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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.07.1995
Aktenzeichen: T-275/94
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die der Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis, Geldbussen gegen Unternehmen festzusetzen, umfasst das Recht, den Fälligkeitstermin für die Geldbusse und den Beginn der Laufzeit der Verzugszinsen zu bestimmen, den Zinssatz für diese Zinsen und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen, wobei sie gegebenenfalls die Stellung einer Bankbürgschaft verlangen kann, die die Hauptforderung und die Zinsen für die festgesetzte Geldbusse abdeckt.

Hätte sie diese Befugnis nämlich nicht, so käme es durch den Vorteil, den die Unternehmen aus der verspäteten Zahlung der Geldbussen ziehen könnten, zu einer Abschwächung der Sanktionen, die die Kommission im Rahmen der ihr durch Artikel 89 des Vertrages übertragenen Aufgabe, auf die Verwirklichung der Wettbewerbsregeln zu achten, verhängt hat. So ist die Berechnung von Verzugszinsen auf Geldbussen gerechtfertigt, um zu verhindern, daß die praktische Wirksamkeit des Vertrages durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen wird, die die Zahlung der Geldbussen hinauszögern, zu denen sie verurteilt worden sind.

Hätte die Kommission nicht das Recht, zusätzlich zu den Geldbussen auch Verzugszinsen zu verlangen, so wären ausserdem Unternehmen, die die Zahlung ihrer Geldbussen hinauszögern, gegenüber den Unternehmen im Vorteil, die ihre Geldbussen am festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen.

2. Ein Unternehmen, das gegen eine Entscheidung der Kommission Klage erhebt, mit der ihm eine Geldbusse auferlegt wurde, hat die Wahl, entweder die Geldbusse bei Fälligkeit zu zahlen oder gemäß Artikel 185 Satz 2 des Vertrages und Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung zu beantragen, oder schließlich, falls die Kommission ihm dies ermöglicht, eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der Verzugszinsen zu den von der Kommission festgelegten Bedingungen zu stellen.

Hat sich das klagende Unternehmen für die letztere Möglichkeit entschieden und hat der Gemeinschaftsrichter in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die von der Kommission festgesetzte Geldbusse herabgesetzt, dann kann diese die Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der mit ihrer Entscheidung verhängten Geldbusse fordern, allerdings nur auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter in seinem Urteil festgesetzten Geldbusse. In Anbetracht der dem Gemeinschaftsrichter durch Artikel 172 des Vertrages und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnisse ist die von ihm festgesetzte Geldbusse nämlich keine neue Geldbusse, die sich rechtlich von derjenigen unterscheidet, die die Kommission in ihrer Entscheidung verhängt hat, und ändert nicht die Wirkungen der von dem klagenden Unternehmen gestellten Bankbürgschaft.

3. Die von der Kommission getroffenen Maßnahmen, die für die Bürger Rechte und Pflichten begründen, stellen Entscheidungen dar, die von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden müssen, während Maßnahmen, die diese Entscheidungen lediglich bestätigen, als ergänzende Maßnahmen solche der Geschäftsführung darstellen, die aufgrund einer Ermächtigung gemäß Artikel 11 ihrer Geschäftsordnung getroffen werden können.

In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung, mit der die Kommission auf ein Urteil des Gerichts hin, das eine Bußgeldentscheidung, die auch Verzugszinsen vorsah, teilweise bestätigt hat, die Zahlung von Verzugszinsen verlangt, als Maßnahme zur Durchführung der ursprünglichen Entscheidung zur Festsetzung der Geldbusse und der Zinsen und damit als blosse Verwaltungs- und Geschäftsführungsmaßnahme zu betrachten.

4. Da die Kommission befugt ist, neben der Pflicht zur Zahlung der von ihr festgesetzten Geldbussen auch eine Zinsbelastung für den Fall ihrer Nichtzahlung vorzusehen, kann sie auch darüber entscheiden, wie die im Zusammenhang mit diesen Geldbussen geleisteten Zahlungen anzurechnen sind, sofern sie dabei nicht gegen Normen oder allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstösst. Unter dieser Voraussetzung kann die Kommission unter Zugrundelegung von Regeln, die in den meisten nationalen Rechtsordnungen anerkannt sind, diese Zahlungen zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung anrechnen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE ERWEITERTE KAMMER) VOM 14. JULI 1995. - GROUPEMENT DES CARTES BANCAIRES "CB" GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - GELDBUSSE - VERZUGSZINSEN - ANRECHNUNG VON ZAHLUNGEN. - RECHTSSACHE T-275/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Am 25. März 1992 erließ die Kommission die Entscheidung 92/212/EWG in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/30.717-A ° Eurocheque: Helsinki-Vereinbarung) (ABl. L 95, S. 50; nachstehend: Entscheidung oder Entscheidung vom 25. März 1992), in deren Artikel 1 festgestellt wird, daß die auf der Eurocheque-Versammlung vom 19. und 20. Mai 1983 in Helsinki zwischen den französischen Kreditinstituten und der Eurocheque-Versammlung getroffene und vom 1. Dezember 1983 bis 27. Mai 1991 gültige Vereinbarung über die Annahme von auf ausländische Kreditinstitute gezogenen Eurocheques durch Händler in Frankreich (nachstehend: Helsinki-Vereinbarung) gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag (jetzt EG-Vertrag, nachstehend: Vertrag) verstieß.

2 Nach Artikel 2 dieser Entscheidung wurde dem Antrag auf Freistellung der in Artikel 1 genannten Vereinbarung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages für den Zeitraum ihrer Anmeldung am 16. Juli 1990 bis zu ihrer Aufhebung am 27. Mai 1991 nicht stattgegeben.

3 Mit Artikel 3 der Entscheidung wurde wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung gegen das Groupement des cartes bancaires "CB" (nachstehend: Groupement) eine Geldbusse in Höhe von 5 000 000 ECU festgesetzt und die Zahlung dieses Betrags an die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung vorgesehen. Weiter heisst es dort, daß nach Ablauf dieser Frist auf den Betrag Zinsen zu dem Satz berechnet werden, den der Europäische Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit (nachstehend: EFWPZ) in seinen ECU-Geschäften am ersten Arbeitstag des Monats anwendet, in dem die Entscheidung erlassen und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 56 vom 3. März 1992, S. 1) veröffentlicht wurde, zuzueglich dreieinhalb Prozentpunkte, entsprechend 13,75 %.

4 Mit Schreiben vom 25. März 1992 teilte die Kommission dem Groupement diese Entscheidung mit, wodurch für den Kläger die Pflicht begründet wurde, den Betrag der Geldbusse spätestens bis zum 30. Juni 1992 zu zahlen, denn nach Ablauf dieser Frist war die Kommission berechtigt, die Zwangsvollstreckung gemäß Artikel 192 Absatz 2 des Vertrages zu betreiben. In diesem Schreiben ließ die Kommission das Groupement jedoch wissen, daß sie, falls dieses vor dem Gericht Klage erheben sollte, entsprechend ihrer gewöhnlichen Praxis von der Zwangsvollstreckung solange absehen werde, wie die Rechtssache beim Gericht anhängig sei, allerdings unter zwei Bedingungen, nämlich daß die Forderung ab dem 30. Juni verzinst werde, wobei die Zinsen nach dem vom EFWPZ angewendeten Zinssatz zuzueglich eineinhalb Prozentpunkte berechnet werden sollten, also 11,75 %, und daß spätestens bis zu diesem Datum eine sowohl die Hauptforderung als auch die Zinsen oder zusätzlichen Beträge abdeckende Bankbürgschaft gestellt werde.

5 Mit Klageschrift, die am 25. Mai 1992 in das Register der Kanzlei eingetragen wurde, erhob das Groupement eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 25. März 1992 und machte im wesentlichen geltend, daß die beanstandete Vereinbarung kein Kartell begründet habe und daß der Betrag der Geldbusse, selbst wenn man von einer bewiesenen Zuwiderhandlung ausgehe, in keinem Verhältnis zur Schwere dieser Zuwiderhandlung stehe.

