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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 11.07.1996
Aktenzeichen: T-271/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 2950/83, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2950/83 Art. 1
VO (EWG) Nr. 2950/83 Art. 6
EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Zwar hat jede für die Finanzierung der Vorhaben des Europäischen Sozialfonds zuständige nationale Behörde die Möglichkeit, in einem Antrag auf Restzahlung gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 2950/83 zur Anwendung des Beschlusses 83/516 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds eine Kürzung des Zuschusses des Fonds vorzuschlagen, die Entscheidung über die Anträge auf Restzahlung fällt jedoch die Kommission, und sie allein ist befugt, einen Zuschuß gemäß Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung zu kürzen. Die Kommission trägt deshalb gegenüber dem Zuschussempfänger die rechtliche Verantwortung für die Entscheidung, durch die ein Zuschuß des Fonds gekürzt wird, unabhängig davon, ob diese Kürzung von der betreffenden nationalen Behörde vorgeschlagen wurde.

Da die Kommission allein berechtigt ist, den Zuschuß zu kürzen, kann dieses Recht nicht auf die nationale Behörde übergehen. Im übrigen betrifft der Anspruchsübergang nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung nicht Befugnisse aus Artikel 6 Absatz 1, sondern ausschließlich den Anspruch der Gemeinschaft auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Vorschüsse. Dieser Anspruch geht auf den Mitgliedstaat nur über, soweit er den Anspruch der Kommission an den Kostenträger der Maßnahme befriedigt. Jedoch sind nur die dem Empfänger gezahlten Beträge zu erstatten, die nicht unter den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurden. Da die Entscheidung, ob der Zuschuß den Bedingungen gemäß verwendet wurde, allein der Kommission obliegt, setzt der Anspruchsübergang eine vorherige Entscheidung der Kommission voraus.

Beim Fehlen jeglicher Entscheidung der Kommission über die Nichtgewährung der Restzahlung oder über die Kürzung eines Zuschusses im Sinne des Artikels 6 Absatz 1, durch den die aufgrund der Genehmigungsentscheidungen bestehende Rechtslage für den Begünstigten geändert worden wäre, ist eine Klage auf Nichtigerklärung der Kürzung eines Zuschusses wegen Fehlens einer anfechtbaren Handlung im Sinne des Artikels 173 unzulässig.

Da die Entscheidungen einer nationalen Behörde über die Kürzung des nationalen finanziellen Zuschusses und die Aufforderung, bestimmte Beträge zurückzuzahlen, rein nationalen Charakter haben und nicht einem Gemeinschaftsorgan zuzurechnen sind, unterliegen sie nicht der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters; die Kontrolle der Gültigkeit nationaler Maßnahmen zur Durchführung von Handlungen der Gemeinschaft, die die streitigen Zuschüsse betreffen, obliegt nämlich den nationalen Gerichten, die nach Artikel 177 des Vertrages die Frage der Gültigkeit dieser Handlungen der Gemeinschaft dem Gerichtshof vorlegen können.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 11. Juli 1996. - Eugénio Branco Ldª gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Europäischer Sozialfonds - Kürzung eines zunächst gewährten Zuschusses - Fehler einer anfechtbaren Handlung - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-271/94.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nach Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a des Beschlusses 83/516/EWG des Rates vom 17. Oktober 1983 über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 38) beteiligt sich der Fonds an der Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Bildung und Berufsberatung. Gemäß Artikel 5 Absatz 1 dieses Beschlusses beteiligt sich der Fonds zu 50 v. H. an den zuschußfähigen Ausgaben, ohne daß dabei jedoch die Höhe des Beitrags der öffentlichen Hand des betroffenen Mitgliedstaats überschritten werden darf.

2 In Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 289, S. 1; Verordnung) werden die Ausgaben aufgezählt, für die Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds (ESF) gewährt werden können.

3 Die Genehmigung eines Antrags auf Finanzierung durch den ESF hat nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung zur Folge, daß ein Vorschuß in Höhe von 50 v. H. des Zuschusses zu dem Zeitpunkt gezahlt wird, an dem der Beginn der Maßnahme vorgesehen ist. Nach Artikel 5 Absatz 4 enthalten die Anträge auf Restzahlung einen ins einzelne gehenden Bericht über den Inhalt, die Ergebnisse und die finanziellen Einzelheiten der Maßnahme; der betreffende Mitgliedstaat bestätigt, daß die im Antrag enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind.

