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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 15.07.1993
Aktenzeichen: T-27/92
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das vorgerichtliche Verfahren, das die gütliche Regelung des Streites zwischen dem Beamten und der Verwaltung ermöglichen und fördern soll, läuft, wenn es nicht um eine beschwerende Maßnahme geht, grundsätzlich in zwei Stufen ab. Gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts kann jeder Beamte bei der Anstellungsbehörde einen Antrag auf Erlaß einer ihn betreffenden Entscheidung stellen. Bei ablehnender oder ausbleibender Antwort kann der Betreffende unter den in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts aufgeführten Voraussetzungen eine Beschwerde gegen die ausdrückliche oder stillschweigende Entscheidung über die Ablehnung seines Antrags einlegen, um die Verwaltung zu veranlassen, ihre Entscheidung im Lichte der in der Beschwerde vorgebrachten Einwände zu überprüfen.

Eine Schadensersatzklage ist nur dann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Anfechtungsklage und ihr besteht, als Zusatz zur Anfechtungsklage zulässig, ohne daß ihr notwendig sowohl ein Antrag an die Anstellungsbehörde auf Ersatz des angeblichen Schadens als auch eine Beschwerde gegen die ausdrückliche oder stillschweigende Ablehnung des Antrags vorausgegangen sein müssen. Folgt der angebliche Schaden dagegen nicht aus einer Maßnahme, deren Aufhebung begehrt wird, sondern aus mehreren angeblichen Amtsfehlern und Unterlassungen der Verwaltung, muß das Verwaltungsverfahren zwingend mit einem Antrag beginnen, mit dem die Anstellungsbehörde aufgefordert wird, diesen Schaden zu ersetzen, und muß gegebenenfalls durch eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags fortgesetzt werden.

2. Bei einer Aufhebung der Handlung eines Organs durch den Gemeinschaftsrichter ist das Organ gemäß Artikel 176 des Vertrages verpflichtet, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Wurde eine Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren wegen Begründungsmangels und Verfahrensfehlers aufgehoben, erfolgt die Durchführung des Urteils durch Wiederherstellung der Situation, wie sie vor dem Eintritt der vom Gemeinschaftsrichter beanstandeten Umstände bestanden hat. Ist es der Verwaltung indessen aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen nicht mehr möglich, den Prüfungsausschuß in seiner ursprünglichen Zusammensetzung wiederherzustellen, so kann sie allein im Hinblick darauf, die Kontinuität des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft zu wahren, bestimmte Mitglieder ersetzen, wobei allerdings die neue Situation der ursprünglichen möglichst nahe kommen muß.

3. Die Pflicht zur Begründung jeder individuellen Maßnahme, die in Anwendung des Statuts getroffen wird, dient dem Zweck, zum einen dem Betroffenen die für die Feststellung nötigen Hinweise zu geben, ob die Entscheidung begründet ist, und zum anderen die gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Was die Begründung der Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren angeht, einen Bewerber nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, so braucht der Prüfungsausschuß in bestimmten Fällen dem Betroffenen zunächst nicht die von ihm in den schriftlichen Prüfungen erzielten Ergebnisse im einzelnen mitzuteilen, sofern dieser darüber informiert wird, daß diese Ergebnisse unzureichend seien und ihm auf Antrag mitgeteilt würden. Ist diesem Antrag stattgegeben worden, so hat der Betroffene Gelegenheit erhalten, anhand der Begründung der Entscheidung des Prüfungsausschusses die Zweckmässigkeit einer Klageerhebung zu prüfen.

4. Ein Bewerber, der in den Prüfungen für ein Auswahlverfahren gescheitert ist, hat kein berechtigtes Interesse daran, daß die Entscheidung, mit der es der Prüfungsausschuß abgelehnt hat, ihn in die Liste der erfolgreichen Teilnehmer an dem Auswahlverfahren aufzunehmen, wegen fehlender Begründung aufgehoben wird. Die Ergebnisse der Prüfungen könnten nach einer Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht geändert werden, so daß diese Entscheidung nur bestätigt werden könnte.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 15. JULI 1993. - MARIA CAMERA-LAMPITELLI UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - UNZULAESSIGKEIT - BESCHWERENDE MASSNAHME - ZUSAMMENSETZUNG DES PRUEFUNGSAUSSCHUSSES FUER EIN AUSWAHLVERFAHREN. - RECHTSSACHE T-27/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerinnen gehören zu einer Gruppe von Beamten und Bediensteten der Kommission, die im Dezember 1984 beim Gerichtshof Klagen erhoben auf Aufhebung der Entscheidungen des Prüfungsausschusses für das interne Auswahlverfahren KOM2/82, sie nicht zu den Prüfungen dieses Auswahlverfahrens zuzulassen. Dieses Verfahren war zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsinspektoren, Sekretariatsinspektoren und technischen Inspektoren, deren Laufbahn die Besoldungsgruppen 5 und 4 der Laufbahngruppe B umfasste, ausgeschrieben worden.

2 Mit zwei Urteilen vom 11. März 1986 in der Rechtssache 293/84 (Sorani u. a./Kommission, Slg. 1986, 967) und in der Rechtssache 294/84 (Adams u. a./Kommission, Slg. 1986, 977) hob der Gerichtshof diese Entscheidungen mit der Begründung auf, die Kläger hätten keine Gelegenheit gehabt, zu den Äusserungen, die ihre Vorgesetzten über sie gegenüber dem Prüfungsausschuß abgegeben hätten, Stellung zu nehmen. Nach Erlaß dieser Urteile berief der Prüfungsausschuß im Juni 1986 die betroffenen Bewerber ein, um ihnen Gelegenheit zu geben, auf die gleichen Fragen zu antworten, die zuvor ihren Vorgesetzten gestellt worden waren. Mit Schreiben vom 11. Juli 1986 wurde den Bewerbern mitgeteilt, daß die Entscheidungen, sie nicht zu den Prüfungen zuzulassen, bestätigt worden seien.