6 Am 24. Juni 1992 stellte die Bank des Groupement auf seine Anweisung und für seine Rechnung eine dem dem Schreiben der Kommission vom 25. März 1992 beigefügten Muster entsprechende Bankbürgschaft sowohl für die mit der Entscheidung vom 25. März 1992 gegen das Groupement festgesetzte Geldbusse von 5 000 000 ECU als auch für die nach dem EFWPZ-Zinssatz zuzueglich eineinhalb Prozentpunkte zu berechnenden Zinsen auf diesen Betrag vom 30. Juni 1992 bis zur tatsächlichen Zahlung der Geldbusse.

7 In seinem Urteil vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92 (CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49) entschied das Gericht im Hinblick auf das Groupement, daß die Helsinki-Vereinbarung nicht als Kartell über die Festsetzung einheitlicher Preise in Verträgen mit Dritten angesehen werden konnte, jedoch ein Kartell über die Erhebung einer Gebühr darstellte, das als solches gegen Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrages verstieß, und setzte die dem Groupement in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung auferlegte Geldbusse auf 2 000 000 ECU fest. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen und die Kommission zur Tragung der Hälfte der Kosten des Groupement verurteilt.

8 Das Groupement teilte der Kommission mit Schreiben vom 5. Mai 1994 mit, daß es nach Ablauf der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 am 4. Mai 1994 die vom Gericht festgesetzte Geldbusse von 2 000 000 ECU durch Überweisung vom 5. Mai 1994 entrichtet habe. In der Überzeugung, damit dem Urteil des Gerichts voll nachgekommen zu sein, machte das Groupement in seiner Antwort auf eine telefonische Anfrage der Rechnungsführung der Kommission geltend, daß die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen, wie sie sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 139 und 141) ergebe, nur deshalb bestehe, weil die Erhebung offensichtlich unbegründeter Klagen vermieden werden solle, deren ausschließliches Ziel darin bestuende, die Zahlung der Geldbusse zu verzögern, daß diese Verpflichtung aber nicht für begründete oder teilweise begründete Klagen gelte. Diese Feststellung werde durch die Tatsache bestätigt, daß der von der Kommission angewandte Zinssatz über den in Frankreich und auf dem Markt für ECU-Geschäfte geltenden gesetzlichen Zinsen liege, was eine zusätzliche Sanktion für diejenigen darstelle, die eine Klage erhoben hätten. Das Groupement fügte hinzu, daß die durch das Urteil festgesetzte Geldbusse jedenfalls nicht ab dem Fälligkeitsdatum der durch die Entscheidung der Kommission festgesetzten Geldbusse Zinsen tragen könne, da die erste Geldbusse sich von der zweiten rechtlich unterscheide. Es verwies auf den Tenor des Urteils, aus dem hervorgehe, daß das Gericht eine neue Geldbusse "festgesetzt" und nicht die durch die ursprüngliche Entscheidung der Kommission festgesetzte Geldbusse "herabgesetzt" habe. Indem sie den Betrag der Geldbusse nach dem durch die unzulässige Erhebung von Gebühren bei der Einlösung ausländischer Eurocheques erzielten, gesetzwidrigen Gewinn bestimmt habe, habe die Kommission nämlich ausschließlich die Vereinbarung über die Höhe dieser Gebühren, nicht aber die Vereinbarung über die grundsätzliche Erhebung einer Gebühr sanktioniert, die eine blosse Voraussetzung der ersteren sei. Indem nun das Gericht nur das Bestehen eines Kartells über die grundsätzliche Erhebung einer Gebühr festgestellt habe, habe es eine Geldbusse für eine Zuwiderhandlung verhängt, die die Kommission als solche nicht geahndet habe.

9 Am 27. Mai 1994 beantragte das Groupement die teilweise Aufhebung der Bankbürgschaft.

10 Mit Schreiben vom 7. Juni 1994 antwortete die Kommission, daß sie die Zahlung von 2 000 000 ECU als Teilzahlung auf die bis zum 6. Mai 1994 aufgelaufene Gesamtschuld betrachte, wodurch die bis zu diesem Tag fällig gewordenen Zinsen in Höhe von 433 301,37 ECU und ein Teil der Hauptforderung abgedeckt seien, während die restliche Hauptforderung vom 6. Mai 1994 bis zur tatsächlichen Zahlung weiterhin zu verzinsen sei. Dazu stellte die Kommission zunächst fest, daß ihre bei der Gewährung von Zahlungsaufschub im Fall von Klagen gegen Entscheidungen, in denen finanzielle Sanktionen verhängt worden seien, seit 1981 verfolgte Praxis, die Zahlung von Zinsen und die Stellung einer Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse zuzueglich Zinsen zu verlangen, vom Gerichtshof gebilligt worden sei (vgl. das Urteil AEG/Kommission, a. a. O., und die Beschlüsse vom 7. Mai 1982 in der Rechtssache 86/82 R, Hasselblad/Kommission, Slg. 1982, 1555, vom 11. November 1982 in der Rechtssache 263/82 R, Klöckner Werke/Kommission, Slg. 1982, 3995, und vom 7. März 1986 in der Rechtssache 392/85 R, Finsider/Kommission, Slg. 1986, 959) und daß das Groupement sich im vorliegenden Fall mit der Zahlung von Zinsen einverstanden erklärt habe, indem es am 24. Juni 1992 die Bankbürgschaft gestellt habe. Die Kommission führte weiter aus, daß die Einziehung von Zinsen keine unvermeidliche Folge der Ausübung des Rechtes auf Klageerhebung sei, denn es habe dem Groupement freigestanden, die Geldbusse bei Fälligkeit zu zahlen und damit die Zahlung von Zinsen zu vermeiden. Zum rechtlichen Unterschied zwischen der vom Gericht und der von der Kommission festgesetzten Geldbusse vertrat sie die Ansicht, daß das Groupement die Bedeutung der dem Gericht durch Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. L 13, 1962, S. 204) übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung verkannt habe, in deren Rahmen das Gericht eine festgesetzte Geldbusse nur aufheben, herabsetzen oder erhöhen, aber nicht eine neue, andere Geldbusse als die von der Kommission verhängte festsetzen könne.

11 Am 16. Juni 1994 wandte sich das Groupement gegen die von der Kommission in ihrem Schreiben vom 7. Juni 1994 vertretene Auffassung hinsichtlich der Erhebung von Verzugszinsen auf die Geldbusse von 2 000 000 ECU ab dem 30. Juni 1992 sowie gegen die Anrechnung der Zahlung von 2 000 000 ECU auf diese Zinsen und behielt sich das Recht vor, beim Gericht die Auslegung seines Urteils vom 23. Februar 1994 zu beantragen.

12 Mit Schreiben vom 15. Juli 1994 mahnte die Kommission das Groupement, seine Schuld bis zum 30. Juli 1994 zu begleichen, da sie sonst die Bankbürgschaft in Anspruch nehmen werde. Am gleichen Tag teilte die Kommission der bürgenden Bank mit, daß sie mit der Verringerung des Bürgschaftsbetrags um die erfolgte Teilzahlung einverstanden sei.

13 Mit Schreiben vom 20. Juli 1994 teilte das Groupement der Kommission mit, daß es angesichts der Vollstreckbarkeit der Entscheidung der Kommission, die ihm keine andere Wahl lasse, seine Bank beauftragt habe, an die Kommission den Betrag von 443 902,61 ECU zu überweisen, obwohl es im Hinblick auf die Verzugszinsen nach wie vor anderer Auffassung als die Kommission sei.