4 Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung können sowohl die Kommission als auch der betroffene Mitgliedstaat die Verwendung des Zuschusses überprüfen. Artikel 7 des Beschlusses 83/673/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1983 über die Verwaltung des Europäischen Sozialfonds (ABl. L 377, S. 1) verpflichtet den Mitgliedstaat, der wegen vermuteter Unregelmässigkeiten die Verwendung eines Zuschusses untersucht, unverzueglich die Kommission zu unterrichten.

5 Schließlich kann die Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung einen Zuschuß des ESF, der nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird, aussetzen, kürzen oder streichen, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Artikel 6 Absatz 2 bestimmt, daß ein Betrag, der nicht unter den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurde, zu erstatten ist, und daß, soweit der Mitgliedstaat den Anspruch befriedigt, der Anspruch der Gemeinschaft an den Kostenträger der Maßnahme auf ihn übergeht.

Sachverhalt

6 Die Kommission genehmigte mit der Klägerin vom Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds; DAFSE) am 31. April 1987 und am 27. Mai 1987 bekanntgegebenen Entscheidungen zwei Zuschüsse in Höhe von 11 736 792 ESC (Vorgang 870302 P3) und von 82 700 897 ESC (Vorgang 870301 P1), die für Bildungsvorhaben bestimmt waren.

7 Am 24. Juli 1987 erhielt die Klägerin gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung einen Vorschuß.

8 Nach Abschluß der Bildungsmaßnahmen, die vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 1987 durchgeführt wurden, beantragte sie beim DAFSE die Auszahlung des Restbetrags der Zuschüsse.

9 Mit zwei Schreiben vom 24. April 1989 teilte das DAFSE der Kommission gemäß Artikel 7 des Beschlusses 83/673 mit, daß es die Restzahlung ausgesetzt habe.

10 Am 30. Juli 1990 teilte es der Kommission mit, es halte bestimmte Ausgaben für nicht zuschußfähig, und es habe die Rückforderung der Beträge genehmigt, die die Kommission der Klägerin als Vorschuß gezahlt habe.

11 Mit Schreiben vom gleichen Tage, die einen Tag später eingingen, gab das DAFSE der Klägerin auf, innerhalb einer Frist von zehn Tagen die Zuschüsse von 1 535 946 ESC (Vorgang 870302 P3) und von 4 399 475 ESC (Vorgang 870301 P1), die vom ESF gezahlt worden seien, und von 1 256 683 ESC (Vorgang 870302 P3) und von 3 599 570 ESC (Vorgang 870301 P1), die vom portugiesischen Staat als nationaler Beitrag gezahlt worden seien, zurückzuzahlen. In dieser Rückzahlungsaufforderung heisst es, daß diese den infolge der von den zuständigen Stellen durchgeführten Prüfungen erforderlichen Korrekturen und, im Fall des Vorgangs 870301 P1, einer Entscheidung der Kommission nicht vorgreife.

12 Mit Schreiben vom 13. September 1993 teilte das DAFSE der Klägerin zwei Entscheidungen vom 1. September 1993, Nr. 82/93 und Nr. 84/93, mit. Aus diesen Schreiben ging hervor, daß der Anspruch der Kommission auf das DAFSE übergegangen sei; für den Fall, daß die Klägerin nicht innerhalb von acht Tagen die Beträge zurückzahle, die das DAFSE der Kommission erstattet habe, wurde ihr die Eintreibung dieser Beträge angedroht.

13 Mit Schreiben vom 12. Mai 1994 forderte die Klägerin das DAFSE auf, ihr die Gründe mitzuteilen, aus denen die Kommission noch keine Entscheidung über diese Vorgänge getroffen habe.

14 Am 25. Mai 1994 übersandte das DAFSE der Klägerin folgendes Schreiben:

"[...]

1. Zwar obliegt die abschließende Entscheidung über die Anträge auf Restzahlung gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die den Zuschuß des Fonds aussetzen, kürzen oder streichen kann, wenn er nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung des Zuschussantrags verwendet wird.

