Kommission, Slg. 1978, 1267, Randnr. 12, und vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84, Patrinos/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1985, 1421, Randnr. 23). Herrn Vermeylen kann daher nicht vorgeworfen werden, den Verlauf der Probezeit der Klägerin nicht persönlich verfolgt zu haben, da diese Verantwortung bei Herrn Pertoldi lag.
24 Zu der in dem Schreiben niedergelegten Verpflichtung, beim Auftreten von Schwierigkeiten mit dem Beamten auf Probe ein Gespräch zu führen, stellt das Gericht fest, daß, wie aus den Aussagen von Herrn Pertoldi in der mündlichen Verhandlung sowie bereits aus der Beschwerde der Klägerin hervorgeht, Herr Pertoldi sehr wohl ein Gespräch mit der Betroffenen geführt hat, und zwar Anfang März 1990, also ungefähr fünf Monate nach Beginn der Probezeit der Klägerin. Ausserdem lässt sich aufgrund einer Reihe von übereinstimmenden Tatsachen feststellen, daß es in dieser Unterhaltung entgegen dem Vorbringen der Klägerin um die Schwierigkeiten, die sich im Verlauf von deren Probezeit ergeben hatten, sowie um die Möglichkeit ging, daß der Probezeitbericht negativ ausfallen würde. Nachdem Herrn Pertoldi das dienstliche Schreiben vom 19. Oktober 1989 mitgeteilt worden war, hatte er nämlich eine Unterredung mit Herrn Brüggemann von der Personalabteilung, um sich darüber zu informieren, wie vorzugehen sei, wenn eine Probezeit negativ ausfallen könnte. Nach den Aussagen von Herrn Pertoldi vor dem Gericht, die durch die zu den Akten gegebene Anlage zu dem Schreiben von Herrn Vermeylen an den Generalsekretär vom 31. Mai 1990 bestätigt werden, wurde ihm damals der Rat erteilt, sich auf ein Gespräch mit der Klägerin mit dem Zweck zu beschränken, diese mündlich zu warnen. Aus der zeitlichen Abfolge der vorstehend dargelegten Tatsachen geht somit hervor, daß sich der Probezeitleiter der Klägerin bei seinem mit dieser Anfang März geführten Gespräch an die erste in dem erwähnten Schreiben niedergelegte Anweisung gehalten hat, indem er die Klägerin auf die Gefahr hinwies, daß der Probezeitbericht negativ ausfallen könne. Im gleichen Sinne geht aus der Gegenüberstellung der Ausführungen der Klägerin mit der Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung hervor, daß die Behauptung der Klägerin, Herr Pertoldi habe durchblicken lassen, daß der Probezeitbericht positiv ausfallen würde, sich lediglich auf die Tatsache beziehen kann, daß Herr Pertoldi die Klägerin zwar auf die Möglichkeit eines negativen Ergebnisses der Probezeit hingewiesen, jedoch Anfang März zu Recht nicht die Möglichkeit ausgeschlossen hat, daß der Probezeitbericht bei einer wesentlichen Verbesserung der Leistungen der Klägerin positiv sein würde.
25 Was die beiden anderen in dem Schreiben enthaltenen Anweisungen betrifft, so handelte es sich um blosse Empfehlungen, da sie es dem Probezeitleiter oder dem Beurteilenden überließen, eine schriftliche Warnung auszusprechen und den Generalsekretär zu unterrichten. In der Tat hieß es dort nur, daß schriftliche Erläuterungen "falls erforderlich" zu geben seien und daß eine Unterrichtung des Generalsekretärs "in Betracht kommt". Herr Pertoldi hielt es angesichts der Sachlage und aufgrund seiner Unterhaltung mit Herrn Brüggemann für zweckmässiger, der Klägerin keine schriftliche Warnung zukommen zu lassen, um zu vermeiden, daß eine solche Warnung als Präjudizierung des abschließenden Probezeitberichts ausgelegt würde. Ausserdem hielt es Herr Vermeylen nicht für angebracht, den Generalsekretär vor Erstellung des Probezeitberichts über die während der Probezeit aufgetretenen Schwierigkeiten zu unterrichten.
26 Hiernach ist der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes auf jeden Fall zurückzuweisen, ohne daß es einer Entscheidung darüber bedürfte, ob das Schreiben vom 19. Oktober 1989 eine innerdienstliche Richtlinie darstellte.
27 Beim dritten Teil des vorliegenden Klagegrundes geht es um die angebliche Verletzung von Artikel 2 der Entscheidung Nr. 76/83A des Wirtschafts- und Sozialausschusses. In dieser Bestimmung heisst es: "Der Beurteilungsausschuß wird auf Antrag des betroffenen Beamten vom Generalsekretär einberufen, der dem Beamten... eine Frist zur Äusserung setzt; diese Frist darf auf keinen Fall kürzer sein als sieben Arbeitstage." Wie der Beklagte darlegt, ist diese Bestimmung offensichtlich im Interesse des Beratungsausschusses erlassen worden, um diesem die ordnungsmässige Abwicklung seiner Tätigkeit zu ermöglichen, und zielt in keiner Weise darauf ab, Rechte des betroffenen Beamten auf Probe zu begründen; dieser kann sich deshalb vor dem Gericht hierauf nicht berufen. Überdies geht bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung hervor, daß sie speziell an den Generalsekretär gerichtet ist, den sie beauftragt, die Frist festzusetzen, innerhalb deren der Ausschuß Stellung zu nehmen hat. Sie soll gewährleisten, daß der Beurteilungsausschuß für seine Tätigkeit über einen ausreichenden Zeitraum verfügt, jedoch mit der Maßgabe, daß es ihm freisteht, seine Stellungnahme vor Ablauf der genannten Frist abzugeben, wenn er sich für hinreichend informiert hält. Vorliegend ist festzustellen, daß die vom Generalsekretär festgesetzte Frist sieben Tage betrug und daß der Beurteilungsausschuß berechtigt war, seine Stellungnahme bereits am sechsten Tag abzugeben, als er nach seiner Auffassung über die erforderlichen Informationen verfügte, um sich in voller Sachkenntnis äussern zu können.