14 Unter diesen Umständen hat das Groupement mit Klageschrift, die am 4. August 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15 Das Gericht (Vierte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

16 Die Parteien haben in der Sitzung vom 29. März 1995 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

17 Der Kläger beantragt,

1) die in den Schreiben der Kommission vom 7. Juni und 15. Juli 1994 enthaltene Entscheidung, mit der sie die Zahlung von Verzugszinsen für die vom Gericht in seinem Urteil vom 23. Februar 1994 festgesetzte Geldbusse von 2 000 000 ECU für den Zeitraum vom 30. Juni 1992 bis zum Tag der Zahlung dieser Geldbusse verlangt hat, für nichtig zu erklären und infolgedessen festzustellen, daß der von ihm gezahlte Betrag von 433 902,61 ECU nicht geschuldet war und und ihm zuzueglich zum Zinssatz des EFWPZ berechneten Zinsen für den Zeitraum vom 20. Juli 1994 bis zum Tag der tatsächlichen Erstattung zurückzuzahlen ist;

2) hilfsweise, falls das Gericht dem ersten Antrag nicht stattgeben sollte, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären, weil sie auf einer unzutreffenden Methode zur Anrechnung seiner Zahlungen beruht, und infolgedessen festzustellen, daß der von ihm insoweit gezahlte Betrag von 10 601,24 ECU nicht geschuldet war und ihm zuzueglich zum Zinssatz des EFWPZ berechneten Zinsen für den Zeitraum vom 20. Juli 1994 bis zum Tag der tatsächlichen Erstattung zurückzuzahlen ist;

3) die Kommission zur Zahlung sämtlicher Kosten zu verurteilen, die ihm im Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsklage entstehen.

18 Die Beklagte beantragt,

1) die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

2) dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

19 Die Kommission erhebt unter Berufung auf eine ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 15. Dezember 1988 in den Rechtssachen 166/86 und 220/86, Irish Cement/Kommission, Slg. 1988, 6473, Randnr. 16) die Einrede der Unzulässigkeit der gegen die Schreiben vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994 gerichteten Nichtigkeitsklage mit der Begründung, daß diese Schreiben lediglich eine Bestätigung der Entscheidung der Kommission vom 25. März 1992 und des Mitteilungsschreibens vom selben Tag darstellten. Sie führt aus, daß sie in ihrer Entscheidung vom 25. März 1992 gegen das Groupement eine Geldbusse von 5 000 000 ECU festgesetzt habe, zahlbar innerhalb von drei Monaten, nach deren Ablauf der Betrag dieser Geldbusse zum EFWPZ-Satz zuzueglich dreieinhalb Prozentpunkte verzinst werden sollte. Ausserdem habe sie dem Groupement in ihrem Mitteilungsschreiben vom 25. März 1992 mitgeteilt, daß sie, falls dieses beim Gericht Klage erheben sollte, keine Maßnahmen zur Beitreibung treffen werde, solange die Rechtssache beim Gericht anhängig sei, allerdings unter zwei Bedingungen, nämlich daß die Forderung vom 30. Juni 1992 an verzinst werde und daß spätestens bis zu diesem Datum eine für die Kommission akzeptable, sowohl die Hauptforderung als auch die Zinsen oder zusätzlichen Beträge abdeckende Bankbürgschaft gestellt werde.

20 So habe der Kläger, indem er die verlangte Bankbürgschaft gestellt und es unterlassen habe, die für die Stellung dieser Bürgschaft festgelegten Bedingungen im Rahmen seiner Klage gegen die Entscheidung vom 25. März 1992 anzufechten, sich mit diesen Bedingungen einverstanden erklärt und akzeptiert, daß der Betrag, zu dessen Zahlung er endgültig verurteilt werden würde, zu verzinsen sei. Eine Anfechtung dieser Zinszahlung sei daher jetzt nicht mehr zulässig.

21 In diesem Zusammenhang tritt die Kommission der vom Kläger vertretenen Auffassung entgegen, daß die in der Entscheidung vom 25. März 1992 und in dem Mitteilungsschreiben erwähnten Zinsen sich lediglich auf die Geldbusse von 5 000 000 ECU bezögen und nicht auf die später vom Gericht festgesetzte Geldbusse von 2 000 000 ECU. Die Kommission ist der Ansicht, daß die Bankbürgschaft, da sie ihr als Sicherheit für die vollständige Zahlung ihrer Haupt- und Zinsforderung diene, auch dann die auf den Betrag der Geldbusse berechneten Zinsen erfasse, wenn der Gemeinschaftsrichter die Geldbusse nicht in voller Höhe bestätige.

22 Die Kommission stellt auch die Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers in Frage, mit dem er eine Nichtigerklärung der Schreiben vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994 begehrt, weil darin eine falsche Methode zur Anrechnung seiner Zahlung vom 5. Mai 1994 angewandt werde. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Kommission allerdings eingeräumt, daß sich diese Anrechnung weder aus der Entscheidung vom 25. März 1992 noch aus dem Mitteilungsschreiben vom selben Tag ergebe. Er hat die Beurteilung der Zulässigkeit dieses Antrags des Klägers daher in das Ermessen des Gerichts gestellt.

23 Nach Ansicht des Klägers bilden die Schreiben der Kommission vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994 zusammengenommen eine anfechtbare Entscheidung im Sinne des Artikels 173 des Vertrages. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, daß alle Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugten, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigten, Handlungen oder Entscheidungen seien, gegen die die Anfechtungsklage nach Artikel 173 gegeben sei (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9).

24 Der Kläger macht dazu geltend, daß die Schreiben vom 7. Juni und 15. Juli 1994 dadurch, daß er darin zur Zahlung des Betrages von 433 301,37 ECU aufgefordert worden sei, seine finanziellen Interessen schwer beeinträchtigten und seine Rechtsstellung gegenüber der durch die Entscheidung vom 25. März 1992 und das Mitteilungsschreiben vom selben Tag begründeten Rechtsstellung erheblich geändert hätten. Der verbindliche Charakter der Verpflichtung zur Begleichung des Betrages von 433 301,37 ECU für Verzugszinsen auf die Geldbusse von 2 000 000 ECU ergebe sich nämlich weder aus der Entscheidung vom 25. März 1992 noch aus dem Schreiben, mit dem ihm diese Entscheidung bekanntgegeben worden sei, noch aus dem Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994. So habe die Kommission, indem sie in ihrer Entscheidung vom 25. März 1992 verfügt habe, daß "gegen das Groupement... eine Geldbusse in Höhe von 5 000 000 ECU... festgesetzt [wird]" und daß "nach Ablauf dieser Frist (drei Monate nach Bekanntgabe dieser Entscheidung) auf den Betrag dieser Geldbusse Zinsen... berechnet [werden]", eine Entscheidung über die Erhebung von Verzugszinsen auf die mit der Entscheidung vom 25. März 1992 festgesetzte Geldbusse getroffen, die Erhebung solcher Zinsen aber nicht auf die später vom Gericht im Rahmen einer Nichtigkeitsklage und aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzte Geldbusse ausgedehnt.

25 Der Kläger führt weiter aus, daß erst als die Kommission die Einziehung der vom Gericht aufgrund eigener Befugnis festgesetzten Geldbusse betrieben habe, im Verlauf eines durch die Schreiben vom 7. Juni und 15. Juli 1994 bestätigten Telefongesprächs erstmals die Möglichkeit angesprochen worden sei, eine automatische Anpassung der Geldbusse dadurch vorzunehmen, daß die Laufzeit der Zinsen schon vor dem Urteil des Gerichts beginnen sollte. Indem die Kommission ihr Schreiben vom 7. Juni 1994 selbst als "Stellungnahme der Kommission" bezeichnet habe, habe sie implizit zugegeben, daß diese eine Handlung darstelle, die zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemacht werden könne.

26 Zu seinem Hilfsantrag führt der Kläger aus, daß die Kommission, indem sie seine Zulässigkeit bestreite, die grundsätzliche Frage der Vereinbarkeit der Entscheidung mit dem Gemeinschaftsrecht der Kontrolle des Gemeinschaftsrichters entziehen wolle.