2. Die Kommission macht ihre Entscheidung jedoch von den Ergebnissen der Prüfung abhängig, ob die in den Anträgen auf Restzahlung enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind, was von den Mitgliedstaaten zu bestätigen ist (Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung [EWG] Nr. 2950/83). Die Kommission ist nämlich der Auffassung, daß die Mitgliedstaaten besser in der Lage sind, zu beurteilen, ob die von den Empfängern für die betreffenden Maßnahmen in Rechnung gestellten Kosten rechtmässig, zuschußfähig, angemessen und tatsächlich entstanden sind.

3. Auf nationaler Ebene obliegt es dem DAFSE, zu bestätigen, ob die in den Anträgen auf Restzahlung enthaltenen Angaben sachlich und rechnerisch richtig sind (Artikel 2 Buchstabe d der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 37/91 vom 18. Januar 1991), entweder selbst, oder über einen zu diesem Zweck benannten Dritten, ausser durch die allgemeine Finanzinspektion, die eine eigene Zuständigkeit zur Durchführung von Rechnungsprüfungen hat.

4. So waren die von der Eugénio Branco Ld.a im Rahmen der Vorgänge 870301 P1 und 870302 P3 durchgeführten Maßnahmen Gegenstand einer von der allgemeinen Finanzinspektion durchgeführten Rechnungsprüfung.

5. Nach erneuter Prüfung der betreffenden Anträge auf Restzahlung durch Bedienstete des DAFSE unter Berücksichtigung der Ergebnisse der in Nr. 4 erwähnten Rechnungsprüfung hat das DAFSE der Kommission seine Entscheidung über die Anträge mit den Schreiben Nrn. 8241 und 8243 vom 30. Juli 1990 mitgeteilt, deren Kopie im Anhang beigefügt ist.

6. Im übrigen teilt die Kommission ihre Entscheidung nur dann mit, wenn sie nicht mit den Entscheidungen des Mitgliedstaats übereinstimmt oder wenn die Entscheidung über die Genehmigung die Zahlung eines bestimmten Betrages als Restzahlung beinhaltet.

7. Im vorliegenden Fall war die Entscheidung des Mitgliedstaats über die Anträge auf Restzahlung hinsichtlich der Vorgänge 870301 P1 und 870302 P3 negativ, so daß das DAFSE der Kommission unverzueglich die von der Eugénio Branco Ld.a geschuldeten Beträge, die sich aus der Entscheidung ergeben (vgl. die Zahlungsgenehmigungen Nrn. 1399/90, 1400/90, 1401/90 und 1402/90, alle vom 30. Juli 1990, als Anhang den Schreiben Nrn. 8241 und 8243 beigefügt) erstattet hat.

Deswegen hat die Kommission ihre Entscheidung über diese Zahlungsanträge nicht übermittelt, da durch die Zahlung der Anspruch der Gemeinschaft gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2950/83 auf den Mitgliedstaat übergegangen ist und sie folglich diese Vorgänge als abgeschlossen ansah.

[...]"

15 Mit Schreiben vom 30. Mai 1994 fragte die Klägerin bei der Kommission an, aus welchem Grunde sie noch keine abschließende Entscheidung zu diesen Vorgängen getroffen habe.

16 Die Kommission antwortete am 16. Juni 1994 mit folgendem Schreiben:

"[...]

Ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß die portugiesischen Behörden den Dienststellen des Europäischen Sozialfonds mitgeteilt haben, daß die betreffenden Vorgänge unter Artikel 7 der Entscheidung 83/673/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1983 fallen, der folgendes bestimmt:

' Wird die Verwaltung einer Maßnahme, für die ein Zuschuß gewährt worden ist, zum Gegenstand einer Untersuchung wegen vermuteter Unregelmässigkeiten, so unterrichtet der Mitgliedstaat unverzueglich die Kommission.'

Da das DAFSE (Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds) der offizielle Ansprechpartner des Europäischen Sozialfonds in Portugal ist, wurde diesem am heutigen Tage eine Kopie Ihres Schreibens übersandt, so daß dieser Ihnen alles Erforderliche mitteilen kann.

[...]"