3 Auf die Beschwerden hin, die einige Bewerber gegen diese Entscheidungen vom 11. Juli 1986 eingelegt hatten, berief der Prüfungsausschuß diese ein zweites Mal ein, um ihnen Gelegenheit zu geben, zu den Antworten ihrer Vorgesetzten auf die Fragen des Prüfungsausschusses Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 12. Februar 1987 wurde den betroffenen Beamten mitgeteilt, daß der Prüfungsausschuß die ihnen am 11. Juli 1986 mitgeteilte Entscheidung über ihre Bewerbung aufrechterhalte. Unter diesen Umständen erhoben die Betroffenen erneut Klage.

4 Durch Urteil vom 28. Februar 1989 in den verbundenen Rechtssachen 100/87, 146/87 und 153/87 (Basch u. a./Kommission, Slg. 1989, 447) hob der Gerichtshof die Entscheidungen des Prüfungsausschusses, die Kläger nicht zu den Prüfungen zuzulassen, wegen unzureichender Begründung und Rechtswidrigkeit des vom Prüfungsausschuß angewandten Verfahrens auf.

5 In Durchführung dieses Urteils forderte der Direktor für Personal der Kommission den Prüfungsausschuß auf, seine Arbeit von dem Zeitpunkt an wiederaufzunehmen, zu dem diese nach der Entscheidung des Gerichtshofes rechtliche Mängel aufgewiesen habe. Mit Schreiben vom 26. Juni 1989 teilte er dies den Klägern mit und erklärte, daß der Prüfungsausschuß "vorbehaltlich nicht behebbarer Hindernisse" in seiner ursprünglichen Zusammensetzung neu gebildet werde.

6 Am 7. September 1989 fand eine Sitzung statt, an der auf der einen Seite Vertreter verschiedener Beamtengewerkschaften, denen die durch das Urteil Basch u. a./Kommission betroffenen Bewerber des Auswahlverfahrens KOM2/82 angeschlossen waren, und auf der anderen Seite die Kommission, vertreten durch ihren Direktor für Personal, teilnahmen.

7 Im Anschluß an diese Sitzung richtete der Direktor für Personal am 8. September 1989 an die Gewerkschaftsvertreter folgendes Schreiben:

"Auf der im Betreff genannten Sitzung konnten wir uns über das Verfahren für die Behandlung der durch das Urteil des Gerichtshofes vom 28. Februar 1989 betroffenen Bewerber (Kläger) für das Auswahlverfahren KOM2/82 abstimmen.

Dieses Urteil setzt die Bewerber wieder in den Stand des Verfahrens zu dem Zeitpunkt ein, für den der Gerichtshof einen Verfahrensfehler festgestellt hat (unzureichende Begründung der Entscheidungen über die Zulassung der Bewerber).

Unter diesen Umständen ° die 28 Bewerber und die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind hierüber persönlich informiert worden ° wird der Prüfungsausschuß über die Zulassung der Bewerber für das Auswahlverfahren im Anschluß an Gespräche mit deren jeweiligen Vorgesetzten entscheiden. Die Bewerber werden ferner die Möglichkeit haben, den Ausschuß um Anhörung anderer von ihnen benannter Vorgesetzten zu bitten. Der Prüfungsausschuß wird sodann die Bewerber selbst in einem Gespräch anhören, das ihm ebenfalls zur Begründung seiner Entscheidung dienen wird.

Die Bedingungen des Auswahlverfahrens werden so, wie sie für die Bewerber seinerzeit bestanden, wiederhergestellt (z. B. Ausbildung). Der Prüfungsausschuß wird soweit wie möglich in seiner ursprünglichen Zusammensetzung neu gebildet, was der einschlägigen Praxis und Rechtsprechung völlig entspricht.

Als Bezugszeitraum wird für die Bewerber bei der Prüfung ihrer Zulassung der Zeitraum bis zum 25. Februar 1982 oder, falls dies als angemessen erscheint, bis zu dem Zeitpunkt berücksichtigt, bis zu dem die Leistungen der anderen, nicht klagenden oder der erfolgreichen Bewerber berücksichtigt worden sind.

Den Wunsch der Vertreter des Personals, der Prüfungsausschuß möge seine Arbeit so rasch wie möglich (NB: grundsätzlich am 15. September 1989) wieder aufnehmen, habe ich zur Kenntnis genommen; ich teile diesen Wunsch. Ich werde Herrn P. ebenfalls den Wunsch mitteilen, daß die Möglichkeiten geprüft werden sollten, später ernannten erfolgreichen Teilnehmern Vergünstigungen beim Beförderungsdienstalter zu gewähren, damit dies rechtzeitig festgelegt werden kann, bevor eine Liste der erfolgreichen Teilnehmer aufgestellt wird."

8 Die Bewerber wurden sodann in den Monaten Oktober, November und Dezember 1989 erneut einberufen, um ihnen den Namen ihres Beurteilers und der mit ihrer Anleitung betrauten Beamten mitzuteilen. Ferner fragte der Prüfungsausschuß sie, ob sie den Wunsch hätten, daß er andere, ihm vielleicht unbekannt gebliebene Personen anhöre, die ihre beruflichen Fähigkeiten beurteilen könnten.