Würdigung durch das Gericht

27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts sind Klagen, die sich gegen Entscheidungen richten, die lediglich frühere, nicht rechtzeitig angefochtene Entscheidungen bestätigen, unzulässig (Urteile des Gerichtshofes Irish Cement/Kommission, a. a. O., Randnr. 16, vom 25. Mai 1993 in der Rechtssache C-199/91, Foyer culturel du Sart-Tilman/Kommission, Slg. 1993, 2667, Randnrn. 23 und 24, sowie Urteil des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-0000, Randnr. 44).

28 Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Kommission, indem sie die Zahlung von Verzugszinsen auf den Betrag der vom Gericht am 23. Februar 1994 festgesetzten Geldbusse ab dem 30. Juni 1992 verlangt hat, einen neuen Gesichtspunkt eingeführt hat, der geeignet war, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine erhebliche Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen konnten (Urteil des Gerichts, Cobrecaf u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 45), oder ob sie damit lediglich die durch die Entscheidung vom 25. März 1992, das Bekanntgabeschreiben vom selben Tag und die Bankbürgschaft des Klägers geschaffene Situation bestätigt hat.

29 Die Kommission hat in ihrem Antwortschreiben vom 7. Juni 1994 auf das Vorbringen des Klägers, die sich aus dem Urteil AEG/Kommission (a. a. O.) ergebende Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen auf Geldbussen sei auf die Fälle beschränkt, in denen der Gemeinschaftsrichter die Klage als offensichtlich unbegründet abweise und die von der Kommission festgesetzte Geldbusse bestätige, geltend gemacht, daß eine teilweise begründete Klage keinen aussergewöhnlichen Umstand darstellen könne, der geeignet sei, "ein Unternehmen von der Einhaltung der für die Aussetzung der Zahlung der Geldbusse festgelegten Bedingungen zu entbinden". Ausserdem hat sie die Auffassung vertreten, daß diese Bedingungen vom Gerichtshof in seinen Beschlüssen vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 107/82 R (AEG/Kommission, Slg. 1982, 1549) und Hasselblad/Kommission, Klöckner Werke/Kommission und Finsider/Kommission (a. a. O.) gebilligt worden seien und daß der Kläger sie durch Stellung der Bankbürgschaft akzeptiert habe.

30 Nachdem sich der Kläger damit nicht einverstanden gezeigt hatte, hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 15. Juli 1994 geantwortet, daß "es keinen Anhaltspunkt für eine Auslegung des Urteils AEG dahin gibt, daß der Gerichtshof die Berechnung von Zinsen nur auf offensichtlich unbegründete Klagen habe beschränken wollen", und sie hat ihr Erstaunen darüber geäussert, daß, falls diese Auslegung begründet sein sollte, der Gerichtshof bei der Bestätigung der Praxis der Kommission unerwähnt gelassen hätte, welche drastischen Einschränkungen dieser Praxis aufzuerlegen seien.

31 Daraus ergibt sich, daß der Kläger erst den beiden Schreiben vom 7. Juni 1994 und vom 15. Juli 1994, in denen die Kommission ihre Meinung zur Auslegung des Urteils AEG/Kommission darlegte, zusammen entnehmen konnte, daß die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der festgesetzten Geldbusse sich nach Ansicht der Kommission auch auf die Fälle erstreckte, in denen der Gemeinschaftsrichter den Betrag dieser Geldbusse weiter herabgesetzt und damit der gegen diese Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage teilweise stattgegeben hatte.

32 Die angefochtenen Schreiben beschränken sich somit nicht auf eine Bestätigung der Bedingungen, von denen die Kommission in ihrem Bekanntgabeschreiben vom 25. März 1992 die Aussetzung der Zahlung der Geldbusse für die Dauer des Rechtsstreits abhängig gemacht hatte, sondern enthalten insofern einen neuen Gesichtspunkt, als sie einen Standpunkt der Kommission erkennen lassen, der weder aus der Entscheidung vom 25. März 1992 noch aus dem Bekanntgabeschreiben vom selben Tag eindeutig und ausdrücklich hervorging.

33 Der Hauptantrag auf Nichtigerklärung der Schreiben vom 7. Juni und 15. Juli 1994 ist daher zulässig.

34 Folglich ist auch der Hilfsantrag, der die Anrechnung der vom Kläger am 5. Mai 1994 geleisteten Zahlung betrifft und eng mit dem Hauptantrag zusammenhängt, als zulässig zu betrachten. Der Kläger konnte jedenfalls erst dem Schreiben vom 7. Juni 1994 entnehmen, welche Anrechnung die Kommission vorgenommen hatte.

35 Aus alldem ergibt sich, daß die Klage zulässig ist.

Zur Begründetheit

Zum Hauptantrag auf Nichtigerklärung der Schreiben vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994

36 Der Kläger stützt seine Klage im wesentlichen auf drei Klagegründe. Der erste Klagegrund betrifft das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Erhebung von Verzugszinsen auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Geldbusse, der zweite Klagegrund betrifft die Unzuständigkeit der Verfasser und Unterzeichner der angefochtenen Schreiben, und mit dem dritten Klagegrund wird geltend gemacht, daß die Erhebung von Verzugszinsen auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Geldbusse eine Beeinträchtigung des Klagerechts darstelle.

Erster Klagegrund: Fehlende Rechtsgrundlage

Vorbringen der Parteien

37 Der Kläger trägt vor, daß die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen auf Geldbussen keiner Vorschrift des Gemeinschaftsrechts zu entnehmen und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil AEG/Kommission, a. a. O.) nur deshalb gerechtfertigt sei, weil die Erhebung von offensichtlich unbegründeten Klagen verhindert werden müsse, die ausschließlich darauf abzielten, die Zahlung der Geldbusse zu verzögern. Dies könne hier aber nicht der Fall sein, denn das Gericht habe dadurch, daß es die gegen den Kläger verhängte Geldbusse auf 40 % des von der Kommission festgesetzten Betrages festgesetzt und der Kommission die Hälfte der Kosten des Klägers auferlegt habe, der Klage weitgehend stattgegeben.

38 Die Beschlüsse Hasselblad/Kommission, Klöckner Werke/Kommission und Finsider/Kommission (a. a. O.), auf die sich die Kommission zur Begründung ihrer Zinsforderung berufe, beträfen lediglich die der Kommission zuerkannte Befugnis, im Falle der Aussetzung der Zahlung einer Geldbusse eine Bankbürgschaft zu verlangen, jedoch nicht die Berechnung von Verzugszinsen auf eine vom Gemeinschaftsrichter festgesetzte Geldbusse. Als der Gerichtshof im Beschluß vom 5. Juli 1983 in der Rechtssache 78/83 R (Usinor/Kommission, Slg. 1983, 2183) die Aussetzung der Zahlung eines Teiles der Geldbusse von der "Stellung einer Bankbürgschaft, die die Zahlung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbusse nebst eventueller Verzugszinsen... garantiert", abhängig gemacht habe, habe er lediglich die Zinsen für die von der Kommission festgesetzte Geldbusse gemeint, nicht aber die Zinsen für die vom Gemeinschaftsrichter im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzte Geldbusse.

39 Im vorliegenden Fall unterscheide sich die durch das Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 festgesetzte Geldbusse rechtlich von derjenigen, die die Kommission in ihrer Entscheidung vom 25. März 1992 festgesetzt habe. In Randnummer 147 und im Tenor des Urteils vom 23. Februar 1994 werde im Hinblick auf die Geldbusse der Begriff "festsetzen" und nicht der Begriff "herabsetzen" gebraucht. In Randnummer 147 des Urteils des Gerichts heisse es ferner, daß "die... Geldbusse von 5 000 000 ECU im Verhältnis zur Art und Schwere des Verstosses nicht angemessen [ist]", und das Gericht habe die von der Kommission als erschwerend berücksichtigten Umstände nicht als solche gewertet. Schließlich habe die Kommission selbst eingeräumt, daß eine erhöhte Geldbusse, zu deren Festsetzung das Gericht befugt sei, erst ab dem Datum des Urteils Zinsen trage.