Verfahren

17 Die Klägerin hat am 22. Juli 1994 die vorliegende Klage erhoben.

18 Mit Schriftsatz vom 29. September 1994 hat die Kommission gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung vorab eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Klägerin hat ihre Erklärungen zu dieser Einrede am 10. November 1994 eingereicht.

19 Mit Schreiben vom 9. Juni 1995 hat das Gericht nach Artikel 64 der Verfahrensordnung bei der Klägerin angefragt, ob sie die mit Schreiben des DAFSE vom 30. Juli 1990 mitgeteilten Maßnahmen vor den nationalen Gerichten angefochten habe. Es hat ausserdem die Kommission aufgefordert, die Maßnahme(n) vorzulegen, die die etwaige(n) Entscheidung(en) über die Nichtgewährung der Restzahlung und die Kürzung des Zuschusses enthalten, die sie im Rahmen der streitigen Vorgänge getroffen habe.

20 Die Klägerin hat geantwortet, sie habe die nationalen Gerichte nicht angerufen.

21 Die Kommission hat ausgeführt: "[...] Die Kommission hat keine förmliche Entscheidung über die Nichtgewährung der Restzahlung oder die Kürzung gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates getroffen [...]. Der Mitgliedstaat hatte nämlich über seine zuständige Stelle, das DAFSE, Unregelmässigkeiten bei der Verwaltung der streitigen Bildungsmaßnahmen festgestellt und den Antrag auf Restzahlung [...] nach Artikel 7 der Entscheidung 83/673 ausgesetzt."

22 Mit Beschluß vom 14. Juli 1995 hat der Präsident der Dritten Kammer die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.

23 In der Folge ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

24 Die mündliche Verhandlung hat am 4. Juni 1996 stattgefunden. Die Parteien haben mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25 Mit Beschluß vom 18. Juni 1996 hat der Präsident der Fünften Kammer die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

Anträge der Parteien

26 Die Klägerin beantragt,

° die ihr mit Schreiben des DAFSE vom 25. Mai 1994 und mit Schreiben der Kommission vom 16. Juni 1994 bekanntgegebene Entscheidung der Kommission über den Antrag auf Restzahlung eines Zuschusses des ESF für nichtig zu erklären, in der bestimmte von ihr geltend gemachte Ausgaben als nicht zuschußfähig angesehen werden und folgendes vorgesehen ist:

a) Vorgang 870302 P3: die Rückzahlung von 1 535 946 ESC an den ESF und von 1 256 683 ESC an den portugiesischen Staat und die Nichtauszahlung von 991 009 ESC durch den ESF und von 810 826 ESC durch den portugiesischen Staat;

b) Vorgang 870301 P1: die Rückzahlung von 4 399 475 ESC an den ESF und von 3 599 570 ESC an den portugiesischen Staat und die Nichtauszahlung von 8 589 002 ESC durch den ESF und von 7 027 365 ESC durch den portugiesischen Staat;

° der Kommission die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

27 Die Kommission beantragt,

° die Klage für unzulässig oder jedenfalls für unbegründet zu erklären;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zulässigkeit

Zusammenfassung des Parteivorbringens

28 Die Kommission erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit wegen Fehlens eines vor den Gemeinschaftsgerichten anfechtbaren Rechtsaktes, hilfsweise, wegen Ablaufs der Klagefristen.

29 Sie macht geltend, wenn die Behörden des betroffenen Mitgliedstaats das Vorliegen von Unregelmässigkeiten feststellten und der Gemeinschaft die den Zuschussempfängern zu Unrecht gezahlten Vorschüsse erstatteten, gehe der Anspruch der Kommission auf diese Behörden über. Durch diesen Übergang erhielten die betroffenen nationalen Behörden die ausschließliche Befugnis zur Kürzung eines von ihr ursprünglich genehmigten Zuschusses. Nur in dem Fall, daß die Kommission trotz der von dem Mitgliedstaat gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung durchgeführten sachlichen und rechnerischen Prüfung exzessive oder nicht gerechtfertigte Ausgaben feststelle, habe sie eine begründete Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses zu erlassen. Hingegen könne sie den Antrag auf Restzahlung nicht in einem für den Empfänger günstigeren Sinn abändern. Aus diesen Grundsätzen folge, daß Streitigkeiten aufgrund einer durch die nationalen Behörden vorgenommenen Kürzung, wenn die Ansprüche der Kommission auf diese Behörden übergegangen seien, unter nationales Recht fielen. Das Gericht sei folglich nicht zuständig, über sie zu entscheiden.