9 Nach Darstellung der Kommission hörte der Prüfungsausschuß im Anschluß an diese Gespräche alle vorgenannten Personen an, soweit sie nicht verstorben waren oder sich förmlich geweigert oder trotz dreimaliger Aufforderung nicht geantwortet hatten. Nach Beendigung dieser Anhörung begann der Ausschuß den Abschnitt der Zulassung zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens.

10 Vor Abschluß dieses Abschnitts legte der insoweit ordnungsgemäß bevollmächtigte Präsident des Syndicat des fonctionnaires européens (SFE) mit Schreiben vom 18. September 1989 im Namen der betroffenen Bewerber gegen das Schreiben des Direktors für Personal vom 26. Juni 1989, mit der die Wiederaufnahme des internen Auswahlverfahrens KOM2/82 angekündigt worden war, eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) ein; die Beschwerdeführer verlangten ferner die Zulassung zum Auswahlverfahren ohne weitere Förmlichkeiten sowie die Zahlung von Schadensersatz zur Wiedergutmachung des ihnen angeblich entstandenen Schadens.

11 Am 20. Dezember 1989 wies die Kommission diese Beschwerden durch Entscheidungen zurück, die den Beschwerdeführern durch Schreiben vom 22. Dezember übermittelt wurden.

12 Mit Schreiben vom 8. August 1990 wurde den Klägerinnen Camera-Lampitelli, Kottowski, Lutz und Seube sowie weiteren Bewerbern die Ablehnung ihrer Zulassung zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens mitgeteilt. Die nicht zugelassenen Bewerber legten zwischen dem 31. Oktober und dem 6. November 1990 Beschwerden ein, die zwischen dem 31. Oktober und dem 7. November 1990 beim Generalsekretariat der Kommission eingetragen wurden und mit denen sie die Aufhebung der Entscheidungen des Prüfungsausschusses, mit denen ihre Zulassung abgelehnt worden war, und die Aufhebung der Entscheidung der Verwaltung vom 26. Juni 1989 beantragten.

13 Diese Beschwerden wurden nicht ausdrücklich beschieden. Die mit ihrer Prüfung betraute Gruppe Interservices stellte jedoch in ihrer Sitzung vom 6. März 1991 fest, daß die Bewerber vor ihrer Anhörung durch den Prüfungsausschuß nicht über den Inhalt der Stellungnahmen ihrer Vorgesetzten oder der Personen, die sie selbst für eine weitere Anhörung durch den Prüfungsausschuß benannt hatten, unterrichtet worden waren. Aus diesem Grund teilte die Verwaltung den Bewerbern mit Schreiben vom 13. März 1991 mit, daß sie zu einem weiteren Gespräch mit dem Prüfungsausschuß geladen werden würden.

14 Diese Gespräche fanden im April 1991 statt. Der Prüfungsausschuß bestätigte daraufhin die früheren Zulassungen und ließ vier weitere Bewerberinnen, nämlich die Klägerinnen Camera-Lampitelli, Kottowski, Lutz und Seube, zu den Prüfungen zu. Die schriftlichen Prüfungen fanden am 5. und 6. Juli 1991 statt. Von den Klägerinnen bestand nur Frau Keller die Prüfungen.

15 Das Ergebnis des Auswahlverfahrens wurden den Klägerinnen mit einem am 27. Juli 1991 übermittelten Schreiben mitgeteilt, in dem es heisst:

"Im Anschluß an Ihre Teilnahme an den schriftlichen Prüfungen des im Betreff genannten Auswahlverfahrens, die am 4. und 5. Juli 1991 stattgefunden haben, teil ich Ihnen mit, daß der Prüfungsausschuß seine Arbeit abgeschlossen hat.

Aufgrund der von Ihnen erzielten Ergebnisse muß ich Ihnen mitteilen, daß der Prüfungsausschuß Sie leider nicht in die Eignungsliste aufnehmen konnte.

..."

16 Die Klägerinnen legten zwischen dem 7. und dem 22. Oktober 1991 Beschwerden im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein. Mit Ausnahme von Frau Keller machten sie u. a. geltend, daß ihnen in dem Schreiben vom 26. Juli 1991 nicht die Begründung für ihr Scheitern mitgeteilt worden sei. Alle forderten Wiedergutmachung des ihnen angeblich entstandenen Schadens.

17 Die Beschwerden der Klägerinnen wurden durch eine ihnen mit Schreiben vom 20. Mai 1992 übermittelte ausdrückliche Entscheidung vom 11. Mai 1992 zurückgewiesen, in der es u. a. heisst:

"Schließlich greift die Beschwerdeführerin das Schreiben von Herrn T. vom 24. (26.) Juli 1991 an, weil ihr die Begründung für ihr Scheitern nicht mitgeteilt worden sei.

In diesem Schreiben wurde den betroffenen Bewerbern mitgeteilt, daß der Prüfungsausschuß nach Abschluß seiner Arbeit den Bewerber angesichts der erzielten Ergebnisse nicht in die Eignungsliste habe aufnehmen können.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 21. März 1985 in der Rechtssache 108/84, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 954, und vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Slg. 1983, 1991) ist es zulässig, daß der Prüfungsausschuß 'den Bewerber in einem ersten Stadium lediglich eine Mitteilung über die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl zukommen lässt und individuelle Erklärungen erst später den Bewerbern gibt, die dies ausdrücklich verlangen'.

Da die Beschwerdeführerin vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses keine individuelle Erklärung verlangt hat, kann sie mit der vorliegenden Beschwerde das besagte Schreiben nicht wegen fehlender Begründung anfechten. Die von der Beschwerdeführerin in den Prüfungen des Auswahlverfahrens erzielten Ergebnisse werden ihr gleichwohl mitgeteilt werden."