40 Nach Ansicht des Klägers verkennt die Kommission die dem Gemeinschaftsrichter übertragene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung wie auch die Bedeutung der Artikel 172 des Vertrages und 17 der Verordnung Nr. 17, wenn sie die Auffassung vertrete, daß das Gericht keine von der Kommission festgesetzte Geldbusse aufheben könne, um "diese durch seine eigene zu ersetzen". Er verweist dazu auf die Schlussanträge des Generalanwalts Warner in den Rechtssachen 32/78, 36/78 und 82/78 (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979, BMW Belgium/Kommission, Slg. 1979, 2435, 2494), wonach "die Befugnisse des Gerichtshofes nach Artikels 17 der Verordnung Nr. 17... sehr weit [gehen] und... [ausreichen], um dem Gerichtshof in jedem Fall die Schritte zu ermöglichen, die er für eine gerechte Entscheidung für erforderlich hält".

41 Die Kommission macht zunächst geltend, daß die Entscheidungen, die sie erlasse, schon mit ihrer Bekanntgabe wirksam würden, und daß Klagen bei dem Gemeinschaftsrichter gemäß Artikel 185 des Vertrages keine aufschiebende Wirkung hätten. Daher sei die Kommission befugt, Geldbussen schon ab Bekanntgabe einer Entscheidung, mit der sie verhängt würden, beizutreiben, und es sei gegebenenfalls Sache der Parteien, gemäß Artikel 104 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Maßnahme zu beantragen.

42 Die Kommission habe ihre anfängliche Haltung bei Klagen gegen Entscheidungen zur Verhängung von Geldbussen, nämlich die Zahlung der Geldbusse bis zur Entscheidung des Gerichtshofes auszusetzen, 1981 geändert und mache diese Aussetzung seitdem von zwei Bedingungen abhängig, nämlich von der Zahlung von Verzugszinsen und von der Stellung einer die Geldbusse zuzueglich Zinsen abdeckenden Bankbürgschaft (vgl. den Zwölften Bericht über den Wettbewerb, Randnr. 60). Sie fügt hinzu, daß der Gerichtshof in seinen Beschlüssen AEG/Kommission, Hasselblad/Kommission, Klöckner Werke/Kommission und Finsider/Kommission (a. a. O.) anerkannt habe, daß diese neue allgemeine Verhaltensregel ausser in Sonderfällen gerechtfertigt sei.

43 Die Kommission weist in diesem Zusammenhang die Auslegung der Rechtsprechung des Gerichtshofes durch den Kläger zurück und trägt vor, daß die zitierten Beschlüsse sich ebenso auf die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen wie auf die Verpflichtung zur Stellung einer Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der Zinsen bezögen. Das Urteil AEG/Kommission (a. a. O.) könne ausserdem nicht so verstanden werden, daß es die Berechnung von Verzugszinsen nur dann zulasse, wenn die Klage für offensichtlich unbegründet erklärt werde. In den Schlussanträgen des Generalanwalts Reischl, denen der Gerichtshof in seinem Urteil gefolgt sei, finde sich kein Hinweis auf eine solche Einschränkung.

44 Zu dem angeblichen Unterschied zwischen der von der Kommission und der vom Gemeinschaftsrichter im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzten Geldbusse trägt die Kommission vor, daß der Gemeinschaftsrichter aufgrund der ihm durch Artikel 172 übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nach dem Wortlaut von Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 befugt sei, "die festgesetzte Geldbusse oder das festgesetzte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen", doch könne er nicht die von der Kommission festgesetzte Geldbusse durch eine eigene ersetzen, die sich von der ersteren rechtlich unterscheide. Entgegen der Behauptung des Klägers, die Erhöhung der Geldbusse stelle den Beweis für den Unterschied zwischen der von der Kommission und der vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Geldbusse dar, bedeute die Erhöhung der Geldbusse notwendig, daß sich die vom Gemeinschaftsrichter entschiedene Erhöhung auf die von der Kommission festgesetzte Geldbusse beziehe.

45 Der Tenor und Randnummer 147 des Urteils vom 23. Februar 1994 seien, obwohl das Gericht im Zusammenhang mit der Geldbusse den Begriff "festsetzen" verwende, im Lichte von Randnummer 142 des Urteils zu verstehen, denn dort habe das Gericht entschieden: "Somit obliegt es dem Gericht, im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung zu beurteilen, ob die der Klägerin auferlegte Geldbusse herabzusetzen ist."

Würdigung durch das Gericht

46 Gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission Geldbussen gegen Unternehmen festsetzen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 oder Artikel 86 des Vertrages verstossen oder einer im Rahmen einer Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erteilten Auflage zuwiderhandeln.

47 Die der Kommission in diesem Zusammenhang eingeräumte Befugnis umfasst das Recht, den Fälligkeitstermin für die Geldbusse und den Beginn der Laufzeit der Verzugszinsen zu bestimmen, den Zinssatz für diese Zinsen und die Einzelheiten der Durchführung ihrer Entscheidung festzulegen, wobei sie gegebenenfalls die Stellung einer Bankbürgschaft verlangen kann, die die Hauptforderung und die Zinsen für die festgesetzte Geldbusse abdeckt.

48 Hätte sie diese Befugnis nämlich nicht, so käme es durch den Vorteil, den die Unternehmen aus der verspäteten Zahlung der Geldbussen ziehen könnten, zu einer Abschwächung der Sanktionen, die die Kommission im Rahmen der ihr durch Artikel 89 des Vertrages übertragenen Aufgabe, auf die Verwirklichung der Wettbewerbsregeln zu achten, verhängt hat. So ist die Berechnung von Verzugszinsen auf Geldbussen gerechtfertigt, um zu verhindern, daß die praktische Wirksamkeit des Vertrages durch einseitiges Verhalten von Unternehmen unterlaufen wird, die die Zahlung der Geldbussen hinauszögern, zu denen sie verurteilt worden sind.

49 Hätte die Kommission nicht das Recht, zusätzlich zu den Geldbussen auch Verzugszinsen zu verlangen, so wären ausserdem Unternehmen, die die Zahlung ihrer Geldbussen hinauszögern, gegenüber den Unternehmen im Vorteil, die ihre Geldbussen am festgesetzten Fälligkeitstermin zahlen.

50 Ferner sind die Entscheidungen der Kommission, die eine Zahlung auferlegen, gemäß Artikel 192 des Vertrages vollstreckbare Titel, soweit es sich bei den zahlungspflichtigen Personen nicht um Staaten handelt.

51 Ausserdem haben Klagen beim Gemeinschaftsrichter gemäß Artikel 185 des Vertrages keine aufschiebende Wirkung.

52 Daraus folgt, daß die Entscheidungen der Kommission ab ihrer Bekanntgabe vollstreckbar sind und daß die darin festgesetzten Geldbussen nach Ablauf der von der Komission in der Entscheidung festgelegten Frist fällig werden. Die Kommission hat daher für den Fall, daß die Geldbusse nicht innerhalb der Frist gezahlt würde, die sie in ihrer gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erlassenen Entscheidung vom 25. März 1992 festgesetzt hatte, zu Recht Verzugszinsen verlangt.

53 Ebenfalls zu Recht verlangt die Kommission für den Fall, daß Unternehmen gegen Entscheidungen, mit denen eine Geldbusse gegen sie verhängt wird, Klage erheben, gemäß ihrer seit 1981 verfolgten allgemeinen Verhaltensregel die Stellung einer Bankbürgschaft als Sicherheit für die eventuelle Zahlung der Geldbusse, gegebenenfalls zuzueglich der Verzugszinsen (vgl. die Beschlüsse des Gerichtshofes AEG/Kommission, Hasselblad/Kommission, Klöckner Werke/Kommission und Finsider/Kommission, a. a. O.).