28 Der dritte Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs
Vorbringen der Parteien
29 Die Klägerin macht geltend, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei in dreifacher Hinsicht verletzt worden. Erstens habe sie nicht über eine hinreichende Frist verfügt, um sich vor dem Beurteilungsausschuß rechtfertigen zu können. Zweitens sei die zweite Sitzung dieses Ausschusses nicht vertagt worden, obwohl die Klägerin durch einen triftigen Grund verhindert gewesen sei, an dieser Sitzung teilzunehmen. Schließlich seien ihr die Protokolle der Sitzungen des Ausschusses nicht mitgeteilt worden.
30 Was den ersten dieser drei Punkte angeht, so behauptet die Klägerin, sie habe dadurch, daß sie am 19. Juni 1990 die Einberufung des Beurteilungsausschusses beantragt habe, den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß der Ausschuß nicht vor Ablauf von acht Tagen zusammentreten möge, um es ihr zu gestatten, ihre Rechte in zufriedenstellender Weise wahrzunehmen. Die Sitzung habe jedoch drei Tage später, nämlich am 22. Juni um 10.00 Uhr, stattgefunden, ohne daß die Klägerin zuvor benachrichtigt worden sei. Auch am 25. Juni 1990 sei sie um 17.20 Uhr zu einer auf 17.30 Uhr angesetzten Sitzung des Ausschusses geladen worden. Diese Unterlassung einer vorherigen Ladung könne nicht einer "nur sehr kurzen" Frist gleichgestellt werden, deren Einräumung die Entlassung nach dem erwähnten Urteil vom 12. Juli 1973 in den verbundenen Rechtssachen 10/72 und 47/72 (Di Pillo) nicht fehlerhaft mache. Sie sei mit dem kontradiktorischen Charakter des Verfahrens unvereinbar, wie er bereits aus dem Wortlaut der Entscheidung Nr. 76/83A hervorgehe, der namentlich die Anhörung des beurteilten Beamten vorsehe. Sie verstosse daher gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, des rechtlichen Gehörs und der ordnungsgemässen Verwaltung.
31 Zum zweiten Punkt macht die Klägerin geltend, der Umstand, daß die zweite Sitzung des Beurteilungsausschusses, die am 25. Juni 1990 in ihrer Abwesenheit stattgefunden habe, nicht vertagt worden sei, verletze den Grundsatz des rechtlichen Gehörs um so mehr, als sie in der ersten Sitzung, nachdem ihr Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt worden sei, die Gründe dargelegt habe, die es gerechtfertigt hätten, eine zweite Sitzung anzuberaumen, um eine Gegenüberstellung mit den Revisoren im Hinblick auf die Qualität ihrer, der Klägerin, Arbeiten vorzunehmen.
32 Drittens wirft die Klägerin dem Beklagten vor, er habe es ihr nicht gestattet, Kenntnis von den Protokollen der Arbeiten des Ausschusses zu nehmen. Sie wisse daher nicht, ob Frau J. Hughes, deren Anhörung sie beantragt habe, gehört worden sei, und bejahendenfalls, wie deren Aussage im Protokoll festgehalten worden sei. Ebensowenig kenne sie die Identität des Beamten der Direktion Personalverwaltung und Finanzen, den der Berufungsausschuß angehört zu haben behaupte. Schließlich sei ihr das Verzeichnis der dem Beurteilungsausschuß vom Generalsekretär übermittelten Unterlagen, auf die der Ausschuß in seiner Stellungnahme Bezug genommen habe, nicht mitgeteilt worden. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat auf die - einem in der Klageschrift gestellten Antrag der Klägerin entsprechende - Aufforderung des Gerichts, diese Unterlagen vorzulegen, geantwortet, gemäß der ständigen Praxis des Beurteilungsausschusses sei kein Protokoll der Tätigkeit dieses Ausschusses erstellt worden; die Klägerin hat hieraufhin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei offensichtlich und schwerwiegend missachtet worden, da das Fehlen eines Protokolles jegliche Kontrolle des Ablaufs der Arbeiten des Ausschusses verhindere.
33 Weiterhin wirft die Klägerin dem Beklagten in ihrer Erwiderung vor, er habe ihr vor der Klageerhebung nicht die der Klagebeantwortung als Anlagen beigefügten Schriftstücke übermittelt, nämlich den sie betreffenden Schriftwechsel zwischen ihren Dienstvorgesetzten. Die Nichtübermittlung dieser Schriftstücke an die Klägerin, soweit hierin auf ihre Befähigung, Leistung und Führung Bezug genommen werde, verletze Artikel 26 des Statuts und den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör. Diese Schriftstücke könnten ihr daher nicht entgegengehalten werden. Überdies stuenden sie in Widerspruch zu bestimmten, im Probezeitbericht enthaltenen positiven Beurteilungen. Hilfsweise betont die Klägerin, auch wenn ihr diese Schriftstücke übermittelt worden wären, hätte sie vor einer "vollendeten Tatsache" gestanden, da "sich die meisten der Schriftstücke auf ihre gesundheitlichen Probleme beziehen (Anlagen 3, 5, 6 und 7 zur Klagebeantwortung), was nichts mit etwaigen Beanstandungen ihrer Fähigkeiten zu tun hat, und da die Schriftstücke zum anderen erst am Ende der Probezeit abgefasst wurden".