18 Daraufhin haben die Klägerinnen am 13. April 1992 die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluß vom 28. April 1993 hat das Gericht die verbundenen Rechtssachen T-17/90, T-28/91 und T-17/92 und die Rechtssache T-27/92 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

19 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Kommission gebeten, ihm bestimmte Angaben zur Zusammensetzung des Prüfungsausschusses des Auswahlverfahrens im Anschluß an das Urteil Basch u. a./Kommission, a. a. O., zu machen. Das Gericht hat die Kommission ebenfalls um Vorlage bestimmter Schriftstücke betreffend das Auswahlverfahren gebeten. Die Kommission hat dem innerhalb der gesetzten Fristen entsprochen. Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 18. Mai 1993 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

20 Die Klägerinnen beantragen,

1) die Weigerung des Prüfungsausschusses und der Verwaltung, sie (mit Ausnahme von Frau Keller) in das Verzeichnis der erfolgreichen Teilnehmer aufzunehmen, für nichtig zu erklären;

2) die Beklagte zu verurteilen, ihnen in angemessener Weise rückwirkend die gleichen Vorteile wie den im Rahmen des Auswahlverfahrens KOM2/82 bereits ernannten oder beförderten Bewerbern einzuräumen;

3) die Beklagte zu verurteilen, für materielle Schäden den Klägerinnen 200 000 BFR als Schadensersatz zu zahlen, vorbehaltlich einer Ergänzung im Laufe des Verfahrens;

4) die Beklagte zu verurteilen, für immaterielle Schäden den Klägerinnen 100 000 BFR als Schadensersatz zu zahlen, vorbehaltlich einer Ergänzung im Laufe des Verfahrens;

5) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Seube für materielle und immaterielle Schäden 1 000 000 BFR zu zahlen, vorbehaltlich einer Ergänzung im Laufe des Verfahrens;

6) die Beklagte zu verurteilen, Zinsen in Höhe von 8 % auf den Schadensersatzbetrag ab dem Tag der Einlegung der ersten Beschwerde in der Rechtssache 294/84 zu zahlen;

7) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21 Die Kommission beantragt,

1) die Klage als unbegründet abzuweisen;

2) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

22 Die Kommission wendet die Unzulässigkeit der Anträge der Klägerinnen auf Zahlung von Schadensersatz zur Wiedergutmachung angeblicher materieller und immaterieller Schäden und von Verzugszinsen auf diesen Schadensersatz ab dem Tag der Einlegung ihrer ersten Beschwerde im Jahre 1984 ein und verweist insoweit auf den Beschluß des Gerichts vom 6. Februar 1992 in der Rechtssache T-29/91 (Castelletti u. a./Kommission, Slg. 1992, II-77).

23 Da kein Antrag auf Schadensersatz oder Verzugszinsen gemäß den Vorschriften des Statuts gestellt worden sei, seien diese Klageanträge offensichtlich unzulässig, wie in dem genannten Beschluß entschieden worden sei.

24 Die Klägerinnen machen hierzu folgendes geltend: "Der Beschluß vom 6. Februar 1992 ist eine Stellungnahme, die sich gegen eine etwaige, gegebenenfalls später zu unterbreitende Entscheidung richtet. Die Klägerinnen dürfen weiter einen Standpunkt vertreten, der von dem Beschluß vom 6. Februar 1992 abweicht, es sei denn, die Beklagte könnte sich auf den Grundsatz des bindenden Präjudizes (stare decisis) berufen, was aber zweifelhaft erscheint... Nach Ansicht der Klägerinnen liefert der Hinweis auf die Artikel 90 und 91 des Statuts keinen grundlegenden Nachweis, weil es sich um einen neuen Rechtsstandpunkt handelt. Davor konnten die Beamten, für die das Statut gilt, auf der Grundlage des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts vorgehen, ohne ihr Verfahren mit Artikel 90 Absatz 1 des Statuts beginnen zu müssen."

Würdigung durch das Gericht

25 Zum zweiten der von den Klägerinnen gestellten Klageanträge ist zunächst von Amts wegen festzustellen, daß solche Anträge nicht in die Zuständigkeit des Gemeinschaftsrichters fallen, der keine Anordnungen an die Organe richten kann (vgl. Beschluß des Gerichts vom 28. Januar 1993 in der Rechtssache T-53/92, Piette de Stachelski/Kommission, Slg. 1993, II-35).

26 Was den dritten, den vierten, den fünften und den sechsten Klageantrag angeht, so läuft das Vorverfahren nach Artikel 90 des Statuts, wenn es nicht um eine den Beamten beschwerende Maßnahme geht, grundsätzlich in zwei Stufen ab. Wie sich aus Artikel 90 Absatz 1 des Statuts ergibt, kann jede Person, für die das Statut gilt, bei der Anstellungsbehörde einen Antrag auf Erlaß einer sie betreffenden Entscheidung stellen. Bei ablehnender oder ausbleibender Antwort kann der Betreffende bei der Anstellungsbehörde unter den Voraussetzungen des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts eine Beschwerde gegen die ausdrückliche oder stillschweigende Entscheidung dieser Behörde einlegen. Das Beschwerdeverfahren soll die Behörde, bei der der Beamte tätig ist, zwingen, ihre Entscheidung im Lichte der vorgebrachten Einwände zu überprüfen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. Oktober 1980 in der Rechtssache 101/79, Vecchioli/Kommission, Slg. 1980, 3069, Randnr. 31). Das Vorverfahren nach Artikel 90 des Statuts soll insgesamt eine gütliche Regelung des Streits zwischen den Beamten und der Verwaltung ermöglichen und fördern (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1986 in der Rechtssache 142/85, Schwiering/Rechnungshof, Slg. 1986, 3177, Randnr. 11).