30 Die Kommission macht geltend, sie habe im vorliegenden Fall keine vor den Gemeinschaftsgerichten anfechtbare Entscheidung getroffen, und insbesondere keine Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses. Die entsprechenden Entscheidungen seien vom DAFSE in Ausübung der Befugnisse getroffen worden, die dieses aufgrund der Ansprüche der Kommission habe, die auf es übergegangen seien.

31 Selbst wenn man annähme, sie habe solche Entscheidungen getroffen, wären diese in den Schreiben des DAFSE vom 30. Juli 1990 enthalten gewesen. Die Bezugnahme auf eine etwaige Entscheidung der zuständigen Organe ändere nichts an deren endgültigem Charakter, da diese Präzisierung sich nur auf etwaige rechnerische Berichtigungen beziehe, die von den zuständigen Behörden vorzunehmen seien. Hieraus folge, daß die Klägerin seit dem 1. August 1990 gewusst habe, daß sie die streitigen Beträge zurückzahlen müsse. Die Klage sei folglich verspätet.

32 Schließlich seien das Schreiben des DAFSE vom 25. Mai 1994 und ihr eigenes Schreiben vom 16. Juni 1994 rein informativer Natur und stellten somit keine nach Artikel 173 EG-Vertrag anfechtbaren Entscheidungen dar. Auch wenn man annähme, daß diese Schreiben Entscheidungen enthielten, so seien dies nur bestätigende Handlungen hinsichtlich des Anspruchsübergangs, von dem die Klägerin spätestens infolge der Entscheidungen des DAFSE Nrn. 82/93 und 84/93, die ihr am 13. September 1993 mitgeteilt worden seien, Kenntnis erlangt habe, und hinsichtlich des im Hinblick auf die streitigen Vorgänge gegen sie eröffneten Vollstreckungsverfahrens. Die Kommission beantragt, eine Beweiserhebung nach Artikel 66 der Verfahrensordnung anzuordnen, um festzustellen, ob die Klägerin tatsächlich von dem Übergang der Ansprüche auf das DAFSE und vom nationalen Charakter des Rechtsstreits Kenntnis erlangt habe.

33 Die Klägerin verweist darauf, daß die Schreiben des DAFSE vom 30. Juli 1990 von einer nationalen Stelle stammten; sie seien der Kommission nicht zuzurechnen.

34 Sie entnimmt den Passagen dieser Schreiben, in denen Prüfungen angekündigt würden ("[...] nach Überprüfung des betreffenden Vorgangs wurden folgende Ausgaben als nicht zuschußfähig angesehen [...], ohne Vorgriff auf die infolge der von den zuständigen Stellen durchgeführten Prüfungen erforderlichen Korrekturen") und, im Fall des Vorgangs 870301 P1, eine Entscheidung der Kommission ("[...], ohne Vorgriff auf die [...] Korrekturen und die Entscheidung, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hinsichtlich dieses Vorgangs treffen wird"), daß diese Maßnahmen rein vorbereitender Art seien. Sie beruft sich hierzu auf die Rechtsprechung zum Begriff der anfechtbaren Handlung (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 8; Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnrn. 42 und 46) und auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1963 in den verbundenen Rechtssachen 23/63, 24/63 und 52/63 (Henricot/Hohe Behörde, Slg. 1963, 469, 484), in dem der Gerichtshof festgestellt habe, daß eine endgültige Entscheidung voraussetze, daß deren Adressaten eindeutig feststellen könnten, daß ein derartiger Rechtsakt vorliege.

35 Die Klägerin macht geltend, daß diese Schreiben vom 30. Juli 1990 weder Entscheidungen der Kommission enthielten noch auf solche verwiesen, da die Kommission zu diesem Zeitpunkt noch keine Entscheidungen getroffen habe. Da kein ursprünglicher Rechtsakt vorliege, könne der angefochtene Rechtsakt keinen bestätigenden Charakter haben.