34 Nach Ansicht des Beklagten ist der zweite Klagegrund rechtlich oder tatsächlich unbegründet. Das Verfahren vor dem Beurteilungsausschuß werde durch die Entscheidung Nr. 76/83A geregelt, die keine zugunsten des betroffenen Beamten auf Probe wirkende Ladungsfrist vorsehe. Dieses Verfahren sei nicht kontradiktorischer Natur. Hierzu führt der Beklagte aus, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien die Gemeinschaftsorgane berechtigt, alle Beamten auf Probe zu entlassen, ohne zuvor die Stellungnahme eines Beurteilungsausschusses einzuholen, wenn sie einen solchen Ausschuß nicht gebildet hätten (Urteil vom 1. Juni 1978 in der Rechtssache 99/77, D' Auria, a. a. O., Randnummer 24). Er beruft sich ferner auf das bereits angeführte Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1973 (Rechtssache 10/72 und 47/72, Di Pillo), wonach das Organ zwar "dem betroffenen Beamten auf Probe den Probezeitbericht mitzuteilen hat, damit dieser dazu Stellung nehmen kann", jedoch nicht verpflichtet ist, "dem Betroffenen auch Gelegenheit zu geben, sich von der von [dem Organ] als Reaktion auf das negative Ergebnis des Berichts erklärten Entlassungsabsicht zu äussern... Falls [das Organ] in einem derartigen Falle einen Beamten auf Probe nach gutem, in Personalangelegenheiten üblichem Verwaltungsstil um eine Stellungnahme bittet, macht der Umstand, daß [es] ihm für seine Antwort nur eine sehr kurze Frist einräumt, die Entlassung nicht fehlerhaft". Nach Ansicht des Beklagten besagt die Tatsache, daß Artikel 2 der Entscheidung Nr. 76/83A die "Anhörung" des betroffenen Beamten vorsieht, in keiner Weise, daß das Verfahren vor dem Ausschuß kontradiktorisch wäre, zumal der Betroffene bereits Gelegenheit gehabt habe, seine Bemerkungen zu dem negativ ausgefallenen Probezeitbericht vorzutragen (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Trabucchi in der Rechtssache 10/72 und 47/72, Di Pillo, a. a. O., S. 775 a. E. und 776). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, ihren Standpunkt in sehr ausführlichen, dem Beurteilenden am 8. Juni 1990 zugeleiteten schriftlichen Bemerkungen geltend zu machen. Überdies sei sie vom Beurteilungsausschuß gehört worden, der auch einen von ihr benannten Beamten gehört habe.
35 Was die der Klagebeantwortung beigefügten Schriftstücke anbelangt, trägt der Beklagte vor, mit Ausnahme einer einzigen Anlage, bei der es sich um ein schlichtes Ersuchen um ärztliche Untersuchung gehandelt habe, beträfen alle Anlagen, die der Klägerin nicht mitgeteilt worden seien, die Zeit nach der Erstellung ihres negativ ausgefallenen Probezeitberichts. Nur diejenigen Schriftstücke, die einen bestimmenden Einfluß auf die angefochtene Entscheidung gehabt hätten, hätten der Klägerin bei Vermeidung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs mitgeteilt werden und in ihre Personalakte aufgenommen werden müssen (Urteile des Gerichtshofes vom 3. Februar 1971 in der Rechtssache 21/70, Rittweger/Kommission, Slg. 1971, 7, Randnr. 35, und vom 28. Juni 1972 in der Rechtssache 88/71, Brasseur/Parlament, Slg. 1972, 499, Randnr. 18). Überdies könne die Nichtübermittlung der streitigen Anlagen keine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellen, da diese Schriftstücke keinen ausschlaggebenden Einfluß auf die Entscheidung gehabt hätten. Einige dieser Anlagen beträfen reine Verwaltungsfragen und dürften deshalb nicht in die Personalakte der Klägerin aufgenommen werden.
Rechtliche Würdigung
36 Zu der Rüge, die Klägerin sei unter Verkennung des angeblich kontradiktorischen Charakters des Verfahrens vor dem Beurteilungsausschuß fristlos vor diesen Ausschuß geladen worden, ist zunächst zu bemerken, daß die Entscheidung Nr. 76/83A des Wirtschafts- und Sozialausschusses, die das Verfahren vor diesem Ausschuß regelt und ausdrücklich die Anhörung des Beurteilten und des Beurteilenden vorsieht, keinerlei Frist für deren Ladung vorschreibt. Diese Anhörung soll es dem Ausschuß ermöglichen, sich objektiv über den Standpunkt des Betroffenen zu informieren, damit er in voller Kenntnis des Sachverhalts Stellung nehmen kann.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Verfahren vor dem Beurteilungsausschuß dem Grundsatz der kontradiktorischen Verhandlung unterliegt, denn dieser Grundsatz ist jedenfalls vorliegend beachtet worden. Die Klägerin hat nämlich dem Beurteilenden am 8. Juni 1990 gemäß Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Statuts ihre schriftlichen Bemerkungen zugeleitet, und diese sind dem Beurteilungsausschuß bei dessen Befassung übermittelt worden. Überdies geht aus den zu den Akten gegebenen Unterlagen hervor, daß der Ausschuß in seiner ersten Sitzung die Klägerin und in seiner zweiten Sitzung auch den Bediensteten gehört hat, dessen Anhörung die Klägerin beantragt hatte. Hieraus folgt, daß er im Zeitpunkt der Abgabe seiner Stellungnahme den Standpunkt der Klägerin in vollem Umfang kannte, und zwar aufgrund sowohl ihrer erwähnten schriftlichen Bemerkungen als auch ihrer Anhörung in der ersten Sitzung.
Unter diesen Umständen stellt das Gericht fest, daß die fristlose Ladung der Klägerin auf keinen Fall den Inhalt der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses beeinflusst hat. Sie kann deshalb das Verfahren vor diesem Ausschuß nicht rechtswidrig machen.
37 Zu der Rüge, die zweite Sitzung des Beurteilungsausschusses sei nicht vertagt worden, genügt die Feststellung, daß sich der Ausschuß, nachdem er die Klägerin in seiner ersten Sitzung angehört hatte, für hinreichend über den Standpunkt der Betroffenen unterrichtet halten durfte und nicht verpflichtet war, seine letzte Sitzung zu vertagen. Überdies nennt die Klägerin keine konkreten Gründe, die es gerechtfertigt hätten, eine zweite Sitzung abzuhalten, um die jeweiligen Auffassungen der Klägerin und der Revisoren über die Qualität der Arbeiten der Klägerin einander gegenüberzustellen.
38 Was den Vorwurf betrifft, der Klägerin seien die Protokolle des Beurteilungsausschusses nicht mitgeteilt worden, so bietet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Zuleitung der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses an den Beamten auf Probe hinreichende Gewähr dafür, daß der Grundsatz des rechtlichen Gehörs beachtet wurde (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-17/88, Patrinos/Wirtschafts- und Sozialausschuß, Slg. 1989, 4249, Randnr. 48, abgekürzte Veröffentlichung). In der Tat sind der Beamte auf Probe und das Gericht in der Lage, sich allein anhand der Stellungnahme ein Urteil darüber zu bilden, ob der Beurteilungsausschuß ordnungsgemäß gehandelt hat, ohne daß ihnen hierfür die Protokolle seiner Tätigkeit zur Verfügung stehen müssten. Vorliegend steht aber fest, daß die Stellungnahme des Beurteilungsausschusses der Klägerin mitgeteilt wurde.