27 Was die Zulässigkeit einer Schadensersatzklage betrifft, ergibt sich ferner aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wie das Gericht sie ausgelegt und verdeutlicht hat (vgl. die Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache T-27/90, Latham/Kommission, Slg. 1991, II-35, Randnr. 38, und vom 25. September 1991 in der Rechtssache T-5/90, Marcato/Kommission, Slg. 1991, II-731, Randnr. 49), daß nur dann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Aufhebungsklage und einer Schadensersatzklage besteht, letztere als Zusatz zur Aufhebungsklage zulässig ist, ohne daß ihr sowohl ein Antrag an die Anstellungsbehörde auf Ersatz der angeblichen Schäden als auch eine Beschwerde gegen die stillschweigende oder ausdrückliche Ablehnung des Antrags vorausgegangen sein müssen.

28 Im vorliegenden Fall richten sich die Schadensersatzanträge der Klägerinnen auf Wiedergutmachung materieller und immaterieller Schäden, die dadurch entstanden sein sollen, daß die Klägerinnen erst mit einer Verspätung von acht Jahren und nach mehreren Verwaltungsstreitverfahren zu den Prüfungen eines Auswahlverfahrens zugelassen worden sind, was ihren beruflichen Aufstieg verzögert haben soll. Die Klage stützt sich also nicht auf einen Schaden als Folge einer einzigen Maßnahme, deren Aufhebung beantragt wird, sondern auf mehrere angebliche Fehler und Unterlassungen der Verwaltung. Das Verwaltungsverfahren vor der Klageerhebung hätte daher zwingend mit einem Antrag der Betroffenen an die Anstellungsbehörde beginnen müssen, diese Schäden zu ersetzen (vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 6. Februar 1992 in der Rechtssache T-29/91, Castelletti u. a./Kommission, Slg. 1992, II-77, und in der Rechtssache Piette de Stachelski/Kommission, a. a. O.), und es hätte gegebenenfalls durch eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags fortgesetzt werden müssen.

29 Den Schreiben, die die Klägerinnen zwischen dem 7. und dem 22. Oktober 1991 an die Verwaltung gerichtet haben, waren jedoch keine anderen Schritte gegenüber der Verwaltung vorausgegangen, noch sind ihnen rechtzeitig andere Schritte gefolgt, die den Erfordernissen des Artikels 90 des Statuts entsprechen.

30 Folglich ist das Vorverfahren, selbst wenn die genannten Schreiben als Beschwerden im Sinne des Statuts ausgelegt werden müssten, nicht gemäß Artikel 90 des Statuts in zwei Abschnitten abgelaufen, da diesen Beschwerden keine Anträge vorausgegangen sind. Sollten diese Schreiben als Anträge zu bewerten sein, so ist gegen die sie ablehnenden Entscheidungen ebenfalls keine Beschwerde eingelegt worden. Damit ist die Klage, soweit mit ihr die Zahlung von Schadensersatz beantragt wird, nicht entsprechend den Voraussetzungen des Statuts erhoben worden und sonach unzulässig.

31 Demgemäß ist die Klage lediglich bezueglich des ersten Klageantrags zulässig, mit dem die Klägerinnen die Aufhebung der Weigerung des Prüfungsausschusses fordern, sie in die Liste der erfolgreichen Teilnehmer an dem Auswahlverfahren aufzunehmen.

32 Dagegen ist die Klage, soweit sie von der Klägerin Keller erhoben worden ist, die die Prüfungen des Auswahlverfahrens bestanden und eine Aufhebung einer Entscheidung der Beklagten nicht beantragt hat und deren Anträge somit sämtlich unzulässig sind, insgesamt als unzulässig abzuweisen.

Zur Begründetheit des ersten Klageantrags

Zum gemeinsamen Vorbringen der Klägerinnen

Vorbringen der Parteien

33 Die Kläger machen erstens geltend, die ihnen mit Schreiben vom 26. Juni 1989 mitgeteilte Entscheidung des Direktors für Personal habe nicht dem Urteil Basch u. a./Kommission entsprochen und die in diesem Schreiben angekündigte Neubildung des Prüfungsausschusses sei tatsächlich unmöglich gewesen. Zum letzten Punkt führen sie aus, nicht nur die Vorsitzende des Prüfungsausschusses, die durch nichts daran gehindert gewesen sei, weiterhin ihre Aufgaben wahrzunehmen, sondern auch andere Mitglieder des Prüfungsausschusses seien ersetzt worden, ohne daß ein "nicht behebbares Hindernis" vorgelegen habe. Der Rücktritt der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sei nicht auf deren Bestreben zurückzuführen gewesen, die Arbeit des Prüfungsausschusses nicht zu beeinträchtigen, wie die Kommission vorbringe. Es habe sich vielmehr um eine nicht gerechtfertigte Weigerung der Betreffenden gehandelt, den Vorsitz des Prüfungsausschusses zu übernehmen, wozu nur sie befähigt gewesen sei. Wegen des Rücktritts seiner Vorsitzenden habe der Prüfungsausschuß seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß fortsetzen können, und es sei daher nicht möglich gewesen, seine Arbeit sicherzustellen. Zu der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes weisen die Klägerinnen darauf hin, daß das Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 24/78 (Martin/Kommission, Slg. 1979, 603) den Fall der Abwesenheit eines Mitglieds des Prüfungsausschusses betreffe. Im vorliegenden Fall sei es hingegen dem Prüfungsausschuß durchaus möglich gewesen, seine Aufgaben zu erfuellen, da die Abwesenheit seiner Vorsitzenden durch nichts gerechtfertigt und allein auf deren Willen zurückzuführen gewesen sei. Was im übrigen das Urteil vom 26. Februar 1981 in der Rechtssache 34/80 (Authié/Kommission, Slg. 1981, 665) betreffe, handele es sich im vorliegenden Fall nicht darum, ob ein Vorsitzender eines Prüfungsausschusses erneut in dieser Eigenschaft tätig werden könne, sondern darum, daß der Vorsitzende dies ohne Grund nicht getan habe.