54 Folglich hat ein Unternehmen, das gegen eine Entscheidung der Kommission Klage erhebt, mit der ihm eine Geldbusse auferlegt wurde, die Wahl, entweder die Geldbusse bei Fälligkeit zu zahlen, gegebenenfalls zuzueglich der Verzugszinsen zu dem Zinssatz, den die Kommission in ihrer Entscheidung festgelegt hat (im vorliegenden Fall zum EFWPZ-Zinssatz, zuzueglich dreieinhalb Prozentpunkte), oder gemäß Artikel 185 Satz 2 des Vertrages und Artikel 104 der Verfahrensordnung des Gerichts die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung zu beantragen, oder schließlich, falls die Kommission ihm dies ermöglicht, eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der Verzugszinsen zu den von der Kommission festgelegten Bedingungen (im vorliegenden Fall waren die Verzugszinsen nach dem Zinssatz des EFWPZ, zuzueglich eineinhalb Prozentpunkte, zu berechnen) zu stellen.

55 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß sich der Kläger nach Erhebung der gegen die Entscheidung der Kommission vom 25. März 1992 gerichteten Klage T-39/92 für die Stellung einer Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der Verzugszinsen entschieden hat.

56 Der Kläger vertritt jedoch die Auffassung, daß die Stellung dieser Bankbürgschaft nur im Hinblick auf die von der Kommission in ihrer Entscheidung vom 25. März 1992 festgesetzte Geldbusse Wirkungen gehabt haben könne, aber nicht im Hinblick auf die vom Gericht in seinem Urteil vom 23. Februar 1994 festgesetzte Geldbusse.

57 Daher ist zu prüfen, ob sich die von der Kommission verhängte Geldbusse, wie der Kläger vorträgt, rechtlich von der Geldbusse unterscheidet, die der Gemeinschaftsrichter in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzt hat, und ob dieser Unterschied die Wirkungen der vom Kläger gestellten Bankbürgschaft begrenzen kann.

58 Schon aus dem Wortlaut des Artikels 17 der Verordnung Nr. 17 ergibt sich, daß sich die dem Gemeinschaftsrichter im Hinblick auf die Anwendung der Wettbewerbsregeln übertragene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, aufgrund deren er die von der Kommission festgesetzte Geldbusse aufheben, herabsetzen oder erhöhen kann, auf die ursprünglich von der Kommission verhängte Geldbusse bezieht und auf diese beschränkt.

59 Des weiteren ist der Gemeinschaftsrichter im Rahmen des Wettbewerbsrechts nicht befugt, eine Geldbusse zu verhängen; die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung steht ihm nur zu, um über Geldbussen zu entscheiden, die mit einer Entscheidung der Kommission festgesetzt wurden. Schließlich kann das Vorbringen des Klägers, im Fall einer Erhöhung der Geldbusse trage der Betrag, um den die Geldbusse erhöht worden sei, erst ab Erlaß des Urteils Zinsen, seine Auffassung nicht stützen. Da nämlich dieser Teil der Geldbusse selbst erst mit dem Erlaß des Urteils fällig wird, kann auch die Laufzeit der entsprechenden Zinsen nach dem Grundsatz, daß die Nebenforderung von der Hauptforderung abhängig ist, erst an diesem Tag beginnen.

60 Folglich ist der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der ihm durch Artikel 172 des Vertrages und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 übertragenen Befugnisse nicht befugt, die von der Kommission verhängte Geldbusse durch eine neue, rechtlich von dieser verschiedene Geldbusse zu ersetzen.

61 Gegen diese Schlußfolgerung spricht weder die Verwendung des Begriffs "festsetzen" in Randnummer 147 und im Tenor des Urteils des Gerichts noch der Umstand, daß der Gemeinschaftsrichter nach der Entscheidung neu hinzugetretene Gesichtspunkte berücksichtigen darf, wenn er eine niedrigere Geldbusse festsetzt als vorher die Kommission.

62 Was den Gebrauch des Begriffs "festsetzen" angeht, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichshofes (Urteil vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris/Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnr. 27), daß der Tenor eines Urteils im Lichte der Gründe zu verstehen ist, die zu ihm geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, daß sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerläßlich sind.

63 Das Gericht hat in Randnummer 142 seines Urteils vom 23. Februar 1994 eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß es ihm oblag, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung zu beurteilen, ob die dem Kläger auferlegte Geldbusse herabzusetzen war, weil es zu dessen Lasten im Gegensatz zur Kommission nur eine verbotene Vereinbarung als erwiesen ansah. Ausserdem hat das Gericht, indem es die geringere Schwere des dem Kläger letztlich nachgewiesenen Verstosses berücksichtigt hat, um dann einen geringeren Betrag der Geldbusse festzusetzen, in den die Geldbusse betreffenden Gründen klar zum Ausdruck gebracht, daß es mit seiner Entscheidung die von der Kommission ursprünglich verhängte Geldbusse herabsetzen, aber nicht durch eine neue, andere Geldbusse ersetzen wollte. Der Begriff "festsetzen" kann also nicht in dem Sinne verstanden werden, den der Kläger ihm zuschreibt.

64 Der Umstand, daß der Gemeinschaftsrichter nach der Entscheidung der Kommission aufgetretene Gesichtspunkte, insbesondere das Verhalten eines Betroffenen in der Zeit nach der Entscheidung, berücksichtigen kann, um auf eine geringere Geldbusse zu erkennen als die von der Kommission verhängte, kann der vom Gericht festgesetzten Geldbusse keinen anderen Rechtscharakter verleihen, als ihn die von der Kommission verhängte Geldbusse hat. Im Urteil vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223), auf das sich der Kläger zur Begründung seiner Auffassung beruft, hat der Gerichtshof gerade die von der Kommission festgesetzte Geldbusse "herabgesetzt", obwohl dabei das Verhalten des Betroffenen nach der Entscheidung berücksichtigt wurde.

65 Aus alldem ergibt sich, daß im vorliegenden Fall die vom Gericht festgesetzte Geldbusse keine neue Geldbusse ist, die sich rechtlich von derjenigen unterscheidet, die die Kommission in ihrer Entscheidung vom 25. März 1992 verhängt hat, und daß sie die Wirkungen der vom Kläger gestellten Bankbürgschaft nicht einschränken kann. Die Kommission fordert daher zu Recht die Zahlung von Verzugszinsen ab Fälligkeit der mit ihrer Entscheidung verhängten Geldbusse auf die vom Gericht in seinem Urteil vom 23. Februar 1994 festgesetzte Geldbusse.

66 Der Klagegrund der fehlenden Rechtsgrundlage ist daher zurückzuweisen.

Zweiter Klagegrund: Unzuständigkeit der Unterzeichner der Schreiben vom 7. Juni und 15. Juli 1994

Vorbringen der Parteien

67 Der Kläger macht geltend, daß die angefochtene Entscheidung, wie sie sich aus den Schreiben vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994 ergebe, nicht einer blossen Verwaltungs- oder Geschäftsführungsmaßnahme gleichgestellt werden könne, die aufgrund einer Ermächtigung getroffen werden könne, sondern daß sie eine Grundsatzentscheidung darstelle (vgl. das Urteil des Gerichtshofes vom 23. September 1986 in der Rechtssache 5/85, Akzo Chemie/Kommission, Slg. 1986, 2585, Randnrn. 29 und 34 bis 39), da sie eine echte Stellungnahme der Kommission sei, die keine Rechtsgrundlage besitze und darüber hinaus das Klagerecht der Bürger einschränke. Die streitige Entscheidung sei somit auf rechtswidrige Weise zustande gekommen, weil sie von einem Mitarbeiter des Juristischen Dienstes und dem Rechnungsführer der Kommission erlassen worden sei, die nicht befugt seien, die Kommission im Rahmen einer Entscheidung zu binden.

68 Die Kommission entgegnet darauf, daß die angefochtenen Schreiben sich darauf beschränkten, den Kläger an seine Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen zu erinnern, die er auf das Schreiben vom 25. März 1992, mit dem ihm die Entscheidung bekanntgegeben worden sei, durch Stellung der Bankbürgschaft übernommen habe, und daß sie keine Entscheidung im Sinne von Artikel 189 des Vertrages darstellten. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts geantwortet, selbst wenn die angefochtenen Schreiben als eine durch Klage anfechtbare Entscheidung angesehen werden könnten, stelle eine solche Entscheidung jedenfalls eine blosse Geschäftsführungs- oder Verwaltungsmaßnahme dar, die aufgrund einer Ermächtigung getroffen werden könne.