39 Zur letzten Rüge, wonach die der Klagebeantwortung beigefügten Unterlagen der Klägerin nicht bereits vor der Klageerhebung übermittelt worden seien, ist zu bemerken, daß die einzige dieser Unterlagen, die zeitlich vor dem Probezeitbericht liegt und der Klägerin nicht zur Kenntnis gebracht wurde, eine Note vom 27. März 1990 ist, mit der Herr Vermeylen um ärztliche Überprüfung eines krankheitsbedingten Fehlens der Klägerin ersuchte, und zwar, wie ausdrücklich vermerkt, im Hinblick auf einen negativen Probezeitbericht. Im übrigen handelt es sich um einen zwischen der Unterzeichnung des Probezeitberichts und der Entlassung erfolgten Schriftwechsel. In zwei dieser Schreiben, die jeweils das Datum des 19. und des 20. Juni 1990 tragen, unterrichtet Herr Pertoldi Herrn Vermeylen und den Leiter der Personalabteilung über das Fehlen der Klägerin aus Krankheitsgründen. Bei den beiden anderen Anlagen handelte es sich um Schreiben von Herrn Vermeylen an den Generalsekretär, die jeweils das Datum des 31. Mai 1990 und des 15. Juni 1990 tragen und in denen von der Reaktion der Klägerin auf die Mitteilung die Rede ist, ihr Probezeitbericht sei negativ ausgefallen. Ausserdem erwähnt das Schreiben vom 31. Mai 1990 auch ein im Anschluß an eine Arbeitsverweigerung abgesandtes Schreiben von Herrn Pertoldi an die Klägerin sowie die Tatsache, daß sie die italienische Sprache nicht beherrsche; weiterhin enthält es Bemerkungen über die angebliche Weigerung der Klägerin, mit den Revisoren zu diskutieren. Die speziell die Sprachkenntnisse der Klägerin betreffenden Bemerkungen enthalten jedoch nichts Neues im Verhältnis zu den Ausführungen des Probezeitberichts.
Unter diesen Umständen stellt das Gericht fest, daß die Angaben zur dienstlichen Führung der Klägerin, die in den genannten Schriftstücken enthalten sind, im Probezeitbericht dagegen nicht oder nicht ausführlich erwähnt wurden, der angefochtenen Entscheidung nicht zugrunde liegen, wie die Prüfung des dritten Klagegrundes deutlich macht. In der Tat wird diese Entscheidung mit der unzureichenden Fähigkeit der Klägerin, "die italienische Sprache mit voller Sachkenntnis und Genauigkeit zu handhaben", begründet. Hieraus folgt, daß die Erwägungen, die sich auf den mehrfachen Krankheitsurlaub der Klägerin während ihrer Probezeit, ihre angeblich mangelnde Diskussionsbereitschaft, die gelegentliche Verweigerung einer von ihr geforderten Arbeit oder ihr Verhalten nach der offiziellen Mitteilung des negativen Ergebnisses ihres Probezeitberichts beziehen, keinen Einfluß auf die angefochtene Entscheidung hatten. Der Umstand, daß die erwähnten Unterlagen der Klägerin nicht übermittelt worden sind, hat somit das Recht der Klägerin, vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung gehört zu werden, nicht beeinträchtigt und vermag daher nicht deren Rechtswidrigkeit zu begründen, wie sich aus einer gefestigten Rechtsprechung ergibt (vgl. insbesondere die Urteile des Gerichtshofes vom 3. Februar 1971 in der Rechtssache 21/70, Rittweger, a. a. O., Randnr. 20 bis 41, und vom 28. Juni 1972 in der Rechtssache 88/71, Brasseur, a. a. O., Randnr. 11; vgl. ferner das Urteil vom 12. Februar 1987 in der Rechtssache 233/85, Bonino/Kommission, Slg. 1987, 739, Randnr. 11).
40 Der zweite Klagegrund greift daher nicht durch; infolgedessen sind sämtliche auf Aufhebung zielenden Anträge zurückzuweisen.
Zum Klagegrund der Verletzung des Grundsatzes der Fürsorgepflicht
Vorbringen der Parteien
41 Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, ihre Dienstvorgesetzten und die Revisoren hätten ihr während ihrer Probezeit keine angemessenen Hinweise, Anweisungen und Ratschläge gegeben. Lediglich Herr Pertoldi, der Leiter der italienischen Abteilung, habe sich um die Klägerin gekümmert, allerdings nur während der beiden ersten Wochen der Probezeit, und sich ihr gegenüber positiv geäussert. Anfang Mai 1990 habe er sie wissen lassen, sie werde mit Sicherheit zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt werden, wenn sie nur weiterhin ernsthaft arbeite. Die Revisoren hätten ihrerseits entgegen den Behauptungen des Probezeitberichts stilistische und terminologische Korrekturen vorgenommen, ohne der Klägerin hierzu Erläuterungen zu geben oder ihr auch nur ihre korrigierten Texte zurückzugeben. Um von den korrigierten Texten Kenntnis nehmen zu können, habe sie sie daher in den Archiven suchen müssen. Sie wirft insbesondere den Revisoren sowie dem Beurteilenden, Herrn Vermeylen, vor, ihr nicht in systematischer Weise die verbesserungsbedürftigen Punkte genannt zu haben. Man habe insoweit auch kein dienstliches Schreiben an sie gerichtet. Die Klägerin weist ferner auf einen Widerspruch im Probezeitbericht hin, in dem es heisse, sie habe sich nicht in ausreichendem Masse für Gespräche und Diskussionen mit den Revisoren und ihren Kollegen zur Verfügung gehalten, während bei den Einzelbewertungen des Berichts ihre Fähigkeit, sich den dienstlichen Erfordernissen anzupassen, sowie ihr Verhältnis zu ihren Kollegen mit "gut" bewertet worden seien.