34 Die Kommission wendet demgegenüber erstens ein, sie habe sich an das Urteil Basch u. a./Kommission gehalten. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 26. Juni 1989 habe sie nämlich den Prüfungsausschuß in seiner ursprünglichen Zusammensetzung wiederhergestellt, vorbehaltlich "nicht behebbarer Hindernisse"; damit seien Tod, Krankheit, Änderung der Verwaltungszuweisung und ° wie im vorliegenden Fall ° der Rücktritt des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses gemeint. Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses sei zurückgetreten, um die Arbeit des Prüfungsausschusses nicht zu beeinträchtigen, da Vorwürfe der "Parteilichkeit" gegen sie erhoben worden seien. Unter Hinweis auf das Urteil Martin/Kommission legt die Kommission dar, daß die genannten Gründe eine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber eines Auswahlverfahrens rechtfertigten, weil es unmöglich gewesen sei, die Arbeit des Prüfungsausschusses anders sicherzustellen. Nach dem Urteil Basch u. a./Kommission sei sie verpflichtet gewesen, die Mängel des Auswahlverfahrens zu beheben und die Klägerinnen in den Stand vor der aufgehobenen Entscheidung wiedereinzusetzen. Dieses Ergebnis hätte durch die Fortführung der Arbeit durch einen bewusst anders zusammengesetzten Prüfungsausschuß in Frage gestellt werden können. Ferner habe der Gerichtshof in der Rechtssache Authié/Kommission entschieden, daß nicht zu rügen sei, wenn ein Prüfungsausschuß, dessen eine Bewerbung zurückweisende Entscheidung vom Gerichtshof wegen Verfahrensfehlern und unzureichender Begründung aufgehoben worden sei, seine neue Entscheidung nicht in anderer Zusammensetzung getroffen zu haben.

35 Die Kläger machen zweitens geltend, daß die Ausbildung, die sie zur Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung erhalten hätten, nicht das gleiche Niveau gehabt habe wie diejenige der Beamten, die früher zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassen worden seien.

36 Die Kommission erklärt hierzu, die Klägerinnen hätten eine Ausbildung des gleichen Niveaus erhalten wie zuvor die anderen Bewerber; das Programm sei im übrigen identisch gewesen. In diesem Zusammenhang hat die Kommission auf Ersuchen des Gerichts die verschiedenen Programme vorgelegt, auf deren Grundlage die Ausbildungskurse zur Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung von 1984 bis 1991 abgelaufen sind.

37 Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen erklärt, sie seien nicht in der Lage, ihr Vorbringen durch konkrete Angaben zu belegen.

38 Die Klägerinnen machen drittens geltend, daß Schreiben vom 26. Juli 1991, mit dem ihnen das Ergebnis des Auswahlverfahrens mitgeteilt worden sei, enthalte keine Begründung für ihr Scheitern in der Prüfung.

39 Die Kommission legt dar, mit diesem Schreiben sei den betroffenen Bewerbern mitgeteilt worden, daß der Prüfungsausschuß sie nach Abschluß seiner Arbeit angesichts der von ihnen erzielten Ergebnisse nicht in die Eignungsliste habe aufnehmen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sei es zulässig, daß der Prüfungsausschuß den Bewerber in einem ersten Stadium lediglich eine Mitteilung über die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl zukommen lasse und individuelle Erklärungen erst später den Bewerbern gebe, die dies ausdrücklich verlangten (Urteile vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Versyck/Kommission, Slg. 1983, 1991, und vom 21. März 1985 in der Rechtssache 108/84, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 947).

40 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen den in der Klageschrift vorgebrachten Klagegrund fallengelassen, die den Bewerbern 1984 oder 1987 gestellten und die ihnen 1991 gestellten Prüfungsaufgaben hätten einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad gehabt.

Würdigung durch das Gericht

41 Die Klägerinnen machen mit ihren zuletzt gestellten Klageanträgen drei Klagegründe geltend; sie rügen damit erstens eine rechtswidrige Zusammensetzung des Prüfungsausschusses beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung, zweitens eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung wegen des niedrigeren Niveaus ihrer vorbereitenden Ausbildung gegenüber der Ausbildung früher beteiligter Bewerber und drittens das Fehlen einer Begründung der Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie nicht in die Liste der erfolgreichen Teilnehmer an dem streitigen Auswahlverfahren aufzunehmen.

42 Was den ersten Klagegrund angeht, so ist ein Gemeinschaftsorgan, dessen Handlung vom Gemeinschaftsrichter aufgehoben wird, gemäß Artikel 176 EWG-Vertrag verpflichtet, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

43 Im Fall eines Auswahlverfahrens wie dem vorliegenden, in dem der Gerichtshof eine Entscheidung des Prüfungsausschusses wegen Verletzung der Begründungspflicht und Rechtswidrigkeit des angewandten Verfahrens aufgehoben hat, erfolgt die Durchführung des Urteils durch Wiederherstellung der Situation, wie sie vor dem Eintritt der vom Gerichtshof beanstandeten Umstände bestanden hat.