36 Die Klägerin habe die Ergebnisse der Untersuchungen und der endgültigen Entscheidung der Kommission abgewartet, sei jedoch nie vom Vorliegen einer solchen Entscheidung oder von irgendeiner Zahlung oder Ablehnung einer Zahlung unterrichtet worden. Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung schreibe eine solche Unterrichtung jedoch vor.

37 Die Klägerin teilt schließt mit, sie habe von keinem Vollstreckungsverfahren gegen sie Kenntnis erlangt.

Würdigung durch das Gericht

38 Die Kommission macht im wesentlichen geltend, sie habe im vorliegenden Fall keine Entscheidung getroffen, da es nicht ihre Sache sei, eine Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses zu treffen, wenn die nationale Behörde der Auffassung sei, bestimmte Ausgaben seien nicht zuschußfähig, und sie der Kommission die dem Empfänger zu Unrecht gezahlten Vorschüsse erstatte. In einem solchen Fall gingen die Ansprüche der Kommission, einschließlich des Rechts, einen Zuschuß zu kürzen, auf die nationale Behörde über.

39 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Das DAFSE hat nämlich, ebenso wie jede andere für die Finanzierung der Vorhaben des ESF zuständige nationale Behörde, die Möglichkeit, in einem Antrag auf Restzahlung gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung eine Kürzung des Zuschusses des ESF vorzuschlagen. Die Entscheidung über die Anträge auf Restzahlung fällt jedoch die Kommission, und sie allein ist befugt, einen Zuschuß des ESF gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung zu kürzen. Die Kommission trägt deshalb gegenüber dem Zuschussempfänger die rechtliche Verantwortung für die Entscheidung, durch die ein Zuschuß des ESF gekürzt wird, unabhängig davon, ob diese Kürzung von der betreffenden nationalen Behörde vorgeschlagen wurde (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in der Rechtssache T-85/94, Kommission/Branco, Slg. 1995, II-2993, Randnrn. 23 und 24).

40 Es ist also Sache der Kommission, nicht des Mitgliedstaats, zu entscheiden, ob die vom Empfänger getätigten Ausgaben den Bedingungen entsprechen, die sie in der Genehmigung aufgestellt hatte; der Mitgliedstaat ist nur verpflichtet, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um deren Einhaltung zu prüfen.

41 Da die Kommission somit gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung allein berechtigt ist, den Zuschuß des ESF zu kürzen, kann dieses Recht unter diesen Umständen nicht auf das DAFSE übergehen.

42 Im übrigen betrifft der Anspruchsübergang nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung nicht Befugnisse aus Artikel 6 Absatz 1, sondern ausschließlich den Anspruch der Gemeinschaft auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Vorschüsse.

43 Dieser Anspruch geht auf den Mitgliedstaat über, soweit er den Anspruch der Kommission an den Kostenträger der Maßnahme befriedigt (Artikel 6 Absatz 2 Satz 3). Jedoch sind nur die dem Empfänger gezahlten Beträge zu erstatten, die nicht unter den in der Entscheidung über die Genehmigung festgelegten Bedingungen verwendet wurden (Artikel 6 Absatz 2 Satz 1). Da die Entscheidung, ob der Zuschuß den Bedingungen gemäß verwendet wurde, allein der Kommission obliegt, setzt der Anspruchsübergang eine vorherige Entscheidung der Kommission voraus.

44 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Kommission eine Entscheidung über die Kürzung der Zuschüsse im Sinne des Artikels 6 Absatz 1 der Verordnung getroffen hat.

45 "Als Entscheidung [kann] allein eine solche Verlautbarung gelten, deren Adressaten eindeutig feststellen können, daß ein derartiger Rechtsakt vorliegt" (Urteil Henricot/Hohe Behörde, a. a. O., 484).

46 Aus dem Schreiben des DAFSE vom 25. Mai 1994 ergibt sich jedoch nicht, daß die Kommission irgendeine Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses oder die Nichtgewährung der Restzahlung getroffen hätte. Vielmehr legt das DAFSE in ihm dar, warum die Kommission der Auffassung war, sie habe keine Entscheidung zu treffen, wenn, wie im vorliegenden Fall, die nationale Behörde selbst beschließe, den Zuschuß zu kürzen. Folglich kann es nicht dahin ausgelegt werden, daß in ihm eine solche Entscheidung mitgeteilt worden wäre.