Schließlich wirft die Klägerin dem Beklagten vor, seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt zu haben, daß er nicht gewissenhaft für die Schaffung von Arbeitsbedingungen gesorgt habe, die es ihr gestattet hätten, ihre Fähigkeiten optimal unter Beweis zu stellen. Der Beklagte habe in diesem Zusammenhang eingeräumt, daß die Niederländischkenntnisse der Klägerin während der Probezeit nicht genutzt worden seien. Offenbar seien lediglich die dienstlichen Interessen berücksichtigt, diejenigen der Klägerin dagegen missachtet worden. Die angefochtene Entscheidung beruhe in weitem Umfang auf dieser Tatsache.
42 Der Beklagte ist seinerseits der Ansicht, gegenüber der Klägerin fürsorglich gehandelt zu haben. Er betont zunächst, die Probezeit solle nicht der Ausbildung des Bewerbers dienen, sondern "die Verwaltung in die Lage versetzen, ein konkreteres Urteil über die Befähigung des Bewerbers für ein bestimmtes Amt, über die geistige Einstellung, mit der er seine Aufgaben erfuellt, und über seine dienstlichen Leistungen abzugeben", wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. November 1983 in der Rechtssache 290/82 (Tréfois/Gerichtshof, Slg. 1983, 3751, Randnr. 24) entschieden habe. Ausserdem müsse die Fürsorgepflicht mit den Erfordernissen eines geordneten Dienstbetriebs in Einklang gebracht werden und sich daher innerhalb vernünftiger Grenzen halten (Urteil vom 14. Juli 1977 in der Rechtssache 61/76, Geist/Kommission, Slg. 1977, 1419, Randnrn. 37 bis 42).
Im vorliegenden Fall sei die Probezeit unstreitig unter normalen Bedingungen abgelaufen. Namentlich seien die materiellen Arbeitsbedingungen der Beamtin auf Probe zufriedenstellend gewesen, und diese habe sich weder über ein ungenügendes noch über ein übermässiges Arbeitspensum beklagen können. Der Beklagte sei in keiner Weise verpflichtet gewesen, die Niederländischkenntnisse der Klägerin zu nutzen. Die Klägerin habe in ihren Aufgabenbereich beim Wirtschafts- und Sozialausschuß eingewilligt und sich daher den spezifischen Erfordernissen der Dienststelle anpassen müssen, bei der sie eingestellt worden sei. Der Beklagte tritt ebenfalls der Rüge entgegen, die Klägerin sei nicht ausreichend über die Unzulänglichkeit ihrer Arbeiten unterrichtet worden. Wie der Gerichtshof entschieden habe, sei "die Verwaltung nicht verpflichtet..., den Beamten auf Probe, dessen Leistungen nicht zufriedenstellend sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt abzumahnen" (Urteil vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84, Patrinos, a. a. O., Randnr. 19). Jedenfalls habe die Klägerin, wie im Probezeitbericht wörtlich festgestellt werde, "zahlreiche Bemerkungen über ihre Arbeit und wiederholte Erläuterungen erhalten".
Rechtliche Würdigung
43 Bevor festgestellt werden kann, ob die Klägerin in die Lage versetzt worden ist, ihre Probezeit unter Bedingungen abzuleisten, die im Hinblick auf die anwendbaren Statutsbestimmungen als normal anzusehen sind, ist zunächst auf den Zweck der Probezeit hinzuweisen. Aus der in Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Statuts enthaltenen Definition des Zwecks des Probezeitberichts geht ausdrücklich hervor, daß die Ableistung einer Probezeit, bei deren Ablauf ein Probezeitbericht zur erstellen ist, es gestatten soll, ein Urteil "über die Befähigung des Beamten auf Probe zur Wahrnehmung der mit seinem Amt verbundenen Aufgaben sowie über seine dienstlichen Leistungen und seine dienstliche Führung abzugeben". Weiter heisst es in dieser Bestimmung, daß der Beamte auf Probe, der nicht "unter Beweis gestellt hat, daß seine Fähigkeiten eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit rechtfertigen", zu entlassen ist. Anders als die der Einstellung dienenden Auswahlverfahren, die so ausgestaltet sind, daß sie eine Auslese der Bewerber nach allgemeinen und eine Vorausschau gestattenden Kriterien ermöglichen, soll die Probezeit die Verwaltung somit in die Lage versetzen, ein konkreteres Urteil über die Befähigung des Bewerbers für ein bestimmtes Amt, über die geistige Einstellung, mit der er seine Aufgaben erfuellt, und über seine dienstlichen Leistungen abzugeben, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. November 1983 in der Rechtssache 290/82 (Tréfois, a. a. O., Randnr. 24) ausgeführt hat.
44 Zwar kann die Probezeit, die es ermöglichen soll, Eignung und dienstliche Führung des Beamten auf Probe zu beurteilen, einer Ausbildungszeit nicht gleichgestellt werden, doch muß der Betroffene während dieser Zeit in die Lage versetzt werden, seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Diese Notwendigkeit ist mit dem Begriff der Probezeit untrennbar verbunden und ergibt sich stillschweigend aus dem vorgenannten Artikel 34 Absatz 2, wie durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt wird (vgl. insbesondere Urteile vom 12. Dezember 1956 in der Rechtssache 10/55, Mirossevich/Hohe Behörde, Slg. 1956, 381, insbesondere 402 ff., und vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84, Patrinos, a. a. O., Randnr. 20). Sie entspricht ausserdem den Erfordernissen, die sich aus der Beachtung der allgemeinen Grundsätze der ordnungsgemässen Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie aus der Fürsorgepflicht ergeben, die, wie der Gerichtshof im Urteil vom 28. Mai 1980 in den verbundenen Rechtssachen 33/79 und 75/79 (Kuhner/Kommission, Slg. 1980, 1677, Randnr. 22) entschieden hat, "das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, welches das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und dem Beamten geschaffen hat".
Nach einer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofes bedeutet dies praktisch, daß dem Beamten auf Probe nicht nur angemessene materielle Arbeitsbedingungen zu gewähren sind, sondern daß ihm je nach Art der von ihm wahrgenommenen Aufgaben auch geeignete Anweisungen und Ratschläge erteilt werden müssen, damit er in die Lage versetzt wird, sich den mit der von ihm ausgeuebten Tätigkeit verbundenen Anforderungen anzupassen (vgl. insbesondere Urteil vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84, Patrinos, a. a. O., Randnr. 21).