44 Aus den Akten geht indessen hervor, daß es im vorliegenden Fall nicht möglich war, die vor der vom Gerichtshof aufgehobenen Entscheidung bestehende Situation völlig wiederherzustellen, da einige Mitglieder des Prüfungsausschusses inzwischen zurückgetreten waren. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Änderung in der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses dessen weitere Arbeit fehlerhaft machen konnte.

45 Die Arbeit eines Prüfungsausschusses im Rahmen eines Auswahlverfahrens nach Anhang III des Statuts muß so ablaufen, daß die ordnungsgemässe Stellenbesetzung innerhalb des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft gewährleistet ist. Bisweilen dauert diese Arbeit über einen längeren Zeitraum, manchmal sogar über Jahre an, insbesondere dann, wenn eine der Entscheidungen des Prüfungsausschusses durch den Gemeinschaftsrichter aufgehoben wird. Die Zusammensetzung eines Prüfungsausschusses kann sich unter solchen Umständen im Laufe der Jahre infolge von Ereignissen ändern, die nicht vom Willen der Verwaltung abhängen. Um die Kontinuität des europäischen öffentlichen Dienstes zu wahren, ist der Verwaltung daher, wenn es ihr nicht mehr möglich ist, den Prüfungsausschuß in seiner ursprünglichen Zusammensetzung wiederherzustellen, das Recht zuzuerkennen, bestimmte Mitglieder des Prüfungsausschusses zu ersetzen, wobei allerdings die neue Situation der ursprünglichen möglichst nahe kommen muß. Dies gilt insbesondere für den Fall einer schweren Erkrankung, der Änderung der dienstlichen Verwendung oder des Rücktritts eines Mitglieds des Prüfungsausschusses, da die Anstellungsbehörde im letztgenannten Fall das Mitglied eines Prüfungsausschusses nicht gegen seinen Willen zur Teilnahme zwingen kann.

46 Aus den Antworten der Kommission auf die Fragen des Gerichts ergibt sich, daß die Vorsitzende und ein Mitglied des Prüfungsausschusses zurückgetreten waren und daß die Anstellungsbehörde sie durch zwei neue Mitglieder ersetzt hat.

47 Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist somit die Änderung in der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses darauf zurückzuführen, daß es der Verwaltung unmöglich war, diesen Prüfungsausschuß in seiner ursprünglichen Zusammensetzung wiederherzustellen. Nach Auffassung des Gerichts kann diese Änderung das Verfahren nicht rechtswidrig machen, da die Verwaltung lediglich tätig geworden ist, um die Kontinuität des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft zu wahren, zumal auch kein Ermessensmißbrauch behauptet worden ist.

48 Folglich ist die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zur Zeit der streitigen Ereignisse nicht geeignet, die Gültigkeit seiner Arbeit zu beeinträchtigen; dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

49 Zum zweiten Klagegrund, den die Klägerinnen auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung wegen des niedrigeren Niveaus ihrer vorbereitenden Ausbildung gegenüber der Ausbildung anderer Bewerber stützen, genügt die Feststellung, daß zum einen die Klägerinnen nichts zur Stützung ihrer Behauptung vorgetragen haben und daß zum anderen die verschiedenen Programme, auf deren Grundlage die betreffenden Ausbildungen festgelegt worden sind, keinen erkennbaren Niveauunterschied zwischen der 1984 und der 1991 vermittelten Ausbildung erkennen lassen.

50 Demgemäß ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

51 Was den dritten Klagegrund angeht, der auf das Fehlen einer Begründung des Schreibens vom 26. Juli 1991 gestützt ist, mit dem den Klägerinnen das Ergebnis der Prüfungen mitgeteilt wurde, so dient die Pflicht zur Begründung jeder individuellen Maßnahme, die in Anwendung des Statuts getroffen wird, nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-115/89, González Holgüra/Parlament, Slg. 1990, II-831, Randnrn. 42 bis 45, und vom 21. Mai 1992 in der Rechtssache T-55/91, Fascilla/Parlament, Slg. 1992, II-1757, Randnrn. 32 und 33) dem Zweck, zum einen dem Betroffenen die für die Feststellung nötigen Hinweise zu geben, ob die Entscheidung begründet ist, und zum anderen die gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Bei Auswahlverfahren mit grosser Beteiligung gestattet es ferner eine gefestigte Rechtsprechung dem Prüfungsausschuß, sich bei einer Ablehnung der Zulassung zum Auswahlverfahren zunächst auf eine summarische Begründung zu beschränken und den nicht zugelassenen Bewerbern lediglich die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl mitzuteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 225/87, Belardinelli u. a./Gerichtshof, Slg. 1989, 2353).

52 Bei dem Auswahlverfahren, das Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, bezog sich die Begründung, die in dem Schreiben vom 26. Juli 1991 für die Weigerung, die Klägerinnen in die Liste der erfolgreichen Teilnehmer an dem Auswahlverfahren aufzunehmen, angeführt wurde, auf die von den Betroffenen "erzielten Ergebnisse". Obwohl es bei dem hier fraglichen Stand des Auswahlverfahrens, das zu diesem Zeitpunkt nur noch elf Personen betraf, nicht mehr um ein Auswahlverfahren "mit grosser Beteiligung" im Sinne der angeführten Rechtsprechung ging, brauchte der Prüfungsausschuß den Klägerinnen zunächst nicht die von ihnen in den schriftlichen Prüfungen erzielten Ergebnisse im einzelnen mitzuteilen, da die Betroffenen darüber informiert worden waren, daß diese Ergebnisse unzureichend waren und sie die Möglichkeiten hatten, auf einfachen Antrag vom Prüfungsausschuß weitergehende Auskünfte zu erhalten (vgl. Urteil Verzyck/Kommission, a. a. O.). Ausserdem sind den Klägerinnen die Ergebnisse der Prüfungen auf ihre Beschwerden hin tatsächlich mitgeteilt worden. Die Klägerinnen hatten somit während des vorgerichtlichen Verfahrens Gelegenheit erhalten, die von ihnen in den schriftlichen Prüfungen erzielten Ergebnisse im einzelnen in Erfahrung zu bringen, um die Zweckmässigkeit einer Klageerhebung prüfen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in den verbundenen Rechtssachen T-160/89 und T-161/89, Kalavros/Gerichtshof, Slg. 1990, II-871).