Würdigung durch das Gericht

69 Gemäß Artikel 11 ihrer Geschäftsordnung vom 17. Februar 1993 (ABl. L 230, S. 15) kann die Kommission ° unter der Voraussetzung, daß der Grundsatz der kollegialen Verantwortlichkeit voll gewahrt bleibt ° eines oder mehrere ihrer Mitglieder ermächtigen, in ihrem Namen und vorbehaltlich ihrer Kontrolle eindeutig umschriebene Maßnahmen der Geschäftsführung und der Verwaltung zu treffen. Tatsächlich stellt die Übertragung der Zeichnungsberechtigung innerhalb eines Organs eine Maßnahme der internen Organisation der Dienststellen der Gemeinschaftsverwaltung dar, die mit Artikel 11 der Geschäftsordnung der Kommission vom 17. Februar 1993 vereinbar ist (vgl. z. B. die Urteile vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, und vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72, Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977), und Beamte können ermächtigt werden, im Namen und vorbehaltlich der Kontrolle der Kommission Maßnahmen der Geschäftsführung und Verwaltung zu treffen.

70 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P, Kommission/BASF u. a., Slg. 1994, I-2555, Randnrn. 64 und 65, und Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-79/89, T-84/89, T-85/89, T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89, BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315, Randnr. 59) ergibt sich, daß Maßnahmen, die für die Bürger Rechte und Pflichten begründen, Entscheidungen darstellen, die von den Mitgliedern der Kommission gemeinsam beraten werden müssen, während Maßnahmen, die diese Entscheidungen lediglich bestätigen, als ergänzende Maßnahmen solche der Geschäftsführung darstellen, die aufgrund einer Ermächtigung getroffen werden können (Urteil Akzo Chemie/Kommission, a. a. O., Randnr. 38).

71 Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung, mit der die Kommission auf ein Urteil des Gerichts hin, das eine Bußgeldentscheidung, die auch Verzugszinsen vorsah, teilweise bestätigt hat, die Zahlung von Verzugszinsen verlangt, als Maßnahme zur Durchführung der ursprünglichen Entscheidung zur Festsetzung der Geldbusse und der Zinsen und damit als blosse Verwaltungs- und Geschäftsführungsmaßnahme zu betrachten.

72 Ausserdem hat der Kläger nichts vorgetragen, was die Annahme begründen könnte, daß die Gemeinschaftsverwaltung sich nicht an die auf diesem Gebiet geltenden Vorschriften gehalten hätte, indem sie ihren Juristischen Dienst und ihre Rechnungsführung mit der Beitreibung der Geldbussen beauftragt hat.

73 Der Klagegrund der Unzuständigkeit der Unterzeichner der Schreiben vom 7. Juni und 15. Juli 1994 ist daher zurückzuweisen.

Dritter Klagegrund: Beeinträchtigung des Klagerechts

Vorbringen der Parteien

74 Der Kläger macht geltend, daß die von der Kommission vorgenommene Berechnung von Zinsen eine Beeinträchtigung des Klagerechts darstelle, da sie damit gegen einen Wirtschaftsteilnehmer nur deshalb eine Sanktion verhänge, weil er eine Nichtigkeitsklage erhoben habe, der das Gericht doch weitgehend stattgegeben habe; damit sei die Zinsforderung eine echte Sanktion, die noch zu der Geldbusse hinzukomme. Der Betrag der Zinsen stelle eine zusätzliche Sanktion dar, da er im Verhältnis zu der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht stehe, obwohl diese Dauer nicht der Partei zugerechnet werden dürfe, die von ihrem Klagerecht Gebrauch mache.

75 Der Kläger bestreitet auch, daß er die Zinsbelastung durch Zahlung der Geldbusse bei Fälligkeit hätte vermeiden können, denn bei sofortiger Zahlung der Geldbusse hätte er durch die keinen Gewinn bringende Festlegung von drei Millionen ECU einen finanziellen Verlust erlitten, den er auf 450 000 ECU schätzt, weil die Kommission sich weigere, die Zinsbelastung für zu Unrecht gezahlte Geldbussen zu übernehmen. Daher sei die Einsparung der Kosten, die die Festlegung der von der Kommission zu Unrecht geforderten Beträge mit sich gebracht hätte, der einzige Vorteil, der ihm aus der Stellung einer Bankbürgschaft erwachsen sei.

76 Der Kläger wirft der Kommission vor, sie vergleiche, um den geringeren Zinssatz bei der ersten Geldbusse zu rechtfertigen, ein Unternehmen, das klage und eine Bankbürgschaft stelle, mit einem Unternehmen, das nicht klage und sich weigere, seiner Verpflichtung zur Zahlung der Geldbusse nachzukommen. Die Situation eines Unternehmens, dessen Klage das Gericht wie im vorliegenden Fall weitgehend stattgegeben habe, lasse sich nicht mit der eines Unternehmens vergleichen, das sich böswillig weigere, die Geldbusse zu zahlen, ohne sie durch eine Klage anzufechten.

77 Schließlich trägt der Kläger vor, es sei Sache des Gerichts, bei der Festsetzung der Geldbusse im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Auferlegung von Verzugszinsen zu entscheiden, denn die Kommission sei nicht berechtigt, die Wirkungen ihr ungünstiger Urteile durch systematische Neubewertung der vom Gericht festgesetzten Geldbusse abzuschwächen.

78 Die Kommission macht zunächst geltend, daß man nicht danach unterscheiden dürfe, ob Unternehmen Klage erhöben oder nicht, sondern danach, ob Unternehmen die gegen sie festgesetzte Geldbusse bei Fälligkeit zahlten oder nicht. Die Unternehmen, die sich für die Stellung einer Bankbürgschaft entschieden, hätten nämlich den Vorteil, daß ihnen ein günstigerer Zinssatz gewährt werde als den Unternehmen, die sich weigerten, die auferlegte Geldbusse zu zahlen. Nach Ansicht der Kommission sind die für die Stellung einer Bankbürgschaft anfallenden Bankspesen nicht so hoch, daß sie diesen Vorteil zunichte machten.

79 Die Kommission weist darauf hin, daß der Kläger im Rahmen seiner Klage T-39/92 den "ausgesprochenen Strafcharakter" des von ihr angewandten Zinssatzes nicht gerügt habe. Jedenfalls hätte der Kläger die Zahlung des von der Kommission verlangten Zinssatzes durch Inanspruchnahme eines zinsgünstigeren Kredits und Zahlung der Geldbusse bei Fälligkeit vermeiden können.

80 Die vom Kläger vertretene Auffassung, nach der sie nur dann einen Anspruch auf Verzugszinsen habe, wenn die Klage in vollem Umfang abgewiesen werde, würde im übrigen dazu führen, daß Unternehmen, deren Klage ° wenn auch in einem sehr geringen Umfang ° stattgegeben würde, besser gestellt würden als Unternehmen, die ihre Geldbusse verspätet zahlten, denn erstere wären dann von jeder Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen befreit, obwohl sie einen Teil der Geldbusse zu spät gezahlt hätten. Diese Auffassung würde auch den Grundsatz des Artikels 185 des Vertrages aushöhlen.

Würdigung durch das Gericht

81 Die der Kommission durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingeräumte Befugnis zur Festsetzung von Geldbussen umfasst auch das Recht, im Fall der Nichtzahlung der Geldbusse Verzugszinsen zu verlangen.

82 Wenn sie also einem Unternehmen, das gegen eine Bußgeldentscheidung Klage erhebt, die Möglichkeit einräumt, die sofortige Zahlung der Geldbusse dadurch zu vermeiden, daß es eine Bankbürgschaft zur Sicherung der Zahlung der Geldbusse und der entsprechenden Zinsen stellt, so gewährt sie ihm damit eine Vergünstigung, die sich weder aus den Vorschriften des Vertrages noch aus denen der Verordnung Nr. 17 ergibt.