45 Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, daß die Probezeit der Klägerin nach dem für die betroffene Übersetzungsabteilung geltenden objektiven Kriterien normal verlaufen ist, was sowohl die Arbeitszuteilung als auch die Betreuung anbelangt. Aus der Vernehmung von Herrn Pertoldi geht hervor, daß die Klägerin in keiner Weise anders behandelt worden ist als die vor ihr tätigen Beamten auf Probe; die Klägerin hat nichts vorgetragen, was ihre Behauptung einer solchen Ungleichbehandlung erhärten oder es zulassen würde, die Begründetheit dieser Behauptung zu beurteilen.
46 Insoweit ist erstens festzustellen, daß die Klägerin weder Art und Umfang der von ihr geforderten Arbeit noch die materiellen Bedingungen beanstandet, unter denen diese auszuführen war. Zu der Rüge, ihre Kenntnisse des Niederländischen seien nicht genutzt und sie sei hierdurch unter Missachtung ihrer Interessen gehindert worden, ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet zur Geltung zu bringen, ist festzustellen, daß es die Fürsorgepflicht keinesfalls gebietet, der Berücksichtigung der besonderen Fähigkeiten der Klägerin in bezug auf die niederländische Sprache Vorrang vor den Erfordernissen einer rationellen Organisation der Arbeit in der betroffenen Abteilung einzuräumen. Die Klägerin wurde nach Maßgabe der dienstlichen Notwendigkeit mit bestimmten Übersetzungen betraut, die den Aufgaben entsprachen, für die die Klägerin zur Beamtin auf Probe ernannt worden war.
47 Zweitens stellt das Gericht aufgrund der Akten und der Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung fest, daß die Klägerin während ihrer Probezeit von ihrem Probezeitleiter und den Revisoren Anweisungen und Ratschläge erhalten hat, die es ihr ermöglichen sollten, sich in die beim Wirtschafts- und Sozialausschuß anfallenden spezifischen Übersetzungsaufgaben einzuarbeiten. Während der ersten beiden Wochen der Probezeit wurde sie von Herrn Pertoldi betreut, der sie systematisch über die Arbeitsmethoden des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie darüber unterrichtete, wie die Übersetzung je nach Art des betreffenden Schriftstücks anzugehen war. Überdies geht aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Antworten des Herrn Pertoldi auf die Fragen des Gerichts hervor, daß er ihr mehrfach - im wesentlichen aufgrund der ihm von den Revisoren, die mit der Begleitung der Arbeit der Klägerin beauftragt worden waren, gelieferten Informationen - arbeitstechnische Ratschläge erteilt und sie auf die verbesserungsbedürftigen Punkte hingewiesen hat. Insoweit steht fest, daß die Revisoren der Klägerin die revidierten Texte, die sie mit ihr zumeist vor der Aushändigung erörtert hatten, grundsätzlich zurückgegeben haben. Was eilige Texte betraf - die Herrn Pertoldi zufolge nur einen sehr geringen Prozentsatz des gesamten Arbeitsvolumens der Abteilung ausmachten -, so konnte die Klägerin in jedem Fall von den Korrekturen ihrer Übersetzungen, die ihr entweder zurückgegeben oder in den Archiven, zu denen sie freien Zugang hatte, gelagert wurden, Kenntnis nehmen. Der gesamte Akteninhalt und die Antworten von Herrn Pertoldi auf die Fragen des Gerichts gestatten die Feststellung, daß die Gespräche mit den Revisoren erst dann seltener wurden, als Spannungen entstanden, weil die Klägerin die an ihrer Arbeit geuebte Kritik zurückwies. Diese Feststellung wird durch den von Herrn Vermeylen erstellten und von Herrn Pertoldi und drei Revisoren unterzeichneten Probezeitbericht bestätigt, in dem davon die Rede ist, daß die Klägerin "zahlreiche Bemerkungen über ihre Arbeit und wiederholte Erläuterungen erhalten" habe. Auch der Beurteilungsausschuß kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß die "Arbeitsbedingungen, unter denen die Probezeit abgelaufen ist,... erwähnenswerte ungewöhnliche Vorkommnisse oder besondere Umstände nicht erkennen [lassen]."
48 Was schließlich drittens die Behauptung der Klägerin betrifft, sie sei nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden, daß der Probezeitbericht negativ ausfallen könne, so genügt der Hinweis, daß die Klägerin nach den Feststellungen des Gerichts zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes von ihrem Probezeitleiter, Herrn Pertoldi, in einem Gespräch im März 1990 ordnungsgemäß auf die Unzulänglichkeiten ihrer Leistungen sowie auf die Gefahr hingewiesen wurde, daß der Probezeitbericht negativ lauten würde, wenn diese nicht abgestellt würden. Ausserdem wurde die Klägerin im Verlauf der Probezeit in verschiedenen Gesprächen über Arbeitstechnik und sprachliche Fragen mit Herrn Pertoldi oder den Revisoren darauf aufmerksam gemacht, daß hinsichtlich der Qualität ihrer Arbeit erhebliche Probleme bestuenden. Schließlich ist festzustellen, daß der Probezeitleiter nicht aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten war, die Klägerin schriftlich davon zu unterrichten, daß ihr Probezeitbericht negativ ausfallen könne. Das Recht der Klägerin, ihre Probezeit unter ordnungsgemässen Bedingungen ableisten zu können, war hinreichend durch einen mündlichen Hinweis gewahrt, der es ihr ermöglichte, ihre Leistungen den dienstlichen Erfordernissen anzupassen und entsprechend zu verbessern.