53 Darüber hinaus hat nach ständiger Rechtsprechung ein Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung einer Entscheidung wegen fehlender Begründung, wenn von vornherein feststeht, daß sie nur bestätigt werden kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 29. September 1976 in der Rechtssache 9/76, Morello/Kommission, Slg. 1976, 1415, vom 6. Juli 1983 in der Rechtssache 117/81, Geist/Kommission, Slg. 1983, 2191, und vom 20. Mai 1987 in der Rechtssache 432/85, Souna/Kommission, Slg. 1987, 2229). Im vorliegenden Fall könnten die von den Klägerinnen in den Prüfungen erzielten Ergebnisse nicht durch die Aufhebung des Schreibens vom 26. Juli 1991 wegen fehlender Begründung geändert werden. Unter diesen Umständen könnte das Gericht diese Entscheidung nicht aufheben, selbst wenn sie unzureichend begründet wäre.

54 Demgemäß ist auch der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum besonderen Vorbringen einzelner Klägerinnen

Vorbringen der Parteien

55 Die Klägerin Passera legt dar, daß sie, obwohl sie ausreichende Prüfungsergebnisse erzielt habe, wegen eines bei der Korrektur einer ihrer Prüfungsarbeiten aufgetretenen Problems im Zusammenhang mit der Wahrung der Anonymität nicht in die Reserveliste aufgenommen worden sei. Im Rahmen dieser Prüfung habe sie nämlich persönliche Bemerkungen im Zusammenhang mit ihrer laufenden sprachlichen Ausbildung niedergeschrieben. Durch die Verschiebung der Prüfungen sei sie veranlasst worden, beim Vorsitzenden des Prüfungsausschusses schriftlich zu beantragen, die Prüfungen nicht für Juni anzusetzen, weil die Universität Triest für diese Zeit Prüfungen für einen Fremdsprachenkurs angesetzt habe, an dem sie seit einiger Zeit teilgenommen habe. Dieser Antrag sei den Mitgliedern des Prüfungsausschusses bekannt gewesen und habe es ihnen ermöglicht, den Urheber der persönlichen Bemerkungen festzustellen. Ihr Fall sei vom Prüfungsausschuß nicht gerecht behandelt worden, zumal es unter den erfolgreichen Teilnehmern des Auswahlverfahrens einen Bewerber gebe, der seine Unterschrift unter eine der schriftlichen Prüfungen gesetzt habe, und der Prüfungsausschuß diesen Hinweis auf die Identität des Bewerbers nicht berücksichtigt habe.

56 Zu der von der Klägerin Passera erhobenen Rüge legt die Kommission dar, bei der Korrektur der Prüfungsleistungen habe sich gezeigt, daß zu konkrete Angaben der Klägerin zu ihrer Ausbildung und Laufbahn die für die Korrektur erforderliche Anonymität aufgehoben hätten. Im übrigen bestreite sie, daß ein anderer, erfolgreicher Bewerber bei der schriftlichen Prüfung seine Identität angegeben habe.

57 Die Klägerin Demory-Thyssens bringt vor, die ihr erteilte Ausbildung habe sich nicht auf den Bereich "Archivwesen" erstreckt, auf den sich eine der Prüfungen bezogen habe.

58 Die Kommission hat zu dieser Rüge nicht Stellung genommen.

Würdigung durch das Gericht

59 Was die Rügen der Klägerin Passera angeht, so hat eine Prüfung ihrer Bewerbungsunterlagen durch das Gericht ergeben, daß die Klägerin in dem zu korrigierenden Text, wie sie auch vor dem Gericht eingeräumt hat, selbst bestimmte Angaben zu ihrer persönlichen, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses bekannten Situation gemacht hat. Diese Angaben haben zu einer Aufhebung der Anonymität geführt.

60 Die Klägerin musste ausserdem wissen, daß in den "Hinweisen für die Bewerber" deutlich angegeben war, daß "Unterschriften, Namen oder besondere Zeichen in den zu korrigierenden Texten... automatisch zur Unwirksamkeit der Prüfungsleistung [führen]". Der Prüfungsausschuß hat diese Prüfungsleistung daher zu Recht nicht berücksichtigt.

61 Eine Prüfung der Unterlagen der drei erfolgreichen Teilnehmer an dem Auswahlverfahren durch das Gericht hat die Darlegungen der Kommission bestätigt, daß keiner von ihnen bei der schriftlichen Prüfung seine Identität enthüllt habe.

62 Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung in keiner Weise beeinträchtigt worden ist und daß folglich die Rügen der Klägerin Passera zurückzuweisen sind.

63 Die von der Klägerin Demory-Thyssens erhobene Rüge ist schon deshalb zurückzuweisen, weil durch nichts belegt ist, daß der behauptete Umstand geeignet gewesen wäre, ihre Chancen zu beeinträchtigen.

Kostenentscheidung:

Kosten

64 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch bei Streitigkeiten zwischen den Gemeinschaften und ihren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird, soweit von der Klägerin erhoben, als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klage wird, soweit von den übrigen Klägerinnen erhoben, abgewiesen.

3) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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