83 Darüber hinaus ist zum einen der von der Kommission im Fall der Stellung einer Bankbürgschaft berechnete Zinssatz niedriger ist als derjenige, den sie im Fall der Nichtzahlung der Geldbusse verlangt (11,75 %), und zum anderen hat das betroffene Unternehmen die Möglichkeit, die Geldbusse bei Fälligkeit zu zahlen, so daß es nicht gezwungen ist, Verzugszinsen zu zahlen.

84 Der Kläger ist jedoch der Ansicht, daß ein Unternehmen, dessen Geldbusse vom Gemeinschaftsrichter herabgesetzt werde, strenger bestraft werde als ein Unternehmen, das keine Klage erhebe, oder ein Unternehmen, dessen Klage abgewiesen werde.

85 Dazu ist festzustellen, daß ein Unternehmen, dessen Klage abgewiesen wird, die Belastung des gesamten Betrages der Geldbusse mit Zinsen zum niedrigeren Zinssatz zu tragen hat, und daß ein Unternehmen, das keine Klage erhebt, die Belastung des gleichen Betrages mit Zinsen zum vollen Zinssatz zu tragen hat. Wenn der Gemeinschaftsrichter dagegen der Klage teilweise stattgibt und den Betrag der von der Kommission verhängten Geldbusse herabsetzt, sinkt auch die Belastung des Unternehmens mit Zinsen zum niedrigeren Zinssatz nach Maßgabe des Betrages der so festgesetzten Geldbusse.

86 Da im übrigen die Änderung der Geldbusse durch den Gemeinschaftsrichter deren Rechtsnatur nicht ändert und da Klagen keine aufschiebende Wirkung haben, darf die Kommission Unternehmen, deren Klage teilweise stattgegeben wurde, nicht von ihrer Verpflichtung freistellen, ab Fälligkeit der von der Kommission verhängten Geldbusse Zinsen auf den vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Betrag der Geldbusse zu zahlen, und damit die Wirkungen der von dem betroffenen Unternehmen gestellten Bankbürgschaft zunichte machen.

87 Der Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen auf den Betrag der vom Gemeinschaftsrichter festgesetzten Geldbusse eine Einschränkung des Klagerechts darstelle, greift daher nicht durch.

88 Aus alldem ergibt sich, daß der Hauptantrag auf Nichtigerklärung der Schreiben vom 7. Juni 1994 und 15. Juli 1994 zurückzuweisen ist.

Zum Hilfsantrag: Die Methode zur Anrechnung der vom Kläger geleisteten Zahlungen

Vorbringen der Parteien

89 Der Kläger wirft der Kommission vor, sie habe die von ihm am 5. Mai 1994 geleistete Zahlung der Geldbusse von 2 000 000 ECU zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet und ihn damit zur Zahlung von Zinsen auf den Restbetrag gezwungen. Das Gemeinschaftsrecht biete für eine solche Handlungsweise keinerlei Rechtsgrundlage. Die Kommission, die eingeräumt habe, daß sie sich am französischen Recht auf diesem Gebiet, insbesondere an Artikel 1254 des französischen Code Civil orientiert habe, habe ausserdem auf die Geldbussen keine für zivilrechtliche Verpflichtungen geltende Vorschrift anwenden dürfen. Wenn ein Schuldner erklärt habe, auf die Hauptschuld zahlen zu wollen, dann könne der Gläubiger, dem diese Erklärung zugegangen sei, diese Anrechnung nicht mehr in Frage stellen. Das gleiche gelte auch, wenn sich aus irgendeiner Handlung des Gläubigers ergebe, daß dieser mit der Anrechnung auf die Hauptforderung einverstanden sei. Im vorliegenden Fall habe der Kläger eindeutig erklärt, auf die Hauptforderung zahlen zu wollen, denn er habe in seinem Schreiben vom 5. Mai 1994 darauf hingewiesen, daß der Betrag von 2 000 000 ECU keine Zinsen tragen könne.

90 Wenn die Kommission davon ausgehe, daß die angewandte Methode dem Grundsatz guten Finanzgebarens entspreche, verwechsele sie ihre Verwaltungs- und Geschäftsführungsaufgaben mit den Aufgaben, die sie als marktregelnde Behörde wahrnehme, denn dabei stuenden ihr auch repressive Befugnisse zu, die sie nicht nach den für ihr Finanzgebaren geltenden Grundsätzen ausüben dürfe.

91 Die Kommission ist der Ansicht, daß sich die Anrechnungsmethode, der sie gefolgt sei, aus einer allgemein anerkannten Übung ergebe, deren Grundsatz insbesondere im französischen Recht festgeschrieben sei. Als auf finanziellem Gebiet allgemein anerkannte Methode benötige sie keine weitere Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht. Diese Regel ergebe sich auch aus den internen Verfahrensvorschriften der Kommission zur Beitreibung von Geldbussen und Zwangsgeldern und sei noch nie Gegenstand irgendwelcher Beanstandungen gewesen. Der Kläger trage im übrigen keine rechtlichen oder praktischen Gesichtspunkte vor, die die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit der von ihr angewandten Methode in Frage stellen könnten.

92 Zum Vorbringen des Klägers, er habe in seinem Schreiben vom 5. Mai 1994 erklärt, auf die Hauptforderung zahlen zu wollen, trägt die Kommission vor, eine Schuld könne nur dann zunächst auf die Hauptforderung angerechnet werden, wenn der Gläubiger seine Zustimmung dazu gebe. Im vorliegenden Fall habe die Kommission sich nie damit einverstanden erklärt, den Betrag von 2 000 000 ECU zunächst auf die Hauptforderung anzurechnen.

Würdigung durch das Gericht

93 Zum einen ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die vom Kläger am 5. Mai 1994 geleistete Zahlung von 2 000 000 ECU zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung angerechnet wurde; zum anderen sei diese Methode zur Anrechnung der Zahlungen in den nationalen Rechtsordnungen allgemein anerkannt.

94 Ausserdem kann die Kommission, die befugt ist, neben der Pflicht zur Zahlung der von ihr festgesetzten Geldbussen auch eine Zinsbelastung für den Fall ihrer Nichtzahlung vorzusehen, auch darüber entscheiden, wie die im Zusammenhang mit diesen Geldbussen geleisteten Zahlungen anzurechnen sind, sofern sie dabei nicht gegen Normen oder allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstösst.

95 Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Gesichtspunkt vorgetragen, aus dem sich ergäbe, daß die Kommission, die bei der Anrechnung der Zahlungen Regeln zugrunde gelegt hat, die in den meisten nationalen Rechtsordnungen anerkannt sind, gegen eine Norm des Gemeinschaftsrechts oder gegen allgemeine Rechtsgrundsätze verstossen hätte.

96 Der Kläger macht vielmehr im wesentlichen geltend, daß das Unternehmen, wenn es die Hauptforderung der Geldbusse begleiche, befugt sei, den Betrag der Verzugszinsen zu konsolidieren, weil die Entscheidung der Kommission vom 25. März 1992 nicht vorsehe, daß Teilzahlungen zunächst auf die Verzugszinsen anzurechnen seien. Diese Auffassung würde aber in der Praxis dazu führen, daß die sich aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergebende Befugnis der Kommission, die Zahlung von Verzugszinsen zu verlangen, jede praktische Wirksamkeit verlöre. Da ein solches Ergebnis vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gewollt sein kann, ist dieses Vorbringen des Klägers zurückzuweisen.

97 Das Vorbringen des Klägers, die Kommission habe akzeptiert, daß seine Zahlung von 2 000 000 ECU zunächst auf die Hauptforderung und dann auf die Zinsen anzurechnen sei, geht nicht über eine blosse Behauptung hinaus, die durch keinerlei Beleg in den Akten gestützt wird.

98 Auch der Hilfsantrag ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

99 Aus alldem ergibt sich, daß die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

100 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Käger trägt die gesamten Kosten.

Ende der Entscheidung

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