49 Nach alledem stellt das Gericht fest, daß die Probezeit der Klägerin unter ordnungsgemässen Bedingungen abgelaufen ist. Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum Klagegrund der offensichtlich fehlerhaften Tatsachenbeurteilung
Vorbringen der Parteien
50 Mit dem vierten Klagegrund macht die Klägerin geltend, der Probezeitbericht enthalte irrige, auf unrichtige oder unrichtig gedeutete Tatsachen gestützte Beurteilungen und weise in bestimmten Fällen Widersprüche zwischen den Einzelbeurteilungen und der allgemeinen Beurteilung auf. Die Klägerin sei "unabhängig von ihrem Verhalten nicht in den Übersetzungsdienst des Wirtschafts- und Sozialausschusses integriert" worden. Sie betont in diesem Zusammenhang den Widerspruch zwischen der Behauptung, sie sei nicht zum Gespräch mit den Revisoren und ihren Kollegen bereit gewesen, und der Benotung ihrer "Fähigkeit zur Anpassung an die dienstlichen Erfordernisse" und ihr Verhältnis zu den Kollegen mit "gut". Zu der Bewertung ihres "Sinns für Teamarbeit" mit "genügend" sei zu bemerken, daß sie niemals Gelegenheit gehabt habe, im Team zu arbeiten. Überdies sei der Vorwurf, sie beherrsche die italienische Sprache nicht, schwerlich begründet, da sie Italienerin und Italienisch ihre Muttersprache sei, da sie bis zum Alter von 29 Jahren in Italien gelebt habe und da der Probezeitbericht ihre "für den Dienstposten erforderlichen Kenntnisse" mit "genügend" ("discreto") und nicht mit "ungenügend" bewertet habe. Das gleiche gelte für die Beurteilung, sie verfüge nicht über die Grundkenntnisse, die Methodik und die Fähigkeiten, die für die Übersetzung von Texten des Wirtschafts- und Sozialausschusses erforderlich seien. Eine solche Kritik stehe auch im Widerspruch zu der Benotung ihrer "für den Dienstposten erforderlichen Kenntnisse", ihrer "Auffassungsgabe" sowie ihrer "Schnelligkeit bei der Ausführung der Arbeit" mit "genügend" und ihres "Organisationstalents" mit "gut". Sie werde überdies durch ihre Zeugnisse, ihre mehrjährige berufliche Erfahrung mit Übersetzungen ins Italienische sowie dadurch widerlegt, daß sie im Anschluß an ein Auswahlverfahren für die Einstellung von Übersetzern auf die Eignungsliste gesetzt worden sei.
51 Der Beklagte wendet sich gegen das Vorbringen, die im Probezeitbericht enthaltenen Benotungen und Bemerkungen seien irrig. Zunächst einmal sei es "Sache der zuständigen Verwaltungsbehörde..., nach ihrem Ermessen die Befähigung des Betroffenen zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben zu beurteilen, wobei die Ausübung dieses Ermessens der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof im Hinblick auf offensichtliche Fehler unterliegt" (Urteil vom 25. März 1982 in der Rechtssache 98/81, Munk, a. a. O., Randnr. 16; vgl. ferner Urteile vom 5. April 1984 in der Rechtssache 347/82, Alvarez/Parlament, Slg. 1984, 1847, Randnr. 16, und vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84, Patrinos, a. a. O.). Wenn man den mit der Tätigkeit eines Übersetzers beim Wirtschafts- und Sozialausschuß verbundenen Aufgabenbereich berücksichtige, so habe die Klägerin nicht den Nachweis für das Vorliegen eines offensichtlichen Irrtums bei der Bewertung ihrer Grundkenntnisse, ihrer Arbeitsmethoden, ihrer Eignung als Übersetzerin und vor allem ihrer Fähigkeit, mit Genauigkeit ins Italienische zu übersetzen, erbracht. Der Probezeitbericht sei im übrigen nicht nur vom Leiter der Direktion Übersetzung, sondern auch vom Leiter der italienischen Übersetzungsabteilung und von den Revisoren unterzeichnet worden, die sämtlich befragt worden seien. Er sei vom Beurteilungsausschuß, der ihn sogar als "wohlwollend" gegenüber der Klägerin bezeichnet habe, einstimmig bestätigt worden. Der Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei unbegründet, da ein Beweis für einen offensichtlichen Irrtum nicht einmal angetreten worden sei. Überdies sei dieses Begehren entgegen Artikel 48 der Verfahrensordnung des Gerichts erstmals in der Erwiderung in Form eines Antrags vorgebracht worden.
Rechtliche Würdigung
52 Die Verwaltung verfügt nach den für Einstellung und Probezeit geltenden Grundsätzen über ein weites Ermessen, was die Beurteilung der Fähigkeiten und Leistungen von Beamten auf Probe nach Maßgabe des dienstlichen Interesses betrifft. Es ist daher nicht Sache des Gerichts, seine Beurteilung an die Stelle derjenigen des beteiligten Gemeinschaftsorgans zu setzen, was die von diesem vorgenommene Bewertung des Ergebnisses einer Probezeit sowie der Eignung eines seine endgültige Ernennung im Öffentlichen Dienst der Gemeinschaft anstrebenden Bewerbers betrifft, es sei denn, die Beurteilung ist offensichtlich irrig oder es liegt Ermessensmißbrauch vor, wie der Gerichtshof im Urteil vom 15. Mai 1985 in der Rechtssache 3/84 (Patrinos, a. a. O., Randnr. 25) ausgeführt hat (vgl. auch Urteile vom 25. März 1982 in der Rechtssache 98/81, Munk, a. a. O., Randnr. 16, vom 17. November 1983 in der Rechtssache 290/82, Tréfois, a. a. O., Randnr. 29, und vom 5. April 1984 in der Rechtssache 347/82, Alvarez, a. a. O., Randnr. 16).