47 Das Nichtvorliegen einer Entscheidung der Kommission wird im übrigen durch das Schreiben vom 16. Juni 1994 bestätigt. In diesem wird nämlich auf Artikel 7 der Entscheidung 83/673 verwiesen. Dieser Artikel betrifft jedoch den Fall, daß der Zuschuß Gegenstand einer Untersuchung ist. Diesem Schreiben ist somit zu entnehmen, daß am 16. Juni 1994 immer noch eine Untersuchung in Gang war und daß somit die Kommission noch keine Entscheidung über die streitigen Zuschüsse getroffen hatte.

48 Eine solche Entscheidung lässt sich auch nicht der Rückzahlung eines Teils der der Klägerin gezahlten Vorschüsse durch das DAFSE entnehmen, da die Kommission diese Rückzahlung nicht verlangt hatte.

49 Ausserdem hat die Kommission sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts (s. o., Randnr. 21) und in der mündlichen Verhandlung stets ausgeführt, sie habe keine Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses oder über die Nichtgewährung der Restzahlung getroffen.

50 Die Klägerin hat im übrigen nicht nachgewiesen, daß irgendein anderer Rechtsakt der Kommission vorläge, durch den die aufgrund der Genehmigungen vom 31. April und vom 27. Mai 1987 bestehende Rechtslage geändert worden wäre.

51 Es ist somit nicht nachgewiesen, daß die Kommission eine Entscheidung über die Kürzung des Zuschusses oder über die Nichtgewährung der Restzahlung getroffen hätte.

52 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß im vorliegenden Verfahren eine anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag nicht gegeben ist.

53 Da die Kommission allein befugt ist, einen Zuschuß des ESF zu kürzen, haben jedenfalls die Entscheidungen des DAFSE vom 30. Juli 1990 und vom 1. September 1993 über die Kürzung des nationalen finanziellen Zuschusses und die Aufforderung, bestimmte Beträge zurückzuzahlen (s. o., Randnrn. 11 und 12), rein nationalen Charakter und sind nicht einem Gemeinschaftsorgan zuzurechnen. Sie unterliegen nicht der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters, da die Kontrolle der Gültigkeit nationaler Maßnahmen zur Durchführung von Handlungen der Gemeinschaft, die die streitigen Zuschüsse betreffen, den nationalen Gerichten obliegt. Bei dieser Gelegenheit kann das nationale Gericht nach Artikel 177 EG-Vertrag die Frage der Gültigkeit dieser Handlungen der Gemeinschaft dem Gerichtshof vorlegen.

54 Die Nichtigkeitsklage ist demgemäß wegen Fehlens einer anfechtbaren Handlung im Sinne des Artikels 173 EG-Vertrag unzulässig, ohne daß der in Randnummer 32 genannte Antrag der Kommission auf Beweiserhebung zu prüfen wäre.

55 Wollte man schließlich die Klage als Untätigkeitsklage ansehen, die gemäß Artikel 175 Absatz 3 EG-Vertrag gegen den fehlenden Erlaß einer Entscheidung über die Anträge auf Restzahlung gerichtet wäre, so wäre sie wegen Missachtung der in Artikel 175 Absatz 2 EG-Vertrag aufgestellten wesentlichen Formvorschriften unzulässig.

56 Aus alledem folgt, daß die Klage als unzulässig abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

57 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung kann das Gericht jedoch auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen, die sie der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

58 Im vorliegenden Fall hat die Kommission gegen ihre Verpflichtungen verstossen, indem sie über die Anträge auf Restzahlung nicht entschieden hat. Ihr Schreiben vom 16. Juni 1994 hat die Verwirrung hinsichtlich des Loses der streitigen Zuschüsse nur verstärkt. Schließlich hat sie ohne ernsthafte Argumente zu Unrecht an ihrem Standpunkt festgehalten, und zwar trotz des zwischen den gleichen Parteien ergangenen Urteils Kommission/Branco, in dem deutlich festgestellt wurde, daß sie allein befugt ist, einen Zuschuß des ESF zu kürzen. Diese Umstände haben die Klägerin zu unnötigen Auslagen gezwungen. Folglich ist Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung anzuwenden und die Kommission zur Tragung der gesamten Verfahrenskosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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