53 Es ist daher zu prüfen, ob die Beurteilungen, auf denen die Entscheidung, die Klägerin nicht zur Beamtin auf Lebenszeit zu ernennen, beruht, mit einem offensichtlichen Irrtum behaftet sind, wie dies die Klägerin behauptet. Diese Entscheidung, die sich auf das negative Ergebnis des Probezeitberichts stützt und in der Stellungnahme des Beurteilungsausschusses einstimmig bestätigt wurde, ist hauptsächlich damit begründet, daß die Klägerin nicht nachgewiesen habe, daß sie über die Fähigkeit verfüge, "die italienische Sprache mit voller Sachkenntnis und Genauigkeit zu handhaben", wie im Probezeitbericht im Abschnitt "Allgemeine Beurteilung" ausdrücklich hervorgehoben wird. Angesichts der in dem Probezeitbericht vorgenommenen Bewertungen und der hiermit übereinstimmenden Erklärungen, die der Probezeitleiter in Beantwortung der Fragen des Gerichtes abgegeben hat, steht fest, daß sich diese Beurteilung zum einen auf die mangelnde Fähigkeit der Klägerin bezieht, sprachliche Feinheiten zu erfassen, vor allem wenn es sich um Dokumente wie die Stellungnahmen handelt, die im Zuge ihrer Ausarbeitung mehrfach geändert werden und mengenmässig mehr als ein Drittel der Arbeit der Abteilung ausmachen. Zum anderen betrifft sie die Schwierigkeiten, die die Klägerin mit dem Verständnis des materiellen Gehalts der Dokumente des Wirtschafts- und Sozialausschusses hatte und die darin zum Ausdruck kamen, daß die von der Klägerin erstellten Übersetzungen völlig am Wortlaut hafteten und oft sinnlos waren. Diese Einschätzungen schlugen sich in den Einzelbeurteilungen des Berichts in der Note "ungenügend" nieder, mit der der "schriftliche Ausdruck", die "Urteilsfähigkeit" und die "Qualität der Arbeit" der Klägerin während der Probezeit bewertet wurden.
54 Angesichts all dessen stellt das Gericht fest, daß die von der Klägerin behaupteten inneren Widersprüche des Probezeitberichts nicht nachgewiesen sind. Namentlich bezieht sich die Note "genügend" ("discreto"), mit der die "für den Dienstposten erforderlichen Kenntnisse" der Klägerin bewertet wurden, nicht auf die Beherrschung der italienischen Sprache, die in der Rubrik "schriftlicher Ausdruck" gesondert bewertet wurde. Wie aus den Aussagen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, betrifft sie vielmehr die Kenntnisse der Klägerin auf anderen Gebieten, insbesondere ihre Fähigkeit, sich Unterlagen zu beschaffen. Mit der im Rahmen der Einzelbeurteilungen des Probezeitberichts ebenfalls mit "genügend" ("discreto") bewerteten "Auffassungsgabe" der Klägerin ist nicht die Fähigkeit gemeint, den Sinn eines Textes bei dessen Übersetzung ins Italienische genau wiederzugeben. Diese letztgenannte Fähigkeit wurde im Probezeitbericht unter der Rubrik "Urteilsfähigkeit" erfasst und mit "ungenügend" bewertet. Des weiteren steht die mangelnde Beherrschung der italienischen Sprache in keiner Weise im Widerspruch zu der Tatsache, daß das "Organisationstalent" und die "Regelmässigkeit der dienstlichen Leistungen" der Klägerin mit "gut" und ihre "Schnelligkeit bei der Ausführung der Arbeit" mit "befriedigend" bewertet wurden. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zwischen der ungünstigen Beurteilung der Sprachkenntnisse der Klägerin und der Bewertung ihres "Verantwortungsbewusstseins", ihrer "Initiative" und ihres "Verhältnisses zu den Kollegen" mit "gut" oder der Bewertung ihres "Sinns für Teamarbeit" mit "genügend" ("discreto"); diese Rubriken haben nichts mit den Sprachkenntnissen zu tun. Schließlich boten die Ausbildung, die Berufserfahrung und der Umstand, daß die Klägerin im Anschluß an ein vom Rat veranstaltetes Auswahlverfahren für die Einstellung von Übersetzern auf die Eignungsliste gesetzt worden war, keine Gewähr dafür, daß die Klägerin über die spezifischen sprachlichen Fähigkeiten verfügte, die in einem Übersetzungsdienst des Wirtschafts- und Sozialausschusses verlangt wurden. Sie können daher nicht im Widerspruch zu der im Probezeitbericht im Hinblick auf die konkreten dienstlichen Erfordernisse abgegebenen ungünstigen Beurteilung der Beherrschung der italienischen Sprache durch die Klägerin stehen. Bereits der Zweck der Probezeit, wie er in der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes näher bestimmt wurde (siehe Randnummer 31 dieses Urteils), lässt erkennen, daß "die Verwaltung... am Ende der Probezeit in der Lage sein [muß], ein Urteil darüber abzugeben, ob der Beamte auf Probe es verdient, in dem von ihm angestrebten Amt zum Beamten auf Lebenszeit ernannt zu werden, ohne daß sie dabei an die bei der Einstellung abgegebene Beurteilung gebunden ist. Diese Entscheidung erfordert eine umfassende Beurteilung der Eigenschaften und des Verhaltens des Beamten auf Probe, die sowohl die positiven als auch die negativen im Laufe der Probezeit zutagegetretenen Tatsachen berücksichtigt" (Urteil vom 17. November 1983 in der Rechtssache 290/82, Tréfois, a. a. O. Randnr. 24).
55 Unter diesen Umständen kann dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des bei der Beurteilung ihrer Arbeiten während der Probezeit angeblich begangenen offensichtlichen Irrtums nicht stattgegeben werden, da die Klägerin keinerlei Beweis für das Vorliegen eines solchen Irrtums angetreten hat.
56 Nach alledem ist nicht nachgewiesen, daß die angefochtene Entscheidung auf einer offensichtlich fehlerhaften Beurteilung beruht. Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zum Antrag, der Klägerin eine zweite Probezeit zu ermöglichen
57 Der Antrag, der Verwaltung aufzugeben, der Klägerin im Falle der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung eine zweite Probezeit zu ermöglichen, ist als unzulässig zurückzuweisen, da das Gericht nach einer gefestigten Rechtsprechung der Verwaltung keine Anweisungen erteilen kann (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 16. Juni 1971 in den verbundenen Rechtssachen 63/70 bis 75/70, Bode/Kommission, Slg. 1971, 549, und vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Verzyck/Kommission, Slg. 1983, 1991, Randnrn. 19 und 20).
Zum Antrag auf Schadensersatz
58 Dieser Antrag stützt sich lediglich auf die angebliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung, die Klägerin nach Ablauf ihrer Probezeit zu entlassen. Er steht im Zusammenhang mit dem Antrag auf Aufhebung, der seinerseits zurückgewiesen wurde, und ist daher ebenfalls zurückzuweisen.
59 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
1 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen die Organe jedoch in Rechtsstreitigkeiten mit den Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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